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Vergebens war die Mühe, die Sie, verdienstreicher Mann, mit schmerzendem Auge auf die Ruinen Persepolis' sowol als auf die sogenannten Abbildungen Rustam's wandten, gewiß nicht; Sie müssen Sich der unerwartet frühen Erfolge Ihrer Genauigkeit selbst freuen.
1. Die musterhafte Exposition, die de SacyMémoires sur diverses antiquités de la Perse et sur les médailles des rois de la dynastie des Sassanides, par Sylv. de Sacy. Paris 1793. 4. – H. [An Eichhorn schreibt Herder am 11. Juni 1800: »Sie zündeten durch Ihren Sacy, den ich noch immer bei mir habe, zuerst wieder das Flämmchen an.« – D.] von den Inschriften der Nakschi Rustam gegeben, das Alphabet, das er mit Hilfe der griechischen Beischriften nicht nur für die Münzen der Sassaniden, sondern auch für alle Denkmale des spätern Perserreichs entziffert, die glückliche Probe, die er davon bei den Alterthümern des Berges Bisutun, unweit dem kaspischen Meer, gegeben hat, sagen nebst Andern auch Ihnen lauten Dank. Wie manches andere Denkmal wird sich künftig noch der gefundenen Sassanidenschrift freuen! Als ich de Sacy's vortreffliche Analyse las, regte sich der Wunsch lauter in mir: »Wie? sollte nicht auch Persepolis einen dergleichen Enträthseler finden?« Und siehe da!
2. Er ist gethan, der erste kühne und glückliche Schritt zu dieser Enthüllung, durch den Fleiß und Scharfsinn eines Gelehrten, dem die Vorzeit schon mehrere Entzifferungen ihrer Schriftzüge zu danken hat, Olof Gerhard Tychsen.O. G. Tychsen, De cuneatis inscriptionibus Persepolitanis lucubratio cum duabus tabulis aere expressis. Rostock 1798. 4. – H. Mit sechs Bogen eröffnet er dem Sprachen- und Alterthumsforscher des Morgenlandes eine neue Welt.Vgl. Herder's Werke, XV. S. 142, Anm. 1. – D. Und wie durch de Sacy's Entdeckung Alterthümer, die man der Semiramis zuschrieb, in die Zeiten der Byzantiner herabrücken, so kommen durch Tychsen's Erklärung die Denkmale Persepolis', die man ins Fabelalter der Welt setzte, uns näher entgegen und rufen: »Osch Patscha (Kalscha)! osch Aksak! Dies ist Aksak (Arsak), der König!« da Tychsen dann mit Gründen wahrscheinlich machen will, daß dieser Arsak kein Anderer als Arsaces, der Gründer des Partherreichs, gewesen. Aus des fabelhaften Dschemschid's Zeit kommen also die Wundergebäude Persepolis' bis dritthalb oder ein paar Jahrhunderte vor Christi Geburt uns näher; denn die beiden Wände G, B Ihrer vierundzwanzigsten Tafel hießen nach Tychsen's Erklärung:
1.
»Dies ist der Monarch, dies ist Aksak der Große; dies ist Aksak, Aksak der Vollkommene, der König; dies ist Aksak, der göttliche, der vortreffliche, der bewundernswürdige Held«.Niebuhr, Tabelle XXIV. G. – H.
2.
»Der König Aksak ist dies, der Große, Vollkommene; Aksak, der Gnädige; unsterblich, göttlich, vortrefflich; der bewundernswürdige Held; der Mächtige, der Tapfere, der Gute«.Niebuhr, Tabelle XXIV. B.; Le Bruyn, Voyages, Table 132 zur Rechten. – H.
Wo Steine rufen, verstummt die Menschensage; hier also rufen die Wände in zwei Aufschriften achtmal, in fünf Aufschriften achtundzwanzigmal: Osch Aksak, osch Aksak!
So unerwartet diese Erklärung jeder bisher angenommenen Meinung ist (denn ohne ein literarisches Document wagte wol Niemand, die Denkmale Persepolis' in ein so spätes Zeitalter, unter die Arsaciden, hinabzusetzen), so sonderbar treten sie ins Licht, wenn man sie, vergessend alte Ideen, auf dieser Stelle betrachtet. Denn
Erstens gehen, wie Sie und vor Ihnen schon della Valle bemerken, ja, wie sich jeder Anschauende überzeugen muß, die Buchstaben der Persepolitanischen Schrift gegen die Gewohnheit der Morgenländer von der Linken zur Rechten. Woher diese Abweichung? Nicht nur die alten assyrisch-phönicischen, sondern auch die Buchstaben der Zend- und Pehlvisprache sowie späterhin die Schrift unter den Sassaniden und die Schriftzüge der östlich-asiatischen Sprachen gehn alle von der Rechten zur Linken, so daß im Horizont unsrer Literatur Griechen uns als die Ersten erscheinen, die eine entgegengesetzte Schreibart in Gang brachten. Schon hierdurch also scheint mitten unter andern Schriftarten vor und nach ihr und um sie her die Persepolitanische Schrift zu gräcisiren.
Zweitens. Und wenn sie, nach Tychsen's Angabe, nicht nur Vocale, und zwar in zwanzig Zeichen, ausdrückt, sondern auch in einigen Consonanten selbst, z. B. ΒΔΖΚΣ, offenbar dem Griechischen nahe kommt, so scheint sie eben dadurch zugleich einem sehr gebildeten griechischen Zeitalter zuzugehören; denn, wie bekannt, drückten die ältern asiatischen Schriftarten die Vocale nicht oder sehr unvollkommen aus, und die griechische Sprache selbst hat nach aller erlangten grammatischen Bildung zum Ausdruck ihrer verschiedenen Laute keine zwanzig Vocale. Wenn die Zendschrift diese durch Buchstaben ausdrückt, so scheint sie eben dadurch die Bildung eines jüngern Zeitalters zu verrathen. Ueberhaupt zeigen mehrere morgenländische Alphabete, wie schwer den Schreibern im Alterthum eine reine Abtheilung zwischen Vocalen und Consonanten ward. Hätte diese nun zu den Vocalen ihre zwanzig Zeichen, die nothwendig den verschiedenen Laut und Klang, die Höhe und Dauer derselben bezeichnen müßten, wie gebildet wäre die Schrift! gebildeter wie die griechische selbst, ja bestimmter als unsere sämmtlichen Schriftcharaktere.
Drittens. Und ist sie nicht schön? Die schönste, die ein menschliches Auge auf Marmorfelsen je sah. Ihnen war sie zu sehen vergönnt, und Sie sind dessen Zeuge. Nicht nur die Zend- und Pehlvi-, auch die samaritanischen, assyrischen, phönicischen, arabischen, selbst die griechisch-römischen Uncialcharaktere übertrifft diese Schrift an Einfalt und Reinheit der Züge bei Weitem. Selbst dem Blick des Unwissenden gefällt sie, und wenn der einzige Doctor Hyde zu sagen wagte: »Es ist keine Schrift, sondern ein Baumeister-Spielwerk!« so sagte auch er damit ein Lob derselben; denn unförmliche, barbarische Striche wird ein Baumeister solcher Gebäude nicht in den Marmor graben.
Viertens. In die parthische Zeitperiode gesetzt, erklärte sich die Entstehung einer solchen Schrift nicht so ganz unnatürlich. Eine Reihe von Jahren hin war Persien unter griechischer Herrschaft gewesen; bis nach Baktra und Indien hin blühten in ihm griechische Städte und in ihnen die griechische Sprache. Liebhaber der Griechen (φιλέλληνες) werden auf Münzen die parthischen Könige in griechischer Sprache und Schrift gepriesen. Wenn unter ihnen also ein Reichspalast errichtet, wenn zur Erklärung der Figuren auf die Wände desselben Schrift gegraben werden sollte, so konnten es jene verschlungenen Züge nicht sein, die dem Belsazer einst im Rausche erschienen.Daniel 5, 5–8. – D. Die Buchstaben wurden aufgelöst, ihre Krümmen in gerade oder schiefe, ganze oder halbe Pfeilstriche verwandelt und durch diese sowol mit einander verbunden als von einander geschieden. So entstand der Natur der Sache nach eine gleichsam aufgelöste Uncialschrift, die dem Arbeiter in den harten Fels zu hauen möglich ward und sich dem Auge empfahl, wenn sie gleich in einer langen Reihe nur wenige Worte sagte. Für den unverständigen Vorüberläufer ward sie ohne das nicht in den Palast gesetzt, noch weniger zum täglichen Gebrauch des Lebens so aufgelöst und geordnet. Der tägliche Gebrauch des Lebens will aneinanderhangende, laufende Schriftzüge, an deren leichtem und zierlichem Zusammenhange daher die Morgenländer so sehr gekünstelt haben; der harte Fels und die Ansicht einer glänzenden Wandschrift im Palaste forderten gerade das Gegentheil einer Currentschrift, aufgelöste, feststehende Züge, d. i. neben und über einander gesetzte Pfeile. In diesen Charakteren konnten dann mehrere Sprachen geschrieben werden und sind geschrieben worden, da bereits Ihr aufmerkender Blick mehrere und verschiedene Alphabete auf diesen Wänden bemerkte. Denn eine so zerlegte Uncialschrift gehört nicht nothwendig einer Sprache. Auch Griechisch, Latein, Deutsch könnte mit diesen Pfeilspitzen geschrieben werden, wenn es der Marmor geböte; ja, jedes Alphabet läßt sich ohne Mühe in sie auflösen. Die Persepolitanische Schrift wäre sonach keine eigene, sondern eine zur Pracht der Marmorwände aufgelöste Schrift der damals geltenden Palast- und Königssprache, die man im eigentlichsten Verstande eine Marmorschrift, eine Palast- und Königsschrift nennen könnte. Daß Pfeilspitzen in ihr zu Charakteren gewählt wurden, gehörte zum parthisch-medisch-persischen Reichspalast. Parther, Meder, Perser waren nicht nur als Bogenschützen berühmt, sondern der Schütze oder ein Bogen in des Königs Hand war das allbekannte Symbol des Perser- und Partherreiches.Die ältesten persischen Darici hatten schon dies Symbol; es zeigt sich auf den meisten parthischen Münzen, auf den Gräbern der Könige u. s. w. – H. Eine andere Nation würde die Buchstaben anders zerlegt, die Chineser z. B., wie im Buch Ye-Kim, sie in andere Striche geordnet haben; der durch seine Pfeile berühmte Parther oder Perser sah in seinem Reichspalast am Liebsten goldene Pfeile.Allenthalben haben sich die Verzierungen der Schrift, ja ihre Form selbst dem Geschmack und Charakter der Nation bequemt. Bis in die neuere Zeit lieben die Perser auch in ihren zierlichsten Bildern Anspielungen auf Pfeil und Bogen, wie selbst ihre Liebesoden, ihre Beschreibungen des Frühlings u. s. w. beweisen. S. »Geschichte des Nadir-Schah, übersetzt von Jones«, deutsch Greifswalde 1773, in der Einleitung jedes neuen Buchs und Jahres. – H.
Fünftens. Gehen wir von der Schrift zur Sache, so scheint ein Bau dieser Art unter den Parthern nicht so ganz an unrechtem Ort. Wir wissen aus Münzen und aus der Geschichte, wie stolze Namen sich ihre Könige, selbst in Briefen an andere Monarchen, an römische Kaiser gaben. Sie nannten sich, wie sie hier die Wände nennen, die Großen, die Wohlthätigen, Könige der Könige u. s. w. – Titel, in welchen sie die Sassaniden noch übertrafen, die sich Söhne Ormuzd', Herren der Welt, Brüder der Gestirne nannten. Die Aufschriften, die Tychsen erklärt hat, sind nicht im pomphaften Stil der Sassaniden, wohl aber im Hymnenton des Zend-Avesta geschrieben, wenn dieser Gestirne, Helden oder Könige lobt. Die Unternehmung eines solchen Palastes mit seinen Abbildungen war selbst die stolzeste Idee, an welche kein vorübergehender Prachtaufzug eines nur eiteln Weltgebieters reicht.
Sechstens. Und wo konnte der stolze Parther sich als einen ächten Perser, angeblichen Abkömmling der alten Perserkönige besser naturalisiren als auf dieser Stelle? Dem damals tapfersten Volk der Erde, den Griechen, hatte er sein Reich abgedrungen und solches bis nach Indien und Baktra, bis zum Euphrat und an die Gebirge erweitert; was lag ihm näher, als den alten Schutthaufen vom Brande Alexander's wegzuräumen und sich im prächtigern Wiederaufbau der alten Persepolis als den wirklichen Wiederhersteller der Persermonarchie zu zeigen? Nicht nur ward dadurch der Flecke vom Untergange des alten Reichs weggetilgt, sondern aus dem Schutthaufen stieg ein neuer, schönerer Reichstempel hervor, zu dessen Aufführung jetzt die Hände, wenigstens der Geist der Griechen selbst diente; denn daß in den Vorstellungen dieses Palastes griechischer Geschmack, d. i. Einfalt, Bestimmtheit, Ordnung, Leben, nicht ägyptischer Tod vorhanden, zeugen auf allen Wänden alle Figuren.Es wird damit nicht gesagt, daß sie den schönen Griechengestalten auf ihren Reliefs an die Seite zu setzen sind, sondern vom Charakter der Kunst ist die Rede. – H. Das parthische Reich, voll griechischer Colonien, ja selbst halbgriechisch, traf in die Periode der völlig ausgebildeten griechischen Kunst, die sich hier dem Perserstolz nach persischen Sitten mittheilen und ihn leiten konnte. So würde, wenn Persepolis sonst in ihrer Kunstschönheit wie ein vom Himmel gefallenes Gebäude da stand, es nach Lage und Zeit in der griechischen Partherperiode durch sich selbst erklärbar.
Siebentens. Und so dürften denn auch frühere Griechen, die sonst in Widerspruch zu kommen schienen, von Persepolis gesagt haben, was sie sagen. Alexander mag die Burg des Darius verbrannt haben und doch an diesen Gebäuden keine Spur des Brandes merkbar sein; warum? es wären neuere Gebäude, auf der Stelle der alten Königsburg errichtet. Diodor's BeschreibungVgl. Herder's Werke, XV. S. 144 ff. – D. kann in Einigem treffen, in Anderm nicht; warum? Es wären auf denselben Terrassen neuere stolzere Gebäude. So ferner. Die Stimmen des Alterthums scheinen sich zu vereinen; und wer vereinte sie? Die Inschrift der sprechenden Wand: »Osch Aksak! osch Aksak! Ihr sucht die alte Persepolis hier? Dies ist ein Kunstgebäu der Arsaciden.«
So parteilos ich diese Gründe ins Licht gesetzt habe, so fordern die dagegen sich erhebenden Zweifel und Fragen gleiche Unparteilichkeit. Sie sollen nicht widerlegen, sondern nur eine weitere Aufhellung fördern; und wie, wenn ich sie, um allen Mißstand zu vermeiden, dem gelehrten Urheber vorgenannter Hypothese selbst vorlegte?
Fragen und Zweifel.
I. Zweifel.
1. Woher, wenn der Palast in so späten Zeiten erbaut ist, schweigt das gesammte, damals schon schriftreiche Alterthum von seinen Erbauern, den Arsaciden? Der Ausdruck Ammian's:XXIII. 6. 4. – D. »Arsaces füllte das Land mit Städten, Lagern und Burgen«, sagt, meines Bedünkens, für diese Persepolis nichts; er zeigt blos an, daß der neue Sieger sein erobertes Land durchaus in einen wehrhaften Zustand setzte und sich von innen und außen durch Furcht Sicherheit zu verschaffen wußte. Auch hatte, wie Sie, vortrefflicher Mann, selbst zu bemerken scheinen, Arsaces selbst die wenigen Jahre seiner Regierung, während deren er mitten unter mächtigen griechischen Reichen seine Herrschaft gründete, wol andre Geschäfte als diesen Prachtbau. Daß nach seinem Tode ihn die Parther als einen Gott verehrten, daß seine Nachfolger sich nach seinem Namen nannten u. s. w., spricht für Persepolis eigentlich auch nicht; denn diese Gebäude sind kein Tempel. Daß die Arsaciden sich nach Arsaces nannten, thaten sie nicht nur nach Gewohnheit der Zeit in mehreren Alexandrinischen Reichen, sondern auch als ein fremder Stamm um ihrer selbst willen, um in alter persischer Weise sich als Abkömmlinge von ihm, als gesetzmäßige Besitzer des königlichen Stuhls zu legitimiren. Von keinem seiner Nachfolger als einem Erbauer Persepolis' erzählt die Geschichte.Mir ist wenigstens nichts bekannt; unverwehrt aber sei der Fleiß Jedem, der etwas sucht und findet. – H.
Sagte man: »die Parthergeschichte sei verwirrt und dunkel, Griechen und Römer bekümmerten sich um einen Bau in der innersten Provinz des Reiches nicht« u. s. w., so stünde dagegen, daß sie sich allerdings um Persepolis bekümmert und, gleichstimmig der morgenländischen Sage, ihr einen frühern Ursprung gegeben haben. Alle Geschichtschreiber Alexander's sprechen von Persepolis, es von Susa und dem alten Pasargada deutlich unterscheidend.S. außer Salmasius ad Solinum Brisson, Cluver, Cellarius u. s. w., Mannert's »Geographie der Griechen und Römer«, Th. 5. Abtheil. 2. – H. Diodor's Beschreibung ist der Lage nach so bestimmt, als irgend eine im Alterthum sein kann; mithin gab es eine Königsburg, ähnlich der unsrigen, in Persepolis, nahe den Gräbern der Könige, vor Arsak und den Arsaciden. Von einem Bau derselben durch diese schweigt die Geschichte, die doch von andern Bauwerken der Partherkönige nicht schweigt. Die Differenzen, die sich in dieser und jener Angabe finden, können die Existenz einer Persepolis und ihrer Königsburg vor den Arsaciden nicht aufheben und sie so wenig mit Susa als dem entfernten Ekbatana verwechseln.
2. Auf parthischen Münzen ist die Vorstellung der Partherkönige von der in Persepolis unterschieden. Das Symbol des Perserreichs, der Bogen in ihrer Hand, ist da; am königlichen Stuhl durfte es auch nicht fehlen;Die ältern Arsaciden haben auch noch nicht den königlichen Stuhl. S. Pellerin, Recueil des médailles des rois, planche 15. – H. der unterscheidende Hauptschmuck aber, die medische Tiare, fehlt; ein bloßes Diadem fließt vom Haupte nieder.S. Vaillant, Arsacidarum imperium. Paris 1725; bei Spanheim De usu nummorum, T. I. p. 448. seq.; Pellerin hin und wieder; Eckhel, Doctrina nummorum, Vol. III. – H. Und daß man dies nicht etwa dem Kunstgeschmack der Griechen zuschreibe, sind von Arsaces und Tiridat auch Münzen mit der schlichten parthischen Mütze, andere mit der Cidaris, andere mit einem geschmückten Helm da; alle aber von der medisch-persischen Tiare, dem eigentlichen Ehrenschmuck der alten Könige auf den Wänden Persepolis', so verschieden, wie die folgende Dynastie der Sassaniden sich abermals von ihnen unterscheidet.Nach Spanheim hat den verschiedenen Kopfschmuck der Perserkönige am Genauesten Pellerin erörtert: Lettres de l'auteur des recueils des médailles Francfort 1770; Additions au recueil des médailles, p. 45 seq. à la Haye 1778. – H. Diese tragen die Kugel auf ihren Häuptern, von der kein Arsacide, kein älterer Perserkönig weiß. Da nun der Kopfschmuck nach persischer Sitte das bestimmteste Unterscheidungszeichen war, so wird dadurch klar, daß genau keine parthische Münze für die Abbildungen in Persepolis als für eine ihnen gleichzeitige Epoche spreche; und doch ist diese medische Tiare auf den Münzen anderer Abkömmlinge des medischen Stammes, der Armenier z. B. u. A., zu finden. Auch der Persermonarch auf der vielleicht ältesten persischen Münze trägt sie den Wänden Persepolis' ganz gleichförmig.Sehr merkwürdig ist diese Münze. Pellerin, Recueil des médailles des rois, pl. 1. Der Persermonarch steht auf einem Triumphwagen, gebietend mit aufgehobener Hand. Die Tiare ist völlig wie in Persepolis; so auch die Kleidung ist wie die zu Persepolis, wo der König als Held erscheint und mit den Ungeheuern kämpft. Der hinter dem Wagen geht, hat, wie in Persepolis, den Kopfputz des Königes, nur niedriger, trägt auch wie dort den Wedel und das heilige Gefäß. Deutliche Zeichen, daß dies das Costüme der Vorstellung unter den eigentlichen Persermonarchen gewesen; auf den parthischen Münzen ist Alles anders. – H.
3. Weder in der Religion noch in Sitten haben sich die parthischen Könige als vorzügliche Liebhaber des alten Perser- und Königsrituals ausgezeichnet, wie es in Persepolis da steht. Die Perserreligion neigte sich unter ihnen, bis die Sassaniden mit doppeltem Eifer sie wieder erhoben;S. d'Anquétil, »Ueber die Aechtheit der Schriften Zoroaster's«; Zend-Avesta, Th. 2. S. 21 ff. Deutsch. – H. daher die Dynastie der Aschkanier von den folgenden Rechtgläubigen als eine Periode des Verfalles der Religion betrachtet und meistens nur in einem unordentlichen Auszuge bemerkt ward. Die Vermischung der Perser- und Griechengebäude, die jenen, ihrer Religion zuwider, von Griechen und Römern zugeschrieben werden, stammt aus der Dynastie der Arsaciden, weit entfernt von der altpersischen Einfalt, die sich auf den Gräbern der Könige zeigt. Am Partherhofe sprach und schrieb man häufig Griechisch; noch als Crassus' Kopf dem Könige gebracht wurde, in späten römischen Zeiten ward eine Euripides' Bacchis gespielt.Appian. Parthic. hin und wieder. – H. [Vgl. Welcker, »Die griechischen Tragödien«, S. 1272. – D.] In der Periode eines solchen Geschmacks wird man schwerlich Aufschriften wie die beiden von Ihnen enträthselten schreiben, die ohne alle griechische Ründe den ältern ächten Perserpleonasmus, wie er im Zend-Avesta vorkommt, verrathen. Ueberdem war unter den Partherkönigen der Mittelpunkt des Reichs so verändert, daß ihnen Persepolis und Persis im entlegenen Winkel lagen. Zu Hekatompylos und späterhin am Euphrat, Tigris, in Ktesiphon, Seleucia oder in andern nordwestlichen Städten residirten sie, wohin gegen Griechen und Römer die Gefahr und der Schutz des Reiches sie rief und drängte. Persien war in das obere und niedere getheilt, und die entlegene Provinz Persis gehorchte, nach Strabo, ja selbst nach Münzen, einem Unterkönige, der Persepolis weder bauen noch fortbauen konnte, am Wenigsten, da er aus altpersischem Stamm war, den Arsaciden ein solch Denkmal errichten wollte.
4. Endlich, da auf ein einziges Wort, einen Namen (Aksak), hier Alles ankommt und dieser in unverstandenen Schriftcharakteren, ja sogar verkürzt (CHK) erscheint, so führt sich Alles auf die Frage zurück: »Was oder wen bedeutet das Wort?« War's ein Name? Er steht nie voran, sondern, obgleich nach der Gewohnheit des Zend-Avesta oft wiederholt, zwischen andern Lobesbenennungen des hier vorgestellten Königes da; könnte er nicht auch eine dieser Benennungen, ja der eigentliche königliche Ehrenname sein, der nichts weniger als den Parther Arsaces ausschließend zu bezeichnen da stünde?
Und so scheint es. Denn weshalb nahm der Parther den Namen Arsaces an, wenn er sich nicht mit ihm an die Reihe der alten Perserkönige, von denen er abzustammen vorgab, hätte anschließen und gleichsam naturalisiren wollen? Weshalb behielten ihn seine Nachfolger bei, als eben zu diesem Endzweck? Bekanntermaßen ist das Wort Art (ein Held, ein Tapferer) gleichsam das Urwort der Meder und Perser (Artäer), die Wurzel von tausend Benennungen und Ehrennamen in der medisch-persisch-armenischen Geschichte; und da die Endung schagh (sak, schah) unter medisch-armenisch-persischen Worten gleichfalls vorkommt und als Wort ein König, ein Anführer heißt, was ist Arschak anders als ein Tapferer, ein Anführer der Tapfern, das Urwort des alten medischen Ruhmes? Der älteste Name, den wir als Stammvater dieses Gebirgreichs bei den Ebräern finden, heißt Assur (Aksar), und was ist der hebraisirte Arphaxad anders als Arsak? Es scheint der Kanzlei- und vielleicht Chiffrename gewesen zu sein, den die medisch-persischen Könige führten, und der, auch bei den verschiedenen persönlichen Namen derselben, den Ausländern so bekannt war wie in Aegypten der Name Pharaonen.Nach Herodot heißt Artaxerxes μέγας ἀρήιος, der tapfere Krieger, nach Ammian bellorum victor. Auch der Name Arbazes, der älteste Mederkönig, den die griechische Geschichte kennt, sowie die Namen Artäus, Artachäus und viele andere, sind offenbar nichts als Arsak. Im Buch »Judith« heißt der letzte Mederkönig, wie bei Moses der erste, Arphaxad, d. i. Arsak; auch unter den armenischen Königen ist Arsak ein oft vorkommender Name. Der große Kyaxares in Medien ist nichts als Ke-Aksar, und da der griechische Name Xerxes nichts als Kschethro, König, ist, so heißt Artaxerxes nichts als Arschak, der König, d. i. der (nach Ktesias) vorher Arschak hieß, nannte sich als König Arschak-Kschethro, Artaxerxes. Da dieser Name nun abermals mit Artaxares, Arthasastha, ja gar durch eine fremde Punctation mit Achasverosch eins ist, wie Hyde (De religione veterum Persarum, p. 43) längst erwiesen, und der Name Oksyares, Ὀξυάρης, Belsazer u. s. w. auch nichts als Aksar, Aksak ist, so erhellt, daß wir mit allen diesen Benennungen eigentlich nur einen persischen Königsnamen haben; und daß der Name Arsak, Aksar mit Compositionen vor- und rückwärts der Name gewesen, unter dem die Ausländer den Meder- und Perserkönig kannten, wie Aegyptens Könige unter dem Namen Pharaonen. – H. Wenn also die Inschrift wiederholend sagt: »Dies ist Arsak, der wahre Arsak, Anführer der Tapfern«, so hieß dies nichts Anders, als: »er ist wie jener Stammvater unsers Reichs, unser Urkönig, Arsak, der wahre Arsak, Anführer der Tapfern«.
Absprechen sollen diese Zweifel nicht. Wenn die Persepolitanischen Charaktere in ihrer Verschiedenheit genauer bestimmt und mehrere Wände enträthselt sein werden, müssen sich nothwendig auch Zeitbestimmungen ihrer Denkmale ergeben. Die Parthermünzen drücken Jahre und selbst Monate aus; vielleicht findet sich, wenn sie aus den Zeiten der Parther sind, auch hier sogar die Jahrzahl. Ueberdem ist ja die Hypothese vom Bau dieser Persepolis unter den Arsaciden vom Verdienst, Enträthseler der Persepolitanischen Schrift zu sein, ganz verschieden; dies bliebe seinem Erfinder, wenn jene auch ganz sänke. Erlauben Sie also, hochgeehrter Herr, daß ich ohne Bezug auf jene Hypothese dem kühnen Enträthseler jener Schrift noch einige
II. Fragen oder Bitten.
vorlege; sie können nicht anders als seinen Ruhm vollenden.
1. Da doch diese Schrift, indem sie gelesen und verstanden werden sollte, nicht unabhängig von allen bisher bekannten Schriftzeichen erfunden und als ein völlig neuer Charakter dahin gesetzt sein kann, so entsteht die natürliche Frage: »Von welcher currenten Schriftart ward sie genommen? welcher Vorgängerin oder Nachbarin ist sie am Meisten ähnlich?« Noch jetzt stellen sich uns zwei Nachbarinnen dar, die in ihren größern Charakteren sich der Pfeilschrift nähern; es ist die Schrift der Armenier und Tibetaner. Armenier waren ursprünglich mit den Medern eins oder ihnen doch nahe verwandt; oft standen sie unter ihnen, wie nachher unter den Persern, oder bekamen von ihnen meistens aus ihrem Stamm Fürsten. Arschak II. z. B. gab ihnen seinen Bruder Walarschak zum Könige. Trotz aller Staatsveränderungen sind die Armenier dennoch ein unvermischtes Volk geblieben; eine eigene Schrift haben sie nie gehabt, sondern sich stets der Schrift ihrer Nachbarn bedient. Als, um die griechischen Charaktere hinwegzuthun, Miesrob ihnen eigne Schrift gab, erfand er diese nicht, sondern nahm sie, wie die Grundzüge zeigen, aus der altpersischen, und die großen Charaktere derselben, eiserne Schrift genannt, sind Pfeilschrift.Schröder's Thesaurus linguae Armenicae. Amst. 1711. – H. [Vgl. Lassen, »Altpersische Keilschriften in Persepolis«, in der »Zeitschrift für Kunde des Morgenlandes«, VI. 1), Benfey, »Die persischen Keilschriften«, und die Entdeckungen von Rawlison, Oppert u. A. – D.
2. Die größere sogenannte magische Schrift der Tibetaner ist's noch mehr; nicht nur haben sie diese Zeichen als Unterschiede und Interpunctionen, sondern als eigentliche Bestimmungen der Laute und des Silbenbaues der Sprache, so daß die meisten ihrer Charaktere nur eine zusammengezogene Pfeilschrift scheinen.Georgi Alphabetum Tibetantum. – H. Die Buchstaben, die Ihnen auf den Wänden zu Persepolis vorgekommen sind, fehlen auch den Tibetanern, daher sie solche auf mancherlei Art zu erstatten wissen, und weil bei ihnen Vocale und Consonanten noch nicht rein abgesondert sind, mehrere gleichsam Silbencharaktere gebrauchen. Wäre dies nicht auch der Fall bei dieser altpersischen Schrift? und bekäme nicht daher, eben nach der Analogie dieser Töchterschriftarten, auch die Mutterschrift in ihren zwanzig Vocalen und andern Bezeichnungen einen andern, mehr morgenländischen Genius in Bestimmung und Deutung? Wie der Schlüssel jetzt da steht, scheint er der Sprachanalogie dieses ganzen Weltstrichs fremd.
3. Da unleugbar die sogenannte assyrische Schrift eine der ältesten gewesen und das medisch-persisch-assyrische Reich unzweifelhaft auf mehrere Jahrtausende zusammengehangen hat, wie verhält sich die assyrische mit ihren Töchtern oder Schwestern gegen diese Pfeilschrift? und wie der Bau ihrer Sprachen? Dem vielwissenden Kenner mehrerer morgenländischen Sprachen darf man diese Fragen thun, und eine Exposition hierüber, die de Sacy bei jedem Wort seiner Inschriften so genau gegeben, ist hier vielleicht nöthiger, da keine griechische Uebersetzung als eine bewährende Probe der ausgelegten Schrift nebenan steht. Vielleicht, bis sich irgendwo eine solche Uebersetzung findet, ist eins der drei verschiedenen Alphabete dieser Pfeilschrift, das uns durch Analogie mit seinem anderswo gebräuchlichen Currentalphabet Sicherheit giebt. Mit jeder neuen Aufklärung aller Sprachen und Charaktere binden sich die Völker; Länder und Zeiten rücken zusammen, so daß man fast sagen kann: »Das Alterthum kommt zu uns!«
Nicht aus Calcutta erst, wo sich die Engländer zu einem gewinnlosen Verdienst um die altpersische Sprache wol am Spätesten entschließen würden, sondern aus Paris, wo Anquétil's Schätze und Wörterbücher liegen, aus dem Vatican und der Propaganda, aus Oxford u. s. w. wünsche ich Ihnen, nach rein gefundenem Alphabet, fördernde Hilfsmittel zu Erleichterung und Bestärkung der Interpretation dieser uralten goldenen Pfeilschrift. Und mich dünkt, da die Sache einmal im Gange ist, werden sich, zumal bei den Veranlassungen unserer Zeit, willige Hände finden. Als Barthélemy das Palmyrenische Alphabet entzifferte, waren, ihm unbewußt, Swinton und Velasquez bei demselben Werk; wer weiß, wo jetzt hie und da bei Niebuhr's und Le Bruyn's Tafeln Jemand an Persepolis denkt! Vielleicht de Sacy selbst. Der Geist unserer Zeit fördert.
Daß Persien vor den Parthern Kunst besessen habe, ist unwidersprechlich. Das alte Mederreich beiseite gesetzt, wissen wir, daß unter Cyrus nicht nur die Reichthümer und Prachtgebäude Babylon's, sondern auch Kleinasien mit allen seinen Kunstherrlichkeiten in das Gebiet der Perser kamen. Kambyses eroberte und durchstörte Aegypten; Darius sah und verwüstete Griechenland.Mehrere griechische Städte. – Anm. Müller's. Von ihm an blieben nicht nur beide Staaten feindlich oder freundlich in Verbindung, sondern ein großer Theil griechischer Länder voll Kunstdenkmale und Künstler stand fortwährend unter persischer Hoheit. Mit ihnen, mit Babylon und Aegypten beherrschte Persien also, obgleich nicht ohne Empörung und Aufruhr, die zweihundert Jahre seiner Dauer den ansehnlichsten Strich der alten Kunstwelt.
Nicht Alles aber, was man hat und haben kann, will oder darf man gebrauchen; also bezirkte sich die persische Kunstgeschichte nach dem Klima und der Verfassung des Reichs, nach Religion Sitten und äußern Umständen; dadurch gewann sie sowol in Gegenständen als im Stil der Kunst ihren eigenen Umriß. Vergönnen Sie, mein bewährter Freund, daß ich Ihnen, der sich um die griechische Kunstgeschichte so vielfaches Verdienst erworben einige Linien hievon darlege; der Verfolg wird zeigen, zu welchem Zweck.
I. Cyklus persischer Kunstgegenstände.
1. »Götter zu bilden,« sagt man, »verbot den Persern ihre Religion; daher sie jene auch in Aegypten und Griechenland wilde zerstörten.« Im ganzen Zend-Avesta finde ich zu dieser Behauptung keinen Anlaß; mit den Zerstörungen in Aegypten und Griechenland hatte es, wie GattererGatterer's Weltgeschichte, Th. 2. S. 37. – H. gezeigt hat, auch andere Bewandniß. Wenn auf den Grabmalen der Könige der Sonnenball über dem heiligen Feuer schwebt,Chardin, Table LXVII. LXVIII. – H. so hinderte dies nicht, daß nicht auch himmlische Geister und Wächter, d. i. persische Götter, sichtbar gemacht und gebildet werden durften. Sie sind gebildet.
