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W[eimar,] d. 2. Jan. 1789.
Ich will auch im neuen Jahr meiner Gewohnheit treu bleiben u. Dir heute da Posttag ist, schreiben, ohnerachtet ich den Montag keinen Brief erhalten habe. Vermutlich ist die fortdaurende Kälte daran schuld daß die Posten nicht eintreffen, oder Deine eigne Arbeit. Es freut mich daß Du wohl u. heiter bist u. keine Zeit zum schreiben hast; denn die Briefseligkeit ist mitten im Genuß eine Zeitverderberin. Ich will mir alles im Geist vorstellen bis Du es künftig mir selbst vorlesen wirst. – Freitag d. 26. Dez. hatte ich Dir geschrieben. Sonnab. ließ mich die Herzogin zu sich kommen. Sie ist wohl, ziemlich heiter u. läßt Dir viel Gutes sagen. Der Herzog kam auch herunter, u. war so artig u. gütig wie ich ihn in langer Zeit nicht gesehen habe, ich mußte ihm viel von Dir erzählen u. er nahm an allem Teil. Sein Betragen gegen mich hat mir in der Tat wohl gemacht. Es war ihm lieb daß Du mit der Herzogin Mutter nach Neapel gehest u. er sowohl als die Herzogin glauben daß Du auch mit ihr zurückkommen wirst. Wenn es Euch Beiden konveniert, so soll es mich freuen. Des Herzogs gütiges Bezeugen in Ansehung Deiner u. der Kinder (es ward von ihnen gesprochen) hat sich mir aufs angenehmste eingeprägt u. ich wollte daß man nur einigermaßen das Verhältnis so gut erhalten könnte. Der Herzogin hats sehr gefallen daß Du die Spanier so hoch schätzest. Ich glaube wenn Du ihr ein spanisches Altertum mitbringen könntest, oder etwas in Spanischem Geist, das würde für sie sein. Sie entließ mich gnädig u. gab mir das gewöhnl. Weihnacht Geschenk von 10 Louisd. mit. Sie grüßen Dich Beide.
Den Dienstag Mittag kam eine Schachtel von der Fr. v. Frankenb. darinnen Neujahr Geschenke für die Kinder waren, die ihnen allen unsägliche Freude machten. August gebärdete sich vor Freude ganz ungebärdig, er bekam einen englischen Farben Kasten der gewiß 3 Louis d. wert ist; sie werden Dirs beschreiben; die Geschenke sind gewiß über 10–12 Louis. wert. ich war recht verlegen darüber. Nun wollten wir uns den Mittwoch hinsetzen u. ihr schreiben, da trat Goethe herein, den ich seit 14. Tagen nicht gesehn habe. Er nahm Teil an der Freude, schrieb den Kindern ihre Briefe, die sie wieder abschrieben u. buchstabierte dem Emil den Seinigen vor; in einer Stunde war alles expediert, ich bitte Dich daß Du Ihr einen guten herzigen Brief schreibst. [ . . . ]
Ich habe das 88ziger Jahr fromm u. still beschlossen. Gott hat uns darinnen viel gegeben u. viel genommen. Mögen wir durch alle Ereignisse unsres Lebens mehr zur Erkenntnis der Wahrheit kommen! Ehe ich zu Bette ging schlug ich noch in meinem Schatzkästlein auf, das mich zu jeder Stunde, wenn ichs bedarf unterrichtet u. stärket, ich schlug auf: ich will einen ewigen Bund mit ihnen machen, daß ich nicht will ablassen ihnen Gutes zu tun u. will ihnen meine Furcht ins Herz geben daß sie nicht von mir weichen, u. soll meine Lust sein daß ich ihnen Gutes tun soll. Und will sie in diesem Lande pflanzen treulich von ganzem Herzen, u. von ganzer Seele. Ich will ihnen ewiglich behalten meine Gnade.« Dies war zum Beschluß des Jahrs. Und zum Anfang hieß es: Lasset uns Gutes tun u. nicht müde werden denn zu seiner Zeit werden wir ernten ohne Aufhören – (u. auf der andern Seite) Lasset kein faul Geschwätz aus Euerm Munde gehn, sondern was nützlich zur Besserung ist, da es Not tut, daß es holdselig sei zu hören u. betrübet nicht den heiligen Geist Gottes pp. – Der erste Tag im Jahr war heiter, gut u. still. Die Kalbin u. die Steinin besuchten mich, weil ich einen gewaltigen Schnupfen habe. Sie grüßen Dich gar sehr. Auch Ludecus war bei mir, u. empfiehlt sich Dir. Er ist gar gut u. sehr honett; gedenke doch namentlich seiner in Einem Brief.
Goethe hat mir seine abgedruckten Gedichte gegeben, u. da ich nach dem Abendessen allein war, las ich darinnen. Ich war aber in keiner Stimmung dazu. Ich mußte etwas frommes u. heiliges haben. Da schlug ich in Deinen zerstreuten Blättern auf u. fand die Lerche. Lieber Engel ich kann Dir nicht ausdrücken was mir das Lied in diesem Augenblick geworden ist! Es war wie vom Himmel zu uns beiden gesprochen, u. ich bin außerordentlich heiter darnach geworden. Jede Zeile hast Du für uns empfunden u. gedacht. O möchtest Du es doch jetzt wieder lesen u. mit mir gleichempfinden.
Genieße glückliche Tage an dem Ufer des Meers in dem glücklichen Neapel mit der gütigsten Herzogin u. Ihren Gefährten. Der Herz. küsse ich mit zärtlicher Liebe die Hand. Nie hätte ich geglaubt daß Ihr Andenken mir so süß sein wird. Sie hat auch meiner in dem Brief an die Herzogin gedacht auch an sie Beide von Dir Gutes geschrieben. Ein guter Genius sei bei Euch!
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Noch eins. Der Herzog sagte mir, daß das unbekannte Geld nicht vom Markgraf sei: er habe Edelsheim darüber schriftl. befragt u. dieser geantwortet: es sei nicht von ihnen, an solche edle Taten glauben sie nicht.
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Weimar, 2. 1. 1789
Liebster Vater
Nun muß ich Ihnen auch von dem Neujahrs-Geschenk, welches ich von der Frau von Frankenberg bekommen habe erzählen: Ich habe einen exzellenten Farben Kasten, wo die Farben nicht in Muscheln, sondern in 4 eckigen Stückgen sind, mit 3 Bleistiften worunter ein weißer ist. Und unter dem Farbenkasten, ist ein Schub kästchen, wo Rötel, weiß u schwarze spanische Kreide ist, auch eine goldene Feder mit einem Bleistift. Ich gratulieren Ihnen zum neuen Jahr, u wünsche Ihnen viel Glück u Vergnügen, u freue mich, daß ich Sie dies Jahr wieder sehn werde. Leben Sie wohl u behalten Sie lieb
Ihren gehorsamen Sohn August Herder.
den 2ten. Januar 1789.
[Weimar,] den 2. Jänner 1789.
Lieber Vater
Wir haben zum Neuen Jahr geschenkt von der Frau von Franckenberg gar schöne Sachen geschenkt gekriegt. Ich habe 1) ein Etui, wo ein schönes Messergen darin ist, 3 Federn gar schöne kleine Oblädien, welche classiert sind und kleine Gläserchen wo man allerhand hinein tun kann. 2) Ein Elfenbeinernes Fuderal wo eine Bleifeder darin ist welche sehr dick ist. Die Elfenbeinerne Bleifeder ist gerade ein halben Schuh lang sie hat auch aben wo man sie aufschraubt einen goldenen Ring. Ich gratuliere Ihnen auch viel tausend mal zum Neuen Jahr, und wünsche daß Sie es noch viele Jahre erleben mögen. Leben Sie wohl und behalten sie lieb
Ihren gehorsamen Sohn Wilhelm Herder.
Weimar, 2. 1. 1789 [?]
Lieber Vater
Ich bin wieder gesund und habe zum heil Christ bekommen Spinnrädchen und eine schöne Puppe die die Mutter gemacht hat, u bekomme ein Asch graues Staub Röckchen [von Caroline Herder ergänzt: das noch beim Schneider ist]. Vom der Frau von Franckenberg haben ich einen Blau und Goldenen Ring mit Perlen bekommen leben Sie wohl im neuen Jahr.
Ihre gehorsame Tochter Luise Herder.
Weimar, 2. 1. 1789[?]
Lieber Vater
ich habe eine blau und goldene Nadel bekommen darauf steht eine weiße Frau und hat ein Füllhorn im arm ich gratuliere ihnen zum neuen Jahr lieber Vater
Emil Herder.
Napel den 6. Jan. 89.
Liebes Weib. Ich bin glücklich in Neapel. Ehegestern Nacht kamen wir an, die Nacht vom Sonn- auf den Montag: die Reise war beschwerlich, denn die schönen Orangenwälder dieses glücklichen Erdstrichs liegen unter ungesehenem u. unerhörten Eise: ein trauriger Anblick, u. Pferde u. Menschen, die des Schnees, des Eises u. der Kälte eben so ungewohnt waren, konnten sich auch nicht drin finden u. fanden es brutta cosa bei solchem Wetter zu reisen. Wer konnte es aber voraussehn? u. am Ende hoffen wir, daß es gar nicht von Dauer sein soll. Trotz der Kälte ist die Luft hier, wie ich sie Zeitlebens noch nicht gefühlt habe, balsamisch u. erquickend. Vom drückenden Rom befreit fühle ich mich wie einen ganz andern Menschen, wiedergeboren an Leib u. Seele. Was muß das für ein Aufenthalt sein, in der schönen Jahrszeit? Ich glaube, man vergißt hier die ganze Welt u. wünscht, mit den Seinigen hier nur zu sehen, nur zu atmen. Wir wohnen am Meer mit der schönsten Aussicht, die ich Dir ein andermal beschreibe, wenn ich alles gesehen habe; jetzt sind wir noch so enge beisammen, weil wir nicht gnug Zimmer haben erhalten können, daß ich zum Schreiben meine Seele noch nicht recht ausbreiten kann. O wenn Du mit den Kindern hier wärest! Hier wünschte ich Dich, nicht im verwünschten Rom; hier ist eine Welt die Gott gemacht hat, Gesundheit, Ruhe u. Leben. Ich glaube es den Napolitanern, daß wenn Gott sich eine gute Stunde machen will, er sich ans himmlische Fenster legt, u. auf Napel herabsiehet: Auch sehe ich, oder fange an zu fühlen, wie man ein Grieche sein konnte. Schade, daß dieser Aufenthalt, doch endlich nicht lange für mich sein kann, u. daß ich ihn nicht ganz werde genießen können, wie ich ihn wünschte. Doch man muß nehmen, was da ist.
Die Herzogin ist gesund u. grüßet Dich sehr: sie ist gütig gegen mich u. liebreich. Tischbein u. Meier habe ich auch schon kennen gelernt; 2. gute Menschen, insonderheit Meier, den ich in Rom wünsche gehabt zu haben, oder noch haben zu können. Der alte Reifenst. ist auch mit uns; er ist heut in Kaserta bei Hackert u. krüppelt auf seine Weise herum. Sonst kann ich Dir nichts schreiben: denn ich kenne noch nichts von Napel; gestern hielt mich die Kälte zu Hause, u. die ersten Besuche. Auch Dalberg habe ich noch nicht gesehen. Denke einmal, Cacault ist hier, der bei uns in Bückeburg war, das erste Jahr unsrer Verheiratung. Er ist Französischer chargé d'affaires hier, u. hat sich gestern u. heut mit einem Zettel gemeldet, weil er selbst krank ist. So trifft sich alles in der Welt wieder.
Als ich von Rom ausreiste, war die Post wegen der ungeheuren Kälte noch nicht da, sie ist also 2. Tage später angekommen, als sie sollte. Rehberg schickt mir die Briefe nach, schreibe also nur unter der vorigen Adresse fort; mich verlangt herzl. nach Deinem Br., da es jetzt fast 14. Tage ist, seit ich den letzten empfing zum Christtag.
Lebe wohl, liebes Weib, lebt wohl, Ihr lieben Kinder. Ihr müsset dort schreckliche Kälte haben; o wenn ich Euch in Napel hätte! O wenn wir hier unser bißchen Leben ausleben könnten, wie wir wollten! Es ist unsäglich u. unaussprechlich. Lebe wohl, lebe wohl!!! meine Einzige, süße Liebe, Du Griechin solltest hier leben.
Schreibe doch ein paar Zeilen zu dieser schnellgeschriebnen Einlage. Lebewohl.
W[eimar,] den 9. Jan. 789.
Den Dienstag Abend kamen endlich die 2 ausgebliebenen Briefe an, vom 13 u. 20. Dez. datiert, u. die sich wegen der üblen oder undurchgänglichen Schneewege verspätet hatten. Unser aller Freude war sehr groß, u. mich haben sie sogleich gesund gemacht, ich lag an einem Fieber mit Halsweh zu Bette, das ich mir den Tag vorher bei der Stein, geholt hatte. Gott belohne Dir Deine Herzensworte lieber Engel, u. gebe Dir was Dein Geist u. Herz bedarf. Dein Wohlsein u. Deine frische Gesundheit ist meine Glückseligkeit; u. ich sehe daß das gute Schicksal, das in allem über uns wacht, auch unsre Hoffnung der Reise nicht läßt zu Schanden werden. Als eine Kurreise haben wir sie im ersten Augenblick betrachtet; u. ich sehe daß sie Dirs für Seele u. Körper sein wird. Bereite Dir doch der l. Gott ein solches Los, daß Du den Verlust Deiner jetzigen Freiheit nicht zu sehr empfinden mögest, wenn Du wieder zu uns heimkehrest! ich vertraue dem guten Schicksal fester als jemals; nichts kommt mir in unsern Ereignissen, beinah mehr willkürlich vor. Sollte auch Deine Abwesenheit nur darum gut gewesen sein, damit Du den strengen Winter hier nicht aushalten durftest. In Deiner großen Stube wäre nicht auszuhalten; u. das predigen vollends, wo der Atem vor dem Munde beinah erstarrt, ist Gift für die Lunge. Täglich u. stündlich preisen wir Dich glücklich daß Du nicht bei uns bist. Du hast gewiß einen guten und glücklichen Genius über Dir – o daß wir ihn nie beleidigen mögen! – Emil war durch die 2 Briefchen die er auf einmal erhielt so glücklich, daß er über u. über glühte, u. läßt seitdem die Brieftasche nicht von sich. Wer nur hereinkommt, der muß es wissen, daß ihm der Vater geschrieben hat. Er entwickelt sich allerdings nach den Blattern merklicher; seine sinnliche fröhliche Selbständigkeit hat ungemein zugenommen, so wie sein Trotz auch; er gefällt mir aber auch darin so wohl, daß ich ihn nie strenge behandle. Die Begierde zum lesen hat durch die bibl. Historie so sehr zugenommen daß ich glaube er wirds in kurzer Zeit können. Seine Jovialität weiß oft keine Schranken u. ich erfreue mich selbst an ihm, u. sehe wie sie sich den andern mitteilt. O wenn er Deine Briefchens liest, so sieht er gar holdselig vergnügt aus, ja als die Glückseligkeit selber. Er wird in allem Guten unser Flügelmann sein, wenn Du wiederkommst. Obwohl die andern alle gut u. fröhlich sind, so trägt er doch den Kranz vor. Auch danke ich für das Briefchen an Luisgen, ich hoffe es soll gute Wirkung tun bei der weibl. Arbeit. Sie hat doch wieder gestrickt, u. das Spinnrädchen getreten. Es ist aber vor der Hand nicht ihr Element.
H. SteuerRat Ludecus kam vorgestern gleich zu mir u. sagte daß die Reise nach Neapel auf den 31. Dez. gesetzt sei, u. daß Einsiedel sehr zufrieden darüber sei, daß Du mit ihnen gingst. Auch hätte ihm die G[öchhausen] im Vertrauen etwas von dem albern Aufenthalt des D. mit der S. geschrieben. Kurz, es ist gut, daß sich alles so hübsch mit der Herzogin macht, daß sie so artig u. liebreich ist. Sie ist Deine Nemesis in Italien, sage Ihr das in meinem Namen untertänigst, u. wie ich Ihrer Gottheit täglich ein Opfer des dankbarsten Andenkens bringe. Wenn das alles nun einmal mündlich, beim Kaminfeuer, so wird erzählt u. angehört werden, die Abenteuer der Reise! welch schöne Aussichten! Ich hoffe es wird doch H. v. E[insiedel] u. Frl. G[öchhausen] auch ein Tagebuch der Reise machen, das ihnen nur wenigstens ein Fingerzeig wird zum Erzählen. Einsiedel ist schon durch seine matinée verpflichtet es zu tun. Bitte sie Beide in meinem Namen darum.
Den Montag ward ich zum Tee bei die Stein eingeladen, die Herzogin bat sich eine kleine Gesellschaft bei ihr aus. Sie war also da mit der Waldner (die Dich gar oft oft grüßet) der Herzog, Kalbin, Schardt, Moriz u. ich, der Stein versteht sich, u. die Voß die Tee einschenkte. Goethe kam mit Moriz, ging aber bald wieder nach Hause; er arbeitet viel am Tasso, u. Moriz soll nicht eher reisen, bis er damit fertig ist. Der Herzog brachte endlich den Moriz darauf daß er die Fortsetzung seiner Lebensgeschichte erzählte, u. wir hatten denn einen sehr intressanten Abend. Da das Quecksilber diesen Tag so veränderlich auf u. niedergefallen ist, so vermutete man von Erdbeben zu hören; u. da ist Rom immer der erste Gedanke; Moriz bewies aber daß man in Rom am sichersten sei, weil durch die Katakomben alles untergraben sei. Das war denn ein großer Trost für mich. In Napel sichert Euch der Vesuv; u. wir wünschen alle daß er Euch ein schönes Schauspiel zeige. An Knebel habe den Br. nach Jena geschickt, er hat sich wieder dort eingenistet. Über Morizens Aufsatz über die Kunst, hat er zu ihm selbst gesagt, ich kann es nicht ganz gelten lassen, es zerstört mir meine Existenz.
[ . . . ] Ich habe Dir die 12 Lieder der Madagasker abgeschrieben; einige darunter sind sehr schön; es sind die sinnlichen; deren bedarfst Du jetzt nicht, da Du in dem sinnlichen Napel lebst; ich wollte fast wetten, daß Du mir in dieser Nacht, vom 8–9t. untreu – nein das nicht – nur daß Du genossen hast. ich habe einen närrischen Traum diese Nacht gehabt. Goethe warnte mich aber letzthin sehr ernstl. vor meinen Träumen – das schlimmste dabei sei: sie machen den Verstand krank.
Über den ersten Punkt hast Du längst mein Bekenntnis – das macht mir keine Unruhe, von dieser Torheit bin ich frei; u. die Träume machen mir, als Kräfte der Seele, doch Freude, sie mögen mir auch sagen was sie wollen. O mein Innigster, mein Herz u. Geist ist Tag u. Nacht bei Dir; ich muß wohl wissen wie es Dir geht, es wäre ein Wunder, wenn ichs nicht wüßte. Auch für die Erfrischung unsres Lebens, unsrer Liebe, ist Deine Entfernung gut u. wir werden noch die Abendröte zu nutzen wissen. Gott gebe mir Kraft u. Weisheit dazu. Deine Lerche habe ich seitdem oft u. oft gelesen. Gottfried soll sie deklamieren, ich möchte sie ihm tief in sein junges Gemüt prägen. [ . . . ]
Deine eigene Bemerkung der treffenden drei Zahlen 789, hat mich sehr aufmerksam gemacht – Es wird auch für uns ein gutes Jahr werden, wo wir eins aus dem andern erkennen werden, u. wo Dich die heilige 9 wieder zu uns bringen wird! was wir säen, werden wir ernten, das lehren uns diese drei.
[ . . . ]
Weimar, 9. 1. 1789
Liebster Vater.
Ich habe Ihnen das vorige mal nicht geschrieben, ich will es daher einholen, was ich versäumt habe. – Einige Tage vor dem neuen Jahre bekamen wir alle Geschenke von der Frau von Frankenberg. Ich bekam ein prächtiges Etuis, mit einem goldnen Schloß, das gewiß ein paar Louisd'or kostet. Es ist vollständiger als alle die ich habe und hat mir eine große Freude gemacht. Vor einigen Tagen lag die Mutter und ich am Halsweh krank, und seit 14 Tagen hatten wir keine Briefe von Ihnen. Da machten Sie uns durch Ihre 2 lieben goldenen Briefe beinah völlig wieder gesund. Doch hat ein Gläschen Punsch auch das seinige getan. Sie schreiben soviel gutes, holdes und liebes darinnen!! – Aber unter andern auch daß Sie schwerlich einen Fund im Vatikan tun würden, ich hoffe es aber gewiß, wenn Sie sich nur den Weg nicht verdrießen lassen; Doch lieber Vater, Sie haben durch Ihre bessere Gesundheit ja selbst den besten alten Autoren gefunden! Hiemit sind wir zufrieden. –
Mich dauert meine Uhr, die Sie verloren haben, doch noch mehr die Petschafte, denn ich kriege doch eine andere wieder, die vielleicht noch schöner sein wird als die vorige. O könnten Sie uns doch jetzt italienische Luft schicken. Wir haben hier einen solchen kalten Winter, wie wir ihn in vielen, vielen Jahren nicht gehabt haben. Die halbe Stadt hat Halsweh und den Schnupfen und es ist rechter Holzmangel.
Da der Herr Moritz noch hier ist haben wir den Anton Reiser wieder beherziget und ich habe ihn mit großem Vergnügen wieder gelesen, es ist ein vortrefflicher Mensch. Leben Sie wohl liebster Vater. Schreiben Sie uns recht viel von Neapel. Mich freuts recht daß die Herzogin so gnädig gegen Sie ist, und daß Sie mit ihr nach Neapel gehn. Vergessen Sie mich auch dort nicht, ich habe in diesem neuen Jahre wieder frische Liebe und frischen Gehorsam geschöpft, und die alte Liebe mit herüber genommen. Bleiben Sie nur gesund und bringen Sie Ihre gesunde Farbe auf immer mit hieher. vale, χαιρε. behalten Sie lieb
Ihren gehorsamsten u. Sie zärtlichst liebenden Sohn
Gottfried Herder.
grüßen Sie Werner.
W. d. 9t. Januar. 1789.
[Weimar,] den 9 ten Jänner 1789
Lieber Vater
Ich habe ein Reißzeig bekommen und zwar ein sehr schönes. Es sind erstlich 3 Zirkel, die man einschraubt, ein Linial, Winkelmaß, Transporteur und 2 Muschelchen. Ein Reißzeig kostet 4 Gulden wir haben uns alle darüber alle gewundert daß es so wenig kostet und jedermann ratet einen Carolin. Wenn wir doch nur so schöne Veilchen hätten wie Sie dort, Sie haben Veilchen, und wir haben Schnee und dickes Eis. Es ist hier so kalt wie ich gehört habe, daß schon viele Menschen erfroren sind. Es ist auch eine große Veränderung in der Natur vorgefallen, nämlich das Quecksilber ist auf einmal gestiegen, und wiedergefallen, der Herr Schäfer sagte es wäre ein Erdbeben gewesen bei Frankfurt. Die Frau Osan läßt Ihen auch grüßen. Leben Sie wohl und behalten Sie lieb
Ihren gehorsamen Sohn Wilhelm Herder.
Weimar, 9. 1. 1789[?]
Lieber Vater
Ich habe von der Frau von Frankenberg ein Schönes Eckqui bekommen, welchen man pflegt in die Tasche zu stecken aber es man nicht verliert, aber ich bin so Gescheit. Ich hab es der Mutter gegeb, die Schere hat einen Goldenen Griff. Leben Sie wohl. Ihr getreuer Sohn
Adelbert Herder.
1789.
Weimar, 9. 1. 1789 [?]
lieber Vater
Ich habe mich sehr gefreut über den Brief, über die schönen Bäume und über die schönen Veilchen. Hier sehn wir noch keine Veilchen es liegt ein kalter dicker Schnee überall unsere Schule ist auch wieder angegangen nun wollen wir wieder fleißig sein den ich will nicht faul werden wie die italienischen weiber damit Sie mich auch so Lieb haben mögen wie Sie die liebe Mutter haben. Leben sie wohl. Ihre Gehorsame
Tochter Luise Herder
Weimar, 9. 1. 1789
Lieber Vater!
ich habe mich sehr gefreut über die 2 Briefe ich habe sie in Meine briefetasche gesteckt und lese sie gar oft denn sie gefallen mir gar zu wohl ich möchte allen Meschen gern erzähln ich darf Aber nicht aus gehn als nur bei dem Erbprinsen den Sonntag gehe ich ins Konsert die Herzogin hats gesagt ich komme bald in die biblsche Historig da will ich Viel draus er zählelen leben Sie wohl lieber Vat. ihr gedreier Sohn
Emil Herder.
Neapel, 11. 1. 1789
Monsieur
Mi prando la libertá di pregarvi di un favore. S. Altezza mostró sommo gradimento nel vedere i Guanti della Lana-Pinna di Taranto: Io non ardisco di presentarcene quattro paja, se voi non accompagnate la semplice offerta colle piú sincere dimostrazioni del mio rispetto. L'aria di questa Pupa, le sue maniere, i tratti della sua vivacitá, la grandezza delle sue riflessioni hanno un certo grado di forza sul mio spirito, che ne vivo sommamente incantato. Vorrei dirvi mille cose; ma poiché i Sovrani hanno la disgrazia di esiggere generalmente gli applausi delle Nazioni, perció mi trattengo di parlarne piú oltre: il solo sospetto che i miei sentimenti possano sembrar figli della vile adulazione, mi arresta.
Spero che questa sera voi sarete nella nota societá dell' amabile Dama; almeno il mio cuore lo desidera.
Intanto credetemi che sono pieno di stima.
Il Vostro Div:mo Servitor Vero
Giuseppe Arciv:vo di Taranto.
Di Casa 11 dell' 89
Napel den 12. Jan. 89.
Noch keinen Br. von Dir, lieber Schatz, in diesem ganzen Jahre: den vorigen erhielt ich den 24. Dez. Zwei Kuriere waren in Rom ausgeblieben, des Frostes u. Schnees wegen; ob es auch der 3.te sei, weiß ich nicht; ich muß es aber fast glauben, weil keiner von Uns heut wieder Briefe gehabt hat. Desto größer wird die Freude sein, wenn das Pack kommt.
Auch in Napel ist das Wetter bisher nicht von der Beschaffenheit gewesen, daß wir viel haben sehen können; u. was noch schlimmer ist, sind wir so enge logiert, indem ein Russischer Admiral zu Lande noch nicht fortwill, der schon den 29. Dez. fortwollte. Die Luft ist indessen auch in Kälte, im Scirocco u. im Sturm des Meers hier so schön, daß man alles andre vergißt, u. nur atmen, sehen, essen u. trinken möchte. Auf meiner ganzen Reise habe ich mich nicht befunden, wie hier; ich esse u. trinke für 4. Personen, u. es bekommt mir recht wohl. Ich bin gerade in dieser Seeluft, wie ich war, als ich die Meere durchstrich, u. hoffe bloß durch Napel gesund u. gestärkt zurückzukehren. Hier ists nicht möglich, daß Jemanden ein Wölkchen auf die Stirn kommen, oder lange darauf weilen sollte; man gibts der Luft u. den Winden. Und wenn der König mich hier irgendwo zum Erzbischof machte u. der Papst mir erlaubte, Dich u. die Meinigen zu behalten: so kämest Du mit den 6. Kindern nach oder vielmehr ich holte Dich ab, u. wir wollten hier leben. Und das ist jetzt in der stravagantsten Jahrszeit, da alle Elemente für die Italiener ungewöhnlich in Rumor sind; was muß es sonst sein! Lasset uns das bißchen Luft genießen, so lange wir hier sind u. mit traurig-vergnügtem Herzen nachher scheiden. Rom ist eine Mördergrube gegen diesen Ort, u. ich sehe jetzt gar wohl, warum es mir da nie recht wohl ward. Ich wollte, daß alle Gegenstände des Studiums hier wären.
Hier habe ich den Erzbischof von Tarent kennen lernen, den gescheutsten, lebhaftsten, gelehrtesten, sinnreichsten, liebenswürdigen Geistlichen, den ich je gesehen habe. Ich habe mit ihm schon 5.mal Konversationen gehabt, u. habe einen Ort, wo ich fast täglich ihn sehen kann, welches mir denn sehr wohl tut. Heut Mittag habe ich ihm Visite gemacht, u. bin nach 2. Stunden mit allen seinen Schriften, die er mir schenkte, von ihm gegangen. Ich werde Dir viel von ihm erzählen. Hier sind andre Menschen, als in Rom; auch andre Schriften: auch in diesen bin ich schon recht glücklich. Auch Italienisch wollte ich nirgend als hier lernen, hier lernte sichs von selbst – Gott sei herzl. gelobt, daß ich hier doch wenigstens in der Luft einen Genuß meiner Reise habe. Wenn Ihr alle hier wäret, gingen wir auf den Sommer auf die Insel Ischia, u. lebten da, von der Welt abgeschlossen u. als ob uns alle Welt gehörte.
Nun Gott sei mit Dir, liebe Liebe! u. mit unsern Zweigen. Ich denke oft an Dich, wenn ich das Meer anschaue, u. wünsche, daß es mir immer sowohl sein könnte u. diese Physiognomie mir auch hinter der Peter-Paulskirche bliebe. Sie wird mir indes gewiß eine lange Zeit bleiben, u. ich danke Gott für Napel. Wenn ich etwas mehr Zeit u. Raum haben werde, will ich den Kindern von diesen Gegenden u. Orten schreiben; da geht nichts drüber. Himmel u. Hölle, Elysium u. der Tartarus ist hier erfunden, Homer u. Virgil haben das einzige Ewige ihrer Gedichte aus Einer Gegend genommen, die vor meinen Augen ist, rechter Hand vor meinem Fenster. Lebewohl, Liebe, alle guten Geister sein mit Dir, o wenn Du hier wärest. Grüße die Kleinen u. Großen, auch Göthe, Knebel u. alle Freundinnen, denen Du allen sagen kannst, daß ich in die Juno u. Venus-Amphitrite d. i. in Luft u. Meer, verliebt bin, u. daß es mir recht wohl ist. Wenn ich nur erst Briefe von Euch hätte. Auch für meine Philos[ophie] der Gesch[ichte] habe ich hier in 8. Tagen mehr erwischt als in Rom in 3½ Monat. Lebe wohl, Einzige beste.
H.
W[eimar,] den 16. Jan. 1789.
Die üblen Wege haben mir auch heute nichts von Dir gebracht, liebes Herz; es sind 10 Tage da ich die letzten Briefe erhalten u. auch darauf geantwortet habe. Ich muß Dir aber dennoch heute schreiben mein lieber Einziger – mich quält die dumme Stelle vom Traum in meinem letzten Brief; ich bitte Dich tausendmal, verbrenne den Brief oder schneide die Stelle aus. Unmut, Scham u. Verdruß darüber, haben mich in diesen 8 Tagen recht gepeinigt. Ich kanns nicht begreifen wie ich so was habe schreiben können. Mein Fieber, Halsweh u. die Kälte verstimmten mich damals sehr, ich wollte davon nichts merken lassen u. überspannte mich zu dieser Albernheit – o laß mich dadurch nicht unwert bei Dir werden! Die Kälte hat mir Körper u. Seele zusammengeschnürt – seit 6 Tagen ist es Tauwetter, mit dem auch mein Herz wieder weich geworden ist. ich habe Deine letzten Briefe oft wieder gelesen u. mit Tränen gelesen, daß Du mich so lieb hast – Gott gebe daß ich sie verdienen u. wert werden möge! ich habe einen süßen u. einzigen Genuß darinnen daß ich wieder mit Wehmut an Dich denken kann. Du bist unzertrenn[lich] bei mir. Gottlob daß die Hälfte Deiner Abwesenheit nun überstanden ist! Die folgenden 5 Monate werden schnell verschwinden; ich rechne daß Du im Juni oder Juli zu uns kommen wirst; u. dann ist alles ein Traum gewesen; u. doch kein Traum; die Gesundheit u. den guten Mut den Du erbeutet hast, ist ein Schatz für uns alle; im stillen Gebet danke ich Gott dafür u. bitte es uns zu erhalten. Die Kinder sind alle wohl u. küssen Dich 1000mal; sie haben nicht geschrieben, weil heute keine Zeit dazu war; Emil aber tut es nicht anders, er legt sein Blättchen bei. [ . . . ] Goethe Gedichte sind noch nicht ganz fertig; ich habe sie 2 Tage gehabt aber gleich wieder zurück geschickt – es war ein Stachel für mich drinnen; der P. Brei ist nach dem Plundersweiller Jahr. vorgedruckt es hat mir sehr weh getan daß ers nicht weggelassen hat. ich kann in den nächsten 4 Wochen nicht mit ihm leben; er ist mir fatal.
[ . . . ] Hier ist ein Br. an Werner von seiner Mutter, sie ratet ihm ab, die Henriette zu heuraten, er ist übel dran, heuratet er sie, so wird er freilich nicht glücklich; u. heuratet er sie nicht, so ist er ein Schurke. Die Wiederkehr wird entscheiden. Der besten Herz. empfehle ich mich untertänigst u. den guten Reisegefährten, u. freue mich täglich daß Du zu Ihr gehörst. Sei glücklich u. heiter lieber Einziger, Du meine Seele u. mein Alles. Bleibe mir gut u. denke gern an mich, mein Herz ist immer bei Dir.
Weimar, 16. 1. 1789 [?]
Lieber Vater
ich habe vom Adelberd Esops Fabeln geschenkt bekommen und lese dar innen beim Herrn Zöllner: ich habe heute angefangen: nun werden Sie den großen Berg sehn wo Feuer heraus kommt: Jetzt kommen Sie Bald wieder.
Ihr getreuer Sohn Emil Herder.
Napel, den 19. Jan. 89.
Ich bin gesund im schönen Napel, liebe Liebe, das wird Dir gnug sein. Wir kommen eben aus Pompeji u. haben zugleich nebst einer Maccaroni-Fabrik die Herkulanischen Gemälde durchsehen, an einem sehr schönen, reizenden Tage. Luft, Himmel, Berge, Meer u. Erde sind ein Zauberanblick, in den man wie versunken ist, so daß man darüber kein Wort hat. O eine Gegend! Man fährt mitten im Winter durch Gärten Adonis u. wird von dem holden Traum trunken. Lange indessen könnte ichs hier nicht aushalten in dem Zustande, worin ich bin; meine einsame Seele wiegt sich zuletzt in den Wellen des Meers zum Abgrunde oder in die Ferne traurig, traurig. Ehegestern fuhr ich allein um den Pausilipp herum wie hinein in die Abendröte u. kam so sanft-traurig wieder, daß ich 3. Stunden hernach wie stumm war. Verzeihe mir also, daß ich aus Napel überhaupt u. auch jetzt Dir so wenig schreibe. Wenn wir durch sind, will ichs an die Kinder tun, die Du darüber versichern u. darauf verweisen kannst; denn liesest auch Du es; noch ist mirs unmöglich. Die Herzogin ist wohl u. gegen mich gütig; wir leben alle gut mit einander, nur sind wir Mannspersonen enge bei einander, durch des alten Reifensteins dumme Bestellung u. weil ein Russischer General nicht fort will, der schon den 29. Dez. abreisen wollte. Übrigens ists entsetzlich teuer in Napel, daher wir auch nicht überlange hier sein werden. Was ich in Napel suche, finde ich sehr u. werde es von Tage zu Tage mehr finden. Grüße Zinserling; mit nächster Post schreibe ich nach Göttingen für ihn. Die Bücher, die Du mir gesandt hast, höre ich, sind in Rom angekommen; habe den besten Dank dafür. Du klagst über die Verspätung meiner Br.; sie müssen alle kommen; jede 8. Tage habe ich richtig geschrieben u. sie sind durch Werner sicher auf die Post gekommen. Frost u. Schnee haben wahrscheinlich die Posten irre gemacht, wie ich denn auch in 3. Wochen keine Br. von Dir gehabt habe. Vorigen Donnerst, kamen 2. mit einander, u. der morgende Tag, hoffe ich soll mir wieder 2. bringen, weil die Bahn offen ist; zähle darnach meine Br. über, ob Dir welche fehlen. Der Br. an Einsiedel ist bestellt. – Grüße Göthe, u. Knebel; u. sage dem letzten, daß ich ihn oft herwünsche, mit ihm am Ufer des Meers spazieren zu gehen, den Vulkan mit ihm zu besteigen, am Grabe Sannazars, auf Capo di Monte oder sonst mit ihm in magna Graecia zu philosophieren. O wie ist die Natur hier groß u. schön! Ich glaube, meine Seele ist von hier nach den Nordländern herübergeflogen; hier, wenn ich hier meine Heimat hätte, wiegte sie sich wie ein Vogel auf den Zweigen. Jetzt aber fliegt sie höchstens wie eine See-Möwe, sich ein paar Fische zu holen. Lebe wohl, liebe, küsse von mir die Kinder, u. wenn es anginge, küsse Dich selbst von mir, holde Seele, mein einziges, inniges Leben. Ich könnte hier wiedergeboren werden, wenn ich nicht so alt wäre u. jemand um mich hätte, mit dem ich von Herz u. Seele lebte. Indessen bin ich gesund u. sehe die See u. den Mond drüber, u. die Lichter auf ihr, die da fischen, u. höre in der Nacht die hohen Wellen brausen. Lebe wohl, Engel, u. denke an Deinen einsamen Ulyßes am Ufer des Meers freundlich. Alle guten Geister sein mit Dir; meine Sehnsucht sendet sie Dir über Meer u. Berge zu, u. ziehet Dich oft her in meinen Gedanken. Lebe wohl, meine liebe! Grüße die Kalbin, Steinin, Schardtin u. empfiehl mich der Herzogin, ihr dankend für ihren guten, gnädigen Brief. Addio, cara, carissima mia, addio! addio!
W[eimar,] den 19. Jan. 1789.
Gestern Abend spät kam Dein lieber Brief vom 27. Dez. auf den ich sehnlichst gehofft hatte, lieber Einziger, als auf eine Seelenerquickung; u. das ist er mir denn auch gewesen. Deine zusammengezogene Summe des 88ziger Jahrs, ist meine innigste u. stumme Empfindung am Ende desselben gewesen, u. Du hast mir sie wieder wehmütig rege gemacht. Laß uns aber das Schicksal für alles danken; wir haben doch noch immer süßes aus dem bittern gezogen, u. bittres aus dem süßen – u. Beides gehört ja zum leben. Unser eigen Verhältnis ist aufs beste gesichert, das weiß ich, u. das fühlst Du ja auch – das einzige womit wir vielleicht nicht sobald ins Reine kommen können, ist freilich das Verhältnis mit andern.
Wir sind nun einmal gewohnt unsre Goldmünze zu geben; u das gefällt denn den Menschen, sie aber mögen, wollen u. können vielleicht nichts anders als Scheidemünze geben, u. so empfinden wir denn endlich den schlimmen Tausch, u. ziehn in unsre Zelle zurück u. lernen freilich da nicht mit Scheidemünze wuchern. Für die wenigen Monate, da Du noch unter Fremden leben mußt, wünsche ich beinahe daß Du mit Scheidemünze wuchern lerntest. Doch was wünsche ich! Ziehe nur über Dich selbst kein Resultat Deiner Reise. Du hast genug erbeutet, daß Du nicht hier gewesen bist. Das Schicksal hat es gut gemeint, glaube mir, u. wir wollen ihm vereint dafür danken, wenn wir wieder zusammen an Deinem Fenster stehn werden u. den Himmel ansehen. O Gott wenn ich in Deine Zimmer komme, wie ist mirs jedesmal! [ . . . ]
Man kann hier nicht begreifen warum die Herzogin [gerade] jetzt da sie nach Napel geht einen Palast mietet, da sie doch wenigstens 2 Monate dortbleiben wird, auch schließt man daraus daß sie den Sommer noch in Italien bleiben wird u. fürchtet die Hitze für ihre Gesundheit. Darüber wird doch wohl der Arzt Sorge tragen. Wenn ich die Herzogin wäre, ich würde den Sommer in der französischen Schweiz im pais de Vaux zubringen; einige Gedichte von Salis, haben mir das Land wieder gar lieb gemacht, u. eigentlich ist ihre Lebensweise u. ihr Klima dem unsrigen ähnlicher. Beinahe scheint es aber daß die Herzogin Goethe in Rom wieder erwarten will; u. es ist immer gut sich nicht zu genau um ihre Plane zu bekümmern. Goethe ist fleißig beim Tasso gewesen, wie mir gestern Moritz sagte; er ist aber noch nicht damit fertig u. pausiert ein wenig. Ich habe gestern u. vorgestern die Abhandl. von Moritz über die bildende Nachahmung des Schönen gelesen, die ersten Entwicklungen über nützlich, gut, schön u. edel dünken mich sehr wahr u. das übrige von der Bildungskraft ist mir auch einleuchtend, so wie ich das folgende alles als wahr u. vortrefflich empfunden habe, wenn es mir schon nicht völlig klar geworden ist. Knebel hat Zweifel dagegen, u. wünscht Deine Gegenwart, damit Du das Dunkle aufhellen mögest. Moritz ist der Prophet über Goethe; er schließt den eigentlichen Sinn über seine Stücke auf, u. weist den Mittelpunkt. Der reg. Herzogin hat der Mittelpunkt von Clärchen im Egmont nicht behagen wollen; ich weiß nicht ob er sie noch belehrt hat. Soviel ist gewiß, er hat eine helle u. verständige Vorstellungskraft u. ist ein echter Metaphysiker. Die Kalb war gestern auch bei mir, da er gerade da war; u. da den Tag vorher Kabale u. Liebe von Schiller gespielt worden, so mußte sies dulden daß er das Stück zergliederte u. bewies daß kein Funke poetisches Drama darinnen sei. Das ganze Gespräch lief darauf hinaus daß man nichts schlechtes dulden müsse, u. daß man dafür das Gute 10 u. 20 mal lesen ja bis zum auswendig lernen lesen müsse, wie die Alten es getan haben. Darunter rechnet er vorzüglich, Goethes Schriften, den Shakespear u. Homer von Voß übersetzt. Die Griechische Schaubühne sei uns vor der Hand noch zu hoch, ich teile Dir nun so abgerissen die Gedanken mit, u. weiß nicht was sie in der Ferne wirken. Du hast seinen Aufsatz auch gelesen; er sagte mir Du hättest ihn wahr gefunden. Moritzens Bekanntschaft freut mich um so mehr, da es ein wirklicher Schatz fürs Leben ist, einen verständigen Menschen mehr zu kennen, ob ich ihn gleich nicht so oft sehe; u. Goethe dieses Jahr nur wenige Minuten bei der Stein gesehen habe; ich habe ihm Deinen Brief heute geschickt u. er hat mir sagen lassen: Du hättest ihm viel hübsches geschrieben. Über das Geld sei unbekümmert, schreibe [mir] nur in Zeiten, damit Dus zu rechter Zeit erhaltest; 6 Wochen dauert es immer, ehe Du es nach Deinem Brief erhalten kannst. Du wirst aus einem meiner Briefe gesehen haben, daß der Herzog etwas hat tun wollen, daß es aber Goethe nicht für notwendig gehalten hat. Du hast mir nie geschrieben ob u. wieviel Du von Dalb. erhalten hast oder erhalten wirst. Dein Stillschweigen hierüber tat mir sehr wehe. Mags aber sein wie es will; Du sollst Geld haben soviel Du brauchst. Kaufe für niemand etwas als für die Frau von Frankenb. etwas ausgezeichnet Schönes, dazu wird Dir gewiß die Angelica helfen; empfiehl mich ihr u. bitte sie in meinem Namen darum, ich habe Dir geschrieben, Du möchtest der Herzogin etwas kaufen; das fällt jetzt von selbst weg, so wie für mich auch; ich hänge nicht daran; Du bist mir mehr als hunderttausend Ringe u. Gemmen, gedenke nur der Kinder mit etwas wenigem, u. lasse Dir nur selbst nichts abgehn. [ . . . ]
Nun lebe wohl liebstes Herz; ich freue mich, daß Du nun längst in Neapel bist u. die schöne glückliche Lage der Natur mit Leib u. Seele in der besten Gesellschaft genießest. Des Menschen höchste Kunst ist doch nur ein Abglanz von dem All der Natur, wie Moritz sagt; das All der Natur selbst ist ja doch mehr.
[ . . . ]
Weimar, 19. 1. 1789 [?]
Liebster Vater.
Ich sende Ihnen heute nur einen Gruß und Kuß, denn ich weiß nicht viel zu schreiben. Wir freuen uns sehr daß wir im neuen Jahr sind, wo wir Sie wiedersehen werden, und daß Sie uns auch gern wiedersehn.
O liebster Vater, wozu sollen viel Worte, um zu sagen, daß Sie mein liebster, teuerster, einziger Vater sind, und daß ich Sie zärtlich liebe!! – Gedenken Sie auch meiner im schönen Neapel, und auf dem rußigen Vulkan (der itzt speien soll); bringen Sie uns etwas von ihm mit, damit wir uns seiner desto lebhafter erinnern können.
In der Schule geht es noch den gewohnten Gang. In dem Buche, das ich als Prämie bekommen habe steht:
Iuveni ornatissimo,
Auditori suo praeter caeteros dilecto,
Gottfried Herdero,
Hocce munusculum,
Diligentiae morumque venustorum
Praemium,
offert
I. G. S. Schwabe.
Gymnasii illustris Conrector.
d. IV. Jan. 1789.
Nun leben Sie wohl, bleiben Sie gesund, lieben Sie mich und vergessen Sie nicht
Ihren gehorsamsten u. Sie zärtlichst liebenden Sohn
Gottfried Herder.
Grüßen Sie Werner recht sehr von mir, das nächste mal will ich ihm auf seinen Brief antworten.
Weimar, 19. 1. 1789 [?]
Lieber Vater
Ich habe ein Staub Röckchen bekommen ich sehe gar schön darin aus es ist Grau und hat einen Roten Kragen und Zackigt und ich bin darin gar Lustig Leben sie wohl. Ihre gehorsame Tochter Luise Herder
Weimar, 19. 1. 1789 [?]
lieber Vater!
ich habe mich über ihren Brief gefreut grusen Sie Werner u haben Sie mich lieb. Wenn Sie wieder kommen tue ich das grüne Kleid an das Sie mich sehen ich kriege auch weiße Hosen ihr Ihr getreuer bruder
Emil Herder
W[eimar,] d. 26.t Jan 1789.
Lieber Engel, ich hoffe daß Dein Willkomm in Neapel heiter, gesund u. warm gewesen ist; wie verlange ich nach dem ersten Brief daher. Heute ist keiner von Dir gekommen, es war wohl nicht möglich. [O] genieße der glücklichen Gegend dort, denn ich will Dich sobald nicht wieder auf so lange [Z]eit von mir lassen. Ich bin nun einmal mit der Wurzel meines Daseins so um Dich geschlungen daß mir nichts anderes Saft u. Kraft geben kann. Aber was wird Dir hier Saft u. Kraft geben? Wenn ich Dir [auch] nichts anderes sein kann, so will ich Dir dienen u. Dich pflegen, doch nur, wenn Du es gern annehmen magst. Doch laß uns die Zukunft still u. vertrauend erwarten.
[ . . . ] Moriz ist meist bei Goethe, da er nur noch wenige Zeit hier ist; er geht nämlich den 1. Feb. mit dem Herzog nach Berlin, dem er bisher Stunden im Englischen gegeben hat, u. gemeinigl. 2–3 Stunden oben bei Ihm zubringt; der Herz. soll in der kurzen Zeit viel gelernt haben. Überhaupt glaubt Knebel daß Moriz auf den Herzog einen milden Eindruck gemacht habe; Gott gebe daß es Bestand hat.
Es herrscht jetzt eine große Stille u. Ruhe hier. Man hört nur, daß Balken zum Schloßbau gefahren werden. Die Elisa Gor hat mir vor 6 Wochen geschrieben daß sie dieses Jahr hofft uns öfters zu sehen. Sie läßt Dir das schönste sagen. Ich muß ihr nun leider wieder antworten! [ . . . ]
Die Kalb u. Schardt habe ich lange nicht gesehen. Es ist ein Kot auf den Straßen daß niemand gehen kann. Gottlob daß wir alle wohl sind. Ach wenn ich Dich doch in einem Zauberspiegel sehen könnte! Meine guten Träume machen Dich mir oft sichtbar. Der gute Gott sei überall mit Dir.
Ich werde oft nach Deiner Rückreise gefragt u. kann niemand etwas Bestimmtes sagen, als daß Du bald nach Ostern von Rom abzureisen gedenkest. Wenn Du wieder von Neapel zurückbist u. Deinen Plan darüber gemacht hast, so schreibe mirs. Heute bin ich im Traum unter dem Bogen des Titus in Rom gewesen: es war dicht ein Wasser dabei, Luisgen u. Emil tanzten am Ufer miteinander u. fielen zusammen hinein; ich war in der größten Verzweiflung als sie auf einmal aus dem Wasser herausge[gangen] kamen. Wie leicht war mirs da ich den Traum überdachte. [ . . . ]
Weimar, 26. 1. 1789[?]
Ich umarme Sie liebster Vater, und drücke den wärmsten Kuß auf Ihre Lippen. – Behalten Sie mich lieb und bleiben Sie gesund, und kommen bald zu uns. Leben Sie wohl.
Ihr Gottfried
P. S.
Ich bin jetzt wieder recht wohl u. mache zum Zeitvertreib eine Kopei von einer stupend-großen Tabelle über die ganze alte Geschichte, vale
Weimar, 26. 1. 1789[?]
Liebster Vater.
Der H. Geheimrat von Goethe hat uns 2 Bilder geschickt wo Brunnen in Rom ganz mit Eis überzogen waren, und alles beschneit war, und ließ dabei sagen: so sähe es jetzt in Rom aus, aber Sie wärmten sich am Vesuv. Jetzt sind Sie in Neapel, grüßen Sie den Großvater der Berge den Vesuv. Adelbert kann nicht schreiben, er muß Exercitia machen, denn jetzt gehts scharf in Tertia, weil der H Subkonrektor krank ist so hält H Schäfer Schule u nimmt Willhelm u Adelbert mit hinein, er läßt Sie grüßen. Leben Sie wohl
u vergessen Sie nicht Ihren gehorsamen Sohn August Herder
[Weimar,] den 26 Januar 1789.
Lieber Vater.
Heute habe ich zwei Bilder gesehen, wo ich ganz darüber erstaunt war, nämlich, daß in Rom auch Eis und Schnee gibt, denn der Herr G. rat v. Göthe hat sie uns und der Mutter geschickt wo zwei Brunnen gefroren waren. Ich und Adelbert gehen jetz mit nach Tertia weil der Herr Subkonrektor ein böses Bein hat. Wir haben auch schon etliche mal Exercitium bekommen, wir machen auch in den Grigiischen alles mit wie Tertianer. Sie werden auch jetz sehen wie der Vesuvus Feuer speut. Nehmen Sie es nicht übel, daß ich Ihnen so wenig schreibe, denn wir haben heute wieder ein Exercitium bekommen und das müssen wir Morgen herweisen. Leben Sie wohl und behalten Sie lieb
Ihren gehorsamen Sohn Wilhelm Herder.
Weimar, 26. 1. 1789 [?]
Lieber Vater. 1789.
Es geht mit den Spinnrädchen nun immer besser. Vielleicht kann ich spinnen wenn Sie wieder kommen Da will ich Ihnen auch einmal Hemden spinnen Das ist nicht schön daß in Rom Eis gibt wir haben geglaubt es geben lauter Veilchen bei Ihnen bei uns regnets jetz auch u. wir können nicht in den Hof gehen, leben Sie tausendmal wohl. Ihre horsame Luise Herder
Weimar, 26. 1. 1789 [?]
lieber Vater
ich habe wieder einen Wagen da Fahr ich mit Es werd bald bei uns Frühling der Schnee ist bald weg und bei Ihn ist Eis wir haben heute gemalte Eis Brunnen aus Rom gesehen Kommen Sie bald zu uns lieber Vater
Ihr getreuer Sohn Emil Herder
Napel den 27. Jan. [1789].
Endlich schreibe ich Dir, liebes Herz, aus einer etwas freieren Wohnung; ich glaube aber, daß ich auch heut Dir nicht so gar viel werde schreiben können: mir fehlt noch immer dazu in Napel der rechte Augenblick. In unserm Schauen der Natur rücken wir allmählich weiter; der Vesuv ist auch bestiegen, Pozzuoli u. Pästum sind noch vor uns u. ein Teil der lebendigen Welt in der edeln Komödie, wenn diese angeht. Von meinem Innern bei alle diesem kann ich Dir nichts sagen, ich wills an die Kinder schreiben. Nur sonderbar ists mir hier: das Klima weckt den Geist auf um zu schlummern, weiter kann ich nichts sagen – Hier ward ich gestört u. bins den ganzen Tag durch gewesen. Eben komme ich vom Essen beim General Salis, wo ich mit Hamilton Bekanntschaft gemacht habe, u. muß sogleich wieder fort. Lebe wohl für heut, lieber Engel u. erfreue mich bald mit Deinem Briefe. Morgen will ich Deinen Geburtstag im Geist u. mit heiliger, einziger Andacht feiern. Grüße die Kinder, u. entschuldige mich diesmal bei der Fr. v. Fr[ankenberg], daß ich heut nicht schreibe. Adieu, Engel, künftigen Posttag gewiß mehr. Lebe wohl, liebes Wesen. Liebe, liebe! Adieu
H.
Der Herzog hat an mich einen artigen Br. geschrieben. Empfiehl mich der Herz, wenn Du sie sprichst; ich hätte sogern eine Agrippina für sie im Camée, Jenkins will aber 200. Zechinen. Es muß sich was anders finden; sage aber niemand nichts. Für Dich bringe ich nichts mit, als mich selbst. Vale, Vale
H.
W[eimar,] den 30. Jan. 1789.
Inliegender Brief kam vorigen Posttag zu spät zum Einschluß beim Rat Ludecus, u. es war gut daß das leere Blatt zurückblieb. Heute, lieber Engel, habe ich Deinen ersten lieben Brief aus Napel erhalten, u. er macht mich auf Tagelang um Deinetwillen froh u. glücklich. Der unerhörte Schnee u. Eis [in] jener Gegend, kommt mir wunderbarlich vor, u. ich hätte Lust abergläubisch zu sein, daß ein guter u. toller Dämon Euch begleite. Du kannst aus jener Kälte dort schließen wie es bei uns mag ausgesehen haben. Dies ist nun alles wieder gut. Den 28t. an meinem Geburtstag hats den ganzen Tag beinah warm geregnet; ich stund fröhlich auf, u. war meines Daseins froher als jemals; warum? weiß ich nicht, denn ich bin leider um kein Haar besser geworden. Daß Du mein erster u. letzter Gedanke an diesem Tag warst, darf ich Dir nicht sagen, liebstes Herz; die Kinder bereiteten mein GeburtstagsTischchen. Gottfr. gab ein paar Handschuh mit eingen Versgen, August ein Messer u. Verse, Wilhelm ein Nadelbüchschen mit Nähnadlen, Adelbert eine Waage! (dies Geschenk hat mich am meisten gefreut u. soll mir ein neues Symbol des Lebens sein.) Luisgen Blumen u. Versgen, die die Jungfr. Schwarzin gemacht u. Emil hat mir eigentlich das größte Geschenk gemacht, seinen ganzen Reichtum. Er bestand in 2 Nadelbüchschen, die er kürzlich bekommen u. die er sehr lieb [gehabt] hatte u. einen Kupferstich von der Herzogin; mit diesem trug er sich wohl 6 Tage vorher u. zählte den Geburtstag recht herbei. Kurz, wir waren vergnügt u. Dein Geist war unter uns. Wenn Du den Tag vergessen hast, so haben wir Dich unwiss[entl.] zu uns gezaubert. Knebel sandte eine Torte u. eine frische Blume, von der ich Dir 2 Blättchen sende. Den Abend kam er u. Moriz noch selbst auf eine Stunde zu mir. In meinem Schatzkästchen habe [ich] aufgeschlagen: Mache dir ein neu Herz u. einen neuen Geist. Auf der andern Seite: Martha Martha, du hast viel Sorge u. Mühe. Behüte dein Herz mit allem Fleiß, denn daraus gehet das Leben. u. in Deinen Blättern den unsterblich Vogel der Wahrheit; u. damit habe ich denn mein 40zigstes Jahr angetreten, – das gute u. gerechte Schicksal laß michs in Deinem Schoß glücklich endigen!
[O] wie freue ich mich daß es in Neapel so schön ist! Du wirst einen Schatz des Lebens sammeln den Du jetzt noch nicht berechnen kannst, der aber für Dich u. für uns in der Folge gewiß wohltätig werden kann, je mehr wir unser Dasein in uns selbst befestigen! Darauf wollen wir arbeiten, liebes Herz, u. weder zur Rechten noch Linken schauen. Auch macht einen sogar nichts mehr von außen irre oder unruhig. Darin liegt die größte u. einzige Lebensweisheit. Moriz ist mir ein eindrückliches Bild davon geworden u. seine Abhandlung über die bildende Kunst ist mir ein großes Licht geworden; ein Maßstab für das Beste. ich habe mirs abgeschrieben u. dadurch ist mirs sehr klar geworden. Wenn Du wiederkommst müssen wirs zusammen lesen. Er hat heute Abschied bei mir genommen u. geht übermorgen früh mit dem Herzog nach Berlin.
Die Luise Stolberg u. Mann grüßen Dich liebevoll; sie schreibt unter andern: Ahlemanns Nachfolger in Altona ist gestorben; der Superintendent Struensee ist gestorben, der Kanzl. Cramer ist gestorben – u. doch kann ich nichts hoffen, darf nichts wünschen. Gott leitet alles pp. ich werde ihr antworten, daß Alles so recht gut sei pp dies ist mir auch aufs deutlichste klar. wir wären ja unter den groben Holsteinern wie verschlagen; nicht zu gedenken daß das feuchte Klima uns allen sehr übel bekäme. Wir wollen also Gott danken der bisher unsre Kindische Wünsche nicht erhört hat. Wir werden ja doch einmal klug werden! Wenn wir nur halb soviel Entschluß u. Festigkeit haben, als Spinoza.
[ . . . ] Der allerbesten Herzogin in Napel empfehle ich mich untertänigst u. grüße die Reisegefährten freundl.
Wenn ich doch auch, wie der liebe Gott, zum Fenster heraus, auf Euch in Napel schauen könnte! genieße ganz das 3mal glückselige Land; sei fest in Dir selbst, u. laß Dich von außen nichts kümmern – niemand kann Dir ja etwas geben. Verzeihe diese Philosophie die mir in diesen Tagen so lebhaft erschienen ist. ich will Dich dadurch nicht belehren; ich will Dir nur mein Gefühl sagen. Die Kinder küssen Dich tausendmal.
Hartknoch hat auch heute geschrieben u. will die Schwester an Ostern mitbringen.
Gottfried u. August gehn heute auf die Redoute, nun muß ich endigen.
Lebe wohl treuer, Bester Einziger lebe wohl! wohl.
Neapel, Ende Januar 1789
Hier haben Sie, lieber Salis, (erlauben Sie, daß ich Sie statt leerer Titel mit einem herzlichen Namen nenne) den ersten Teil des Buchs in quaestione, das Sie noch nicht kennen. Sehen Sies an, wenn Sie Zeit haben, nicht als Übersetzer, sondern als Freund u. als ein Sachkundiger Leser. Da Sie gerade die Teile der Wissenschaften kennen, lieben u. bearbeiten, die der einzige Grund des menschlichen Philosophierens sein sollten, u. hier in Napel gewiß unbefangen lesen, es sei denn, daß etwa das Brausen der Wellen Sie störte: so bin ich auf Ihre Meinung über einzelne Stücke u. wenn Sie wollen, über das Ganze sehr begierig. Alsdann wollen wir weiter sprechen u. überlegen.
Wie erfreut ich bin, so unvermutet einen Mann wie Sie hier zu finden, kann ich Ihnen nicht sagen. Ich reiche Ihnen darüber meine Hand, reichen Sie mir die Ihrige; u. lassen Sie uns die kurze Zeit da ich hier bin, einige Stunden oder Augenblicke zusammenleben. Empfehlen Sie mich Ihrem Hrn. Onkel: ich verliere seine heitre, feste u. gütige Miene gar nicht aus meinem Gedächtnis. Adieu, lieber Salis.
Herder.
Napel 2. Febr. 89.
Liebstes Herz. Ich danke Dir 1000.mal für Deine zwei Briefe vom Januar, die ich mit Einer Post empfangen habe. In beiden waren fröhliche Briefe aller unsrer Kinder, u. dies ist ein gutes Zeichen aufs Jahr 789.
Das Geschenk der Fr. v. Fr[ankenberg] hat mich ganz beschämt. Ich habe ihr gedankt, wie ich konnte; aber ich bleibe beschämt, auch mit allem, was ich ihr mitzubringen vermögte. Laß Dir um Gottes willen von einer solchen Idee gegen sie nichts merken; sie hat ihr im letzten Br. entgegenzuwirken gesucht, wie sie kann u. mag. Das Glück helfe mir zu Etwas.
Dank Dir 1000mal für Deine unnennbare, unerschöpfliche Güte u. Liebe. Dir bringe ich nichts, als mich selbst mit; aber wie ich hoffe, neugeboren. Träume Dir nichts von solchen Fällen zwischen dem 8–9. Jan. Du hast falsch geträumt. Wahrscheinlich komme ich Dir so treu u. ganz zurück, wie ich von Dir ging, u. ich bin gewiß, 10mal ganzer. Ich lebe in der höchsten Sinnlichkeit von außen so ätherisch-unsinnlich, daß ich selbst davon keinen Begriff in Deutschl. gehabt hätte. Bloße Wohllust ist wider meine Natur, und vor allem Attachement hüte ich mich in Italien, wie ich mich noch nie gehütet habe. Tausend Ursachen sind hiezu da, u. die vornehmste, daß man sosehr dazu gestimmt ist. Mein innerer Zustand ist Sehnsucht zurück nach den Meinen u. nach Dir, meine liebe; siehe, da hast Du mein Herz u. meine Seele.
Hier lege ich Dir einen Br. von andrer Art bei, woraus Du siehest, daß ich hier ein Paar kopuliert habe. Es war vorigen Sonnabend, Französisch, nach der Englischen Liturgie, u. ich habe damit einem liebenden Paar zusammengeholfen, das noch lange nach einem protestantischen Geistlichen hätte warten können, weil hier keiner ist. Die Sache ist jokos, zeige den Br. an Göthe u. Knebel.
Die Menschen haben mich übrigens ziemlich gern, eine Duchessa Jovene, eine geborne Deutsche, schätze ich sehr hoch, u. ich werde Dir nächstens von ihr schreiben. Es geht aber nicht auf Liebe. Der Erzbischof von Tarent ist gar lieb u. gut: der General Salis ein braver Mann, u. sonst drängen sich die Napolitanischen Gelehrten an den Vescovo di Turingia, wie mir eben einer sein Buch mit solcher Überschrift geschickt hat, sehr an. Mit Einsiedel logiere ich zusammen auf Einem Flügel u. wir leben recht wie Brüder, ohngefähr wie ich mit seinem Bruder lebte. Heute sind wir Pozzuoli, Bajä ppp durch, u. ich bin müde, daher ich Dir auch nicht viel schreibe. Künftig mehr. Grüße die Kinder u. danke allen für ihre Briefe. Auch Göthe, Knebel u. die Weiber; vergiß auch die Waldner nicht; ich habe sie recht lieb, weil ich mit Einsiedel so gut lebe. Nächstens will ich an die Kalbin pp schreiben. – Lebe wohl, liebster Schatz, mein einziges holdes Leben; ich schreibe Dir nicht viel. In Napel läßt sich nicht schreiben, sondern nur sehen u. träumen. Lebe wohl, Einzige, liebe.
Empfiehl mich dem Herz. u. der Herzogin. Vom 1ten habe ich einen sehr guten Br. erhalten. Der Herzog[in] M[utter] gehts wohl. Letzte Post hatte ich mit Deinen 2. reichen Paketen auf Einmal 10. Briefe.
Borgia ist Kardinal, das mich sehr freuet.
Dein Halsweh ist doch vorbei? Mache daß ich Dich froh u. gesund finde. Die Werke Friedrichs kaufe, wenn der Preis gering ist, wo nicht, so laß es bleiben, bis mir sie einer schenkt. Lebe wohl, Beste.
Weimar, den 2. Februar 1789.
Ihren Brief voll Liebe, Geist und Seele, liebster Herder, habe ich erhalten. In allem ist Ihre Art zu sehn die menschlichste, und deshalb wohl die wahrste. Alles muß hauptsächlich Bezug haben auf uns selbst, auf den Kern und dessen Güte und Beschaffenheit; das übrige ist nur Schale, Rinde, Hülse oder Anzug und Flitterstaat. Wie sehr ich Sie um aller dieser Wahrheiten willen liebe, die so wahr und innig in Ihnen wohnen, kann ich Ihnen nicht sagen. Lassen Sie uns nur immer Menschen fürs Ganze bleiben, und die Teile nicht auf Kosten des Allgemeinen zu sehr erheben.
Daß Sie nun in Neapel eines reinern, liebern Himmels und einer liebern Erde genießen, freut mich unendlich. Die Erde gab ihr Bestes an die, denen sie am meisten schuldig ist! –
Um Ihnen von unserm philosophischen Wesen, wie Sie wollen, etwas zu sagen, so ist die Sache sogar unter uns zum Kriege gekommen. Goethe hat nämlich aus Italien eine Menge eingeschränkte Begriffe mitgebracht, so daß wir von dem allen nichts wissen, daß unser Wesen zu eingeschränkt sei, um von der Dinge Dasein und Wesen nur einigen Begriff zu fassen, daß alles absolutissime auf die individuelle Existenz eingeschränkt sei, und daß uns also nichts zu denken und zu begreifen übrig bleibe als einzelne Fälle und Untersuchungen, oder der Umfang der Kunst u. s. w. Diese Sätze wurden mehr und mehr in Gesellschaft des guten Moritz, der ein sehr mikroskopisches Seelenauge hat, zubereitet, und da ich nicht ganz derselben Meinung war, auch mich wider einige Sätze und sonderlich wider die Manier des Stils und das Mystische desselben in Moritzens Schrift von der Nachbildung des Schönen einigermaßen erklärt hatte, nach und nach auf mich zugemünzt. So lange ging alles freundschaftlich und gut. Vor acht Tagen schickt mir Goethe einen, im neusten Stück des deutschen Mercurs gedruckten Brief von ihm von Neapel datiert zu, mit dem schriftlichen Beisatz, daß dieses die Antwort auf meine von Jena aus geäußerten Meinungen (wegen Kristallisation des Eises an den Fensterscheiben, worin ich den Hofrat Büttner für mich hatte) sei und daß er sich damit gegen alle unsere hagestolzen Meinungen verwahren wolle etc. Eine gedruckte Antwort auf einige unbestimmte Meinungen in einem bloß freundschaftlichen Briefe mit dieser persönlichen Adresse verdroß mich. Ich sagte ihm dieses sogleich denselben Mittag bei Frau von Stein, wo wir in größerer Gesellschaft beisammen aßen. Ich sagte, ich würde auch gewiß darauf antworten etc. Dies wurde mit gewöhnlicher vornehmer Gleichgültigkeit behandelt. Unterdes schlug sich Moritz in Weg und wollte mit seiner Gutheit den kleinen Groll, den ich gefaßt hatte, besänftigen. Ich sagte ihm, Goethe habe mich auf eine ganz unschickliche Art öffentlich angegriffen, und da noch seine Argumente überdies sehr schlecht wären, so glaubte ich, er habe es bloß getan, um mir Verdruß zu machen oder mich auf diese Art demütigen zu wollen. Er leugnete dieses, und ich erhielt darauf ein Schreiben von Goethe, um die Sache zu akkomodieren, das ich aber grob von mir wies. Nun sollte die Beleidigung auf meiner Seite sein; ich gestand es aber nicht zu und verfertigte die Antwort auf das gedruckte Schreiben, die ich Moritzen zuschickte. Goethe weigerte sich, solche zu lesen, weil ich ihn nun vorher durch meinen Brief beleidigt hätte; ich sagte aber an Moritz, er müsse den Brief lesen, oder ich ließe ihn drucken, und es fände keine Vereinigung mehr unter uns statt. Er tats und verlangte nun, daß der Brief, mit Auslassung alles Leidenschaftlichen, gedruckt werden möchte; er wolle auch wieder antworten. So weit ist es, und wir sind nun wieder Freunde, und ich bin gestern bei ihm gewesen. Ich möchte Ihnen gar gerne meine Antwort zuschicken, aber ich fürchte die Weitläufigkeit des Transports, und Sie müßten Goethes Brief dabei haben. Ich habe bei diesem Streit niemand auf meiner Seite gehabt als Frau von Stein, die gar fein und richtig fühlt und lieb und brav ist. Niemand habe ich sonst davon gesagt, und ich bitte Sie, sagen Sie auch Ihrer dortigen Gesellschaft nichts. Moritz ist doch auch meinen Gründen nicht zuwider gewesen.
Moritz ist gestern mit dem Herzog nach Berlin gereist. Sein Abschied hat uns allen leid getan. Der Schloßbau soll hier mit Macht betrieben werden; dies Jahr werden alle Materialien zugefahren; der Herzog will selbst mit seiner Familie da wohnen; das Land hat große Freude daran. Es wäre zu wünschen, die Herzogin dächte auch so was für Tiefurt; denn man ist doch nur ganz wohl, wo man zu Hause gehört, und es ist Pflicht da zu sein, wo uns das Schicksal hingewiesen hat.
Die Ihrigen sind wohl und mir doppelt lieb und wert, um Ihret- und ihrer selbst willen. Alles Liebe und Gute, das nur denkbar ist, sei mit Ihnen! Versichern Sie die Herzogin meines treuesten, ehrfurchtsvollen Andenkens. Sagen Sie Einsiedeln recht viel Gutes. Ich habe seinen guten Brief noch nicht beantwortet, den ich sogleich beantworten wollte. Künftig schreibe ich alle acht Tage. Grüßen Sie Fräulein Göchhausen und alle Welt. Meine Geschwisterte wissen nichts über Sie; Sie sind ihre größte Anliegenheit. Leb wohl, Du guter, vortrefflicher Mensch!
Weimar, 5. 2. 1789 [?]
Sine die. Seien Sie außer aller Sorge wegen Ihrer Sünde; ich denke, sie ist so groß nicht, daß Sie deshalb eine besondere Absolution zu erbitten hätten.
Was Moritz betrifft, so bleibt es bei unserm gestrigen Diskurs. Ich glaube, daß das Urteil Ihres Mannes von ihm so weit nicht irre geht; er ist ein seltener und ein guter Mensch. Mich dünkt, wir wollen lieber unser weiteres Urteil aufschieben, als Herdern Unrecht tun, der ohne Zweifel auch gewußt hat, was er sagen wollte. Übrigens lassen Sie sich nicht bange sein. Ich behandle Herders Interesse wie mein eigenes, und ich weiß wohl, zu welcher Zeit es schicklich sei, eine Meinung zu sagen oder nicht.
Unser Freund Goethe aber ist in seinen Meinungen selbst so poetisch, als wir andern nur immer. Er setzt gar leicht etwas auf die höchste Spitze, wenn er davon eingenommen ist. Dies muß auch so sein; denn sonst wäre er kein Dichter, und die äußere gesetztere Gestalt verwahrt nur fester den leicht beweglichen Dichtergeist, den er ja selbst von sich gesteht und gestehn muß. Deshalb ist er uns nicht weniger lieb und teuer; wir verehren ihn, aber keine ausschließenden Eigenschaften für die Erkenntnis der Wahrheit gibt es deswegen nicht. Wir sind alle auf einen Boden gepflanzt; jeder zieht die Säfte seiner Art und seiner Organisation aus ihm, der Palmbaum andere als die Weide; beide haben ihre verschiedene Art zu sein, ihr verschiedenes Recht, den Himmel über ihnen und die Erde unter ihnen zu betrachten.
Genug hievon! August spottet über mein langes Billet, und Sie verzeihen es.
W[eimar,] d. 6. Feb. 1789.
Du hast mich vorigen Dienstag unerwartet u. unsäglich erfreut mit Deinem 2ten Brief aus Napel vom 12. Jan. O liebstes Herz, wie danke ich Gott, daß es Dir so wohl ist, u. daß er die Welt dort so schön gemacht hat! Im stillen Gemüt empfinde ichs tief, daß Du eben überall mit Deinen eignen Augen siehst u. mit Deinem eignen Gefühl empfindest. Knebel, die Steinin u. die Kalbin freuen sich auch hierinnen mit mir u. sie hängen recht an jedem Deiner Worte; denn es ist Wahrheit u. nicht hinaufgetürmte Kunst. Die Natur ist doch überall die allmächtige; sie ist gütig u. gerecht gegen Dich, wie Du gegen sie, u. Du wirst gewiß aus Napel soviel mitbringen daß der Eindruck auf Dein ganzes Leben wohltätig sein wird! wie jammerts mich daß die Herzogin dort so kurz verweilet, da sie doch für ihre eigne Gesundheit u. Erholung länger bleiben sollte; u. vielleicht trifft Dich dieser Brief schon gar wieder in Rom, das mir leid tun würde; denn ich wollte Dich bitten, daß Du noch einen Monat länger bleiben mögest, wenn auch die Herzogin früher nach Rom ginge, das wird sie ja nicht ungütig aufnehmen, da Du diese Gegend nur einmal siehest; Sie sie aber noch mehrmalen sehen wird. Darum, meine ich, wäre es unendlich gut für Dich u. mich u. uns alle, wenn Du in Napel bleiben könntest solange als möglich, u. Deinen Geist u. ganzes Wesen von dieser balsamischen Luft u. Meer ganz erfülltest, gegen Ostern nur erst nach Rom kämest u. dort nicht länger verweiltest als nötig wäre, das notwendige noch nachzuholen, damit Du mit dem guten Eindruck, der nie auslöschen sollte, nun zu uns kämest. Dein guter Genius lenke Deine Reise, Dein Bleiben u. Kommen zu Deinem Besten! denn nur wenn Dirs wohl ist, ist mir wohl; ja es ist mir fast, als ob Dein Brief, mir die Balsamische Luft gebracht hätte. Ach daß der liebe Gott uns so weit von der glücklichen Gegend hat lassen geboren werden! [ . . . ]
Moritz ist wenig zu mir gekommen u. war die letztenmale etwas zurückhaltend, ich glaubte, daß Du vielleicht etwas aus meinem ersten Brief über ihn, an Rehberg gesprochen hast, u. dieser es übel verstanden, wieder an ihn geschrieben hätte. Es tat mir leid, denn ich meine, man muß das Gute u. Verständige lieben u. hochhalten, wo man es findet, u. die Eigenheit des Menschen dabei vergessen; dadurch lernt man erst, den Glauben u. den Grund in uns fürs Gute u. Verständige recht stärken u. Moritz ist gewiß ein trefflicher Mensch. Ich habe mich aber vermutlich in meiner Meinung geirrt; gestern vertraute mir Kn[ebel] etwas von seinem Streit mit Goethe u. Moritz über des letztern Abhandl. wovon er Dir vorigen Posttag geschrieben hat. Es ist nun alles wieder gut. Goethe zeigt Moritzens Abhandlung in der Litterat. Zeitung an, u. hat einen Auszug davon gemacht den er Knebel gestern gegeben hat, worüber er sehr zufrieden war u. ihm nur nochmals seine eigne Vorstellungsart von der Schönheit der Kunst u. der Schönheit der Natur deutlich gemacht hat, u. worüber wie mich dünkt Knebel die richtige Grenze gefunden hat;* Moritz hat diese Grenze in der Abhandl. nicht deutl. bemerkt, oder gar in Eins gebracht. Dies wars, was den Knebel so sehr aufbrachte; Heute schrieb er mir: »grüßen Sie doch H. tausendmal von mir; selbst kann ich nicht schreiben. Ich war gestern den meisten Teil des Abends noch bei Goethe. Den Unterschied der Schönheit, als Vollkommenheit eines Ganzen, u. als Vollkommenheit eines scheinbaren Ganzen, erkannte er nicht nur, sondern sagte auch darüber noch mehrere sehr richtige Sachen. Schönheit der Natur ist Vollkommenheit des Ganzen, zu einer anschaulichen Erkenntnis gebracht; Schönheit der Kunst ist gleichsam der Anblick des Vollkommenen, in der Seele des Künstlers zur Gestalt gereift, u. durch innre Kraft wieder zur Gestalt wirkend. Die Erstere Schönheit besteht in Ordnung u. Gesetzen der Natur, so weit sie übereinstimmend erkannt werden; die Schönheit des Künstlers gründet sich auf dieselbe Ordnung, aber sie wirkt stärker auf die SinnesKräfte u. äußert sich durch die Art u. Weise, wie der Künstler jene aufzunehmen u. darzustellen vermag. Beiderlei Arten mischen sich in der Seele; die letzte allein bestimmt den Wert des Künstlers. – So etwas. Ich denke das wird uns Licht geben, über Beide Arten konsequent zu denken; daß Philosoph u. Künstler in richtigem Verhältnis nebeneinander stehen können. Leben Sie wohl.«
So weit Knebels Billet, das so eben kam, u. da ich eben bei der philosophischen Materie war, Dir mitteilen mußte. Verzeihe mir daß ich mich darein mische; diese Materie geht ja aber Dich auch an; u. was Dich angeht, geht ja mich an. – Die Kinder sind Gottlob wohl, u. werden Dir schreiben, ich habe mich über die Bildchen für die 2 Kleinen selbst wie ein Kind gefreut; die Mutter mit den Zwillingen ist auch gar zu schön.
Dein unvergleichlicher Erzbischof von Tarent gefällt mir aber über alles wohl. O Gott wenn Du einer werden könntest; ich wüßte nicht was Opfer ich nicht für Dich tun könnte! Doch laß uns nicht nach dem verbotnen Baum greifen u. darüber das ganze Paradies verlieren; wenn es schon mit Dornen umzäunt ist, so ist es doch ein von Gott beschertes auch selbstgebautes Paradies. Mit welcher Hoffnung u. Verlangen Du Dich aber diesem Paradies wieder hier nähern wirst, weiß Gott. Darüber darf ich gar nicht nachdenken. Es ist nichts um ein Haar besser geworden, seit Deiner Abwesenheit, weder ich, noch die Kinder, noch die ganze Situation, noch der Staat u. die Menschen darinnen. Mache Dir in der Ferne nur keine bessre Illusion von uns; damit Du es hernach nicht anderst findest! Nun lebe tausendmal tausendmal wohl, mein Einziger! Gott u. Dein guter Genius geleite Dich, u. erhalte Dich gesund u. [heiter.]
C. H.
* Den Unterschied der Schönheit der Kunst zwischen der Schönheit der Natur setzt Knebel darinnen, daß erstere der Inbegriff aller Vollkommenheit u. aller Verhältnisse sei; u. daher bei ihr nicht mehr die Rede sein darf noch kann von nützlich, gut pp denn sie begreift alles dies in sich; sie ist aufs höchste nützlich aufs höchste gut, denn durch ihre Vollkommenheit begreift sie alles in sich u. schließt nichts aus. Die Schönheit der Kunst darf hingegen ausschließen, das nützliche pp da sie nur ein Abglanz von jener ist. – so habe ich ohngefähr Knebeln gestern darüber verstanden.
Der gütigen Herzogin empfehle ich mich untertänigst u. hoffe daß die unvergleichliche Gegend Sie so glücklich u. heiter macht wie Dich.
Die Reisegefährten Frl. Göchh. u. Einsiedel grüße ich aufs schönste.
[ . . . ]
Weimar d. 6ten Febr. 1789.
Liebster Vater
Wie sehr freuen wir uns, daß Sie in Napel so vergnügt, heiter und wohl sind; O bringen Sie alle diese Wohltaten auf immer mit hieher hinter unsre Peter- u. Paulskirche, daß sich diese dicke Luft verkläret und wir alle die reine Luft einatmen. Könnten wir Ihnen nur auch hier eine so schöne Aussicht verschaffen als in Napel, aber omnia non possunt omnes; bringen Sie daher lieber ein Stück von Napel mit hieher, oder zum wenigsten eine Zeichnung davon, damit wir uns durchs Ansehn erquicken.
Wir lesen jetzt das erste Buch des Horaz beim Herrn Schäfer, ich habe diesen Dichter recht sehr lieb, u. Sie werden mir über manches Aufschlüsse geben. Schreiben Sie nur recht viel auf, denn dem Gedächtnis ist nicht immer ganz zu trauen. – Die Mutter läßt Ihnen auch noch sagen, daß es heute 6 Monate sind, daß sie weg sind, und sie freute sich (wie wir alle uns auch herzlich) daß wir so weit gekommen wären. – Ich bin mit August auf der Redoute gewesen, wo wir recht vergnügt waren; ich tanzte brav, und um 3 Uhr kamen wir wieder nach Hause.
Diesen strengen Winter hat die Bibliothek geruht, jetzt bald soll es aber wieder frisch dran gehen, daß wir mit Ehren bestehen können. Leben Sie wohl liebster Vater, gedenken Sie meiner, u. lieben Sie
Ihren gehorsamsten, u. Sie zärtlichst liebenden Sohn
Gottfried Herder.
Grüßen Sie Werner recht sehr von mir.
Weimar, 6. 2. 1789 [?]
Liebster Vater.
Jetzt haben wir schon 2 Briefe von Ihnen aus Neapel bekommen, und wie Sie sich dort freuen, so freuen wir uns hier, wenn ein Brief von Ihnen kömmt, u Sie vergnügt und gesund sind. Den vorigen Freitag als den 30t Januar bin ich mit Gottfried auf der Redoute gewesen, und da war ich auch sehr vergnügt, und der H. v. Knebel hat mich der Herzogin präsentiert, Gottfried in einem Tabero und ich in einem Kleid das wär 3 Finger rot u 3 Finger weiß gestreift u es hat dem H. v. Knebel u Frau von Kalb sehr gefallen, um 3 Uhr kamen wir wieder von der Redoute, und sie ist uns sehr gut bekommen. Mit H. Subkonrektors Bein gehts besser, er empfiehlt sich Ihnen, H. Schäfer grüßt sie auch!
Jetzt ist auch ein neuer Kantor von Suhl mit Namen Remde da. Leben Sie wohl u behalten Sie auch in Neapel lieb
Ihren gehorsamen Sohn August Herder.
[Weimar,] den 6. Februar 1789.
Lieber Vater.
Ich habe mich sehr gefreut, daß Sie so ein schönes Loschie haben und daß Sie so eine schöne Bekanntschaft gemacht haben, und ich wünsche, daß Sie immer vertrauter miteinander werden bis in die Ewigkeiten hin. Ich wünschte daß Sie dort in Neapel Erzbischof würden, daß wir hinreisen könnten, Da könnten wir die prächtigsten Sachen sehen die wir hier bei weiten nicht haben. Da könnte ich auch den Vesuvs abzeignen wie er Feuer sprüht, und noch andere schöne Sachen. Leben Sie immer fröhlich und gut in Neapel. Leben Sie wohl und behalten Sie lieb
Ihren gehorsamen Sohn Wilhelm Herder.
Weimar, 6. 2. 1789 [?]
Lieber Vater.
Ich habe ein Schönes Reißeig bekommen denn die Mutter hat es uns Versprochen es sin 3 Zirkel drinne und auch ein Tranzborter, man kann auch ein großen Zirkel machen einen Bochen groß. Und es hat mich große Freide gemacht und wenn sie wieder kommen werden sie sich auch darüber sehr freuen werden: Ich wünße daß es sie in Neaber recht wohl mege bekommen. Grießen sie den Werner. Leben sie wohl ihr
getreuer Sohn Adelbert Herder.
Weimar, 6. 2. 1789 [?]
lieber Vater
Emil und ich haben um die 2 Bildchen geloset da bekam ich den Baum. ich danke Ihnen dafür Jetzt spinne ich die zweite Spule u. spinne recht gerne da schicke ich Ihnen ein Bildchen wie ich aus sehe beim spinnen. Wir möchten alle gern bei Ihnen in Napel sein weils Ihnen so wohl gefällt Leben Sie wohl u. kommen reht vergnügt zu uns
Ihre Gehorsame Luise Herder 1789
Weimar, 6. 2. 1789 [?]
Lieber! Vater!
ich habe die Mutter mit den Kindern bekommen ob auch das zwillinge sind? ich gehe den Sonntag wieder zum Erbpinsen, ich danke Sie für das schöne bildgen wir haben auf der Land, Karte, Neapel, aufgSuht wo Sie jetst gnügt sind
hier schick ich Ihnen auch ei bildgen Ihr
getreuer Sohn Emil Herdr in neabbel
Napel den 10. Febr. [1789].
Deinen lieben Br. vom 13. Jan. empfing ich gestern, da wir eben nach Portici hinauswollten u. ich habe ihn im Angesichte des schönen Meers auf einem herrlichen Balkon voll süßer Freude gelesen. Vielleicht ist dies der letzte, den ich Dir aus Napel schreibe: denn wir denken an unsern Rückzug. Meine Gesundheit hat hier eine sonderbare Crisis gehabt, aus der ich gemerkt habe, daß mich vielleicht Napel allein ganz gesund machen könnte. Wir waren in den Schwefelbädern u. in den Grotten der Solfotara gewesen: der warme erquickende Dampf durchdrang mich so innig, daß ich spürte, hier allein könnte meine alte böse Leber durchaus erweicht werden. Ich hielt mich länger drinnen auf, als ich sollte u. dorfte; eine Erkältung an der Luft war nachher fast unvermeidlich: ich trank einige Gläser Syrakuser, die mir auch ins Blut gingen; und Abends darauf bekam ich einen mir hier ganz fremden Kopfschmerz. Den folgenden Tag hatte ich die Kopulation u. trank wieder mancherlei Weine; am Abend war mir unwohl u. des Morgens darauf fühlte ich deutlich, daß meine Galle wieder in Anmarsch sei. Ich blieb Sonntag im Bett; der Doktor, der ein trefflicher Mensch ist, kam sogleich mit einem Abführungsmittel zu Hilfe. Das Übel war aber noch nicht gehoben, u. am Ende der Woche ward der Feind insonderheit mit Lavements, zu denen Einsiedel ein treffliches Werkzeug mit sich führt, allmählich in die Flucht geschlagen, so daß ich fühle, daß dies das einzige Mittel für meine Konstitution ist u. mir in Rom, wenns irgend angeht, sogleich auch einen solchen Nothelfer präparieren lassen werde. Nochmals gesagt, dieser Zufall hat mir mehr Licht über meine Konstitution gegeben, als lange Jahre Quacksalbereien in Weimar. Wären hier bessere Anstalten, hätte ich Geld u. Gelegenheit, so würde ich die Schwefelbäder, aber mit großer Sorgsamkeit u. Vorsichtigkeit gebrauchen. Wo nicht: so schickt es vielleicht das Glück, daß ich über Karlsbad zurückkehre – alles aber liegt noch, selbst die Art meiner Rückreise in den Händen des Schicksals. Laß Dich den Zufall nicht im mindesten ängstigen: denn er ist vorbei, u. im Grunde mir sehr heilsam u. belehrend gewesen. Hier wird alles aufgeregt, u. hervorgetrieben: das Klima will, daß die Menschen gesund werden sollen, u. jagt die verborgnen Feinde in Alarm. Wir wollen seinen Ruf, so gut es angeht, benutzen oder wenigstens hören.
Über Deine Träume beunruhige Dich doch nicht; schreibe alles, was u. wie es Dir am Herzen ist, wir sind ja Eins mit Seele u. Körper. Ich habe Dir schon geschrieben, in welcher jungfräulichen Enthaltsamkeit ich lebe, u. wahrscheinlich immer leben werde: denn das andre Ding ist der Mühe nicht wert, oder es hat zuviel Gefahren für Seele u. Körper. Überhaupt ist die Armut u. die Gebundenheit ein großer Sittenwächter, wenn es auch sonst nichts wäre. Überhaupt denke ich jetzt über diesen Punkt ganz sonderbar, Teils weil ich gesund u. immer beschäftigt bin, Teils weil ich mit Euch, Weib u. Kindern, als ein verständiger Mensch mein Leben zu endigen gedenke. Ich fühle es, Buhlereien schicken sich nicht mehr für meine Jahre, u. sie sind mir durch die Umstände meiner Reise ganz fremd geworden. Wo alles sinnlich ist, wird man unsinnlich; man sucht mit seiner Seele etwas, das man mit den Sinnen nicht findet. – An Heine schreibe ich Zinserlings wegen mit dieser Post; grüße den guten Mann aufs beste – über Schwabens Br. hast Du Dich geirret; er gedachte Gottfrieds mit einem zärtlichen Lobe, nur lateinisch. Daher der Irrtum. – Was Du über Göthe schreibst, ist ganz wahr: meine Reise hieher hat mir seine selbstige, für andre ganz u. im Innern unteilnehmende Exsistenz leider klärer gemacht, als ichs wünschte. Er kann indessen nicht anders; laß ihn machen; es tut wehe, es zu fühlen, daß man einen angenehmen Traum verloren habe, u. doch ists besser wachen, als träumen. – Sein entsetzlicher Enthusiasmus für Moritz gehört auch dazu. M[oritz] ist ein guter Mensch, auch ein seltner Mensch in der Art, wie er sich seine Ideen stellt u. stellen muß; in ihnen aber ist nichts lichtes, nichts geendigtes, u. mich ärgerts, was die Damen dort für ein Wesen aus ihm machen, u. wie sies mit ihm treiben. Auch von Dir hats mich gewundert, daß Du einige seiner Gespräche so hoch u. neu aufgenommen hast; sie lassen weder Klarheit noch Erquickung zurück, u. im Grunde ist er ein gedrücktes, krankes Wesen auch in seiner Gedankenreihe, die nicht für mich ist; wir sind weiter. Mit Göthe ists anders, weil Moritz in ihn vernarrt ist, u. seine ganze Philosophie darauf gerichtet hat, ihn als das Summum der Menschheit zu vergöttern. Zu dem Allen gehört die Geschichte ihres römischen Daseins, wo M[oritz] sehr gedrückt war u. G[oethe] ihm wie ein Gott erscheinen mußte. Das mag gut für beide sein; andre Menschen aber müssen sich nicht irre machen lassen, u. jeder seines Weges fortgehn. Übrigens ist M. ein Herzguter Mensch u. ich will ihm nichts zu Leide gesagt haben. – Danke Knebeln für sein Gedichtchen aufs schönste; das ist mehr Philosophie für mich, als alles, was M. mystisieret. – Über Gustel Einsiedel nächstens. Sein Bruder selbst meint, daß er ein Engagement dahin nicht annehmen würde; auch habe ich etwas dabei zu wirken, nicht die mindeste Gelegenheit. – Gegen die Fr. v. Fr[ankenberg] sei doch recht gut u. freundschaftlich; das ist eine Seele, wie ihrer wenige zu finden sind, so treu u. rein ist ihr Gefühl u. ihre gute Meinung. – Ach, lieber Schatz, wie viel ändern die Zeiten! Was hat sich im 88. Jahr allein mit mir geändert! – Hamanns Tod, meine Reise, die wunderbaren Umstände dabei, meine Entfernung von Dir, des guten Alfreds will ich nicht erwähnen; wenn das nicht eine Schule ist, so gibts keine. Jetzt fühle ichs, was ich an Dir habe, Du guter Geist, den ich mit Seele u. Körper liebe, Du mein Heiliges, Alles, mit Deinem lieben Leibe u. Deiner seltnen, einzigen Seele; bleibe mein, ich will u. werde ewig der Deinige sein: denn ich kanns nicht anders. Grüße die Kinder; wenn ich kann, so schreibe ich noch an sie, wenigstens an Emil u. Luise. Küsse sie alle nach der Reihe von mir u. sage Ihnen, daß ich sie herzlich lieb habe u. mich sie wiederzusehen freue. Lebe wohl, Engel, lebe wohl, holdes weibliches Wesen, meine Treue, meine liebe. Ewig der Deine.
H.
Rom, den 31. Dez. 88. [/Neapel, 10. 2. 1789]
Ich kann weder aus Rom gehen, noch auch das alte Jahr beschließen, ohne daß ich Ihnen, holde gnädige Fr., noch voraus den verbindlichsten Dank sage für die gute Aufnahme, die Sie mit Ihren zu gütigen Briefen mir hier verschafft, u. für die interessanten Bekanntschaften, die Sie mir hiedurch gewährt haben. Der Senator ist der Erste unter allen, für die ich Ihnen nicht gnug danken kann. Welch ein liebenswürdiger Mann! was man nur sagen kann, liebenswürdig. Vom ersten Augenblick an neigte sich mein Herz zu ihm, das sich im ersten Augenblick neuer Bekanntschaft so selten auftut, u. mit jedem mal da ich ihn sehe, gewinne ich ihn lieber. Sogar die angenehme, liebenswürdige Verlegenheit hat er noch nicht verloren, die in seinem Stande, in seinen Jahren, u. nach seiner großen Weltkenntnis eine eben so seltne Sache ist, als sie, der ich hierin ein Frauenzimmer bin, in meinen Augen reizet. Wenn er von Ihnen spricht, (u. er tuts so gern) geschieht es allemal mit der sanften Rührung, die offenbar zeigt, daß er das ganze Einzige Ihres Charakters u. Wesens sich gleichsam zu eigen gemacht u. in seine männliche Brust gepflanzt habe. Wir speisen heut Mittage bei ihm u. morgen gehts, obwohl in strenger Kälte, von der auch die Züge dieses Briefes zeigen, nach Napel.
In Absicht der Witterung sind wir also nicht so glücklich, als Sie wahrscheinlich gewesen sind, holde Frau, als Sie in Italien waren. Die Kälte ist über alle Beschreibung. Nach langem unfreundlichen Regen fing sie den Tag vor Weihnachten an, u. sie hat mit untermischter Nässe u. fortwährendem Schnee bis jetzt fortgedauret. Wir leben also jetzt wirklich wie in Deutschland u. noch um ein gut Teil ärger, weil das Italienische Stuben- u. Feuerwerk nicht darauf eingerichtet ist. Man möchte jetzt immer im St. Peter leben, wo es bei der großen Weihnachtszerimonie sehr annehmlich warm war; wenn er nur nicht so weit wäre, u. man darin schlafen könnte; es sollte ein angenehmer Konversationssaal werden, u. ich gewinne es mir auch noch nicht ab, das ungeheure Gebäude anders zu betrachten. –
Napel, den 10. Febr.
So lange ist der Anfang dieses Briefes liegen geblieben, beste gn[ädige] Fr[au] u. ich bin selbst unentschlossen, ob ich ihn fortschicken soll. Ich tue es indessen, weil er, so wie er ist, zu meiner Entschuldigung dienet. Sie kennen Napel, und also darf ichs nicht weitläuftiger erklären, wie sehr diese Nymphe oder Sirene Parthenope reize. Sie kommt nicht aus dem Wasser hervor, sie schwebt unaufhörlich über den Wellen des Golfo u. bestrickt so die Seele, daß man ans Schreiben nicht kommt. So habe ich denn auch endlich die Gegenden gesehen, die ich je zu sehen fast verzweifelte, den Pausilipp mit seiner Grotte, mit seinen schönen Landhäusern u. den Zauberinseln, die vor ihm liegen: den See Agnano, den Avernus u. Acheron, den Styx, die Elysischen u. Phlegräischen Felder, Gegenden, aus denen alle Dichtkunst über Himmel u. Hölle entsprang: das Misenische Vorgebirge u. das reizende Bajä mit seinen wenigen kostbaren Trümmern. Ich bin in den Grotten des alten Kraters, der Solfatara gewesen, u. habe auf der andern Seite, unter den Kostbarkeiten des alten Herkulans, und in Pompeii umhergewandelt; jetzt ist uns Pästum noch übrig, wohin wir morgen gehen; alsdenn schöne Parthenope, lebe wohl! – Denn gehts wieder ins alte Rom, u. allmählich ziehe ich mich zurück nach Deutschland, ein Land u. ein Volk, das ich jetzt noch mehr schätze u. liebe, seit ich Italien kenne u. den Geist u. die Wirtschaft seiner Nation gesehen habe.
In Napel habe ich Tischbein gefunden, der mit seinen Arbeiten auch Ihnen bekannt ist, liebe gn. Fr. Sie kennen seinen Stil, seine Zeichnung, u. den poetischen Geist seiner Malerei; drei Dinge, die ihm auch der ärgste Feind nicht absprechen könnte, u. er ist gewiß jetzt in seiner Art der einzige u. erste Maler. Nun aber leidet dieser gute, nur etwas zu empfindliche Mensch in seinem Gemüt: Hackert, der alte Reifenstein selbst, der bei aller seiner anscheinenden u. von ihm selbst geglaubten Ehrlichkeit der borniertste, platteste Ba-Ba ist, den ich zu kennen die Ehre habe, drücken ihn insgeheim, u. mit dem größesten Schein der Freundschaft lassen sie ihn nicht aufkommen. Der Mensch frißt sich im Innern ab, u. sehnt sich zurück nach Deutschland. Oder wenigstens wünscht er eine kleine Pension, die ihn mit einem Hofe binde, seine Studien hier sichre, u. ihn auf guter Bahn erhalte. Des Herzogs von Gotha Pension, in der er den Conradin gemalt hat, hat seit 2. oder 3. Jahren durch ein plötzliches Nicht-Antworten des Herzogs aufgehört, worüber er dem alten Ba-Ba-Ba auch die Schuld gibt; des Gothischen Herzogs gothischer Charakter kann sie aber meines Erachtens allein tragen. Können Sie nicht etwas für ihn tun, liebe, holde; gewiß Sie könnens u. an Ihrem Wollen ist noch weniger zu zweifeln. Nur daß er erst irgend woher eine Pension bekäme, wofür er bisweilen ein Stück machte u. die Aussicht hätte nach Deutschland. Seine Zeichnung, sein Stil u. sein Geist qualifizieren ihn gewiß zum würdigsten Direktor einer Akademie für junge Leute, die ihm auch hier sehr anhangen, u. er könnte auf diese Weise noch einige Jahre mit Nutzen in Italien bleiben, wenn ihn nur nebst der notwendigen Unterstützung die Hoffnung erhielt, seine Nation wieder sehen zu können. Er hat einige treffliche Stücke sich gekauft, unter denen ihm das Glück auch einen Raphael (es ist ein Johannes, die lieblichste himmlische Gestalt die ich sah) zugeführt hat: er will sich von diesen Bildern zwar nicht trennen, wenn er aber irgend ein fixes Engagement fände, siehet er sie als ein Dot an, das er mitbrächte u. seinem Fürsten überlassen, auch in solchem Fall in den Jahren, da er noch hier bliebe, ihm für weniges Geld zu den schönsten Stücken allmählich helfen könnte, die noch hier u. da verborgen liegen. Über alles dies hat er einen Aufsatz gemacht, u. der kleine Dalberg hat nach Mainz geschrieben; sein Erbieten ist so annehmlich u. nützlich für den Fürsten, der es tun will, es hat auch von mancherlei Seiten so gute Modifikationen, daß es mich dauren sollte, wenn es nicht irgendwo angenommen würde. Daher, liebe gn. Fr., nehme ich mir die Freiheit für den seltnen, guten Menschen bei Ihnen zu interzedieren. Sie haben einen so großen u. schönen Wirkungskreis, in dem Sie die schönste Güte des Herzens mit der treffendsten Tätigkeit verbinden, daß man zu Ihnen, als zu einer helfenden Göttin gehen kann, die im Stillen wirket. Unterstützen Sie unvermerkt durch Ihre Freunde in Mainz seine Idee, oder bringen Sie solche anderswo, wo es Ihnen besser dünkt, in Gang; in Mainz aber dünkt mich, wäre eine gute Sphäre. Der Kurfürst geht mit einer Akademie u. Galerie um: der Koadjutor kennt Tischbeins Arbeiten u. ist selbst ein Liebhaber; seine gutmütige Flüchtigkeit muß bloß unterstützt u. fixiert werden. Ich habe Ihnen dieses, auch was Flackert u. den alten Reifenstein anbetrifft, im engen Vertrauen geschrieben: denn ob ich gleich weder Künstler, noch Antiquitätenkuppler bin, mag ich doch mit ihnen nichts zu tun haben.
Sie sind nicht recht wohl gewesen in Regensburg, holder Engel; mich dauert es sehr; ohne Zweifel sind Sie besser. Wie freuets mich, Sie wiederzusehen, wenn ich alle diese Gegenden durchwandert habe, u. wie Ulyßes wieder in mein armes Ithaka zurückkehre. Die Herzogin ist wohl u. sehr vergnügt: sie lebt wie in einem Elysischen Traume u. empfiehlt sich Ihnen aufs schönste. Leben Sie wohl, holde Frau; meinen Römischen Brief nach Friedberg geschrieben, werden Sie doch empfangen haben. Ich küsse Ihnen ehrerbietigst die Hände u. empfehle mich dem Hrn. G. R. aufs schönste u. beste. Leben Sie wohl u. glücklich, treffliche Seele.
Ihr untertänger Herder.
[Neapel,] den 12. Febr. 89.
Der Traum von Salerno.
In eines öden Bettes Raum
träumt' ich den schönsten Wundertraum.
Mit immer-steigend-sanftem Schwellen
Umgaben mich wie Meereswellen:
Ich streckte schüchtern meine Hand,
die eine weiße Blume fand;
Aus ihrem Kelche sprang ein Knabe,
o daß ich ihn nicht vor mir habe!
ein Knäbchen, wie's Albano malt:
aus seinen holden Augen strahlt
ein Blick der Liebe. Sanfte Locken
umflossen, zart wie Silberflocken
die kleinen Schultern. Unschuldvoll
sah er mich an: mein Busen schwoll
von Neugier, Zärtlichkeit und Freude.
»Wer bist Du Kind im Flügelkleide?«
redt' ich ihn an. »Kennst Du mich nicht?«
sprach er mit freundlichem Gesicht;
»Du kennst mich wohl!« – Und wie verschwunden
war er im Augenblick. Da stunden
sogleich und wie von ungefähr
viel schöne Knaben um ihn her;
und ihm, dem Schönsten unter ihnen
schien diese ganze Schar zu dienen.
Sie schlossen um ihn einen Kranz
in leichtem, frohen, zarten Tanz,
getragen wie von Zaubertönen –
bis er der Schönste dieser Schönen
aus ihrem Reihen zu mir trat,
und ein Geschenk zu nehmen bat.
Es war ein kleiner Silberpfeil,
geschärft wie eine Nadel. – »Heil
und Glück«, sprach er, »mit diesem Pfeile!
Trag' ihn an Deiner Brust.« – »Verweile«,
rief ich ihm nach; er war nicht mehr:
verschwunden waren um mich her:
die schönen Knaben. – Und ich fand
mich plötzlich an des Meeres Strand'.
Ein fremder Schiffer stand vor mir:
»Was«, sprach er wundernd, »trägst Du hier
an Deinem Busen?« – Und ich sah
beschämt hernieder; siehe da!
Da war, was ich bisher ein Haupt
des Silberpfeils zu sein geglaubt,
mein eigen Bild. Der kleine Knabe,
mit einer zweiten sondern Gabe,
in aller seiner Schönheit Zier,
stand auf dem Bilde neben mir;
und denkt – vom holden Göttersohne
empfing ich – eine Königskrone.
Der Traum verflog in seine Fern'
und ich erwachte in Salern.
Auslegung des Traumes.
Kennst Du den Knaben nicht, den Du heut im Traume gesehen,
Der aus Wellen des Meers und aus dem Busen Dir stieg?
Der im Flügelgewand' und mit gepanzerter Stirne
viele Gespielen um sich schwebend im Tanze regiert,
Der dann an Deine Brust aus seinem Köcher Dir reichte
einen silbernen Pfeil; kennst Du den Lieblichen nicht?
»Ach, Du kennest mich wohl!« sprach er Dir selber, und wandelt
plötzlich des Pfeiles Haupt, um in Dein eigenes Bild,
Dem er die Krone reichte. – Sei hold dem lieblichen Knaben,
Der Dir in Träumen zeigt, was er Dir wachend gedenkt.
W[eimar,] d. 13. Feb. 1789.
Dein dritter Brief aus Napel vom 19. Jan. habe ich den 8. Feb. erhalten mein Lieber, Guter, Einziger. Ich kann es Dir nicht aussprechen wie mich Dein Wohlsein u. Dein Genuß glücklich macht! So sind Dir denn vom lieben Gott noch diese Tage aufgehoben gewesen. Ich hoffe u. wünsche daß dieser Eindruck ewig bei Dir dauren wird, u. Dir Ruhe, u. Zufriedenheit gewähren wird, auch hier unter Deinem Häuflein, das Dir nichts geben kann, dem Du ja aber Alles bist. Und denn wirst Du alles übrige zur rechten u. Linken liegen lassen.
Wenn Du mir schon nichts von der unbeschreiblichen Natur erzählen kannst, so genieße ich sie doch im Geist u. in der Seele mit Dir freudig u. wehmütig. Goethe besuchte mich den Montag u. läßt Dich herzlich grüßen. Er begreift u. versteht Dein inniges Gefühl ganz. Er sagte, wenn man sich die Gegend zueignen will, so geht man unter.« – oder nach meinem Gefühl, man verliert sich selbst in dem großen Ganzen, u. vergißt alles u. die Welt, wie Du sagst. – Diesen Brief wirst Du nun wieder in Rom erhalten. Da der Genuß der höchsten Glückseligkeit nur kurz dauret, so mußt Du auch diesen kurzen Aufenthalt dort ansehen. Möge der frische lebendige Atem Gottes, den Du geholt hast, Dir auch für die kurze Zeit in Rom noch nutzbar sein; u. laß mich doch bald hören wie u. wann Du Deine Rückreise zu machen gedenkest? u. wieviel ich Dir noch Geld schicken soll? Soviel Du verlangst liebes Herz, sollst Du haben.
Es ist in diesen 8 Tagen nichts Neues geschehn. Ich tue auch nicht viel, u. das beste was ich zuweilen in glücklichen Augenblicken mit den Kindern treibe, vergesse ich gemeiniglich Dir zu sagen. So hat mich Emilchen einen Abend einmal recht ergötzt; er kam über den 3. T. der zerstreuten Blätter u. las mit Eifer u. Freude die Gedichte darinnen; Lilie u. Rose, der Neid, der Regenbogen, der Himmel u. der Mond; u. es war beinah als ob er alles verstünde. O wenn ich das Kind nach seiner Natur rein u. schön erziehen könnte. So ist auch im Adelbert ein Feuer u. Verstand, daß ich oft wünsche Du könntest ihn allein erziehen.
Mit Goethe habe ich mich am Montage über die Leonore im Pater Brei ausgesprochen, ich frug ihn, ob ich diese Person so ganz gewesen wäre? BeiLeibe nicht, sagte er; ich solle nicht so deuten. Der Dichter nehme nur soviel von einem Individuum als notwendig sei seinem Gegenstand Leben u. Wahrheit zu geben, das übrige hole er ja aus sich selbst, aus dem Eindruck der lebenden Welt; u. da sprach er gar viel Schönes u. wahres darüber – auch daß wir den Tasso, der viel Deutendes über seine eigne Person hätte, nicht deuten dürfen, sonst wäre das ganze Stück verschoben; u. s. w. kurz ich war völlig befriedigt, da ich mir ihn so ganz als Dichter denke. Er nimmt u. verarbeitet in sich aus dem All der Natur (wie es Moritz nennt) in das ich auch gehöre, u. alle andre Verhältnisse sind dem Dichter untergeordnet. Das sehe ich jetzt deutlich; u. ich sehe ihn täglich mehr in seinem eigentlichen Licht. Er ist eben ein glücklichbegünstigter von der Natur. Er hat eine unvergleichliche Abhandl. in den Merkur gesetzt, die ich Dir durch Gottfried abschreiben lasse; sie kommt mir so gerade recht hinter Moritzens Abhandl., sie ist mir gar ein schöner Maßstab u. berichtigt u. erhellt mir mein Gefühl, – so wie mir Moritzens Abhandlung einen Total Begriff für die Kunst gegeben hat.
Knebel grüßt Dich herzlich, er war gestern bei mir u. läuft heftig auf u. nieder, wenn ich ihm von Deinem Genuß in Napel erzähle oder Stellenweis lese. Er ist Dir seit Deiner Abwesenheit noch inniger gut geworden. Ich habe ein dutzend seiner kleinen Gedichte gelesen u. ihm mein Urteil gesagt; das hat ihm gefallen u. Dein Andenken hat ihn gar herzlich gerührt. Der Fr. von Frankenb. habe ich Moritzens Abhandlung auch geschickt u. sie hat sie gar verständig gelesen. Wie ich diese Frau liebe, kann ich Dir nicht sagen. Sie ist eben ein geläutertes Gold. Den Adelbert hat sie recht lieb daß er den Tieren so gut ist; sie nimmt eben an allem Teil was uns angeht; u. wenn mein Gefühl nicht so vertrocknet u. verdorret wäre, würde sich mein Herz recht innig zärtlich an sie ketten. Das ist aber vorbei; ich habe kaum soviel Dich u. die Kinder zu umfassen.
Gestern haben wir Wilhelms Geburtstag gefeiert. Er wird Dirs beschreiben. Du warst bei uns u. hast uns doch gefehlt. Diese Festtage wollen mir ohne Dich nicht schmecken u. ich darf fast mein Gefühl für diese Tage nicht erwecken. Lieber Engel ich wünsche u. hoffe Dich so oft zu uns u. fürchte Deine Gegenwart. Wenigstens bitten will ich Dich, Deine Freiheit zu verlängern so viel Du kannst, ich möchte nämlich, daß Dir in der Ferne nichts mehr zu verlangen übrig bliebe; kurz daß Du gesättigt kämest, um nur auszuruhen.
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Die Schwangerschaft der Henriette bestätigt sich nicht; sie fühlt kein Leben des Kindes; u. die heftigen Schmerzen im Unterleib fangen wieder an. Die Lieberin glaubt es sei ein Gewächs das doch endlich fort muß. Du kannsts doch dem Werner sagen; ohnerachtet die Henriette nicht will daß ers wisse; ich denke aber, es soll ihn nichts betrüben.
Gottfried hat die Abhandl. abgeschrieben u. schreibt Dir also heute nicht. Er küßt Dich, so wie August u. Adelbert die beim Erbprinz sind; Luisgen u. Emil spielen u. küssen auch den Vater.
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[Weimar,] den 13ten Februar [1789]
Lieber Vater.
Jetzt habe ich wieder ein Jahr meiner Jahre vollendet, ud bin schon ein Schritt näher zur Ewigkeit. Ich bin eilf Jahr geworden, ud ich muß daher von Jahr zur Jahr ud Tag zu Tag klüger ud weiser werden, wie mir der August gewünschet hat. Die Mutter hat mir ein Gesangbuch, Geldbeutel, Mandeltorte, ud eine große Bretzel gegeben, ud hat mir einen Gulden gegeben in Ihrem Namen, ud mit der Überschrift! Von dem lieben Vater aus Napel. Gottfierd hat mir was gar schönes geschrieben, ud hat mir Büschings Einleitung Papier, Tusche ud Feder gegeben. August hat mir auch was schönes geschrieben ud hat mir eine Rose ein paar Hosenschnallen ud Federn gegeben. Adelbert hat mir auch was schönes geschrieben welches mir sehr wohl gefallen hat ud hat mir ein Messer ud Papier gegeben Luise hat mir auch was geschrieben ud hat mir gar viele Federn ud Papier gegeben. Emil hat auch was geschrieben, ud hat mir ein Bleifeder ud Papier geschenk. Die Jumpfer Schwarzin hat mir eine große Bretzel gegeben. Es tat uns leid daß Sie nicht bei uns waren Leben Sie wohl ud beh[a]lten Sie lieb
Ihren gehorsamen Sohn Wilhelm Herder. 1789.
Weimar, 13. 2. 1789 [?]
Lieber Vater.
Ich habe mich gar sehr gefreut daß sie noch wohl sind. Wir haben heute auch den Geburtstag gefeuert von dem Herrn Schäfer, wir sind auch bei dem Prinz gewesen, und er hat aus dem Komedienhaus ein Felsen gekricht, und er gibt ihn wieder hin wenn er ihm überdrießig ist. Grießen sie den werner ich habe mich gefreut daß werner wieder gesund wird leben sie wohl.
Ihr getreuer Sohn Adelbert Herder.
Weimar, 13. 2. 1789 [?]
lieber Vater!
ich freue mich recht sehr wenn Sie wiederkommen und mir Kuchen bringen ich bin schon wieder beim Erbpringengen gewesen und der hat ein felsen der aus den Komödienhaus it ich buchstebier recht gern lieber Vater und denke immer an Sie,! [?] nunwohl Sie da
Emil Herder 1789.
Die Mutter hat ein buntes Papier gekauft.
[Nachtrag von Caroline Herder:]
NB.
Dieser Brief hat viele Mühe gekostet u. viele Freude bei der Arbeit gemacht. Die Augen glänzten noch einmal so schön, u. da das Essen kam, so sagte er ganz verwundert: ich bin doch noch gar nicht hungrig.
Napel, den 18. Febr. [1789].
Nur mit 2. Worten sage ich Dir heut, meine liebe, daß ich gesund bin, u. daß wir morgen von Napel scheiden. Ich habe hier einige gute Menschen kennen gelernt, u. Rom dünkt einen, wenn man in Napel dran denkt, wie ein böses Kloster. Ich wollte, daß die Fastenzeit schon vorüberwäre, u. ich mich auf den Rückweg machen könnte, im Wagen Elias. Lebe wohl, liebes Weib, mit unsern Kindern. 2. Posttäge habe ich keine Briefe von Dir: sie liegen in Rom, weil wir früher reisen wollten; desto angenehmer wirds mir sein, sie dort zu finden. Lebewohl.
H.
Weimar d. 20. Feb. 1789.
Deine lieben wenigen Zeilen vom 27. Jan. habe ich vorigen Sonntag erhalten; u. jedesmal nehme ich neuen frischen Teil an Deinem Wohlsein, wenn so ein neuer Bote kommt; ob mir dieser gleich so wenig gesagt. Dein Geist ist aufgewacht um zu schlummern! Diesen Zustand kann ich, wie die höchste Glückseligkeit, ahnden; Es ist das was Emil so eben liest: ich habe Gott von Angesicht zu Angesicht gesehen u. meine Seele ist genesen!
Indessen bin ich gerechter wie Du; Du schwimmst in einem Meer von Genuß u. reichst mir davon kein Tröpfgen; u. ich teile das Tröpfgen das mir zu Teil wird, mit Dir. Hier ist es: die erste Szene aus Tasso. ich habe sie vorgestern von Goethe bekommen u. sie eilig für Dich abgeschrieben. Aber nur für Dich allein. Ich bitte Dich um alles, lasse sie Deinen Reisegefährten nicht sehen; am wenigsten der Göchhausen. ich glaube Dir damit eine gute Stunde zu machen, da ich Dir aus mir selbst nichts erquickendes reichen kann. Mich dünkt das sei ein wunderschöner Anfang; der Vorhang so schön aufgemacht. Die Prinzessin, ihre Freundin u. der Dichter so wunderschön anziehend, man kennt u. liebt sie nun u. wird nun alles mit ihnen teilen. Goethe kam den Montag um nach Dir zu fragen. Es freute ihn sehr als ich ihm sagte, wie Dir sei. So war mirs auch, sagte er; ich ließ die Hände sinken u. tat nichts mehr. Knebel kam noch dazu. Goethe setzte sich nieder u. zeichnete mir ein Landschäftchen. Es war ein guter Geist u. ein gutes Gespräch unter uns, denn Du warst immer dabei. Zuletzt wurde noch viel vom Römischen Carneval gesprochen. Er gibt nämlich, eine Beschreibung des Römischen Carnevals wie es in den letzten 8 Tagen ist, mit 18 Kupfern heraus, die schon meist durch Krause fertig sind. Die Beschreibung davon ist so voll Ordnung u. einer eignen Darstellung des Ganzen, die Euch wohl schwerlich, wie er selbst sagt, zum ersten mal in dem entsetzlichen Gedränge, erschienen ist. Das Ende schließt sich mit einer Betrachtung über das menschliche Leben die mir sonderbar rührend war. Auch dieser Abend schloß sich bei den Kindern mit dem sia amazato pp sie bliesen sich die Lichter aus, da sie hinunterleuchten sollten. Ich kann nicht bergen daß mir diese Abendstunden, unter denen die ich mitunter zwar sparsam, in Gesellschaft zubringe, diese die liebsten sind. Ein verständiges Wort zu hören u. den Atem eines guten Geistes zu fühlen, das ist leben.
O wenn mir dies Gefühl wieder bei Dir, Du mein Einziger, innig u. lebhaft wird! Ich kann weinen vor Freude, wenn ich daran gedenke.
Die Kinder sind wohl u. fröhlich, wir freuen uns, wenn die Sonne ein wenig lacht. Heute ist ein heller Himmel aber kalt u. windig. Vorigen Sonnabend bin ich mit der Stein u. Kalb spazieren gefahren, seitdem habe ich niemand von ihnen gesehen. Die Kalbin u. Steinin sind jetzt viel zusammen, mein Herz sagt mir immer daß die St. nicht lauter gegen mich ist. In Moritzens Abhandl. ist ihr die Moral am unbegreiflichsten gewesen, daß das Individuum ins Ganze übergehen muß, u. s. w.
[ . . . ]
Goethe u. Knebel grüßen Dich. Die Kinder küssen Dich; ich lasse sie heute nicht schreiben, daß der Br. nicht zu dick wird. Lebe wohl, liebes Herz; ich träume jetzt fast alle Nacht von Dir, heute wars ein sonderbarer Traum, den ich Dir nur mündlich erzählen kann.
Lebe wohl mein Einziger; sei glücklich u. heiter! Lebe wohl mein Lieber, mein Guter, mein Bester. Lebewohl u. sei mir ein wenig gut.
Der gütigen Herzogin u. Gefährten empfehle mich.
In Moritzens Abhandl. hat G. das Wort nützt, in meinem letzten Gespräch hierüber, in dient verwandelt; dies dünkt mich noch viel richtiger.
Weimar, den 20. Februar 1789.
Es scheint, meine Seele ahmt der Neigung der Blumen nach, die wir an unsern Fenstern erziehen, und zieht sich nach dem Lichte. So oft verlangt mich nach Ihnen, Lieber, und ich werde nicht eher in die Höhe wachsen, als bis Sie wieder bei uns sind. Man sagt mir, Sie seien vermutlich wieder in Rom. Das mag sein; die Stelle macht mir nichts zu ihrem Dasein, außer wenn Sie näher sind. –
Die Philosophen lehren mich so ungleichartige Dinge. Sie sagen, nichts könne die bestimmte Form eines Individui aufheben oder zu einer andern bilden; und doch wollen Sie mir glauben machen, man sei ein anderer Mensch in Rom oder Neapel, als man zu Weimar sei. Entweder ist diese Lehre falsch oder es muß etwas daran sein, daß die Formen ihre hauptsächlichste Bestimmung von der Zufälligkeit erhalten.
Meine Form ist dermalen auf die allereinfachste Gestalt eingeschränkt, und ich schieße nicht besser an als gewöhnliches Küchensalz, z. B. in gemäßigter Stubenwärme. Die höhern Bildungen kann nur ein höherer Grad der Hitze hervorlocken. In diese Infusion fließen doch hie und da fremdartige Teile, die daher einer nützlichen Beschauung unterworfen sind. Gestern wurde ich Mirabeaus histoire secrète de la Cour de Berlin habhaft. Dieser schildert eine noch etwas dumpfere und plumpere Infusion, wo mancherlei Tiere aber schwer sich bewegen. Er hat dabei die Augen des Liebhabers, nämlich eines solchen, der Absichten, Endzwecke, Bewegungen zu erraten und zu deuten wünscht. Für die Tiere selbst hat er die bitterste Verachtung und er findet sie, bis auf ihre innerliche Struktur, abgeschmackt. Schade, daß unser Herzog auch mit hineingeflossen ist! Er findet ihn eine verve militaire, eine fumée ambitieuse, die auf nichts deutet, mit petits moyens nur versehen ist und nur die Kasten verwirren helfen will. Er meint, daß er und der Fürst von Dessau (le plus faible des hommes) dem Herzog von Braunschweig nur zum Kontraste dienten, und daß des Herzogs militärische Neigungen bloß auf eine Finanzspekulation zielen könnten, um seinen armen Sachen etwas aufzuhelfen. Sehen Sie, so gibt man uns Absichten und Endzwecke schuld, die wir nie gehabt haben; ja wir sind so rein davon, daß auch die vernünftigsten Endzwecke nie einen Gedanken nur erregt haben. Aber diese politischen Köpfe wissen von der eigenen Selbständigkeit nichts und hängen ihr kleinlichtes Wesen nur immer andern an die Köpfe. Dies Buch übrigens, wovon ich rede, scheint viel Aufsehen zu erregen, und enthält mehr Wahrheiten, als man glauben sollte. Am meisten leidet darunter der Prinz Heinrich, Bruder des vorigen Königs (tout est petit en ce prince), und freilich scheint durch, daß der Verfasser selbst so absichtslos nicht gewesen und daß fehlgeschlagene Erwartungen ihm den Kopf warm gemacht haben. Ich habe das Buch nur ein paar Stunden unter meinen Händen gehabt, sonst wollt' ich Ihnen mehr davon sagen.
Schiller kommt nun als professor historiarum nach Jena. So ungern ich seine Trauerspiele leiden mag und so wenig ich von seinem übrigen weiß, so ist er doch nichts weniger als ein böser Mensch. Wie ihm die neue Stelle behagen wird, muß sich erwarten lassen.
[ . . . ]
Grüßen Sie und empfehlen Sie mich den besten Reiseverwandten. Genießen Sie der phantastischen Karnevals-Erscheinung nach Ihrer Art, und bleiben mir treu und hold! Denn kein anderer liebt Sie mehr.
Rom, den 21. Febr. 89.
Seit gestern sind wir wieder in Rom; und statt des hellen, ewig beweglichen Meers stehn stille, dunkle Zypressen mir vor den Augen, an denen sich kein Wipfelchen reget. Alles ist stumm u. tot um uns her, weil die Villa Aquaviva oder Malta, wo wir auf dem monte Pincio wohnen, meistens schon unter Gärten liegt. Rom mit seinen Dächern u. Kupolen ist unter uns, u. auch da wars äußerst tot auf den Straßen, gegen Napel gerechnet, als wir gestern gegen Abend unsern Einzug hielten. Diese Nacht habe ich fast von nichts geträumt, als daß ich in einem Grabe schliefe; nicht aber tot, sondern lebendig; es war keine böse Ahndung im ganzen Traume.
Hier fand ich zween Deiner Briefe, die mich, wie alle u. jedesmal aufs zarteste rührten, so daß ich den ganzen Abend noch stiller war. Ich will Dir auf alle die Punkte, die Du von mir wissen willt, schreiben, so viel ich weiß, mein liebes Leben: denn daß ich bisher davon nichts geschrieben, rührte Teils davon her, daß ich zu wenig wußte, u. denn daß ich Dich mit dem Andenken an Dinge verschonen wollte, an die ich selbst ungern denke. Mit D[alberg] bin ich nichts weniger, als im Reinen. Du weißt, wozu er sich anerbot, u. daß ers selbst war, der um mich los zu sein, mir antrug, die Summe auf Einmal zu zahlen. Dies ist so wenig geschehen, daß der Teil, den <er> mir ausbezahlt hat, spät kam u. von mir gefodert werden mußte. Er reisete still nach Napel, wollte wieder eben so still nach Rom reisen: ich schrieb ihm einen Zettel; er schickte mir darauf einen Wechsel, auch noch nicht auf die ganze rückständige Summe, u. meldete sogleich, daß er ihn äußerst zu seiner Reise selbst nötig habe; er wolle in Rom die Rechnung abtun. Zugleich erklärte er, daß er die 1600. Tl. nur in Rheinschem Münzfuß zahlen könne u. f. Ich ließ mir alles gefallen: denn ich will durchaus nicht gegen ihn Härte brauchen, ich kanns nicht. Der gute Mensch leidet, u. eben die Kosten treiben ihn aus Italien: so daß er in wenigen Tagen Rom zu verlassen gedenket. Mich flieht er schüchtern: sein Herz ist verschlossen, u. selbst sein guter Charakter ist mißtrauisch geworden, durch das alberne Weib. Ich wills mit ihm so gut abzutun suchen, als sichs tun läßt; reicht das Geld nicht aus zu meiner Rückreise: so suche ich hier von der Herzogin oder sonst was aufzunehmen: denn ich mag u. kann ihn nicht drücken; ich hoffe es aber nicht. Bekümmere Du Dich um nichts: der Himmel wird mir wieder zu Euch helfen, u. ich werde an alles alsdenn als an einen Traum denken, der im Guten u. Bösen nützlich geträumt ward.
Aber verzeihe mir zugleich zu sagen, daß ich des G[oethe] Antwort an den Herzog, da er für mich was tun wollte, äußerst albern u. abgeschmackt finde. Zuerst wußte er ja nicht, wie es mit mir stand; u. wußte ja, was man auf einer Reise in Italien für Geld braucht. Er wußte ja, daß der Herzog noch nichts für mich getan habe, u. daß wenn man so einen Augenblick bei ihm vorbeigehn läßt, man der ärgste Narr sei. Ihm ists jetzt so, als ob er mirs gegeben habe, bloß weil ers geben wollte; u. ich habe nichts. Was wäre es denn nun gewesen, wenn er mir einige 100. Zechinen zu einer Reise in Italien geschenkt hätte? Eine elende Kleinigkeit für einen Fürsten. Andre lassen sie ja ganz auf ihre Kosten reisen, u. ich muß mich überall, wie ein appendix durchbetteln. Kommt meine Reise dem Herzoge nicht zu gut? u. müßte er mir nicht Dank wissen, daß ich sie auf seine Kosten täte? D[alberg] hat nichts davon, u. es wäre Himmelschreiend, ihn über sein Vermögen zu drängen, bloß weil er einen dummen Streich aus Güte des Herzens gemacht hat. Zudem hatte ichs durch ein paar Worte im Briefe der Herzogin selbst darauf angelegt, da ich nämlich sagte, daß ich auf eine so unwürdige Weise, reisen zu müssen, nie geglaubt oder verdient hätte. Davon war nun jener Entschluß die Folge; u. G[oethe] kommt mit seinem großen »für diesmal braucht ers nicht« in den Weg, als ob ich noch ein andermal die Reise tun wollte. Verzeihe mir, daß ich das Alles von ihm nicht begreifen kann, der ja wissen muß, daß man, um sich in Italien etwas zu kaufen, für andre zu kaufen, immer sogleich eine Reihe Zechinen nötig habe, weil alles Gute auf diesem großen Marktplatz der Welt sehr teuer ist. Aber so ist er durchaus, u. ich sehe jetzt seine Exsistenz heller, als jemals. Er ist nur in sich u. für sich; andern schadet er eher, als daß er ihnen helfe. Auch wenn der Herzog für meine Situation in W[eimar], wie ers im Sinn hatte, <etwas> wird tun wollen, wird ers mit dem besten Willen verderben. – Das alles ist nur für Dich geschrieben, liebes Herz, nicht daß Du Dich darüber quälest: denn das brauchts im mindesten nicht, sondern daß Du sehest, wie ich die Sache ansehe u. sie auch so ansehen lernest. Was hilfts, daß man Zweifel in sich verberge, wenn sie doch einmal dasind u. ihre Veranlassung haben? Aller Trug ist nichts, u. dauert nicht, er sei so schön, als er wolle.
So ists auch mit Moriz Philosophie u. Abhandlung. Sie ist ganz Göthisch, aus seiner u. in seine Seele; er ist der Gott von allen Gedanken des guten Moritz, für mich aber haben die Herzogin L[uise] u. Knebel mit ihren Gefühlen ganz recht: mir ist diese ganze Philosophie im feinsten Organ zuwider: sie ist selbstisch, abgöttisch, unteilnehmend u. für mein Herz desolierend. Ich mag die Öde nicht, in der auch ein Gott um sein selbst willen allein exsistieret. Doch das mag hingehen; ich komme zu wesentlichern Dingen für uns Beide; u. in alle diesem rede ich Dir, liebes Leben, Herz an Herz, Seele an Seele.
Von meiner Rückreise weiß ich Dir noch nichts Bestimmtes zu sagen. Ich sehne mich aus Italien, u. wollte, daß ich schon an der Deutschen Grenze wäre, ob ich gleich an meine kirchliche u. politische Situation in W[eimar] nicht eben mit Vergnügen denke. Auf der andern Seite wünscht die Herzogin, daß ich mit ihr nach Napel auf den Sommer zurückkehre. Der Erzbischof von Tarent hat mir äußerst angelegen, nur ein halbes Wort une demi-parole darüber zu geben; u. der General Salis hat mir durch seinen Neveu gar den Antrag tun lassen, mit ihm nach Sicilien zu gehen, wohin er im März oder April zu gehen gedenken. Das alles wäre nun wohl recht gut; aber a) fürchte ich meine Leber, die auf der Einen Seite freilich vielleicht allein in Neapel kuriert werden, aber auf der Reise in Sicilien, die man nur zu Pferde tun kann, in der Hitze auch leiden könnte, b) habe ichs etwas satt, als appendix unter den Menschen, wenn auch unter guten Menschen zu leben, u. sehne mich nach meiner Heimat. In weniger Zeit wird sich alles entwickeln, u. ich werde Dir bestimmt schreiben. Sei um nichts bekümmert: es waltet über uns ein gutes Schicksal. Die besten Menschen, die mich kennen lernen, haben mich lieb u. wert u. Gott wird mir durchhelfen. Mit Einsiedel habe ich in Napel recht als Bruder gelebt, u. die Herzogin ist mir sehr gütig; die Göchhausen auch, so viel sies bei ihrer tausendfach verdorbnen Laune sein kann; ihr wäre es indessen insgeheim lieber, daß ich reiste. Der Herzogin aber würde es äußerst fatal sein. Die Zeit wird alles bringen u. entwickeln. – In Einem habe ich mich sehr betrogen, daß ich vom Englischen Konsul ein großes, honettes Präsent hoffte. Er hat es mit höflichem Dank bewenden lassen, so auch der alte Geck Hamilton, in dessen Hause ich ein andres Paar kopuliert habe. Ich konnts nicht abschlagen, weil ich die erste Funktion verrichtet hatte. Mich dauert indes auch das nicht, wer weiß, wo es mir zu gut kommt: ich wollte, ich könnte allen Menschen Freude machen u. ihnen helfen. Unter 1000. hilft mir auch Einer wieder. Lebe wohl, liebes Herz mit Deinen Kindern. Grüße sie alle, alle, u. danke Ihnen für Ihre Briefe. Heut kann ich nicht an sie schreiben; ich hoffe aber nächstens. Eben ist die Herzogin in meinem Zimmer gewesen: sie grüßt Dich schön u. will auch einmal an Dich schreiben, um Dir Rechenschaft von mir zu geben. Lebe wohl.
Nochmals, liebes Weib, kümmere Dich mit keinem Gedanken über mein Geld oder hiesiges Auskommen. An Mitbringen vieler Sachen wird wohl nicht zu denken sein, aber mir, hoffe ich, soll nichts fehlen. Gott mit Dir u. den Unsern!
[Beilage:]
Kommissionen, die ich Dich sorgfältigst auszurichten bitte: Meine Ideen in Quarto T. 1. 2. 3.
5. Ex. der Œuvres posthumes des verst[orbenen] Königs von Preußen NB die in Gotha bei Ettinger herausgekommen sind; nicht die Berliner. Auf gut Papier.
Beide zusammengepackt, u. nach Hamburg, aufs wohlfeilste da Du kannst, spediert, unter der Adresse:
à Messieurs Novelletto et Bombardini
à Hambourg
pour adresser les livres pour
Mr. George Hackert à Naples
In dies Pack, das Du inwendig unter jener äußern Adresse an Mr. George Hackert Sculpteur Royale à Naples noch besonders adressieren kannst, legst Du versiegelt ein Päckchen
meiner Preisschrift in Quart über den Einfluß der Regierung auf die Wissenschaften u. der Wissenschaften auf die Regierung.
unter der Adresse: a Madame/Mad. la Duchesse Jovene
al Palazzo Real à Naples
so daß es Hackert nur hinschicken darf.
An mich schickst Du nach Rom, sobald Du kannst,
meine Preisschrift über den Verfall der Künste, nebst den Ursachen p die Du für Voß korrigiert hast.
Der junge Salis will sie ins Italienische mit Anmerkungen für die Italiener übersetzen u. wünscht sie bald. Säume auch mit dem ersten Pack nicht lange, weil sonst die Schiffe von Hamburg nach Napel abgehn; u. melde mir den Preis der Œuvres posthum. bei Ettinger, so daß Du mir seine eigne Note übersendest, u. etwas das Porto nach Hamb. in meinem Briefe, wenns hoch kommt, anmerkest. Das andre sind Geschenke, u. ich danke Dir, daß Du mir die zerst[reuten] Bl[ätter] aufdrangst, Sie haben viel Freude gemacht, u. ich wollte, daß ich mehrere meiner Sachen mitgenommen hätte. Lebe herzl. wohl, liebe, Gute, u. bleibe mir hold.
Rom, den 21. Febr. 89.
Sie erwarten vielleicht, liebster Freund, da Sie meine Handschrift sehen u. Rom über dem Briefe lesen, einen Brief voll Merkwürdigkeiten dieser Gegenden. Nichts aber von Allem; ich komme gestern von Napel zurück u. bin von Allem noch zu voll, als daß ich etwas von mir geben könnte. Wenn nichts weiter, so hat mich die Reise auf meine Lebenszeit verjüngt, und tausend Ideen in mir berichtigt.
Heut nur eine Bitte für Einen meiner Lieblinge in Weimar. Es ist der junge Zinserling, der im Gymnasium daselbst unter meinen Augen als ein Saftreiches, Hoffnungsvolles Gewächs aufgeblühet ist, nachher in Jena mit eben so vielem Fleiß, als Verstande u. guten Mut zu leben seine Studien recht nach meinem Wunsch fortgesetzt hat. Er kommt auf Ostern nach Göttingen, und wünscht nicht nur Ihnen empfohlen zu sein, sondern auch Ihre väterliche Liebe zu genießen, die er gewiß verdient. Sein Vater ist ein sehr braver Mann, aber arm, u. hat eine zahlreiche Familie: er ist Archidiaconus an meiner Hauptkirche u. jetzt in allen Sachen, die mir am Herzen lagen, mein Vicarius; ich habe ihm die größeste Verbindlichkeit, wie er auch gegen mich eine seltne Güte u. Freundschaft hat. Mir zu Liebe tun Sies doch also u. verschaffen dem jungen Mann einen Freitisch, nehmen sich auch sonst seiner an, wo Sie können: er wirds gewiß nicht übel lohnen. Ich kenne ihn u. kann für ihn gut sagen; mir ists, als ob Sie die Güte meinem Kinde erwiesen.
Leben Sie wohl, liebster Heyne, o daß Sie nie nach Italien kamen! u. o daß ich nicht jünger dahin kam. Zu lernen ist da unsäglich viel; in den Bibliotheken wären Schätze zu nutzen, die jetzt unbrauchbar liegen, weil zu ihnen zu kommen Gelegenheit, oder sie zu nutzen Zeit fehlet. Indessen sehne ich mich zurück nach meiner Heimat, u. könnte wie ich jetzt bin, um Alles nicht in Italien leben, so wohl es mir übrigens gehet. Nochmals sage ich Ihnen aufs beste Lebewohl, u. bitte, mich Ihrer Gemahlin u. Tochter aufs beste zu empfehlen. Ewig der Ihrige
Herder
In größter Eil
W[eimar,] den 23 Feb. 789.
Heute früh kam Dein lieber Brief vom 2. Feb. durch Ludecus, u. erfreute mich schon durch seinen Anblick da ich auf heute Verzicht getan hatte. O wie danke ich Gott, daß es Dir einmal in der Welt wohl geworden ist! Jeder Brief von Dir aus der glücklichen Gegend kommt mir wie ein Täubchen mit dem Ölblatt. Genieße, u. koste was Dir die reiche Natur darreicht, Deine Ernte wird mir denn auch einmal ein süßes Körnchen reichen.
Das französ. Billet u. die Priesterliche Funktion des Monseigneur le Prelat de Herder, hat mich in Scherz u. Ernst erfreut. Du wirst dem liebenden Paar in diesen Tagen wie ein Engel vom Himmel erschienen sein. Das glückliche Zusammentreffen der Umstände, worinnen man sich selbst als ein gutes Werkzeug fühlet ist so schön; und dies Gefühl mußt Du auch unter unserm dunkeln Himmel künftig täglich mehr empfinden.
Ich habe das Billet an Goethe gesandt u. ihm Deine Empfehl. an den Herz. u. die Herzogin aufgetragen. Der Herzog ist gestern von Berlin wieder zurückgekommen: die Elisa Gore hat für das Luisgen einen Amor mit der Fackel u. einem Schmetterling den er in der einen Hand hält gesandt, um es am Hals zu tragen, »cet petit medaillon, que j'ai trouvé l'autre jour dans ma Casette, est un des derniers souvenir qui me restent de Rome pp – es ist an einem rosenfarbenen Bändchen. Der Grund davon ist blaulichtgrau u. der Amor weiß. Sobald ich Goethe sehe, werde ich ihn um das Kunstwerk befragen. Heute früh hat Emil auf eine rührende Art gezeigt, wie er das Luisgen liebt. Seit 8 Tagen ist nämlich die Ordnung eingeführt, wer etwas umherliegen läßt, von Papier, Büchern u. dgl. der gibt einen Pfenning Strafe. Nun haben sich der Gottfried u. das Luisgen diese erste Woche ohne Strafe ausgezeichnet, ausgenommen einmal, das aber nach dem Gesetz allen begnadigt ward. Heute [früh] fiel sie nun durch etwas in die Strafe. Das schmerzte sie entsetzlich u. sie konnte ihre Äuglein nicht aufschlagen, endlich brach sie in stille Tränen aus; Emil war bei ihr u. sah sie so bitter weinen, das bewegte den gutherzigen Jungen so heftig daß er in eine Ecke ging u. aus dem Innersten bitterlich anfing [zu] weinen wie ich ihn noch nie gesehen habe. Kurz, die Mutter die schon durch des Vaters Brief erweicht war, weinte mit – – u. alles war begnadigt. Die zwei Kinder haben eine eigene zärtliche Liebe zueinander u. meine ganze Zärtlichkeit war durch sie aufgeweckt oder kindlich genährt. Deine Abwesenheit erhält mich wach u. munter.
Vorgestern hat mich die reg. Herzogin zu sich kommen lassen; sie war sehr sehr gut, wir sprachen meist von Dir u. Neapel; Fr. von Diede hat ihr geschrieben, daß der Senator enchantiert von Dir sei. Dann sprachen wir von Goethe u. der St[ein]. – Das Verhältnis ist noch immer nicht im Gleis. Sie will nicht verzeihen, u. er nicht um Verzeihung bitten. So scheint es uns. Ich mag nicht tiefer hinein sehen. Ich denke er seis wohl wert daß man um ihn etwas leidet.
[ . . . ] Alles wünscht daß die Herzogin Mutter mit Dir kommen möge, aus vielen Ursachen, Geist- u. leiblichen! Man wünscht daß sie mit Ehren aus dem hohen Rom, den Rückzug nähme. Unsre Herzogin ist wohl u. läßt Dich aufs schönste grüßen. Emil ist gestern mit beim Erbprinzen gewesen, hatte seine Brieftasche mit u. hat dem Erbp. Deinen Br. gezeigt; da hatte dieser ausgerufen: wenn ich doch nur auch einen Brief bekäme! Hastu vielleicht einmal Lust u. Zeit diesen Kindischen Wunsch zu erfüllen? Vielleicht schreibt ihm auch die Herzogin Mutter; es könnte ihn doch leicht anfeuern sich im schreiben besser anzugreifen. [ . . . ]
Weimar, 23. 2. 1789 [?]
Lieber Vater!
Ich danke Ihnen für Ihr liebes Briefchen das ist recht lustig wie die Leute auf der Straße wirtschaften als ob die Kinder auf der Gosse spielten, aber das sind alte Kinder die Elise Gor hat mir einen Amor mit einen Schmetterlin geschenkt und ich habe in Ihrer Bibliothek die Psyche gefunden u. will sie Ihnen erzählen wenn sie wieder kommen wir wünschen daß ein recht Zephir sie zu uns bringen mag. Leben sie wohl lieber Vater ich will auch ihre fleißig Tochter werden.
Luise Herder.
Neapel, 28. 2. 1789
Mir tut sehr leid das ich nicht bei Ihnen in Rom sein kann, nur einige Werke der Kunst mechte ich mit Ihnen besehen, denn wie ich an Ihnen bemerkte so waren Sie nicht ganz zufrieden, welches auch ich nicht anders sein kann, nach dem wie ich mir vorstelle das Sie die Sachen gesehen haben. – Ich wollte Sie besehen einige Sachen ganz alleine für sich, ohne das Sie jemand mit sich nehmen, denn öfters machen einen die Führer mit ihrem Geschwätze nur irre, und man stehet vor einem Bilde als vor einem stummen menschen, der nichts zu einem sagt, und so stehet man vor einem Bild und guckt ohne das man siehet. Ich will Ihnen nur einige Sachen aufschreiben die mir besonders gefallen, und ich bitte Ihnen, lassen Sie sich durch einen Bedienten nur an den Ort führen und besehen die Sachen für sich ganz allein, und denken so wie Sie in Ihren reinsten jahren dachten. In der Kapelle Sexti besehen Sie die malereien des M. Angelos, in dessen Werken werden Sie den Größten Verstand und den verwegensten Geist sehen, er ist weit hin aus über das Gewehnlige mit seiner Geistigen Einbildung gegangen. Sein, und Wirken hat er bis zur Karikatur getrieben – Ich sollte hier in das tedaly gehen, und Ihnen zeigen wo ich dieses bemerke – aber da ich nicht bei Ihnen bin, ist es zu schwer zu sagen, suchen Sie es selbst zu sehen, und lassen Sie sich dieses genug sein, das diese malereien seit einige jahrhunderte für das größte Werk des Geistes und der erfindung ist erkannt worden. Ich schreibe vielleicht meine Gedanken nicht deutlich genug, ich bin es auch nicht imstand meine Gedanken mit Wörter auszudrucken, aber ich tröste mich damit das ich mit einem Gelehrten spreche der mich wohl verstehen werd, und ich bitte Ihnen denken Sie nicht gegen mich, sondern mit mir.
Von Rafaelo betrachten Sie genau die Schlacht des Constantins, die unter denen Gemälden was die Ilias unter denen Gedichten ist, da ist ein Ganzes, und alle einzelne vorfälle die nötig sind eine Schlacht zu erzählen. Der Heliodor ist vielleicht das Glückligste welches er erfunden hat. Dieses Bild ist einem auf den ersten anblick klar. Die vorstellung ist deutlich. Wenn ich dieses Bild betrachte, denn kommt mir die Liebe Gottes vor, wie er zum zweiten mal mit seiner hand menschen schafft, wie er Rafaels Stirne Bildet, und ihm seine Seele ein Bläst.
Die Farnesine betrachten Sie als eine idealische malerei, durch die Ausführung lassen Sie sich nicht irre machen, denn es ist von Rafaels Schüler gemalt worden, und nach her durch restaurieren sehr verdorben worden. Auch gehen Sie in diesem Palazzo eine Treppe höher und sehen die Gemälde von Sotoma, es ist die Geschichte von Alexanders, die fäls[ch]lich für die arbeit des Julius Romano aus gegeben werd.
Denn gehen Sie in die Galerie Borgese, und sehen die h. Sicilia von Dominicino, und die Grablegung von Rafael, und die so genannten drei Grazien von Tician, bei diesem Stück halten Sie sich so lange auf bis es Ihnen gefällt, und gehen Sie eher weg, so müssen Sie nie wieder ein ander Bild besehen.
In dem Palazzo Spata, besehen Sie die Dito von Guercino, nur den Kopf und Hals müssen Sie allein betrachten, da werden Sie eine verliebte schwärmerin sehen, nicht die Königin die Cartago erbaute, sondern eine verliebte Italienerin.
In S. Gregorio sehen Sie eine Geißelung von Dominicino, und in einer anderen Kapelle ein betender Papst zur seite stehen Engels, von A. Caracci, das ist alles was man in der Kunst in Öl zu malen sehen kann.
Alla trinita de Monte in der Kirche ist das große Kunststück von D. de Voltera, und bei der Angelica Kaufman, besehen Sie ja das Bild von D. de V. recht aufmerksam, denn da sind viele teile der Kunst in vereiniget.
Ich könnte Ihnen noch mehr aufschreiben, aber ich förchte Ihnen irre zu machen, besehen Sie nur dieses recht aufmerksam, die andere gute Bilder werden Ihnen schon von selbst auffallen. Von denen Griechischen Werken welche sich in Rom befinden will ich Ihnen nichts sagen, weil Sie in Der Welt mehr bewandert sind als ich, und Winkelmann hat auch zugut drüber schon gesprochen, und das ist Ihnen alles bekannt. Nur bitte ich besehen Sie ja die Werke der italienischen Maler auch, denn da sind große menschen unter gewesen. Nur schade das sie gebunden waren Geistlige Geschichten zu malen, und das für Pfaffen – wenn diese leute Vorstellungen gemacht hätten um auf den Verstand zu wirken, so werden sie eben so viel getan haben als sie auf den Glauben gewirkt haben, denn darum war es ihnen nur zutun, und der Katholische Glauben hat auch gewiß viele Festigkeit durch die Bilder bekommen. Man muß also die Vorstellung bei vielen Bildern nicht betrachten, sondern die Kunst womit es gemacht ist. Doch sind einige sehr gut vorgestellt, als die Geschichte des hl. Paulus von Rafaels. Auch die jüdische Geschichte in denen logen des Vaticans und einige heilige Familien u. m. Jetzo ist es fast unmöglich das die Malerei wieder auf den Punkt kommt wie sie unter denen Päpsten war.
Ich habe noch vieles mit Ihnen zu sprechen. Sie sind mir zugeschwind wieder von hier gereist, und hier konnte ich Ihnen nicht einmal recht sprechen, Sie waren zuviel zerstreut, und ich bin ganz zerrissen, denn meine lage läßt mich nicht sein was ich bin. Aber ich habe noch Hoffnung wir sehen uns in einer besseren Zeit, das unser Gespräch mir nützlich sein kann. Ich habe doch noch einige Gedanken im Kopf die ich gerne malen mechte, und dabei werde mir Ihr rat sehr nützlich sein. Ich wünsche sehr das Sie wieder nach Neapel kommen, wir lernten uns besser kennen und werden uns besser verstehen, und nachher könnten wir vieles durch Briefe ausmachen. Ihr Porträt mecht ich auch gerne fertig machen, und ihrer Frau Gemahlin geben, damit sie sich dabei erinnere das ihr Gatte ein Freund in fernen lande hat.
Kommen Sie nicht wieder so kann ich es nicht fertig machen, und dieser Entwurf bleibt für mich, und soll so lange ich lebe ein Ergetzen für mein Auge sein Ihre Gestalt zu sehen, in meinem Herzen habe ich Ihre Seele. Ihnen kennen zu lernen, und Ihnen zu sehen hat mir eine wahrhafte Freude gemacht. So eine lust ist mir lange nicht geworden. Wären Sie auch so nicht gewesen als ich mich Ihnen vorstellte, und als ich Ihnen fand, so wäre ich unglücklig geworden, denn lange schon bin ich nicht mehr mit denen menschen zufrieden, Sie aber haben mich wieder mit denen ausgesehnt.
Vor einigen Tagen ware ich zu Pesto, und hatte das schönste Wetter von der Welt. Diese Tempels müssen Sie sehen, man weiß sonsten nicht was vordiesem die menschen waren, es übertrifft alles was man in Rom siehet, an Ernst und männligem unternehmen ist ihm nichts gleich. Von da kam ich zurück und ging durch das alte Pompeia und habe mich recht gefreut über die Malereien, und an dem denken der Alten.
Empfehlen Sie mich an die gnädigste Herzogin, die Teemaschine und das Teezeig werden selbige schon erhalten haben. Die andern Sachen sind auch schon eingepackt, und werden mit erstem von hie zuschiff abgehen, just gehet die andere Woche ein Schiff auf Rom das sie mit nehmen wird. Ihre Vasen sind auch mit ein gepackt, und auf jeder ist Ihr name geschrieben, auch habe ich für Ihre Kleine noch einige Muscheln mit bei getan, die ich selbst am Meer auflas. Das Porträt der M. Hart kommt auch mit. Diese Woche werde ich nach Caserta gehen um die M. Hart noch einige mal malen. Ich mechte gerne auf Rom kommen, wenn es mir nur irgend möglich ist, so komme ich einige Wochen vorher hin, ehe Sie abreisen, um mit Ihnen als denn wieder nach Neapel zu kehren. Empfehlen Sie mich an die Gd. Fräulein und an H. v. Einsidel, und den andern Freunden. Das logie in meinem Haus wird für Ihnen zurecht gemacht, und die besten Bilder darin aufgehangen, damit Sie vergnügen haben sich darin aufzuhalten.
Behalten Sie mich lieb.
W. Tischbein
Napel den 28. Feb. 1789
Rom, den 27. Febr. [/1. 3.] 89.
Ich habe den Br. von Dir, meine Liebe, eine Antwort auf meinen 2ten aus Napel, nebst den Briefen der Kinder u. den beiden vortrefflichgeratenen Bildnissen des Luischens, wie sie spinnt, u. Emils, wie er in der B[iblischen] Gesch[ichte] lieset, mit großer Freude erhalten; u. danke Dir für den Teil, den Du an meinem Wohlsein in Napel nahmst. Dein Gedanke war lange auch der Meinige, länger als die Herz. in Napel zu bleiben u. aus eben den Gründen; zuletzt wandte es sich aus andern Gründen anders, worunter der der vornehmste war, daß ich mit D[alberg] noch nicht zu Rande gekommen war u. nicht wußte, wohin er hinauswollte. Meine Reise ist einmal zerrissen u. verwirrt; ich kanns nicht ändern: man muß sich geduldig dem Schicksal fügen. In Rom habe ich die ersten 5. 6. Tage die erschrecklichsten, ängstlichen Nächte gehabt, eine toller als die andre, daß W[erner] endlich nicht wußte, wie er mit mir dran wäre. Ich hätte nie in der Welt geglaubt, daß eine plötzliche Veränderung des Klima so stark auf einen Menschen wirken könne, habe auch in meinem Leben davon keine solche Probe gehabt. Seit 2. Nächten ist mir besser, und ich schlafe wieder wohl; indessen ist Rom kein Ort für mich, so viel Schätze der Kunst, (vielleicht auch der Literatur, wenn solche zugangbar wären) darin gesammlet sein mögen. What's Hecuba to him or him to Hecuba? sage ich mit dem guten Hamlet u. will mich gern wieder in meine kleine Nußschale einsperren, wenn ich nur schon zu ihr gelanget wäre. Meine Abreise von hier ist bei mir selbst noch unbestimmt. Die Herz. will, daß ich mit ihr nach N[eapel] zurückgehen soll; ich mags aus einer Reihe von Ursachen nicht, die zu weitläuftig anzuführen wären. Sie will, daß ich in der Fastenzeit allein nach Florenz soll, um auf die H[eilige] Woche wieder bei ihr in Rom zu sein; bin ich da, so komme ich wahrscheinlich nicht wieder rückwärts, u. das Ende wird sein, daß mir das Spektakel der H. Woche u. des Osterfests auch geraubt wird. Was tuts? Ich habe an Weihnachten gnug, u. eine Woche h[eilige] Kastratenmusik mehr oder minder wird mir auch nicht der größeste Verlust sein. Im Grunde sind dies alles für mich Pfützen aus einem toten Meer, so sehr sich auch G[oethe] den Mund aufreißt, ihre Süßigkeit zu loben.
Was G[oethes] Streit mit K[nebel] betrifft, von dem der Letzte mir auch geschrieben hat, so bin ich ganz u. gar auf K. Seite. M[oritzens] Abhandlung ist ein verwirrtes Ding u. ich wundre mich, wie auch Du so viel Geschma<ck> daran hast finden können. Für mich lesen konnte ich sie ganz u. gar nicht; u. als er sie mir vorlas, sagte ich ihm, bei dem Vielen einzelnen Guten, das daran ist, sei sie im Ganzen für mich ungenießbar. Sie ließ eine unangenehme Empfindung in mir zurück, u. der Wert, den Er aus G[oethes] Munde daraufsetzte, war mir zwar erklärlich, weil es ein Kleid ist auf G[oethe] gepaßt u. gemacht, aber desto mehr beinahe beleidigend. Daß M[oritz] zuletzt rückhaltend gegen Dich geschienen hat, ist mir für ihn, aber nicht für Dich leid, was auch die Ursache davon sein möge. Grüble über diese nicht nach, u. besitze Dich selbst; Du hast in Dir mehr, als andre Dir geben mögen, eine reine klare Quelle gesunden Sinnes u. einer zarten lebhaften Menschenempfindung, durch Handlungen geprüft u. durch Leiden gestärket. Alle weitere Subtilisationen, Abgöttereien mit sich u. andern, Weiber-Tatscheleien u. f. hole der T–
Ich laufe mit Meier jetzt noch einmal die Hauptdenkmale des Altertums über. Er ist ein vortrefflicher Mensch, Einer aus 1000. u. abermal 1000. an Sinn u. tiefem Verstande. Sprich aber auch hievon nichts zu G.
Meinen öffentlichen Lauf schränke ich hier auch allmählich ein, so gut es gehn mag. Ich habe bei Bernis einmal, einmal beim Dänischen Gesandten, u. einmal bei der Angelika zu Mittag gegessen: das ist gnug für 8. Tage. Die Angelika ist gar lieb u. hold: leider aber durch die fatale Kunst, in der sie obgleich wie ein Engel exsistieret u. von Kindheit auf exsistiert hat, auf ihrem Stamme vertrocknet. Sie ist eine Dichterin mit dem Pinsel, u. hat eine sehr zarte Empfindung: sie grüßet Dich sehr, u. hat mir angetragen, mein Gemälde ihr zu lassen zum Pendant von G. den sie auch gemalt hat. Ich hasse die Pendants, u. weiß überhaupt nicht, ob sie dazu Zeit gewinnen wird, sonst wäre es der Mühe wert, zu sehen, wie sie mich sieht u. denket. G. Bild hat sie sehr zart ergriffen, zarter als er ist, daher die ganze Welt über Unähnlichkeit schreiet; die doch aber wirklich im Bilde exsistiert. Die zarte Seele hat ihn sich so gedacht, wie sie ihn gemalt. Der Herz. Bild ist vortrefflich; aber auch ganz u. gar idealisieret. Sie kann nicht anders u. ist überhaupt eine zarte Engelsfrau, oder vielmehr Jungfrau, das sie leider noch sein ma<g.>
Wenn mich etwas in Rom tröstet, sinds die Statuen u. Köpfe. Deinen Charakter habe ich auch gefunden, u. wir wollen den Namen Electra jetzt fahren lassen: Du bist Ariadne. Zwar bin ich nicht Theseus, u. Bacchus nur sofern ich Wein trinke u. Tobak rauche; ich kann Dich auch nicht zur Himmelsgöttin erheben. Dafür habe ich Dich aber auch nicht verlassen u. Deine treue, feste Reinheit, die Liebestrunkne Großheit u. Anmut Deiner Seele ist eine Gabe, die Dein ist u. Dir keiner, weder geben noch rauben kann. Bleibe mein, ich will Dein bleiben, mein süßes, einziges Leben, mein Weib u. meine Geliebte, mein Bruder u. meine Freundin.
Grüße u. küsse die Kinder 1000mal mit dem besten Dank für Ihre Briefe. Vielleicht schreibe ich noch an einige; jetzt will ich ins Museum. Hier sind ein paar meiner Visitenbillets aus Napel, damit sie doch den Vesuv wenigstens im Abdruck sehen. Die Tempel auf Freudenheims Billet sind die von Pästum. Die Zeichnung hat Rehberg im Augenblick gekritzelt, da er mir den Br. brachte, ich ihn las u. ihm die Bilder der Kleinen zeigte. Lebe wohl. Ich kann Euch weder pretiosa an Kunst schicken, noch mitbringen, noch selbst machen, wenn ich mich nur als ein armes Naturgewächs glücklich wieder hinüberschaffe. Wenn ich glücklich bin auf der Reise, hätte ich große Lust durch die Schweiz zu wandern. Müller v[on] Schafh[ausen] hat mir geschrieben, herzl. gut u. traurig. – Lebt wohl, Ihr Guten, liebt mich u. betet für mich. Grüße die brave Kalbin, <Kne>bel, die Steinin u. alle Guten. Lebe wohl, Liebe.
H.
P. S. Hier ist ein Briefchen, das mir die Herz. an Dich gegeben. Es ist wirklich schön u. Poetisch geschrieben, u. der Spaß beruhet darauf, daß als Hamiltons H[ure], sie heißt Mad. Hardt ihre tausend Stellungen u. Figuren im Griechischen Gewande machte, ich sie neckte, u. sie gegenteils ihre bacchantischen Attitüden in der Gesellschaft immer an mich adressierte. Übrigens ist sie a fonds eine sehr gemeine Person in ihrem Innern, ohne feineres Gefühl wie ich glaube, für irgend etwas, was erhaben, groß u. ewig schön ist; eine Äffin aber, daß nichts drüber geht. Da alles vorbei war, bin ich über sie recht ergrimmt worden, daß sie mich so gewaltig aus dem Traum geweckt, u. einen großen Teil meiner Ideen über die Kunststellungen, die freilich in aller Einfalt etwas übertrieben waren, ziemlich ruiniert hat. Ich sahe nämlich, wie entfernt man vom wahren Sentiment jeder edlen Art doch so ein glücklicher Affe sein könne. Überhaupt komme ich aus dem Lande der Kunst beinah als ein Feind der Affenkunst, oder wenigstens sehr gleichgültig gegen sie zurück. Dies dient zur Erläuterung des Briefes; sage sie aber niemanden: sondern lasse den Brief in seiner poetischen Dichtung. Antworte artig u. höflich dankend. Mich freuts, daß sie im Br. nichts davon erwähnt hat, daß ich den Sommer noch hier bleiben solle. Sie muß also selbst ein Vorgefühl haben, daß nichts daraus werden werde, u. das ist das Beste. Lebe nochmals wohl. An die Kinder kann ich heut nicht schreiben: grüße sie herzlich. – Eben sehe ich meinen Br. an, u. da ich über M[oritz] u. K[nebel] geschrieben, so bitte ich Dich, ja nicht zu glauben, daß ich auf G[oethe] etwa einen Groll habe. Ich ehre ihn, wie immer: denn ich sehe zu klar, daß er nicht anders sein kann, als er ist. Übermorgen fängt Trippel meine Buste an, die zu G. seiner ein Pendant werden soll, auf des Herzogs Bestellung. O der leidigen Pendants! G. hat sich als einen Apollo idealisieren lassen; wie werde ich Armer mit meinem kahlen Kopf dagegen aussehn! Desto besser, so stehe ich nackt u. arm da. Addio!
Rom d 1ten Marz –89
Da ich mir wohl vermuten kann daß Ihr liebes zweites Ich fleißig an seine Bessere hälfte schreibt und alles sagt wie es mit ihm und mit uns stehet so habe ich bis jetz anstand genommen Ihnen liebe Herdern selbst zu schreiben. Ich kann aber nicht umhin Ihnen nur mit wenigen Zeilen zu sagen, daß ich einen Kleinen Sieg über unsern Herder gewonnen habe, er wird es zwar wohl nicht gestehn, denn wer will es zu geben daß ein Stärkerer von einem schwächern überwunden wird, allein es ist nun so. Ich hatte mir im Anfange alle Mühe gegeben ihm etwas von seiner Philosophie, abzuziehen damit er werden möchte wie unser einer, es war aber nichts zu machen. Ich reiste ganz mißmutig mit ihm nach Napel. Was geschah da! die Zauberische Partenope mit allem ihren Reiz umschlung den Philosophen mit ihren schönen gerundeten Armen, sie liebkosete ihm, nannte ihm ihren Sohn ihren liebling. Wer konnte da widerstehen! unser Philosophe fing an zu lächeln, wurde heiter, gab doppelt wieder was er mit Zärtlichkeit impfing, u die Kalte Weisheit verschwand. Diese Stolze, eifersüchtig über den Sieg der Partenope, überträufelte ihm im schlaf mit wenige tropfen von ihrem kalten Sinne; es entstand ein kleiner Kampf, Partenope geschmeichelt von ihrem Sieg suchte ihm auf aller weise zu behaupten, sie schickte eine ihrer zauberischsten Syrene ab, die durch Gestalt, Gesang, u zauberischte attituden, der schönsten Grieschen Kunst ihm entzückte – Weg war die trockene Weisheit; wie mit einen Elektrischen funken wurde leben Wonne u Seligkeit über sein ganzes wesen ergossen, er wurde ein Gott u wollte selbst schaffen. – Die kalte unnütze Philosophie, wußte zu gut was sie an ihm hatte, sie tat einen verstärk[t]en Anfall auf ihm, u der wirkte leider! Er fing an unzusammenhängende Dinge zu reden, wollte ein Mann sein – ja es kam bis zum eigen lob, nun warf er wieder einen Blick auf die Syrene; aus diesen zwei streitenden Mächten entstand endlich – der Alp, der ihm jetzt alle Nacht drückt. Doch bleibt er bei guten Leibes Kräften dabei u ist recht gesund. So stehen die Sachen jetzt ich leügnen nicht daß ich eine kleine Schaden Freude darüber habe, doch fürchte ich, es wird nicht lange dauren, denn seine Blicke gehen oft nach Norden wo er alles hat was liebe u zärtlichkeit in ihm erregen kann. Sein sie immer ruhig über des Schicksals ihres Mannes, die Götter mein[en] es gut mit ihm, er wird Ihnen ein liebe volles u vergnü[g]tes herz zurück bringen.
Gedenken Sie zuweilen meiner so wie ich an Ihnen denke, u grüßen Sie den Kindern.
Amelie
Weimar d. 2. März 1789.
Heute früh kam Dein lieber Brief vom 10.t Feb., u. ich danke Dir liebes Bestes Herz daß Du mir Nachricht von Deinem Befinden gegeben hast. Ich sehe aus diesem Zufall wieder, daß alle Ereignisse einem immer eine Lehre zurücklassen. Gottlob daß das Übel sich so schnell hat abweisen lassen, wofür ich auch dem trefflichen Arzt herzlich danke. Die Lehre über die Klistier freut mich sehr, u. wir wollen recht verständig damit umgehn; daß Du den Weg über Carlsbad nehmen mögest habe ich lange gewünscht. Schreibe mir doch bald, wieviel Geld ich Dir schicken soll. Du mußt gesund, rein u. fröhlich zu uns kommen, so wirst Du unsre Armut freundlicher aufnehmen. Wir tun jetzt nichts als unsern Leib nähren, u. es schmeckt uns allen trefflich; wies mit der Seele aussieht, weiß ich nicht. Du mußt uns Leben u. Geist mitteilen. O wie fühle ichs tief genug, daß Du nicht da bist, Du mein Leiter u. Führer.
Über G[oethe] habe ich wirklich einen großen Aufschluß bekommen. Er lebt eben wie der Dichter mit dem Ganzen, oder das Ganze in ihm, u. da wollen wir als einzelne Individuen nicht mehr von ihm verlangen, als er geben kann. Er fühlt sich als ein höheres Wesen, das ist wahr; aber er ist doch der beste u. unwandelbarste unter Allen. Seitdem ich weiß was ein Dichter u. Künstler ist, seitdem verlange ich kein engeres Verhältnis; u. doch wenn er zu mir kommt, fühle ich daß ein sehr guter Geist um u. in ihm ist. Lieber Engel ich freue mich daß wir im Grund über alles gleich denken u. empfinden u. mir wird jede neue Entdeckung im Reich der Geister schätzbar; ich will lieber Wahrheit als Täuschung.
Dein übriger Brief, mein Einziger, sagt mirs innig daß wir selbst über die Täuschung weg sind! Wenn wir nur selbst unsre Welt allein wären, da würde es ziemlich leidlich gehn. – Ich habe gestern Julius Cäsar von Shakesp. gelesen, u. habe beinah nichts als den Brutus im Gemüt. So gehts überall wenn ein Einzelner fürs Ganze mit Schurken, etwas tun will, u. dann die rechte Linie überschreitet. Cäsar u. Brutus haben Beide im letzten gefehlt. O es ist ein köstliches Stück; es stärket u. belehret.
Gebe uns doch Gott daß wir diese Welt wieder einmal miteinander durchlesen u. durchleben mögen. Wie wird das anderst sein als so allein. Die Kinder sind für diese Speise noch zu jung, u. Gottfried etwas zu unteilnehmend, das jetzt vor der Hand auch sein Gutes für den Körper haben mag.
[ . . . ] Ich bin diese Woche 2mal bei der guten Waldner gewesen, um Rat über Kleider zu holen, sie ist eben gar verständig. Die Kalbin habe ich im Vorbeigehn gesehn; die Stein u. Imhof waren da u. blieben zum Soupée; heute kommt sie u. mir ein u. anders zu erzählen; ich hatte ihr ein Billet geschrieben; mit ihr kann ich mich über alles verstehn u. erklären; mit der St. aber nicht; sie ist zu selbstich; kurz ich gehöre nicht in ihr Reich; Gottlob daß ich das meinige habe, kenne u. liebe.
Ich habe die Fr. v. Fr[ankenberg] mit meinem Enthusiasmus über Moritz angesteckt; das mußt Du nicht hoch aufnehmen. Wenn Du nicht da bist, so gehts denn nun so die Quere; ich glaube gar, daß es noch der letzte Rest der Mystik in mir war.
O wenn die Sonne kommt, vergehn die Nebelgestalten!
Weimar, 2. 3. 1789
Tischbeins Verhältnis zum Herzog steht sehr fatal. Ich hatte alles auf gutem Wege, der Herzog war in den besten Intentionen; ein Brief von Reiffenstein hat alles umgeworfen. Ich habe den Brief nicht gesehen, auch den Herzog diese Zeit her nicht gesprochen, ich kann also nur ohngefähr raten, wie der Alte zu Werke gegangen ist. Der Herzog von Gotha will von einem Maler, den er pensioniert, auch was sehen und will doch auch diesen Maler einmal bei sich wissen, wenigstens voraussehen, daß er einmal kommen wird. Tischbein dagegen ließ sich auf das ungeheure Bild der Helena ein, das er zuletzt stehen ließ, schickte in 3 Jahren nichts an den Herzog, glaubte zuletzt ihn entbehren zu können, und zog die Pension nicht mehr. Dieses geschah von der Zeit an, als er nach Neapel ging, und er erklärte mir selbst, daß er sich von dem Herzog getrennt ansähe. Tischbein ist mit allen guten Qualitäten ein wunderliches Tier, ein Art Hasenfuß, ist faul, unzuverlässig, seitdem er von den Italienern in das Metier der Falschheit, Wort- und Bundbrüchigkeit zu pfuschen gelernt hat. Sich zwischen den Herzog und ihn zu stellen, ist ein böses Unternehmen, doch habe ich es nach meiner Rückkunft gewagt, weil ich aus Tischbeins Briefen merkte, daß es mit seinem neapolitanischen Zustande nicht ganz just war. Jetzt aber kann ich nichts weiter tun, weil ich, um den Eindruck von Reiffensteins Brief auszulöschen, mich stärker für Tischbein verbürgen müßte, das ich nicht kann und mag. Denn eigentlich ist es Tischbein mit der Gothaischen Pension und Retraite nach Deutschland gar nicht ernst. Er will nur eine Hintertüre offen behalten, woran er auch ganz recht hat. Wenn es unser Herzog wäre, dem sagte ich gerade, wie die Sache steht, und der wäre großmüßtig genug, das so gehn zu lassen. Der Herzog von Gotha aber will für sein Geld was haben, und was man ihm zusagt, soll man halten.
Ich habe es vorausgesehen, daß Tischbein nicht reuissieren würde. Er hält sich für fein, und ist nur kleinlich, er glaubt intrigieren zu können, und kann höchstens die Leute nur verwirren. Er ist unternehmend, hat aber weder Kraft noch Fleiß zum Ausführen. Einen subalternen impiccio weiß er noch leidlich zu leiten. Über Deutsche hat er durch die Exuvien von Redlichkeit, mit denen er sich aufstutzt, und durch seine harmlos scheinende naive Hasenfüßereien eine Weile ein Ascendant. Ein Nachklang von Gemüt schwankt noch in seiner Seele. Es ist Schade um ihn.
Ich kenne ihn recht gut, und wußte, daß er mich in einigen Jahren würde sitzen lassen; ich habe aber doch gewagt, ihm den Herzog zu versöhnen. Interim aliquid fit! dachte ich. Allein der Alte hat mit seiner Tatze mir alles verdorben. Der und Hackert verstehen das Handwerk, und Tischbein wird zwischen zwei Stühlen niedersitzen, ohne daß ihm jemand helfen kann.
So steht das ohngefähr. Laß meinen Brief niemand sehen, vorzüglich um Tischbeins willen. Ich sage niemand, wie ich von ihm denke. Wer mit ihm zu tun hat, mag ihn selbst kennen lernen.
Dein Leben in Neapel freut mich; es wird dir ein heller, lichter Blick durchs ganze Leben bleiben. Ich habe mich schon wieder eingehamstert und bin wohl auch nach meiner Art recht vergnügt. Trutz Schnee und Himmelgrau laß ich mir das Beste von Kunst und Natur fürtrefflich schmecken, und habe meine ganze Einrichtung ad intus gemacht.
Vom Tasso, der nun seiner Verklärung sich nähert, habe ich die erste Szene im Kreis der Freunde publiziert. Deine Frau und Knebel haben sie am meisten genossen und durchgefühlt. Ich habe diesen Prologus mit Fleiß dem Werke selbst vorausgeschickt.
Lebe wohl. Empfiehl mich der Herzogin und allen. Ich kann niemanden schreiben.
Meine Schriften achter Band sind nach Rom. Sobald Tasso fertig ist, soll eine Abschrift an Angelika abgehn. Das mag denn für eine Menge Briefe gelten.
Frau und Kinder sind wohl. Heut Abend werd' ich dort sein und dein gedenken.
G.
Weimar den 2. März 89. Amalientag.
Weimar, zwischen dem 2. und 8. 3. 1789
Ich halte nicht für gut noch für nötig, daß Sie Sich mit dem Gelde übereilen. 1) Heißt das wieder in seine eigne Eingeweide wühlen. 2) Ist es recht gut, daß Sie ihm 500 Rtlr. zu seiner Rückreise bestimmen. Es ist ja aber immer besser, er läßt sich das Geld dort von Einsiedeln zahlen, wie er es braucht oder soviel er braucht, und man zahlt es an Ludecus zurück. 3) Wenn er es auf der Reise braucht, so ist es ja besser, man verschafft ihm einen Brief nach Venedig oder sonst wohin. 4) Wenn ich jetzt das Geld durch Paulsen zahlen lasse, so empfängt ers dort in Papieren (Bankzetteln); Briefporto, Provision, Interessen müssen gezahlt werden. Will er es auf der Reise brauchen, so muß er es wieder mit Schaden umsetzen. Das ist ja eben das, wodurch die Kaufleute reich werden und wodurch eine Reise immer teurer wird. Es ist also nichts simpler, als: »Wenn er von Rom verreisen will, läßt er sich von irgend einem Banquier einen Kreditbrief auf die Orte geben, wo er durchreisen will. Auf das Wort der Herzogin, ja auf Reiffensteins Wort (den er aber vielleicht nicht brauchen will), kriegt er ihn gleich. Wie er dort abreist, so schickt man gleich 100 Dukaten auf Abschlag an den Banquier, damit keine Interessen aufwachsen, und den Rest, wie er ihn aufnimmt oder wie er zurückkommt.« Schreiben Sie ihm das, schicken Sie ihm allenfalls das Blättchen.
Übrigens bleibe ich auf dem Sinne, daß Dalberg nicht los zu lassen ist. Leben Sie wohl, ich sehe Sie bald.
Weimar, 6. 3. 1789
Lieber Vater!
ich habe mich Recht über Ihr briefchen gefreit wenn Es doch bei uns auch so schön wetter wäre bringe Sie viele Pomeranzen! mit da wollen wir Recht springen wenn wir Sie sehen ich habe Sie Recht lieb und will Ihnen Recht Vorlesen ich lese jetzt in den Volkslieder, wollt ihr hören wie Elise Klagend im gefängnis sang ich lese gar gern was Sie gemacht haben!
Ihr gedreier Sohn Emil Herder
Rom, den 7. März 89.
Gottlob, daß wieder 8. Tage in dem traurigen Rom vorüber sind! Ich kann der Hauptstadt der Welt keinen Geschmack abgewinnen, vielmehr wird sie mir von Tage zu Tage mehr lästig; u. schämte ich mich nicht, in Rom einen Teil der Fasten durch gewesen zu sein, ohne die berühmte Musik in der Heil. Woche, samt den andern Zerimonien abgewartet zu haben, setzte ich meinen Wanderstab frisch weiter; ob ich gleich nicht glaube, daß auch diese Dinge im mindsten selbst dies Warten belohnen. Das andre, das mich festhält, ist Trippel, der meinen Kopf fabriziert; auch Angelika will mich malen, u. ich mag es der guten jungfräulichen Engelsseele nicht weigern, daß sie meinen alten kahlen Kopf so zu Ehren bringen will: denn hole ich noch allerlei nach, mehr nachgeholt zu haben, als daß es für mich neuen Nutzen brächte, u. so gehen die Tage hin. In der Vatikana bin ich seit meiner Rückkunft von Napel noch nicht wieder gewesen: Teils, weil wir jetzt noch entfernter wohnen u. der H[eilige] Peter am andern Teil der Welt liegt, Teils weil mich eine Art inneren Ekels u. Überdrusses von diesem Kerker zurückhält, in dem so viele Gefangene hinter Schlössern unnütz liegen. Man müßte, um sie zu befreien, ganz andre Muße u. Bequemlichkeit, am meisten aber mehr Zeit u. Zugang, im Grunde auch mehrere Jugend haben, die zu solchen Entführungen bezauberter Prinzessinnen den regsten Zunder gibt; mir hat das Schicksal dies Gl<ück versag>t. Bis in die Mitte Novembers waren Ferien, nachher trat das böse Wetter ein: denn wieder Ferien: denn die Reise nach Napel, u. was seitdem geschehen ist, habe ich Dir geschrieben. Jetzt sehnet mein Herz sich aus Rom hinaus u. ich werde die porta populi mit mehr Freuden verlassen, als ich sie zum erstenmal grüßte. Rom ist mir ein totes Meer u. die Blasen, die darauf emporsteigen, um bald zu zerknallen, sind für mich nicht erfreulich. Auch die Zeit wird vorübergehn, u. ich brauche sie so gut ich kann.
Dein Br., liebe Süße, hat mir große Freude gemacht: er war vom 13. Febr., Antwort auf meinen 3.ten aus Napel. Ich wünsche dem Wilhelm zu seinem verlebten Geburtstage das beste Glück, daß er, wie ein guter braver Knabe ist, auch ein braver Jüngling u. Mann werde, daß ich an ihm u. seinen Brüdern u. seiner Schwester viel Freude erlebe. Grüße u. küsse ihn aufs beste, auch alle seine Geschwister: das Emilchen, daß es so hübsch auch in den zerstreuten Blättern lieset; die Luischen, daß sie so artig u. fleißig ist, u. auch hübsch spinnet, den Adelbert, daß er so brav ist, den August, den ich gewiß als ein feines Herrchen wiederfinden werde, u. den guten Gottfried, der mir so hübsche Lehren gibt u. gar Abhandlungen für mich abschreibet. Ich wollte, daß ich ihnen allen, Sachen mitbringen könnte, die so recht für sie wären; das alte Rom aber ist für mich nicht ergiebig, weil ich keinen recht willfährigen Menschen hiezu habe. Mit den Künstlern ist für mich nichts anzufangen; Du weißt, ich kann die Leute nicht brauchen, weil ich auch für sie wenig tun kann. Tischbein in <Napel war> gar willfährig gegen mich; er ist gestern aus <Napel eingetroffen, hat> sich aber heute noch nicht gemeldet. Meier ist auch ein herzlichlieber, verständiger gutsinniger Mensch, eine rechte Seele vom Menschen. Er ist jetzt mit einer Russin in Tivoli u. wird mit ihr auch wohl die andre Campagna sehen. Buri ist ein gutes, leichtsinniges Kind, u. Hirt zeigt sich von Tage zu Tage mehr als einen Phantasten. Er hat neulich eine Abhandlung über den Laokoon vorgelesen, darin er mit solcher stolzen Keckheit auf Winkelm[ann] u. Leßing losgeht, u. überhaupt die ganze Kunst so grobsinnig behandelt, daß er mein Innres ganz von sich entfernt hat. Er ist ein Kohlstrunk u. wird ein Kohlstrunk bleiben. –
Göthens Gedichte sind hier angekommen; er hat ein Ex[emplar] noch ohne Titel an die Angelika geschickt. Ich kenne die meisten u. es sind unglaublich schöne Stücke darunter; alles aber, wie es da ist, hätte er nicht sollen drucken lassen. Nicht nur, daß er den Kritikern das Maul darüber aufreißt, sondern auch weil die jugendlichen Fratzen u. Späße doch niemals recht für den Druck sind. Was Du, gutes Herz, zu seiner Entschuldigung sagst, reicht meinem Gefühl nicht zu. Hole der Henker den Gott, um den Alles ringsumher eine Fratze sein soll, die er nach seinem Gefallen brauchet; oder gelinder zu sagen, ich drücke mich weg von dem großen Künstler, dem Einzigen rückstrahlenden All im All der Natur, der auch seine Freunde u. was ihm vorkommt bloß als Papier ansieht, auf welches er schreibt, oder als Farbe des Paletts, mit der er malet. Lobpreisungen solcher Art, wie sie Moritz macht, müssen verwöhnen, wenn man sie nicht verachtet; u. doch wird nichts schwerer zu verachten, als ein Lob, das der andre nur wie aus unsrer Seele aus <spricht und bringt> ja nur <unser Ge>fühl in Worte. Gott sei Lob u. Dank, daß er mich nicht zu einem so hellstrahlenden Spiegel des Universums gemacht hat; ich mag gern eine dunkle Scherbe bleiben.
Grüße Kn[ebel] u. danke ihm für seinen Brief: meine Philosophie, sage ihm, sei in Italien ganz vertrocknet. Man müßte zum blauen Himmel hinan, wenn man etwas von ihr erhaschen wollte; auf der Erde gibts keine. Wäre ich ein Naturkündiger, so wäre es freilich anders.
Lebe wohl, meine Liebe. Das dunkle, stürmige, regnichte Wetter des heutigen Tages macht auch meinen Brief, ich spüre es selbst, herbe. Gnug aber, ich bin gesund, u. auch diese Stimmung gehört in die Natur der Dinge; sie zieht das Gemüt zusammen u. stärkt es, wenn sie nicht lange dauret. Du frugst nach Borgia neulich: er ist ein braver Mann: er war der erste, der mich besuchte, sobald er hörte, daß ich wieder in Rom sei. Gestern sagte er mir bei Bernis, daß mich die Akademie der Volsker in Velletri zum Mitglied aufgenommen habe, welches ich denn geschehen lassen muß, wenn das Diplom nur nicht zu viel kostet, welches auch nicht sein wird. Der arme Hoyer dauert mich sehr; schicke doch den Gottfried zu ihm, u. laß ihm eigen mein wahres Mitgefühl bezeugen. Dem guten Zinserl[ing] kannst Du sagen, daß ich aus Napel an Heyne gleich geschrieben habe, so warm u. angelegentlich als ich nur konnte. Gegen die Fr. v. Fr[ankenberg] kannst Du nicht liebreich u. freundschaftlich gnug sein; Ihre Güte rührt mich immer bis zum Verstummen u. zu<m Err>öten. Die Fr. v. Diede hat an mich geschrieben, <Textverlust>; ich habe aber den Br. noch nicht, weiß Gott <Textverlust> er ihn nach Napel geschickt hat. Lebewohl, lebt wohl, alle Ihr lieben.
Eben schickt mir D[alberg] Bancozettel auf die meiste Summe, mit einem Briefe, aus dem ich noch nicht recht klug werden kann, ob er sie gern noch bis Florenz haben möchte. Ich habe ihm mit aller Güte u. Offenheit des Herzens willfährig geantwortet, u. werde sehen, wie es weiter geht. Alles dies aber treibt mich, daß ich auf meine Heimreise denke u. vielleicht selbst nicht Ostern in Rom erwarte: denn dies Rom drückt mich abscheulich. Lebe wohl u. gräme Dich nicht über mich, sondern wünsche mir Gutes von Gott u. eine glückliche Reise. Lebe wohl, Liebe.
Weimar, um den 8. 3. 1789
Teurer Freund. Ihr gütiger Brief, worinnen Sie mir Nachricht geben, von einem Antrag an meinen Mann, kam mir, wie Sie leicht denken werden, höchst unerwartet. Göttingen lag in unserm Lebensplan seit geraumer Zeit, weit von uns; ja bei mir, ich gestehe es, ganz im Reich der Unmöglichkeit. Meine Gesinnung Ihnen also hierüber zu sagen fällt mir schwer.
Mein Mann hat seit einigen Jahren Ursache mit unserm Herzoge zufrieden zu sein; u. ob er gleich, der mancherlei nicht für ihn passenden Geschäfte zuweilen müde ist, so sehnt er sich gerade jetzt nicht von hier. Die schönen Aussichten bei Ihnen, müßten wir indessen der Kinder wegen, noch einmal beherzigen – wieviel aber dagegen mein Mann an seiner Person aufopfern würde u. ob er das jetzt mit seinen Lebenserfahrungen tun kann u. mag, steht zu erwarten.
Wir sind hier an eine stille aber nicht gemeine Lebensart gewöhnt, gehn mit wenigen aber den besten Menschen um; sind auch nicht genötigt uns in große Gesellschaften zu verflechten. Ich liebe es, bei meinen Kindern zu sein u. eine schwächliche Gesundheit hält mich auch willig zu Hause. Wie würde dies nun in Göttingen werden? ich höre so viel Zerstreuendes von der Lebensart der Herren Professoren – wenn es ein notwendiger Ehrenpunkt ist eben so zu leben, so wäre auf einmal unsre häusliche glückliche Stille u. meine Gesundheit u. Ruhe ganz verloren.
Doch der wichtigste Punkt ist das politische u. persönliche Verhältnis meines Mannes. hierüber sagen Sie ihm, treuer Freund die reineste Wahrheit; dies muß aufs beste u. annehmlichste sein; denn unter Kabalen zu streiten oder zu leiden, dazu ist er in allem Betracht zu gut u. der Tausch wäre für sein Leben u. Gemütsruhe schlimm u. allzuteuer erkauft.
Kurz, bester Fr[eund] schreiben Sie an ihn, u. berühren alle Punkte. Er ist jetzt wieder in Rom. Sie können den Brief an mich zum Einschluß oder gerade nach Rom senden. Im letzten Fall, machen Sie gefälligst noch einen Umschlag um den Brief mit folgender Adresse: [à] Mons. Bury Peintre all[emand] al Cors[o] pp
Teurer Freund Ihre unermüdet tätige Freundsch[aft] u. Liebe rührt mich mehr als es Worte ausdrücken können.
O könnten wir Ihnen je unsre VerEhrung u. Liebe innig zeigen.
Das gute Schicksal, dessen Werkzeug Sie sind, walte u. entscheide über uns zum Besten.
C. H.
Nach meinem heutigen Brief aus Rom muß ich Sie bitten, den Brief an meinen Mann nicht mir zu senden sondern gerade nach Rom zu adressieren.
Er denkt an seine Rückreis. Indessen kann ihn Ihr Br. dort noch antreffen.
[Weimar,] Sonntag den 8. März. 1789.
Guter Engel. Das Schicksal ist wieder über uns in Bewegung. Vorigen Freitag erhielte ich beiliegenden Brief von Heine. Wie sehr ich darüber betroffen war, kann ich Dir nicht sagen; ich war den ganzen Tag darüber in Bewegung, konnte auch nicht gleich schreiben, da Gottfried ein Flußfieber hatte u. ihm wegen des krampfigten Hustens Blutigel gesetzt wurden; es geht jetzt besser mit ihm u. ich schreibe eben an seinem Bette, das heißt an dem Meinigen, worinnen er liegt u. Dich gar herzlich grüßt.
Heinens Brief an Dich, den Du in weniger Zeit erhalten wirst, wird nun Alles deutlicher enthalten, ich lege Dir abschriftlich meine Antwort an ihn bei. Wenn ich an Göttingen denke, an das Verhältnis mit den Menschen, an ihre Gastmahlereien, an ihr Silberzeug u. Equipagen u. daß man so nagelneu unter ihnen, doch arm gegen die eingewurzelten u. eingefleischten immer ist u. bleibt so wird mir gar nicht wohl u. an Dich, wie es Dir unter ihnen behagen wird mag ich auch nicht gedenken, u. doch glaube ich muß mans vor der Hand nicht abweisen, sondern hören u. prüfen; Dein guter Genius wird Dir alles deutlicher u. bestimmter sagen als der meinige. Einen Entschluß wirst Du über das Ganze doch nicht eher fassen, als bis Du hier bist; u. ist es beschlossen, daß wir hinwandern müssen, so muß man nur nicht delikat sein, sondern für sich u. die Kinder reichlich sorgen. Ich mag mirs aber nicht denken was wir dagegen verlieren, Ruhe, Gesundheit u. häusliche Glückseligkeit. Doch will ich mich nicht mit ungewissen Gedanken u. Furcht quälen – es kann alles anderst sein u. anderst gehen.
Das einzige bitte ich Dich daß Du Deine HerReise nicht um einen Tag eher beschleunigest; sehe u. genieße noch alles mit Muße u. gehe doch ja über Carlsbad liebstes Herz.
Heute bin ich aus einem Traum aufgewacht, der mir bestimmt sagte daß etwas kommen wird, das über uns entscheiden wird; ich bin darüber jetzt ruhig. Vor ohngefähr 6 Wochen träumte ich: Emil seie sehr krank, ich sahe ihn sterbend, u. Du hattest eine Mütze in der Hand die Du ihm als seine Totenmütze aufsetzen wolltest; u. da Du so bei ihm stundest um sie ihm aufzusetzen, richtete er sich auf, sah sehr gesund aus nahm die Mütze mit einer Sehnsucht u. Freude, setzte sie sich selbst auf u. es ward um seinen Kopf zu einem goldnen Kranz mit grünen Blättern. Nun war alles gut u. ruhig, ich saß auf einem niedern Stuhl u. wir besprachen uns über unsern Abzug von hier, Du wolltest eine andre Stelle annehmen u. ich hatte nicht Lust, Du sagtest heftig zu mir: was hast Du denn hier, als hinter der Kirche zu sitzen? Darüber wachte ich auf, u. behielte den Traum in einem stillen Herzen. O der gute Gott leite u. führe uns, u. gebe uns ein, was uns gut ist.
ich verlange heute recht herzlich auf Deinen ersten Brief aus Rom u. wie es mit Deiner Gesundheit gehet. Ach wie oft gedenke ich Dein u. kann Dir nichts sagen. Schreibe mir doch auch Heinens Brief ab den Du erhalten wirst u. sende mir ihn gleich mit Deinen Gedanken hierüber.
[ . . . ] Goethe u. Knebel waren gestern einen Augenblick da u. besuchten uns. Ich habe nun das Geheimnis von der St[ein] selbst, warum Sie mit G. nicht mehr recht gut sein will. Er hat die junge Vulpius zu seinem Clärchen u. läßt sie oft zu sich kommen pp sie verdenkt ihm dies sehr, da er ein so vorzüglicher Mensch ist, auch schon 40 Jahr alt ist, so sollte er nichts tun wodurch er sich zu den andern so herabwürdigte – was meinst Du hierüber? Dies alles aber sub rosa!
Montag abends. Fr. v. Stein u. Schardt waren bei mir u. grüßen Dich tausendmal. Erstere war heute sehr gut u. ich habe Mitleiden mit ihr.
[Weimar,] den 8ten März 1789.
Lieber Vater.
Ich wollte daß hier auch so viele und schöne Zitronen wachsen, hier bei uns sind die Zitronen sehr teuer, und so schlecht, eine kommt 2 g. Es ist bei uns wieder ein großer Schnee gefallen, daß die Leute wieder Schlitten fahren. Wir haben auch heute neue Oberröcke bekommen, die Farbe ist gar schön helle grün, wir haben es aus Erfurt kommen lassen und ist sehr wohlfeil. Ich habe auch ein Bild angefangen mit bunten Farben, ich bin aber seit etlichen Tagen nicht in die Zeigenstunde gekommen? weil ich Husten und Schnupfen habe, aber fast hatten jetz die ganze Stadt. Der Herr Lippolt ist wieder gesund gewesen, und hält wieder Schule. Aber dafür ist ein anderer krank geworden, nämlich der Herr Zinserling, er ist sehr krank gewesen und wollte beinahe sterben, aber gestern hat es sich wieder gebessert. Wir haben auch das Karneval gesehen, und die Masken alle, von der Queuceri hat uns der G. Rat von Göthe erzählt und sie haben uns alle sehr wohl gefallen. Wir haben auch einige abgezeignet. Leben Sie wohl und behalten Sie lieb
Ihren gehorsamen Sohn Wilhelm Herder.
Weimar, 9. 3. 1789
Liebster Vater.
Werden sie ja nicht böse, daß ich Ihnen so sehr lange nicht geschrieben habe; aber ich konnte nicht, denn wir mußten immer bei den Prinz; aber dafür will ich Ihnen einen längren schreiben. Die Mutter hat jetzt ein Gesetz gemacht, daß, wer sich beim Tische auflegt, oder sich nicht gut aufführt, muß 1 Pf. geben, wer seine Bücher nicht ordentlich stellt, oder das andere anfährt u. a. m. muß 1 Pf. geben, und da bekömmt jeder jeden Sonntag. 1 g. und die Mutter hofft von ihnen auch recht viel Pfennige zu bekommen. Vorigen Sonntag, als d. 1t März habe ich meinen Geldbeutel mit 6 g verloren aber nicht der Gute. Ich habe auch italienische Pinchen vom G. v. Goethe, und die sind aufgegangen, und da wollen wir einst recht viel darunter spazieren gehn. Bringen Sie mir Steine mit Lieber Vater, der G. v. Goethe sagte; es wären dort Kaufleute die hätten solche Scherbel und Steine v. Karneol, Achat, Onyx, Chrösopras, u. d. g. zu verkaufen, und bekäme man für ein paar Pfennige einen großen Haufen. Der Herr Subkonrektor ist wieder gesund und hält auch selbst Schule, und ist gar gut. Im Griechischen lese ich Äsops griechische Fabeln und das neue Testament. Die Herzogin Amalia hat dem Erbprinz, sehr schöne italienische Trachten geschickt, und ich wollt' sie wären mein. Leben Sie wohl lieber Vater und behalten sie mich lieb
Ihr gehorsamer Sohn August Herder
d. 9t März. 1789
H. Schäfer läßt Sie grüßen.
Grüßen Sie Wernern.
Rom, den 14. März [1789]
Ich danke Dir, treues liebes Herz, für Deinen Brief, auf meine kurzen Zeilen von Napel; ich konnte damals nicht mehr schreiben, u. Du hast Alles wohl zurechtgeleget. Rom setzt einen in Ruhe, da schreibt sich mehr.
Ich denke jetzt mit Ernst auf meine Abreise, ob ich gleich der Herzogin mit Fleiß noch nichts gesagt habe; indessen mag sies merken. Ich erwarte Ostern u. reise denn sacht nach Florenz u. Bologna; wohin ich weiter den Weg nehme, weiß ich selbst noch nicht. Die Adressen der Briefe, die auf meine Reise fallen, will ich Dir bald schreiben. Wünsche mir Glück zu dieser Fahrt, daß wie sie einsam ist, sie auch schön sein möge. Sage aber noch niemand davon: damit nicht Kreuzweise dies u. jenes hieher geschrieben werden. Jedes Lüftchen des blauen Himmels ruft mich zur Reise, die ich für meinen Italienischen Lenz halte: denn in Rom haben wir, solange wir hier sind, meistens das ärgste Wetter gehabt, sogar diese Woche abermals Schnee u. einen unendlichen Regen.
In einem dieser unfreundlichen Tage, da ich eben Deinen Br. erhalten hatte, schrieb ich diese Stanzen; so wie sie dastehn; ich habe sie nicht abschreiben u. verbessern mögen. Der Inhalt gibt von selbst, daß sie durchaus nur für Dich sind: sie sind kein Kunstwerk, sondern ein Abdruck meiner Seele. Die Poesie ist ein Spiegel des Herzens, man sieht sich in ihr mehr, u. sagt mehr, als in aller Prose.
Göthens Szene habe ich mit Vergnügen gelesen; er kann nicht anders, als sich selbst idealisieren, u. immer aus sich schreiben, so daß er sich zugleich selbst malet. Für mich ist das gut; aber ich fürchte, wie das durch die 5. Akte gehen werde; immer aber wirds ein Geistvolles, interessantes Stück werden. Ich habe diesen Akt keinem gewiesen; höchstens weise ich ihn der Herzogin allein, u. bin neugierig, was sie darüber sagen werde. Vielleicht tue ich aber auch das nicht.
Sonst wiederhole ich jetzt so fleißig, als es mir das böse Wetter zuläßt. Gestern Abend sahen wir das Kapitol mit der Fackel, u. das Coliseum im Monde. Bei Trippel habe ich noch Einmal zu sitzen. Alle Welt sagt, daß die Büste sehr gut werde; ich kann darüber nichts sagen. Angelika will mich morgen oder übermorgen anfangen zu malen: sie ist gar ein gutes, liebliches Wesen, so bescheiden, sanft, u. in ihrer Kunst wie ein Vögelchen lebend. In diesem Felde ist ihre Seele noch so eine junge Liebhaberin der poetischen Malerei, als ein unschuldiges Mädchen zwischen 17. 18. Jahren. Ich wollte, daß Du sie, u. sie Dich kennte. Schicke doch mit nächster Post Deinen Schattenriß u. die Schattenrisse der Kinder: bei Starke sind ja alle zu haben, u. Du darfst sie nur so einzeln in den Brief legen. Aber mit nächster Post, ich bitte Dich sehr – u. schlage mir vor den Kopf, daß ichs nicht früher getan habe. Mir selbst ist Dein Bild nicht nötig; ich wills der Angelika geben.
Knebel grüße aufs beste u. danke ihm für seinen Br. Heut bin ich zu leer, um ihm antworten zu können; ich werde aber noch aus Rom an ihn schreiben. An die Herzogin u. den Herzog gleichfalls, vielleicht schreibe ich an die erste noch heut. Ich wünsche ihr alles Glück zu ihrer Niederkunft, insonderheit da ich vom Doktor höre, daß der Prinz wieder den Husten hat. O was würde die Frau anfangen, wenn das Kind stürbe. Doch das hoffe ich nicht, u. wills nicht denken. Gebe ihr der Himmel jetzt einen zweiten, gesunden u. starken Prinzen.
Die Kinder grüße aufs schönste. Ich bin heut nicht in der Fassung, jedem besonders schreiben zu können; ihr liebes Bild ist aber in meiner Seele, u. ich segne sie alle mit meinem herzlichsten Segen. Dich, liebe Seele, mein Ein u. Alles drücke ich aufs herzlichste an meine Brust.
Von Hoyer denkst Du, wie ich gedacht habe, u. ich spüre es in jedem Briefe, wie unser Sinn für die Menschheit Ein u. derselbe sei, außer wo Du Dich durch Deine gutmütige Lebhaftigkeit hinreißen lassest. Und auch die laß Dir nicht nehmen: sie ist die Sprosse Deines gesundesten Lebens.
Lebewohl, lieber Engel. Lebt wohl, Ihr lieben, Gottfried, August, Wilhelm, Adelbert, Luischen u. Emil. Lebt wohl. Ich freue mich auf die Stunde, wenn ich Euch wiedersehe u. küsse u. umfasse. Habt u. behaltet mich alle lieb, Mutter u. Kinder, wie ich Euch liebe. Lebt wohl!
H.
Aus meinem vorigen Br. wirst Du gesehen haben, daß die Stein mit Ihrer Unzufriedenheit über Moritzens Abhandlung nicht so ganz unrecht habe. Vergiß den ganzen Kram; er ist nicht wert, daß Du so viel daran Teil nimmst.
Eben bekomme ich Deinen Br. vom 23. Febr., der mir viel Freude gemacht hat. Das Geschenkchen an Luischen wird eine kleine Muschel sein, u. das liebe Mädchen wird sich daran freuen. Mit Steinen u. sonstigem Kunstwerk bin ich hier nicht glücklich; daher ich mich auch nicht wage. Ihr müßt mich nehmen, als eine alte Bildsäule, weil ich Euch nicht viel mitbringen werde; für das Nötige wird der Himmel sorgen. An den Prinzen will ich wohl einmal schreiben: diesmal habe ich an die Herzogin geschrieben, wozu mich mein innerer Geist trieb. Über Göth. Karnelvalslustbarkeit wundre ich mich: er ist ein sonderbarer Mensch; ich lasse ihn für sich walten, ohn ihn auch nur beurteilen zu wollen: er folgt seinem Genius, u. der ist nicht der Meine. Grüße die Kinder über ihre gute Aufführung, u. die kleinen beiden, Amor u. Psyche, küsse doppelt in meinem Namen für ihre Liebe. Ja, es sind schöne Blümchen, die wir lieben u. wertachten wollen. Lebe wohl, u. betrachte meine Stanzen ja nicht auf einer tragischen Seite. Lebe wohl, meine Liebe.
Stanzen.
Im ersten Herbst von meinen Lebensjahren,
nachdem mich mancher schwüle Tag gedrückt,
nachdem ich beiderlei Geschick erfahren,
das eigne Schuld und fremdes Glück uns schickt,
auch mancherlei Gespenst des Wunderbaren
und manche Lieb'- und Huldgestalt erblickt,
rief eine Stimme mich, jenseit der Höhen
das Land der Abenteur und Kunst zu sehen.
»Lebt,« sprach ich, »lebet wohl ihr meine Freude
mein Trost, und meiner Wünsche kleine Schar
ihr, deren Anblick mir in manchem Leide
ein Nektartropfe vom Olympus war
und du, an der ich meine Seele weide,
die mir mich selbst, die mir mein Glück gebar
lebt alle wohl und laßt mich jetzt verschwinden,
bald neuverjüngt euch freudig wiederfinden!«
»Leb wohl,« so sprach mit Schluchzen und mit Weinen
großmütig Ariadne, »lebe wohl!«
Und schlang den Arm um mich und unsre Kleinen;
noch hör' ich es, wie ihre Stimme scholl.
Noch seh' ich mir ihr liebes Bild erscheinen,
die Hände ringend, rufend: »Lebe wohl!«
und bin gewiß, so lang der Ton mich leitet,
daß nie mein Schritt, nie meine Hoffnung gleitet.
Ich schied; und über Nebel, Berg' und Tale
zog mich der Weg ins schöne Frankenland,
wo ich bei manchem alten Ehrenmale
der Deutschen Kunst auch Deutsche Sitten fand
und, wie vorübergleitend mit dem Strahle
der Sonne, manches gute Herz gekannt.
So glitt ich sanft hinab, und mit Vergnügen
sah ich im Geist die Alpen vor mir liegen.
Ach! aber da umfing in Augspurgs Mauern
mich welch ein böser fürchterlicher Traum!
Schreckbilder sah ich vor mir, um mich lauern;
ich sah und traute meinen Augen kaum.
»Was hilft dir«, sprach ich, »deine Angst, dein Trauern?
gib deinem Herzen, deinen Blicken Raum!«
Und sieh, da kam, von Westen hergetragen,
Pandora an auf Epimetheus Wagen.
»Ich komme nicht um mich, nur eurethalben;
verschönen will ich euer Wandeln euch.«
So sprach sie, duftend ihrer Büchse Salben,
als öffnete sie uns Cytherens Reich.
»Uns werden Rosen blühn; die welken, falben,
verwandeln sich vor uns in Knöspchen gleich.«
So sprach sie; aber ach, ihr guten Stunden,
ihr waret mir, mir war mein Glück verschwunden!
Wie zog ich mich auf grauer Alpen Rücken,
beschwert im Herzen, mühsam auf und ab!
Jedweder Fels schien ächzend mich zu drücken,
jedwedes Tal schien meiner Wünsche Grab;
und als mit neuem, wonnigem Entzücken
Verona seinen Schoß dem Blicke gab,
da sprach zu mir, nie werd' ich es vergessen,
ein Geist herab vom Wipfel der Zypressen.
Ich stand, der Abendsonne mich zu freuen,
und übersah die weite Lombardei.
»Woher«, sprach ich, »o Geist, dies Mißgedeihen
Schuldloser Wünsche? sprich, woher es sei?«
»Die alte Schuld unwahrer Buhlereien!«
So sprach der Geist und rauschte sanft vorbei.
»Statt jetzt dies Land in Friede zu genießen,
kamst du hieher, für alte Schuld zu büßen.
»Verwöhnt von deinen nur zu milden Sternen,
schien dir zu arm des Lebens reichstes Glück.
Was du genossen, sollt du kennen lernen;
denn nur im Darben sieht der Tor zurück.
Drum hieß von deinen Lieben dich entfernen
dein günstiges, dein besserndes Geschick.
Du sollt, um deine Weisheit neu zu üben,
jetzt Bilder sehn und Menschen lernen lieben.
»Nie hast du im Geräusch der Welt den Frieden
des eignen Herzens sittsam dir bewahrt,
nie zwischen Mensch und Menschen unterschieden,
nie eingesehn, was für ein Glück dir ward,
es zu betrüben, nie genug vermieden,
es zu genießen, nie genug gespart;
dafür, den treusten Herzen jetzt entnommen,
bist du hieher ins Land der Künste kommen.«
Er sprachs; und ach, wie wahr hast du gesprochen,
Geist der Zypresse, wie so grausam wahr!
Ihr guten Herzen seid genug gerochen,
ich sehe mich und euch so hell und klar.
Was tätig und untätig ich verbrochen,
macht jeder Schritt mir kund und offenbar.
Ich seh', ich mußte mich von euch entfernen
und durch Verlust, des Lebens Weisheit lernen.
Dank also euch, ihr göttlichen Medusen,
die mich gelehrt, daß ihr Medusen seid.
Dank euch, ihr toten Künste, kalte Musen,
zerfallne Mauern, Grab der Eitelkeit.
Wenn je dem falschen, je dem Marmorbusen
statt wahrer Herzen, Weihrauch ich gestreut,
so nehmt von mir den letzten Zoll hienieden,
der Reue Zoll, und laßt mich ziehn in Frieden.
Auch Euch, ihr der Natur erhabne Szenen,
Gebirge, Felsen, Ebnen, Ufer, Meer,
du Meer von Adria und ihr Syrenen
Parthenope's, ihr Inseln um sie her,
Dank Euch, daß, mit mir selbst mich zu versöhnen,
ihr meine Brust von Seufzern machtet schwer;
Mit Unschuldvollem, Liebeszarten Sehnen
weiht' ich, der Menschheit froh, euch stille Tränen.
Und ihr erquicktet mich, als in Verona
die Sonne nieder, als sie aufwärts stieg
in Rimini; und ich dann in Ankona
mich mit dem Meer vermählete und schwieg;
mit Dir vermählt' ich mich, o Dea Bona
du gute Göttin mit der Hoffnung Sieg.
Und wie die Sonne war ich Liebestrunken
aus deinem Arm in deinen Schoß gesunken.
O gute Göttin, darf ich, darf ich nennen
den heilgen Namen? Nenn' ich Dich Natur?
Nenn' ich Dich Liebe? Ach, nur Dich zu kennen,
irr' ich umher auf alles Wissens Spur,
und doch, um reiner Flamm' in Dir zu brennen,
bedarf ich reiner Lieb' und Weisheit nur.
Nicht Kunst, nicht Wissenschaft. Die Kunst des Lebens
ist Wissenschaft; sonst ist die Kunst vergebens.
Du Göttin weißt, daß ich an jedem Bilde
des schönsten Marmors Dich, nur Dich gelernt;
daß Du, so freundlich und mit Weisheit milde,
durchs Schöne mir nur den Betrug entfernt.
Dann schlich ich mich in andere Gefilde,
als die man mit Palett' und Meißel lernt,
ich lernt' an eurem Knie, an eurem Busen
nichts als – Humanität, erhabne Musen.
Und sah sie in den göttlichsten Gestalten,
sah Weisheit, Güte, Macht als Menschenbild,
sah jeder Knospe Schönheit sich entfalten,
sah jede Art in Menschenform gehüllt,
sah Kräfte sprossen, wachsen und veralten
und jeden Zweig von seinem Saft erfüllt,
sah hier das Licht aufgehen, steigen, schwinden
und lernte stets die Menschheit wiederfinden.
Daneben sah ich – darf ich Dich auch nennen,
Du inhumanes, alt- und neues Rom?
Doch, wer wird Dich im Namen nicht schon kennen
du Kapitol und du St. Peters Dom?
Du Pfuhl, aus dem die Erde zu verbrennen
ausging ein alter und ein neuer Strom.
Von Kriegern einst bewohnt und Senatoren,
von Pfaffen jetzt bewohnt und Monsignoren.
Ich lernte Dich und Deiner teuren Prinzen
Und Deiner Prinzessinnen schönes Heer,
die Wüsten Deiner darbenden Provinzen,
und Deiner Wissenschaften totes Meer;
die Weisheit lernt' ich sehn mit Augen blinzen,
die Andacht sehn, von altem Taumel schwer,
die Heuchelei mit stolzen Sklavenmienen,
den Knecht der Knechte, dem die Völker dienen.
O daß mir einst, dies alles zu verkünden,
der Erdengenius sein Buch verlieh',
daß ich, wie Geister allgemach erblinden
und Heilige erkranken wie ein Vieh,
daß ich das große Buch der Menschensünden
entwickeln könnt' mit seinem Wann und Wie?
Vom ganzen Heer Kastratennachtigallen
sollt' Ave! Amen! in die Lieder schallen.
Jedoch mein Geist, wohin schwingst du die Flügel
und moderst noch in dieser Totengruft?
Erst über Strom und Wüsten, Berg' und Hügel,
bis dich ein neuer, mildrer Atem ruft.
Dann fühle froh der Gottheit großes Siegel,
dann schweb entzückt im holden Frühlingsduft,
und dann laß, süßumarmt von allen Deinen,
was in dir glänzt, auch andern widerscheinen.
Rom, den 14. März 89.
Ich kann nicht anders, gnädigste Herzogin, als Ihnen nochmals zu Ihrer bevorstehenden Niederkunft das beste, herzlichste Glück zu wünschen; es ist, als ob mich ein Geist dazu triebe. Vielleicht sind Sie schon, wenn dieser träge Brief ankommt, im mütterlichen freudigen Besitz Ihres Wunsches, der unser aller Wunsch ist; oder, wenn Sie noch darauf warten, o so gebe Ihnen der Himmel eine glückliche Stunde, und Ihr in sich gescheuchter stiller Geist werde durch das Gefühl erquickt, daß der Himmel Sie liebe, u. Ihnen dies Geschenk gebe, um Ihren guten Mut zu beleben und Ihre edle Brust zu erweitern.
Ich kann es Ihnen nicht ausdrücken, gnädigste Herzogin, wie sehr mir die Entfernung Ihr Bild erhoben u. erleuchtet hat; in so manchem stillen und reinen Augenblick ists vor mir mit einer Innigkeit und Wahrheit erschienen, die sich wohl in kein Wort fassen läßt. Vielleicht ist keiner der Sterblichen gewesen, die Sie kennen, der mit so durchdrungener, inniger Teilnehmung, wie ich, Ihr innerstes Wesen geliebt, u. im eigentlichsten Verstande verehrt hat; es waren Zeiten, da ich wirklich mehr in Ihnen, als in mir selbst lebte. Mit der Zeit schrieb ich Ihnen, warum soll ich es bergen, eine gewisse kalte fürstliche Gleichgültigkeit zu, die mich zuerst traurig machte, denn in mich selbst zurückschreckte, weil ich mir nämlich sagte, daß wo der Unterschied des Standes u. der Lebensart zu wenig gleichartige Verhältnisse zuläßt, jede nähere Teilnehmung doch immer Torheit sei, und auf unnütze Weise das Gemüt des Teilnehmenden, der immer als Fremdling dasteht, unglücklich mache. Nie habe ich Ihnen, gnädigste Frau, von diesem Allen persönlich eine Silbe hervorbringen können; die Abwesenheit eines halben Jahres und die Entfernung in ein andres Land, unter andre Menschen, hat meine Seele in mehr als Einem Betracht so aufgeräumet, daß, indem ich mich selbst u. andre klärer zu erkennen glaube, ich auch gar nicht Schamrot werde, Ihnen diese meine Schuld, die Folge einer vielleicht übermenschlichen Hochachtung, rein zu gestehen. Mir ist dabei nicht anders im Gemüt geworden, als Einem, dem sich ein schönes, herrliches Bild entwölkt, das er für Rauch u. Nebel lange nicht sehen konnte u. der sich selbst mit Freude für einen Toren achtet, daß er den Nebel dem Bilde selbst zuschrieb. Wenn meine Reise zu nichts gut ist, so wird sie's hoffentlich dazu sein, daß sie meinen Geist entwölkt, mein Herz freier u. ich kann wohl sagen, auch froher und lauterer gemacht hat. Je mehr Menschen man kennen lernt, desto mehr lernt man Menschen unterscheiden, und wenn man, wie ich, so ganz unvermutet u. unvorbereitet, aus Verhältnissen, Sprache, Sitten u. allem gesetzt wird, was Jahre lang uns zur Natur geworden war, so ists sehr natürlich, daß Auge, Herz u. Geist klärer gewaschen werden. Mit welcher furchtsamen Freude ich also an die Zeit denke, da ich Euer Durchlaucht wiedersehen u. nur zuweilen ein Wort mit Ihnen sprechen kann, möge Ihnen ein guter Geist, oder vielmehr Ihr holdes, reines, gütiges Herz selbst sagen.
Von meiner Reise kann ich wenig melden. In Napel habe ich mich wie neugeboren u. verjüngt gefühlt, so daß ich mich aus meinem Leben keiner ähnlichen Metamorphose erinnere; es ist aber auch ein einziges Land von solcher Art in Europa. Das alte Rom kommt mir wie ein Mausoleum vor, in dem ich meine Lektion wiederhole, und nach Ostern mit Freude an den Ausflug denke. Es ist mir selbst unlieb, daß Ostern so spät kommt, u. daß ich auf die Feierlichkeiten der heiligen Woche so lange warten muß; wäre diese mir nicht im Wege gewesen, so hätte ich mich schwerlich wieder hieher gewöhnet. Zu sehen u. zu lernen ist indes alle Tage, sobald es nur das Wetter zuläßt; diese Wochen indes ists meistens schlecht gewesen u. vor einigen Tagen hatten wir wieder Schnee. Wie mags bei Ihnen in Deutschland aussehen? hinter den Thüringschen Bergen.
Meine Kinder geben mir zuweilen vom Prinzen, von Euer Durchlaucht gibt meine Frau mir öftere Nachricht; eine der schönsten wirds für mich sein, wenn ich das lese, wovon der Anfang meines Briefes lautete. Haben Euer Durchlaucht die Gnade, mich dem Herzoge aufs beste zu empfehlen; ehe ich vom alten Rom scheide, nehme ich mir noch die Freiheit an Ihn zu schreiben. Die Herzogin Mutter ist wohl; sie will aber an ihre Rückreise nicht gern erinnert sein, u. sobald man Lust, Geld u. Gesundheit hat, mags immer gut sein, alle vier Jahrszeiten in Italien durchlebt zu haben. Ich für mich aber tue gern Verzicht auf diese Freude; in Rom u. selbst in Napel würde ich nicht bleiben; ich würde mich nach Sicilien hinsehnen, u. dazu traue ich nicht meiner Gesundheit. Ich habe ihr indes von meiner Rückreise noch nichts sagen mögen, ob sie gleich gnugsam merkt, wohin mein Geist flieget. Leben Sie wohl, gnädigste Herzogin, edelste der Frauen, leben Sie tausendmal wohl; der Himmel gebe, daß ich Sie gesund und vernügt wie den Morgenstern wiedersehe. Ich verharre mit innigster, reinster Verehrung
Euer Durchlaucht untertänigster Herder.
Göttingen, 15. 3. 1789
Zu den Sonderbarkeiten unserer Schicksale gehört auch dieses, mein lieber Freund, daß ich Ihnen nach Rom über eine seltsame Angelegenheit schreiben muß, die Ihnen nach ehmaligen Vorfällen anfangs unbegreiflich sein muß. Kurz, ich habe Ihnen, in Auftrag des Ministerii, unter höchster Genehmigung, den feierlichen Antrag zur Professio theologiae ordinaria und ersten Universitätspredigerstelle mit dem Charakter eines Konsistorialrats, der in unsern Landen der höchste ist, mit Stelle in der Fakultät, mit einem Gehalt, den Sie nach Ihrer jetzigen Lage selbst bestimmen können und müssen, mit 200 Rtlrn. jährlichen Witwengehalt, mit 40 Pistolen Antrittskosten, zu tun. Wie dieses alles so herumgebracht worden ist, gehört in diesen Brief nicht. Genug, Sie haben völlig Satisfaktion für das Vergangene. Aber was ich dabei fühle, mein Teuerster, kann ich Ihnen nicht sagen; noch weniger was ich wünsche. Und doch will ich mich keinem Wunsche eher überlassen, als bis ich höre, wie Sie über die Sache denken.
Ihre Lage und Verhältnisse in Weimar kenne ich nicht. Also hierüber kein Wort. Was Sie nicht so wohl wissen können, ist, was Göttingen anbetrifft. Hier hat sich alles verändert. Hier ist alles zu Ihrem Vorteil. Sie können, Sie müssen hier geehrt und glücklich sein. Selbst unser Leß, mit dem ich kürzlich sprach, sieht Sie als die einzige Rettung unserer theologischen Lage an. Welche Veränderung der Sachen in so wenig Jahren! Jetzt sind Sie als einzige Stütze der gesunden Theologie von Hohen und Niedrigen betrachtet, gewünscht, gesucht. Alle Ministri sind für Sie. Sie sind in London vorgeschlagen und genehmiget, und ich habe durch ein solennes Reskript Auftrag, alles mit Ihnen zu verhandeln. Koppe in Hannover und Eichhorn in G[öttingen] erleichtern noch mehreres. Mit Einem Worte: hier haben Sie nichts als Achtung und Liebe zu erwarten, nirgends Anstoß.
Die Predigerstelle bei der Universitätskirche gibt Ihnen einen mächtigen Einfluß in das Ganze, und in das theologische Fach insonderheit. Das ganze Praktische der theologischen Kollegien fällt in Ihre Hände. Als zweiter Prediger soll Marezoll eingesetzt werden. Moral und Dogmatik wären außerdem Ihr Anteil: Günstig ist also jetzt alles, und ich wüßte nichts, was Ihre Lage drücken oder schmälern könnte, dagegen was könnten Sie in der Lage alles wirken!
Ihre häusliche Lage müßte gewinnen bei der bessern Gelegenheit, die Sie für Ihre lieben Söhne haben; sowohl für den Unterricht auf Akademie, als für künftige Versorgung. Eingeschränkt leben wir hier in unserm Innern größtenteils, wer nicht Tor ist und es anders will. Ich lebe für meine Familie, habe das ganze Jahr kaum zwei-, dreimal Gesellschaft. Und so machen es andere, jeder nach seinem Willen. Jeder ist sich selbst Gesetz.
Da die Sache in meiner Hand ist, so würde ich alles einleiten, wie Sie es wünschen. Ehe ich aber hierunter weiter gehe, muß ich erst wissen, was Sie beschließen können und wollen. Erweisen Sie mir die Liebe und antworten Sie mir bald u. s. f.
W[eimar,] den 16. März. 1789.
Liebstes Herz. Dein lieber Brief vom 1. März mit Deinem sitzenden Bild, hat mich auf eine sonderbare Weise heute bewegt. Mein Gemüt ist in diesen Tagen, wie Du nach meinem letzten Brief vom 9., leicht denken wirst, äußerst bewegt, u. meine Gedanken sind wie ausgebreitete Flügel zu Dir hingespannt; ich sinne u. rede u. ratschlage mit Dir. Alles habe ich schon bei mir selbst pro u. contra abgesprochen; Jetzt horche ich nur auf Deinen Genius der entscheiden muß. Der liebe Gott wird mit Dir sein u. es Dir selbst sagen! Da ich nicht in der gleichgültigen Ruhe bin, als vor 6–7. Jahren, so ahnde ich fast, daß ein höheres Schicksal uns ruft. Ich folge Dir überall gern u. willig, um endlich einmal mit Dir den Hafen zu erreichen, wo es Dir wohl werden kann. – Wenn Dir mein Brief an Heyne nicht gefallen hat, o so denke daß ich ein gedrücktes u. schwaches Geschöpf bin u. mache durch Deine Antwort alles gut. Nur so schnell, willig u. gutmütig muß u. kann man sich nicht hingeben! Wir müssen durch sie total ins Reine kommen, uns auch dort so einrichten daß wir nicht mit Sorgen von einer Stelle zur andern uns bewegen. Dies alles ist sowohl für Deine als meine Exsistenz notwendig. – Da Gottfrieds Husten ein Magenhusten ist u. mein alter Magenhusten sich, seitdem er krank ist, durch Unruhe wieder eingestellt hat, so habe ich in diesen Tagen, den Plan gemacht, Dir mit Gottf. u. ein paar andern Kindern ins Carlsbad entgegen zu gehn. Da Du aber Lust durch die Schweitz hast, so folge Dir hierinnen u. brauche das Bad von Pfeffers, das wie ich glaube, auflösend u. stärkend ist. Die Reise durch die Schweitz ist teuer, ich wünsche daher daß Du mit jemand die Reise überrechnen könntest. Dein guter Meier wird Dir hierüber gewißres Licht geben können.
O mein lieber Einziger, mein Alles, wie haben mich Deine Herzensworte heute erquickt u. gestärkt. Ich hatte es sehr sehr nötig. In diesen letzten Tagen, [dachte] ich an nichts anders als aufräumen u. in Ordnung bringen. Deine Papiere hatte ich wohl vorigen Herbst im Großen geordnet, aber nicht im detail; da nahm ich sie jetzt vor. Aber das war recht mit einem Messer mir im Herzen zu wühlen; ich übertäubte mich manchmal, aber es ging nicht, u. mein alter Seelenschmerz u. Verzweiflung über mich selbst, war wieder da. Du bist durch mich, auf Deinem Lebens- u. Seelenweg verirret, aufgehalten Gott weiß was alles. Kurz ich bin das Kreuz an das Du geheftet worden bist. Was ich da nun alles wieder von Gott gebeten gewünscht u. erfleht habe, will ich Dir nicht sagen. O daß meine Kräfte nicht meinem Willen gemäß sind. Wenn Du eine verständige Frau bekommen hättest so wäre alles anders; mein einziger Trost ist, daß Du keine mit einem bessern Willen hättest bekommen können.
O Lieber guter Geist trage u. dulde mich so fort; ich bedarfs wenn ichs schon nicht verdiene, ein gutes Wort von Dir ist mir Lebensbalsam; u. Gott wird Dich dafür belohnen. Du mein Theseus, dem ich gern den Faden im Labyrinth geben möchte, um das Böse zu erlegen u. ihm glücklich zu entkommen – ja mein Theseus Du bist nun einmal zum Kämpfen auf der Welt; o wie süß ists, Deine Ariadne zu sein; wie danke ich Dir für diesen Namen, der mein Innerstes allemal bewegte wenn ich ihn hörte. Noch vor wenig Monaten (im Jan.) hat Gottfr. die Ariadne mit Horn u. einigen Schülern, mit Musik in meiner Stube gespielt; ich, die Kinder u. jungf. Schwarzin waren die Zuschauer. So unvollkommen als es war, so habe ich doch bitter weinen müssen.
Ja mein Süßer ich bin u. bleibe Deine Ariadne.
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Wie sonderbar trifft sich das jetzt so zusammen! Gott bringe Dich in Deine tätige Sphäre, wenn es sein Wille u. uns gut ist. – Für Dein liebes Bild danke u. küsse den guten liebevollen Rehberg, der es empfindet, wie er mir Freude machen konnte. Es ist gar sehr charakteristisch gemacht. Dein sitzen, lesen, rauchen, selbst wie Du Deine Füße hältst, den einen am Stuhl, den andern ausgestreckt – alles ist so lebend vor mir; die Kinder haben sich auch recht daran ergötzt, Emil wollte nun in der Stunde aus Freuden recht fleißig sein, viel lesen, u. da es 9 uhr schlug weinte er, daß die Stunde aus war.
Dein sonderbarer GemütsZustand in Rom ängstet mich doch ein wenig; ist es der Vorbote von dem Göttingischen Antrag? oder ist es bloß Veränderung des Klima? Zehnmal ist mir in dieser Woche eingefallen was Dir dort vor Rom in der Kapelle erschienen ist: ego tibi Romae propitius ero. Nun der liebe Gott wird durch seine Werkzeuge alles gut machen!
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Eben ist Kneb. u. die Stein bei mir gewesen u. grüßen Dich herzlich. Beide freuen sich Dein u. Deiner Wiederkunft.
Ich habe Dir noch viel schreiben wollen, ich bin jetzt aber gestört. O Du weißt es ja inniger was in meiner Seele vorgeht als ichs Dir sagen kann. Ich fürchte u. sehne mich nach Deinen Briefen jetzt mehr als jemals, da Du so sonderbar gestimmt bist.
Der schöne poetische Brief der Herzogin u. ihre Güte hat mich sehr erfreut – hier ist eine Antwort an sie. Wenn etwa zuviel oder zu wenig darinnen ist so verzeihe u. denke, daß meine [Nemesis] jetzt nicht bei mir ist. O daß Du mir immer zur Seite wärst Du mein Engel u. mein Führer!
Über G[oethe] u. Moritz hast Du völlig recht. Mündlich mehr darüber.
G. sagte mir in dieser Woche daß er im Sept. nach Rom zur Herzogin reise u. künftigen Sommer mit ihr heraus käme. Er hat mirs nicht als ein Geheimnis anvertraut, deswegen habe ich in meinem Brief an sie darauf gedeutet. Sie kanns als Wahrheit oder Dichtung ansehn. Vermutlich wird sies Dir selbst sagen, wenn sies anderst weiß. An Frl. Göchh. u. Einsiedel empfehle ich mich bestens.
Ich hoffe u. hoffe gewiß, daß Du Dich von der zarten holden Angelica wirst malen lassen; dies wäre mir lieber als Deine Büste. Ihr Andenken an mich rührt u. erfreut mich allemal so ganz eigen, daß eine so treffliche u. Seelenvoll[e] Künstlerin meiner gedenkt; o sage ihr doch, wie ich sie recht herzlich, besonders durch Deine Erzählungen liebe u. ehre! Die zarte kunstreiche Seele. O wenn sie Dein Bild mir schenkte. Doch es bedarfs nicht. Ich lebe u. sterbe mit Dir! Bringe mir ja nichts mit. Du selbst bist mein Einzig Kleinod. Der kleine Amor von der Elisa Gore ist von einer Muschel geschnitten. Goethe sagte mir, daß man solche Kleinigkeiten häufig dort haben könne, das Stück für 1 Zechine. Für die Jungens ist dies indessen nichts. ich weiß auch gar nichts vorzuschlagen was Du ihnen kaufen sollst. Jedem eine kleine Gemme zum Ring, ist vielleicht das gescheutste, wenn sie nicht zu hoch kommen. Noch habe ich eine Bitte für Werner zu tun. Der Silberdiener der Herzogin ist gestorben; sie wird vermutl. einen ihrer Bedienten dazu machen, u. wenn da eine Stelle ledig würde, so empfehle ihn der Herz., so könnte er die Henriette heuraten, die aber nicht schwanger ist. Ihre Krämpfe kommen von [verstocktem] Blut her u. daher ist auch ihre Zeit ausgeblieben, die sich wieder gezeigt hat – die Lieberin hat auch noch einmal nachgesehen u. sie nicht schwanger befunden.
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Nun lebe wohl, bestes Herz, ich bin ermattet u. müde, u. schließe Dich in meine treue Arme u. mein armes aber treues Herz – O Gott wenn ich Dich wieder selbst umarmen werde.
C. H.
Die Kinder küssen Dich 1000mal.
sie konnten heute unmögl. schreiben.
Grüße den Werner auch von mir u. sage ihm daß ich ihm doch noch gut sei.
W[eimar,] d. 16t. März 1789.
Geliebtester Vater.
O wie lange habe ich Ihnen nicht schreiben und meinen Gruß u. Kuß senden können! – doch der alte Chronos wollt's nun einmal so, u. im Herzen u. Geiste war ich beständig um Sie. –
Ich habe seit 14 Tagen an einem Katarrhfieber u. gewaltigem Krampfhusten krank gelegen, u. es hat mir sehr weh getan nicht an Sie schreiben gekonnt zu haben. Es geht doch gottlob jetzt besser; ich steh wieder auf u. wäbele (wie man zu reden pflegt) so mit fort. Gebe der Himmel uns nur gut Wetter, das wird alles rein u. von Grund aus heilen.
Der Herr Geheimderat Göthe ist gar gut gegen uns, ich habe ihn recht sehr lieb; er schenkte mir in meiner Krankheit, die so prächtige Ausgabe des Curtius von Pitiskus, mit vielen Kupf., die mich halb gesund wieder machte, wenn ich nur bald wieder in die Schule gehen u. Gebrauch davon machen könnte! –
Wie sehr haben wir gewünscht, daß Sie noch länger in Napel geblieben wären, und noch länger die schönen Früchte des Paradieses genossen hätten, die allein unsterblich machen, noch länger in Elisyums Gefilden gewandelt u. Neptuns Wallen Sie entzückt hätte! – Doch des Guten nicht zu viel sagt Jupiter, u. nenne nicht das Schicksal grausam, wer weiß, wo zu es gut war. –
Kommen Sie nur bald zu uns, ein neues Elysium u. ein neues Paradies bereiten wir Ihnen, u. unsre Arme stehn Ihnen offen! –
Wie sehr hat mich Ihr liebes, liebes Bildchen gefreut, o könnten wir Sie nur bei uns bald so sitzen sehn! Auch ist der junge Danz Autor worden, er hat die Perser des Aeschylus übersetzt, u. sie mir mit einem artigen Briefe geschickt. –
O schicken Sie uns doch etwas Südluft, der kalte Ost- u. Nordwind braust uns immer um den Ohren herum, u. wir können gar nicht gesund werden. Leben Sie wohl, liebster Vater u. behalten Sie mich lieb. – O möge es Ihnen ewig wohl sein, u. bleiben Sie immer gesund im großen öden Rom, und schlafen Sie ruhig, wir schließen Sie ja allemal in unser Gebet χαιρε, vale u. vergessen Sie nicht
Ihren gehorsamsten u. Sie zärtlichst liebenden Sohn
Gottfried Herder.
W[eimar,] d. 20. März. 1789.
Da ich weiß daß Du jetzt eben so viel an mich denkst mein liebes Herz, als ich an Dich, so muß ich Dir heute schon wieder schreiben u. lege Dir die Abschrift des Briefs an die Berlepsch bei, deren Brief ich vorigen Posttag Dir sandte. Heyne hat mir heute auch wieder geschrieben; erstl. daß sein Brief an Dich abgegangen sei u. 2tens »unsre Lebensart hängt hier von eines jeden Willen ab. Der größte Teil lebt so eingeschränkt daß wir hingegen Weimar u. Gotha als Sitz des Luxus ansehen. Wir leben in unsern Familien; in meinem Hause ist jährl. kaum dreimal Besuch oder Abendgesellschaft. Böhmer u. Pütter geben Gesellschaft; aber das ist gewaltig eingeschränkt.« Über Zinserling schrieb er, der Vater solle den Sohn nur schicken, er wolle für ihn tun, was er könne.
Daß Du Deinen Entschluß über Gött, sehr rein nehmen wirst, weiß ich; es wird Dir mehr um einen größern Wirkungskreis als der äußern Vorteile, zu tun sein; u. das ist von Dir Recht u. Deinem Geist angemessen. Ich u. die Kinder sind hingegen Dein irdischer Teil, u. über diesen hat es noch Zeit uns mündlich zu besprechen. O was gäbe ich darum, wenn ich jetzt bei Dir wäre u. Deine innre Stimme hören könnte. Gott sei bei u. mit Dir Du lieber Engel.
Ich habe mich schon ganz matt u. müde darüber gedacht, u. lasse jetzt alles ruhen. Wie schwach ist des Menschen Geist in solchen wichtigen Fällen; ich bin gestern Abend so sonderbar, durch die Anstrengung meiner Gedanken, zu Bette gegangen, daß ich jetzt alles Dir u. der Zukunft überlassen will. Der liebe Gott wird es ja! Gut mit uns meinen.
Mit Gottfrieds Husten gehts täglich besser, wenn kein Schnee läge so könnte er wieder ausgehen. Du siehst wie nördlich es noch bei uns aussieht. Mein Husten nimmt auch ab, beim Gebrauch der dulcamara.
Ich habe die Fortsetzung von Tasso wieder abgeschrieben, Goethe kam dazu, er absolvierte mich hierüber wie leicht zu denken u. grüßt Dich. Von diesem Stück sagte er mir im Vertrauen den eigentlichen Sinn. Es ist die disproportion des Talents mit dem Leben. Er freut sich recht über mich, daß ich es selbst so gut empfinde.
Der Augenblick da der zarte Dichter bekränzt wird, ist mir recht rührend gewesen; nun ist er eingeweiht zum leben, lieben u. leiden! [ . . . ]
Die gute Kalbin, die wirklich eine treffliche Seele ist, grüßt Dich herzl. – sie war diese Woche bei mir. wir haben viel von Dir gesprochen u. sie achtet u. liebt Dich hoch, sie nimmt Goethens Tasso gar zu speziell auf Goethe, die Herzogin, den Herzog u. die Steinin; ich habe sie aber ein wenig darüber berichtigt. Das will ja auch Goethe durchaus nicht so gedeutet haben. Der Dichter schildert einen ganzen Charakter wie er ihm in seiner Seele erschienen ist, einen solchen ganzen Charakter besitzt ja aber ein einzelner Mensch nicht allein. So ist es mit dem Dichter Talent selbst, so mit der Kunst zu Leben, die er durch den Herzog oder Antonio darstellt. Daß er Züge von seinen Freunden, von den Lebenden um sich hernimmt, ist ja recht u. notwendig; dadurch werden seine Menschen wahr, ohne daß sie eben einen ganzen Charakter lebend sein können oder dörfen.
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Das Ende der dritten Szene hat mir Goethe so eben noch geschickt, ich habe ihn gefragt ob Dus der Herzogin u. Angelica lesen darfst, so antwortete er mir: Du könntest beliebigen Gebrauch davon machen.
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Weimar, 20. 3. 1789
Lieber Vater.
Nehmen sie es nicht übel, daß ich Ihnen ein so kleines Briefchen schreibe. Wir haben jetzt neue hellgrüne Oberröcke bekommen auf den Sommer und auch weil ich dies Jahr, mit dem Erbprinz verreisen werde; darum auch habe ich mir ein Buch gemacht, daß ich den Prinz unter wegs unter halte denn er reist nach bis nach, Ilmenau, od. noch an viele Orte und in dem Buch sind viele Bilder, und der G. v Goethe, hat den Anfang gemacht. Dieses ist es alles was ich weiß; dies Jahr sammle ich mir wieder recht viel Steine. Leben Sie wohl und denken sie auch an mich.
August Herder.
d. 20ten März 1789
H. Schäfer läßt sie grüßen.
Grüßen sie auch Wernern von mir.
Weimar, 20. 3. 1789 [?]
Lieber Vater
Wenn Sie einmal wiederkommen, so will ich Sie auch abzeichnen und illuminieren, dieses ist alles was ich Ihne heute sage, und die Mutter hat gesagt wenn Sie noch einmal ins Carlsbad reisen will sie mich mitnehmen. Kommen Sie bald und gesund und fröhlich wieder. Leben Sie wohl und behalten Sie lieb
Ihren gehorsamen Sohn Wilhelm Herder
Weimar, 20. 3. 1789 [?]
Lieber Vater
Ich habe sehr lange nicht an ihnen geschrieben. Die liebe Mutter hat uns grüne Überrecke gekauft wir haben uns gefreut über die hüpsen Bilder die sie uns geschickt haben, in Weimar ist es wüste und sehr viel Schnee. Wir haben den Eutropius angefangen. Ich bedauere es sehr das ich nicht mehr schreiben kann. Leben sie wohl ihr getreuer Sohn.
Adelbert Herder.
die Mutter sagt das Bild würde noch schöner sein, wenn wir den Tabak riechen könnten.
Weimar, 20. 3. 1789 [?]
Lieber Vater
Ich habe recht lange nicht an Sie geschrieben ich lerne jetz in der Bibel ich muß jetz oft bei die Prinzessin. Ich wünsche mir oft das ich bei Ihnen wäre ich habe mich gefreut wie ich Sie auf dem Stuhl habe sitzen sehen
Luise Herder. 1789.
Weimar, 20. 3. 1789 [?]
Lieber Vater!
ich habe Vorgestern Einen Brief an den Erbrinz geschrieben, und der Erbrinz hat sich darüber gefreit wir haben uns [von Caroline Herder ergänzt: über Ihr Bild] Recht gefreit, die Mutter hat Es an die wand gesteckt, wenn sie wieder kommen dann wollen wir springen
Ihr getreier Sohn Emil Herder
Rom, 21. 3. 1789
Tausend Dank, liebe Gute, für Deinen Br. v. 2. März. Mich freuets, daß Du wohl bist u. die Kinder; das ist das Hauptwerk; der Faden, an welchem alles Andre hangt. Ich bin so wohl, als man bei dem hiesigen bisher abscheulichen Wetter sein kann, da es seit einem Monat wie mit Wassereimern unaufhörlich geregnet hat. Dabei vergeht Einem nun alle Lust u. Freude: 2. Portionen Salz, die ich gestern nahm, wirkten nichts, u. vielleicht hätte die heutige dritte auch nicht gewirket, wenn nicht heut zum Glück der erste fröhliche, heitre Tag gewesen wäre. Ich glaube nicht, daß die Besserung noch Bestand haben werde: denn ich traue der Römischen Serenità gar nicht; indessen muß es doch einmal anders werden, u. was werdet Ihr in Deutschland für Wetter haben? Zu meiner Reise ist bei dem allen ein so ausgezeichnet schlechter Winter keine besonders vorteilhafte Anstalt, wenn ich mich nicht schon Ein- für Allemal in Allerlei zu schicken gelernt hätte. Nur dies zu lernen, sehe ich, ist Zweck meiner Reise, kein andrer.
Meine Stanzen hierüber wirst Du erhalten haben. Wenn Du nichts dagegen hast, kannst Du sie der Fr. v. Fr[ankenberg] schicken; sonst aber sieht sie in Weimar keiner. Ich lege an die Fr. v. Fr. heut ein paar Gedichtchen bei, bloß um die entsetzliche Leere meiner Br. einigermaßen auszufüllen, oder zu vergüten. Sie wird Dir solche auch mitteilen; es sind ein paar Einfälle über Kunstwerke, aber auch ohne Geist u. Salbung. Diese Gabe des Himmels muß mir erst wieder in meiner Heimat werden; hier ist alles erzwungen Werk, u. die Ursache liegt am Tage.
Trippels Buste von mir ist fertig worden u. alle Welt versichert, daß sie mir gleiche. Vorigen Sonntag habe ich bei Mad. Angelika gesessen, morgen sitze ich wieder; der erste Ausblick des Bildes hat mich sehr gefreut, u. überhaupt ist Angelika jetzt meine einzige Trösterin in Rom. Je mehr ich sie kennen lerne, desto mehr gewinne ich dies seltne jungfräuliche Kunstwesen lieber; eine wahre himmlische Muse voll Grazie, Feinheit, Bescheidenheit u. einer ganz unnennbaren Güte des Herzens. Sie hat mich auch recht gern, u. die Stunden, die ich bei ihr zubringe, sind mir ohne allen Vergleich die liebsten, die ich in Italien genossen habe; es sind aber nur wenige, weil sie äußerst fleißig ist, u. ich mag sie in ihrer Arbeit nicht stören. Sie grüßet Dich aufs schönste, mit einer so lieblichen Furchtsamkeit u. Bescheidenheit, als ob sie ein höheres Wesen grüßte. Sie ist ein gar zartes Geschöpf, u. ich werde an sie Zeitlebens mit der reinsten Liebe u. Freude denken. Ich wollte, daß sie in unserm Kreise wäre, welches aber nie sein kann u. sein wird; leider! –
Wenn meine Schwester kommt, nimm sie gut auf, liebes Herz u. tue was Du kannst, Dich ihren Begriffen zu bequemen, u. sie bei der Lumpen-vornehmen Weimar. Welt, mit der sie ohnedem nichts zu tun haben kann, nicht unwürdig dem Ruf nach erscheinen zu lassen. Das alles weißt Du besser als ich, u. wirst mir hierin mehr zu Gefallen leben, als ich in Bitten bei Dir auszudrücken vermöchte. Wozu sind auch unter uns, die wir Eins sind, Bitten nötig? Grüße Sie, wenn sie ankommt, von mir aufs beste u. laß ihr wohl sein; es ist ein Grund mehr, daß ich zu Euch eile, ohne mich doch zu übereilen.
Zinserlings Krankheit macht mich sehr unruhig. Grüße ihn doch aufs freundschaftlichste von mir, u. sage mir, wie es mit ihm stehet. Seine Krankheit oder gar sein Tod wäre ein neuer Wink für mich, daß ich hinter die Petersk[irche] mich verfüge. Und wenn ich dort bin, welch ein sonderbarer Traum wird mich meine Reise nach – u. in Italien dünken! –
Heute kein Wort weiter; als 1000. Grüße u. Küsse an die Kinder, diese guten Herzen, Lämmer Deiner Obhut jetzt wie immer empfohlen. Ich vermag den Gedanken an Euch kaum mit aller Stärke auszudenken! Gott bringe mich gesund zu Euch, u. laßt mich Euch gesund wiederfinden. Lebe wohl, herzliche gute Seele, lebt wohl, Ihr lieben.
Rom, den 21. März 89.
Rom, 22. 3. 1789
Valde erubesco, vir illustrissime paucisque diebus eminentissime, Tibi me adhuc debere nomen meum, quod, honorem non meritum mihi inter Volscos Tuos destinans, benigne a me quaesivisti. Semper adire Te, Teque salutare gestiebam; impeditus autem tum caeli inclementia, tum valetudine mea hinc inde infirma, variisque aliis districtus negotiis, tardissime perago, quod altero statim die agere debuissem, nomenque meum scriptione Tibi indico. Aut potius, quod magis placet, subscriptione, cetera humanitati Tuae relinquens. Dicere quidem deberem: quid Saulus inter prophetas? quid ego inter Volscos? sed oblivioni tradens omnia ista, non meritum meum, sed amorem in me Tuum perpendo, istaque gratissima recordatione acquiesco. Vale, vir amicissime et ut Flaccus dicit
– sume superbiam
– quaesitam meritis
Semper mihi carissimum erit egregium nomen Tuum, semper memoria Tua, viri inter plures unici, perquam dulcis. Vale, vir illustrissime, mihique
fave. Joann. Godofred. Herder.
W[eimar,] den 23. März 1789.
Mein Einzig Lieber, Dein Brief vom 7. März, den ich gestern Abend erhielte, worinnen Du mir von Deiner fortgehenden Unbehaglichkeit in Rom, u. von Goeth. Natur u. Art schreibest hat mir sehr weh getan. Beides sind mir 10 tausend Dolchstiche gewesen. Wenn ich Dirs mit dem Geld längst gesagt hätte, wie ich hätte tun sollen, so wärst Du in Napel länger geblieben – u. über G. gestehe ich, habe ich bisher immer zu parteilich geschrieben – ich habe geschrieben, wie ichs jedesmal empfunden habe. Liebster Engel Du hast über ihn ganz u. vollkommen recht, Du beurteilst ihn, Mann gegen Mann.
War unser Gefühl nicht schon lange hierüber berichtigt? u. wenn er es eine Zeitlang durch Umstände zu mildern gewußt hat, so hat er doch seine Natur nicht abgelegt. Seine Alleinherrschaft u. hundertkleine Eitelkeiten empfinden ja Freunde u. Feinde, u. meine Abgötterei ist nicht so weit gediehen, daß ich sie gar für göttliche Eigenschaften ansehe. O mein Einziger auf der Welt, verkenne mich doch hierinnen nicht! meine ganze Empfindung ist ja unendlich mehr u. inniger, mit Deinen Eigenschaften, mit Deinem Geist und Gemüt verwebt – Deine Wirksamkeit, Dein treues reines Gemüt u. Dein MitGefühl für Alles Leidende u. Gute, steht bei mir auf der höchsten Stufe u. ich wollte Dich um alle Güter der Welt, nicht um einen eiteln Dichter vertauschen. Daß ich soviel Aufhebens davon gemacht habe, rührt bloß daher, weil ich vom Dichter u. der Poesie, vom Künstler u. der Kunst, noch keinen so anschaulichen Begriff gehabt habe; u. ich war eben wie ein Kind das einen neuen Buchstaben hat kennen gelernt.
Leid tut es mir beinah daß ich Dir den Tasso abgeschrieben habe. Er bestätigt darstellend u. ausführend die ganze Vergötterung des Dichters. Liebes Herz, sehe doch darüber weg u. laß uns auf unserm Boden feststehen u. ein bessres Erdreich für Dich u. uns suchen u. Du Deiner edeln Natur so wie ich der meinigen treu bleiben. – O ich möchte alle die Briefe bisher über ihn u. die Kunst ungeschrieben haben! was geht mich der Dichter u. die Poesie an! Freilich war es mir bisher mitunter eine Erholung, um nicht ganz in der angestrengten Empfindung in meiner Einsamkeit unterzuliegen – Wenn ich Dir ein detail machen sollte, wie ich diesen ganzen Winter kaum 3 oder 4 mal ausgewesen bin – u. nichts mein Gemüt erquickt hat als die Briefe von Dir, so solltest Du mich eher bedauren – Nichts quält mich mehr, als daß ich über meine vorgesetzte Rechnung mehr Geld ausgegeben u. dafür auch nicht einen Pfennig Freude empfangen habe. Die Kinder sind noch so wie Du sie verlassen hast, u. ich bin auch nicht besser geworden; dafür aber bin ich älter geworden u. – doch was sage ich viel. Die Entfernung macht die Briefe sonderbar scharf u. ernst; Laß uns einander doch nicht verkennen, Du mein Ein u. Alles. Verzeihe daß ich Dir auch G. Billet, in dem Brief vom 9. März beilegte, ich glaubte, Du kämest mit dem Geld nicht aus; u. ich versuchte, da ich das vom Herz. verlangen wollte, ob er vielleicht noch etwas beitrüge. Wenn sich nun das Schicksal ändert, so sehe [ich,] ists fast besser, daß es nicht geschehen ist. Liebes Herz, gern sehr gern will ich Dir all meinen Unverstand auf den Knien abbitten, kehre doch nur mit keinem bittern Gemüt zurück.
[ . . . ]
W[eimar,] d. 27. März 1789.
Mein Lieber Guter. [ . . . ]
Ich habe Dir bisher immer vergessen zu schreiben daß die ältste Fräul. Volgstädt seit dem Januar kränkelte. Es war ein übelabgewartetes Brust u. Gallenfieber, das mit der Wassersucht drohte. Indessen besserte sie sich diesen Monat merklich, bis sie vor 8 Tagen wieder ein Rezitiv bekam – äußerst ängstliche Nächte erfolgten, u. gestern früh erfolgte ein Schlagfluß von oben, u. nahm sie sanft weg. Ich habe sie diesen ganzen Monat nicht gesehen, wegen Gottfrieds u. meinem Husten; u. diese Woche bin ich noch unbehaglicher gewesen; fange nun ernstlich zu arzneien an, mit Abführung u. China u. hoffe durch diese Mittel u. ein günstiges Frühjahr bald davon befreit zu sein.
Die gutherzige Volgstädt wirst Du also nicht mehr finden. Als ich vor 4 Wochen das letztemal bei ihr gewesen bin, u. wir alle glaubten daß die Gefahr vorbei sei; sagte sie mir noch: es ist gut daß ich diesmal nicht gestorben bin; denn unserm lieben Herder wäre ich gewiß erschienen, auch in Italien. Ich gönne ihr herzlich die Ruhe. Sie ist auf ihren ausdrücklichen Befehl, geöffnet worden; da fand sich nun daß die Klappen im Herzen, durch die das Blut fortgespritzt wird, ganz verknöchert waren, ein Umstand der sehr selten sein soll. Auch die Leber war übermäßig groß u. hatte einen tiefen Eindruck, daß man beinah die Hand hinein legen können. Das vom festen Schnüren hergekommen sein mag. Ruhet wohl ihr Toten. Das Schicksal hat es gut mit ihr gemeint; sie hatte beinah eine Leidenschaft für uns, u. unsern Abschied hätte sie kaum ertragen können. Die arme Schwester ist herzlich zu bedauren.
Nun zu den Lebendigen!
Hier ist eine Promotion vorgegangen. Koppenfels ist Kanzler geworden, Voigt Geheimd. Regier. Rat u. die übrigen Herren nach der Reihe Hofräte. Koppenfels u. Mandelsloh Eglofstein u. Wolfskehl mit GeldZulage u. Hetzer, (wenn er nämlich wieder gesund würde) kommt als Ober Konsistorial Präsident nach Eisenach. Dies ist aber wohl nur ein Kompliment.
Der 2te Sohn vom Fritsch als Regierungs Ass. u. Hofjunker.
Knebel ist so eben bei mir gewesen u. grüßt Dich gar sehr; er hat heute an Einsiedel geschrieben u. Dich darinnen vergessen zu grüßen. Er hat mir letzthin viel von der reinen Luft erzählt, u. ich erinnerte mich daß Du mir sagtest, sie sei wie Sonnenlicht. Das ist gewiß unsre reine himmlische Seele.
Heute muß ich bald endigen mein Herz, Ludecus eilt immer mit dem Zumachen der Briefe. Du wirst nun auf die Rückreise denken; Gott bringe Dich glücklich gesund u. froh zu uns, mein Einziger! Mutter u. Kinder küssen ihren Vater zu tausendmalen.
C. H.
Mit Gottfried gehts sehr gut, er könnte ausgehn, wenn nicht alles voll Schnee läge u. immer mehr schneit.
Rom, 28. 3. 1789
Äußerst unerwartet kam mir gestern Abend in Deinem Br., liebes Herz, die vorläufige Nachricht vom Gött[inger] Antrage. Nichts liegt einem in Italien entfernter, als das Leben Gött. Professoren; es gibt selbst im Andenken einen unangenehmen Geruch, den man hier weniger als in Norden ertragen kann. Und gerade fiel mir Spittlers Br. mit der Professorhand geschrieben zuerst ins Auge. Weiter kann ich jetzt nichts sagen. Laß Heinens Br. kommen: übereilen will ich mich auf keine Art u. Weise. Dein Br. an ihn ist meisterhaft geschrieben, wahr, klug u. herzlich; die Menschen dort haben aber verstopfte Sinne, sie sind der Göttingschen schweren Luft gewohnt. Mir ists jetzt so fremde, mich als Profess. der Luther. Theologie zu denken, als wenn ich künftigen Montag hier in Rom Kardinal werden sollte; zum letzten würde ich mich noch eher anschicken können. Geben die guten Götter uns in diesem Punkt Weisheit u. kluge Überlegung, zu wählen wie sie wählen würden. Und sie werden es tun. Betrübe u. kümmere Dich nur <nicht>, liebe zarte Seele, Du mein Engel u. meine Lebensfreundin.
Was mich noch mehr im Br. verwirrte, war die Nachricht von Gottfr[ieds] Krankheit. Ich fürchte nämlich, Du hast mir etwas verschwiegen u. habe mich sehr geplagt; o wie erwarte ich Deinen nächsten Br. Der arme gute Mensch hat eine schwache Brust; helfe ihm der Himmel nur die kritischen Jahre hinüber. Ich darf Dir nicht sagen, daß Du für das gute liebe Blut aufs beste sorgest: er ist ein Abdruck Deiner Güte, unsre erste Freude, dessen Ankunft u. Kindheit uns so viele viele süße Stunden gegeben hat. Die schöne zarte Blüte wird uns eine gute Frucht geben, wenn sie der gütige Himmel auferzieht, worum ich ihn herzl. u. mit innigster Regung bitte. Er wird mich u. Dich erhören, liebe mütterliche Seele, Amen.
Was Du von G[oethes] Clärchen schreibst, mißfällt mir mehr, als daß es mich wundern sollte. Ein armes Mädchen – ich könnte mirs um Alles nicht erlauben. Aber die Menschen denken verschieden, u. die Art, wie er hier auf gewisse Weise unter rohen, obwohl guten Menschen gelebt hat, hat nichts anders hervorbringen können. Auf mich macht Italien in Allem nun Einmal den ganz entgegengesetzten Eindruck; ich kehre wie ein Geist zurück u. kann Dir nicht sagen, wie mir vor dem gewöhnlichen Troß der Buhlereien pp ekelt. Ich fühle mich zu gut dazu; das ist nicht Stolz, u. Prätension, sondern Natur u. Wahrheit. Daß sie dies sei, wirst Du an mir kennen lernen.
Was mich in diesen letzten Wochen auf eine sonderbare Weise, wenn ich so sagen darf, gereinigt u. veredelt hat, ist der Angelika Freundschaft. O daß ich so viel Zeit in Rom verloren u. mich gequält habe, ohne diese zarte u. edle Seele, die so schüchtern u. zurückgezogen, wie eine himmlische Erscheinung ist, näher kennen zu lernen. Jetzt da ich seit meiner Reise in Neapel klarere Augen u. eine ruhigere Seele habe, ist mir diese Frau über alles, was in u. um Rom ist, teuer. Ich bin bei ihr so gern, u. immer in dem Zustande einer süßen u. stillen Verehrung, wie auch sie es gegen mich zu sein scheinet, u. wirklich ist. Von Dir spricht sie in Ihrer holden Schüchternheit eben also, u. sieht Dich wie ein höheres, glückliches Wesen an; ihr Eindruck wird mir wohl tun auf mein ganzes Leben: denn er ist von allen Buhlereien, aller Eitelkeit u. Falschheit entfernt; sie weiß nichts davon, u. ist bei aller der demütigen Engelsklarheit u. Unschuld, von der alle ihre Arbeiten zeigen, vielleicht die kultivierteste Frau in Europa. Ich sage Dir dies alles, weil ich weiß, daß ich Dirs sagen kann, u. weil Du mir nach so vielen unnützen u. fatalen Monaten in Rom diese gefundene Perle oder Lilie ordentlich als einen Lohn des Himmels gönnest. So sehe ich sie auch an u. danke Gott vor die Erscheinung.
Wir rücken der H[eiligen] Woche jetzt näher; künftigen Montag werden die Kardinäle gemacht, unter denen auch Borgia ist, u. die geistl. Festlichkeiten fangen an. Nach Ostern wollen u. müssen wir noch die Campagna sehen, sobald sich das Wetter ändert. Wir haben traurige Monate gehabt, u. der Regen läßt noch nicht nach: das ist für Italien der übelste Querstrich, zumal für Fremde. Wozu G[oethe] 4. oder 6. Wochen anwenden konnte, dazu werden mir armen Schelm hoffentlich so viel Tage gegönnt sein. Wegen des Geldes gräme Dich nicht; es wird sich alles finden.
Grüße die Kinder u. danke den 4. für Ihre Br. – Aug[ust] ist sehr irre, daß man die Steinchen für Pfenninge haben kann, u. ich weiß nicht, was G[oethe] redet, ob ich gleich zugestehe, daß er in allem dem, mehr Glück gehabt hat u. haben konnte, als ich, weil ihm in seinem Kreise u. im Corso alles bei der Hand war. Das macht aber auch nicht glücklich. Dafür will ich Ihnen alle Römische Denkmale in Zucker mitbringen, da können Sie sie studieren u. aufessen nach Herzens Lust. Goulon hat mir schon ein großes Papier voll geschickt; o was wird der Emil kucken u. naschen. Lebe wohl, Herzensweib, ich habe heut von der Villa Ludovisi, vom Grabe Taßos, gestern von der H[eiligen] Agnes u. Cäcilia Abschied genommen, vom Museum, dem Kapitol, den Hauptkirchen pp längst, u. schicke mich allmählich in den Zustand des Verlassens. Lebe wohl; wie etwas sich weiter findet, will ichs Dir schreiben. Erhalte Dich u. die Kinder gesund, mein treues Weib, mein süßes Leben. Heinens Br. u. meine Antwort will ich Dir schicken, wenn sich gleich antworten läßt. Grüße Alles u. lebe wohl, Engelsliebe.
28. März
Rom, Ende März 1789
Der Purpur, den Du Heldenmütge Fürstin,
Der rote Römerschmuck, den Du mir gönnest,
war wohl des Wunsches wert; doch höre gütig,
wie er allein jetzt meine Wünsche reize.
Einst zu der Römer, zu der Griechen Zeiten
war er die Zier der Könige und Helden,
ein Lohn der Edlen, den für ihre Tugend
die Königin der Völker ihnen reichte.
Es sank ihr Reich; da sank auch ihres Lohnes
erhabner Wert; und der erblichne Purpur
ward Beute des Betruges und der Ränke.
Laß wiederkehren jene alten Zeiten,
Du der dazu die Götter Mut verliehen,
alsdenn gib mir Roms königlichen Purpur.
[Weimar,] den 2 ten April 1789
Lieber Vater.
Ich wünsche Ihnen viel Tausend glück auf Ihrer Reise und Das Sie gesund wieder kommen und uns Reche lieb haben wir wollen Auch Recht Artig sein wen Sie wieder kommen noch Tausendmal Tausend mal Glück lieber Vater.
Ihr getreuer Sohn Emil Herder.
W[eimar,] d. 3. April 1789.
Mein Einzig Guter. [ . . . ] Deinen lieben Brief vom 14. März mit Inlage an die Herzogin u. den Stanzen habe ich vorigen Montag erhalten. Da ich aber gerade an einem kleinen Nervenfieber, (das erste in meinem Leben) das ich durch einen kleinen Diätfehler bekam zu Bette lag, so las mir Gottfried den Brief vor, u. ich danke Dir liebes Einziges Herz für alle Deine Liebe die ich durch nichts verdiene, als mein treues Gemüt zu Dir. Ich bin den andern Tag wieder aufgestanden u. es ist mir wieder wohl, doch ist noch eine kleine reizbare Schwäche zurück u. Gottfried, der die Stanzen gelesen hat, ratet mir sie erst in einigen Tagen zu lesen; u. das will ich denn tun; sonst errege ich mir alle wehmütige Empfindung auf. Fr. von Fr[ankenberg] hat mir die Verse abgeschrieben die Du ihr gesandt hast. O mein Lieber, Gott erhalte Dir alle die süßen Erinnerungen zur Stärkung u. Labsal aufs Leben. Wir können Dir auf alle dieses hier nichts mehr geben – selbst die treueste Liebe wird Dir unschmackhaft sein; u. darauf will ich mich gefaßt machen – denn was ist ein elendes Individuum gegen den großen allmächtigen Eindruck einer solchen Natur. Du bist auf Deiner sonderbaren Reise sehr geprüft worden, o laß mich die Früchte davon in einer duldenden Liebe u. Nachsicht empfinden, Gott wird es Dir wieder vergelten.
Wie gern träume ich mir den süßen Traum, Dir mit Gottfr. Wilhelm u. Luischen ins Carlsbad entgegen kommen zu können u. mich noch einmal an der Quelle mit Dir zu stärken. Dörfte ich wohl von dem Geld der Freundin 150 Rtlr. dazu anwenden? Wenn Dein Gemüt nein sagt, so ist [mir] das ein heiliges Wort. Der Frühling, Die Hoffnung u. Deine Gegenwart wird mich mehr als alle Gesundbrunnen stärken.
Daß Du auf Heynens Brief nicht mehr lange in Italien bleiben wirst, konnte ich sicher schließen, ich habe daher allen Freunden gesagt, daß Du bald nach Ostern die Rückreise antreten wirst; u. habe es auch ins Publikum verbreitet, weil sie alle auf Deine baldige Rückkunft gespannt sind; es tat eine bessere Wirkung als wenn ich das Gegenteil gesagt hätte.
O wie wünsche ich Deine Gedanken u. Empfindungen über Gött. zu wissen! Je länger ich darüber denke, so glaube ich daß es nicht von ohngefähr kommt; u. daß das gute Schicksal mütterlich für uns sorgt; ja für Deinen eignen Wirkungskreis u. Dein fröhlicheres Dasein! Ich kann jetzt mit gar viel Ruhe u. Zufriedenheit daran denken u. bete u. danke der Vorsehung Deinetwegen. Welch ein einförmiges totes Leben würdest Du nach Deiner Reise hier verleben müssen! Alles ist, wie es gewesen; Du würdest auf einmal wie in ein totes Meer versunken sein. Aber nun ruft Dich Gott – Gutes zu wirken mehr u. besser als es hier geschehen kann. Wir wollen ihm folgen, wenn Du nicht etwas ganz bestimmtes in Deiner Seele dagegen hast. Auch die gute Fr[ankenberg] hofft viel Gutes davon.
Wenn Du meinen Wunsch mit Carlsb. gut heißest, so bestimme mir doch bald die Zeit wenn Du dort eintreffen kannst. Vor Mitte des Juni wünsche ichs nicht, weil die Witterung im Gebirg noch lange schlimm bleibt. Doch lieber Engel, siehe dies nur als einen frommen Wunsch an der nicht erfüllt werden darf.
Ich habe die Schatten auf Ein Blatt machen lassen; wenn es nicht recht ist, so werde nicht böse; u. wenn Dir das geschriebene nicht gefällt, so radiere es aus, liebes Herz; ich habe die Engelsfrau außerordentlich lieb; sage es ihr u. gebe ihr einen zärtlichen Kuß von mir. Die Stein hat mir im Vertrauen etwas von ihrem Schicksal erzählt. Ich weiß nicht ob Dus weißt; in ihrer Jugend ist ein Betrüger gekommen, hat sich für reich u. vornehm ausgegeben u. sie hat ihn geheuratet; Bald nachher entwand er ihr viele Praeciosa u. verließ sie.
Das war ein schreckliches Schicksal! u. ich kann recht bitter um sie weinen. Ich hoffe daß sie Deinen lieben ernsten heiligen Kopf recht gut machen wird. O wenn sie mirs schenkte! Wird Deine Büste an den Herzog herkommen? so werde ich sie doch auch sehen. Kann nicht ein Abguß davon gemacht werden? die plumpen Klauerschen, will ich dann zernichten.
Nun mein Ewiglieber, dies ist nun das letzte Blättchen, das Du in Rom von mir erhältst – gehe freudig, hoffend u. glücklich aus Deinem großen PrüfungsOrt u. denke daß Du zu denen wiederkehrst die Dir Gott gegeben hat. Mit tausend Tränen reiche ich Dir die Arme entgegen – Gott begleite Dich, Gott behüte Dich u. sei überall bei Dir! Ich will Tag u. Nacht für Dich beten. Der das Ohr gemacht hat, sollte der nicht hören? der das Auge gemacht hat sollte der nicht auf uns sehen u. für uns sorgen? Ja er wird Dich segnen, u. Dich unsern Vater, glücklich wieder zu uns bringen. Er wird unser lallen u. unsre Tränen sehen!
Bei der liebreichen Herzogin nehme auch in meinem Namen einen zärtlichen Abschied. Sie ist bisher Dein vielfacher Schutz-Engel gewesen, dies werde ich nie vergessen u. Ihr ein ewig dankbares Herz schenken. Wenn einem in der Zeit der Not Gutes getan wird, das hat einen himmlischen u. unvergänglichen Wert.
Die Reise Gefährten grüße aufs beste. Auch den guten Meier u. Rehberg, Bury. Nochmals der besten Angelica meinen zärtlichsten Kuß. Gott lohne ihnen alle Liebe u. gute Stunden die sie Dir gemacht haben.
Auch Du wirst dankbar gegen das allgütige Schicksal, von dannen scheiden – der mannichfaltige Genuß von Gutem u. Bösem, wird auch Deinem Geist u. Gemüt Stärkung u. Labung einst sein.
Wie viel edle große Geister haben dort gelebt u. gelitten – Du bist auch ihr Bruder.
Komm nun, unser Treuer, gern u. zufrieden in die Arme Deiner Kinder zurück, in eine stille friedliche Einsamkeit.
Weimar, d. 3ten April. 1789.
Liebster Vater
Nun gottlob nur noch 2 Monate sinds, so sehen wir Sie wieder und drücken Sie an unsre Brust, und hören Sie dann im Kreise erzählen. Gott geleite Sie und bringe Sie fröhlich, vergnügt und gesund bald zu uns. Doch eilen Sie ja nicht so schöne, von Ihnen noch nicht gesehene Städte vorüber, genießen Sie Florenz mit mehrererm Glücke als Rom; erfreuen Sie sich in Bologna und Venedig, und dann auf Fittigen zu uns.
Sein Sie doch so gütig, lieber Vater und bringen Sie mir einige Arien u. Musikalien von dem berühmten Cimaroso mit, ich will doch das Klavier nicht ganz vernachlässigen, und in Florenz sollen sehr viele Musikalien zu bekommen sein.
Nochmals tausend, tausend Glück auf die Reise, alle gute Geister seien mit Ihnen, o wie sehr freuen wir uns auf das glückliche, erfreuliche Wiedersehn! – wenn wir nur den Schwager schon blasen hörten!!! – Leben Sie wohl geliebtester Vater, gedenken Sie meiner, und haben lieb
Ihren gehorsamsten und Sie zärtlichst liebenden Sohn
Gottfried Herder.
Grüßen Sie Werner.
P. S.
Die Herrn Novelletto e Bombardini haben unterm 25sten März gemeldet, daß der Pack nach Neapel an Hackert, mit dem Capitain Jenking a Livorno abgegangen sei. – Auch ist Fritz Stein Hofjunker und Kammerassessor geworden.
[Weimar,] d. 3ten April. 1789.
Liebster Vater.
Nun wünsche ich Ihnen 1000 Glück auf ihre Rückreise und daß Sie gesund und wohl wieder zu uns kommen mögen, und wir wollen vom lieben Gott erbitten daß wir Sie, und Sie uns fröhlich und gesund finden. Der H. Geheimrat v. Goethe hat mir auch viele italienische Gewächse gegeben, und die sind auch aufgegangen. Leben Sie wohl, ich wünsche Ihnen noch viel tausend tausend Glück auf die Reise, und kommen Sie nur recht gesund und fröhlich wieder. Leben Sie nochmals wohl, u behalten Sie lieb.
Ihren gehorsamen Sohn August Herder.
Sagen Sie Wernern, wenn er spazieren oder aus geht, u er findet Samen, daß er mir ihn doch mit brächte, den d. Geheimrat Goethe sagte, dort röchen alle Blumen gut.
[Weimar,] den 3ten April 1789.
Lieber Vater
Dieses ist das letzte Briefchen von mir, daß Sie in Rom empfangen, daher wünsche ich Ihnen viel tausend tausend Glück, ud Freude, damit Sie gesund ud fröhlich wieder zu uns kommen. Da wird es eine rechte große Freude werden unter uns alle wen es heißt der Vater kömmt, ud der Postknecht, das Posthorn bläst, da werden wir alle gesprungen kommen, und wir Sie alle küssen, daß Sie wieder bei uns sind.
Leben Sie wohl ud behalten Sie lieb
Ihren gehorsamen Sohn Wilhelm Herder. 1789.
Weimar, 3. 4. 1789
Lieber Vater.
Ich freie mich recht sehr daß sie jetzt von Rom abreisen. Ich habe jetzt den Husten aber nur ein kleines bißgen, also kann ich auch nicht in die Schule gehn. Ich weiß weiter nicht was in der Stadt vor gegangen ist. Herr Schäfer laß sie recht sehr griesen. Ich wünsche sie 1000 1000, 1000, 1000 Glück zu ihrer abreise, und kommen sie so gern zu uns als wir sie lieb haben. Leben Sie wohl, ihr getreuer Sohn Adelbert
Herder.
den 3ten April. 1789.
Rom, den Sonnabend von dem Palms[onntag; 4. 4. 1789].
Hier ist der Br. von Heine, lieber Schatz, wäre auch nur sobald die Antwort darauf gegeben. Ich empfing ihn den 1. Apr. Abends, u. habe ihn, Deinem Willen gemäß, abgeschrieben; nun siehe ihn rein an, wie er Dir in meiner Handschrift vorkommt. Ich kann Dir bisher noch nichts, als die Geschichte meiner Empfindung schreiben; wollte Gott, daß ich auch so die Geschichte der Deinigen lesen könnte. O daß wir aus einander sind u. gerade auch bei diesem Vorfall aus einander sein müssen. Doch Alles ist gut, u. gewiß auch dieses.
Nichts schien mir im Anfange fremder u. insipider, als der Antrag; auf meiner Reise hatte ich an meine politisch-theol. Lage in Deutschland gar nicht gedacht, u. sie zu vergessen nicht nur gestrebt, sondern wirklich vergessen. Wie H[eynes] Br. kam, wollte ich ihn gar nicht eröffnen; ich tats indessen doch, u. vergaß den Inhalt ein Paar Tage mit Fleiß. Ich wollte Deinen 2ten Br. erwarten. Der ist nun heut angekommen, mit der Berlepsch Br., u. da hebt sich die Sache immer mehr aus der Meerestiefe meines Gemüts hervor. Ich kann aber noch nichts sagen, als was Du sagest: »ich ahnde fast, daß ein höheres Wesen uns ruft.« Weiter ists bei mir noch nicht gediehen, u. ich wollte, daß ich Dein Innres lesen könnte. Hier ist etwas von meinen Überlegungen, die mir allmählich aufsteigen, aber bei weitem noch kein Hauch oder Trieb sind.
Erstens denke ich: sollte es wohl umsonst sein, daß sich uns das G[öttingen] so oft u. jetzt so besonders aufdringt? Jetzt haben wir doch nichts gesucht, ich habe nicht dran gedacht u. wir haben so lang entgegengestrebet. Dagegen dachten wir an Kiel, u. zwischen beiden, wenn geändert werden muß, ist doch keine Vergleichung. Hier ist Schauplatz, u. dort ein Winkel in der Ecke unter halben eingebildeten Barbaren. Im Hannöverschen ist doch viel für uns gestimmt u. vorbereitet; das muß uns unser Herz sagen, wenn es auch nicht Heynens u. der Berl[epsch] Brief sagte; u. wo wäre das sonst in Deutschland? Man halte Berlin, Sachsen, selbst Holstein dagegen; es ist kein Vergleich der für uns zubereiteten Gemüter. Das Schicksal hat die Frucht, wie es scheint, reif werden lassen, u. wirft sie uns jetzt ungesucht, ja selbst mit Befremden aller, die da schütteln helfen, in den Schoß. Sollte es eine ganz böse Frucht sein? Das, dünkt mich, haben wir nicht verdienet, u. dazu bin ich gewiß, hat uns der Himmel zu lieb. Wenigstens haben wir uns keinen Vorwurf zu machen, daß wir unser Unglück uns errungen, ertrieben hätten. Ich bin in Italien geduldig wie ein schlummerndes Lamm oder Schaf gewesen, das weiß Gott.
II. Über W[eimar] wird mir schwer, etwas zu sagen, da ich bisher alle Gedanken polit[ischer] Beziehung verbannt habe. Die Herz., weißt Du, liebe ich am meisten; Du kennst aber Ihre unkräftige Güte. Der Herz. ist gut u. brav; was kann, was mag er aber für mich tun? Und überhaupt, wie müde ich des Zusammenhanges mit Fürsten u. Fürstinnen geworden bin, die immer unverständige Kinder bleiben, deren Unser Eines nicht lenken kann, mag ich Dir nicht sagen. Daß G[oethe] für uns wenig mehr sein kann, wird mir beinah einleuchtend; er ists im öffentlichen Bezuge nie gewesen. Die Damen gehen ihren Weg hin u. überhaupt ist ja für uns eigentlich keine Sphäre in W[eimar]. Wir sind einsam u. werden es mit jedem Jahr mehr werden. – Also verlieren wir wirklich weniger kräftige, uns völlig gleiche Freunde als wir meinen; u. an die politischen Werkzeuge, an das, was an der Weim. Staatswirtschaft ist u. je werden kann aus ihr, an Kinder pp mag ich nicht denken. Ich traue mir wohl zu, wieder anfangen zu können; aber anzufangen, wo ichs gelassen habe, um in W. begraben zu werden, scheint mir schwer. Und doch müßte ich dies nicht, wenn ich dies ausschlüge? Wird, kann mir je ein Antrag wieder so werden? – Und nachher in dem verbissenen Gram der Reue umherzugehn, ist eine schwere Aussicht, so wie es überhaupt fatal ist, in eine ausgeatmete politische Luft ohne einigen frischen Atem zurückzukehren. Viel besser, zu versuchen u. zu wandern. Einmal muß es doch noch gewandert sein; warum nicht jetzt, da es noch Zeit ist. Und wozu, kommt mir ein, hat der Himmel eben meine sonderbare Reise verhängt, als um mich abzuschütteln, abzustreifen u. zu einer neuen Situation zu gewöhnen? Zu nichts anderm. Und gerade kommts jetzt vor meiner Rückreise zu rechter Zeit, nicht früher, nicht später.
III. Über meine Situation in Gött. will ich Dir nächstens schreiben, was ich denke. Dies alle sieh für keine Conclusa an; u. ich will sie auch nicht dafür halten u. mich ja nicht übereilen. Für heute gnug. Sorge, liebster Schatz, für Deine Gesundheit: sie geht mir über Alles, u. Dein Husten quält mich in der Seele. Des armen Gottfr. Brief hat mich wehmütig gerührt; o könnt ich dem armen süßen Jungen meine Liebe u. innigste Teilnehmung bezeugen. Und Dir, liebe Ariadne, was kann ich Dir tun, sagen, sein u. geben? Das glaube mir gewiß, ich bringe mich Dir ganz, u. zwar siebenfach ganzer u. herzl. mit, als ich von Dir ging. Nur Du sei auch fröhlich u. werde gesund, u. verbanne die Teufelsgedanken, daß Du, für mich die höchste Wohltat Gottes, mich unglücklich gemacht habest. Das siehest Du doch wohl aus meiner ganzen Ital. Reise, wie ganz ich an Dir hange u. ohne Dich nichts bin. Auch sobald Dir Dein Geist etwas gegen G[öttingen] sagt, so hat es gewiß Gott gesagt, u. ich nehme sogleich einen andern Ausweg. Vor jetzt wollen wir uns nicht übereilen. An die Fr. v. Fr[ankenberg] schreibe ich heut nicht: schreibe ihr doch ein paar Reihen, daß ich wohl bin u. nächstens schreiben werde. Auch wollte ich wissen, was Sie bei dem G[öttinger] Antrage denke. Dein Br. an die Herz. hat ihr gar sehr gefallen; er ist auch, wie von einem Engel geschrieben. Lebe wohl, beste, liebe, u. sorge für Deine Gesundheit. Dich in Karlsb[ad] zu finden, war eben mein süßer, erster Gedanke. Nächstens davon mehr. Lebe wohl, liebe. Angelika, die zarte, treue, reine, feste Seele grüßet Dich als Schwester u. Freundin. Ich bin bei ihr fast alle Tage, wenns auch nur Augenblicke wäre; sie ist die einzige Seele für mich in Rom; seit ich sie kenne, vergesse ich aber auch leicht des andern vornehmern Trosses; u. die blöde, reine, heilige Künstlerin hat mich, ob ich gleich so ein Kunstloser Mensch bin, auch lieb, so daß ich Ihre Bekanntschaft u. Freundschaft recht für den Fund einer tiefverborgenen Perle rechne. Sage aber G[oethe] hierüber nichts, als gemeine Dinge; ich will nicht, daß er wisse, wie ich von ihr denke. Lebe wohl, Engel! lebt wohl, Ihr lieben Kinder! Gott helfe uns glücklich zusammen u. gebe uns, wo es sei, ein vergnügtes Leben. Lebt wohl.
Rom d. 4. April 1789.
An Herrn Geheimen Rat von Göthe.
Noch bin ich Ihnen meinen Dank schuldig, daß Sie mich so vortrefflichen Menschen wie Herder und Dalberg sind, empfehlen wollten. Unser Kurs würde vollkommen gut von statten gegangen sein, wenn nicht öftere Unpäßlichkeit der Dame in der Gesellschaft denselben unterbrochen hätte. Ich muß indessen auch dieser Dame alle gerechtigkeit widerfahren lassen, obwohl ihr Geschmack mehr für das Moderne als das antike zu sein scheint. Ihre Frage war öfters nach Ihnen, und sie schien nichts so sehnlich zu wünschen, als daß Sie noch möchten hier geblieben sein. Dalberg ist eine gute Seele; wie sehr verdiente er in einer bessern und robustern Hülle zu stecken! – In Herders Umgange lerne ich noch täglich, und sein offenes Gemüt gegen mich hat all mein Zutrauen gewonnen, ich könnte meine größten Sünden vor ihm bekennen. Auch korrigiert er mich und vielleicht ist seither mein Starrsinn etwas leidentlicher geworden.
Rom am Palmmittwoch [8. 4.] 89.
Du hast höchst recht gehabt, liebste Seele, daß mir jetzt Deine Gedanken u. Br., die mir jedesmal süß-tröstend u. erwünscht waren, noch erwünschter sind, da Sie die Reihe Deiner Empfindungen über die uns angebotene Veränderung auch unwillkürlich eröffnen, die ich von Stund zu Stund wissen möchte. Ich schrieb Dir neulich einige Überlegungen darüber, u. mußte abbrechen; seitdem ist mein Gemüt unmerkl. immer mehr für G[öttingen] gestimmt worden, ob ich gleich entschlossen bin, die heil. Woche noch ganz still u. ruhig in mich wirken zu lassen, bis sich mir mit Ostern auch die Auferstehung offenbaret. Je mehr ichs überlege, desto mehr kommt mir W[eimar] wie ein abgetragen Kleid vor; ich sehe es in der Entfernung anders, als wenn ich hinter der P[eters]Kirche säße. Was an unsrer Staatswirtschaft ist, weißt Du, u. was die guten, gnädigen Gesinnungen unserer Großen sein, zeigt dünkt mich das ganze Resultat unsres Lebens bis zum Strich meiner Reise; ja die ganze Gestalt meiner Reise selbst. Da wieder das Latus zu übertragen u. fortzusalbadern, wäre, dünkt mich, gegen den Wink der Vorsehung selbst, die mich so sonderbar losgemacht u. mit vieler Abstreifung in Umstände gesetzt hat, klar zu überlegen; was, wenn man im Gewühl sitzt, so schwer wird. Mich dünkt, wir müssen ein ander Leben anfangen, die Unabhängigkeit u. eine belohnende Arbeit der Gunst der Großen vorziehn, u. für uns u. unsre Kinder sorgen. Wären dies Mädchen, so wäre ihnen die Universität fatal; jetzt sinds Buben, denen sie vorteilhaft ist, wenn wir unser Auge auf ihnen behalten; an die künftige Sphäre der Versorgung nicht einmal zu gedenken. Jetzt bin ich noch jung gnug, und Italien hat mich wenigstens aufgeschüttelt, um einen frischen Lauf zu beginnen; nach 10. Jahren wäre es töricht. Jetzt da ich bald Sign. Herder, bald H[err] u. M[onsieu]r Herder, bald Monsignor u. Vostra Eccelenza heiße; ist mirs gleich viel, wie ich künftig genannt werde, u. der Name Konsist[orial]R[at] gefällt mir recht wohl. Auch daß ich nicht der erste in der Fakult[ät] bin, ist mir recht; ich will keinen beleidigen, indem ich ihm vorrücke: ich bleibe doch, wer ich bin, u. bin der Erste zu sein, vor der Hand müde: denn es führt mancherlei Nachteile bei sich. Eine Universität ist eine Republik; wir wollen u. werden unsern Geist dahin mitbringen u. nach unsrer Weise denken u. leben. Es kommt mir hübsch vor, Dich wieder Konsistor[ial]Rätin nennen zu hören, wie Du es in Bückeb[urg] warst, u. mich dünkt, mit Niedersachsen u. dem engern häuslichen Kreise rücken wir unsrer alten treuen Glückseligkeit wieder näher, die wir in der W[eimar]schen Hofsphäre so sehr vermißt haben. Mich dünkt, ich werde durch den öffentl. Vortrag in Wissenschaften tägl. vergnügter u. muntrer sein, als durch Beicht pp denn jeder lebendige Vortrag entwickelt mir neue Gedanken. Nach den Stunden (u. für mein Gehalt darf ich nur 4. lesen) bin ich mein eigner H[err] u. König: ich kann schreiben u. werde besser schreiben, als bisher, weil ich in einer lebend[igen] Welt des Gedankenhandels u. Ausdrucks lebe; auch die Bibl[iothek] ist wirklich als ein Kapital zu betrachten, von dem man für den Geist Interessen ziehen kann, u. das eine ganze Liste von Ausgaben unnötig macht. Selbst daß ich mich in ein neues Fach werfen muß, wird mir Trotz der anfängl. Beschwerde wohltun, u. auch dazu ist die Reise ein vorgängiges gutes Laxativ geworden. So denke ich bei mir; indessen alles geht zurück, wenn Dein Herz u. Dein guter heil. Geist nein sagt: ich ehre die Stimme über die Meine. Fodern müßten wir 2000. oder 1800 Tl. keinen Schilling minder, u. statt 40.100 L[ouis]dor Antrittskosten; auch ich den Doktor- u. Magisterhut vorher frei, daß er mir mit dem Ruf zugeschickt würde, u. ich darüber keine neue Ausgaben u. Hudelei hätte. Mich dünkt immer, Romae tibi propitius ero, ist auf diesen Antrag gegangen; es fängt sich damit eine neue Bahn des H[eiligen] Ignatius an, die wenn sie glücklich ist, mir mehr wert werden kann, als alles was ich in Rom gesehen habe, oder hätte ertrödeln können. Wer von W[eimar] mit uns will, kann uns nachziehn z. E. die Kalbin; sie würde nach ihrem Genius dort besser leben als in W.; doch wünsche ich auch dies nicht, ich will mit Dir u. den Meinigen frei sein, u. ihnen allein zugehören. Der Fr. v. Fr[ankenberg] bin ich fast eben so nah, als in W.; auch können wir uns zuweilen an Mittelörtern viel besser sehen. Ich schreibe heut an Sie darüber: denn sie hat schon darauf gewinket. Wir wollen die ganze Sache Gott zutrauend empfehlen, u. er wird uns keinen Irrweg nehmen lassen; das bin ich gewiß: meine ganze wunderbare Reise ist offenbar der Vorsehung Werk zum Abschütteln des Alten u. zum Aufschütteln zu einem neuen Werk. Bedenke, wie sonderbar ich überall aus innerm Triebe sans rime et sans raison Abschied genommen habe; darüber sich der alte Direktor, wie der fromme Simeon wunderte. Irre ich in diesem Allen nicht, so wird Dir, wie mir allmählich (denn so gehets mir) dieselbe Stimme der Vorsehung merklich werden: nie bin ich aufmerksamer auf jeden Wink Deiner Br. als jetzt: denn ich bin gewiß, es ist Ein Geist, der in Dir u. mir wirket.
Als ich Heinens Br. ein paar Tage mit mir getragen hatte, konnte ich bei mir selbst nicht anders, als ihn der verständigen, frommen u. sanften Angelika zeigen. Sie war völlig zweifelhaft darüber u. stimmte eher auf Nein! – Ich ließ sie nachher den Br. der Berlepsch lesen, (es war am Palmsonntage) u. sie sagte außerordentl. furchtsam u. bedächtig, wie sie in allem ist: sie habe ihn 2mal durchlesen u. den Inhalt von allen Seiten erwogen: es schiene ihr wirklich, auch selbst wider unsern Willen, ein Ja zu werden. Es sei ein zu sonderbares Zusammentreffen der Umstände, u. wirklich ein Wink u. Schritt der Vorsehung dabei; wobei sie denn sehr bescheiden u. sehr verständig geredet hat. – Überhaupt, liebes Weib, ist diese Frau eine wahre Perle der Freundschaft u. Unschuld, die ich noch zu guter letzt gefunden habe, u. immer aufbewahren werde. Sie ist wie ein geläutertes Gold, zart wie eine in sich zurückgescheuchte Taube, die aber in einer eignen, großen u. fröhlichen Welt, die in ihr ist, lebet; u. dabei die Moralität, Frömmigkeit, Sittsamkeit, Reinheit u. Unschuld selbst. Ich ließ Sie neulich an eben dem Palmsonntage, da wir in einer Ecke der Gesellschaft über G[öttingen] sprachen, die Stelle Deines Br., die von ihr handelt, lesen; sie brach auf einmal in Tränen aus u. war so bewegt, daß sie sich lange nicht fassen konnte. Sie hat Dich wie einen Engel, ja ich möchte sagen, wie eine Göttin lieb u. sagte neulich so nach ihrer stillen Weise, daß sie doch wenigstens bei uns zu sterben wünschte, da sie nicht mit uns leben könne: Dich kennen lernen müsse sie wenigstens gewiß, wenn sie nicht bald stürbe. Ich suche dies Alles unterzutauchen u. zu besänftigen; aber ich glaube gewiß, wir haben an dem Engel einen trefflichen, treuen Seelenschatz unsres Lebens. Leider, daß sie in Rom, dem verwünschten Rom lebet, u. noch so manches andre Leider! – Sie will Dir in der ersten Muße (denn sie ist sehr überhäuft,) ihr Bild malen; das Meinige kopiert Reifenst[ein], u. sie behält das Original: es war ihr nicht recht, daß er sich dazu anbot. Sie ist eine heilige Seele. – Lebe wohl, süßer Engel, ich werde Dir jetzt alle Posttage schreiben; o daß Du es auch tätest. Glaube gewiß, gute Geister wachen über uns u. sind mit unserm Schicksal im Spiele. Es interessieren sich zuviel gute Menschen um uns. Grüße die Kinder; es ist heute im Vatikan Fest u. ich kann heut nicht an sie schreiben. Auch ist mir nicht so recht, weil wieder der Sirocc eintritt. Das hiesige Klima ist nicht für mich; ich bin ein Nordliches Wesen. Lebe wohl, liebe treue Seele, u. habe guten Mut. Gott wird uns helfen.
An G[oethe] sage doch nichts spezielles von dem, was ich über Angelika schreibe; hat Er doch kaum den Mund über sie geöffnet. Für den Taßo danke ihm, schreibe aber nicht mehr ab u. sorge für Deine Gesundheit. Karlsb[ad] ist ein treffl. Gedanke. O wären wir alle schon beieinander. Von Tag zu Tage, wenn ich an G[öttingen] denke, ist mir ruhiger u. wohler zu Mut. Nochmals einen Kuß, meine Liebe, küsse die Kinder. Sorge doch liebes Herz für Deine Gesundheit u. nimm sie nicht zu leicht. Du bist ja mein Alles auf der Erde.
W[eimar,] den 10. April 1789.
In der Hoffnung daß Du die Rückreise zu Deinen Treuen glücklich angetreten hast, sende ich Dir mein EinzigBester diese wenigen Zeilen die Dich in Florenz bewillkommen sollen.
Gott gebe Dir Freude u. Glück wo Dein lieber Fuß hintritt, u. gebe Dir nun einen reinen ungestörten Genuß zu dem was Du noch in dem schönen Lande zu sehen hast. Nehme ja alles merkwürdige mit u. versäume nichts durch eilen; die Wochen Tage u. Monate werden nur zu schnell verschwinden da Du wieder in Norden sein wirst. Venedig wirst Du doch ja nicht vorbei gehn.
Mit Freude kann ich Dir auch sagen daß es mit meiner Gesundheit völlig gut gehet. Mein Husten ist weg; meine Lebens-Geister sind wieder gestärkt u. ich bin sehr wohl. Die Rhabarb. u. China haben mich hergestellt u. die Frühlingsluft die ich im Garten einatme, ich habe wieder Mut zum Leben bekommen u. empfinde weder Krankheit noch Schwäche. Carlsbad ist also auf einmal ausgestrichen; ich u. Gottfried sind wohl; auch nährt uns die Gesundheits Chocolade so gut daß wir anfangen dicke Bäuche zu bekommen. Es tut mir herzlich leid daß ich Dir in einigen meiner Briefe so angelegentlich von Carlsbad gesprochen habe. Denn jetzt ist es gänzlich unnötig, u. die Reise würde mich auf mehr als eine Weise drücken u. genieren. Auch sind HauptGründe dagegen. Erstl. das liebe Geld, u. dann kommt Deine Schwester gerade zu der Zeit; ich bin also unentbehrlich zu Hause, u. werde sie so empfangen daß Du u. sie zufrieden sein wird; sie ist ja meine Schwester da sie die Deinige ist; es soll an nichts fehlen. Sei also ruhig auch über mich u. meine Gesundheit. Ich bin in diesen 8 Tagen sonderbar gestärkt worden u. fühle nichts mehr von der innern Klein[mut,] die mich sehr drückte. Alles ist wie weggewischt. Den letzten trüben Abend da ich zu Bette ging schlug ich auf: »Sei getrost u. unverzagt, ich will dich nicht verlassen [noch] von dir weichen. Laß dir nicht grauen u. ent[setze] dich nicht, denn der Herr dein Gott ist mit dir [bei] allem das du tun wirst. Ja ich rief dich bei deinem Namen u. nennte dich da du mich noch nicht kanntest.«
Seit diesem himmlischen Zuruf bin ich sonderbar heiter; es dünkt mich daß diese Worte besonders Dich angehn – u. ich denke jetzt nicht mehr mit Sorgen sondern mit Hoffnung an Dich. Deinen letzten Brief vom 21. März habe ich vorigen Montag erhalten, u. ich danke Dir herzlich dafür. Aus Vorsorge, wenn Du noch in Rom sein könntest, habe ich Dir heute nochmals dahin geschrieben, aber zugleich Einsiedel bitten lassen Dir den Brief nachzusenden, wenn Du abgereist wärest. Ich fürchte immer daß Du mir die Adressen zu spät schickest u. Dich meine Briefe an den Orten nicht mehr treffen werden. Aus Deinen nächsten Briefen werde ichs sehen. Frage indessen immer auf den Posten nach in Bologna, Ferrara, Venedig, u. Trient; u. mache Bestellung daß Dir der Brief, falls Du ihn nicht vorfändest nachgesandt werde, ich will nicht bestimmt sagen daß ich Dir an jedes dieser Orte schreiben will; Deine nächsten Briefe werdens entscheiden ob ich Dir notwendig antworten muß.
Mich freuets nur, daß ich der Reise nach Carlsbad, die einige Woche mir wie ein Traum vorschwebte, entledigt bin. Nötige mich auch nicht dazu, mein Engel; es wäre Sünde u. Verschwendung die mich hernach doch peinigen u. gar krank machen könnte. Brauche Du das Carlsbad mit Segen u. Freude u. kehre neugebadet zu den Deinigen zurück. O könnten wir Dir ein glückliches Leben bereiten! Lebe wohl Du Guter. Die Kinder küssen Dich tausendmal. Sie sind alle wohl u. heiter u. sind im Garten. Der Schnee ist endlich weg u. es ist warmes Wetter. Zinserling ist völlig wohl u. predigt wieder.
Lebe wohl wohl zu Tausendmalen. Ein guter glücklicher Genius begleite Dich Schritt vor Schritt zu uns!
C. H.
W[eimar,] den 10. April 1789.
Mein EinzigGuter. ich habe Dir in meinem letzten Brief vor 8 Tagen vergessen zu sagen, daß ich nun den nächsten Brief nach Florenz poste restante adressieren will. Ein solcher ist nun Heute dahin abgegangen à Mons. Herder Surint. Gener. des Egl. du Duché de Saxe Weimar. Ich benachrichtige Dich hierüber, falls Du durch ein Hindernis noch in Rom aufgehalten würdest. Zugleich melde ich Dir mit Vergnügen daß es mit meiner Gesundheit wieder so gut gehet daß ich nicht mehr huste. Rhabarb. Pillen u. China haben mich völlig hergestellt. Die Paar Tage heitres Frühling Wetter hat auch dazu beigetragen. Mein innres Leben ist wieder aufs neue gestärkt; u. den Gedanken des Carlsbades habe ich völlig fallen lassen; u. das aus drei guten Ursachen. Erstl. ist es nicht mehr nötig; ich u. Gottfr. sind völlig hergestellt. Es war bei mir auch viel Hypochondrie die durch Unruhe u. Gedanken erregt worden war, aber nun völlig getilgt ist. 2tens wollen wir das liebe Geld sparen, welches höchst notwendig ist; u. 3tens kommt Deine Schwester entweder im Mai oder Juni; u. es wäre für sie kränkend wenn ich gleich verreisen oder gar nicht da sein würde. Brauche Du also in Gottes Namen das Carlsbad allein u. eile dann zu uns!
Deinen lieben Br. vom 21. März habe ich vorigen Montag erhalten nebst Inlage an Fr. v. Fr[ankenberg]. Es wundert mich, daß Du Deine Abreise noch nicht bestimmt hast. Deine lieben Stanzen habe ich den Palmsonntag nachmittag gelesen ach laß mich kein Wort darüber sagen Du EinzigGutes Treues Herz – jedes Wort geht mir durch die Seele u. ich darf sie nicht oft lesen. O wir wollen dem guten Gott vertrauen, er weiß durch das Bittre uns zu stärken u. zu erquicken.
Ich habe die Stanzen der Fr. v. Fr. geschickt u. sie haben ihr auch das Herz zerrissen. Die [kleinen] Gedichte will sie mir nächstens schicken.
[ . . . ]
Vorgestern träumte mir, ich besuchte Dich in Neapel; die Herzogin war sehr gnädig gegen mich, Du selbst stundest am Fenster kamst aber nicht zu mir, da ging ich zu Dir u. reichte Dir die Hand u. Du gabst mir die Deinige. Nun wollte ich gern das Meer u. den schönen Himmel sehen den ich durch die Häuser sonderbar blaugolden glänzend ein wenig erblickte ich wurde immer begieriger darauf, denn so etwas hatte ich noch nie gesehen, Ihr zögertet aber u. ich erwachte.
Wenn Du nicht mehr in Rom bist, so wird Dir Einsiedel diesen Brief nachsenden.
Gottes Engel begleiten u. behüten Dich Du Einzig guter Lieber. Die Kinder küssen Dich zu tausendmal; sie sind spazieren bei dem schönen Wetter. O möge Dein Gemüt u. Dein Geist heiter u. glücklich sein.
Gott mit Dir Du unser Alles!
C. H.
Weimar, 10. 4. 1789 [?]
Liebster Vater.
Ich danke Ihnen tausendmal für ihren lieben goldnen Brief, und suche ihre so schöne Beschreibung von Tibur und den Villen der alten Helden, Philosophen und Dichter. O könnte ich doch Ihnen auch was angenehmes, was erfreuendes schreiben! nichts weiß ich zu schreiben, als daß ich Sie liebe und immer lieber bekomme, wenn wir einen Brief von Ihnen bekommen, und daß ich alles tue was Sie, liebster Vater nur haben wollen, daß immer meine Gedanken um sie schweben, und mein Herz voll Dank und Gehorsam immer bei Ihnen ist. Haben Sie mich lieb und denken Sie auch oft an mich. Nächstens werde ich ihnen die Übersetzungen von den beiden Oden des Horaz schicken, und mehr schreiben als heut. Ich freue mich daß es Ihnen wohl gehet und Sie jetzt alles ruhiger sehen können. Schreiben Sie uns nur gleich wenn Sie die Bibliothek des Vaticans gesehen haben, die Sie doch bald sehen werden, und erzählen Sie uns recht viel davon. Leben Sie wohl liebster, bester Vater, und haben Sie lieb
Ihren gehorsamsten und Sie zär[t]lichst liebenden Sohn
Gottfried Herder.
[Rom,] Am stillen Sonnabende [11. 4.] 89.
Eben kommt Dein lieber Br., holde gute Seele, auf den ich wie auf Engel gewartet habe zum morgenden Ostertage; und siehe da, er durchbohrt mir das Herz, daß ich Dich, gutes liebes Gemüt, mit Etwas beleidigt habe. Ich weiß wahrlich nicht womit? denn was ich dir über G[oethe] schrieb (ich erinnere es mich eigentlich nicht) war doch im mindesten für Dich kein Vorwurf, vielweniger daß es Deine liebe Seele bitter kränken sollte. Gott weiß, daß es mit keinem Gedanken böse gemeint war; u. wenn ich was wollte, wars, Dir meinen Gesichtspunkt über diese Dinge mitzuteilen, u. Dein Herzensgutes, rasches Gemüt zu dem meinigen zu lenken. Es kränkt mich also, daß Du meine Worte so hart gegen Dich aufgenommen hast; lies den Br. nochmals über, u. Du wirst ihn gewiß gelinder finden. Wie in der Welt habe ich Deine gute Meinung verkennen können, daß Du mir die Szenen aus Taßo abgeschrieben hast, mich damit zu erfreuen? Die Absicht ist doch wahrlich unverkennbar, u. wenn ich etwas dagegen hatte, wars, daß Du Deine herzlichen lieben Augen u. Dein Gemüt anstrengtest. Verzeihe mir also, beste Seele, nur noch jetzt zum letztenmal; ich will auch jetzt, da Du mit Recht sagst, daß die Entfernung alle Worte hart u. schwer macht, sie mehr auf die Waage der Vernunft legen; denn auf der Waage der Wahrheit u. Liebe gegen Dich haben sie immer gelegen. O Gott, was hilft es uns, daß wir einander kränken; laß uns doch, wie gute Kinder u. herzl. Eheleute an einander treu u. fest glauben, u. alles mit Liebe annehmen. Gott im Himmel weiß, was ich darum gäbe, wenn ich Deinem lieben Gemüt den einzigen Stachel entnehmen könnte, der jedes meiner Worte so ernst aufnimmt. Liebster Engel, Du kennest mich ja, u. weißt, wie treu u. ganz ichs mit Dir meine, daß ich Dir alle mein Glück verdanke, u. diesen Dank, das weiß Gott, ewig im Herzen fühle. Ich habe ja auch darin in Dir ein seltnes u. auf der Erde vielleicht einziges Glück, daß ich Dir alles was ich denke, u. wie ichs denke, als einem Mann u. meinem Freunde sagen kann: Du bist ja mein bester u. in alle diesem Einziger Freund auf der Erde, bists so lange gewesen, u. ich habe Dir nichts umwickeln, oder verbergen dörfen u. können; wie ists möglich, daß die Entfernung uns etwas von dieser Herzensoffenheit nehme? Aber Du hast Recht; ich sollte nicht so scharf urteilen, u. ich wills lieber gar nicht mehr tun. Eben da ich heut die Br. zusammengepackt habe, habe ich so viel wahre Erweise von G[oethes] männlicher Treue, Freundschaft u. Liebe gegen mich gefunden; daran will ich mich halten; was geht mich übrigens seine Privatvorstellung an. Ich habe gnug an mir selbst zu richten, daß ich nicht gerichtet werde. – Also heitre Dich auf, liebes Herz; alle meine folgenden Br. werden Dir gesagt haben, wie unverrückt ich bei u. mit Deiner Seele wohne. O Gott, wie dauert es mich, wie Du den Winter durchlebt hast. Auch daran bin ich Schuld; indessen er ist vorüber u. fröhlichere Zeiten, Zeiten der Jugend u. ersten Liebe, erwarten uns nach dieser langen, sinnlosen Trennung. Das weiß ich u. hoffe es vom Himmel, ja ich sehe die Erfüllung selbst in dem Schicksal, das er uns vorbereitet. Nur noch einige Schritte der Mühe laß uns tun, liebes Herz, u. sie nicht achten; das einzige Gut, wozu ich aus Italien zurückkehre, ist mit Dir u. in Dir u. mit den Meinigen, vernünftig u. freundlich zu leben. Zehntausend andre Dinge habe ich abgestreift; Buhlereien u. was sonst zum öden Tande der Welt gehöret, Hofgunst u. f., selbst manchen Quark schöner W[issenschaften] u. K[ünste]. – Mein Zweck ist für uns u. die unsrigen zu leben, u. die Vorsehung scheint mir wirklich entgegenzukommen, mit der neuen Sphäre, die sie mir anweist. Ich schreibe das letzte nicht als Entschluß, ich muß erst Deine Meinung hören, holde Liebe, sondern als Traum u. Ahndung. Gebe Gott, daß es ein glücklicher, guter Traum sei. Gräme Dich also nicht, arme Verlassene; u. am meisten gräme Dich um das Geld nicht. Ich habe Geldes gnug, u. habe auf meiner Reise wenigstens Kleider erbeutet, wie jene Israeliten in Aegypten. Anhänglichkeiten lasse ich in Italien nicht nach: der guten Angelika Feundschaft, (sie grüßet Dich schwesterlich u. herzlich) achte ich für einen wahren Gewinn des Lebens u. sie wird mir, als ein reines u. geistiges Gut, auch über die Alpen folgen. Wenn ich von hier weggehe, weiß ich noch nicht: Deine Br. nach Florenz wirst Du am besten a la poste restante bezeichnen: denn ich habe noch keine nähere Adresse. Sodann findet es sich schon weiter. In 14. Tagen hoffe ich gewiß von hier wegzusein, u. will, sowohl mit der Campagna als sonst, eilen was ich kann; gewisses kann man nichts sagen, weil alles vom Wetter abhängt. Indessen genieße Du den Frühling mit unsern Kindern fröhlich u. in Hoffnung; genieße ihn auch für mich u. in meine Seele: denn ich werde ihn wahrscheinlich in W[eimar] nicht mehr durchleben; ich habe lange gnug wie ein armer Einsiedler das Tal längst der Ilm durchwandert. Durchwandre Du es jetzt noch zu guter letzt; mein Geist wird Dir manchmal darin, freundlich u. Liebevoll erscheinen. Denke daran, wo wir bisweilen saßen,
<größerer Textverlust>
allmählich zum Abzuge; so wird uns nachher das Scheiden desto leichter. Wunderbar, daß ich Alles vor meiner Abreise so angesehen u. vorläufig abgemacht habe, als wenn ich nicht wiederkommen sollte. Allmählich geht mir jetzt der ganze Traum meiner Reise, der mir bisher immer als eine Art Sinnlosigkeit vorkam, auf, u. ich sehe, das Schicksal gängelt uns als Kinder u. präperiert uns zu andern Klassen u. Stationen. O daß ich schon Einige De<iner Briefe> über diesen Punkt hätte; ich sehne mich darnach, wie nach Boten Gottes, wie nach Herolden einer himmlischen Stimme, die Dir sprechen wird, wie mir. Lebewohl u. küsse die Kinder. Und sei fröhlich, liebes Herz, Du Seele meiner Seele; ich küsse Dir demütig u. abbittend Deine treuen Knie, die ich in Deinen Geburtsschmerzen hielt u. so oft mit Freude u. Liebe umfaßte. Lebe wohl, liebe reine u. treue Seele. Dein unwürdiger
H.
P. S. Grave ist hier; er ist zu der Musik der H[eiligen] Woche, die, wie bekannt, in Rom einzig ist, hier angekommen u. wird wahrscheinlich mit nach Napel reisen. Er logiert nicht bei uns, u. ich bin gewiß, daß die Herz. sich mit ihm so <Textverlust> daß seine Ankunft, eines Sängers, wie es <Textverlust> Folgen sein <Textverlust>
W[eimar,] d. 13. April 1789.
Mein Lieber Einziger, ich habe gestern Abend Deinen lieben Brief vom 28. März erhalten, u. er hat mich sehr erquickt u. gestärkt, besonders Dein Gefühl über den Ruf nach G[öttingen] – wie es auch kommen mag; ich ruhe nur in Deinem Willen; wenn u. wo Dir wohl ist, da ist mir auch wohl.
Deine Abreise scheint sich noch zu verzögern indem Du mir in den 2 letzten Briefen nichts bestimmtes davon schreibst. Verzeihe meine Voreiligkeit, daß ich schon nach Florenz adressiert habe. Es steht nichts im Brief das Dir zu wissen notwendig sei, u. er kann Dich dort erwarten. Wie gerne gönnte ich Dir noch einige Wochen Balsamische Luft in Neapel – übereile Dich nicht zu uns liebes Herz u. laß Dir wohl sein, wo es Dein Gemüt u. ganzes Wesen bedarf. O wie danke ich Gott daß er Dir die treffliche Angelica gezeigt u. gegeben hat. Ja ich gönne Dir, Du mein EinzigGuter, dieses reine schöne Glück, u. ich teile es mit Dir so inniglich treu, wie Du mich ja kennest. Alles was Du mir von ihr schreibst ist mir teuer u. heilig. Sage ihr wie ich sie liebe [u.] wahrhaft verEhre. Genieße des zarten Glückes, sie zu kennen – wie jammert mich jetzt die Kürze Deines Dortseins! ach was können wir Dir hier geben! – doch davon jetzt nichts.
Es wird Dir nicht unangenehm sein daß ich Dir selbst Nachricht von der Niederkunft unsrer guten Herzogin gebe. Sie ist diese Nacht um ein uhr durch Starke von einem toten Prinzen der noch einige Lebenszeichen von sich gegeben, entbunden worden. Sie soll viel ausgestanden haben; doch befindet sie sich wohl, ist aber, wie mir die Stein schreibt, über diese fehlgeschlagne Hoffnung sehr betrübt. [ . . . ] Der Herzog ist in Aschersleben gewesen, u. diesen Mittag um 1 uhr eingetroffen.
Wir hatten schönes Wetter bis gestern Mittag, da ein heftiger Regen, u. heute Regen mit Schnee kam, als ob der Himmel mittrauerte.
Bei solchen Vorfällen muß man, wie die Griechen, an das unvermeidliche Schicksal, dem Jupiter selbst unterworfen war, glauben, u. den Schmerz im Stillen tragen; u. doch kann ich nicht umhin zu sagen – o warum hat sie mich nicht auch zu sich gerufen!
Rom, 14. 4. 1789
Viro Eminentissimo, Stephano Borgia S[alutem] P[lurimam]
Benigne ac humaniter, Vir Eminentissime, Serenissimae Ducissae Saxo-Wimariensi nuper promisisti, illi, dum adhuc es in Propaganda Tua, monstrare velle res instituti huius, cuius Praesul meritissimus fuisti, adspectu et memoratu dignas. Si cras, i. e. die Mercurii ante meridiem Tibi horula superesset ab negotiis vacua, pergratum foret Ducissae nostrae, Te salutandi ductumque Tuum in hac Propaganda, quae haereticis nobis etiam instituta est, sequi. Si Tibi convenit, vir eminentissime et humanissime, verbulo tantum unico notam mihi facias horam, qua Te adeamus; simulque indulgentissime excuses, Tecum me scripto loqui, cum meum esset, Te de persona salutare. Ast praesentia mea intempestiva turbam Te nunc salutantium interpellere nolui, cum certus sim, Te de mea in Te observantia, quae ita summa est, ut nec mitra extollere, nec cauda purpurata elongare eam potuerit, minime dubitare. Vale, optime vir, mihique cultori Tuo observantissimo fave. XIV. April.
Herder.
Rom, den Tag nach Ostern [15. 4. 1789].
Dein gestriger Br., lieber Engel, vom 27. März hat mich sehr bestürzt u. bekümmert; denn Teils was Du von Deiner Krankheit sagst, Teils Deine Hand u. der abgebrochene Ton Deines Briefes machen mir Furcht, Du habest etwas verschwiegen. O liebe Seele, sorge doch vor Dich recht ernstlich, u. sei fröhlich u. gutes Mutes wegen der Zukunft. Die wenigen Monate, da ich zu Dir komme, gehn ja wie ein Traum vorüber; auch die Mühe, die Dir unser Abziehen u. dortiges Einrichten macht, fodern Deine Gesundheit. Nimm Dich doch mit Ruhe u. Hoffnung zusammen: ich bin gewiß u. überzeugt, Gott wird für uns Alles zum Besten wenden. In der Nacht vom Montag auf den Dienstag, d. i. auf gestern sahe ich u. hörte Dich im Traum bitterlich weinen; ich schriebs dem letztempfangenen Briefe von Dir zu, daß der einen solchen Eindruck in mir zurückgelassen u., wie bei mir gewöhnlich, in der 3ten Nacht sich durch Bild u. Sprache zeige. Ich glaube es auch noch, u. hoffe es von unserm Gott, er werde uns auch die letzten Schritte zu einander gesund u. glücklich überstehen helfen, daß wir uns einander freudig u. munter wiederfinden, um uns nie mehr von einander zu trennen, in diesem u. jenem Leben. Denn alle Trennung auf die Länge tut doch nicht gut: man muß auch die Bürden des Lebens gemeinschaftlich u. fest an einander tragen u. aushalten; welches wir denn auch tun wollen, u. ich kann mich nicht irren, die folgende Zeit, wenn wir einige Schritte getan haben, muß eine gute Zeit für uns werden. Wir sind jetzt beide geheilet, u. Gott wird uns die Gnade geben, fürjetzt u. künftig uns zu leben u. nicht andern. O daß ich schon einen Br. von Dir hätte, was ich in Gött[ingen] fordern soll, u. wenn wir uns in Carlsb[ad] antreffen wollen; im ersten Punkt schwanke ich zwischen 1800. u. 2000. Tl. (Du wirst meinen Br. über das Andre, was ich noch dazutun will, nämlich 100. L[ouis]dor Antrittskosten u. die freie Doktorprom[otion] erhalten u. gewiß schon beantwortet haben:) vom 2ten Punkt, wenn wir uns antreffen wollen, hängt die Direktion meiner Reise ab; ich wollte, daß ich auch darüber schon etwas wüßte. Übrigens habe ich nicht Lust, mich in W[eimar] lange zu verweilen. Bringe in Ordnung, was Du kannst, so komme ich als ein Fremder dahin u. kann als ein Fremder von dannen ziehen. Auch wollte ich, daß mit G[öttingen] von jener Seite alles abgemacht würde, so lange ich auf der Reise bin; das denn notwendig zuerst abgemacht sein muß, damit wir dort von dieser Seite keine Trödelei haben, u. ich vielleicht schon mit Michael frisch anfangen kann. Der Winter wird unter dieser neuen Arbeit, wie ein Traum vergehn u. ich habe von ihr eine gute Vorahndung. An nichts fehlt es mir, als am Zustimmen Deiner Seele, an Deinen Briefen, die die Wegweiserinnen meines Lebens sind, wie Deine holde u. treue Stimme es immer sein wird.
Die gute Volgst[ädt] ist also von hinnen. Ich war u. bin äußerst betroffen, u. schäme mich, daß ich die gute Seele so wenig gegrüßt habe. Grüße die Schwester, u. tröste sie, wie Du kannst, auch von mir. Sie ist mir nicht erschienen, die Abgeschiedene, die an uns wirklich so viel Teil nahm; tue sie es, wenn sie mir ein gutes Wort von Dir zu sagen hat; ich will sie gleich darum fragen, u. ihr meinen Dank für ihre Liebe aufs herzlichste sagen. Ihr Abschied ist mir, wie so manches andre, ein Zeichen, daß uns das Schicksal von W. ruft; unter welche Zeichen auch das neue Avancement gehöret. Ich fühlte so ganz in dem Augenblick, daß ich nicht mehr unter der Zahl dieser Männer stehe, u. so begegnen mir von allen Seiten Winke. Glaube, lieber Engel, das Schicksal meint es wohl mit uns; es faßt mich ordentlich ein innerer Schauer, wenn ich so manches Fügen hie u. da betrachte, u. mich wie im Gespinst höherer guter Wesen fühle. Sie sind klüger als wir; offenbar; wir wollen gegen sie u. gegen uns treu handeln.
Die gute Angelika grüßt Dich herzlich. Sie hat mir am 1ten Ostertage den Ring für Dich geschickt, mit dem ich siegle; ich soll ihn nur diesseit der Alpen als mein ansehn u. Dir ihn sodann von ihr schwesterlich geben. Niemand weiß von dem frommen Geschenk als sie u. Reifenstein, der ihn bestellt hat. Er legt das Symbol, (das wahre Kennzeichen ihrer reinen, verschwiegnen u. zarten Seele) auf seine Art so aus, daß Freundschaft u. Liebe, wie er sagt, die Nahrung der Seele sein; ihr Sinn ist aber wohl der, daß ihr Seelchen, als ein Schmetterling auf dem Myrtenkranz, auf unserm Bande der Freundschaft u. Liebe ruhe, u. auch abwesend unter uns schwebe. Sage niemande davon etwas; nimm aber das liebe, gute Andenken wohl auf; eine zartere, reinere Seele gibts schwerlich auf Erden: sie hat als ein frommes Opferlamm ihrer Kunst von frühester Jugend in der wunderbarsten Geschäftigkeit gelebt u. lebt (jetzt nahe dem 50. Jahr wie ich glaube) noch so. Sie hat eine herzl. Liebe zu mir gefaßt, u. ich liebe u. verehre sie ordentlich wie eine Heilige. Glaube indessen nicht, Herzensweib, daß mich die Freundschaft zu ihr nur einen Tag länger in Rom halten werde, als recht ist; sie würde selbst die erste sein, die mir die Reise anriete, wenn sie mich müßig sähe: denn sie hat bei aller ihrer Zartheit einen sehr klaren Sinn, der sie in Allem leitet u. eine sehr männliche Seele. Auch ich nehme mich selbst vor aller zu großen Teilnehmung in Acht, u. sehe die ganze sonderbare Fügung dieser Freundschaft nur als einen Keim für die Zukunft an, Trotz aller Entfernung, u. als einen Lohn meiner Reise für so lange leere u. öde Zeiten. Nimm sie auch so an, liebe Seele, ihr Dasein weckt endlich auch die späte Klugheit in mir auf, für mich u. Dich u. die Meinigen still u. fleißig zu leben, oder vielmehr ich werde auch durch sie darin bestärkt, da mich alles dazu aufzufodern scheinet. – Lebe wohl, Herzensseele, u. küsse die Kinder. O daß Dich, treue Liebe, dieser Br. gesund u. fröhlich anträfe, u. den Gottfried auch u. so die ganze Herde. Lebewohl, Herz; lebewohl Gottfried, Aug., Wilh., Adelb., Luischen u. Emil; bald sehe ich Euch, bald sehet Ihr Euren Vater. Gott befohlen. Grüßt Alles; die Uhr schlägt, ich muß mich anziehen u. mit der Herzogin in die Propaganda. Lebewohl, treues Herz u. behalte mich lieb, wie ich Dich liebe; u. sei gesund, gu<t> u. fröhlich, fröhlich in Hoffnung.
H.
W[eimar,] d. 17. April 1789.
Ob ich gleich vorigen Posttag geschrieben habe, lieber Engel, so muß ich doch heute wieder schreiben; ich bin gestern Nachmittag bei der Herzogin gewesen; unser einziger Trost ist daß sie selbst sehr wohl ist. ich habe aber eine wehmütige Stunde bei ihr gehabt; so innig tieftraurig habe ich sie noch nie gesehn. Wenn ich an sie denke möchte ich um sie weinen. Sie hat mir mit einer Herzlichkeit aufgetragen Dir für Deinen guten Brief zu danken; sie habe Dir noch antworten wollen; ich soll Dir Alles erzählen – Du habest ihr geschrieben »sie solle glauben daß der liebe Gott sie lieb habe – jetzt könntest Du sehen, obs so sei?
[ . . . ] Sie erschien mir gestern wie ein höheres überirdisches Wesen. Aber bitter beklagt sie ihr Schicksal, das soll ich Dir sagen – u. ob es nicht ein äußerst hartes Schicksal sei? ich sagte ihr, der l. Gott sei doch gütig gegen uns daß er bei diesen 2 Gefahren uns nur die kleinste zugeschickt hätte; nein, antwortete sie, die große ist geschehen, die kleinre nicht; es wäre besser ich wär im Blutsturz geblieben damit der Herzog eine andre Frau heuraten könnte. Dies sind wie Du siehst, augenblicklich schmerzhafte Empfindungen die Gott u. die Zeit mildern werden. Ich habe ihr klar u. deutlich bewiesen daß ja keine Prinzen notwendig da sein müssen. Ja wenn man das schlimmste annähme, daß der Erbprinz nicht leben bleibt (wie es doch eben nicht wahrscheinl. ist) so stört es ja ihr u. des Herzogs Glück nicht – es ist ja nur immer ein patriotischer Wunsch fürs Land. Und wenn sie beide tot sind was liegt ihnen im Grabe daran, wer nach ihnen regiert.
O schreibe ihr doch ein gutes trostvolles Wort. [ . . . ] Ich suchte Balsam hervor wo ich wußte, aber sie ist sehr tief verwundet. Das Einzige kann ich mir selbst nicht verzeihen daß ich diesmal nicht hinaufgegangen bin, ohngerufen. Der Erbpr[inz] kam tot u. dies Kind kam lebendig – u. ich weiß, daß durch meine unermüdete Anhaltsamkeit der Erbp. zum Leben kam, da schon die Umstehenden anfingen zu verzweifeln. Das ist nun einmal Schicksal u. nun vorüber. Der Herzog beträgt sich sehr gut gegen sie, das sagte sie selbst.
Sie will mich bald wieder zu sich rufen lassen, u. das soll mich freuen – ich kann Dir nicht genug sagen wie herzlich sie von Dir sprach – es war als ob Du allein sie verstündest u. alles erklären könntest – noch nie habe ich sie so weinen sehen wenn ich daran denke so muß ich weinen. Gewiß sie ist die Krone u. das Edelste von dem was wir kennen, u. ich fühle recht wie ihr Gemüt im Leiden uns nahe ist u. uns liebt.
O wie oft habe ich gewünscht daß Du jetzt hier wärest!
Meinen Brief vom Charfreitag wirst Du erhalten haben. Meine Gesundheit ist sehr gut. Husten u. Hypochondrie ist alles weg. Gottfr. ist sehr wohl, er nimmt zu u. die Leute sagen ich werde auch stärker.
Was Du mir also auch auf meine Wünsche wegen dem Carlsb. antworten wirst; so bleibt es dabei daß ich nicht komme; denn es ist völlig unnötig ja ich möchte sagen auch unnütz. Gottlob daß ich wieder Mut u. Gesundheit habe das beides durch den langen Winter, durch die Unruhe u. Erkältung des Nachts bei Gottfr. u. die ängstliche Sorge über Göttingen so niedergedrückt ward. Alles ist nun wieder gut.
Indessen ist meine Seele bei dem unerwarteten Schicksal der Herzogin sehr beunruhigt gewesen u. ich habe einige Nächte ängstlich geschlafen u. geträumt. Da die Psychologen die Träume als eine Fortsetzung wachender dunkler Ideen halten, so gebe ich nichts mehr auf Träume, ich will Dir aber doch den erzählen den ich jetzt vom Oster Montag auf den Dienstag träumte; ich nahm mirs gleich beim Erwachen vor u. wills nicht unterdrücken. Es war als nahmst Du mich abermals nach Neapel mit um mir das Unvergleichliche zu zeigen. Anstatt mir aber das Meer u. den Himmel zu zeigen, führtest Du mich in eine elende Straße voll Bettler u. sagtest mir Siehe für diese Leute, ist das Land gemacht! wir gingen die Straße auf u. ab; es war wie Jahrmarkt; da waren Leute die spielten Hazardspiele, sie legten Holz übereinander, zündeten es an u. wenn es abgebrannt war, lag Gold darunter, ich sagte zu Dir: mache es auch so. Da antwortetest Du: o nein, das ist mir zu niedrig.
Plötzlich warst Du nun von mir weg, ich suchte Dich sehr ängstlich – rufte Dich laut, u. es war mir als ob Du mich vorsätzlich verlassen hättest – Du kannst Dir denken wie mir war, u. zum Glück wachte ich auf. Siehe, Du könntest mich doch noch zur Ariadne machen! Ich muß nun freilich bekennen, daß ich einige Deiner Briefe u. die Stanzen vor Schlafengehn gelesen hatte – ich war auch den ganzen Tag über die Niederkunft sehr bewegt – dieser Traum kann also keine Deutung haben – aber ich wünsche dennoch nicht daß Du durch irgend einen Anlaß wieder nach Neapel gingest; darum habe ich mirs vorgenommen es Dir zu schreiben. Emilchen ist mein rechter Engel; er lernt das Lied: Ich singe dir mit Herz u. Mund p da las er gestern, da ich eben in Gedanken war, mir den Vers Was kränkst du dich in deinem Sinn u. grämst dich Tag u. Nacht, Nimm deine Sorg u. wirf sie hin auf den der dich gemacht. Ich hoffe nun gewiß liebes Herz, wenn Ihr die Campagna gesehen habt, daß Du Deine Rückreise froh u. glücklich antreten wirst – ja vielleicht findet Dich dieser Brief schon darauf. Mehr als jemals sehne u. atme ich nach Dir. Du meine Stütze u. mein Alles – Du gibst mir Leben u. Dasein! o wie verlange ich nach dem Brief, der mir Deine Rückkunft meldet.
Noch habe ich vergessen Dir zu sagen daß der Herzog mir gestern bei der Herzogin viele Komplimente an Dich aufgetragen – »schreiben sie ihm noch, daß er das Postgeld recht an mir gespart hätte.« Das war nun freilich wahr, u. ich konnte ihm nichts dagegen sagen.
[ . . . ]
Goethe u. Knebel, die Kalb, Steinin u. Schardt grüßen Dich. Du kannst denken wie uns allen zu Mute ist. Auch die Gräfin Bernstorf bei der ich den ersten Ostertag war, grüßt Dich sehr angelegentlich; sie war gar eigends gut; u. sie hat mit Empfindung Deiner gedacht. Kurz alle gute Menschen lieben u. achten Dich.
Rom, 17. 4. 1789
[ . . . ]
Herder dankt für Ihr gütiges Andenken, diesen werden Sie bald wieder sehn, seine Penelope und kleinen Thelemachs ziehen diesen Ulisses zurück, und er wagt es nicht die Syrenen noch einmal singen zu hören. Möge es ihm wohl gehn! die Trennung von ihm wird uns weh tun.
[ . . . ]
Halberstadt, den 19. April 1789.
Kniend vor Ihnen, Herzensmutter, Schwester und Gevatterin, möcht' ich Ihnen abbitten die große Sünde, das Schreiben von Ihnen, das so viel, so viel Vergnügen mir machte, nicht den Augenblick beantwortet zu haben. Bestraft genug bin ich dafür! ich habe von meinem einzigen lieben Griechen in Napel nichts weiter erfahren! O meine Liebe, Teure! bestrafen Sie den armen Sünder nicht noch härter! Er ist ein reuiger Sünder. Richten Sie vielmehr ihn auf, dadurch, daß Sie dem lieben Gottfried Herder aufgeben, alle die nachher eingegangenen Nachrichten abzuschreiben für ihn! Sie glauben nicht, können sichs nicht vorstellen, was für Freude Sie mir machen! Es ist nicht möglich, daß ein Dritter unsern Herder kenne, liebe, ehre, wie Sie und ich.
Gott gebe ihm alles, was er wünscht, auf seiner Reise, führ' ihn zurück ins Vaterland gestärkt am Leib, und lieb' uns noch und seine Musen, wie vor der Reise.
W[eimar,] d. 20. April 1789.
Gestern Abend erhielt ich Deinen lieben Brief vom 4ten nebst der Abschrift von Heinens Brief, lieber Engel. Sobald ich mich von dem ersten Befremden, als mir H. erster Brief kam, erholt u. ich mein schwaches sorgsames Gemüt beruhigt hatte, waren meine Empfindungen, u. Gedanken, über den Ruf u. über unsre Situation hier, die nämlichen die Du mir aus Deiner Seele schreibest. O Gott wie sind wir in allem nur Eins! Daß das Hannöversche den Vorzug vor Preußen Sachsen u. Holstein hat ist unleugbar – die zarten Fäden an denen wir hier hangen, kann leicht ein Zufall zerreißen; so wie durch 2 u. 4 Augen sich alles hier umändern kann! –
Bleibt da noch eine Wahl übrig, das gewisse für das ungewisse zu nehmen? War nicht vor 8 Tagen die Gefahr die H[erzogin] zu verlieren so nah – wenn ich mirs von dieser Seite so wie Deine ganze polit. Situation hier, vorstelle; so sehe ichs als eine Notwendigkeit an, zu gehn.
Indessen wäre mirs lieber gewesen zu wissen, was Du über Deine Situation in Gött. u. Dein Geschäft daselbst eigends in Deiner Seele empfindest u. denkest!. Dies ist bei aller schönen Aussicht doch die Hauptsache ob Du mit Lust u. Liebe dies schwere Geschäft noch auf Dich nehmen magst? u. ob u. wie es Deiner Gesundheit zuträglich sein wird? Dies ist der einzige Knote. Magst u. willst Du Dich dahineinbegeben; ist nichts für Deine Gesundheit zu fürchten – so ist nicht mehr zu wählen, liebes Herz; Nun hoffe ich, Du wirst vorläufig an Heyne nur ein unbestimmtes Ja geschrieben haben, u. die Unterhandlung so wie Deinen ganzen Entschluß bis zur Rückkunft verschoben haben. Durch Briefe können wir in dieser Zeit nichts mehr ausmachen. Und über das ökonomische habe ich viel mit Dir zu reden. Wie angehende Professoren kannst Du Dich nicht dorthin verpflanzen, die Einrichtung mit Schulden wieder anfangen, um auf gut Glück künftiger Einnahme, die ersten Jahre mit Sorgen u. Unlust wieder so dahin bringen das geht nicht. Zu einem solchen Anfang sind wir zu alt; was sie durch Deine Person erhalten, müssen sie Dir vergüten; obgleich Dein Gutes nicht mit Geld zu bezahlen ist, so gehört es zur Notwendigkeit Deinen Geist sorgenfrei u. heiter zu erhalten. Dies habe ich alles in den ersten 14. Tagen darüber bei mir beraten u. sogar einen großen Brief an die Berlepsch hierüber aufgesetzt, den ich aber als zu voreilig zerrissen, u. den abgesandt habe, wovon Du eine Kopie hast. Hier weiß schon jedermann von dem Antrag indem es von Göttingen an den Direktor geschrieben worden. Der Herzog hat es durch den Fürst von Dessau erfahren u. Goethe darum gefragt. – Soviel sagte Goethe zu mir hierüber vorige Woche; wenn der Herz. klug ist, so muß er ihn auch nur Jena wegen, erhalten; denn sein Hinziehn nach Gött. ruiniert ihm Jena. – Wie es auch kommen mag, diese Sache kommt von Gott u. nicht von ohngefähr, das fühlst Du so innig wie ich – Gott bringe Dich nur glücklich u. bald zu uns damit wir darüber sprechen können. Das schreiben, um nach 5 Wochen Antwort zu erhalten, ängstet mich.
Dein Stillschweigen über Deine Abreise von Rom ängstet mich gleichfalls. Diesen Brief, der den 10. Mai nach Rom käme, kannst Du ohnmögl. mehr dort erhalten. Ich fürchte Du kommst in zu große Hitze – da Du die Abreise so sehr aufschiebest – von einem Posttag zum andern erwartete ich Adressen die Du mir senden wirst, aber vergebens. Ich bitte Dich herzl. herzlich, bedenke doch die gute Zeit u. Deine Gesundheit. Der Frühling wird bei uns so schön – in Rom muß es schon heiß werden. Vorigen Posttag habe ich Dir noch einmal nach Rom unter Buris Adresse geschrieben, ich mag u. will nicht denken daß Du noch dort bist – Sei mir also tausendmal willkommen auf Deinem Wege zu uns. Mit süßem Glauben an Deine Liebe u. Güte hange ich an Dir; begleite Dich – erwarte Dich, u. hoffe auf Dich als auf mein Ein u. Alles.
Die Herzogin ist wohl, ich bin gestern wieder bei ihr gewesen; sie kann ihr trauriges Schicksal nicht vergessen – es ist auch noch zu neu. Gott wirds ihr ja tragen helfen.
Fr. von Fr[ankenberg] hat der Antrag zuerst auch sehr befremdet; im zweiten Br. aber sagte sie gleich, sie hoffe gar viel Gutes davon, besonders daß Du glücklicher u. freier handeln könnest u. überhaupt unsre ganze Lage dadurch besser werde.
Goethe sagte, es ist soviel dafür als dagegen zu sagen – im Ganzen findet ers gleichwohl s[ehr] gut daß es so gekommen ist. Nein, wir haben es nicht verdient, daß ein böses Schicksal uns wegruft. Nein, es ist Gott selbst u. er hat uns lieb.
Lebe wohl unser Vater, unser Alles! Gott will Dich belohnen auch meinetwegen. Liebes Herz nimm meinen dumpfen elenden Brief gut auf – ich habe Kopfweh, bin oft gestört worden, habe auch zu Luisgens Geburtstag der den Donnerstag fällt, einiges zu besorgen gehabt – meine Gedanken an Dich – Göttingen pp alles zusammen hat mich unfähig gemacht einen vernünftigen Gedanken aufzusetzen. Der Prinz August hat auch Voltaire geschickt u. sich über Dein Stillschweigen beklagt, dem mußte ich antworten – pp
Verzeihe also nochmals meinen Brief mein Kopf u. Gemüt ist heute angegriffen, bis mich der Schlaf wieder erquickt hat. Lebewohl Du mein Einziger; Gott gebe Dir gute u. glückliche Gedanken.
ewig Dein.
August, Adelb. u. Luisgen küssen Dich u. schreiben nächstens.
Weimar, d. 20. April. 1789.
Unaussprechlich danke ich Ihnen, für Ihren teuren, lieben Brief, und für Ihre zärtliche Liebe gegen mich, bester Vater, ich verspreche Ihnen aber gewiß die goldne Hygiea auf keine Art zu beleidigen, oder zu verletzen, und Sie sollen mich, so Gott will, gesund wieder finden. – Gebe der Himmel uns bald die Freude Sie wohl und gestärkt bei uns zu sehn!
Ich kann mir jetzt nichts angenehmeres denken, als vielleicht das Glück zu haben, bei Ihnen Collegia zu hören, um Ihre Denkungsart und Meinung über so mannigfaltige und dem Menschen heilsame Materien von Ihnen selbst zu hören; o möge der Himmel es wahr machen! gewiß viel Gutes werden Sie dadurch stiften.
Ich bin jetzt wieder gottlob recht wohl, geh in die Schule, und habe meine Arbeiten wieder mit Liebe angefangen. Ich werde mit August nächsten Monat das französische anfangen, das ich doch nun auch wissen muß. Leben Sie wohl, geliebtester Vater, und behalten Sie mich lieb. vale, χαιρε.
Ihr gehorsamster und Sie zärtlichst liebender Sohn
Gottfried Herder.
[Weimar,] den 20. April 1789
Lieber Vater
Ich bewillkomme Sie in Florentz und wünsche daß Sie möchen gesund von Rom da angekommen sein, und daß Sie immer glücklich und gesund von Stadt zu Stadt möchen fortrücken. Sie kommen uns jetzt immer innäher und es wird auch immermehr Freude werden. Aber eulen Sie ja nicht von so schönen Städten weg, betrachten Sie die Städte, die Sie noch nicht gesehen ja recht damit Sie uns recht viel erzählen können. Leben Sie wohl und behalten Sie lieb
Ihren gehorsamen Sohn Wilhelm Herder.
[Weimar,] den 20ten abrill [1789]
Lieber Vater!
Nun sind Sie In Florenz und Kommen sie bald zu uns die Mutter hat mir den Vogelbauer geschenk den [unlesbares Wort] der Carl Er ist gar schön Leben sie Wohl und behalten sie mich lieb.
Ihr getreuer Sohn. Emil Herder
1789
Rom, den 22. April [1789]
Den letzten Br., den Du an mich nach Rom adressieren willt, habe ich empfangen, süßes Herz, u. sehe also, daß ich 8. Tage hier ohne Deine Br. sein werde: desto lieber werden sie mir sein, wenn ich sie in Florenz finde. Das Wetter hat uns aufgehalten, (u. etwas liegt die Schuld auch an uns) daß wir außer Freskati noch nichts von der Campagna gesehen haben: morgen essen wir beim Kard. Herzan, übermorgen gehts nach Albano: denn wollen wir mit Tivoli, das ich in Einem Tage nur sehr flüchtig gesehen habe, schließen; u. denn eile ich langsam zu Euch, Ihr Lieben. Wohin Du unterwegs Deine Br. adressierst, weiß ich selbst nicht, am besten ists wohl à la poste restante: Florenz, Bologna, Parma, Mailand, sind die gewissen Örter, über die ich reise; ob ich nach Venedig komme, oder über die Schweiz gehe, zur Rechten oder zur Linken, weiß ich selbst nicht. Da ich in Rom 8. Tage über Deine Rechnung bleiben muß (mein Geist hat mich seit Ostern unaufhörlich fortgetrieben), so kann ich allenthalben Br. von Dir finden, u. ich werde nicht unterlassen, an jedem dieser Orte auf der Post anzufragen, u. Dir so fleißig, wie ich Dir bisher geschrieben habe, schreiben. Jedes Rollen des Rades bringt mich sodann näher zu Euch. Ich nehme der Sicherheit wegen noch einen Menschen mit, einen Deutschen, der Göthen hier aufgewartet hat, und seitdem krank gewesen ist, u. sich nach Deutschland zurücksehnet. Er ist ein guter, sicherer Mensch, dem eine große Wohltat geschieht, wenn ich ihn mitnehme, u. mir ists selbst Wohltat. Ich hoffe, Gott wird uns eine sichere, frohe Reise schenken. Deine Gebete, lieber Engel, u. auch die guten Wünsche, die mich von hieraus begleiten, werden mir Schutzgeister sein, u. von meiner Seite solls an Vorsicht u. Behutsamkeit nicht fehlen. Ich bin zwar schon viel gereist, aber Italien mit seiner Reise war für mich ein Einziges seiner Art: meine Rückreise soll hoffentlich nicht so werden.
Dein Nervenfieber, liebe Seele, quälet mich entsetzlich; doch hoffe ich wie Du, meine Rückkehr u. Gegenwart, soll uns beiden ein neuer Quell des Lebens werden. