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Ermüdet von des Tages schwerem Brande
Setzt' ich danieder mich ans kühle Meer.
Die Wellen wallten liebend hin zum Strande
Des holden Ufers, das mich rings umher
Umfing mit seinem zaubrischen Gewande
Mit seiner gaukelnden Sylphiden Heer;
Der Liebe luftger Schleier, rings umflogen
Von Zephyretten, spielte mit den Wogen.
Und über mir, hoch über mir in Lüften
Des blaue Äthers säuselte der Baum,
Der reingeläutert von der Erde Düften,
Ein himmlisches Gewächs, den runden Saum
Umschreibet mit der Sonne goldnen Schriften
Und gibt dem Fluge der Begeistrung Raum,
Die schlanke, schöne Königin der Bäume,
Die Pinje rauschte mich in goldne Träume.
Ich hört'! und aus des Meeres leisen Wogen
Erhob sich einer Stimme Silberton:
»Vernimm mich! Nie hat dich dein Herz betrogen,
Du liebest Wahrheit, und verdienst zum Lohn,
Daß dir die Hülle werd' emporgezogen,
Die alle Wesen bis zum lichten Thron
Der schaffenden Natur in Schatten hüllet;
Vernimm mich, und dein Wunsch wird dir gestillet.«
Ich sah; und aus des Meeres zarten Wellen
Hob eine Nymphe göttlich sich empor.
Ihr Antlitz schien die Dämmrung aufzuhellen,
Bis an der Sonne goldnes Abendtor.
Die Wogen küßten sie mit sanftem Schwellen;
Um ihren Busen wallt' ein reger Flor;
Sie sang; ein Saitenspiel von zarten Saiten
War schüchtern, ihre Stimme zu begleiten.
Sie sang: »Was rings dir deine Blicke zeigen,
Was alldurchwallend die Natur bewegt,
Was droben dort in jenem heilgen Schweigen
Des Äthers, drunten sich im Staube regt,
Und in der Welle spielt, und in den Zweigen
Der Fichte rauscht, und dir im Herzen schlägt,
Und dir im Auge, jetzt von Tränen trübe,
Jetzt freudentrunken himmlisch glänzt, ist – Liebe.
Nur Liebe war die Schöpferin der Wesen,
Und ward der Liebgebornen Lehrerin.
Willst du den Sinn des großen Buches lesen,
Das vor dir liegt; sie ist die Seele drin.
Und will dein Geist, und soll dein Herz genesen,
So folge treu der hohen Führerin;
Wer außer ihr, der Mutter alles Lebens,
Natur und Wahrheit suchet, sucht vergebens.
Sie ist Natur; sie bildete Gestalten,
Naht und verknüpfet und beseligt sie;
Sie läßt den Keim zur Blume sich entfalten,
Daß in der schönen Blume Liebe blüh'.
Die zarten Bande, die das Weltall halten,
Die ewigjunge rege Sympathie,
Die Himmelsglut, in der die Wesen brennen,
Wie willst du anders sie, als Liebe nennen?
Schau, wie die Welle, nahend dir, am Rande
Des Ufers spielet, und es leise grüßt;
Sie gleitet weg von dem geliebten Strande,
Zerfließend, wie ein süßer Wunsch zerfließt,
Und kehrt zurück zu dem geliebten Lande,
Wie wiederkehrend sich das Herz ergießt;
So drängen sich mit immer neuem Schwellen
In aller Schöpfung Meer der Liebe Wellen.
Schau, wie umher der ganze Himmel trunken
Sich spiegelt in des Meeres Angesicht!
In Amphitritens heilgen Schoß gesunken,
Wie wallt, wie zittert dort der Sonne Licht!
Und droben glühen schon der Liebe Funken,
Die Sterne. Sieh, auch Luna säumet nicht;
Sie schleicht heran mit zarten Silberfußen,
Um ihren Liebling, ihren Freund zu grüßen.
Dort steht sie; sieht bescheiden sich im Spiegel
Der Wellen an, und weilt und schämet sich,
Und blickt hinan zu jenem Schlummerhügel:
›Endymion, ich lieb', ich liebe dich!‹
Und drückt auf ihn der Sehnsucht zartes Siegel:
›Endymion, auch du, du liebest mich!‹ – –«
So sang Parthenope; mit süßen Schmerzen
Fuhr ihrer Stimme Pfeil zu meinem Herzen.
Ich sah, ich sah bei ihren Freudenmahlen
Die Götter in der Freuden Überfluß;
Da labet Zeus sich in den süßen Strahlen
Des schönen Jünglings mit dem ewgen Kuß.
Sein Auge küßt; es küßt zu tausendmalen
Und blickt in alle Himmel Wohlgenuß;
Läßt Göttlichkeit in jede Ader fließen
Und reine Liebe sich durchs Weltall gießen.
Ach, sprach ich, und die Menschheit, in der Kette
Der Erdewesen sie der erste Ring,
O! daß sie noch das Kleinod Unschuld hätte,
Das ihr die Mutter an den Busen hing,
Als liebend mit den Göttern um die Wette
Ihr erster Mutterkuß sie froh umfing;
»Geh, sprach sie, zartes Kind. Im Erdgetümmel
Wird Lieb' und Unschuld dir allein zum Himmel.
Versäume nie, zu stolz für diese Freuden
Die Lieb' und Unschuld auf beblümter Flur.
Verschmähe nie dein Glück, und suche Leiden
Der Unvernunft auf falscher Weisheit Spur!«
Ach, aber ach, getrennt von ihnen beiden,
Von Lieb' und Unschuld, Wahrheit und Natur,
Wie taumelt jetzt der Mensch, und sucht dem Herzen
Ein süßes Gift, für Liebe – Gram und Schmerzen.
So seufzte ich. Die Königin der Wogen
Erhob noch einmal ihren Silberton:
»Vernimm dein Herz. Nie hat es dich betrogen.
Du liebest Unschuld, und sie wird dein Lohn.
Was unter diesem goldnen Himmelsbogen
Von meinem Meere, bis zu Jovis Thron
Erklingt, das klinget dir im Herzen wieder,
In deinem Herzen.« – Und sie schlüpfte nieder.
(Mit begeistertem Blick taucht die Malerei den Pinsel in die Farben der Iris. Mannichfaltige Blumen blühen ihr zu Füßen, und ein Chamäleon schleicht zwischen ihnen.)
Nicht vom Chamäleon, so oftermalen
Er auch sein Kleid verändert, wunderschnell;
Nein! um der Gottheit Abglanz uns zu malen,
Nahmst du die Farben aus der Farben Quell;
Tauchst in Aurorens, tauchst in Iris Strahlen
Den Pinsel, und dein Blick wird himmlisch hell,
Zu sehn, wie aus dem Lichtstrom Bäche fließen,
Und Strahlen sich in Farben leise gießen.
Wer hob die Hand dir? wer erhob zum Himmel
Den Blick dir, himmlische Begeisterung?
Daß über Nebel, über Erdgetümmel,
Im sanften Fluge, mit der Taube Schwung
Du aufsteigst, fühlst in dir und trägst den Himmel
In uns mit täuschender Beseligung;
Und lässest, was du dort in lichten Höhen
Der Gottheit sahst, uns hier in Schatten sehen?
Ein Gott wars. Und die Blume dir zu Füßen
Weiht ihren Brautschmuck deiner Schwester-Hand.
Ein Lüftchen weilt, die Körper zu umfließen,
Die du erschaffst, und wird ein Brautgewand
Der Seele, die, sich sichtbar zu genießen,
In deiner Seele Äther-Hüllen fand.
Du malest, was du bist. Auf Edens Auen
Gibst du, in Menschen, Engel uns zu schauen.
Auf wen, o Knabe, rüstest du den Bogen
denn fast entrüstest prüfst du ihn
den Mächtigen. Wer hat zum Kampfe dich gezogen?
wer war so törichtkühn?
O der Verwegene wird grausam büßen
wenn er den Pfeil im Herzen fühlt,
wird einen zweiten Pfeil von dir erflehen müssen
der ihm die Wunde kühlt.
Triff wen du willt. Nur Knabe, schon' o schone
der Unschuld träumendsüße Ruh.
denn führt dein Köcher gleich der Liebe viel zum Lohne
ach aber lohnest du
mit Einer Freude, die das erste Sehnen
den ersten zarten Wunsch vergilt?
leg ab den Bogen, sieh hier in der Unschuld Tränen
als Kind dein süßes Bild.
Ein Seufzer, der von Mund zu Munde fliegt,
Wann Seele sich zur Seele innig schmiegt;
Des Herzens Übergang, wann leis' und still
Der Liebe Wort zum Wort nicht werden will;
Das Wort, das nicht zum Worte werden kann;
Verschwiegen schauen sich zwei Seelen an,
Und schöpfen in der Gottheit reinstem Quell
Und fassen sich im Blicke zart und hell;
Der Atem, der das Leben süß verlängt,
Der Hauch, in den sich Geist und Körper drängt,
Ein Augenblick, der Ewigkeit Genuß,
Der Engel reinste Wollust ist – ein Kuß.
Du blickest still auf deine Sense nieder,
die alles mäht, du ernste alte Zeit.
Suchst du die Blumen in dem Staube wieder,
die einmal du dem Staube hast geweiht:
Wie oder fühlst du müde deine Glieder
vom traurigen Geschäft der Sterblichkeit,
Und blickst mit Schmerz auf Millionen Leichen,
die jetzt vielleicht im Grabe dich erweichen?
Ach nicht! der Blick, mit dem die Götter sinnen,
ist Ruhe, wenn sie mahn und mahn nicht mehr.
Ihr Enden ist ein werdendes Beginnen.
Sanft ist ihr Blick, nur ihre Hand ist schwer.
Was je entsproßt', es eilte schnell von hinnen;
was wiederkommt, entflieht, wie das vorher.
So laß mich denn, o Zeit, zu deinen Füßen
der Blume Glück, doch dieses ganz genießen.
Zu sein, so lang ich bin, o Gott der Zeiten,
dies ist des Schicksals und der Weisheit Schluß.
Will je mein Blick sich vor- und rückwärts weiten,
so zeig' er mir nur jetzigen Genuß,
und hör' ich dich allmählich näher schreiten,
so walle, wie in Zephyrs reinstem Kuß
mein welkes Haupt zur Erde leise nieder
und aus mir blüh ein Blümchen schöner wieder.
Ja, verschwunden sind sie, sind verschwunden,
Jene kurzen, jene schönen Stunden,
Die auch ich am Pausilipp erlebt.
Holder Traum von Grotten, Felsen, Hügeln,
Inseln und der Sonne schönen Spiegeln,
Seen, Meer – du bist mir fortgeschwebt!
Fortgeschwebt die zaubernde Sirene,
Die mich ohne süßer Flöten Töne
Schwesterlich in ihre Arme nahm;
Und mein Herz schlug voller und geschwinder,
Und mein Blut floß reiner und gelinder,
Da ihr Atem mir entgegen kam.
Sehnend sah ich ihres Busens Wellen
Sanfter sich und reger zu mir schwellen,
Schwamm dann mit der Fläche sanft dahin;
Sah den schönen Kranz von Fels und Hügeln,
Sah die Sterne, sah den Mond sich spiegeln
In der süßen Freudegeberin.
Sah die Inseln in den Wellen schweben,
Träumt' auf ihnen ein beglücktes Leben,
Unbekannt und aller Welt entflohn;
Sammelt' nur um mich den Kreis der Meinen –
Ach, ihr Wellen, oft saht ihr mich weinen
Um sie, für sie, zu der Göttin Thron!
Wenn die Abendröt' im stillen Meere
Sanft verschwebte, und mit seinem Heere
Glänzender der Mond zum Himmel stieg,
Ach, da flossen mit so neuem Sehnen
Unschuldvolle, jugendliche Tränen;
Nur ein Seufzer sprach, und alles schwieg.
Nimmer, nimmer sollt ihr mir entschwinden,
Immer wird mein Herz euch wiederfinden,
Süße Träume, rein und zart und schön.
Nie wird euch mein Auge wiedersehen,
Doch ein Hauch wird lispelnd zu euch wehen:
»Ich, auch ich war in Arkadien.«