Gleich auf eben den Grabmalen sieht man eine himmlische Gestalt, bis zur Mitte des Leibes vorgestellt, sodann in Schwingen sich verlierend, über des Königs Haupt schweben. In andern Vorstellungen geht sie mit dem Könige schwebend fort, allenthalben, an der Tiare sowol als an Gestalt ihm ähnlich. Sei sie der Feruer, d. i. die reine Seele des Königs oder sonst sein schützender Geist,Nach d'Anquétil ist der Ferouer comme l'expression la plus parfaite de la pensée du créateur, appliquée à tel sujet particulier et pour ainsi dire une partie de leur âme; mithin beim Menschen die reine Idee desselben, sein himmlisches Ideal. – H. sei das Attribut in ihrer Hand ein Ring oder die Enden des heiligen Gürtels (Costi), so ist die Classe, zu welcher sie gehört, unverkennbar.Vgl. Herder's Werke, XV. S. 130. – D. Unter verschiedenen Namen nämlich geht eine Hauptidee die Perserreligion durch: himmlische Kräfte schufen, erhalten, beleben, schützen die Welt, für sie wachend, für sie streitend. In Ordnungen vertheilt, werden sie mit besondern Namen angerufen, Amschaspands, die obersten Naturgeister und Himmelsfürsten; Izeds, ihre Stellvertreter und Diener; Hamkars, die Helfer derselben; Feruers, die himmlischen Urbilder aller belebten irdischen Wesen; denn auch diese werden angerufen und als Handelnde verehrt. Jedes Element der Natur, jede Classe der Geschöpfe, jede Jahreszeit bis auf Tage und Stunden hatte ihren vorstehenden Geist, Amschaspand, Ized, Hamkar; und was irgend beseelt war oder als solches gedacht werden konnte, hatte seinen Feruer, seine Seele. Diese alle nun waren bildbar. Als vor dem Könige die Annahme des Zend-Avesta entschieden werden sollte, wurden, sagt der Zerduscht-Nama,Zend-Avesta, Th. 1, Abth. 2, S. 39. – H. vier Reiter angemeldet, hoch wie Berge, in glänzender Rüstung, verschieden gekleidet, den Speer in ihrer Hand, um sich Schrecken verbreitend. Es waren die vier Machtfürsten des Himmels (Amschaspands), Bahman, Ardibehescht, Khordad und Adergoschasp. Ihr Anblick stürzte den König in Entsetzen und Ohnmacht; sie sprachen ihr Wort, empfingen sein Gelübde und flogen davon wie der Pfeil, geschnellt vom Bogen. Dergleichen Rittergestalten liebten die Perser; auf mehreren ihrer Trümmern kommen sie vor; alle Diener Ormuzd' sind im Zend-Avesta ein gewaffnetes himmlisches Heer. Der furchtbare Reiter, der den raubenden Heliodor im Tempel erschreckte, war ein solcher Amschaspand, und die beiden starken, schön gekleideten Jünglinge, die auf ihn schlugen, waren seine helfenden Izeds.Man kennt sie aus dem vortrefflichen Gemälde Raphael's im Vatican. Daß die Engellehre der Ebräer nach der Babylonischen Gefangenschaft chaldäisch-persische Form hatte, bedarf keines Erweises. 2. Maccab. 3, 25–27. – H. Der Mann, in Byssus gekleidet, der Daniel erschien, einen Goldgurt um die Hüfte, feurig, glänzend, schrecklich, war ein Costüme der Perser, ein Amschaspand; er hatte mit dem Schutzgeist des Perserreichs einundzwanzig Tage gestritten und ihn besiegt.Dan. 10, 5. 6. 13. – H. Eine bilderreiche Mythologie, der die ganze Natur ein glänzend streitendes Heldenheer gegen das Böse, gegen Ungeheuer der Schöpfung war.
Die Wächter der Elemente (Izeds) waren männlich und weiblich. Jene weibliche Ized in der Grotte des Felsens Bisutun, von der de Sacy ungewiß spricht, wird im Zend-Avesta mit Namen genannt; sie heißt Arduisur.De Sacy, Mémoire sur les antiquités de la Perse, pag. 269. De Sacy vermuthet, daß die Gewohnheit, weibliche Izeds abzubilden, ein neuerer Gebrauch sei. Was die Abbildung betrifft, kommt es darauf an, daß mehrere persische Alterthümer, auch in Trümmern, bemerkt werden; die Vorstellung weiblicher Izeds selbst ist im Zend-Avesta. – H. Eine reine, heilige Jungfrau, liebenswürdig, mit glänzendem Angesicht und goldnem Haar, von dem Gedeihen kommt allen Gewächsen der Erde. Sie streckt ihren Arm aus, schnell und lebendig, verjagend alle Furcht von den Schlafenden, und kommt zu Hilfe den Todten. Sie tränkt den Vogel Feridun's, der, über die Welt erhoben, ein Wächter der Menschen, in der Nacht seine Stimme erhebt; kurz, die personificirte Idee der himmlischen Urquelle alles Segens, aller Erquickung, die ihren Namen trägt, Arduisur.Zend-Avesta, Th. 2. S. 172 f. Ein Gespräch Zoroaster's mit dieser Quelle s. Zend-Avesta, Th. 2, S. 176–178. – H. So schildert der Zend-Avesta mehrere Wächter und Wächterinnen jedes Guten der Schöpfung; die personificirten Seelen der Guten, die Feruers, nicht minder: als eine lebendige Versammlung werden sie angerufen; jedes wohlthätige Wesen, selbst das Gesetz Ormuzd', hat seine Seele. Auf mehreren Münzen der Sassaniden wird mitten im heiligen Feuer des Altars jene halbe Königsgestalt mit der alten Tiare sichtbar,Siehe Pellerin, Supplément III. au Recueil des médailles, pl. 2. n. 4. 5. Pellerin sagt: Les têtes d'hommes qui sont au milieu des flammes du feu représentées sur des autels sont une singularité qui aurait bésoin d'explication. Quelque roi des Perses, aurait-il en brûlant des hommes fait des sacrifices aussi contraires à leur religion? Cela ne peut pas être. Il faut donc que ces têtes dans le feu sur des autels y ayent représentées pour d'autres causes. Das glaube ich freilich, und aus dem Zend-Avesta sind die autres causes klar. Pellerin sagt, daß er seitdem viel andere ähnliche Münzen gesehen habe; es war also eine angenommene Vorstellung des Ized's oder Feruer's des heiligen Feuers. – H. vom Hauptschmuck Derer, die dem Altar beistehen, ganz unterschieden. Sei es der Genius des Feuers oder des Gesetzes Ormuzd oder des alten Königes, durch den Ormuzd dies Gesetz gab, Dschemschid's: er erscheint als der Schutzherr und Wächter des Feuerdienstes, dessen sich die Sassaniden so streng annahmen.
Wo der Feruer nicht ganz erscheint, erscheinen seine Schwingen – eine angenommene Vorstellung sowol auf den Grabmalen der Könige und den Wänden in PersepolisVgl. Herder's Werke, XV. S. 129 f. – D. als auf Amuleten und Münzen. Offenbar ist der Ursprung dieses Symbols, zumal als Verzierung betrachtet, ägyptisch, da auf ägyptischen Denkmalen und Mumien diese Scarabeenflügel so oft erscheinen; auf persischen Monumenten ist er, wie die über ihm schwebende Gestalt zeigt, zu einer andern Bedeutung idiotisirt. Bald erscheint er allein, vor oder über den Königen schwebend,Caylus, Recueil d'antiquités, T. III. pl. 12. – H. bald, wie in Persepolis, mit einer Gestalt verbunden.Caylus, Rec., T. VI. pl. 46. n. 3. T. VII. pl. 3; n. 1 ist die Figur sogar ganz. – H.
Und da keiner dieser Genien sich schämte, in der Gestalt des Reichs lebendiger Geschöpfe sichtbar zu werden, welches er schützte, so entstand daraus eine eigne persische Göttersymbolik, von der ägyptischen verschieden. Die Aegypter und andre Völker setzten Thierhäupter auf Menschenkörper, die Perser nie; sie fügten der schwebenden Menschenfigur das sie bezeichnende Symbol bei, oder ließen den schützenden Geist ganz in Thieresgestalt schwebend erscheinen.Caylus, Rec., T. VI. pl. 46. n. 3. 4; T. III. pl. 12. n. 2. – H. Daher die schwebenden Widder und Stiere; daher überhaupt die vielen und prächtigen Thiergestalten auf persischen Amuleten. Da diese Amulete schützende Bewahrungsmittel sein sollten, so erscheinen auf ihnen auch schützende Geister in Gestalt der Thiere. Jede Classe dieser lebendigen Wesen hatte ihren Vorsteher, der im Zend-Avesta angerufen und mit prächtigen Farben geschildert wird; Widder, Bock, Stier waren aus Ursachen, die bald angeführt werden sollen, die Ersten unter ihnen, Könige ihrer Geschlechter. Wenn also Behram, der thätigste der Izeds, wachsam, siegreich, himmlisch gestaltet, in seinen Kämpfen gegen die Kräfte des Bösen bald in der Gestalt des Stiers mit goldglänzenden Ohren und stoßenden Hörnern, bald als Widder, Roß, Kameel, Bock, Hahn u. s. w. erscheint und die übrigen Izeds ähnliche Gestalten wählen, so entsteht hiemit in anderer als ägyptischer Bedeutung eine Mythologie prächtiger Thiergestalten, die, mit Symbolen bezeichnet, Genien der Reiche, der Völker der Gegenden, der Ströme und Elemente wurden. In Daniel z. B. ist der Genius des Perser- und Mederreichs ein Widder, Syriens der schwächere Bock u. s. w. Nicht aus Ktesias ist die Bedeutung dieser Gestalten zu lernen, sondern aus dem Zend-Avesta.In Vielem, dünkt mich, kann Ktesias selbst nicht anders gerettet werden, als daß er manche in Symbolen angenommene für wirkliche Thiere nahm, sich von Erzählungen leiten ließ und statt der Thiergärten (Paradiese) die Archive befragte. – H. Natürlich entstanden hieraus Zusammensetzungen (συμπλέγματα) prächtiger Thiergestalten, von denen fernerhin die Rede sein wird.
2. Wie die guten Kräfte der Natur, so wurden nach persischer Weise auch die bösen Geister in Thiergestalten gedacht, aber als Ungeheuer, als grausame, schädliche Thiere. Im Zend-Avesta erscheinen sie als Skorpionen (Kharfesters), deren Ausrottung jedem Perser Pflicht war, weshalb er seinen Streitgürtel anlegte und sich zu Ausrottung des Bösen durch Anrufung guter Hilfsgeister täglich stärkte. Zu Ausrottung schädlicher Thiere waren eigene Festtage verordnet.Siehe d'Anquétil's Abhandlung »Vom Lehrbegriff der alten Perser«; desgleichen die sämmtliche Liturgie des Zend-Avesta. – H. In größeren Gestalten waren sie Ungeheuer, Greife, Einhörner u. s. w., die sich verwandeln konnten und in Kämpfen oft verwandelten; die alten Bezwinger der Dews, Könige und Helden, bestritten, durchbohrten oder banden sie und schlossen sie ein in Berge. Ferdusi, Mirkhond u. s. w. sind dieser Geschichten voll; es war das angenommene Bild der Dews und in diesem Bilde die Vorstellung alles auszurottenden schweren gefährlichen Uebels.Siehe Richardson's Vorrede zu seinem persischen Wörterbuche, deutsch übersetzt mit Eichhorn's Vorrede, Leipzig 1779, S. 210 ff. – H. Nicht nur auf den Wänden Persepolis', sondern auch auf Steinen kommen diese Kämpfe oft vor; sie gehörten auch dahin; denn ein großer Theil dieser Steine sind Amulete.Z. B. in Caylus' Recueil, T. I. pl. 6. n. 1; pl. 22. n. 2; pl. 98. 6; T. II. pl. 53. n. 4; T. IV. pl. 22. n. 2; T. III. pl. 21. n. 3. Die letzte Abbildung gleicht den Kämpfen in Persepolis völlig, obgleich in schlechter Arbeit. – H. Alle Reisebeschreiber reden von dergleichen Kampfvorstellungen auf zerfallenen oder zerstörten Trümmern Persiens, hier, dort und da; kein Wunder: es war die Hauptvorstellung ihrer Religion, der Hauptzug des persischen Nationalcharakters. Selbst dem Namen nach war der Perser ein Artäer, ein Held und Streiter.
3. Unter menschlichen Vorstellungen war den Persern der König der Erste; er, der Gott der Erde, das irdische Bild Ormuzd', in dessen Gestalt der König des Himmels, wenn er abgebildet wurde, wahrscheinlich selbst erschien.Wahrscheinlich ist er abgebildet worden, da er nach dem Zend-Avesta mit Dschemschid, Zoroaster u. A. spricht. Sein Prädicat, daß er in Herrlichkeit verschlungen sei, hinderte diese Abbildung nicht; denn auch die übrigen oft abgebildeten Amschaspands werden so genannt. – H. Den König stellte man vor nach den Hauptverrichtungen seines Lebens:
a) Indem er Gottesdienst verrichtet. So auf den Gräbern der Könige, da er entfernt vor dem flammenden Altar steht und mit der himmlischen Gestalt redet; so steht er auf Steinen vor dem heiligen Leuchter in eben dieser sprechenden Stellung.Eben habe ich den Abdruck eines dergleichen Steins aus dem Florentinischen Museum vor mir. Mehrere schweben mir im Gedächtniß. Siehe Caylus, Rec., T. III. pl. 10. n. 4 u. A. – H.
b) Wie er auf seinem Königsstuhl sitzt und Menschen vor ihm erscheinen. Dies ist die gewöhnlichste Vorstellung, nicht nur in Persepolis, sondern auch auf Münzen und Steinen.Caylus, Rec., T. III. pl. 12. n. 1. 2; T. I. pl. 18. n. 1. u. s. w. – H. Auf den meisten parthischen Münzen erscheint er also, nur gräcisirt; auch die vor ihm Stehenden sind in eine symbolische Person verwandelt. Auf dem Königswagen steht er auf einer wahrscheinlich auch griechischen Münze.Pellerin, Rec., pl. 1. – H.
c) Als Ueberwinder des Bösen (Dews), die in Gestalten der Ungeheuer er bändigt oder tödtet. So nicht nur in Persepolis, sondern auch auf Steinen.Caylus, Rec., T. III. pl. 21. n. 3; T. IV. pl. 22. n. 2. u. s. w. – H. Wahrscheinlich erscheinen auf mehreren Denkmalen Persiens unter dieser angenommenen Vorstellung alle Feriduns als Helden der Vorzeit. Dies waren gleichsam die stehenden (fixen) Vorstellungen, außer welchen aber keiner andern hiemit entsagt werden soll. Nach flüchtigen Erzählungen der Reisenden gab es auch Denkmale mit Abbildungen der Liebe;Kämpfer, Amoenitates, p. 362. – H. und die berühmten Rustamsbilder enthalten, nach de Sacy's Erklärung, den Streit zweier Helden um die persische Krone.
4. Gottesdienstliche Gebräuche wurden auch abgebildet. Die Vorstellung z. B., die Caylus von einem ägyptischen Cultus auslegt,T. IV. pl. 22. n. 3. – H. ist rein persisch. Es ist der Priester mit dem Gefäß Havan und dem Dast in der Hand, wie er den Hom bereitet.S. d'Anquétil, Zend-Avesta, T. II. p. 532. – H.
Eine fortgesetzte Aufmerksamkeit der Reisenden auf die verwitterten oder zertrümmerten Denkmale Persiens, voraus aber eine Sonderung der persischen Steine, die man bisher gemeiniglich unter ägyptische, punische, etruskische warf, von denen sie sich kenntlich unterscheiden, wird den Kreis dieser Vorstellungen, zu dem ich nur eine schwache Linie zog, sehr erweitern. Zu Ihren vielen Verdiensten, unermüdeter Mann, fügten Sie ein neues Verdienst um die alte Kunstgeschichte, wenn Sie aus den Beschreibungen und Kupfern, die vielleicht nur in Ihrer Bibliothek sich beisammen finden, die Vorstellungen ausziehen und zusammentragen ließen, die gewiß oder wahrscheinlich persischen Ursprungs, mit Benennung des Orts, wo sich ihre Originale finden. Bemühte man sich sodann um Abdrücke derselben, so wäre eine persische Ikonologie nicht unmöglich.
II. Stil der persischen Kunst.
Er steht in der Mitte zwischen Aegyptern und Griechen, doch diesen näher als jenen; welches auch nicht anders sein konnte. Die ägyptische Kunst war todt, da Persien emporkam, die griechische lebte und wirkte. Sie war auch den Persern näher, da ein großer Theil griechischer Länder unter ihrer Gewalt war und an sie grenzte; durch Arabien und das Meer war Aegypten von Persien gesondert. Ueberdem finden sich beinahe keine größeren Disparaten als die Aegypter- und Perserreligion, der ägyptische- und Persercharakter. Was von jenen zu diesen überging, mußte ganz umgebildet werden; die griechische Lebhaftigkeit und Schönheit dagegen, sie mußte den auch lebhaften, nur weichen und stolzen Persern gefallen und war geschickter zu ihrem Dienst. Also:
1. In allen menschlichen und Thiervorstellungen der Perser ist Leben, Bewegung; vom Ungeheuer an, das als Karyatide eine Mauer trägt, bis zur edeln Gestalt des Königs. Nirgends nimmt man die Pfeiler- und Mumiengestalt wahr, von der in der ägyptischen Kunst so Vieles ausging; den Sitten und dem Klima der Perser war sie fremde. Alle ihre Bilder sind belebt, wie denn auch nach Diodor's Erzählung schon auf Babylon's Mauern Schlachten und Thierjagden in Bewegung sogar mit lebendigen Farben vorgestellt waren, völlig verschieden von der ägyptischen Todtengestalt, in lebhafterem asiatischen Charakter.
2. Und die Bewegung, in der alle Figuren erscheinen, ist mäßig, sittsam. So erscheint der König, so sein ganzes Reich, selbst die gewaltsame Handlung, da er Ungeheuer durchbohrt, ist im glücklichsten Moment vorgestellt, unübertrieben. Dagegen sehe man die ägyptischen Figuren, wenn sie in Bewegung erscheinen: wie nahe kommen sie der Affengeberde!
3. Die Anordnung der Figuren auf den Grabmälern in Persepolis, ja auf dem schlechtesten Stein ist nicht ägyptisch, sondern griechisch, d. i. im einfachen Geschmack, wohlgeordnet. So viel ägyptische Werkleute Kambyses auch hinübergeschickt habe, man sieht, von Darius an hatte der griechische Kunstgeschmack in Persien das Uebergewicht; welches wol auch nicht anders sein konnte. Von je her machte man den Persern den Vorwurf, daß sie das Ausländische liebten; sie sind die einzigen Asiaten, die in ihrem Luxus Mode lieben. Von Darius' und Xerxes' Zeiten an arbeiteten selbst in Griechenland griechische Künstler für den großen König, wie das Beispiel des Telephanes beweist;Plin. N. II., XXXIV. 19, 9. – H. wie sollten denn nicht die benachbarten Perser von ihren eigenen griechischen Provinzen gelernt und ihre Künstler gebraucht haben, nach persischem Costüme ihre Anlagen zu leiten? Stände der Königspalast zu Susa noch da, wären jene Pracht- und Kunstgefäße, die goldenen Becher, Weinstöcke, Blumen u. s. w. vorhanden, auf welche der Luxus der Perser vorzüglich ausging: in Allem würden wir gewahr werden, wie griechische Kunst der persischen Pracht in ihrem Costüme diente.
Eben dies war auch die Ursache, warum die persische Kunst nie eine griechische Kunst wurde. Sie konnte es nicht werden, weil sie
1. blos dem Könige diente und ihr der republikanische Geist fremd war, der Griechenland beseelte. Tempel hatte ihre Religion nicht; Statuen, scheint es, liebte sie nicht; und wem sollten diese aufgerichtet werden, als dem Könige? Was einige spätere Persermonarchen hievon aus Babylon und Kleinasien herüberholten, wollte auf persischem Boden nicht gedeihen. Alle Kunst blieb also Zierrath, an Paläste, Gräber, Wände, Thron, Hausrath verwendet; sie schuf keine für sich bestehende freie Denkmale.
2. Die Perser sind ein wohlgebildetes Volk, und mehrere Länder, die die schönsten Menschen erzeugen, waren ihre Provinzen; da sie aber, wie alle Morgenländer, das Nackte nicht liebten, vielmehr ihren Sitten und der Verfassung des Reichs nach auf Anstand, Schmuck, Unterschied der Kleidung als auf Standes- und Ehrenzeichen viel hielten, so ging in Vorstellungen hierauf beinahe der Hauptzweck ihrer Kunst. Von Kopf zu Füßen ist in ihnen die Person ganz Kleidung; auf sie ist, auch bei den schlechtesten Amuleten, Aufmerksamkeit gewandt, und auf den Münzen der Sassaniden ist der barbarische Kopf-, Hals- und Brustschmuck Alles. Wenn also ein Grieche Werke dieser Art machte oder leitete, so sagte er zu sich selbst: »Wenn Ihr nichts als Kleidung wollt, so will ich Euch diese bis auf Falten und Stellung der Mütze, bis auf Ringe und Edelsteine liefern. Da habt Ihr einige tausend Figuren; betrachtet Euch in ihnen!« An den Wänden in Persepolis sogar wie an den Gräbern war die Tiare des Königes mit Goldblech überzogen; wahrscheinlich fehlte es ihm und seinem Stuhl auch nicht an glänzenden Steinen; gut, daß es ihm wenigstens an Farben fehlte. Die Kunstwerke der Babylonier hatten Farben, wie Diodor rühmt. Also lassen sich
III. Die Zeitalter der persischen Kunst
leicht angeben; denn da sie immer von den Griechen abhing, mußte sie auch dem Geschmack dieser folgen.
1. Die Zeit der Persermonarchen von Darius an trifft auf die schönste Periode der griechischen Kunst, die durch die zerstörenden Kriege und Niederlagen der Perser sich eben emporhob. Was von ihr nach Persien überging, konnte nicht anders als in großem und edelm Geschmack sein, wenn es gleich dem Persercostüme diente. Dahin gehören, wie ich bald zeigen will, die Gräber der Könige und Persepolis augenscheinlich. Das Andere, Susa, Ekbatana, ist untergegangen; rings um Persepolis und in Medien liegt wahrscheinlich Manches aus dieser Zeit, undurchsucht und unbeschrieben noch in Trümmern.
2. Unter Alexander, den Seleuciden und Parthern. Alexander überwand Persien, aber er zerstörte nicht, die einzige Königsburg ausgenommen, vielmehr gründete er griechische Colonien und Städte. In Asien entstand also ein Griechenland, seinen Folgen nach unzerstörbar. Auch da die wilden Parther den Seleuciden das Reich entrissen, wurden sie, wie ihre Münzen sagen, φιλέλληνες, Liebhaber der Griechen. Mit Wohlgefallen sieht man auf diesen Münzen altpersische Vorstellungen gräcisiren. Die hohe medische Tiare ist dem Haupt der Ueberwinder entnommen; ein Diadem fließt von ihrem geschmückten dicken Haar hinunter. Ihre Stellung auf dem Königsstuhl, den Bogen in der Hand, ist leicht und thätig, da die alte mit dem Scepter steif und ernst war. Statt der sonst vor ihnen Erscheinenden steht eine symbolische Person da, die sie gefällig anfleht oder ihnen den Kranz reicht; wie verschieden vom alten Cerimoniel an Persepolis' Mauern! Auch ihre prächtigen Titel gräcisiren, von den andächtig-stolzen Umschriften des auf sie folgenden Stammes der Sassaniden weit entfernt. Zugleich aber zeigt die Folge dieser Münzen den guten Geschmack sinkend.Pellerin und Eckhel, vielleicht die genauesten Münzenkenner, die es je gab, haben daher, da die Geschichte der Partherkönige so mangelhaft, ungewiß und der Arsacidenname allen Regenten gemein ist, in zweifelhaften Fällen sogar nach diesem Kennzeichen geordnet. Die einfachsten und besten Münzen sind die ältesten; die anmaßendsten und schlechtern gehören zur Neige des Reiches. – H. Die Titel werden anmaßender, die Pracht des Vorgestellten nimmt zu; die Kunst dagegen nimmt ab mit dem Werth der Münzen. In der christlichen Zeitrechnung erscheint schon statt des leichten Diadems der geschmückte Helm der Sassaniden, ein Uebergang zu der unförmlichen Kugelkrone der Sassaniden. Daß bis auf die letzten Zeiten hinab das Partherland von der Kunst der Abendwelt abhing, erhellt noch aus der Geschichte des Tiridates, der unter Nero sich in Rom stellte: er nahm eine Menge Kunstarbeiter aus Rom mit sich, sein Artaxata auszubauen, das er Neronia nannte.
In dies Zeitalter gehören die von Griechen und Römern nachgeahmten Persergebräuche und Kunstdenkmale. Da sie ein ausländischer Synkretismus zusammengezwungener Vorstellungsarten sind, erfordern sie eine eigne Betrachtung.
3. Unter den Sassaniden. Hier ändert sich die Scene ganz. Die eifrigen Zerduschtianer beschützen gegen das andringende Christenthum ihren Feueraltar; auch auf Münzen stehen gewaffnete Männer um ihn, dem sonst Waffen nicht nahen durften; der König des Gesetzes wird sichtbar in der heiligen Flamme gebildet. Mit andächtigen Religionstiteln prangen die Könige wie mit reich überladendem Schmuck, aber ohne Geschmack und Schönheit. Auch hier zeigt sich in zwei Stücken eine merkwürdige Parallele:
a) Wie in Westen, zumal in Constantinopel, der Geschmack abnimmt, so auch hier. Sowol die Münzen als die Bilder Rustam's, wahrscheinlich auch des Berges Bisutun, erweisen dieses. Es scheinen fortwährend Griechen gewesen zu sein, die die Werke der Kunst in diesem jetzt unermeßlich reichen, aber barbarischen Kaiserthum leiteten oder trieben.So ließ z. B. der Sassanide Nomann seine zwei Prachtgebäude Khurnak und Sedir durch den griechischen Baumeister Sinmar machen. So Andere. Siehe Mirkhond's »Geschichte der Sassaniden« hinter de Sacy's Mémoires de la Perse. – H. War in Europa der gute Genius der Kunst verschwunden, wie sollte er am Euphrat oder am kaspischen Meer weilen?
b) Der Mönchs- und Märchengeschmack, der damals in Europa das Licht der Wahrheit auszulöschen schien und Dämmerung in Alles brachte, verbreitete sich, und zwar aus gleichen Ursachen und mit gleichem Erfolg, auch in die asiatischen Länder, bis endlich der in der Wüste entsprungene bildlose Mohammedanismus auf einmal Alles zerstörte.
Wohl haben Sie in Ihrer gelehrten Geschichte der Baukunst der Alten den Grundsatz angenommen, »daß die Bildung dieser Kunst so wenig bei einem Volk allein gesucht werden müsse als ihr Ursprung.«Stieglitz, »Geschichte der Baukunst der Alten«, 1792, S. 31. – H. Jeder Vogel baut sich ein Nest nach seiner Weise; nach dem verschiedenen Ort und Klima ändert sich oft die Bauart eines und desselben Geschlechtes. Erlauben Sie also, da Sie über die Baukunst der Perser meine Muthmaßung über Persepolis anzuziehen werth geachtet, Ihnen vorzulegen, was ich fernerhin zu Erläuterung der Sache dienlich glaube.
Man ist geneigt, die persische Baukunst als eine Sprosse der ägyptischen zu betrachten, auf den kahlen Grund gestützt, weil Kambyses nach der Eroberung Aegyptens Künstler zum Bau Persepolis', Susa's und anderer Königssitze in Medien geschickt habe. Als ob vor dieser Zeit keine Baukunst in Asien gewesen wäre, oder als ob diese gefangenen Künstler das Klima Persiens oder den Charakter und Sinn ihrer Ueberwinder hätten umschaffen können! Keine zwei Länder sind verschiedener als Persien und Aegypten, keine Nationen verschiedener als Aegypter und Perser.
1. Dem Bedürfniß, vielleicht auch ihrem indischen Ursprunge nach, war die ägyptische Baukunst von Höhlen ausgegangen und blieb ihnen treu, so gut sie konnte. In Höhlen hatten die Aegypter einst gewohnt; die ägyptische Sonne hieß sie Höhlen suchen und lieben; darnach nahmen ihre Tempel, ihre Säulen, ihre Gräber, selbst ihre Bildwerke Form und Ansicht. Meder und Perser dagegen waren Berg- und Jagdvölker rauherer Gegend; sie liebten frische Luft, freie Aussicht statt künstlich ausgehauener Höhlen, die ihr Land auch nicht allenthalben gab, Castelle auf Anhöhen, Burgen oder Paläste mit angrenzenden Thiergärten, Paradiesen. Von der Burg auf Bergen ging die medisch-persische Baukunst aus und folgte ihren Königen bis in die Gräber.
2. Ein großer Theil der ägyptischen öffentlichen Baukunst war symbolisch. Aus Mangel der Buchstabenschrift significirten sie durch Bauwerke und auf Bauwerken, durch Charaktere, Handlungen, Festtage, Institute. Daher ihre Pyramiden, Obelisken, Tempel, das Grabmal Osymanduas', der Labyrinth u. s. w. Die Pyramide war nur eine schwere mathematische Figur über einem Grabmal, die Obelisken Pfeiler der Sonne zu Aufbewahrung ihrer Hieroglyphen; Osymanduas' Grabmal, die Tempel mit ihren Gebräuchen und Festtagen waren ihrer Hauptbestimmung nach Laboratorien ihrer Zeitrechnung, Darstellungen ihres Kalenders; die meisten dieser Gebäude waren halb über, halb unter der Erde. Lauter Erfordernisse einer frühen symbolischen Zeit. Meder und Perser dagegen hatten Buchstabenschrift; sie konnten diese auf Wände schreiben und bedurften nicht durch schwere Bauwerke zu symbolisiren.
3. Endlich, da die Baukunst kein vorgezeichnetes Ideal hat, so kommt es bei ihr mehr als bei andern Künsten auf Vorbilder, die man sieht, auf die gewohnte Lebensart, auf Lust und Phantasie an, denen sie sodann rasch oder träge folgt. Das Vorbild der Perser und Meder war Babylon; hier stand Belus' Thurm mit seinen acht Stockwerken, zu dessen Gipfel, dem Tempel, man von außen des Gebäudes in einem Schneckengange, der mit Ruheplätzen versehen war, angenehm, mit einer weiten Aussicht über die große Stadt und die unermeßliche Ebene gelangte. Der Semiramis hangende Gärten waren Terrassen, eben zu solchem Zweck über die weite Ebene erhöht. Als in einem gebirgigten Lande Dejoces sein Ekbatana anlegte, umbaute er mit seiner Stadt einen Berg, gleichsam von sieben Terrassen und Mauern, die über einander hervorragten mit Zinnen von verschiedenen Farben, weiß, schwarz, purpurroth, blau, gelb, silbern, golden. Dies war der alte asiatische Geschmack Asiens, nicht nur am Euphrat und Tigris, sondern bis ans mittelländische Meer hinab. Die sogenannte Nimrodsstadt, die Paul Lukas unweit Tarsus auf einem Berge sah, hatte drei Stufen des Berges, dreißig bis vierzig Fuß hoch, die man die Riesentreppe nannte; die Pforten, die, wie er sagt, er mit seinen eigenen Augen sah, schätzt er hundert Fuß hoch und die Gebäude von Riesengröße.Voyage de Paul Lucas, T. I. p. 354. – H. Wenn man die Reisebeschreibungen Persiens mit Aufmerksamkeit auf ihre Trümmern durchgeht, so wird man allenthalben auf den Gebirgen Gebäude, Schlösser, Burgen und an ihnen Terrassen gewahr, die dahin führten. Auch die Königsburg zu Susa, Memnonium genannt, mußte einen Berg inne haben, da es sich mit seinen Schätzen gegen den Antigonus festhielt. Hiedurch erläutert sich also die Bauart Persepolis' und der königlichen Grabmale augenscheinlich.
1. Die Gräber. Auf Anhöhen wurden die Leichname der Meder und Perser nach magischer Sitte ausgelegt; die königlichen Leichname also konnten auch nicht anders als in der Höhe bestattet werden;S. Hyde, De religione veterum Persarum, Tab. 13. Von den heutigen Begräbnißplätzen der Parsen, Dakme genannt, s. d'Anquétil, Zend-Avesta, T. II. p. 587. – H. ägyptische Todtengrüfte schloß der Landesgebrauch aus, mithin auch Pyramiden. Cyrus' Grabmal war ein Thurm mit schmalem Eingange, wo im höchsten Stockwerk sein Körper in einem goldenen Sarge ruhte, bewacht von Magiern in nachbarlichen Gebäuden. Kambyses kam von seinem grausamen Aegypterzuge in sein Vaterland todt zurück und ward in Persis, wir wissen nicht wo, bestattet, gewiß aber auch in einer Höhe des Felsens der Königsgräber. Als nach der kurzen Usurpation des Reichs durch den Magier Darius auf den Thron gelangte, so rückte er, aus einem andern Zweige der Achämeniden, der Dschemschidsfamilie, entsprossen, Pasargada weiter und baute sein Grabmal selbst am Berge Rachmed, oder vielmehr er richtete eine Seite des Felsens zu seinem Grabmal ein, damit auch er in der Höhe eines Marmorpalasts bestattet werden könnte; denn durch die Eroberungen Kambyses' und Darius' waren die Ideen der Perser sehr erweitert. Wie Cyrus' Grabmal offenbar den Babylonischen Belusthurm im Kleinen nachahmte, wo auch der Gott, d. i. der verstorbene Beherrscher, sein Bild hatte und der Sage nach zuweilen in Nächten dahin kam, so ahmte Darius' Grab ägyptisch-persische Grabmale nach, wiefern es die Persersitte erlaubte. Es ward die Ansicht eines Felsenpalastes mit einer ungeheuer hohen, schönen Façade.S. Chardin, Table LXVII. LXVIII. LXXIV. Auf der letzten sind mehrere Königsgräber in einer Ansicht. – H. Bildsäulen schloß diese Bauart aus; diese, wenn sie auch die Religion erlaubt hätte, wären in solcher Höhe von kleinlicher Wirkung gewesen; stark erhabene Bildwerke (haut-reliefs) und in großem Geschmack übereinandergesetzte Säulen vertraten sie also. Eine wirklich edle Composition, in welcher ägyptisch-griechischer Geschmack zusammentrat, um die Ansicht eines Marmorpalastes zu geben, den ein Persermonarch mit dem Bogen in der Hand, d. i. ein tapferer Perser und Diener Ormuzd', der Auferstehung harrend bewohne. Zwei Reihen persisch-medischer Männer, wie es scheint, auch in Kleidung und Tiaren unterschieden, tragen das Grabmal; unter ihnen sind Bilder der Thiere, die, wie wir sehen werden, zur Todtencerimonie nach persischem Cultus gehörten. In Ihrer »Geschichte der Baukunst« haben Sie an gehörigem OrtS. 320. – H. der sogenannten persischen Bildsäulen nicht vergessen, die ein bitterer Spott auf die Perser in ihrer eigenen Manier waren. Wie hier auf dem Grabmal Perser und Meder das Gebälke der Wohnung ihres Königes trugen, so tragen sie in Persepolis den Pfeiler seines Thrones.Le Bruyn, Table 153. – H. Mithin ließen die Spartaner ihre gefangenen Perser, als gewohnt solcher Trägerei, ihren Porticus tragen und spotteten ihrer damit als geborner Sclaven.Auch den weiblichen Trägerinnen, den Karyatiden, giebt Vitruv einen solchen Ursprung; als Bundsgenossen der Perser hatten sie sich ihnen gleichsam zu Sclavinnen verkauft. Lessing hat ihnen den Schimpf abgenommen, indem er sie in tanzende Jungfrauen der Diana verwandelt. S. Lessing's sämmtliche Schriften, Band 10. S. 366. Wahrscheinlich war jene Geschichte, die Vitruv erzählt, ein Märchen, nach jener wahren Geschichte der Gefangenen bei Platäa gebildet. Da man persische Träger hatte, so glaubte man auch, die Trägerinnen müßten mit den Persern wenigstens im Bunde gewesen sein. – H. [Vgl. Preller, »De causa nominis Caryatidum« in den »Annali dell' Instituto archealogico«, XV. 396–406 – D.
2. Auch die Gebäude zu Persepolis treten ihrer Anlage nach damit in das Licht, das ihnen gehört. Ein neuer schätzbarer Schriftsteller hat diesen Palast die Todtenresidenz der Perserkönige genannt; wie mich dünkt, nicht glücklich. Des nahen Grabes wegen ist Persepolis nicht gebaut; ein Pasargada und Pasargaden (d. i. Persepolitaner) gab's, ehe selbst Cyrus' Grab existirte. Die Könige zogen in diese Residenz, nicht um Todtengebräuche zu begehen oder sich in persischer Denkart an den Leichnamen ihrer Vorfahren zu verunreinigen; denn, eben damit sich Niemand an ihnen verunreinigte, wohnten diese in ihren Todtenresidenzen, d. i. in den Marmorhöhlen, nahe den Gipfeln eines hohen Gebirges. Jeder der Todten bewohnte seinen Palast, den das ausgehauene Frontispice zeigte. Noch weniger zogen sie dahin, um Buße zu thun; denn wir finden nicht, daß ihnen bei ihrem Aufenthalt hieselbst eine besondere Lebensart vorgeschrieben gewesen, noch daß sie diese geführt. Persepolis war eine reiche, üppige Stadt in einem schönen Thale, wo Jeder so fröhlich lebte, als er leben konnte, die Könige gewiß nicht minder. Sie bewohnten ihre Königsburg und »ließen ruhen die Todten«.
Einen andern weit natürlichern Ursprung hatte die Erbauung Persepolis', den die Geschichte klar angiebt. Persis war das Land der Achämeniden, d. i. der Familie Dschemschid's, die sich durch diesen Namen an eine alte hohe Abkunft knüpften. Der Stamm, zu dem sie gehörten, hieß Pasargad, die ächte Perserversammlung; aus Zend-Avesta wissen wir, daß, wie es auch nach der Beschaffenheit der damaligen dortigen Völker erklärlich ist, auf Versammlung, Versammlung der Anführer (assemblée brillante des Chefs), es seien diese himmlische oder Erdwesen, Alles gebaut ist. Wo irgend sich also die Anführer der edeln, alten Perserstämme versammelten, war ein Pasargad (Persepolis), eine Stamm- und Reichsversammlung. Cyrus, als er durch sich den Perserstamm auf den Thron erhob, wählte zu seinem Pasargad den Ort, wo er die Meder geschlagen hatte, und ward zum Andenken seines Sieges und der Erhebung seines Stammes auf den Mederthron unweit seinem Pasargad bestattet, d. i. er bekam seinen Thurm, in dessen oberstem Gemach seine Leiche ruhte. Kambyses' Körper ward gleichfalls hieher geführt; er war Cyrus Sohn, und aus Herodot kennen wir die heftige Rede, die er vor seinem Tode an seine Pasargaden hielt, die Regierung des Reichs nicht wieder an die Meder kommen zu lassen, sondern sie in Persis zu erhalten. Mit ihm war Cyrus' Familie ausgegangen, und, von den sieben Fürsten gewählt, kam Der, den wir Darius Hystaspis nennen, aus einer andern Familie der Achämeniden, auf den Thron. Wie natürlich, daß er, ein Sproß des alten Dschemschidstammes, Stifter eines neuen Königshauses, die Versammlung der Perser fortrückte und sich innerhalb der väterlichen Provinz ein neues prächtigeres Pasargad anlegte. Er hatte keinen Astyages geschlagen, war nicht von Cyrus' Abkunft; aber das Reich schützte, erweiterte er, ja, welches noch mehr ist, er richtete es ein. Durch die Ueberwindung Aegyptens und mehrerer griechischen Völker, durch die Kriege mit beiden Völkern überhaupt war Persien zu einer andern Stufe von Kunstpracht gelangt, als auf der es unter Cyrus gestanden; die neue Königs- und Perserstadt war dessen Zeugin. Er wählte sich dazu das Amphitheater des Marmorberges, das seine Burg einschloß, hinter welcher er selbst in den Felsen auch seinen Grabpalast anlegte; gewiß zu seiner Idee der schicklichste Ort. Der Fels ward abgetragen und zu weiten, das Thal übersehenden Terrassen geebnet; prächtige Treppen führten hinauf, und an ihren Seiten ließ er links, als an der Ehrenseite, die Diener seines Hofes, rechts die zwanzig Satrapien in Fels hauen, in welche er sein großes Reich getheilt. Eben diese zwanzig Satrapien in ihren durch Cypressenbäume deutlich unterschiedenen Feldern zeigen diesen Bau als Darius' Werk; denn vor ihm gab's diese Eintheilung nicht, unter den medischen Königen war das Reich anders geordnet.Zwölf dieser Felder, d. i. tributbringenden Satrapien, hat Niebuhr gezeichnet, die andern, ebenso deutlich unterschiedenen, obgleich zum Theil halb verwüsteten bei Chardin nachgewiesen. (Niebuhr, S. 130 f.) Durch Zusammenhaltung Niebuhr's, Chardin's und Bruyn's stehen die 29 oder 30 Satrapien Herodot's, in die Darius sein Reich theilte, klar da. Die tributfreien Provinzen, z. B. Persis und die Bundesgenossen, die nicht Tribut, sondern willige Geschenke brachten, sondert Herodot ab; auch in der Abbildung mußten sie abgesondert und konnten nicht als Unterthanen die Treppe hinauf geführt werden. Sie stehen auf besondern, leider aber größtentheils zerstörten Wänden kenntlich gnug da (Niebuhr, S. 134). Unschätzbar sind uns diese Nachrichten Herodot's; sie erklären und bestimmen das Zeitalter dieser Persepolis, so wie Persepolis mit seinen Abbildungen als ein Felsarchiv ihre Treue bewährt. – H. Zu Aufbewahrung seiner Schätze, die Darius, der Einsammler genannt, sorgfältig in Tonnen schlug, war ihm dieser Winkel in einer Felsenkrümme, der mit den Labyrinthen seines Grabmals zusammenhing, sehr gelegen; er befand sich in einer der abgelegensten Provinzen seines weiten Reichs, von allen Seiten geschützt durch Wüsten und Gebirge. Wie konnte es deutlicher gesagt werden, daß dieser Ort eine Schatzkammer, das Gazophylacium des Reichs sei, als daß alle Stufen hinan sich Völker zeigten, die diesem Palast Gaben zutrugen? Die Abbildung war redend.
Sei es also, daß Darius hier nicht stets und seine Nachfolger noch seltner hier verweilt; allerdings war Susa, das von Jenem gleichfalls erbaut war, dem Mittelpunkte Persiens näher, und es war Reichssitte, daß die Persermonarchen ihren Aufenthalt änderten und, manchen Provinzen sehr beschwerlich, eine nach der andern durchzogen. Susa und Ekbatana waren in dieser Königswallfahrt ihre Hauptresidenzen (der Königsburgen hatten sie mehr!), die daher auch am Oeftersten genannt werden; nach Persepolis war ihnen selbst der Zugang durch die wilden Bergvölker beschwerlich und der Aufenthalt hinter diesen Gebirgen nur in einer Jahreszeit erfreulich. Persepolis blieb indeß, was es sein sollte, durch kein Susa oder Ekbatana gehindert; und allerdings gereichte es den Perserkönigen zur Ehre, wenn sie diese Väterprovinz, in welcher sie gekrönt, d. i. mit Cyrus' Kleidern angethan und bestattet wurden, die auch fortwährend für die Hauptprovinz des Reichs galt, des Abweges ungeachtet zuweilen auch besuchten. Nach Ort und Zeit dürfen wir Persepolis also als ein Ideal persischer Baukunst ansehen, und sie ist's. Perser, Meder, Babylonier, Aegypter und Griechen, allesammt Unterthanen des großen Königs, konnten zu ihrem Bau angewandt werden, zu einem Bau aber nach persischer Weise.
1. Kein einzelner Palast findet also hier statt, der Alles umfaßt; den Persern ist diese Bauart bis auf die jetzigen Zeiten fremde. Sie lieben abgetheilte Gemächer und Gebäude; den alten Sitten Persiens war's ganz zuwider, daß ihr Erdengott mit allen seinen Hausgenossen und Freunden wie in der Arche Noah' unter einem Dach schlafe. Abtheilungen waren also nach dem Cerimoniel der Perserkönige nöthig, selbst in den eigenen Wohnungen des Königes, wohin von Fremden Niemand gelangte. Durfte sogar ein weiblicher Günstling, die weltberühmte Königin Esther, nicht ungerufen zu ihrem Gemahl kommen, und ward selbst den sieben ersten Fürsten, den König zu besuchen, nicht anders eingeräumt, als wenn er außer seinem Harem sei, wie dann einem Andern? Also waren die Gebäude G H I der Niebuhr'schen 18. Tafel gewiß die heiligsten, unzugangbarsten Orte, und das Gebäude H I, das der Harem gewesen zu sein scheint, auch seiner Lage und Anlage nach das unzugangbarste. Auf diese Gebäude über und unter der Erde sollte sich also künftig der vorzügliche Fleiß der Beobachter richten und, wenn, wie ich nicht zweifle, in wenigen Jahren eine eigene Persepolitanische Reisegesellschaft, wohl unterstützt, ihre Forschungen hier anstellen wird, von dem Innern einen Aufschluß geben. Was von Alexander verwüstet wurde, ward hier verwüstet; die niederern Regionen, Colonnaden B D, Audienz-Saal L, noch weniger der untere Hof A AE mit dem Porticus, der Treppe und den Wundertieren gingen ihn an. Der ganze Berg war der Palast; er zerstörte des Königs Burg, nicht wo die Bedienten saßen.Vgl. Herder's Werke. XV. S. 141. – D.
2. Ist der ganze Berg Palast, so sind die Abtheilungen fremde, die man sich nach europäischer Weise denkt. Man geht nicht gerade vom Eingange zur höchsten Höhe hinauf, welches auch dem Hofstaat der Persermonarchen nach sehr ungereimt wäre, sondern die hohe Pforte a führt nur zu dem, wozu im Perserbegriff die hohe Pforte führen sollte. Wer weiter hinauf gelangte, dem mußte es Gunst, Geschäft oder Rang verstatten. Drei nach europäischer Weise abgeschnittene Terrassen giebt es auf diesem Palastberge nicht; auch auf der dritten Höhe, wo des Königs eigne Wohnungen waren, giebt's Erhöhungen und Vertiefungen, wie Niebuhr berichtet. Folglich wurde Alles an dieser Anhöhe zu dem Zweck gebraucht, wozu es gebraucht werden konnte. Wenn also der eigentliche Reichspalast L, der große Versammlungssaal, in der Mitte des Berges hinter der großen Colonnade lag, so war dies an Ort und Stelle. Tiefer hinab konnte sich der König nicht begeben, höher hinauf in dessen Privatwohnungen die Geschäfte nicht steigen; hier war ihre prächtige Anfuhrt. Was unterhalb lag, diente dem Reich, Hofbedienten, Provinzen, und was sonst dazu gehörte.
3. Vom Gebrauch der Colonnaden können wir jetzt gar nicht urtheilen, da sie jetzt theils in Trümmern liegen, theils in ihrer schlanken Höhe unbedeckt da stehen. Ohne Zweifel war die große Colonnade vor dem Versammlungssaale L in der mittleren Terrasse doch ungleich näher der Höhe als dem Boden, der größte Ort der Feierlichkeiten, der Gastmahle und Spiele, wo man in der freiesten Ansicht die Schönheit der Jahreszeit genoß, wo alle Große und Edle bewirthet und ergetzt werden konnten. Babylonische Decken sicherten sie sodann vorm Strahl der Sonne; und wer weiß, welche Plätze zu Lustbarkeiten über und neben denselben angelegt waren! Die Colonnaden der höhern Höhe, hinter dem Hause des Königs G, an beiden Seiten des wahrscheinlichen Harems H und I, zeigen gnugsam, worauf es mit diesen Colonnaden angelegt gewesen. Wahrscheinlich war auch über ihnen ein leichter Bau, Aussichten, hangende Gärten u. s. w., Alles im eigensten Geschmack der Berge liebenden Perser.
4. Die prächtige Treppe, obgleich sehr untergeordnet, gehört mit zum stattlichen Palastberge; sogar ein französischer Reisender hat sie gewürdigt, mit einer Pariser Treppe verglichen zu werden.Vgl. Herder's Werke XV. S. 147 f. – D. Ohne Zweifel ist sie die prächtigste der Welt; denn wo gäbe es sonst noch einen solchen Felsenpalast? Ihre Breite und Gemächlichkeit, ihre Di- und Convergenz sind dem Ganzen der Structur so anpassend, daß, mit einem ägyptischen Pyramidenbau verglichen, der Fels Persepolis wie organisirt scheint. Seine Springbrunnen, die Wasserleitungen, deren Trümmern man findet, die Luftgefilde über den Colonnaden, die Menge der Menschen, die den Palast bewohnten, und die er rings übersah, belebten das Ganze.
5. Die Verzierungen dieser Gebäude haben Sie zwar selbst, mein Herr, überhäuft und verschwendet genannt, zugleich aber auch diese Verschwendung aus dem Geschmack und der Prachtliebe der Perser hergeleitet, mithin an Ort und Stelle selbst erklärt.Stieglitz, »Geschichte der Baukunst«, S. 133. – H. Auf dem großen Berge, wie vertheilt erscheinen sie! sie drängen sich nur auf unsern Kupferblättern zusammen. Und wie ganz steht jede Verzierung an ihrer Stelle! so daß ihnen auch die Wiederholung nicht schadet. Alles freilich im Geschmack jener Zeiten und jenes Perserstolzes, wie erhaben aber über den Geschmack der Indier und Aegypter! Kein ausgehöhlter, aber ein mit Bau- und Bildwerken bekleideter Berg steht da, zweckmäßig ausgebaut, morgenländisch bekleidet.
6. Auch Schrift fehlt den Wänden nicht; denn auf diese legten Chaldäer, Meder, Perser, Tibetaner einen so hohen Werth. Als goldene Pfeilschrift aber steht sie an, in Zügen, deren sinnreiche Einfalt, auch unverstanden, das Auge nicht ärgert und vor manchen schlechten Zierrathen unwidersprochen den Vorzug behauptet. Der Stahl, der in den härtesten Fels diese ewigen Lettern grub, erzeigte gewiß dem menschlichen Verstande eine größere Wohlthat, als der in Aegypten jene Hieroglyphen setzte. Dies wird die Zukunft bewähren. Es kann nicht anders sein, als daß eine Buchstabenschrift aus so alten Zeiten, dazu in mehreren Alphabeten, wenn sie entziffert ist, mancherlei Alphabete, Sprachen, Völker, Systeme und Religionen zusammenrücke, erkläre, ordne.
7. Neuerdings hat man die Baukunst zu Persepolis für ein Werk der Baktrier erkennen wollen; ich muß gestehen, daß mir keine eigne baktrische Baukunst bekannt sei. Wahrscheinlich auch Ihnen nicht, da Sie ihr kein Capitel in Ihrer Geschichte der Baukunst der Alten vergönnt haben. Indische, ägyptische, babylonische, griechische Baukunst kennen wir aus Zeiten, die dem Bau Persepolis' vorhergingen und ihm nachfolgten; in ihrer Mitte steht Persepolis, vielleicht mit Theilnehmung an ihnen allen, in eigenem Geschmack da, keine eigene baktrische Baukunst.
Und weswegen müßte sie hier obwalten? Weil hier in der Mauer oder auf den Säulen fabelhafte Thiere erscheinen? Sind diese in Balkh (Baktra) erfunden? hatten sie daselbst ausschließend das Bürgerrecht? Oder falls sie es gehabt hätten, war andern Bauleuten untersagt, diese bäurischen Bürger zu bilden? Ktesias' indische Fabelthiere, lebten sie in Baktra?
Wie in der Rechenkunst das Einmaleins, so ist in der Baukunst die Säule nicht blos als Maßstab der Verhältnisse, sondern auch als Weiser des Geschmacks angenommen; und wohin weisen uns Persepolis' Säulen? Nicht nach Indien, sondern nach Aegypten und dem asiatischen Griechenlande; vorzüglich nach diesem. Jenes hatte die Säule und ihre Verzierung nach Art des Palmbaums und mit hieroglyphischen Capitälen längst und vielfach geübt; die asiatischen Griechen hatten die ältere dorische Säule längst gestreift und gehöhlt, da erhob sich diese persische Säule, dem Genius des Landes treu, wie ein schlanker Thurm, mit weniger oder keiner Verjüngung, auf mehrerlei Weise phantastisch geziert.Man sehe in Ispahan den gehörnten Thurm, Khalem Menaar, an (Kämpfer, Amoenitates, p. 291); wie treu ist sich der Persergeschmack geblieben! – H. Weder den Palm- noch Essigbaum durfte sie nachahmen, noch weniger in Baktra erfunden werden; denn es standen Säulen und Thürme der verschiedensten Art von Indien bis Theben, von Babylon bis zu den persisch-griechischen Inseln. Selbst die Idee, hier wenigstens an Wänden eine Panpersis anzulegen, wie die Griechen allenthalben dergleichen Gemeintempel (Panionium, Panhellenium u. s. w.) hatten, halte ich für griechisch. Der große König wandte die Idee an, wie er sie anwenden konnte. Ueberhaupt, dünkt mich, müsse jedem sehenden Auge einleuchten, daß, von den Grabmalen an bis zum Porticus der Pforte, in Verzierungen, Säulen, Vorstellungen und Bauart Persepolis' ägyptisch-griechische Kunst sei, auf babylonisch-medische Weise geordnet.
Ein Beweis statt aller sei eben ihre frei stehende Colonnade. Aegypter, Griechen pflanzten sie um ihre Tempel herum; in Indien und Aegypten trugen sie als Pilaster. Hier stehen sie, da die Perser keine Tempel hatten, frei und frank da, vielleicht eine leichte Decke, ein Dach zur Aussicht, einen Blumengarten zu tragen, und unten in ihren Gängen zu schmauchen, sich zu vergnügen, zu lustwandeln. Auch in ihnen sehen wir also in Vergleichung mit den Aegyptern den freiern Persergeschmack. Angenehm sind unter einem leichten Dach freie Säulen; einem Gebäude angehängt, erscheinen sie als Angehänge; einer Mauer zu nahe oder gar in sie eingefaßt, sind sie zwangvoll und widrig. Kennen Sie ältere frei stehende Säulengänge als diese? Was sind sie aber gegen die griechischen Propyläen, die einzigen mir bekannten Gebäude, die man der Anlage nach in Ansehung der Säulengänge, der Treppe und des Pöcile mit Persepolis vergleichen könnte? Gegen sie gestellt, erliegt freilich der persische Riese, da an ihnen die griechische Kunst in der größten Vollkommenheit erscheint; auf seinem Marmorfelsen in Persis aber überwindet er alle Gebäude benachbarter Völker zur Rechten und Linken.
Als in Rom der gute Geschmack zu sinken anfing, stellte man einzelne Säulen auf, oben mit der Statue des Ueberwinders, wie in Alexandrien die sogenannte Pompejus-Säule und zu Rom die Säulen der Antonine zeigen; auch hierin wie in vielem Andern näherte man sich wieder dem Geschmack der Morgenländer. Was ist eine einzelne frei stehende Säule, die nichts als ein Belus-Bild trägt, gesetzt, daß sich auch auf ihr alle Thaten des Helden in bildlichen Vorstellungen hinaufwinden? So kolossalisch die Säule sei, ist sie unserm Auge entrückt und erscheint klein in ihrer Höhe; auch die Vorstellungen sind umher gewunden, damit sie nirgends anschaubar werden. Dünkt Ihnen die Colonnade zu Persepolis, die freilich jetzt als ein Gerippe da steht, auch nur als Zugang zum Königssaal, als Propyläen betrachtet, nicht natürlicher, größer und edler?
Vergönnen Sie mir, geschätzter Freund, aus Ihrem unterrichtenden Meisterwerke über die Kunstschätze alter und neuer Zeit in Italien einen Ausdruck. der, wie mich dünkt, ein strenger Canon sein kann: »Ein Kunstwerk spreche sich selbst aus«.Vielmehr in dem Aufsatze »Ueber die Gegenstände der bildenden Kunst« in Goethe's »Propyläen«, I. 1,21 (1798). Der Irrthum wurde dadurch veranlaßt, daß Meyer in derselben Zeitschrift auch über etrurische Monumente und über Raphael's Werke, besonders im Vatican, gehandelt hatte. – D.
Was sich also an einem Kunstwerke nicht selbst ausspricht, gehört eigentlich nicht zum Kunstwerk; Namen z. B., historische Umstände u. s. w. Letztere verschweigt der Erklärer sogar, sobald sie zerstreuen und vom Werk selbst abführen. Die Anekdotensucherei, der Plinianische Geschmack, Nebenumstände vom Kunstwerk oder seinem Meister anzuführen, die dabei ausgeschüttete entbehrliche oder falsche Gelehrsamkeit sind ein schlechter Geschmack, weil sie von der Intuition des Werks, von seiner eignen reinen Aussprache zerstreuend abführen. Wer z. B., statt zu Persepolis' Königspalästen durch die Pforte einzugehen, von hinten über die Mauer steigt und, weil ein Grab nahe ist, die ganze Anlage für eine Todtenresidenz erklärt, hat mir den Begriff des Ganzen, in dem durchaus nichts vom Tode enthalten ist, durch eine Nebenidee zerstört.
Ich trete vor ein oft wiederholtes Bild und sage: »Es ist ein König, jetzt in der, jetzt in dieser Verrichtung; dies sind seine redenden Attribute«, so habe ich das Bild erklärt, d. i. zur Sprache gebracht, was es selbst aussprach. Möge dieser König Aksak oder Saksat heißen; der Name ändert im Kunstwerk nichts. Ich trete vor einen großen Zug Menschen und sage: »Es sind Unterthanen verschiedener deutlich abgetheilter Provinzen; sie werden zum Könige eingeführt und bringen ihre Geschenke«: so ist das Kunstwerk erklärt; welche Geschenke, welche Provinzen es sein mögen, muß ich erst aus Herodot und Andern lernen.
Verzierungen stehen vor mir; der Name Verzierung selbst lehrt mich auf die Stelle merken, wo sie stehen, was sie verzieren. Ein phantastischer Thierkopf, als Capital einer Säule angebracht, kann und soll nichts als die Säule zieren. Figuren der Thiere, im Winkel einer Wand angebracht, sollen diesen Winkel füllen. Kein Ornament darf zwar am unrechten Ort oder ganz sinnlos da stehen, welchen Sinn und Zweck es aber habe, kann mir kein Naturregister – der Genius, der das Ganze beherrscht, der Sinn und Zweck des ganzen Gebäudes muß es mir sagen.
»Was z. B. bedeutet der Löwe, der einen Stier überwältigt?« Daß ein Stärkerer den Schwachen übermanne; dies ist des Bildes natürliche Bedeutung, die ohne Fackel der Kritik jedes Kind in ihm anerkennt und ausspricht. Die zweite Frage ist: »Was soll das Bild hier?« Die Antwort muß mir der ganze Palast sagen.
Träte Jemand hinzu und spräche: »Das ist ein Jagdstück; die Bewohner dieses Palastes sind große Jäger und lieben dergleichen Bilder. Weiter bedeutet es nichts, der hohen Simplicität wegen«, so würde ich schweigend bei mir denken: »Wenn die hohe Simplicität der Jäger nicht bis zur Schwachheit geht, so müssen sie auf der Jagd wie auf der Wand im Bilde sehen, was es jedem Kinde ausspricht, daß der Stärkere den Schwächern überwindet.«
Schritte ich nun weiter, fortdeutend: »Der Stier bedeutet den Seleukus Nikator, dessen Münzen den Stier als Emblem führen; der Löwe bedeutet –« Ohe, jam satis!Hor. Sat., I. 5. 12 u. 13: Trecentos inseris. Ohe, jam satis est. – D. Wenn Alles wahr wäre, so spricht dies Bild es nicht aus. Warum ist eine Allegorie Allegorie, als weil sie in Dämmerung gesehen sein will? Reißt Ihr sie aus dieser, um sie auf einen einzelnen nackten Fall anzuwenden, so erweitert Ihr nicht, sondern verengt ihre Bedeutung. In einem Königspalast, dem Denkmal alter Helden, bedeuten dergleichen Bilder, was sie bedeuten können, d. i. was sie durch sich selbst sprechen und significiren; im offenen Naturlicht stehen sie da.
»Also auch der Kampf des Helden mit den Ungeheuern, sollte er nicht blos sagen wollen, daß die persischen Monarchen große Liebhaber der Jagd gewesen?« So sagte das Bild dies sehr widersinnig und barbarisch. Gegen Thiere, dergleichen es nirgends gab, gegen Greife mit Skorpionschwänzen u. s. w. zog kein Persermonarch auf die Jagd. Auch überwand er diese nicht, indem er ihnen das heilige Gefäß auf den Kopf drückte oder das Einhorn am Horn faßte. In einer der Kammern des Palastes wird ein Bock an den Hörnern in die Höhe gehoben: war dies auch eine Lustpartie der Persermonarchen?
»Aber der hohen Simplicität wegen!« Die Simplicität aller andern Vorstellungen des Königs fordert, daß auch hier nichts Ungereimtes und Niedriges vorgestellt werde, dergleichen ein Jäger utopischer Thiere gewiß wäre. Dort erschien er als Richter, als Regent, als Diener des Gesetzes Ormuzd'; der Schützer des Reichs, der Ausrotter des Bösen, Feind aller drohenden Ungeheuer und feindseligen Mächte, sollte er nirgends erscheinen, da dies eben die Hauptpflicht des Königes, da der Name Held und Perser (Artäer) einer und derselbe war? Wenn nach der Landesreligion Streit gegen das Böse die tägliche Pflicht eines Jeglichen war; wenn der Knabe schon, sobald er zum Mann angenommen wurde, den Streitgürtel anlegen mußte und man das Böse unter keiner andern Gestalt als der Dews, d. i. der Skorpionen und auszurottenden Ungeheuer, kannte; wenn hierüber tausend Erzählungen umhergingen und dem Könige seine Ahnen nicht anders als Temuras, Feriduns, Rustams u. s. w., als Bezwinger der Ungeheuer dieser und anderer Art vorgestellt wurden: sprächen die Bilder nicht durch sich selbst jedem Perserkinde verständlich?
Und sprächen sie nicht edel, da ohne Zweifel dies der schwerste und Hauptberuf eines Königes war? Mit keinem nützlichen Thier streitet der Held, sondern mit Löwen, Greifen, dem Einhorn; das wildeste derselben, den Greif mit einhauendem Schnabel, einhauenden Klauen und dem Skorpionschweif, übermannt er dadurch, daß er ihm den heiligen Talisman aufs Haupt drückt und ihn mit der Linken durchbohrt. So symbolisirt die ächte Simplicität. Nicht Menschenschlachten oder dahingestreckte Feinde führt sie auf den Schauplatz, sondern die Ursache des Uebels selbst, den Genius der Wildheit, des Raubes, der Wuth und der Verheerung. Ihn zu durchbohren und damit sein Reich vor jeder Gefahr zu schützen, alles Schädliche mit mächtigem Arm von ihm zu entfernen, war des Königs Beruf, und das sprechen diese Bilder. Einen Jäger stellen sie nicht dar; denn der hier vorgestellt wird, jagt keinen Hasen, die im Zend-Avesta statt des gesammten Wildes genannt werden, sondern durchbohrt, überwindet.
Wie diese, müssen alle symbolische Thiere durch sich selbst sprechen, sonst wären sie keine oder schlechte Symbole. Und um sie zu verstehen, muß man jeden hineingezwungenen fremden Nebenbegriff entfernen.
Sagte z. B. Jemand: »Das reichgeschmückte Thier mit dem Menschenantlitz und dem Diadem auf dem Haupt ist nichts Anders als der Menschenfresser Martichoras (vide Ctesiam). Im Vorhof steht er hier, um die Macht und Stärke des Despotismus zu bezeichnen«: so würde ich schweigend bei mir denken, daß er diesen Begriff sehr ungeschickt und an unrechtem Ort bezeichne. Denn der König, der in seinen Gemächern und im Reichssaal erscheint, ist doch selbst kein Menschenfresser; er zeigt sich in der ehrwürdigsten Gestalt als einen gesetzten, sanften, ordnungsliebenden König, über welchem, wo er geht und steht, die himmlische Gestalt schwebt. Furchtlos gehen seine Unterthanen zu ihm und werden, jede Provinz von einem Diener des Königs, freundlich eingeführt. Alle diese ruhigen Menschen sollte der Menschenfresser Martichoras doch nicht von der Treppe hinwegscheuchen oder ihnen symbolisch sagen: »Ihr geht zu einem menschenfressenden Despoten«?
Und da dies Thier zum Palast hinanblickt, wie das Einhorn auswärts sieht, so wird es doch nicht, wie dort Haman die Königin,Esther 7, 8. – H. den König würgen wollen und dies bezeichnen? Und was ist im Mindesten an diesem Bilde, das es als Menschenwürger charakterisire? Wo denn sind seine Löwenfüße und der Skorpionschweif? Was in allen seinen Gliedern hat es mit Ktesias' Thier gemein, als das ruhige Menschenantlitz? Und frißt dies Menschen?
Wie aber gehört Ktesias gar hieher? Sagte der Fabulist je, daß ein mannbärtiges, geflügeltes Thier mit dem Diadem auf dem Haupt in Indiens Wäldern umherlaufe? Und von einer solchen Composition ist hier doch allein die Rede. Wo denn ist im ganzen Gliederbau dieses Symbols etwas Zerstörendes? Nirgends im Palast ist's mit einem andern Thier im Kampf, geschweige, daß es einen Menschen anfiele, oder ein Held es morde. Seine Attribute sind ebenso sprechend als edel bedeutend; denn wer wüßte nicht, daß Adlerflügel schnelle Macht, der feste Körper und volle Tritt, mit dem es da steht, unerschütterte Kraft, das Menschenantlitz Milde und Weisheit, Diadem und Schmuck Ansehn und Reichthum bezeichnen? Ohne Fackel der Kritik versteht jedes Kind diese Attribute des Symbols, und nur durch sie steht das Ganze an dieser Stelle würdig – eine Bezeichnung dessen, was sich das Perserreich von innen zu sein dünkte; nach außen kehrte das Einhorn seine schützenden Kräfte.
Ueberhaupt ist mir es unverständlich, wie man dergleichen Compositionen als lebende Wesen aus den Wäldern Indiens holen könne; sie sind zwar nicht erdichtete, aber zusammengedichtete Gestalten, die sich nach Zeit und Ort wie Träume ändern. Die erzählende Dichtung der Morgenländer erlaubt sich in ihnen die raschesten Uebergänge; ja, sie liebt solche; ihre Sprache ist dazu eingerichtet, ihre Phantasie zu ihnen vorbereitet, so daß auch die Kunst daran Theil nehmen kann. Eben in Verzierungen und Figmenten, als untergeordneten Dingen der Hauptvorstellung, darf sich der Künstler innerhalb der Grenzen seiner Kunst das Meiste erlauben. Belehre uns darüber bald Ihr BuchEs sind die mit Goethe herausgegebenen »Propyläen« gemeint. – D. selbst;
Wenn z. B. an des Königs GrabmalChardin Table LXVIII. – H.jenes zähnebleckende Ungeheuer, das die prächtige Last des Gebäudes trägt, dem nächst zukommenden Hofdiener die Klaue nach dem Kopfe wirft, und ein Mystiker fragte, was das bedeute, was könnte man ihm sagen, als: »Das Thier steht lebend da, unwillig seines Dienstes«? Nicht anders würde es, wenn es lebte, die Zähne blecken, die Klaue werfen. Die zu lebhafte Geberde ist also ein Uebermuth des Künstlers: Capitäle, Verzierungen, Arabesken.
Doch wie lange spreche ich Ihnen von Unthieren dieser Art? Da hängt Ihre schöne Zeichnung vor mir, Raphael's Gott Vater, von den vier Symbolen der Evangelisten getragen. Welche zauberische Composition! Wie arm erscheinen unter ihr die beiden indischen Symbole, Elephant und Roß, ob sie gleich die ganze lebendige Thierschöpfung in sich enthalten!Vgl. Herders Werke, XV. S. 422 f. – D. Raphael's majestätische Gruppe wirft neben und unter sich Alles zu Boden. Lassen Sie Sich erzählen, wie diese Thiergruppe entstand, was für langsame Schritte sie mit Jahrtausenden machte.
Ihr Ursprung ist persisch oder eigentlich chaldäisch, medisch. Es war eine angenommene Vorstellungsart dieser monarchisch-aristokratischen Völker, daß in Himmel und Erde Alles in Classen getheilt sei, deren jede ihr Haupt, ihren Vorsteher habe. So auch die Thiere; und die mächtigsten Geister scheuten sich nicht, in Gestalt dieser Thierkönige zu erscheinen. So wurden sie auch abgebildet, entweder in völliger Thiergestalt, den Stern über ihnen, Glanz um ihr Haupt, oder es war eine halbe Menschenfigur, die über dem verkürzten Thiersymbol schwebte. So jene Königsgestalt auf dem Grabmal bei Persepolis, so jene andre gleichfalls auf Fittigen, unter sich das Symbol des Widderhauptes. Dies war die Vorstellung gleichsam in ihrer Kindheit.
Ein israelitischer Seher componirte sie dichterisch größer. Er hatte Bilder älterer Dichter seiner Nation vor sich, da der König der Schöpfung auf fabelhaften Wundertieren, Cherubim, wie auf einem Thron oder Streitwagen sitzend, besungen war; einer seiner Brüder hatte ihn im Allerheiligsten, als in seinem Palast, auf einem Prachtstuhl sitzen sehen, dessen Zierrathen an beiden Seiten verhüllte feurige Engelgestalten, anbetende Seraphim waren. Der Thron nämlich mit seinen Gestalten und Bildwerken hatte sich dem Seher belebt. Von der Erde hebt der chaldäische Prophet diesen Thron in die Wolken; er sieht auch ihn belebt, nicht aber geschmückt nach alter jüdischer, sondern nach medisch-persischer Weise. Räder hat der Stuhl; denn die Throne der Persermonarchen waren beweglich. Ein lebendiger Wind ist in den Rädern; sie sind voll Augen, d. i. voll Edelgesteine um und um; sie glänzen mit unanschaubarer Pracht, reich und köstlich. Neben ihnen sind gleich bewegliche Thiergestalten. Diese stehen nicht mehr nach jener alten Decoration um den Thron als seine Zierden, tief unter ihm bücken sie sich und tragen den Stuhl des Hocherhabnen nach medisch-persischer Weise, wie Persepolis' Denkmale zeigen. Thiere und Räder bewegen sich gemeinschaftlich; denn sie machen ein Ganzes; und jene, die belebteren Wesen, übertreffen diese an Pracht des Glanzes. Und welche Thiere wählt der Israelit? Die vier, die seiner Nation auf ihrem alten Heerzuge nach den vier Weltgegenden die Hauptpaniere gewesen waren. »Gegen Morgen lagerte sich der Heerführer Juda mit seinem Löwen, gegen Mittag Ruben mit der Gestalt eines Menschen, gegen Abend Ephraim mit dem Bilde des Stiers, gegen Mitternacht Dan mit dem sich aufschwingenden Adler. Zwischen ihnen lagerten sich die Stämme ihrer Brüder.«4. Mos. 2, 3. 10. 18. 25. S. Wetstein zur Offenb. Joh. 4, 7. – H. In den Wolken schwebt also das ganze Heerlager Israel's; wie Perser und Meder den Thron ihrer Könige, so tragen diese Symbole ihres Nationalgottes Stuhl, auf welchem er, wie jene Königsgestalt des Grabmals, auch nur bis an die Lenden sichtbar ist. Unten ist Feuer, über ihm reiner Himmel und ein Regenbogen um ihn in Himmelsklarheit.Ezech. 1 und 10. – H. [Vgl. Herder's Werke, XV. S. 129 f. – D. So erklärt sich das Bild, dessen Bestandteile mit einander so unvereinbar scheinen. Glücklicherweise wissen Sie nicht, was über Räder und Augen der Räder, über Wagen und Thiere für scharfsinniger Unsinn gesagt ist. Die Kabbala studirt noch an diesem Gesicht; vor dem dreißigsten Jahr aber darüber zu grübeln, haben die Rabbinen weise untersagt.
Nach einem halben Jahrtausend sah ein anderer israelitischer Seher dies Bild anders.Offenb. 4, 2–11. – H. Die ausländischen Räder unter dem Stuhl waren verschwunden; es war der alte Thron Jesaias', jedoch ohne Seraphim, im Halbkreise einer Versammlung der Würdigsten. Die vier Lebendigen trugen den Thron, jedoch nicht mehr als Sinnbilder eines israelitischen Heerlagers, sondern als Stellvertreter der ganzen lebendigen Schöpfung. Ohne Ruhe Tag und Nacht rufen sie und feiern; der Löwe, König des Wildes, der Adler des Gefieders, der Stier Repräsentant der gezähmten, der Mensch ein Bild der vernünftigen Schöpfung. Da diese Vorstellung aus zweien an sich ganz verschiedenen Formen, Jesaias' und Ezechiel's, zusammengesetzt ist, so hat sie mehr Größe, aber weniger sinnliche Bestandheit. Die immer regsamen, rufenden Gestalten stehen nicht an ihrem Ort; denn sie schweben nicht, wo das Schlagen ihrer Flügel verhallt, in den Wolken. Auch wechselte im ältern Propheten Ruhe und Bewegung bei ihnen ab; die Bläue des Himmels sowol als der Regenbogen umgaben den im Aether Thronenden freier und schöner als den König dieses eingeschlossenen Tempelpalastes.
Der Seher, der dies Gesicht schilderte, dachte nicht, daß in der Deutung der Nachwelt er selbst eins dieser vier Embleme werden würde. Er ward's. Die christliche Einfalt, die ihre vier Evangelien mit den vier Weltgegenden verglich, fand, obgleich nicht mit einstimmiger Deutung, die vier Thiere im Charakter ihrer vier Evangelisten. So wurden dann die vier Gestalten, die einst Repräsentanten eines Volks, sodann der ganzen lebendigen Schöpfung gewesen waren, Symbole eines Evangeliums, auf welchem sich, nicht mehr der furchtbare Donnerer, der versöhnte, segnende Vater zu den Menschen senkte. In dieser Bedeutung empfing Raphael die Idee, und o wie hat er sie dargestellt und verklärt! Wer sollte glauben, daß vier disparate, zum Theil rauhe Gestalten, zusammentreffend in den Wolken, sich zu einer so leichten, erhabenen, fried- und freundlichen Gruppe malerisch bilden würden! Gütig herabschauend, segnend mit beiden Händen schwebt der Ewige nieder; zwei kindliche Genien hangen, als ob sie solche erheben wollten, an seinen Armen. Die Menschengestalt, geflügelt, dringt am Höchsten empor und schaut anbetend dem gütigen Vater, der, wie auf Alles, so auch auf sie sieht, ins Antlitz. Der Adler zur Linken, auf dessen ausgebreiteter Schwinge das erhobene Knie des Göttlichen ruht, beugt sein weggewendetes Haupt, als ob er entzückt die leichte Last trage. Die Schwinge des Stieres, der Freude hinaufzublicken scheint, streckt sich hinauf, damit des Herabschwebenden Fuß ihn berühre, der Löwe desgleichen. Die Massen der zwei schweren Thiere machen mit eingezogenen Füßen die Erscheinung leicht, daß, da ihr zu beiden Seiten nur erhabene Arme und schön geordnete Fittige sichtbar sind, man die Schwere derselben vergißt und in Allem nur eine gefühlvolle, freudetrunkene Gruppe wahrnimmt. Wie hoch steigt diese Idee über jene Kindheitversuche der Perser! Jahrtausende hatten sie vorbereitet; Raphael dachte und schuf sie.
Vor den Augen des Verfassers der »Ideen über die Politik, den Verkehr und Handel der vornehmsten Völker der alten Welt«, erschienen im Jahr 1796, darf ich fragen:
»Was ist in der Erklärung, die ich im Jahr 1787 anfangsweise herausgab und vorsichtig, nicht blos bescheiden, Persepolis, eine Muthmaßung, nannte, bestanden? Was ist seitdem zu ihr hinzugethan worden?«
Mir war es Hauptfrage: »Was ist das Gebäude? Palast oder Tempel? (Denn für den letzten hielten es die Meisten oder ließen die Sache unentschieden.) Wer ist der Vorgestellte? Priester oder König? Wer sind die Schaaren, die zu ihm ziehen? Opferer oder gar Opferthiere? Was tragen sie? Was thut der König? Was bedeuten die Fabelthiere? Was war die Absicht der Construction dieser Gebäude?« Daß über dies Alles nichts Bestimmtes, viel Widersprechendes, ja manches Ungereimte gesagt war, liegt in Büchern zu Tage. Man hielt die Vorstellungen sogar wie die dabei stehende Pfeilschrift für unerklärbar.Siehe hierüber Mandelsloh, Thevenot, Tavernier, Kämpfer, Chardin, Le Bruyn, Hyde, Caylus u. s. w. – H.
Da wagte ich es und schrieb meine Muthmaßung, die ich mir, so geringe sie sei, nicht gerne geraubt wissen möchte; ja, von der ich hoffen darf, daß in dem, was Erklärung der Sache selbst, Kunsterklärung ist, sowie sie durch Tychsen's kühnen Versuch der Entzifferung einiger Wände der Pfeilschrift Bestätigung erhalten, sie durch mehrere derselben noch mehr erhalten werde. Da die Erziehung der Perser vorzüglich auf Wahrheitsliebe ausging, so lassen Sie uns hierüber persisch, d. i. aufrichtig reden.
1. »Reichspalast«, zeigte ich, »sei das Gebäude, kein Tempel. Was von der Stadt galt, gelte vielmehr von ihm, regia totius Orientis, unde tot gentes jura petebant,Curt., V. 7. – D. caput Persici regni.Plin. N. H., VI. 29. – D. Persiens König sei die stehende, sitzende, gehende, kämpfende Figur, König in seinen mancherlei Geschäften und Verrichtungen, kein Magus, kein Priester.« Die entzifferte Schrift hat diese Erklärung durch eine Reihe von Lobsprüchen über ihn bestätigt; die Enträthselung mehrerer Wände wird sie bestätigen.
2. »Die himmlische Gestalt,« sagte ich, »die über dem Haupt des Königs schwebt, ist, falls die ihm parallele Schwebung die wahre ist, nicht das, wofür sie Hyde, Caylus u. A. hielten, sondern etwa der Feruer, die himmlische Gestalt des Königs, auch wo sie abgekürzt als eine Flügelgestalt erscheint.« Niebuhr bestimmt diese als die richtige Stellung, de Sacy nach genauen Bezeichnungen gleichfalls und erklärt die Figur, unbekannt mit meiner früheren Schrift, eben also. Mich dünkt, wo de Sacy's Erklärung genannt wird, könne auch meine frühere Vermuthung genannt werden, ob ich gleich, wie die Folge zeigen wird, die Deutung noch nicht für ausgemacht halte. Hinzugethan ist wenigstens zu ihr nichts.
3. »Wer sind die vielen Figuren, die die großen Stufen hinan zum Könige ziehen?« Hofstaat, Leibwache u. s. w., als durch sich klar, überging ich zuerst in meinem Versuche, so wie auch Niebuhr verständig ihre wiederholten Abbildungen verkürzt hat. Bei dem durch Cypressenbäume sichtbar in Felder getheilten Zug schien mir die nöthigere Frage: »Wer sind diese Ziehenden?« »Unterthanen des Königes«, sagte ich, »sind's; Unterthanen aus deutlich unterschiedenen Reichsprovinzen. Nach der Verschiedenheit dieser und ihrer Gewerbe, Lebensarten u. s. w. bringen sie ihm Tribut, im morgenländischen Ausdruck Geschenke. Die Abbildungen sind eine statistische Landkarte des damaligen Perserreiches.« So schrieb ich und hoffte, daß ein Anderer vielleicht die angenehme Mühe übernähme und z. B. nach Herodot die Felder der Reichsprovinzen durchginge. Zwanzig Satrapien zählte dieser nach Darius' Hystaspis Abtheilung des Reichs außer dem tributfreien Persis und den Völkern, die freiwillige Gaben brachten, ohngefähr zwanzig Felder mit ihren Trachten und Geschenken stehen hier; die Untersuchung dieser Einzelnheiten dünkte mir so anziehend, so lockend: sie ist indeß nicht erfolgt. Sogar die mit Herodot übereinstimmende Zahl der Felder hat man nicht bemerkt. Also steht die Sache, wo ich sie ließ; die Vorstellung ist eine lebendige Provincial- und Völkerkarte des Perserreichs mit Bemerkung ihrer Gaben, Künste, Naturproducte, Trachten u. s. w. Ich hoffe, sie zu zeigen als eine Lobkarte des weiten Reiches.
4. »Die symbolischen Thiere an Pfeilern und Wänden«, meinte ich, »seien symbolische Thiere.« Der gelehrte Verfasser vorgenannter Ideen behauptet einestheils: »das lasse die hohe Simplicität nicht zu; die Ungeheuer müßten nichts als wirkliche Thiere aus Ktesias sein, gegen die der Persermonarch auf die Jagd ziehe«; anderntheils deutet er sie selbst symbolisch, das Thier am Eingange des Palastes als den Menschenwürger Martichoras, das Bild des Despotismus u. s. w. Im vorstehenden Briefe habe ich einige Grundsätze der Kunstsymbolik, insonderheit nach Ideen der Morgenländer, geäußert; entscheide der Leser. Sind Jäger und Helden einander entgegengesetzt? Waren sie es in der Vorzeit? Darf man aber deshalb sagen: »Der große Jäger hat gleichen Ruhm mit dem Helden«, und deshalb schließt der Jäger den Helden aus? Wer den Zend-Avesta, wer persische Heldenerzählungen gelesen, darf der dies sagen? Sie alle zählen in der Sprache dieser Symbole, Kampf mit dem Bösen in der Gestalt schädlicher Ungeheuer und Fabelthiere.
5. »Jedermann ist bekannt,« sagte ich, »daß der asiatische Bergrücken oder das Gebirge Kaf der alten Fabeltradition das große Dschinnistan, d. i. der Sinn und das Vaterland tausend erdichteter Geschöpfe sei, die auf ihm wohnen. Es wird sich anderswo eine Gelegenheit darbieten, von diesen alten Geschöpfen der menschlichen Einbildungskraft ausführlicher zu reden.« Der Verfasser vorgenannter Ideen sagt: »Die Ueberbleibsel dieser ältesten Mythologie liegen in den Fragmenten des Ktesias zerstreut«; ich wünsche Dem Glück, der sie da herausfindet. Die gegebenen Proben sind dazu nicht einladend; und was ist von der ganzen Methode dieser Mythologieerfindung zu denken, wenn z. B. gesagt wird: »Das geflügelte Einhorn wird bei keinem Schriftsteller erwähnt und ist vielleicht nur eine bloße Idee des Künstlers.«Th. 2. S. 249. – H. Wie also, wenn dessen von einem Fabulanten erwähnt würde, hörte es deswegen auf, ein Fabelthier zu sein? oder würde dadurch Ktesias minder ein Märchenerzähler, wenn alle seine Thiere hier in Stein gehauen ständen? Die Mythologie des Orients hat tiefere Wurzeln als die Anführung eines Wundererzählers, der eben dadurch selbst Mytholog. Das persische Einhorn steht in vielen Büchern; geflügelt lebt es, zwar nicht im Naturaliencabinet, aber in der Erzählung.
6. »Ich glaube erwiesen zu haben,« sagt der Verfasser,S. 795. – H. »daß die Gebäude aus der Periode des persischen Reichs sind.« Dies glaube ich auch; aber wodurch hätte er's erwiesen? Die Stellen »einzig und allein gleichzeitiger Schriftsteller« kannte Jedermann: daß Kambyses z. B. Künstler aus Aegypten geschickt, die an Persepolis, an Susa und an den medischen Königssitzen bauen sollten, daß Darius sich sein Grab in einem gekrümmten Berge gebaut u. s. w. Alle aber wissen wir auch, daß Kambyses nicht zurück nach Persien kam und also kein Persepolis und Susa bauen konnte; und mit der eingestreuten Idee, daß Persepolis die Todtenresidenz der Könige, also eine Nekropolis gewesen, daß dazu baktrische Künstler gebraucht worden u. s. w., werden wir ganz vom Ziel geschleudert. Daß Persis die Heimath der Könige, Persepolis das Heiligthum und Haupt des Reichs war, bedurfte keines Beweises.
Nicht also aus gleichzeitigen Schriftstellern, da Herodot, Xenophon und Ktesias von Persepolis schweigen, kann das Zeitalter dieses Baues vollständig dargethan werden: das Werk selbst muß es erweisen. Dies thut es, sobald man nur keine fremde baktrische Idee zum Grunde legt. Aegyptisch-griechisch ist der Stil der Kunst in Persepolis, jedoch in persisch-medischer Weise, nicht indisch, nicht babylonisch. So zeigt er sich in Säulen, Bildwerken, Verzierungen und Anordnungen der Figuren; dies Argument entscheidet. Nicht in der Fabelzeit der Pischdadier, Persepolis muß in einer Zeit gebaut sein, da ägyptische Künstler hier bauen konnten und griechische Kunst auf der Welt war, die dunkle Manier der Aegypter zu lichten und zu ordnen. Die Regierung der Persermonarchen traf in dies Zeitalter; Aegypter und viele Griechen waren ihre Unterthanen; die Gebäude beider Nationen, die sie sahen, reizten sie zu einem ähnlichen Bau, dem Ruhm ihres Reichs, auf; man wandte an, was sich gebrauchen ließ: so entstand Persepolis in der Idee, im Entwurf, in der Ausführung. Darius höhlte seinen Grabpalast mit dessen äußerer Ansicht prächtig aus und entwarf an diesem gelegenen Ort eine Burg, die ihm keine Nekropolis, sondern ein Gandschawâr (Gazophylacinum), eine Ahnenburg (Takh Dschemschid) und ein Pasargad (Persepolis, Perser-Versammlung), d. i. Repräsentation des ganzen Reichs, sein sollte. Dies ist der Begriff des Worts und der Sache. Er erweist sich auch selbst; denn er steht da.
Und wird unwiderleglich von den Abtheilungen bestätigt, die in Figuren hier das Reich repräsentiren. Weder vor Darius, noch hinter Alexander fanden diese statt; Darius theilte sie ab und ließ sich nach solchen Tribute entrichten; offenbar die Hauptidee dieser Vorstellung. Der Großschatzmeister des Reichs (so nannte man im Gegensatz seiner Vorfahren den Darius) sah hier sein Werk abgebildet und konnte sich auch im Stein der Goldkrüge, die man ihm brachte (maßen er selbst das Gold in Krüge goß), freuen. Hier bringt ihm jede Abtheilung das Ihrige; die Indier, ihren Goldstaub hinzuwägen, tragen die Wage mit sich. Die Völker erscheinen, nach Gestalt, Kleidung und Lebensart unterschieden; Hirten und Ackerleute, Fabrikanten und Gewerbprovinzen sind unverkennbar. Vor Allen ist der Schmied kenntlich: die Stahl- und Eisengruben des Mederreichs gaben ihnen, wie sie es nannten, männliches und weibliches Eisen, mithin Säbel, Dolche und andere Werkzeuge zu Bearbeitungen des festesten Steins. Ohne dies persische Kunst- und Naturprodukt stände Persepolis mit seinen Säulen, Abbildungen und Schriftwänden selbst nicht da; nur der Perserstahl, ihr Nationaleigenthum, konnte diese bereiten. Auch an den abgebildeten schlecht gebauten Wägen bemerkt Niebuhr die genaue Bezeichnung der Nägel an den Rädern, welches in die Eisenkunst der Perser einschlug. Alle Metallarbeit ist sorgfältig bemerkt; und in mehreren Abteilungen stehen die Schmiede mit ihren Hämmern da. Nach Herodot's Hernennung der Satrapien, verglichen mit seiner Beschreibung des Zuges der Perservölker in ihrer verschiedenen Kleidung und Rüstung unter Xerxes, nicht minder mit andern Nachrichten zusammengehalten, die wir vom alten und neuen Perserreich haben, ließe sich über viele Felder ziemlich bestimmt reden, welches aber freilich nicht ohne Abbildungen geschehen könnte. Nachdem Niebuhr die Zahl der Felder genau angegeben und in Ordnung gestellt hat, ist über sie die Entzifferung der ihnen beigestellten großen WandschriftNiebuhr, Tabelle XXIV A. – H. sehnlich zu erwarten. Da sie wahrscheinlich Völker und Provinzen, mithin sonst bekannte nomina propria, nennen wird, so müßte sie einesteils leicht sein, anderntheils würde sie die Richtigkeit der von Tychsen angegebenen Bedeutung der Charaktere erproben. Denn wo keine beigesetzte Auslegung in einer andern bekannten Sprache unbekannte Charaktere erklärt, wie dies bei den Nakschi-Rustem und Palmyra der glückliche Fall war, können bekannte nomina propria fast allein verificiren.
Auch die Vorstellung der Gegenseite dieses VölkerzugesNiebuhr, Tabelle XXI. – H. halte ich für keine Versammlung müssiger Hofdiener und Thürhüter, welches schon der ganze Anblick, ihre verschiedene Kleidung und das Gefäß zeigt, das die Meisten in Händen haben. Offenbar ist auch in dieser Vorstellung Handlung; auch sie bringen Geschenke und werden eingeführt, nur, weil es die Vornehmeren sind, vertraulicher, wie im Gespräche. Mirkhond giebt darüber Aufschluß: »Am Feste Neuruz, sobald das neue Jahr dem Könige angekündigt ist, tritt der Adel herein, davon ein Jeder ein silbernes Gefäß trug, worin Weizen, Gerste, Erbsen, Wicken, Bohnen, ein Zuckerrohr und zwei neugeprägte Goldstücke waren. Es bringen also zuerst der Wasir, sodann der Adel, ein Jeder nach seinem Stande, sein silbernes Gefäß dem Könige. Beim Beschluß der Feierlichkeit wurde ein von verschiedenen Arten von Korn gemachtes Brod hereingebracht und vor den König gelegt, der, nachdem er selbst etwas davon gegessen, Die, so zugegen waren, mit diesen Worten das Uebrige zu essen bat: »Dies ist ein neuer Tag eines neuen Monats, der Anfang eines neuen Jahrs; es ist daher dienlich, daß wir unsere Verbindung mit einander erneuern.« Alsdann stand er in seinen königlichen Kleidern auf, that seinem Adel einen feierlichen Glückwunsch und theilte ihnen reiche Gaben aus.« So Mirkhond;Welthistorie, Th. 4. S. 333. – H. [Vgl. Herder's Werke, XV. S. 137. – D. die Stelle erklärt den Zug zu einer und der andern Seite; denn an den folgenden Tagen des Fests kamen die übrigen Stände vor den König. Der Abend des Tages hieß Pristaph, Freude des neuen Jahres.
Auch die Induction, die ich aus Bildern und Configurationen Daniel's und anderer Chaldäer zog, steht an Stelle und Ort. Ich darf darüber das Urtheil eines Mannes befragen, dessen Verdienste um mehrere Zweige der morgenländischen Literatur anerkannt sind. Mehrere Stellen dieser israelitischen Seher nehmen allein aus den Gegenden jenseit des Euphrat's, in denen sie lebten, ihr ungezweifeltes Licht her.
Daniel z. B. zerfällt in eine Reihe gesammelter Geschichten aus drei Monarchien, dem babylonischen, medischen, persischen Reiche; unter jedem verändern sich dessen Bilder. In Babel erscheint dem Könige ein kolossalisches Belus-Bild im Traume; er selbst richtet ein solches Belus-Bild zur allgemeinen Anbetung auf. Dergleichen Bilder, Gebäude und Zierrathen waren nach der bekannten Geschichte ein angenommener barbarischer Geschmack des Reiches. Wenn Belsazer, der letzte König, in seinem Rausch eine Wandschrift sah, die ihm bisher vielleicht unbemerkt geblieben war, die er eben jetzt vor seinem benebelten, trunknen Auge hervorgegangen glaubte, und keiner seiner Weisen diese Schrift, in unbekannten Charakteren geschrieben, auslegen konnte oder auszulegen wagte:Vgl. oben S. 482. – D. ist's nicht derselbe Fall mit der Persepolitanischen Wandschrift? In jenen Palästen schrieb man an Wände in mehreren Alphabeten; man erfand, man verzog und änderte Charaktere zum Schmuck der Wände, zum weisen Zierrath. Ein gelehrter Chaldäer mußte dergleichen Züge verstehen, oder er war des Todes schuldig. Wenn also auch Daniel unter diesem Könige träumend ein Gesicht sieht, dessen Thierfiguren Reiche bedeuten, so müssen dem Wachenden symbolische Bilder der Art nicht fremde gewesen sein; denn wir träumen nur Bilder, die wir wachend sahen und im Traum neu und vielfach componiren. Noch nach drittehalbtausend Jahren sind uns die dem Propheten wachend gegebenen Zeit- und Ortbilder nicht fremde. Wir wissen, daß in der Perser-Zeichensprache das edelste Thier der Widder war, in dessen glänzender Gestalt der Schutzgeist des Reichs, der hilfreichste Ized, erschien; wir sehen seinen Schmuck auf mehreren Amuleten.Die Ursache hievon wird sich in der Folge selbst ergeben. S. Proben in Caylus' Recueil, T. II. pl. 18. n. 3; T. VI. pl. 46. n. 2. 3; den Stier als Ized T. III. pl. 12. n. 2. Der Löwe als Bild des Mithra u. a. sind bekannt. – H. So die andern Könige der Geschlechter, Bock, Stier, Roß, Kameel, Adler, aus deren Zusammensetzung man in symbolischen Dichtungen Gruppen componirte. Selbst das vierte zermalmende Thier Daniel's kennen wir noch aus vorhandenen Symbolen.Niebuhr, Tabelle XX. d. e. – H.
Geläufig war also den Sehern die Königs- und Reichssprache in diesen Thierbildern; Ezechiel und Daniel sind ihrer voll. Jenem wird der König zu Babel ein Adler, der einen Zweig vom Libanon holt,Ezech. 17. – H. Juda eine Löwin in ihrer Höhle,Ezech. 19. – H. der ägyptische König ein Krokodil im Nil;Ezech. 29 und 32. – H. jedes dieser Bilder führt er weit aus. Der traumdeutende Daniel kann den wahnsinnigen Nebukadnezar selbst nicht anders als einen tollen Büffel mit Adlersklauen schildern; das Königsbild gehörte zu den babylonischen Sümpfen.Dan. 4, 20. – H. Seine Traumbilder von streitenden Königen und Reichen in der Gestalt des Widders, Bocks u. s. w. mit wechselnden Veränderungen, wie sie der luftige Traum giebt, waren chaldäisch-medisch-persische Nationalbilder.
So auch der ehrwürdige Alte, der kommt und Gericht hält. »Ihm wird ein Stuhl gesetzt, und der Alte setzt sich. Sein Kleid schneeweiß, das Haar seines Hauptes wie Wolle, sein Stuhl wie Feuer glänzend, die Räder desselben lodernd wie Feuer. Ein Glanzstrom geht von ihm aus, dem tausendmal Tausende dienen, hundertmal Tausende gehorchen; Bücher werden vor ihm aufgeschlagen« u. s. w.Dan. 7, 9 f. – D. Ist Ihnen, viel belesener Mann, eine Auslegung bekannt, die über den Räderstuhl, über das dicke Wollenhaar, über den Glanzstrom, dem Millionen gehorchen, zur sichtbaren Consistenz der Bilder etwas genetisch Erklärendes gesagt habe? Treten wir vor die Wände in Persepolis, und das Licht steht da. Da sitzt der ehrwürdige Alte mit seinem dicken WollenhaarDas dicke Haar als Meder- und Perserschmuck ist nicht nur auf den Abbildungen Persepolis' und den Nakschi-Rustem, sondern auch auf parthischen gräcisirten Münzen anschaulich; es war gleichsam eine unablegliche Nationalzierde. Der Spott des Kaiser August's, daß der behaarte Stern (Komet) nicht ihm, sondern dem haarreichen Parther Unglück drohe, ist bekannt; man wandte alle Kunst an den Schmuck der Haare. – H. auf seinem hohen beweglichen Räderstuhl, der auf allen Seiten bis auf die Räder hinab von Gold und Edelsteinen flammte. In seiner Hand ist der lange glänzende Stab, ohne welchen sich der Persermonarch nicht sehen ließ, dessen Winke Millionen gehorchten. Bücher wurden vor ihm aufgethan; Schreiber waren um ihn her, die sein Wort aufzeichneten, die ihm Geschichte lasen. Was das Costüme der Perserpracht gab, erhöhte die träumende Phantasie des israelitischen Dichters.
In allen Bezeichnungen bleibt er diesem Costüme treu. Nannte sich der Persermonarch König der Könige, Fürst der Fürsten, so wandte er diesen stolzen Titel auf Den an, der Reiche verleiht, Könige ein- und absetzt und Zeitläufte ändert. Hielt man in Chaldäa so viel auf verborgene Weisheit, auf Auslegungskunst und einen Blick in die Zukunft, so schreibt er dies Alles Dem zu, der den Weisen ihre Weisheit giebt und den Verständigen ihren Verstand. Nannten die Perser die Sterne Wächter der Erde (Izeds), Ordner der Begebenheiten und stellten sie als Himmelsfürsten um Ormuzd' Thron, so schildert er den Thron Dessen, um den eitel Licht ist im Rath der Himmelswächter. Hießen den Persern Rathgeber, Weise, Vorzügliche der Erde lebendige Sterne, so sollten Die, die in trüber Verwirrung seiner Nation Muthlose gestärkt, Ordnung zurückgebracht hätten, beim Erwachen zu einem neuen Zeitlauf der Dinge auch also leuchten.Dan. 12. 3. – H. Die ganze Idee von diesem Wiederkommen zu einem neuen Zeitlauf ist, wie die Folge zeigen wird, selbst den Worten nach persisch,Dan. 12, 13. – H. obgleich, da die Magier ursprünglich nicht begruben, sowol hier als bei Ezechiel judaisirt. Das Feld voll Todtengebeine, die Dieser sah,37, 1–10. – D. war ein Leichenplatz (Dackhmé) der magischen Religion, deren Belebung er nach israelitischer Denkart verkündigt. So auch der Tempel Ezechiel's,41. 1–26. – D. der den Auslegern auf so manche Art Mühe machte; verglichen mit der medisch-persischen Bauart ist jeder Erker, jede Terrasse, jede Verzierung von innen und außen erklärbar. Der König Israel's sollte nicht enger und schlechter als der Persermonarch wohnen; auch in Ausmessungen und Gebäuden sollte das ganze Land eine Theopolis, eins Gottesstadt werden. Wünschen Sie mir zum dritten Theil des Geistes der ebräischen Poesie Lust und Muße und haben öffentlich Dank, daß Sie zuerst mich mit de Sacy und Tychsen bekannt machten! Durch Diese wachten meine alten, halb vergessenen Ideen über Persepolis, und was ihm anhängt, wieder auf.Vgl. oben S. 479, Anm. 1 – D.
»Aber Dschemschid?« werden Sie sagen, »wo bleibt Dschemschid? Hat ihn Aksak vom Throne gestoßen, da alle Wände rufen: Osch Aksak! osch Aksak!« Doch das sagen Sie gewiß nicht. Mein Dschemschid befindet sich wohl auf seinem Throne; was ich damals als Auflösung des mythologischen Räthsels in der mit angekündigten Abhandlung »Ueber die Gräber der Könige« sagen wollte, kann ich jetzt sagen.
Ein unermüdeter Forscher des persischen Alterthums, sind Sie mir mit der glücklichen Bemerkung zuvorgekommen, daß der Achämenes der Griechen, angeblicher Stammvater der Perser, kein Anderer als Dschjemo sei, mit welchem Namen der Zend-Avesta den Dschemschid benennt.Wahl, »Altes und neues Vorder- und Mittelasien«, Th. I. S. 209 f. – H. Nicht nur alle Anführungen dieses Namens im Munde der Griechen, sondern auch die Analogie ähnlicher Uebertragungen persischer Worte und Namen in andere, z. B. die arabische, ebräische, rabbinische Sprache, steht ihr zur Seite; und daß die Araber Persien mit Hadschem, die Perser mit Volk Hadschem benennen, drückt dieser Bemerkung das Siegel auf, die überhaupt viel Licht um sich verbreitet.
Nach dem Zend-Avesta war es Dschjemo (Dschemschid), der Ormuzd über sein Gesetz fragte, der ihn dasselbe in guten Einrichtungen, vorzüglich des Ackerbaues, der Befruchtung des Landes durch Wasser, Bevölkerung ungebauter Gegenden, Ordnung in Ständen und Geschäften nach Zeit und Jahr zu halten anwies. Er versprach ihm dazu seinen Segen, daß Dschemschid's Reich ein glückliches Reich, seine Zeit eine glückliche sein sollte. Weder kalte noch heiße Winde, Fäulniß, Pest, Krankheiten, böse Leidenschaften sollten seine Einrichtungen nicht stören; die Dews (Schlangen, Ungeziefer, schädliche Thiere und Menschen) würde er vertreiben; Nahrung, Verstand, ein langes Leben würden ihm folgen u. s. w. Gehorsam diesem Befehl Ormuzd', traute er seinem schützenden Ized, spaltete die Erde mit einem goldenen Dolche und breitete Fleiß, Ordnung, Fruchtbarkeit, Ackerbau und Bevölkerung aus. Er schritt gen Süden in ein schönes Land, wo er nach und nach dreimal dreihundert Abtheilungen des Landes urbar machte, das Land wässerte, sicherte, mit Bäumen und Menschen bepflanzte.
Er errichtete das Ver (Ver-Dschjemgard), viereckt, groß, geräumig, in das er den Keim von Hausthieren und Heerden, Menschen, Hunde, Vögel, Feuer brachte. Er bevölkerte es mit Lebendigem aller Art, ließ Wasser fließen; die goldenen Felder trugen allerlei eßbare Früchte; die Jugend war sittsam, ehrerbietig und nährte sich wohl. Der ganze Erdstrich war ein Behescht, ein Paradies. Im Ver baute er einen Palast, hoch, mit Mauern umgeben, dessen Inneres abgetheilt und wohlerleuchtet war. Dschemschid vervollkommnete das Ver nach dem Befehl, den Ormuzd ihm gegeben.Zend-Avesta, Th. 1. Abth. 2. S. 271 u. s. w. Es ist des Vendidad's zweiter Fargard. Deutsche Uebers., Th. 2. S. 304. – H. Was ist dieses Wehr? wo lag es?
Daß es eine ansehnliche, sich immer verbreitende Meierei war, zeigt die Beschreibung selbst; den Namen selbst finden wir im Deutschen Wort Wehr, Wehre, Werd nach seiner ältesten Bedeutung selbst wieder.Wehren heißt vertheidigen, abhalten, befestigen, schützen; und da ein angeeignetes bearbeitetes Feld nebst seiner Wohnung vorzüglich des Schutzes und Abwehrens nöthig hat, so blieb das Wort diesem besonders eigen. In Möser's »Osnabrückischer Geschichte« ist die Bedeutung des Worts trefflich entwickelt. Wehrd (locus pascuus, aqua circumfluus, locus solidus inter paludes et rivos. Wachter, Lex. p. 1873) wird noch von Luther gebraucht, Ezech. 26, 5. Die niederdeutsche Mundart nennt es Werder. – H. Nur mit solchen eingeschlossenen, gesicherten und gehegten Aeckern, Wiesen, Früchten und Heerden konnte die Cultur eines Landes anfangen und Platz greifen; nur durch sie wird Fleiß, Sicherheit, Genuß der Arbeit, Ordnung.
Wo war dieses Wehr Dschemschid's? Gegen Süden, wie der Zend-Avesta an mehreren Stellen sagt. Südwärts, gegen den heißen Rapitan schritt der Vater der Cultur Persiens fort; das Jahr in seinem neu angebauten Lande hatte sieben Monate Wärme und nur fünf Wintermonate. Es war voll Licht; der Schöpfer der Welt hatte ihm viel Glanz gegeben.Zend-Avesta, Th. 1. Abth. 2. S. 278. Fargard 2. – H. In der ältesten Geographie der medisch-persischen Länder, die augenscheinlich von Westen (Armenien) ausgeht, wird unter den sechzehn Paradiesen der Welt das viereckte Verené, Feridun's Geburtsland, als eine entfernte Gegend erst an der vierzehnten Stelle, zunächst vor Indien genannt. Die Kosmologie der Perser endlich sagt ohne Umschweif: »Wehr Dschemgard liegt mitten in Persien, inwärts der Salzwüste, wie gesagt ist: Dschemkant liegt unter dem Berge Damegan.«Zend-Avesta, Th. 1. Abth. 2. S. 269. – H. Möge man den Namen dieses Gebirges herleiten, woher man wolle,Miané Pares pavan frova. Bundehesch, p. 411. cf. c. 487. – H. so bleibt die eigentliche Dschemschid-ProvinzMan deute es ein Gebirge der Ewigkeit, oder ein verschwistertes, d. i. getheiltes Gebirge, so bleiben wir in der Provinz immer am Gebirge Rachmed. Als das Buch Bundehesch geschrieben ward, war seit Jahrhunderten hier das Todtengebirge der Könige mit auseinandergebreiteten Wänden und Armen gewesen. Damavand war bekanntlich das Fabelgebirge, wo die Verstorbenen über die Brücke Tschinevad den engen Pfad gehen mußten, von dem jeder Verbrecher, der ihn nicht gehen konnte, unerbittlich hinabstürzte. Jedes Todtengefilde hieß bei den Persern Dâdgâh, Platz der Gerechtigkeit. Es konnten und mußten also mehrere dergleichen sein und auch aus dem Altherthum sogar genannt werden, wo Verbrecher hinuntergestürzt oder der Sage nach in einer engen zackigen Kluft (Duzackh) aufbehalten wurden, ohne daß dies dem späteren Buch Eintrag thun konnte, sein Ewigkeit- und Gerichtsgebirge also zu benennen. Uebrigens sind die Endnamen dieser persischen Bezeichnungen uns Deutschen alle bekannt. Gard kommt her von Gurt, gürten; es ist nach Wachter vox antiquissima et ab ultimis temporibus ad nos usque profecta, quae proprie locumseptum seu fundum sepimento munitum significat, sive fundus ille sit domus, area, hortus, sive praedium, aula, palatium etc., wovon er Beispiele anführt. Die Benennung ging fernerweit auf jeden befestigten Ort, Stadt, Schloß, Burg, sogar auf die Welt, als eine befestigte Burg der Versammlung, über. Wie man in der nordischen Geschichte Asgard, Mittelgard u. s. w. versteht, so versteht man auch in der persischen Geschichte Dschjemsgard. Wand und Kant sind uns Deutschen ebenso verständlich. Wand ist ein Gebirge, wo man sich wendet, Kant ein Gebirqe oder ein Ort, der die Spitze macht. Damit erklärt sich die Provinz Persis als Dschemkant, mehrere Gebirge als Damavand selbst. – H. (Dschemgard, Dschemkant) eine warme, südliche Provinz mitten in Persien, innerhalb der Salzwüste gelegen, und schon dies wäre uns gnug.
Nun aber sagt Dschemschid's Sagengeschichte deutlich, daß er gegen die Fischköpfe (Ichthyophagen) gezogen, daß Zohak aus Arabien ihn endlich übermeistert u. s. w. Wie kann ein Begriff dieser Lebensgeschichte des persischen Cultivators stattfinden ohne die nähere Nachbarschaft seiner Cultivation am Meer und an Arabien? In den medischen Gebirgen gab's keine Fischköpfe; in Hamadan konnte ihn der Araber Zohak nicht befeinden.
Hiemit stimmt auch die ungleich spätere griechische Tradition überein, in der Persis nicht eher als unter Cyrus zum Vorschein kommt. Sie kennt es nicht anders als das eigentliche Achämenien, d. i. Dschemschidsland, den Sitz der Familie Dschemschid's. Diese nennt sie als den edelsten Stamm des Landes, das Haupt der Pasargaden; welcher Name sich allein auch aus Dschemschid's Geschichte erklärt. Weil er diese südliche Provinz so licht fand, weil er ihr durch seine Cultur Helligkeit und Reine gab, so gewann sie den Namen der glänzenden, hellen Provinz. Pars, Pares. Im Zend-Avesta gilt Dschemschid durchgängig für den Stifter der glänzenden, hellen Versammlung, d. i. der Perser; diese Versammlung selbst konnte nicht anders als Pasargad heißen. Wo sich die Edeln versammelten, war sie; und es war ein Kunstgriff von Cyrus, daß nach dem Siege über die Meder er eben das Siegsfeld zum Pasargada, d. i. zum Versammlungsort der edeln glänzenden Perser, machte. Dies Feld erinnerte sie an ihren mit ihm erfochtenen Vorzug; sie waren seine Mitsieger. Als Cyrus die Stämme Persiens aufrief, finden wir, selbst nach Herodot's Erzählung, Dschemschid's Einrichtung. Die Nation ist in Viehzucht und Ackerbau treibende Stämme getheilt, die unter der glänzenden Versammlung der Pasargaden und dem edelsten Geschlecht dieser Versammlung, den Achämeniden, der Dschemschids-Familie, stehen und einem Winke gehorchen.Herod., I. 25. – H.
Durchaus mißverstanden und falsch ist's also, wenn man in den Streitigkeiten über Zoroaster's Schriften die Provinz Persis deswegen für eine Barbarei und ihre Einwohner für Barbaren hat erklären wollen, weil kein Hof unter ihnen war und sie keine medischen Kleider trugen. Ein edlerer Hof war unter ihnen als in Ekbatana, die glänzende Perserversammlung; ihre Kleider waren ihrem Klima gemäß, zu welchem die Gewande des kalten Mediens sich eigentlich nicht schickten. Es ist ein Mißverstand unserer Universalgeschichtschreiber, wenn sie den Perser, an welchen der Medermonarch Astyages seine Tochter vermählte, einen gemeinen Edelmann etwa nach unserer Weise nennen. Dieser Edle war ein Sproß des edelsten Königsgeschlechts, ein Achämenide; darum vermählte ihm Astyages seine Tochter. Nur lebte sein Eidam in der entferntesten Provinz, im Winkel der Monarchie, nach Hofes Sitten nicht erzogen, in einer andern als medischen Einrichtung; deshalb glaubte er sie ihm sicher zu vermählen. Auch ist's Herodot's und Xenophon's deutliche Absicht, zu zeigen, daß im Knaben Cyrus sich eine edlere Art, der Geburtsstolz der Achämeniden, über die Meder erhob und in Cyrus, dem Manne, siegend erprobte. In der letzten Rede Kambyses' an seine Perser, da er sie beschwur, das Reich den Medern ja nicht zu überlassen, sondern, da Cyrus' Stamm mit ihm ausging, einen andern Achämeniden zu wählen;Herod., III. 65. – D. in des stolzen Xerxes Rede, da er seine und der Perser Abkunft von Achämenes (Dschemschid) als ihren größten Vorzug preist,Herod., VII. 11. – D. zeigt sich nach Jahrhunderten noch Persis in seinem Glanz, d. i. in einem Gefühl der Vortrefflichkeit vor den Medern einzig durch Dschemschid. Bezwungen waren sie von den Medern gewesen, aber nicht ihres Stammes, ihrer Sprache, ihrer Sitten und Gedenkweise;Hier scheint ein Wort wie »beraubt« ausgefallen. – D. vielmehr rühmten sie sich einer eignen früheren Cultur vor jenen.
Als Cyrus den Thron erlangte, war er zu stolz, nach Ekbatana zu gehen und ein Anhang der Medermonarchen zu werden; vielmehr verpflanzte er Ekbatana nach Persis und machte diese zur ersten Provinz des Reiches. Dschemschid's Sohn, ein Achämenide, wollte er bleiben und pflanzte diesen Namen auf seine Nachkommen als einen würdigern Ehrennamen. Selbst begraben wollte er in dieser Provinz sein; denn sie war Dschemschidsland, Achämenien.
Als sein Geschlecht mit Kambyses ausging und nach des medischen Magiers Hinrichtung ein anderer Achämenier, einer aus sieben, den Thron bestieg, nahm er sich wahrscheinlich selbst einen geringeren Titel, Dara, Reichsverweser, mit welchem er auch in der Geschichte genannt wird. Mit Cyrus hatte er nicht den Thron erfochten; das Pasargada auf dem Schlachtfelde stand ihm also nicht an; zu seinem Pasargada, d. i. zur Versammlung, konnte, ja mußte er sich bei der veränderten Gestalt der Regierung einen andern Ort in Persis wählen. Und wie? wenn er dazu den Platz nahm, der durch Tradition aus den ältesten Zeiten Ver oder Takh Dschemschid genannt wurde? So schloß er sich unmittelbar an seinen Urahn, den Vater aller Cultur Persiens, an, beleidigte Cyrus' Andenken, mit dessen Tochter er sich vermählte, nicht, und man rief dem neuen Pasargad (Persepolis) als einem erneueten Takh Dschemschid's (Dschemschid's Cupole) zu: »Osch Takh Dara: Dies ist Dara's Palast!« woraus der Name Istakhar wurde. Hier wollte er also auch begraben sein, wie Cyrus dort auf seiner Stätte. Mit dieser natürlichen Vorstellungsart endigen sich alle Streitigkeiten, die man über den Namen Istakhar, das alte und neue Pasargad u. s. w. geführt hat.Dies hat man von Buzurk (Bezer)-Khadeh, Pessergadeh, gar vom griechischen χάραξ herleiten wollen, da doch die Endung Gard, Gerd, Dschemgard im Zend-Avesta, Daraguerd in andern persischen Schriftstellern oft vorkommt. – H. Hiemit lehnte der neue Reichsverweser, Dara, auch alle persönliche Anmaßung von sich ab; mit Allem, was er zeigte, gab sich Persepolis als das, was es sein sollte, Pasargad, Versammlung des Reichs, nicht nur der Edeln, die zu Cyrus' Zeit zusammengekommen waren, sondern aller seitdem eroberten Länder, die in Abbildungen hier erschienen. Cyrus hatte Ekbatana aufs gewonnene Schlachtfeld verpflanzt; Darius verlegte es, wie PliniusN. H., VI. 29: Magorum Ecbatana oppidum translatum ab Dario rege ad montes. Auch der gelehrte Saumaise (ad Solin., p. 846) hat diesen Ausdruck, der übrigens ganz in Plinius' kühner Art ist, nicht begriffen. Sobald Cyrus sein Hoflager in Persis aufschlug, kam Ekbatana, d. i. was zum Hoflager gehörte, dahin und ward mit diesem weiter verpflanzt. Sogar die Flüsse bekamen ähnliche Namen, z. B. Araxes, persisch Rhodogune, deutsch Rodaune u. s. w. – H. sagt, in die Berge.
Dies verhehlen morgenländische Schriftsteller nicht. Sie führen Gustasp, den Sohn Lorasp', den fünften der Großhelden (Kheans), als den an, der seinen Sitz in Istakhar genommen, dort viele Gebäude errichtet und in der Nähe sich sein Grab gebaut habe,Siehe Herbelot, Esthekar. – H. und finden dies mit dem Takh Dschemschid nicht streitend. Es ist's auch keinesweges; denn wenn die Provinz den Namen Achämenien, Dschemschidsland immer behielt, was war natürlicher, als daß man mit der Zeit den neuen Erbauer vergaß und zum Urvater zurückkehrte? Wenn dieser Pasargad nicht gebaut hatte, so hatte er's der Sage nach gebildet. Um so mehr mußte dies geschehen, da Darius selbst, seiner Persepolis ungeachtet, den Geburtswinkel seiner Familie nicht zur beständigen Residenz machte, sondern diese aus guten Gründen zwischen Susa und Ekbatana theilte. Das Reich war gegründet, Meder und Perser waren vereinigt; als Reichsverweser wollte er allen Provinzen gegenwärtig sein, damit die Rivalität zwischen dieser und jener Provinz aufhörte. Seine Nachfolger folgten ihm hierin; der Besuch des sämmtlichen Reichs ward ein drückender Prachtzug; der Provinz Persis aber blieb ihr Vorzug, wie viel oder wenig Könige sie besuchen mochten. Nicht nur der Aufzug der Perser in Xerxes' Heer zeigt dieses, sondern bis auf die Zerstörung des Reichs hinab jede Erwähnung derselben. Die Partherkönige und Sassaniden kamen selten oder gar nicht dahin; die Provinz hatte einen Unterkönig, wahrscheinlich auch einen Achämeniden. Sie blieb Dschemschidskant in ihrem entlegenen, durch Wüsten und Berge abgeschlossenen Winkel.
Als das Reich der Sassaniden im Sturm unterging und der Mohammedanismus wie eine Feuerfluth das Land überströmte, standen diese Gebäude wie eine Trümmer der Vorwelt da; längst waren sie von ihren Erbauern verlassen gewesen. Die in den Gräbern und der Königsburg befindlichen Schätze waren schon unter Griechen und Parthern geraubt; was im Palast Khosru zu erbeuten war, stand hier nicht zu erbeuten. Und da die Moslems auf Alles, was Bild und Gestalt war, als auf Götzen- und Zauberbilder barbarisch stürmten und das Perserland voll Zauberei glaubten, so ward zerschlagen, was sich zerschlagen ließ, abgetragen, was hinweggenommen werden konnte; insonderheit wurden die Thiergestalten als vermeintlich magische Bilder grausam behandelt.
Was indeß nicht zerstört werden konnte, war die lebendige Sage oder vielmehr der Geist persischer Sitten, sofern er in wirklichen Gebräuchen und Verfassungen lebte. Mochte z. B. das arabische Gesetz eine andere Zeitrechnung, das Mondenjahr, einführen, die Zeitrechnung der Nation, Dschemschid's Sonnenjahr mit seinem Fest Neuruz, blieb, so wenig man es auch genau zu berechnen wußte. So mehrere Jahresfeste; sie hatten in den Sitten der Nation Wurzel geschlagen und waren von ihrem Feste liebenden Genius unzertrennlich. Mit ihnen also dauerte Dschemschid's Name, an welchen alle diese Einrichtungen erinnerten, nicht nur fort, sondern sein Andenken ward neu und frisch ausgebildet; es ward mit der Geschichte mehrerer alter Persermonarchen zu einer eignen glänzenden Nationalfabel. Je mehr in der Erzählung weggethan werden mußte, was an den verbannten Feuerdienst erinnerte, desto mehr hob sich die Sage von Königen und Weisen unter dem ersten Gesetz vor Zoroaster, die Geschichte der Gerechtigkeitspfleger und Helden (der Pischtadier und Kheanen) prächtig empor. Mit Weisheitssprüchen späterer Zeit, aus Arabern, dem Koran u. s. w. ward sie ausgeziert, und da dies neue Persien bald eigne und schönere Dichter als Arabien selbst bekam, da man überhaupt die Geschichte der Vorwelt zum Nutz und Vergnügen der gegenwärtigen schrieb, mithin nach persischer Weise sie allenthalben mit Blumen kränzte: so ward aus Sagen und Nachrichten, unter Modificationen einer ganz neuen Zeit nach und nach »jene Geschichte der vier ersten Epochen des Perserreichs, wie wir sie in den Morgenländern erzählt finden«. Sie konnte nicht anders werden, und mich dünkt, jede Erzählung läßt sich, recht gefaßt, an Ort und Stelle erklären. Zu wünschen wäre es, daß diese Erzählungen local und chronologisch nach- und nebeneinandergestellt würden; wahrscheinlich wächst das Poëm in der Erzählung.So wäre ich z. B. auf die Erzählung eines der ältesten persischen Geschichtschreiber, Hamzah von Ispahan, verglichen mit arabischen sogenannten Geschichtschreibern und Dichtern, neugierig. Siehe Wahl's »Vorder- und Mittel-Asien«, S. 158. Da Neiske und Köhler Abschriften von ihm gehabt, so ist er nicht unzugangbar. – H. Denn wie von Zeit der Khalifen an durch Eroberungen, Religion und Sprache eine neue Welt der verschiedensten Denkarten und Völker zusammenkam, so weitete sich auch der Geist der Sage.
Dem alten Könige Dschemschid ging es hierbei vor Allen wohl. Der Vater der persischen Cultur, des alten Gesetzes, des Sonnenjahrs und des frohen großen Neujahrsfestes blieb der Nation empfohlen; von Dichtern und Geschichtschreibern Ispahan's und Schiras' ward sein Märchen immer mehr ausgebildet. Will man den Ort wissen, wo es sich, vom Zend-Avesta ganz verschieden, gleichsam geründet und in die Form gegossen habe, die wir bei Ferdusi, Mirkhond u. A. finden, so trete man vor die Wände Persepolis', da steht in lebenden Gestalten das Märchen da.
»Wer ist«, sprach man, »der König, der hier geht, dort sitzt, allenthalben den Becher in der Hand? Was will dieser Becher?« Vom Gefäß des Feuerdienstes Havan wußte man unter dem Mohammedanismus nicht oder wollte nicht wissen; er ward ein Becher der Sonne, ein Spiegel des Weltalls, der Weissagung u. s. w. Man erfand dabei schöne persische Märchen und verschmolz sogar den Namen des Königes in ihn. Er hatte auch den Weinbau erfunden, eine todkranke Gemahlin hatte sich durch ihn wiederhergestellt: Alles dem schönen Becher zu Liebe, den der wandelnde König in der Hand trägt, gedeutet im Geschmack späterer Zeiten. Mehr des Weins als des Ali wegen haben sich die Perser von den Arabern als Secten geschieden; den Becher in der Hand, geht hier ihr alter Nationalkönig.
»Wer sind die Leute, die zu ihm ziehen? Hofdiener, Stände, Provinzen; Alle bringen ihm Geschenke.« Es ist Neujahrstag, sagte man; den sammt Ständen, Kleidungen, Hofdienst, Schmuck, Festen hat er geordnet. Von Darius' zwanzig Satrapien wußte Niemand.
»Der Feruer schwebt über ihm; dort kämpft er mit den Ungeheuern.« Ferdusi erzählt, wie ihn eine himmlische Stimme dazu aufgerufen, wie lange er im Geschäft, sein Land von den Dews zu reinigen, fortgefahren habe u. s. w.
»Er sitzt auf einem prächtigen Stuhl.« Ferdusi erzählt, wie Dschemschid diesen Stuhl erfunden, den Hofstaat geordnet, wie ihn auf solchem beim Einzug in diesen Palast Geister in die Luft gehoben, wie er auf solchem in späteren Jahren Anbetung gefordert, darüber unglücklich und in seiner Familie scharf bestraft worden u. s. w.
So bildete sich die Geschichte Dschemschid's an diesen Kunstwerken, den Trümmern einer alten Zeit, neben einer unverstandenen Schrift aus. Ispahan und die Mutter geniereicher, lebhafter Erzähler, Schiras, lag ihm so nahe; die Beherrscher dieses Erdstrichs herrschten im Märchenlande von der arabischen Wüste an bis zum Indus und Oxus.
Wie diese lassen sich mehrere Geschichten der Pischtadier und Kheanen erklären; urtheilen Sie, wie begierig ich auf den zweiten Theil des »Vorder- und Mittel-Asiens« bin, dem dieser blühende fast noch unberührte Garten vorliegt.
Wo sind die Zeiten, da Sie aus meinem Exemplar den Zend-Avesta mit jugendlichem Eifer übersetzten? wo sind sie? Seitdem haben Sie diesen Zend-Avesta gelehrt und vertheidigt; und man sagt, »daß ohne so scharfsinnige Angriffe Ihre so vortreffliche Kritik der Bücher des Zend-Avesta nie erwachsen wäre«.»Wenn gleich ein Ausländer sich den Ruhm erwarb, die heiligen Schriften der Perser nach Europa gebracht und ans Licht gezogen zu haben, so können wir doch mit Recht sagen, daß deutsche Gelehrte sie erst wahrhaft kritisch geprüft und die Untersuchung beendigt haben. Die unbedeutenden Kritiken einiger Engländer reichten dazu so wenig hin als d'Anquétil's eigene Abhandlungen, der in einigen Hauptpunkten gleich einen falschen Weg einschlug. Durch die Untersuchungen von Meiners und Kleuker ward diese dunkle Materie erst in ihr völliges Licht gesetzt, und ohne die scharfsinnigen Angriffe des Ersten würden wir nie eine so vortreffliche Kritik der Bücher des Zend-Avesta erhalten haben, als wir wirklich an dem Werke des Letztern besitzen.« Heeren's »Ideen über die Politik der Völker der alten Welt«, Th. 2. S. 399. – H. [Seiner 1776–1778 zuerst erschienenen Uebersetzung des Zend-Avesta folgte 1781 sein »Anhang zum Zendavesta«, 1786 eine neue erweiterte Ausgabe, 1789 sein »Zend-Avesta im Kleinen«. Auch heute noch bleibt Kleuker's großes Verdienst ungeschmälert. – D.
Erlauben Sie, scharfsinnige Herren, Angreifer und Vertheidiger, ohne alle Kritik der Bücher des Zend-Avesta, von denen wir, da wir ihre Sprachen nicht verstehen, derselben Genese, Zeit und Umfang nicht kennen, sie nicht gesehen haben und von ihnen nach den bisher bekannten Hilfsmitteln keinen wahrhaft kritischen Gebrauch zu machen vermögen, erlauben Sie, daß ich ohne alle Bücher des Zend-Avesta, noch weit mehr aber ohne alle gelehrte Disquisitionen über Zoroaster, dessen Mutter Dogdo (Truthenne),Bey Hyde ist die Dogdo Tab. VII. p. 312 abgebildet, wo Zoroaster's Mutter Jedermann sehen kann. – H. desgleichen seine Töchter und Schwiegersöhne, das System darlege, das in diesen Büchern liegt, ohne sie nicht nur bestehen kann, sondern lange Jahrhunderte bestanden ist, eigentlich auch ohne sie immer bestehen sollte.
Denn was heißt Zend-Avesta? Ein lebendiges Wort. Ein Wort, das gesagt wird und im Ausdruck seine Wirkung erweist. In Büchern ist's todt. Von Anfange bis zu Ende des Zend-Avesta beruft sich Alles auf Kraft eines lebendigen Worts, durch welches die Welt erschaffen sei und fortdaure, durch welches das Böse überwunden und das Gute wirkend geübt werde. Lasset uns also die zwölftausend Ochsenhäute, auf welche Zoroaster's Bücher geschrieben sein sollen, ja den Bücherschreiber selbst vergessen, thun, als ob nichts geschrieben wäre, und die auch auf die Griechen gelangte Tradition von viel tausend Zoroastrischen Versen, Gebeten, Segnungen und Hymnen selbst betrachten. Da der größte Theil des Zend-Avesta offenbar nichts als ein solches lebendiges Wort, d. i. mit heiligen Gebräuchen ausgesprochene oder gemurmelte Litaneien, Gebete, Segenswünsche und Hymnen sind, so mögen sie auch an uns ihre Kraft beweisen, zu zeigen, was sie sind. Dschemschid's altes Gesetz, das Sonnenjahr, ein Kalender.
Der Name, von dem Alles ausgehen soll, führt uns selbst darauf; es ist die grenzlose, d. i. ungemessene Zeit, Zervan (χρόνος ἄχρονος, temps sans bornes u. s. w.). Vergessen Sie alle Metaphysik, die spätere Zeiten ins Wort legten, und treten auf die Höhe eines medisch- oder persischen Berges. Nehmen Sie von diesem Albordi (der Grenze, dem Bord des Himmels) Sonne, Mond, Sterne, den Horizont selbst weg, so haben Sie einen unbegrenzten, d. i. einen unabgemessenen Raum, in welchem Sie sich eine unbegrenzte, d. i. unabgemessene Zeit denken mögen. Kein bestimmtes Principium ist dies, sondern der Abgrund, aus dem Alles genommen wird. Jede rohe Nation, jeder gedankenlose Mensch lebt in dieser Zeit ohne Grenzen; der erste Funken menschlicher Besinnung treibt dahin, ihr sowol als dem Raum Grenzen zu schaffen, Grenzen zu geben. Wir sind also die Mithridate, die einen Mihr, Mithra, einen Grenz- und Zeitmesser schaffen und geben, d. i. bemerken, wie die Natur uns Zeit und Raum vormißt.
Durch nichts mißt sie uns sie vor als durch Licht und Dunkel, Tag und Nacht, Ormuzd und Ahriman; sie verfolgen sich und scheinen in ewigem Kampf mit einander. Ahriman heißt ein Beflecker der Welt, d. i. der einen Flecken auf das Erleuchtete gießt, der es trübe macht und verdunkelt; Ormuzd ist der Lichtschaffer, der große König. Dem sinnlichen Anblick ist das gemeinste Bild, daß Tag und Nacht, Licht und Finsterniß einander vertreiben und verfolgen; der Tag vertreibt die Schatten der Nacht, die Nacht verscheucht die Helle des Tages. In allen Mond- und Sonnenfinsternissen sehen alle ungebildete Völker der Erde denselben Kampf, ein Treiben und Vertreiben; kriegerischen Bergvölkern konnte der Wechsel des Tages und der Nacht unter keinem ruhigeren Bilde erscheinen. Jeden Morgen legten also auch sie ihren Streitgürtel an, im großen Geschäfte der Welt mit fortzustreiten, fortzukämpfen. So hätten wir die drei Grundwesen der sogenannten Zoroastrischen Philosophie nicht nur ohne alle Metaphysik, sondern auch ohne allen Grund, daß in sie Metaphysik gelegt werden müsse und möge. Es sind die einfachsten Zeitbegriffe, aus denen Alles hervorgeht und hervorgehen muß, wo Ordnung, Fleiß, Eintheilung der Geschäfte, ein Sonnenjahr und ein Kalender stattfinden soll. Zeit ohne Grenzen, d. i. unabgetheilte Zeit, und ihre natürlichsten Abtheilungen:
Licht, Dunkel,
Tag, Nacht,
Ormuzd und Ahriman.
Stellen wir also jene als die Pforte, diese als die beiden Pfeiler des innern Porticus vor unsern Kalender.
Licht ist gut, Finsterniß böse; dies Naturgesetz, das der angebliche Gesetzgeber Zoroaster nicht erdacht hat, ist in aller Lebenden Empfindung geschrieben. Alles erfreut sich beim Strahl des aufgehenden, des wiederkommenden Lichtes, Vogel und Fisch, Mensch und Thier; nur böses Gewürm, Ungeziefer, Nachtvögel und einige träge, schädliche Brut ist für die Finsterniß geschaffen, in ihr thätig und wirkend. Gegen diese zu kämpfen, Ahriman's Reich zu zerstören, ward also mit der ersten Zeitabtheilung jedes Lichtdieners Pflicht, um so mehr, da Dschemschid's Gesetz ein eigentliches Gesetz der Cultur des Landes sein sollte und viele dieser Gegenden, damals ungebaut und öde, dieser Nachtgeschöpfe (Dews, Eidechsen, Frösche, Kröten, Schlangen, Ungeziefer u. s. w.) voll waren. Zur Thätigkeit ermunterte sich also jeder erwachende Diener Ormuzd', im Reich des Lichts lichtvoll zu wirken, wahrheitsliebend, segenausbreitend, befruchtend, rein, lauter, bestimmt und unermüdet. Der Morgenhymnus, der die Sonne bewillkommte, empfahl ihm im Bilde der Sonne seine Tagespflicht. Das lebendige Wort (Zend-Avesta) ist voll dieser Lobpreisungen, Erhebungen, Segenssprüche, Gebete und Entschließungsformeln; weihen sollte es die Natur und in Thaten ein lebendiges Wort werden. Die ältesten Griechen kannten den magischen Dienst fast nicht anders als in diesen aufweckenden Lichthymnen.
Um den Zweck dieser Zeiteneintheilung zu erreichen, mußte der Tag selbst in Zeiten (Gahs) getheilt werden; in den Wintermonaten waren vier, in den Sommermonaten fünf derselben, nach dem Auf- und Absteigen der Sonne, die natürliche Eintheilung des Tages. Die vom segnenden Genius gesandte Sonne (Bahmandad) begrüßten sie mit dem Becher des Danks (Havan); in der Mittagssonne (Nimruz) leuchtete der Gah Rapitan; um drei Uhr Nachmittags trat Osiren sein Amt an; beim Aufgange der Sterne bis zu Mitternacht Evesruthrem; von da, bis die Sterne verschwanden, schützte sie der Gah Oschen. Nicht nur die Magier, die Wächter der Stunden, die dazu eigentlich gestiftet waren, mußten diese Zeitenabtheilungen mit Segenswünschen feiern, die der Zend-Avesta uns vorlegt, sondern jeder reine Ormuzddiener mußte sie bemerken und auch zu Mitternacht sein Gebet beten. Es war die natürliche Tagesordnung.Zend-Avesta, Th. 2. S. 103-112. 401. S. auch die Artikel Havan, Rapitan, Osiren, Oschen im Register. – H.
Diese Tagesordnung breitete man über das Jahr; der Jahreslauf, eine sich gleichsam entwickelnde Schöpfung, war für das Volk in sechs Gahanbars oder Schöpfungs-Festtage getheilt. Der erste Gahanbar feierte die Schöpfung des Himmels, der andere des Wassers, der dritte der Erde, der vierte der Bäume, der fünfte der Thiere, der sechste des Menschen; sie waren ungleich an Tagen, wahrscheinlich nach erinnernden Jahreszeiten geordnet, der Angabe nach Dschemschid's Einrichtung und allerdings eine dem Volk angemessene Freudenanstalt. Durchs ganze Jahr hin sollte es sich der Schöpfung freuen und sie als ein fortgehendes, nie unterbrochenes Werk der Natur durch seinen mitwirkenden Fleiß ausschmücken und fördern. Die lebendigen Worte, Gebräuche und Weihungen dabei lehrt uns der Zend-Avesta.Siehe Gahanbar bei d'Anquétil. Hyde, p. 166. – H.
So weit gab Alles der Anblick der Natur selbst; Tage und Nächte zu zählen, Tages- und Jahreszeiten zu bemerken und anzuwenden, bedurfte es keiner Metaphysik eines Dualismus, die in jene Zeit für den thätigen Landmann nicht gehört. Wie aber bestimmte man das Jahr?
Dschemschid's Jahr war ein Sonnenjahr von 360 und fünf Schalttagen. Wahrscheinlich hatte man jene ursprünglich nach den sechs Gahanbars, also zu sechsmal sechs geordnet, da in sechzig Tagen das Jahr sehr fortrückt und neue Ereignisse zeugt. Nachher richtete man's zu zwölf Monaten, jeden von dreißig Tagen, ein; und die fünf zugeordneten am Ende des Jahrs waren neue Gahanbars, erstohlene Fest- und Freudentage. Man hatte die Arbeit des Jahrs beschlossen und nahm sich Ruhe; man feierte das Andenken der in diesem Jahr Verstorbenen und mit ihnen aller großen und gerechten Seelen der Vorwelt, die man an diesen Tagen gegenwärtig glaubte und, um Niemand zu beleidigen, das Fest aller Seelen. Fünf weibliche Izeds standen diesen Tagen vor, die immer beschäftigt seien, den Gerechten jener Welt Kleider zu bereiten und die in diese Welt Herabsteigenden mit Seele zu begaben. Die Anrufungen der Feruers liefert das lebendige Wort ausführlich;Jescht Fervardin Zend-Avesta, Th. 2. S. 274–286. Im Register Feruer, Gah u. s. w. – H. man lebte gleichsam außerhalb der Zeit.
Das Jahr begann mit dem Eintritt des Frühlings, der Tages- und Nachtgleiche, als einem Fest der Schöpfung der Welt, der Einrichtung des Reiches in Zusammenordnung aller Stände zu einander, dem Fest Neuruz. Die ersten sieben Tage des Monats waren Segenstage, mit Ormuzd den sechs höchsten Schutzgeistern (Amschaspands) geweiht; unter sie war die Aufsicht der ganzen Natur vertheilt. Sechs von ihnen standen auch den sechs großen Jahresfristen (Gahanbars) vor; als zwölf Monate daraus wurden, hatte jeder einen Helfer. Solche wurden ihnen auch zugeordnet, um die übrigen Monatstage zu bezeichnen; mithin entstanden von selbst drei Classen segnender Schutzgeister, Amschaspands, Izeds, Hamkars, die wahrscheinlich erst spät unter der monarchischen Regierung, vielleicht aus Nachahmung oder zur aufmunternden Lehre, ihren Rang bekamen. Ursprünglich war Alles Ized, d. i. ein segnender Hilf- und Schutzgeist; das ganze Jahr rollte dahin unter der abwechselnden Obhut und Regierung unsichtbarer Naturkräfte; es war, wie Thomson sich ausdrückt, der in allen Jahreszeiten, Monaten und Tagen sich verwandelnde Gott. Yezd, Yezad, Yezdan, Chodai, oder wie man sonst mit hundert und mehr Namen den Gott der Ordnung in der Natur, den großen und guten Wächter der Schöpfung nannte.Siehe Hyde, p. 177 u. s. w. – H. Die Anrufungen an diese Hilfswesen nach Gahanbars, Monaten und Tagen liefert das lebendige Wort. Das sogenannte Religions-System der Perser mit seinen Amschaspands, Izeds, Hamkars, Gahs und Feruers ist also nichts als ein in Liturgien und Gebräuchen bestehendes Jahr, oder mit andern Worten: Zend-Avesta, d. i. das lebendige Wort, ist ein im lebendigen Wort der Magier, in ihren murmelnden Segenswünschen und Gebeten bestehender und fortgesetzter medisch-persischer Kalender.
An einen Kalender kann Alles geheftet werden, aus ihm mag Alles hervorgehn; deshalb aber steht es von Anfange an nicht nothwendig in ihm. Aus diesem Kalender ging nach Dschemschid's Idee oder in seinen Namen gekleidet die ganze Einrichtung des Reichs hervor; deshalb aber blieb doch der liturgische Kalender, was er war, Dschemschid's Jahr, eine Zeitenabtheilung. Durch sein oder Ormuzd' Gesetz mußte er erst ein Mehreres werden; Metaphysik aber bleibt ihm ganz fremde. Sogar kann ich mir keine schlechtere Metaphysik als über Nacht und Tag, Licht und Finsterniß als zwei Grundprincipien und ihre Mutter, die noch nicht abgemessene Zeit, denken. Miß diese Zeit, und sie verschwindet; ordne Tag und Nacht unter ein Principium, und der ewige Kampf hört auf! Was folgt hieraus? »Zwar fast viel«, möchte ich mit Luther sagen; hier wird Einiges gnug sein.
Erstlich. Der Streit, ob die Perser Mithra als die Sonne oder die Sonne als Mithra angebetet, ist ein begriffloser Wortstreit. Nennt man die Segenswünsche, Bitten und Gebete (Izeschnes, Ieschts, Neäsch', Patets), die sie der ganzen Natur darbrachten, Anbetung, so haben sie ursprünglich alle Elemente der Natur. Himmel und Erde, Feuer und Wasser, Quellen und Bäume, nützliche Thiere und Menschen angebetet, d. i. hochgeschätzt, gewünscht, verehrt. So beteten sie auch Sonne und Mond unter dem Namen eines großen Schutzgeistes (Mihr, Mithra) an, der zwischen Sonne und Mond schwebt; denn diese beide gaben ihnen ja das ganze Maß der unbegrenzten Zeit; sie waren Ormuzd' wechselnde Statthalter und Stellvertreter über der Erde. Groß mußte also die Achtung sein, die man ihnen erzeigte, wie auch die Liturgien im Zend-Avesta zeigen; ob man sie Anbetung nennen soll, ist eine nutzlose Streitfrage.
Zweitens. Die Wesen, denen die Magier und durch sie die Medo-Perser tägliche und jährliche Achtung bezeigten, waren nicht Götter, nicht den Geschöpfen einwohnende Dämonen, sondern, wie ihr Name sagt, Wächter der Natur, Helfer (Izeds und Hamkars). Wachen und wehren sollten sie an jedem Tage, an jedem Tage, in jeder Jahrszeit dem Wirkenden in der Schöpfung beistehen, Gaben der Natur verleihen, segnen und fördern. Täglich zogen die Gahs, die vier Tageszeiten, auf die Wache und lösten zur Stunde einander ab, Glück zu bringen, Sicherheit zu befördern, dem Bösen zu wehren; Anrufungen an sie sind im Vendidad die ersten Izeschnes.Zend-Avesta, Th. 1. Abth. 2. S. 82 f. – H. Jährlich wechselten die Jahreszeiten (Gahanbars) im Dienst der großen Natur; der erste gab den Geschöpfen Milch (Nahrungssaft), der zweite Grüne, der dritte Wärme, der vierte Wachsthum den Pflanzen, Früchten, Thieren; der fünfte gab allerlei Güter, einen reichen Herbst der Erde; der sechste verlieh zu dem Erworbenen Genuß, er machte reich, groß und glücklich.Zend-Avesta. Th. 1. Abth. 2. S. 84. – H. Mit ihnen wurde, damit Niemand übergangen würde, ein ganzes Chor Mithelfer und Mitwirker, lebender und verlebter, ehemals großer Menschen, die Anführer und Vorsteher der Elemente, endlich die Wächter der gesammten Natur angerufen, von ihnen Glück erwünscht, sie alle gepriesen. Denn da in der großen Haushaltung der Schöpfung einander Alles hilft und beistehen muß, da Elemente, Jahreszeiten, Verrichtungen, Hoffnungen, Wünsche ineinandergreifen, einander fördernd oder hindernd, so mußte der Perser jedesmal sich gleichsam an Alle für Alle wenden und, wie er's nannte, in der reinen, heiligen Versammlung aller Geister, Genien und Seelen unter ihren Vorstehern und Anführern, im Gesammtreiche Ormuzd', der durch alle und mit allen seinen Helfern und Helfershelfern regiert, Glück wünschen, danken, beten. Nur jeder Classe, jedem Genius jeder Classe blieb seine Zeit und Stunde, sein Tag, seine Jahreszeit, sein Geschäft vorzüglich. Die sogenannte Mythologie der Parsen war ein kalendermäßig vertheilter Dienst und Hofdienst der ganzen Natur, gehorchend ihrem ersten Wächter und Helfer.
Drittens. Da nun dieser Magierdienst unstreitig vor dem Zoroaster war, der angeblich unter Gustasp lebte, indem er denselben nur eingerichtet und verbessert haben soll, d. i. reichs- und hofmäßig machte: warum streiten wir um Zoroaster's Schriften? Habe er keine Silbe geschrieben, oder sei Alles, was er schrieb, verloren, mögen die Litaneien und Formeln, die d'Anquétil zu uns gebracht und, wie der Augenschein giebt, oft ungewiß, oft frei übersetzt hat, wie sie gesammelt da sind, selbst nicht in die Zeit der Sassaniden reichen: was schadet's? Eigentlich war das ganze Institut nicht da, daß es geschrieben, sondern gesagt und gethan werden sollte; es war ein lebendiger Natur-, Haus- und Reichs-Kalender. Deshalb hießen die Magier, wie sie hießen, weil sie den Zeitlauf bemerken und berechnen, ihn durch lebendig gesprochene Kraftworte an den Genius dieses Tages, dieser Jahreszeit beglückt machen und durch solche Einrichtungen und Gebräuche Ordnung der Dinge schaffen und festhalten sollten; dazu war ihre Classe, ihr Stamm geordnet. Alle zu uns gebrachten Schriften der Parsen sind dieses lebendigen Zeit- und Kalenderworts Proben, Theile, Commentare; würden ihrer noch zehn zu uns gebracht, so wären sie, obgleich von andern Seiten lehrreich, nichts Anders. Man sondere, wenn man kann, in diesen Schriften, was alt und jünger scheint, dem eigentlichen Magismus kann dieses nichts schaden; denn der steht in jedem Parsenbuch, auf allen Blättern; er beruht in ihrer Zeiten- und Jahreseinrichtung. Wenn z. B. ein Lorsbach mit seinem gelehrten, bescheidenen und nüchternen Fleiß den alten Perserkalender, wie Hyde ihn giebt,Cap. 9–16. – H. nach den Bedeutungen der Monat- und Tagenamen erläuterte,In seinem »Archiv für die morgenländische Literatur« (Marburg 1791) hat er mehrere Entwicklungen persischer Begriffe und Worte weit genauer als Reland in seinen Dissertationen (P. II. Dissert. VIII.) gegeben. – H. könnte kein anderes Resultat hervorgehn, als das im ältesten Stil der Zend-Avesta liefert. Die Nachrichten, die Richardson, d'Anquétil's großer Gegner, über die Construction des persischen Jahres giebt,Richardson, »Persisches Wörterbuch«, Artikel Mah; Auszug daraus in Richardson-Wahl's »Orientalischer Bibliothek«, Th. 2. S. 179), Artikel Mah. – H. gewähren kein anderes, und so viel Yardahs, Nosk und Curdes (ich wünsche ihrer viele) noch erscheinen mögen, sie werden kein anderes geben. Die Nachrichten der Griechen und Römer, nach Ort und Zeit gesondert, weisen sämmtlich auch dahin; auf ein metaphysisches System gehen sie nicht hinaus; wohl aber vereinigen sie sich im Magismus als einer Zeiteneintheilung nebst Alledem, wohin diese führt.
Wenn ich bei meiner Ansicht des Magierdienstes und seiner Exposition, des Zend-Avesta, das Urtheil eines Gelehrten mir gleichstimmig wünschte, so wäre es des verdienstreichen Mannes, der in so manche Felder der ältesten Geschichte, Zeitrechnung und symbolischen Fabellehre mehrerer Völker Licht und Ordnung gebracht hat. Erlauben Sie mir, die Folgen der gegebenen Ansicht als charakteristisch für die Zeit und Nation zu entwickeln.
Astronomie scheint nicht die Sache der Magier, weder in Medien noch Persis gewesen zu sein, es sei denn, daß man sie dort mit den Chaldäern verbindet. Sie hatten blos das Nabonassarische, von ihnen nicht erfundene Jahr und behielten nicht nur dasselbe, sondern ließen es auch ohne Einschaltung des fehlenden Viertheiltages so schwebend fortrücken, daß zuletzt die Frühlingsmonate Wintermonate wurden und der ganze Jahresbau, der auf Jahreszeiten eigentlich gerechnet war, dadurch in Unordnung kommen mußte. Die Perser waren daran so gewöhnt, daß ohne alle Rücksicht auf die genauere Jahresbestimmung der Aegypter Kambyses ihnen das seinige aufdrang. Nach der Kosmogonie des Buchs Bundehesch wuchs das Gebirge Albordi achthundert Jahre; nach den ersten zweihundert Jahren reichte sein Haupt bis an die Sterne, nach vierhundert Jahren bis an den Mond, nach sechshundert Jahren bis an die Sonne, nach abermals zweihundert Jahren bis ans erste Licht.Zend-Avesta, Th. 2. S. 364. – H. Also war ihnen der Mond hoch über den Sternen; welches denn keine große Astronomie anzeigt. Der ganze Bundehesch zeigt ihre engbeschränkte Erd- und Naturkenntniß; den Mangel der Astronomie zeigt ihr ganzer Kalender. Wenn dieser also nicht astronomisch war, so war er geonomisch; Dschemschid's Gesetz regelte Volk und Land, Geschäfte und Stände.
Erstens. Auf Ordnung war Alles in ihm angelegt, ein Volk von rohen Sitten, in verschiedene Lebensweisen und Völkerschaften getheilt, bedarf Ordnung. Darum ist in Himmel und Erde Alles unter Häupter, Vorsteher, Anführer geordnet, Sterne und Bäume, Vögel, Thiere und Menschen. Nichts steht, nichts streitet allein. Darum war es nach Herodot Grundgesetz der Magierreligion, daß Niemand für sich allein wünschen, opfern, beten durfte; er mußte seinen Stand, seine Obern, sodann andre Stände bis zum Könige hinauf mit seinem Wunsch umfassen; in allen Formeln war ihm das Ganze, eine Einheit durch viele zusammenwirkende Glieder vorgezeichnet. Unstreitig ist dies die Seele des lebendigen Worts; die Häupter des Landes, der Provinzen, der Städte, Gassen und Häuser werden Reih' ab und Reih' an hergenannt, an welche sich der Wünschende anschließt. Ihre ganze Kosmologie ist dahin geordnet.
Nach Landesart ward der Zweck befolgt. Das Meder- und Perserreich verband Völker, die durch Sprachen, Sitten, Gebirge, Wüsten von einander verschieden waren; öffentliche Straßen und auf ihnen Ruhehäuser wurden angelegt, die Provinzen ausgemessen, sogar Königsposten angelegt; und nach welcher pünktlichen Ordnung der Hof-, Kriegs- und Staatsdienst eingerichtet gewesen, bezeugt bis zum Uebermaß die persische Geschichte. Unter Häupter, Helfer und Mithelfer war Alles geordnet; das ganze Regierungs- und Reichssystem war ein Kalender.
Zweitens. Auf körperliche Reinheit ging die Jahreseinrichtung Dschemschid's zunächst aus; dazu so viele Verbote und Gebote, Anstalten und Gebräuche. Rein sollte jedes Element erhalten und mit keinem andern vermischt werden: Luft, Feuer, Wasser, Erde. Da Licht und Feuer ihnen das Symbol der höchsten Reinheit waren, so durfte kein menschlicher Athem sich ihm oder reinen vornehmen Personen nahen; eine wohlanständige Scheu! sie erschuf den Vorhang des Mundes, das Penom. Feuer reinigt die Luft; daher brannte es in allen Häusern, auf allen Bergen. Glänzend rein zu sein, war der Ausdruck jeder Würde, jeder edeln Versammlung sowie auch jeder guten Thätigkeit, des gesammten Wohlstandes eines Hauses, einer Stadt, einer Provinz und des Reiches; daher nannte sich die Nation die hellglänzende, Perser. Ungegürtet durfte Niemand ein Gebet verrichten, unangekleidet sich dem Herde nicht nahen, ohne myrtengeschmückte Tiare durfte Niemand opfern. Von Fäulniß mußte Alles frei sein, Haus und Hof, Acker und Garten; seine Quelle, seinen Strom mußte Jeder rein erhalten, rein von Sumpf, rein von Ahriman's Brut, Gewürm, Fröschen, Schlangen und giftigen Thieren. Die Opfer, die man auf Anhöhen den Genien der freien Natur gleichsam nur zeigte, oder von denen man dem Feuer nur ein Weniges gab und sie nachher zu Hause verzehrte, scheinen auch dazu angeordnet gewesen zu sein, damit nichts Unreines gegessen würde; von Ahriman, dem Beflecker der Natur, dem Bewohner jeder Fäulniß, wurde so schauderhaft geredet, damit jede Unreinigkeit schreckhaft entfernt würde. Ansteckende Krankheiten, Aussätzige, Leichname schaffte man aus dem menschlichen Geschlecht hinweg; die Selbstbefleckung war hoch verpönt. Zu Waschungen, Reinigungen, Reibungen des Haupts, Ertödtung böser Thiere waren eigne Tage angeordnet; mit den Jahreszeiten wechselten die Gebräuche des Purismus; er modificirte sich nach Ort und Gegend. Auch ist's bekannt, wie weit die Meder, noch mehr aber die Perser, ihre Liebe zum Schmuck, zu glänzenden Prachtaufzügen und einem edeln Erscheinen in der Gesellschaft getrieben haben, zum Theil noch treiben und sich von andern Völkern des Orients dadurch sehr unterscheiden. Die reine Luft der Berge, die sumpfigen Gegenden anderer Provinzen voll Ahrimansgeschöpfe zwang sie zu diesen Gesetzen des Wohlstandes, der allenthalben sich selbst belohnt; denn Liebe zur Reinheit ist die Mutter des Fleißes, der Selbstschätzung, des guten Anstandes, der Bequemlichkeit und Ehre. Kaum ist, wie ich glaube, über die Pracht eines königlichen Aufzuges der alten Persermonarchen, über ihren Gottes- und Königswagen etwas Reinanständigeres denkbar. Mit Jahreszeiten, Monaten, Tagen sogar änderte der Monarch seine Kleider und significirte selbst gleichsam den Genius, der an diesem Tage herrschte; in bestimmter Entfernung folgten die Stände ihm nach. Persien war also, wie sein Name sagt, das Hellglänzende, Reine durch Dschemschid's Constitution, d. i. durch Jahreseinrichtung.
Drittens. Mit Ordnung und Reinigkeit bezweckte Dschemschid's Jahreseinrichtung Fleiß. Die angeordneten sechs Jahreszeiten führten in ununterbrochener Reihe von Anfange des Jahres an die Wirker der Natur, den Geber des Lebenssaftes, sodann der Grüne, der Wärme, des Wachsthums der Baumfrüchte und Thiere, des Reichthums und Wohlgenusses vor. Mit den sechs ersten Tagen jedes Monats erschienen die großen Genien der Natur, die einwirkend Alles erzeugen, und ihnen zugeordnet in wechselnder Reihe höhere und niedere Izeds; alle munterten auf zum Fleiße, nach ihrem Muster, mit ihrem Segen Ormuzd' Wort, die Schöpfung der Welt, zu vollenden. Wer die Erde baute, der that der sanften Sapandomad einen Dienst; Khordad ließ ihm Wasserquellen fließen, und Amerdad schützte seine Bäume und Pflanzen. Im ganzen Magierdienst ward der Landmann als die Quelle alles Segens gepriesen; der Genius köstlicher Metalle (Schahriver) belohnte ihn; die obersten Izeds (Bahman, Ardibehescht) gaben seinen Früchten Leben, seinem Werk Gedeihen. Jeder Tagesname forderte auf zur Wirksamkeit und zum hoffenden Fleiß. Der Hahn selbst steht unter den Genien des weckenden Fleißes; in jedem Hause mußte er gehalten werden, und sein himmlisches Ideal ward hoch gefeiert.
Daß dieser Zweck einer Jahreseinrichtung vortrefflich sei, bedarf keines Erweises. Kriegerische Völker zu häuslichem Fleiß, zur Liebe ihres Bodens und einer nützlichen Lebensart zu gewöhnen, ist der schönste Zweck einer Einrichtung. Er hat auch seine Wirkung nicht verfehlt; denn alle Zweige hindurch ist Persien sehr cultivirt worden. Noch jetzt freuen wir uns mancher Früchte und Blumen, die sie zogen, mancher Künste, die sie trieben. Eisen und Stahl ward in den medischen Gebirgen vielleicht zuerst gehämmert; wir Deutsche insonderheit haben den Persern in Art und Unart Manches zu danken. Geschäftiger Fleiß ist bis jetzt der alten Parsen Charakter.
Viertens. Ordnung, Reinheit und Fleiß führen Gesundheit und Freude mit sich; die Tendenz hierauf ist in Dschemschid's Kalender unverkennbar. Das sogenannte Gewächs der Unsterblichkeit (Hom, Amomum), von dem Zend-Avesta so viel spricht, war ursprünglich gewiß nichts als eine stärkende Arznei, deren sich die Magier, die damaligen Naturkenner und Aerzte, bedienten. Sie ward nachher als Symbol geheiligt und wie alles ursprünglich Irdische des alten Dienstes zum Geistigen, Himmlischen erhoben. Der gepriesene Mann, der sie entdeckte und mit ihr einen Namen führt, lebte in uralten Zeiten unter Dschemschid. Er war's, der sich zuerst auf den Bergen mit dem heiligen Gurt gürtete und das Kleid der Magier vom Himmel empfing, also der erste Magus, wahrscheinlich der Stifter des ganzen Ordens, also auch Verfasser dieser Jahresabtheilung, die von Dschemschid den Namen bekam, mithin der erste wahre Zoroaster.
Daß gesellige Freude die Absicht dieser Zeitenabtheilung war, bezeugen in ihr die sehr zweckmäßig angeordneten Feste. Vom Neujahrstage und den dem Jahr abgestohlenen fünf letzten Jahrestagen, die im Andenken aller Seelen gefeiert wurden, haben wir geredet. Im Yezdegerdischen Jahr hießen sie Gruß, Glück, Sieg, Zufriedenheit, Lebewohl (Abschied). Die Benennung, die er andern Tagen gab, die ältern Namen der Genien selbst, die sie bezeichneten, sagen größtenteils nichts Anderes. Meder und Perser liebten und lieben die Freude, oft bis zur Ausschweifung; der Genius des alten Jahrs wies sie in Schranken. Wie im Frühlinge ward im Herbst bei der Tag- und Nachtgleiche ein zweites Neujahr gefeiert, dem erquickenden Wasser im Sommer ein Fest, im Winter dem wärmenden Feuer. Ein fünftes vereinigte Arme und Reiche; ein sechstes ehrte Jungfrauen und Weiber. Und alle waren mit Gebräuchen begleitet, die in der Beschreibung selbst gefallen und zieren, angeordnet von einem Genius freudeliebender Nationen.S. Richardson-Wahl's »Orientalische Bibliothek«, Th. 2 S. 179. Artikel Mah, Monat. – H. Daß im Zend-Avesta mehrmals die Paradiese Persiens hererzählt werden, daß jeder Gebetswunsch auf Fülle und Seligkeit (Vergnügen, Behescht) hinausgeht, zeigt, wornach der Perser strebte. Nicht jenseit des Grabes erwartete er zuerst sein Paradies: durch Fleiß und Emsigkeit sollte er's sich selbst bauen hienieden.
Fünftens. Alle Güter des Lebens helfen ohne Sicherheit wenig; Dschemschid's Gesetz traf also Anstalten zu dieser. Alle hinterlistigen Nachstellungen, zu denen die Meder geneigt waren, Angriffe im Dunkeln, Verleumdungen, Neid u. s. w. werden als die scheußlichsten Werke Ahriman's verwünscht, auch Feinde sollen am Licht kämpfen; das höchste Gesetz der Perser war offene Wahrheit, Undankbarkeit und Lüge das schändlichste Laster. Alle Tugenden werden daher in die weißglänzende Lichtfarbe, alle Uebelthaten in die Schwärze der Nacht gemalt.
Nach dem Menschen war der Hund das geschätzteste Thier; er und der Hahn waren Wächter des Hauses, seine Stimme, ja sein Anblick sogar vertrieb die Dews, d. i. Wölfe, Mörder, Diebe. Einen seiner Person treuen Hund zu haben, war eine Sitte angeordnet, die, unverstanden, sonderbar auffällt. Dem Sterbenden sowie dem Leichnam, ehe er bestattet wurde, ward ein Hund vorgehalten, der ihn anblicken, der noch aus der Hand des Gestorbenen ein Stück Brod nehmen mußte; und wenn der Hund dies nicht thun wollte, war's für den Verstorbenen ein übles Zeichen; denn auch über die enge Brücke jenseit des Grabes, die nur Gute hinüberführte, mußte den Gestorbenen ein schützender Hund begleiten. Ohne Zweifel war der sonderbare Gebrauch aus den alten Zeiten da Hund und Mensch, zumal der Bergbewohner und Jäger, Gefährten des Lebens waren. Der Anblick seines treuen Thiers war dem Sterbenden ein Lebewohl; die Willigkeit, mit der er aus der Hand des Gestorbenen das Brod nahm, war ein Zeichen, daß er ihn noch vor seinen Herrn und Freund erkannte. Vielleicht aber war auch der ganze Gebrauch symbolisch.
Doch wo gerathe ich hin? Meine Absicht war, zu zeigen, daß, wenn man die sogenannte Persertheologie auf ihre ältere Form das lebendige Institut der Magier, zurückführt, sie eine viel einfachere Gestalt annimmt, als in der man sie zu sehen gewohnt ist, in der sie aber die älteren Griechen, Herodot und Xenophon, sahen und beschrieben. Aus Dschemschid's Jahr geht sie so natürlich hervor, daß man sie als Commentar desselben betrachten möchte. Längst vorher, ehe Zoroaster schrieb, war sie in Gebräuchen und Worten ein lebendiger Jahrescyklus.
Wo bleibt aber Zoroaster? Merkwürdig ist mir's, daß, nachdem der Verfasser des Abrisses der Universal-HistorieGatterer's Abriß der Universalhistorie, S. 146. – H. im Jahr 1773 das System Zoroaster's nach d'Anquétil kurz und bündig herausgesetzt hatte, im Jahr 1787 der Verfasser der WeltgeschichteGatterer's Weltgeschichte, Th. 2. – H. sich lediglich an Herodot hält und hinzufügt: »Was man von Zoroaster, dem angeblichen Erfinder oder Verbesserer der magischen Religionsgebräuche und Wissenschaften, halten soll, ob so ein Mann irgend einmal, es sei in Medien und Baktrien oder sonstwo, wirklich gelebt habe, oder ob er, wie etwa der ägyptische Thot, nur ein symbolisches Wesen, eine personificirte Idee gewesen sei, dies Alles wird wol schwerlich jemals mit Zuversicht bestimmt werden können. Herodot wenigstens weiß nichts von Zoroaster.«
Ohne mir zuzutrauen, das mit Gewißheit ausmachen zu können, was der prüfendste Geschichtforscher für unbestimmt hält, so glaube ich doch:
1. Daß, so schätzbar Herodot's Nachrichten von den Magiern und vom Magismus sind, sie doch weder ausschließend Alles erschöpfen, noch auch so vollständig sein konnten, als seine Berichte aus Aegypten waren. Die Ursache ist klar. Hier hielt er sich an sichtbare Denkmale, Obelisken, Tempel, Labyrinths, Grabmäler u. s. w., er konnte fragen und sich erkunden; denn Alles stand dem Auge da. Zudem war die Priesterhierarchie zerstört; er wandelte unter Trümmern eines grausam unterjochten Volks. Die Perser symbolisirten nicht wie die Aegypter; der Cultus der Magier bestand in Hymnen, Gebeten, Imprecationen, kurz, im lebendigen Wort, das sie hermurmelten und für ein kräftiges Heiligthum hielten. Dies würden sie ihm schwerlich entdeckt, er es auch nicht verstanden haben, da es an einer ihm unbekannten Sprache haftete. Das persische Reich blühte noch, da er's besuchte; die Magier waren ein geehrter Stamm, die ihre Geheimnisse, auf welche sie so viel Werth legten, einem Fremdlinge zu eröffnen nicht eben bereit waren. Erst seitdem Persien überwunden und die Magierkaste aufgelöst war, bekam man von ihren sogenannten Wissenschaften mehrere Nachricht. Herodot hielt sich also, woran er sich halten konnte, an äußerliche, sichtbare Gebräuche; er widerspricht aber damit dem sie begleitenden ihm unbekannten Wort nicht.
2. Wenn man dies Wort (Zend-Avesta) von Allem dem entkleidet, was ihm offenbar spätere Zeiten oder gar willkürliche Deutungen angehangen haben, und es mit Vorbeilassung aller Metaphysik auf die alte Jahresform zurückführt, die in den Händen der Magier war, und zu deren Ausübung sie nach der Weise aller alten Priesterkasten, Aegypter, Ebräer, Chaldäer, Braminen u. s. w., eigentlich gesetzt waren: so geht der Magismus als lebendige Landesanstalt nicht nur aus den Nachrichten Herodot's, sondern aus sich selbst so gleichförmig und natürlich hervor, daß, wie mich dünkt, man jetzt erst sieht, wie das Alles werden und späterhin auf diese simpeln Ideen ein so sonderbares Gebäude des Dualismus und der Magie mit tausend Schwärmereien gebaut werden konnte, von denen jene alte Zeit nichts wußte. D'Anquétil's Quartanten durch einen Talisman in den simpeln Kalender verwandelt, der in ihnen liegt, bekommen und geben, ohne von ihrem Werth zu verlieren, eine ganz andere Ansicht.
3. Ob ein Mann wie Zoroaster gelebt habe, glaube ich, sei zu bestimmen, sobald man ältere von neueren Sagen absondert und insonderheit das Colorit verwirft, in welches ihn der späte Roman Zerduscht-Nameh kleidet. Daß d'Anquétil dies Gedicht seinem Leben Zoroaster's beinah zum Grunde gelegt hat, ist fast unverzeihbar; es stellt ihn in das falsche Licht eines Mohammed-Propheten, dem man sodann aus ebenso nichtigen Gründen den Philosophen und Gesetzgeber anlog. Möchte einer meiner folgenden Briefe hierüber Sie vergnügen!
Wie Manches wünscht man noch von Ihnen! Sie sind wie die stille Quelle, aus der Ihre Jünglinge schöpfen und freudig rufen: »Das Wasser ist mein; denn ich habe es mit meinem Kruge geschöpft.« Die freudig Rufenden haben nicht Unrecht; aber die Quelle quillt, und fließe sie lange!
Wie kommt's, daß, da so viele, ja alle Völker der Erde in einer gewissen Epoche abergläubig waren und sein mußten, die Magie, wenigstens dem Namen nach, sich von einem Volk herschrieb, das doch gewiß nicht abergläubiger war als andere Völker? Wie kommt's, daß, wenn Magie eine Kunst des Aberglaubens oder gar des Betruges sein soll, sie von einer Stammeszunft den Namen erhielt, die auch die Weisen des Morgenlandes genannt wurde, in einer Nation, die sich vor Allem der Wahrheit befliß und diese zu ihrem ersten Gebot machte? Dem Verfasser der gelehrten Preisschrift Ueber den Ursprung und die Fortpflanzung der MagieDieterici Tiedemann Disputatio de quaestione, quae fuerit artium magicarum origo. Marburg 1778. – H. wird es nicht ungefällig sein, hierüber die Fortleitung der Ideen zu lesen, die in den vorstehenden Briefen das alte Perserjahr gleichsam von selbst darbot.
Jedes Ding hat seine zwei Seiten. Dschemschid's Jahr und der ihm zugeordnete Stamm der Jahres- und Tagefeirer, Magier,Ursprünglich stammte das Wort wahrscheinlich von Mah, der Mond oder Monat, her; die Ableitung, die ihm d'Anquétil von Meh, Megh, Meghistan, groß, vortrefflich, giebt, ist offenbar aus späten Zeiten; eine Ehrendeutung, die die Magierzunft sich selbst gab, oder die ihr aus Achtung gegeben wurde. (Zend-Avesta, Th. 2. S. 555.) Nach seinem kleinen Wörterbuch (S. 516) hieß der persische Mobed im Pehlvischen Magoé, ein Name, der mit dem persischen Meh, Megh nichts zu thun hat. So auch schwerlich Mobed mit Magovad (S. 355). Mubahat heißt Ehre, Achtung, Stolz, Vorzug vor Andern (Richardson, S. 1577); daher wahrscheinlich der Name. – H. [Mobed heißt eigentlich Moybed, Oberster der Magier. Vgl. Herder's Werke, XV. S. 204. Anm., und unten S. 553. Die Deutung des Namens Magier, μάγον, als Ehrenname, die Würdigen, ist nicht zu bezweifeln. – D. nebst dem ganzen Cultus, der darauf gebaut war, konnte bei allem Guten, das er stiftete, nicht anders als dahin führen, wohin er geführt hat, ausgezeichnet vor Aegyptern, Chaldäern, Indiern u. s. w.
1. Die Perser hatten keine Tempel, Obelisken, Labyrinthe, Hieroglyphen u. s. w., aus denen ein Aberglaube anderer Gattung entspringen konnte; ihr Cultus lag im ausgesprochenen lebendigen Wort, d. i. in Glückwünschen an die Natur, in feierlichen Lobpreisungen und Gebeten. So natürlich und zweckvoll diese nun für Jahres- und Tageszeiten, Gebräuche und Feste eingerichtet und ihr bezeichnender Kalender waren, so konnte es nicht fehlen, daß, da eben im Aussprechen, d. i. im Nie-Unterlassen die Pflicht des Instituts lag, darauf der Werth der Handlung, die Macht des Ausdrucks gelegt wurde. Statt des täglichen Hymnus, einer Bewillkommung der aufgehenden Sonne, hätte ein geistloseres, trägeres Volk ohne Zweifel Stäbe gelegt oder an Korallen die Tage gezählt, und so wäre keine Magie des Worts entstanden. Statt die Gahs und Gahanbars, d. i. Tages- und Jahreszeiten, freudig zu begrüßen und sich dadurch, welches der Zweck war, zum Geschäft jeder Tages- und Jahreszeit zu stärken, hätte ein stummes, trauriges Volk geseufzt und geträumt. Bei einem sprachseligern Jagd-, Berg- und Hirtenvolk nahm in der Freie der Natur Alles einen Laut an. Wie die Sprache des Zend mit ihren unendlich langen, vocalreichen Wörtern zeigt, ward dieser lebendige Laut modulirt; so entstanden dann die Hymnen und Gebete (Izeschnes, Jeschts, Patets u. s. w.), in denen so große Kraft war. Die Aegypter kamen zu dieser Höhe des Glaubens an Worte nicht, weil sie symbolisirten; ihre ἱεροὶ λόγοι waren nur Auslegungen sichtbarer Symbole, hier aber waren sie das Hauptwerk.
Hiemit erklärt sich, weshalb man späterhin ein so hohes Gewicht auf das ausgesprochene Wort Ormuzd' legte. Dadurch, glaubte man, habe er die Welt erschaffen, dadurch bestehe sie, sein Wort sei die Kraft in allen Geschöpfen. Durch sein Wort, wenn es ausgesprochen würde, werde Ahriman verjagt und entkräftet. Lauter Fortleitungen desselben Begriffs, den man über sich selbst hob und metaphysicirte. Man wußte sogar das Wort zu nennen, durch welches er die Welt geschaffen; es hieß Honover – ein prächtig klingendes Wort, das, in einem ähnlichen Laut von einer bekannten Stadt ausgesprochen, dem guten Anton ReiserK. Ph. Moritz. – D. von Jugend auf eine entsetzliche Hochachtung einprägte. Führt man aber alle diese Transscendenz auf ihren Ursprung zur Erde hernieder, so bedeutet sie nichts, als: »Durch seinen Willen ist Alles da; Ormuzd' Wille ist, sein Geschäft zu thun in jeder Tageszeit und Stunde.« Daß der tausendmal wiederholten Formel, die dies ausdrückte: »Das ist der Wille Ormuzd'«, eine magische Kraft zugeschrieben wurde, guten Willen zum Geschäft zu erregen, Hindernisse zu vertreiben, Trägheit und bösen Willen zu entfernen, ward späterhin, da diese Wirkung ehedem Wahrheit gewesen war, selbst zur Formel. So entstand der Wortglaube, die abergläubige Magie des Worts sehr natürlich.
Endlich ward, wie in der Persermythologie Alles, so auch das Wort Ormuzd' personificirt. Es bekam seinen Feruer, glich dem Lichtgeist (Eorosch), war Ormuzd' Seele und ward ewig von ihm gesprochen, ging ewig von ihm aus; es stritt und überwand. Von Menschen rein, langsam, musicalisch, liturgisch ausgesprochen, hatte es ungeheure Macht, ging vor dem Gestorbenen her und führte ihn die Brücke hinüber. So kam das personificirte Wort unter Ebräer, Christen und ward durch neue Anwendungen nach Zeitaltern, Factionen und Secten wunderbar metaschematisirt. Noch jetzt glauben, leben und sterben, Tausende der Christen an personificirte Wortschälle und hoffen dadurch Seligkeit und Gnade: wahre Magier, aber von der spätesten, schlechtesten Art. Denn ursprünglich reducirte sich dieser ganze Formelntroß auf das einfache Wort »Wahrheit!« Sei, was Du bist und sein sollst; wolle ernstlich, was Du willst, und führe es auch aus; denke klar, sprich und handle redlich! So wirkt die ganze Natur; das ist der Wille Ormuzd', des guten, reinen Verstandes. O, wohin können Wortschälle, die sich überlebt haben, und eine an ihnen hangende, Jahrhunderte lang fortgesetzte, in Völker und Sprachen umhergestreute Transscendental-Philosophie führen!Herder hatte um diese Zeit den Kampf gegen Kant unternommen. – D.
2. Der Perser opferte in der freien Natur; er sprach in seinen Gebeten die ganze Schöpfung an, glückwünschte allen Wesen und empfahl sich ihrer mitwirkenden Freundschaft; der Zend-Avesta ist dieser glückwünschenden Empfehlungen voll; mit dem Sadere und Costi geschmückt, trat er in die glänzende Versammlung aller Genien und Naturkräfte. Diese hielt er sich also gegenwärtig; er glaubte ihre Nähe und Mitwirkung.
Daß in alten Zeiten die Perser gleich andern Völkern alle Elemente beseelt hielten, bezeugen zum Theil wilde Proben. Cyrus ließ den Strom, der seine heiligen Rosse ersäuft hatte, in 365 Kanäle abtheilen, Xerxes den Hellespont, der seine Brücke weggeschwemmt hatte, geißeln; er opferte dem Fluß Strymon weiße Rosse; in Thracien weihte er der Erde (Sapendomad) neun lebendige Knaben und Mädchen; an der thessalischen Küste besänftigte er Sturm und Meer durch Anrufungen der Magier, d. i. wie die Griechen es nannten, durch Zaubergesänge und Imprecationen. Den Persern waren sie dies eigentlich nicht, sondern Hiketerien, Jeschts und Neäschs.
Als mit der Zeitfolge der Magierdienst ausartete, was konnte er anders werden als ein Formulardienst, da man im Zutrauen auf alte Vorschriften mit kräftigen Worten die Elemente befriedigen, stillen, zu seiner Gunst lenken zu können gewiß war und durch Aussprechung gewisser bestimmten Worte Geister und Genien sich gegenwärtig zu machen glaubte. Im Cultus der alten Perser lag dies ganz; der größere, der anrufende Theil des Zend-Avesta ist in der Versammlung und für die Versammlung aller Naturgenien nach Ort und Zeit gedacht und verfaßt worden. Eine Stammes- oder Zunftschule, in welcher der Lehrer (Destur) Kraftformeln der Art lehrte, der Mobed sie übte, der Herbed (Lehrjünger) sie lernte, war eine Zauberschule im Glauben des Volkes.
Als die sogenannten Geheimnisse der Morgenländer unter Griechen und Römer kamen, konnten sie nicht anders als in dieser Zaubergestalt erscheinen und wirken. Orpheus' Hymnen sind die Jeschts des Zend-Avesta, in griechischer Gestalt gebildet und umgebildet. Bei den Eleusinischen Geheimnissen ward der Schöpfer, das Wort, der Mond und die Sonne persönlich vorgestellt, mithin eine Art Weltall der Genien repräsentirt; bei den Geheimnissen des Mithra dienten zu gleichem Zweck andere Symbole. Die jüngere Platonische Philosophie, die nach der Weise der alten Magier alle Elemente mit Dämonen belebte, machte also einer Theurgie Raum, diese Geister durch Worte, Formeln und Gebräuche herbeizurufen, sich gegenwärtig zu machen, zu seinem Dienst zu gebrauchen. Es wurden Kunstschulen dieser Formeln, neue Desturs, Mobeds und Herbeds, errichtet. Aus wie simpeln Anfängen war Alles entstanden! wie unschuldig war die älteste Magie gewesen! Ein freudiges Grüßen an die gesammte Natur, Aufmunterung seiner selbst, in diesem Chor wirkender Wesen mitzuwirken.
3. Dschemschid's Sonnenjahr bezeichnete Jahreszeiten und Tage zu Verrichtungen des Lebens mit Namen helfender Genien und Geister, also zu einem guten Zweck; es mußten aber bald Mißbräuche folgen. Denn da alle Genien an Macht nicht gleich waren, alle Verrichtungen nicht gleich günstig ausfielen, so mußte sehr bald mit der Tagwählerei auch Mißtrauen in diesen oder jenen Geist, mithin Furcht und Aberglaube entspringen; denn jedem guten Genius war ein böser entgegengesetzt, den er zu überwinden hatte. Die Magier bekamen hierdurch große Gewalt über die Gemüther; denn sie weissagten, mittelst glücklicher oder unglücklicher Zeichen sahen sie in die Zukunft. Rathend zeigten sie glückliche Tage an, vor andern warnten sie; durch Fürsprache konnten sie Uebel abwenden, mächtigere Genien zu Hilfe rufen u. s. w. Eine ungeheure Magie! und aus wie kleinen Anlässen, aus einem Jahreskalender und nach gesammelten Naturkenntnissen und Voraussichten aus einem guten Hausmannsrath entsprossen und fortgebildet.
4. Jeder Mensch wird an einem Tage, mithin nach persischem Kalender unter einem Genius geboren, der ihm wahrscheinlich, wenigstens öfters, auch seinen Namen gab (z. B. Mithridates, Tiridates, Bahman u. s. w.), der also über ihm wachte, ihm half und aushalf, der Schutzgeist seines Lebens. Da nun jedem guten ein böser Genius entgegenstand, den jener fortwährend zu überwinden hatte, so bildete sich unvermeidlich daraus der Glaube von einem guten und bösen Genius, der uns begleite. Wie einfach erscheint dieser Glaube noch bei Xenophon im Bekenntniß des Araspes, daß jeder Mensch eine gute und böse Seele habe,Cyr., VI. 1. 41. – D. und zu welcher schrecklichen Höhe ist er fortgebildet worden, indem man ihn über die ganze Natur verbreitete! Der Ahriman, der anfangs nichts als der Flecke des Lichts, die Nacht gewesen war, unter dessen Werken und Geburten man zuerst nur Dews, d. i. Ungeziefer, Eidechsen, Frösche, Schlangen, verstand, die man haushälterisch ausrotten sollte; der Ahriman, den man sich selbst nur als eine große Schlange dachte und unter seinem Namen vor Werken der Falschheit, der Treulosigkeit, des Meineides, geheimer Nachstellungen, nächtlicher Betrügereien warnte: als er, der ersten Idee ganz fremd, durch die unseligste Metaphysik ein zweites Principium der Natur und bei Juden, noch schimpflicher aber bei Christen, der Teufel ward, wie viel Böses hat er in der Welt gestiftet! Nicht nur die gesunde Ansicht unserer Natur, sondern auch diese Natur selbst hat er zerrüttet, indem er die Menschen mit Furcht gelähmt, zu falschen Hoffnungen getrieben und an ihren edelsten Kräften verzagen gemacht hat. Der schlechteste Nosk im Zend-Avesta hat das schwarze Phantom nicht bis zu dieser Höhe gehoben; es rüstet immer noch den Streiter gegen ihn aus, dem die ganze lichte Schöpfung zur Seite steht, und der nie verzagen darf am Siege. Dagegen die unwürdigste Philosophie ihn zum Herrn der Welt gemacht und die ganze lichte Schöpfung Gott geraubt hat. Auch im Bundehesch indessen ist das überschrobene, durch alle Zeitperioden fortgesetzte Poëm vom fortwährenden Kampf Ahriman's und Ormuzd', der erst nach zwölftausend Jahren den Sieg erhalten kann, keine geistvolle Dichtung, dem Jahressystem des alten Hom's, in welchem lauter reine Geister wirken, auch ganz fremde hinzugedichtet. Läge Ahriman einmal doch in dem Abgrunde nächtlichen Vergessens, in welchen er gehört! Nacht und Tag sind eine große Zeitenordnung, beide gut, wenn man sie gut gebraucht. Daß man gerade an dieser übertriebenen Dichtung des späteren Magismus im d'Anquétil'schen Zend-Avesta nach seiner unkritischen Exposition eben den meisten Geschmack gefunden und den ursprünglichen einfachen Zabäismus in ihm fast übersehen hat, zeigt, wie gern man am Aeußersten hangt, wenn es auch das Unnatürlichste wäre. An dichtenden Schwärmereien erfreut sich der Schwärmer.
5. Von dem Genius, unter welchem man geboren ist, vom Jahr, in dessen Kreislauf man lebt, ist man geneigt, ein Denkmal zu haben und an sich zu tragen. Vielleicht beschützt das Bild, es weckt sein Andenken, das Andenken aller den Jahreslauf bewachenden guten Geister. So entstanden die magischen Amulete!
Da die Perser den Schmuck, z. B. Ringe und andere goldene Zierrathen, liebten, warum sollten diese von heilbringenden Charakteren frei sein? Zog der König jeden Tag des Jahres ein Kleid an, das dem Genius des Tages zustimmte; waren die verschiedenen Metalle, Farben, Blumen, Früchte, Bäume nach persischer Denkart unter die Herrschaft dieses oder jenes Geistes als ihres belebenden Schutzherrn geordnet: warum dürfte sich dies Alles nicht auch im Schmuck nach Jahreszeiten an den Tag legen und charakterisiren? Dies geschah also. Farben, Metalle, Blumen, Früchte, vor Allem aber Gestalten der Thiere sprachen dem genialischen Volk, weil in diesen Gestalten vorzüglich die Genien des Jahres sich offenbarten. Jede Stadt, jede Provinz hatte ihren Genius, den sie doch auch im Bilde sehen wollte; zu näheren Bestimmungen componirte man Gestalten. Dies ist der Schlüssel der persischen Amulete. Von den ägyptischen unterscheiden sie sich auf den ersten Blick und halten sich im Kreise des persischen Jahres.
Da in den medischen Gebirgen Eisen- und Stahlbergwerke waren, die die Chalyben früh bearbeiten lernten, so gewannen sie dadurch ein Werkzeug, auf harte Dinge, Steine und Edelgesteine, Gestalten und Buchstaben, wenn gleich roh, zu graben. Und da über Persien der Handel der östlichen Welt ging, aus welcher in sehr frühen Zeiten nebst Anderm auch glänzende Steine geführt wurden: warum sollten diese den Schmuck liebenden Persern nicht zum Schmuck und Gepränge dienen? Glänzende Steine nannten sie irdische Sterne, in denen die Kraft der obern Genien erscheine und scheine; sie weihten solche auch den Genien, jeden nach seiner Farbe und Art. Seinem Genius zu Ehren trugen sie diesen an dem ihm bestimmten Tage; man trug ihn mit dem Namen des Genius, dem er geeignet war. So entstand das Zutrauen, dem regierenden Geist durch das Tragen desselben gefällig zu sein, mithin ein Glaube an die Kraft des Steines selbst. Sie dienten zu Abwendung des Nebels, insonderheit gegen das Gift der Schlangen und Skorpionen, als Ahriman's Geschöpfe; sie linderten Schmerzen der Geburt, der Krankheiten und Wunden, weil in ihnen die Macht großer Naturkräfte zusammengeflossen, gleichsam gehärtet und concentrirt war. Der männliche und weibliche Genius der Natur, glänzendes Feuer und Wasser, glaubte man, sei in ihnen wirksam. Daher also die Lehre der Magier über die Beschaffenheit, daher ihre Vorschriften zu derselben Gebrauch und Anwendung; daher die λιϑικά in den Orphischen Geheimnissen, die vom Schwarzen und kaspischen Meer herkamen. Alles beruhte auf einem so einfachen Ursprunge eines nach Jahr und Tagen geordneten Weltalls.
Chaldäer und Babylonier waren früh der Metalle Gießer und Schmelzer; nicht nur die goldenen Bildsäulen zeigen dies, sondern noch mehr die Bearbeitung des schwersten Metalles, des Eisens. Sollte es nun dem Meder und Perser gleichgiltig sein, an welchem Tage sein Schwert geschmiedet, seine Waffen bereitet wurden? So entstand der Glaube an den Beistand des Genius, unter dessen Aufsicht dies Schwert geschärft, diese Pfeile gespitzt waren; so der Glaube an metallene Talismans, in die mit verschiedenen Erzen auch die Kraft verschiedener Genien in der erlesensten, glückreichsten Stunde verbunden und gleichsam gebannt war. Alle Zweige des magischen Aberglaubens entsprossen auf demselben Baume der Jahres- und Zeitenrechnung.
Mit Jahren und Jahrhunderten schritt wachsend dieser Glaube fort. Der einfache Ursprung ward vergessen; die Bedeutung dieser Figur, jenes Zeit- und Natur-Emblems kannte man halb oder gar nicht; dagegen subtilisirte man, jede fremde Nation sah sie mit eigenen Augen, mit eigner Auslegung an; mehrere Nationen mischten ihre Ideen durch einander und dichteten nach dem Vorbilde mißverstandener älterer in Conformität neue Symbole. Seit Alexander war vom Oxus und Indus an nicht nur bis zum Nil und Euphrat, sondern durch die libysche Wüste bis zu den Säulen des Hercules hin die Welt verwirrt und die Denkart der Völker zu Bildung eines kräftigeren Talisman in einen ungeheuern Schmelztiegel zusammengeworfen; im Rabbinismus, Gnosticismus, in den erneuten Geheimnissen der Griechen und Römer gingen abenteuerliche Symbole hervor, alle, wie der Augenschein zeigt, auf ägyptisch-chaldäisch-persische Symbolisationen gebaut, deren erste Bedeutung man entweder mißverstand oder neu anwandte. Traurig-angenehm, gewiß aber nützlich wäre es, wenn der Verfasser des Geistes der Geschichte der PhilosophieTiedemann's »Geist der speculativen Philosophie« war in sechs Bänden 1791–1796 erschienen. – D. seine Preisschrift über die Magie auch zur eigentlichen Geschichte machte und jeden Zweig derselben genetisch nach Zeit und Ort betrachtete. Die Meiners'sche Methode, alle Zeiten und Völker in Hauptfächer zusammenzuschieben (so viel Gutes sie haben mag; denn der Mensch ist allezeit und allenthalben derselbe), giebt am Ende doch einen unstäten und verworrenen Blick. Die Citationen tausend der verschiedensten Schriftsteller und Zeugnisse, deren ein einzelnes oft eines großen Commentars bedürfte, widersprechen einander oft oder geben in der Zusammenstimmung selbst einen unrein gemischten Ton, eine falsche Farbe, der man unter gewissen allgemeinen Gesetzen, jedes Ding nach Zeit und Ort betrachtet, entweicht. Nur das sieht man, was man genetisch anerkennend auf seiner Stelle deutlich und einzeln sieht.
Zum Scherz haben Sie Sich, liebster . . .,Etwa J. Fr. Hugo von Dalberg, mit dem Herder in Italien gewesen war? Die Zahl der Punkte stimmt freilich nicht. Vgl. S. 660, Anm. 2. – D. ein mystisches Siegel, eine Composition widriger Thiergestalten gewählt; und so, hoffe ich, wird Ihnen ein Brief über dergleichen Kompositionen nicht ungefällig zu lesen sein, da er Ihnen so manche Idee von dem, was Sie sahen, zurückführt.
Man nennt Steine dieser Art gewöhnlich Abraxen; der Ursprung des Namens selbst ist bisher unerklärt, und doch liegt er im persischen Alterthum deutlich vor. Alles, was schön, glänzend, vortrefflich ist, nannten die Perser königlich; Königsstahl, Königsperle u. s. w. bezeichnete jedes Vortrefflichste seiner Art. Wenn nun der alte Königsname der Meder Arsak, Aksak hieß, dem man zur verstärkenden Bedeutung Silben zusetzte, und dieser Name in alten Charakteren wahrscheinlich auf mehreren Steinen stand: wie anders, als daß man die Steine nach ihm nannte, ihn, da der Glaube an diese Steine unter die Griechen kam, auch griechisch darauf schrieb und, weil nach magischer Art am lebendigen Wort Alles lag, dies auch in Zahlen deutete und wandte? So entstanden die Worte Abrasax, Abraxas u. s. w., aus deren Buchstaben man nebst andern Bedeutungen die Zahl 365 herausspann;Das war wol die ursprüngliche Bedeutung des Wortes. – D. denn daß die Figuren dieser Steine den Jahreslauf der Natur bezeichnen sollten, hatte die Tradition erhalten. Der Name bedeutet also keinen Gott, wie man geglaubt hat, sondern auch in der bedeutenden Zahl, die man herausbrachte, königlich kräftige Natur- und Jahressymbole, die sich auf ihnen auch offenbar zeigen.
Wenn also z. B. die Halbfigur eines Mannes über ausgebreiteten Schwingen hervorgeht und unterhalb denselben ein Widderkopf die Bedeutung des Steines näher bezeichnet, wem stände die Erklärung nicht da? Die aus Schwingen hervorgehende Halbgestalt des Genius kennen wir aus den Königsgrabmalen als ein angenommenes Symbol; das große persische Neujahrsfest, ja die Schöpfung der Welt begann mit seinen sechs Jahreszeiten jährlich, wenn die Sonne ins Zeichen des Widders trat; der Stein ist also wie mehrere andre ein Glückwunsch des neuen Jahres.
Die Natur in ihrer höchsten Kraft, mit Sonne und Mond begleitet, konnte in persischer Art nicht anders als durch den Löwen ausgedrückt werden. Auf so vielen Steinen erscheint also Ardschir der Erzlöwe, mit Sonne und Mond begleitet. Oft fügte man ihm Sterne, bisweilen aus eben bemeldeter Ursache einen Widderkopf, oft Zeichen der Befruchtung bei; nicht aus lüsternen Ursachen, sondern die befruchtende Macht der Natur im Sternen-, Sonnen- und Mondlauf zu bezeichnen. Nach damaliger Vorstellungsart war das Bild redend.
Die Morgenländer haben im Gebrauch, Thiergestalten mit einander zu vergleichen und sie auch im Namen zu componiren. Kameelvogel, Kameelschaf, Schafelephant, Kameelparder, die fliegende Maus u. s. w. sind ihnen gewohnte Ausdrücke für wirkliche, nicht fabelhafte Thiere, den Strauß, die Giraffe, die Fledermaus u. s. w. Namencompositionen dieser Art führten natürlich auch zu Bildcompositionen, die ihnen ebenso leicht vorkamen. Da nun im persischen Naturdienst auf die Zusammenwirkung aller lebendigen Wesen in Geschlechtern und Arten Alles gerechnet ward und diese unter bestehende Hauptgeschlechter, Anführer und Vorsteher der andern, gebracht waren, so ergab sich die Composition dieser Hauptgeschlechter von selbst: sie ward ein darstellendes Bild ein- und zusammenwirkender Naturkräfte in ihren lebendigen Hauptagenten.
Und da diese gewöhnlich aus vier gesetzt wurden, wem wäre das bekannte Bild, das oben ein Hahn, sodann ein Menschenantlitz vorwärts, hinterwärts ein Widderkopf, abwärts ein Wasservogel ist, ein Räthsel? Nach neuen Begriffen konnten, da der Hahn unter dem Kopf des alten Mannes und hinter ihm die Widderhörner stehen, bekannte Scherze gesagt werden, die aber dem Geist der Composition fremde sind. Der Aufwecker des Tages, der himmlische Hahn, ist in der Persermythologie das edelste Bild des geflügelten Heeres; der Widder, Symbol des beginnenden Jahrs, ein König der Gebirgthiere; das Uebrige erklärt sich selbst. Da das Symbol auch als ein Compositum anderer Gestalten, z. B. Hahn, Roß, Widder und Menschenhaupt, vorkommt, da das Roß ein Blatt im Munde führt, so sieht man, daß das Symbol verändert ward mit Nebenbedeutungen, die Zeit und Umstände gaben. An sich war es ein Panzoon, das vierfache Lebendige, das, oft und viel verändert, als ein Symplegma oder als der große Wagen der Natur erscheint. Was in den Wolken, was in einem Gedicht weit verbreitet erscheinen konnte, mußte sich auf Glückessteinen und Amuleten in einem engen Raum aufrichten, und wie konnte es dies besser, als daß es auf leichten Füßen einherging und den Wächter, den Aufrufer der Zeiten oder das edle Roß, oberwärts zeigte?
Wie das Neujahrsfest des Frühlings wurden die andern Jahreszeiten symbolisirt: die Sonne in ihrer Löwenstärke, der Schütz in späteren Zeiten mit zugefügten griechischen Symbolen des Jupiter's und Adlers, der Steinbock mit dem Fisch in Eins gestaltet, mit dem Fruchthorn oder mit Fischen begleitet u. s. w. Die sechs Jahreszeiten selbst oder sie mit ihren Dienern, die sogenannten zwölf Himmelszeichen, stellten sich in einer Ellipse schildförmig dar; zwischen ihnen ein Schild oder auch ein Held auf dem Schilde, der das Ganze gleichsam zusammenhielt, des Jahres Wehrsmann und Bewahrer. In jeder Mischung mit fremden Ideen behält die Urvorstellung ihren Charakter.
Der Alte der Tage ward durch Vermischung der Zeiten und Völker auch bis zum Unkenntlichen neu modificirt. Die Schwingen, auf denen er einst schwebte, wurden ihm an Haupt, an Schultern, Lenden, und hinabwärts vervierfacht, oder er ward mit befruchtender Kraft unter eben den Symbolen zum Jünglinge gestaltet. Christlicherweise ließ man ihn aus einer Säule entstehen, legte den Gürtel (Costi), den er einst um sich gehabt, kreuzweise um seine Schultern, die Hände über die Brust kreuzweise; die alte persische Tiare ward auf seinem Haupte eine gezackte Krone; man setzte die Jahreszeiten gar als anbetende Genien unter ihn, die von ihm Segen nehmen; unter ihren Füßen rollte der Zodiakus der Sterne. Dies ist der in den neuem Zeiten berühmt gewordene Baphometus.Vgl. dagegen oben S. 355 ff. – D. Weder ein Geber der Verstandestaufe, noch der Demiurg ist er, sondern der persische Alte der Zeiten, der Jahresgott, nach gnostischer Weise gestaltet. Längst war man gewohnt, nach persischer Weise die Jahreszeiten als personificirte Naturkräfte und Genien zu denken, mit ihnen die Engel, Michael, Gabriel u. s. w. ins Spiel zu bringen,Daniel. – H. ja diese auch als solche, sogar in griechisch-römischer Weise mit Namen zu gestalten. Völlig in dieser Denkart war's, daß man auch den Alten der Tage, den Allwirker und Allvollender, den Durchtreiber und Regierer der Jahreszeiten zum Jao machte und seinen Namen wie den persischen alten Königsnamen Arsak, Abrasax construirte. Man spielte mit den Buchstaben desselben, I A W H V A H, und warf sie sonderbar durch einander.
Wobei man sie dann mit den widrigsten Symbolen paarte. Nie hätte es z. B. ein Perser geduldet, daß man seine reinen Genien mit Schlangengestalten, dem Bilde Ahriman's, paarte. Diese wurden jetzt von Aegypten aus beliebte Symbole des Jahres- und Zeitenlaufs, und es formte sich endlich in barbarischen Zeiten ein Gorgonischer Ikonismus. Wir wenden das Auge von ihm, um bei einer Vorstellung zu verweilen, die den Römern die Geheimnisse des Perserdienstes, das Mithra-Fest, gegenwärtig machen sollte. Vielleicht erinnern Sie Sich noch, liebster . . .,Müller ließ hier und noch zweimal unten »l . . . . .« drucken. Die Anrede muß aber dieselbe wie im Anfange des Briefes sein. – D. aus der Villa Borghese, Mattei und andern Orten her des oft vorkommenden Denkmals, dessen Abbildung auch in Kupferstichen häufig wiederholt, sehr gelehrt erklärt und, wiewol man den Hauptsinn der Vorstellung nie ganz verfehlen konnte, mitunter auch sehr gelehrt mißdeutet worden ist.
Vorstellung.
Ein Jüngling oder junger Held mit einer persischen Tiare, in leicht nachschwebendem kurzem Gewande, kniet mit dem linken Knie auf einem zur Erde gestürzten Stier, mit dem rechten Fuß den gestreckten Fuß des Stiers niedertretend. Gewaltig beugt er dem Gestürzten das Haupt zurück und sticht ihm am Halse den Dolch oder das kurze Schwert ein. Blut entströmt der Wunde, nach welchem ein Hund, eine Schlange aufspringend begierig sind; ein Skorpion umklammert seine Geschlechtstheile; der Stier ächzt. Zu beiden Seiten stehen Jünglinge in gleicher persischer Tracht; jeder hält eine Fackel in der Hand, die in einigen Abbildungen der eine senkt. Der Ort ist ein aufgerissener Fels, eine Höhle, in der rechtsher ein Vogel dem Tödtenden zuspricht, der das Haupt vom ächzenden Stier hinweg zum weissagenden Vogel wendet; in andern Abbildungen fliegen zwei schreiende Vögel gegen einander, auf die der junge Held zu achten scheint. Ueber der Höhle gehen in der Mitte drei Bäume hervor; zur Rechten fährt über dem Felsen die Sonne in Mannesgestalt mit ihrem Viergespann herauf, der Knabe Phosphorus trägt vor ihr die Fackel; zur Linken fährt zweispännig Luna nieder, vor der der Knabe Hesperus die Fackel senkt. Jede Vorstellung, so viel ihrer mir bekannt sind, hat im Einzelnen etwas Besonderes; manche drücken die befruchtende Kraft der neu verjüngten Natur für unsere Augen zu sinnlich aus. Kurz, was ist des Bildes Bedeutung? Deo Soli invicto Mithrae ist dessen Inschrift, und am Halse des Stiers zunächst der blutströmenden Wunde steht Nama Sebesio; was bedeuten die Worte?Ueber die zahlreichen Mithras-Steine und Mithräen genügt es, auf Creuzer's »Symbolik«, Hammer's »Mithriaca« und die betreffenden Abhandlungen von Lajard zu verweisen. – D.
Gern erlassen Sie mir, geehrtester . . .Müller ließ »g . . . . .« drucken. – D. das Herzählen aller gelehrten Meinungen und Deutungen; was sagt die altpersische
Fabel?
Sie sagt, daß das erste Zeitalter der Schöpfung untergegangen sei, und symbolisirt diesen Untergang durch den Tod eines Stieres, den sie bald mit einem Menschen gesellt, bald und gewöhnlich ihn selbst zum vernünftigen Stier macht, der sein Ende voraus sah und sterbend mit gen Himmel gewandtem Blick weissagte. Er weissagte den endlichen Sieg des Guten über das Böse, wird also auch bei der Palingenesie der Dinge zuerst wieder belebt werden; in der Liturgie der Parsen wird seine Seele angerufen; sein Name heißt Ke-Amorts, der Mächtige, Unsterbliche, oder Abudad, Vater der Gaben, der Geschenke und Gesetze, des Rechts, der Rache und Wiedervergeltung. Durch die bösen Genien, sagt die Ahrimanssage, kam er um, der weißglänzende Stier; aus seinem Leichnam aber ging unsere Schöpfung hervor; denn er selbst, der Erstgeschaffene, der König der Erde, war gleichsam ihr Behälter, die Sammlung ihrer Urkeime. Aus dem Schweife des Stiers, sagt die Persersage, gingen fünfundfunfzig Arten Getreidepflanzen und ebenso viel Gattungen heiltragender Bäume hervor; sein Same, dem Monde übergeben und von ihm geläutert, bildete 282 Gattungen der Thiere, Fische und Vögel. Aus seinem Mark ging die Lebenskraft einer jungen Welt hervor; seine Hörner sproßten zu Früchten, sein Othem erzeugte Blumen, sein Blut Trauben, seiner Brust entwuchsen Kräuter gegen Fäulnisse und Krankheiten; alles Andre der Schöpfung war aus dem getödteten Unsterblichen Ke-Amorts, dessen Seele, die aus seiner rechten Hüfte ausging, Goschorun, die Lebenskraft der sich verjüngenden Schöpfung wurde. So erzählt der Avesta.
Daß dieser Stier unser Emblem sei, leidet keinen Zweifel; es ward abgebildet, wie es das damalige Zeitalter der Kunst zuließ und römischen Augen dargestellt werden konnte. Aus dem Schweife des Stiers sprießen Aehren hervor; Hund und Schlange, jener den Persern das heiligste und treuste Thier und zugleich (sowie Griechen und Römern die Schlange) ein Bild der Verjüngung der Welt, dürsten nach seinem Blut; der Skorpion zwingt das hervor, was die Lebenskraft einer neuen Welt werden soll; über der Höhle wachsen Bäume hervor; Sonne und Mond fahren an den Seiten hinauf und hinunter; jener leuchtet Phosphorus und bringt einen neuen Tag; der Handlung selbst leuchten Genien mit der gesenkten und aufflammenden Fackel. Also im ungestörten Kreise der Zeiten wird durch Untergang der alten die Geburt einer neuen Welt bewirkt, die der weissagende Vogel verkündigt. Der dies bewirkt, ist der Genius der Jugendkraft, an dessen Namen Mithra Griechen und Römer sich einmal gewöhnt hatten und ihn, obgleich den Symbolen dieser Vorstellung selbst zuwider, oft mit der Sonne verwechselten. Er ist der Unüberwundene, der tödtet und lebendig macht, der im Lauf der Zeiten, unter der Herrschaft der Sonne und des Mondes zusammengedrängt, verschlossene Keime entwickelt und solchergestalt durch Untergang des Alten das Neue bereitet. Nama Sebesius oder Sabazius (persisch Nameh Sabyk, Sebk) ist seine Inschrift, d. i. Spiegel der Vorzeit, des Fortschrittes zur Auswirkung; ein fremdes Wort, das aus den Einweihungen und aus mehreren Inschriften bekannt ist.Aristophanes kannte es schon. Novos deos et in his colendis nocturnas pervigilationes sic Aristophanes vexat, ut apud eum Sabazius et quidam alii dii, peregrini judicati, et civitate ejiciantur, sagt Cicero (De leg., II. 15). Arnobius, Julius Firmicus u. A. beschreiben Gebräuche seiner Symbolisation: Sebazium colentes Jovem, anguem, cum initiantur, per sinus ducunt u. s. w. – H. Zugleich zeigt das Emblem der sogenannten Mithrageheimnisse zeitmäßige
Bedeutung.
Seitdem durch Alexander's Feldzüge und Alles, was auf sie folgte, die Ruhe der Welt zerstört war und alle Völker nach einem Befreier verlangten, ging insonderheit von den persischen Magiern, die durch ihn Alles verloren hatten, der Wunsch um Wiederherstellung alter Zeiten, der verlornen Weltherrlichkeit und Glückseligkeit aus. Er theilte sich den zurückgekehrten Juden, Aegyptern Griechen, Asiaten mit; jedes gedrückte Volk wünschte Befreiung, und zuletzt (denn unvermerkt ballen sich Hoffnungen und Wünsche) hoffte Alles auf einen großen König. Neue Zeiten sollten unter ihm beginnen, ein neuer großer Weltlauf. Das verkündigten Propheten und Sibyllen, Babylonier, Chaldäer, Magier, Sterndeuter. Mit der Frage: »Wo ist der neugeborene König? wir haben seinen Stern gesehen«, treten Magier in Jerusalem auf, und Virgil singt seinem Pollio aus ähnlichen Gerüchten, Hoffnungen und Sagen.Buc., 4. – D. Aus einem gleichen Drange der Zeiten kommen die Mithrischen und andere Weihungen hoch empor; man symbolisirt unter Thiergestalten des Löwen, Greifs, des Raben, unter Gestalten der Sonne, des Liber Pater u. s. w. die gegenwärtige und kommende Zeit, das sich erneuende Weltall, anständig und unanständig, so daß Weihungen, Sibyllensprüche, Wahrsagerei und Sterndeutung als eine Pest der Zeiten verbannt werden mußte. Auch das Christenthum, das sie zuerst genutzt hatte, trat ihnen entgegen, so wie sie gegentheils das Christenthum nachäfften und simulirten. Das Weihnachtfest sollte die Mummereien, den Dienst der Sonne in geweihten Höhlen verdrängen und der Welt auch festmäßig verkündigen, der Gehoffte sei da; bald aber mischte es sich selbst mit Mummereien, die es noch nicht ganz abgelegt hat. Wer sollte denken, daß ein Kalender, in frühen Zeiten der Welt am kaspischen Meer geordnet, durch die fortrollende Aenderung der Zeiten uns von Rom aus Gebräuche und Mißbräuche unserer Feste gegeben? Und so ist es; der neugeborne Welterlöser ward Mithra.
Wir sind in Zeiten gefallen, liebster . . ., in denen wir die Macht eines ansteckenden, fast unüberwindlichen Wahns der Zeiten, mehr als gnug ist, kennen lernen. Er ging den nämlichen Gang wie vormals. Wünsche, Hoffnungen, Geheimnisse, Symbolisationen schlichen voran; sie wurden lauter und lauter, bis endlich ein allgemeiner Glaube ausgebildet da stand: »Die Zeit ist gekommen! Mithra, der Genius der Weltverjüngung, ist da!« Unruhvoll stehen wir vor dem großen Marmor der Zeiten, auf welchem der niedergedrückte Stier, der seine Jahre erlebt und überlebt hat, die Wunde empfängt; Hund und Schlange sind gierig nach dem Blut der Wunde, der Skorpion beißt, die Krähe weissagt. Hoffen wollen wir, daß auch aus diesem Untergange neue Kraft, vervielfältigt-neues Leben in tausend Gestalten, Früchten, Bäumen und Kräutern organisirt und gesondert hervorgehen werden, die alle voreinst im Urstier schliefen; aber wann gehen sie hervor? erleben wir ihr Gedeihen? Und ach, der sterbende Stier ächzt!
»Goschorun, die entseufzte Seele des Stiers, nahte sich Ormuzd und sprach: »Wen hast Du zum Herrn gesetzt über die Welt? Ahriman eilt, die Erde zu zerbrechen, die Bäume zu beschädigen, sie auszutrocknen mit einem brennenden Wasser; ist das der Mensch, von dem Du sagtest: »Ich will ihn bilden, daß er sich wahre vorm Bösen«?« Ormuzd antwortete: »Der Stier ist erkrankt, o Goschorun, vom Bösen, das ihm Ahriman zufügte; den Menschen aber will ich einer Erde aufbewahren, auf der Ahriman ihm nichts anhaben soll«.« Erzählen Sie uns, liebster . . ., von dieser neuen, der Gewaltthätigkeit entrissenen Erde ein schönes persisches Märchen; denn in der Geschichte sehen wir sie leider noch nicht.
»Wie kommt's,« werden Sie fragen, geliebter Freund, »daß nicht nur Menschen, sondern ganze Völker und Zeiten, insonderheit im Alterthum, ihre sehnlichsten Hoffnungen und Wünsche so fest an eine Zeitbestimmung knüpften?« Die Frage beantwortet unser Aller Herz und tägliche Erfahrung. In den ungewissesten Dingen suchen wir Sicherheit, und wo diese uns die Natur versagt, schaffen wir sie uns in der Einbildung; wir knüpfen sie an Zeichen, Zeiten, Feste, Zahlen und tragen diese, weil sie das Gewisseste, ein ewiger Kreislauf der Natur sind, auch dahin über, wo Menschen sich selbst ihr verworrenes Gewebe bereiten. Auch der Menschheit, denken wir, wird die Vorsehung Feste des Frühlings schaffen, nach Stürmen und Winter ein neues Jahr mit neuen Paradiesen bereiten. Oft trägt diese Hoffnung dazu bei, daß Menschen selbst Hand anlegen und das vorbereiten, was sie hoffen und wünschen; so regiert der Alte der Tage selbst durch den Wahn der Menschen die Welt. Würden manche Dinge zu unsrer Zeit wol so rasch vollbracht sein, wenn man sich nicht immer wiederholte, daß man am Ende eines Jahrhunderts lebe und fernerhin nicht säumen dürfe? noch vor Ablauf dessen müsse Alles vollbracht sein? Und was erwarten Millionen Menschen nicht von der Jahrzahl 1800? »Da wird eine neue Welt anbrechen! da wird Alles verjüngt sein!« Der Himmel gebe!
Wenn Herodot uns nach seiner Art naiv erzählt, daß die Aegypter zuerst die Meinung von der Unsterblichkeit der Seele eingeführt,II, 123. – D. »wenn der Leib verderbe, wandere sie in ein anderes Thier, das eben geboren wird, und nachdem sie durch allerlei Thierarten auf dem Lande, im Meer und in der Luft umhergezogen, solle sie wieder in den Leib eines Menschen, der eben geboren wird, einziehen«, so setzt er ebenso naiv hinzu: »diese Umwanderung werde in dreitausend Jahren vollendet«. Die Seelenunsterblichkeit der Aegypter gründete sich also auf eine Wiederkunft aller Dinge in ihren vorigen Zustand, mithin auf einen astronomischen Zeitencyklus.
Die Meinung der Perser hierüber ging eben des Weges. Wenn man ihnen den Glauben an eine Auferstehung der Leiber nach jüdischer Weise beimißt und sie gar zu Urhebern dieses Glaubens macht, widerspricht man ihrem Cultus. Sie begruben die Todten nicht, sie bewahrten sie nicht auf nach ägyptischer Weise; vielmehr sahen sie es gern, daß die ausgestellten Leichname bald in ihre Elemente zurückgingen und in ein Lebendiges wanderten. Als Zoroaster dem Ormuzd die Zweifel über die Möglichkeit einer Wiederauflebung der Todten vorlegte, da ihre Körper verwest und in der Welt umher zerstreut seien, antwortete dieser nicht anders, als daß der Mächtige, der Alles geschaffen, auch Alles neu schaffen, d. i. wiederherstellen könne. Die persische Auferstehung war also eine erneute erste Schöpfung, eine Wiederbelebung, die auch von einem großen Zeitencyklus abhing. Dreitausend Jahre hatte das Gute in der Welt allein regiert, dreitausend Jahre mit Bösem gemischt; dreitausend Jahre sollte Ahriman herrschen, die folgenden dreitausend durch den tapfern Streit der Guten immer mehr entkräftet werden, bis nach Verlauf dieser zwölftausend Jahre der jetzigen Weltdauer eine neue, völlig reine Zeit begönne, die Wiederherstellung aller Dinge in ihren ersten Zustand, mit ihr die Wiederbelebung der Todten und eine Herrschaft des Guten in vollem Glanze.
Die Juden, die von den Persern unverkennbar viele Bilder über diese Palingenesie der Dinge haben (nur daß sie sie dem Wiederaufstehen ihrer Begrabenen, die bei den Vätern schliefen, und deren Schatte im Todtenreich war, anwandten), wählten in ihrer Zeitrechnungsweise einen dergleichen Cyklus. Da, wie bei den Persern von sechs Zeiten, bei ihnen Alles von sieben ausging, indem sechs Tage der Mühe sich mit einem Sabbath schlossen, so war auch das siebente Jahrtausend der Welt ihr großer Sabbath, dem die Auferstehung vorherging, und der das Paradies wieder herstellte. Selbst in den Zeiten der Mühe und Trübsal konnte Daniel seine duldenden Landsleute nicht anders als in diesem gewohnten Zeitmaß trösten. Siebzig sieben seien bestimmt, dann werde Alles erneuert und anders werden; eben im letzten Sieben, in der Zeit der größten Noth und Drangsal, sei die traurigste Verwüstung ein Zeichen der kommenden Hilfe, des nahen Reichs, der fröhlichen Wiederbelebung. In der trübseligsten Zeit werde sich der Schutzgeist seines Volks aufmachen, es retten; aufwachen werden die Schlafenden, die Rechtschaffenen zum Lohn, die Bösen zur Schmach und Schande. Aechte Freunde ihres Volks, die Andere zur Rechtschaffenheit geleitet, würden dann herrschende Genien sein, lichte Sterne. Wie einfach ist diese tröstende Berechnung, wenn man sie selbst ansieht und die Verwirrungen vergißt, die man hineingebracht, hineingezwungen hat! Der persische Calcül der Dinge ist auf den jüdischen zurückgeführt, nationalhoffend, stärkend, tröstend.
Da die Perser keine großen Astronomen gewesen zu sein scheinen, indem sie, wie aus Mehrerem erhellt, den Typus einer fremden Nation sich nur aneigneten, so berechneten sie auch den Cyklus der Wiederkunft der Dinge sehr einfach. Ihr Himmel war in 28 Quartiere (Keschvars) getheilt; das ganze Heer der Sterne (denn jedes Volk bringt seine Ideen an den Himmel) schien ihnen eine gerüstete Schlachtordnung. Vier Sterne bewachten das glänzende Heerlager: Taschter, der große Hund (dem Namen nach ihnen der Urstern), bewachte den Ost; Satevis, das Stierauge (Schetvi). den West, Venand, der Fuß des Orion (ein Wächter), den Mittag, Haftorang (Haphtaureng), der kleine Bär, den Norden. Meschgah, das Mittelgestirn (die Zwillinge), stand in der Mitte des Heeres und kam im Streit andern, insonderheit dem Süd, wo mindere Sterne glänzten, zu Hilfe. Jedem dieser Sterne war die Hut eines Irrsterns, die sie für schädliche Genien hielten, anvertraut; dem Taschter die Hut des Mercur's (Tir), dem Haftorang des Planeten Mars (Behram), dem Venand des Jupiter's (Anhuma), dem Satevis die Hut der Venus (Anahid), dem großen Mittelstern des Saturn (Kevan). Die Kometen (Haar- oder Spießsterne) waren unter der Hut der Sonne, des Mondes und aller Gestirne; jene band sie und hielt sie in Grenzen, daß sie nicht schadeten. Das ganze himmlische Heer drehte sich ihnen um ihren Albordj, den Stamm und die Wurzel aller Erdgebirge, bewachend ihr Kunnerets, Persien, den Nabel, d. i. das Mittelland der Erde, mit seinen Bergen, Thälern, Früchten, Bäumen, Metallen, Paradiesen, Menschen.
Taschter, das Haupt der Sterne (Sirius), ward mit der Sonne vor allen Gestirnen angerufen, als der nicht nur bei der Schöpfung der Thiere und Menschen geleuchtet, sondern auch einst, als die Erde mit Ungeziefer (Kharfesters) überdeckt war, dreißig Tage und Nächte geregnet und sie gesäubert habe. Er zieht lebendiges Wasser herauf und gießt es nieder, läßt Quellen fließen und befruchtet alle Geschöpfe. Beim Ausgange der Dinge wird er leuchten, den Bösen schlagen; dann bricht die neue Zeit an. Wer erkennt hierin nicht das große ägyptische Sternenjahr, die Canicularperiode? Mit dem sichtbaren Aufgange des Sirius (Thoth) fingen die Aegypter ihr Jahr an; er brachte ihnen die befruchtende Ueberschwemmung ihres Landes; dreitausend Sonnenjahre waren den Aegyptern ihr großer Cyklus der Einschaltungen, der ein siderisches Jahr beschloß, und wodurch Alles in vorigen Stand kam; er hieß ihnen die Periode des Hundsterns (Thoth, Sothis). Da nun nicht erweislich ist, daß die Perser diese Einschaltungsperiode in ihrer Zeitrechnung angewandt haben, indem ihr Jahr bis zu Yezdegerd's Zeiten ein unstätes Jahr blieb, so erhellt, daß dieser Cyklus der großen Palingenesie der Dinge, den der Stern Taschter herbeiführen sollte, ihnen ein fremder Begriff war, der ursprünglich in ihren Jahreslauf, der vom Widder, nicht im ägyptischen Zeichen des Krebses begann, nicht gehörte; und Herodot behält Recht, daß die Aegypter die Wiederkunft der Seelen nach Ausgang der Siriusperiode national und local erfunden haben.
Die Perser indessen wandten den ihrer Jahresrechnung fremden Begriff an; daher nicht nur die vier Abschnitte von dreitausend Jahren, in welche sie die Zeit der Weltdauer unter dem Streit Ormuzd' und Ahriman's eintheilten, sondern auch der Sinn eines symbolischen Gebrauchs, den wir in seiner rohen Gestalt bereits bemerkten.Oben S. 547 f. – D. Es war nämlich der Gebrauch, daß ein Hund den Sterbenden anblicken mußte, Sagdid (der Hund sieht). Alt konnte der Gebrauch sein, in der Veranlassung, die ich angeführt; wahrscheinlich ward aber späterhin damit die symbolische Bedeutung verknüpft, daß, wenn der Stern-Feruer dieses Thiers einst die Welt anblicke, der große Tag der Wiederbelebung erscheinen werde. Aus Allem aber zeigt sich, daß das ganze Poem vom Streit Ahriman's mit Ormuzd nach getheilten Weltepochen eine später hinzugekommene, den alten Jahreskalender moralisirende Dichtung sei, die ihm nicht nur fremd ist, sondern, genaugenommen, widerspricht; denn durchs ganze Jahr hin sind gute Genien kalendermäßig wirkend und herrschend. Eine Periode, in der er vor Schöpfung der Welt, eine andre, worin er zu Anfange der Schöpfung allein und rein geherrscht habe, eine letzte, worin er wiederum allein herrschen werde, ist eine dem Kalender der Schöpfung, wie sie wirklich ist, hinzugefügte Vor- und Nachdichtung, sowie über sie selbst ein moralisches Uebergespinnst.
Dies zeigen mehrere den Beginn des ersten und den Ausgang des letzten Weltäons einleitende Umstände augenscheinlich. Der Ormuzd, der verschlungen in Glanz wohnt, die sieben Amschaspands, die um seinen Thron stehen, das Reich der Seelen, die er in Vorrath schafft, damit er nachher ruhe, sein personificirtes Wort, das in seinem Namen wirkt, das ewige Lobpreisen der Genien und Seelen vor dem Schahinschah, dem Himmels-Monarchen u. s. w., wie verschieden ist Alles von der Welt, die uns das wirkende Jahr zeigt! Ormuzd ist in ihm selbst der oberste Hilfsgeist; Amschaspands, Izeds, Hamkars, die Genien der Wesen, sind alle an einem Werk, in ihrem Wirkungskreise sowie an Macht nach Jahreszeit und Tagen allein verschieden. Alle stehen einander bei; Keines kann ohne das Andere wirken. Auch die Feruers der Abgeschiedenen sind dem Rufenden gegenwärtig: sie kommen, sie helfen. Die Umstände der letzten Wiederbelebung zeigen eine späte, dem alten Volksglauben hinzugekommene Dichtung. Zwei Söhne Zoroaster's werden erscheinen, und der letzte, Sosiosch, die Wiederbelebung wirken; nach dem Typus der alten Weltgeschichte, in gewissen Ordnungen wird sie geschehen; die Natur der Dinge wird verändert; unsere Schöpfung hört auf; Ahriman selbst legt seine Natur ab; Alles wird verschlungen ins Unanschaubare. Eine wie späte Zeit zeigen diese Ueberspannungen an, die ins Blaue des Himmels, ins Unermeßliche malen! wie verschieden sind sie von den einfachen Ideen des altmedisch-persischen Cultus sichtbarer Naturwesen zu Erweckung eines freudigen Wirkens unter ihrem segnenden Schutz mit ihnen selber! Das Gespräch Ormuzd' mit der abgeschiedenen Seele, so erhaben es sein mag, so jung ist es. Wenn ich in unsern neuen Büchern, die an fünf Zipfeln Alles zu halten glauben, von einer Philosophie Zoroaster's nach diesen verwirrten Begriffen alter und neuer Zeiten lese, ich gestehe, so weiß ich nicht, was ich lese, und verüble es den Gegnern des Zend-Avesta nicht, daß sie dies Alles für einen von den Zeiten zusammengetriebenen poetischen Schwulst erklären. Das aber dauert mich, daß man bei dieser schwärmenden Vermischung die Unterlage verkennt, die uns so einfach und klar in der Natur wie in diesen Büchern vorliegt.
»Die Lehre Zoroaster's,« heißt es z. B.,Buhle's »Lehrbuch der Geschichte der Philosophie und einer kritischen Literatur derselben«. Göttingen, Th. 1. S. 74. – H. »wie sie sich aus dem Zend-Avesta vornehmlich entwickeln läßt, war diese: (Was ist dem kritischen Verfasser der Zend-Avesta?) Es waren von Ewigkeit her zwei Wesen vorhanden, Ormuzd und Ahriman, die Principien aller Dinge.« Der Zend-Avesta, d. i. das lebendige Wort des persischen Cultus, ist auf diese Metaphysik nicht gebaut. Die Meder grübelten weder über die Ewigkeit noch über die Principien aller Dinge. Der Name Ormuzd selbst ist dem Zend fremde. Sie kannten blos Licht und Dunkel, Tag und Nacht, den natürlichen Grund der Jahreseintheilung. »Die Natur des Ormuzd besteht im reinsten unendlichen Lichte. Er selbst ist das Weiseste, das Beste, das Vollkommenste. Er wollte nur das Gute, und er ist auch nur des Guten Schöpfer.« Die alte Perserreligion lehrte Rechtschaffenheit, Reinheit, Fleiß, Wahrheit; die Pflichten hierüber kleidete sie in Bilder des Lichts als einer Tagesordnung ein. Die Metaphysik hierüber ist späteren, ungewissen Ursprungs, dem Geiste alter roher Bergvölker ganz fremde.
»Die Natur des Ahriman war auch eine Lichtnatur, und er war gut. Aber er beneidete das Licht des Ormuzd und verfinsterte darüber sein Licht.« Wie kann eine Lichtnatur das Licht beneiden? beneiden und dennoch gut sein? gut sein und Ahriman, d. i. Beflecker des Lichts heißen? wie kann eine Lichtnatur sich selbst verfinstern? Der alte Persercultus weiß von dem Allen nichts. Er kennt Ahriman blos als die Nacht, die den Tag verfolgt.
»Ahriman wurde böse, ein Feind des Ormuzd, der Schöpfer alles Nebels und aller bösen Wesen, die er hervorbrachte, um mit ihnen den Ormuzd zu bestreiten. Dualismus.« Kein anderer Dualismus, als den uns die Natur mit Nacht und Tag giebt. Die Nacht verfolgt den Tag, wie der Tag die Nacht verfolgt. Die Geschöpfe des Tags, die Geschöpfe der Nacht sind Ausbildungen einer täglichen Erfahrung nach ökonomisch-physischer oder moralischer, nicht metaphysischer Ansicht.
»Die Schöpfung wurde also durch Ormuzd und Ahriman bewirkt, aber in verschiedenen Epochen, in welchen verschiedene Gattungen der Wesen ins Dasein gerufen wurden.« Auch nach der spätern Dichtung ward die Schöpfung durch Ahriman nicht bewirkt; er befleckte sie, weil der Schatte das Licht schwärzt. Die Epochen, in welchen die verschiedenen Wesen ins Dasein gerufen wurden, heißen der Jahreslauf (die sechs Zeiten), in welchen sie fortwährend noch ans Licht treten.
»Ormuzd schuf durch sein lebendiges Wort, d. i. durch die Kraft seines Willens, die Welt der guten Geister.« Eine besondere Welt der guten Geister kennt das alte lebendige Wort nicht. Dies lebendige Wort ging vom Cultus selbst aus, dem man in Gebeten, Anrufungen, Ermunterungen an sich selbst eine lebendige Kraft auf sich und die gesammte Schöpfung zutraute. Und da es das lebendige Wort Ormuzd' hieß, da dieser oberste Genius als der Schöpfung Haupt und als ihr erster Wirker betrachtet wurde, so legte man ihm selbst ein solches lebendiges Wort, d. i. einen reinen Willen voll Thatkraft bei. Wie alle Izeds Izeschne bringen, d. i. einander und der ganzen Schöpfung Glückwünschen, so spricht Ormuzd sein Wort, d. i. er wirkt, wie wir wirken sollen. Die Idee stieg nicht metaphysisch hinab, sondern sie steigt hinauf und wird generalisirt.
»Ormuzd schuf zuerst sechs unsterbliche Genien oder Götter, die am Fuß seines Throns dienen.« Das that Ormuzd ursprünglich nicht; sie dienen auch nicht am Fuß seines Thrones, sondern wirken in der Schöpfung, wie er wirkt, er, der Erste unter ihnen. Götter sind sie nicht, sondern wirkende Naturkräfte, nach dem Zeitenwechsel und nach Regionen der Schöpfung symbolisirt.
»Dann schuf er 28 Genien niedern Ranges (Izeds), die Regenten der Monate und Tage.« Dies ist nicht ihre Abzeichnung, da Ormuzd und die Amschaspands wie sie Monate und Tage regieren. Jene sechs waren die großen Genien der Natur, weil nach Raum und Zeit bei den Persern in Sechs Alles getheilt war; nach Monaten und Tagen wurden ihnen, damit Alles besetzt wäre, die Izeds und Hamkars zugeordnet.
»Endlich schuf er eine unzählbare Menge menschlicher Seelen.« Wann schuf er die? Das Jahr sendet sie herab und nimmt sie weg, fortwährend. Auch nicht menschliche Seelen schafft er; denn alles Belebte der Schöpfung, die Elemente selbst, haben einen Geist, der sie belebt, ihren Feruer.
»Ahriman schuf dagegen die Welt der bösen Geister, sechs Erzdews und eine zahllose Schaar geringerer Dews, die jene und den Ahriman selbst begleiten und mit ihm wirken.« Alles ein Gedicht in sehr später Ausbildung. Die ersten Geschöpfe Ahriman's hießen unreine, schädliche, häßliche, Sumpf-, Nachtthiere, Eidechsen, Schlangen, Kröten, Frösche, Skorpionen, wie der Name Div selbst anzeigt, die man ausrotten sollte; von ihnen zog sich der Name weiter. Als er über alles Schädliche der Natur verbreitet war, mußten die sechs Amschaspands auch sechs Dews gegen sich haben; es erforderte solches die Zeiten- und Tagesordnung.
»Die guten und bösen Genien sind theils männlichen, theils weiblichen Geschlechts.« Als Genien der Natur sind ihre Geschlechter nach der Classe von Wesen selbst bestimmt, der sie vorstehen. Fünf Amschaspands sind Männer, Helden; die reine Sapandomad, die Erde, eine Jungfrau; Behram, die Feuerkraft der Schöpfung, ein Mann; das Wasser, die Quelle Arduisur, eine Jungfrau. Die Zeiteintheilungen des Tags (Gahs) Aufseherinnen des Hauswesens und der täglichen Geschäfte; die Zeiteintheilungen des Jahrs (Gahanbars) als Vertheiler der Naturschätze, Männer.
So ferner. »Der Wohnsitz des Guten ist im Licht.« In keinem andern, als was unter unserm Himmel von Sonne, Mond und Sternen herableuchtet. »Das Reich des Ahriman ist ein Reich der Finsterniß«, gegen welches aber auch in der dunkeln Nacht (denn daher ist die Idee entstanden) das Heer der leuchtenden Sterne streitet. »Ormuzd herrschte in seinem Geisterreich allein dreitausend Jahre« u. s. w. Nach persischen Begriffen existirt kein Geisterreich ohne Körper, eben weil Alles in der Natur in einem großen geistigen Zusammenhange belebt ist und lebt. »Nach vollendeter Arbeit feierte Ormuzd mit den guten Geistern das erste Fest der Schöpfung.« Wenn dies Feiern die jüdische Idee vom Sabbath mit sich führen soll, ist sie dem persischen Cultus zuwider. Das ganze Jahr ist ein Schöpfungsfest Ormuzd' mit seinen sechs segensreichen Jahreszeiten, weil fortgehend sich die Schöpfung erneut. Ormuzd mit seinen Geistern feiert dies ewige Fest wirkend.
Ich mag die viermal dreitausend Jahre der Weltdauer nicht abermals durchgehen; wenn aber gesagt wird: »daß dies Zeitmaß, wie aus dem Bundehesch erhelle, von den zwölf Zeichen des Thierkreises entlehnt sei, durch deren jedes ein Jahrtausend regiert werde«, so ist dies selbst der späten Compilation Bundehesch entgegen. Am Ende derselben (ein Zeichen der späten Einführung dieses fremden Calcüls) sieht man nach den ersten sechstausend Jahren, für welche man keinen Calcül wußte, die Jahrtausende der fremden ägyptischen Canicularperiode mit dem Zeichen des Krebses anfangen, mit der Wage fortfahren u. s. w., die dann der späte Compilator mit der altpersischen Geschichte zu vereinigen bemüht ist, d'Anquétil aber sich, wie mehrmals, mit seinen Einschaltungen sehr unverständig zeigt. Es war und bleibt eine angefügte fremde, ja gar widersprechende Zeitrechnung; denn keine zwölf Zeichen des Thierkreises regieren das persische Jahr; daraus ist es nicht geordnet. Vier Wächtersterne stehen am Himmel zur Hut des himmlischen Heers, nach den vier Weltseiten geordnet, und jeder regiert dreitausend Jahr, bis Taschter wiederkehrt und den ersten Zeitenlauf bringt. Selbst da der Thierkreis den Persern bekannt war und namentlich genannt wird, ward das Jahr von ihnen in sechs Gahs geordnet.
»Da aber die Zoroastrischen Bücher, in welchen die Lehren hierüber enthalten waren, verloren sind, so läßt sich der astronomische Cyklus, der jenes Zeitmaß veranlaßte, nicht weiter aufklären.« Zoroastrische Bücher, in welchen dennoch jene Lehren enthalten waren? Ein astrologischer Cyklus, der jenen Ormuzd im Urlicht, jene um seinen Thron dienenden Amschaspands veranlaßte? Und die behauptende Negative: »er läßt sich nicht weiter aufklären«? Aufklären läßt sich, was aufgeklärt werden kann, nicht aber ein im Licht verschlungener Ormuzd. Der nicht astrologische Cyklus, der den Persern die zwölftausendjährige Hoffnungsperiode eingab, liegt offen zu Tage.
»Ueber den Grund der bestimmten Zahl der sieben Amschaspands und Erzdews und ihre Bedeutung sind die Meinungen auch streitig.« Nur der Unverständigen Meinungen können hierüber streitig sein: denn schon HerodotI. 131. – D. sagt, und zwar wissend: »Sie haben den Gebrauch, auf die höchsten Berge zu steigen und zu opfern, und nennen den ganzen Umkreis des Himmels Jupiter. Sie opfern der Sonne, dem Monde, der Erde, dem Feuer, dem Wasser, den Winden.« Da stehen die sieben großen Naturgeister. Möge er sie nach griechischer Art nennen und ordnen; gnug, es sind die sieben richtig gezählten Amschaspands. Nach Hyde und d'Anquétil, dünkt mich, ließe sich der Grund der sechs Zeiten- und Naturfürsten mit ihrem Vorsteher endlich doch begreifen.
»Die wahrscheinlichste Bedeutung ist, daß die Haupteigenschaften des Ormuzd, Güte, Wahrhaftigkeit, Gerechtigkeit, Weisheit, Fülle, Seligkeit (Ormuzd und seine sechs Amschaspands verzeihen mir, ich schlafe) und im Gegentheil die Haupteigenschaften des Ahriman, Bosheit, Lügenhaftigkeit, Ungerechtigkeit, Thorheit, Mangel und Elend personificirt sind. (Ich schlafe.) Zu den sechs personificirten Haupteigenschaften wurden Ormuzd selbst und Ahriman selbst mitgezählt.« (Lassen Sie Sich also, mein Freund, zu Ihren personificirten Haupteigenschaften als Amschaspands, die um Ihren Thron dienen, auch mitzählen!) »Die Zahl Sieben wurde von den Planeten hergenommen.« Hier weckt mich der Unmuth auf. Die Irrsterne wurden bei den Persern als Unglück bringende Dämonen betrachtet und waren der Hut fester wachender Gestirne vertraut; von ihnen schreibt sich kein Ormuzd und Amschaspand her. Soll ich weiter gehen? Solche Lehrbücher heißen Lehrbücher der Geschichte und einer kritischen Literatur derselben; sie werden von ihren Collegen, Amschaspands, Izeds und Hamkars, gelobt und gepriesen. Wie wird die wahre Wissenschaft durch dies Ormuzd-Reich, das auf Kathedern sowol als in allgemeinen Literatur-Zeitungen und Secten »verschlungen in Glanz« strahlt, gehemmt und vergessen! Ich habe Sie und mich ermüdet; lesen Sie meinen folgenden Brief!
Alle Religionen haben das mit einander gemein, daß sie, anfangs auf einfache Grundsätze und Localansichten der Natur gebaut, zu ebenso einfachen Pflichten einer Jahres-, Tages- und Lebensordnung hinweisen. Nachdem ein Volk wohnt, nachdem es gesinnt ist und, wenigstens seinen Cultivatoren nach, auf einer niedrigern oder höhern Stufe der Cultur steht, nachdem wird diese erste Einrichtung, die Grundfäden des künftigen Gewebes, zart oder grob, schlicht oder verworren, viel oder wenig umfassend. Wie sie aber auch sei, kann sie nicht anders als zeit- und ortmäßig erklärt werden, da von ihr Alles ausgeht.
Je mehr ein Volk in moralischen Begriffen oder überhaupt in der Cultur steigt, desto mehr werden diese den alten Gebräuchen und Satzungen zwischengewebt; es wird ein feinerer Sinn in sie gelegt; sie werden nach Haupt- oder Nebenbegriffen polirt und excolirt. Hat ein Volk mit andern Völkern Umgang, ist es geneigt, fremde Begriffe aufzunehmen und sich zuzueignen, so werden diese unvermerkt ein reicher Einschlag werden und mit den dadurch erscheinenden Figuren dem alten Gewebe vielleicht eine neue Gestalt geben. Hat das Volk überdem einen geltenden Hof, eine glänzende, gar erobernde Monarchie, macht es einen constituirten und gesetzgebenden Staat aus, so wird auch sein Religionssystem eine Hof- und Staatsform annehmen, wobei die ersten einfachen Fäden, die dennoch Allem zum Grunde liegen, beinah unsichtbar werden.
Dauert endlich eine Religionsverfassung so lange, daß sie, ihrem ersten Zweck nach, sich gleichsam selbst überlebt, so kann sie nicht anders als müssig über sich selbst speculiren. Je geist- und schriftreicher die Nation oder die Zunft ihrer Weisen ist, desto feiner werden diese Speculationen gerathen und, mit den Ideen fremder Nationen in Kampf oder Bewegung gesetzt, desto bunter und mächtiger wirken. Dies ist der Geschichtskalender, wie mehrerer großer Völkerreligionen, so auch der Perser. Werden diese Epochen nicht unterschieden, so weiß man kaum, wovon man redet.
1. Die Perserreligion, zwischen Völkern der frühesten Cultur entsprossen, konnte nicht anders als von ihnen borgen, d. i. anderswo ausgedachten Ideen eine sich selbst gemäße Gestalt geben. Dies war die Jahresform, der Kalender, von welchem Volk am Euphrat, Gihon oder Indus er auch genommen sein möge. Nur bildete man ihn chaldäisch, medisch, persisch aus, heftete an ihn nach Monaten und Tagen die ganze Ansicht der Natur in Gesinnungen der Völker, die darnach leben sollten, und in ihrer eigensten Lebensweise. Ein eigner Stamm, sowol in Medien als Persien (Chaldäer, Magier), war zu Handhabung dieser Jahresreligion geordnet; im lebendigen Wort, d. i. in Glückwünschungen, Gebeten, Formeln, Gebräuchen, liegt diese Einrichtung klar vor uns; wir dürfen mit unverrücktem Sinn nur sehen, was da ist, lesen. Die sechsmal zwölf Fäden im Religionsgürtel, wie die in der Zahl wechselnden Sprossen des Feuer schürenden Barsom's tragen ihre Bedeutung so offen mit sich als die Namen der großen und kleinen Genien, der Monate, Tage, Tageszeiten und Feste. Die brennenden Naphthaquellen in Aderbedschan gaben den Feuerdienst hier so local und einheimisch, als den Aegyptern, Phrygiern, Griechen, Etruskern ihre Religionsgebräuche gegeben werden mochten. Das religiöse Kunnerets (Mittelland der Erde) mit seinem Albordj in allen seinen Zweigen, mit seinen Zarés, Vars, Behescht-Oertern und Keschvars, unter seinem Sternhimmel, mit den Veränderungen seiner Jahres- und Tageszeiten liegt so klar vor uns, daß wir vermögend sind, nicht nur jeden Tag und Monat, sondern jedes Element, beinah jede Natur- und Jahresgabe, jeden Baum, jede Blume, jedes Metall und Geschäft dem Genius anzuweisen, der es beschützt und segnet. Zu diesem Zweck eine Uebersetzung des Bundehesch mit geographisch-physischen Erläuterungen vernünftig gegeben, erweiterte unsere Begriffe, die durch bloße Schwärmereien über den sogenannten Zoroastrischen Lehrbegriff gestaltlos auseinanderfliegen. Nach einer Reihe älterer Schriftsteller haben Lorsbach und Wahl manchen Namen, manche persische Eigenheit glücklich erläutert.
Als der Magismus statt eines Königes der Meder dem Persermonarchen, dem Herrn der Welt, diente, mußte seine Religion auch die Hofform und die Constitution seines Reichs annehmen. Daß dies nicht sogleich geschah und in allen Provinzen geschehen konnte, bezeugen die Nachrichten der Griechen aus dieser Periode; daß aber in ihr zum glänzenden Hofstaat Ormuzd' der Grund gelegt wurde, ist aus dem Zend-Avesta klar. Lege man diesen mit Auslassung aller Namen, wem man wolle, vor, er wird sagen: »Dies Religionssystem ist unter einem kriegerischen Bergvolk entsprossen; es hat aber einem glänzenden Hofe gedient.«
Sonderbar scheint es, daß nicht nur in Benennung der Regenten der Zend-Avesta gewöhnlich mit Gustasp (Darius Hystaspis) aufhört, sondern auch der prächtigen Cerimonien, des Ormuzd- und Sonnenwagens, der weißen Rosse und Roßopfer nicht erwähnt, die unter den Persermonarchen doch unwidersprechlich im Gebrauch waren. Die Sonderbarkeit aber läßt sich erklären. Wenn Alexander's Eifer gegen den Feuerdienst der Perser Bücher verbrannte und königliche Archive zerstörte, so konnte es zunächst keine andere treffen, als die den damaligen Königscultus seines eroberten Perserreichs feierten; diese herzustellen, lag wol Niemanden am Herzen; denn das Königthum mit seinen Sonnenrossen und Sonnenwagen lag unwiederbringlich darnieder. Was wiederhergestellt wurde, war der alte medische Cultus, der bis an Darius ging; das zeigen die bisher aufgefundenen Reste, die ja nur von einem einzigen Mann außer Persien unter den kärglichsten Umständen zusammengetrieben und nach Europa gebracht sind. Wende Jemand mit d'Anquétil's Eifer mehreren Aufwand in Persien selbst, in Ispahan, Kirman an, vielleicht wird er noch eine Agende des Königscultus finden. Nach niedergestürztem Reich war diese den Perserpriestern unbrauchbar.
Vom Zustande der Parsenreligion unter den Partherkönigen wissen wir wenig; die spätern Nachrichten nennen es einen Zustand des Verfalles, der Neige. Desto mehr mischte sich die Religion der Parsen fortan mit andern Völkern; ja, schon seit Darius' Zuge war sie den Griechen so wunderbar merkwürdig worden. Woher dieses?
Nichts ist natürlicher. Die Religion des großen Königes in einem Zuge der Magier mit Beschwörungen aller Elemente (wie es den Griechen vorkam) begangen, war diesem leichtsinnigen Volk etwas sehr Großes. Bald fanden sich also Ostane, d. i. Zend-Avesta-Beter, die auch beschwuren. Magische Geheimnisse, Einweihungen entstanden und gingen nach zertrümmertem und seitdem mit Griechen gemischtem Perserreich trefflich fort; denn was in der Welt könnte mehr reizen als ein Cultus, der alle Elemente in seiner Gewalt hat, der in der Gemeinschaft aller Naturgenien spricht, und in welchem es am ausgesprochenen lebendigen Wort, an Tag und Stunde hängt, zu wem er spreche, durch wen er wirke. Dies ist die sehr natürliche Entstehung des Magismus; sie entstand durch Glauben und Ausübung eines Landkalenders und breitete sich als ein Hofcerimoniale weiter. In die Philosophie der Griechen haben die Ostane mehr gewirkt, als man in unsern akademischen Philosophiekalendern meint.
Als die Sassaniden den Parthern das Reich abdrangen, setzten sie, angebliche Nachkommen Zoroaster's, den Magismus auf den Thron. Eine Feuerwache kam auf ihren Münzen bewaffnet neben den Altar, und Zoroaster's Name galt für eine Summe des Cultus, dessen Urheber er doch selbst nach den fortgebräuchlichen Liturgien nicht war. Unter den Sassaniden war eine andere Zeit. Das Christenthum bedrängte die Völker und nöthigte jeden alten Cultus, der nicht untergehen wollte, auf seine Füße zu treten. Jetzt wurden also die alten Parsenbücher gesammelt, revidirt, das Parsenthum blühte; wir wissen aber auch von dieser Zeit viel zu wenig, als daß wir strenge urtheilen könnten, wie es dort und hier beschaffen gewesen. Offenbar paßte der alte Zend-Cultus auf manche Provinzen dieses neuen blühenden Perserreichs wenig, Pehlvische Uebersetzungen halfen also aus; und über Alles müssen wir noch mehrere Parsenschriften erwarten. Die wir haben, sind solche, die sich in den Händen vertriebener Desturs retteten, und die erhalten wurden, wie jene sie brauchen konnten. Die Herrlichkeit der Kheans und Sassaniden war vorüber; was Wunder, daß ihrer in diesen Liturgien wenig oder gar nicht gedacht wird!
Unverständig ist aber die Behauptung, daß, weil viele Parsenschriften untergegangen sind, durchaus keine ächten mehr da sein können. Diese sind da, zum Theil Ueberbleibsel aus dem alten Magierdienst in der medischen Zend-, d. i. gottesdienstlichen Sprache. Politisch verfolgt, geht nicht leicht etwas ganz unter, am Wenigsten ein heiliger Dienst, an dem man so eifrig hing, der eine eigene Zunft zu Erhaltern und Rettern hatte und Jahrhunderte lang in den Meinungen einer großen Nation als wunderthätig gegründet war. Es erhielten sich Feueraltäre und haben sich bis jetzt erhalten; erhielt sich aber einer derselben, ein Atesch-Gah, eine Schule der Mobeds, so war das Wesentliche der Parsenreligion durch sich selbst gerettet; denn sie war ein Jahreskalender; wie die Natur selbst und die Jahreszeiten hing sie an einander. Kühn also können wir sagen, daß ohngeachtet der großen Lücken, die wir über das Ritual der Parsen während der Monarchie wahrnehmen, wir doch die Idee der ächten alten Magierreligion haben. Wir hätten sie sogar, wenn wir einige Nosk nicht hätten; denn diese wiederholen sich, obgleich mit manchen neuen Erläuterungen, stets, wie sich ein religiöser Jahreskalender seiner Natur nach immer wiederholt.
Also wollen wir nur brauchen, was wir haben, und die Augen aufthun, zu bemerken, was jedes Stück sei, und wohin es gehöre. Es ist ein eitler Wahn, über Sprachen die kritische Fackel schwingen zu wollen, die wir nicht verstehen, von denen wir durch die schnelle, kurze und in Manchem offenbar unzuverlässige Mühe eines Mannes nur wenige unhinreichende Proben haben. Es ist ein noch eitlerer Wahn, zu glauben, daß man etwas Neues gesagt habe, wenn man den Vendidad vor andern Ritualaufsätzen lobt; als Haupt-Agende in der großen Versammlung der Geister (Vispered), als ein Leviticus der Magier mußte er vor allen erhalten werden, weil ohne ihn kein Atesch-Gah und keine Desturschule bestehen konnte; deshalb aber verringert er den Werth anderer Aufsätze nicht, und die späte Compilation Bundehesch ist lehrreicher, als viele Gebetbücher sein würden. Der eitelste Wahn endlich wäre es, wenn man auf metaphysischen Deutungen der grenzenlosen Zeit, des Urlichts, der Urfinsterniß, als zwei wesentlichen Principien, schwärmerisch umherschweifen wollte; dem Geist der Zeiten, der Gegenden, der Völker und der gesunden Vernunft selbst sind sie durchaus fremde.
»Aber Zoroaster, der große Gesetzgeber und Weise, der erhabene Philosoph, der gottgesandte Prophet, den schon Plato verehrt!« Es ist wol nichts Besseres, lieber Freund, als daß wir uns an diese Glanzgestalt, den Goldstern (denn das heißt Zoroaster) selbst wendeten und ihn durch seine eigne Kraft beschwüren. Er hat in neueren Zeiten so viel Federn in Bewegung gesetzt, daß es seinem Feruer, auch seiner Mutter Dogdo, seinen drei Weibern und Söhnen durchaus nicht gleichgiltig sein kann, was man von ihm denke. Also
»Erscheine, Goldstern, Gesetzgeber Persiens, Philosoph, weiser, glorreicher Zoroaster, erscheine!« Er erscheint nicht. Entweder müssen ihn diese Namen nicht rufen, oder das Erscheinen ist seine Sache nicht. Wir geben also die magischen Cerimonien auf und bleiben bei den Zeugnissen oder vielmehr bei dem Gerücht über seine Person und Schriften.
Wer war dieser erste Zoroaster? Er würde mir's, da von seinem späten Nachfolger Sapetman-Zerduscht so viel geredet ist, nicht verzeihen, wenn ich von ihm und seinem Könige Dschemschid schwiege. Genannt sei er also, der erste Verkündiger des Gesetzes auf den heiligen Bergen, der mit dem lebendigen Worte den Gurt der Tapferkeit und das heilbringende Gewand aus Ormuzd' Hand empfing, mit Hilfe des Gestirns Taschter die Erde reinigte und die Bösen wegschwemmte, er, der Baum der Gesundheit im Quell Arduisur, er, ein seliger Ized, wohnend im Palast von hundert Säulen, der Wasser strömen läßt und jedes Gewächs mit Heilkräften segnet, durch den die Speise, der Trank gedeiht, der Kranke genest, durch den einst die Gebeine der Todten wieder grünen: er werde genannt!
Hom hieß das kurze Wort, an welches die Perser und mehr Nationen so viele Begriffe knüpften. Selbst das Schöpfungswort, das Ormuzd ewig ausspricht, durch welches Alles ist und besteht (Honover), ist nur sein musicalisch verlängerter Ausdruck. Hom (Hom-Mani-Pema-Hum) ist der Anruf an die Gottheit der Tibetaner, der ihren Gebeten Kraft giebt, den auszusprechen jedem Ungeweihten unerlaubt ist, der Charakter, mit dem sie unnachläßlich den Anfang und das Ende jeder Schrift bezeichnen, die Summe aller Gebete, die innerste Kraft jeder Naturwirkung und Magie. Hom ist den Indiern das größte, feierlichste Opfer, das jährlich der Sonne und dem Feuer gebracht wird; den Persern endlich das vielgestaltige Symbol aller Kraft und Wirkung der Natur, Baum der Unsterblichkeit, Wurzel der Gesundheit, nährender Saft in Speise und Trank, zugleich auch der älteste Verkündiger des Gesetzes, Zoroaster's erster Vorgänger, ein seliger Geist auf den Gebirgen. Wie kommen diese Symbole zusammen? wie kamen sie zusammen zu einem Begriff? oder mit andern Worten, wie entstand der erste Zoroaster?
Sehr natürlich, von welcher Seite man auch die Zusammensetzung versuche. Das Wort Hom, er ist! es sei! ist die Summe aller Existenz, der Ausdruck aller Wünsche und Gelübde; mithin war's in einem Cultus, der auf die Kraft ausgesprochener Worte gebaut war, das Grundwort aller Gedanken, Segnungen und Imprecationen, ein ewiges Amen (Omen).
Von Menschen auf die Geister der Natur angewandt, sprachen diese ein ewiges Hom (fiat), stets wirkend und segnend. Der oberste Naturgeist sprach fortwährend sein mächtiges Honover: es gedeihe! es werde! Alle Izeds als wirkende Naturkräfte haben von diesen Segnungen den Namen; sie sprechen ein ewiges Izeschne; und der oberste Geist Ormuzd ist der Ur-Ized.
Segen und Gedeihen, das sie in die Schöpfung sprechen und wirken, wie kann es symbolisirt werden als durch den immer forttreibenden Saft der Schöpfung, den Baum des Lebens und der Gesundheit, der in der Urquelle wächst und grünt und blüht? Seine Wurzel ist Leben; sein Thau, seine Blätter und Früchte bringen Gesundheit. Daher in der Parsenreligion das Symbol jenes Safts, jener Wurzel vom Baume Hom, dem sie so viele Segenskräfte zuschreiben. Daher jener Saft der Unsterblichkeit, durch den die Todten einst leben. Da die Physik der Parsen eine männliche und weibliche Naturkraft, Feuer und Wasser, annahm, durch deren innere Verbindung Alles in der Natur werde, gedeihe, sich von Saft zu Saft hinaufläutere und auf solchem Wege Leben der Gewächse, der Thiere, der Menschen, in menschlichen Seelen endlich reine Gedanken, gesunde, kräftige Entschlüsse würden: so fand dies große Werden, Gedeihen und Wirken beinahe kein andres Bild als jenen saftvollen Lebensbaum (Hom) im Quell Arduisur.
Und sollte die Gestalt personificirt werden, die den Menschen dies Wunderwort in seiner Wunderkraft zubrachte, so ward es der Hom (Homanes), von dem die Parsenreligion redet, der ihren Cultus anrichtete, der ihnen Gurt, Kleid und das kräftige Wort gab. Es heißt: »Sei! werde!« und er ist selbst das Wort; er ist, sagen sie, im heiligen Schall, der gesprochen wird, er ist im Stein, in der Pflanze, im Trank, in der Speise, die sein Wort segnet. Der Schall des Wortes selbst war der inarticulirte, anrufende Laut, in dessen Murmelung, in dessen langsames oder wiederholtes tonvolles Hersagen mehrere Morgenländer, vor allen die Parsen, den zwingenden Geist des Gebets, des Wunsches und Gelübdes, der Imprecation setzten. Die Magie des Magismus lag in diesem Hom, in seinen Gebräuchen, im Glauben, den man darauf setzte. Daher die ganze Einrichtung der Desturschaft, ihre Lehre durch Einweihungen, durch Grade; daher das Geheimnißvolle derselben und die Stufen dieser Geheimnisse, die alle Naturkräfte in ihrer Gewalt zu haben glaubten, indem sie durch ihre mancherlei Hom die guten Geister riefen und aussandten, die bösen fesselten und banden. Alles, was je die Magie sich anmaßte, lehrte, vorgab und ausrichten wollte, gründete sich auf dies Hom. auf ein unsichtbares, kräftiges Band zwischen Gedanke, Wille, Wort und Wirkung. Wer von Anfange bis zu Ende den Zend-Avesta anders liest als in diesem Hom, d. i. im Glauben an dies ausgesprochene lebendige Wort und dessen Wirkung, wer in ihm seine Metaphysik, eine geheim übernatürliche Philosophie sucht, der verirrt sich weit vom alten Hom, dem Baume des Lebens. Dieser forderte Gedanke und That, Wort. Gebrauch, Glauben. In einer kriegerischen Bergnation entstanden, gürtete er sich mit dem heiligen Gurt und sprach kühn: »Ich will! es werde!« So nothwendig nun und nützlich es ist, Glauben an Naturkräfte zu haben, wenn man sie kennt, ihnen zu gebieten, wenn man ihnen zu gebieten weiß; so nothwendig es ist, Glauben an sich selbst zu haben und dem Gedanken, dem Willen, dem Wort Macht zuzutrauen, die man sich und Andern giebt: so gefährlich und jämmerlich wird es dagegen, wenn man dem bloßen Hom, dem Wunsch, dem begehrenden Wort Kräfte zutraut und in die Art des Ausspruchs diese Kräfte setzt. Dann wird eine Schule des Aberglaubens zuerst, sodann des Betruges daraus, erst Geister, dann Seelen der Menschen zu rufen, zu bannen, zu binden und zu verblenden. Der Magismus hat jederzeit hierin seine Kunst geübt; ihre Täuschereien sind aber so oft erwiesen, daß es fast selbst ein magisches Wunder ist, wie sie noch Glauben finden. Daß z. B. d'Anquétil's Zend-Avesta in Deutschland so und nicht anders aufgenommen ward, indem er mehr Schwärmereien und heiße Lobpreisungen oder sinnlosen Widerspruch als ruhige Untersuchungen veranlaßte, bezeichnet die Zeit, in welche er traf. Wie gern hätte man durch ihn auch Geister bannen, Elemente beschwören und Todte erwecken mögen! Wer hiezu nicht das Herz hatte, grübelte darüber und phantasirte oder verwarf blind, was literarisch unverwerflich ist; denn schätzbare Denkmale des Alterthums, Glaubensformulare, bleiben diese Schriften immer, von wem und aus welcher Zeit sie auch sein mögen. Das Einzige hat man an ihnen nicht gerügt, was zu rügen war, nämlich Hom, die Wurzel des magischen Glaubens, der in ihnen liegt; vielmehr haben Mehrere diesen laut gepriesen. Und doch war eben er die Wurzel des Aberglaubens und des magischen Betruges in aller Welt.
Nach einem so unschuldigen Anfange! Denn wer könnte sich etwas Schuldloseres denken als einen Jahreslauf mit seinen Erfahrungen und Wohlthaten, mit seinen Bedürfnissen, Hoffnungen und Wünschen? Jede Jahreszeit giebt uns etwas Eignes; in jeder muß man etwas Anderes verrichten; jede lehrt und muntert auf; in jeder erwachsen neue Bedürfnisse und Wünsche. Dies Alles in eine Regel zu bringen, scheint so unentbehrlich; diese, gut gefaßt, macht das ganze Jahr zu einer Schule des Unterrichts, jeden Tag zu einem Tage zeitmäßiger, auf den folgenden Tag nicht aufzuschiebender Uebung. Diese zu erwecken, was könnte gelegener sein, als an ihm den Genius der Natur, wie er jetzt herrscht, zu begrüßen, sich seiner zu freuen, ihm alles Gute zuzutrauen, sich gegen seinen Feind, das entgegenstehende Böse, zu wappnen? Was könnte wirksamer sein, als von sich selbst täglich das Wort zu nehmen, ihm in Allem zu folgen, auf seine Segnungen zu merken, seinem Feinde zu widerstehen, sich zum Kampf zu rüsten? Und doch, aus diesem Allem, was hätte werden können? was ist worden?
Gnug, Hom war einst in seiner Unschuld ein schönes Symbol. Wie Dschjemo, der Cultivator Persiens, zu Dschemschid, das ist zum Becher oder Spiegel der Sonne, das ist zum Sonnenjahr selbst, symbolisch gedieh, so Hom, der erste Verkündiger des guten Worts, der Institutor des Ordens der Magier in nützlicher Absicht zum Symbol des Cultus selbst, zum heiligen Wort und Zeichen, zum Baum des Lebens, zum Saft der Unsterblichkeit, zum Trank und zur Speise. Sein Geist lebe auf den Bergen im Freudensaale des Paradieses!
Lauter anmuthige Dinge haben die Perser fortan mit seinem Namen bezeichnet, jeden Vogel guter Vorbedeutung, dessen Anblick jedesmal eine Gewährung des Wunsches (Hom) ist, ihn, der nie den Boden berührt, Homai, den Vogel des Paradieses. Wen er beschattet. der trägt einst eine Krone. Von ihm nannte sich die berühmteste Königin Persiens, die Nachbarin der alten Königsburg Persepolis, Homai; von ihm nannten sie alles Heilige, Glückliche, Geweihte, Glorreiche Humazun; so auch das Königsbuch, die Sammlung der nutzbarsten Lehren und Fabeln, die sie kannten.
Gebe Hom uns Alles, was wir wünschen; zugleich aber auch, daß wir nur das Gute wünschen und, statt es von ihm zu begehren, selbst wollen und eifrig thun! Hierin liegt die Kraft des Worts, das wir uns selbst, einstimmig der Natur, geben; dann spricht jeder gute Geist sein Hom über uns, und der Vogel des Paradieses deckt unsern Scheitel.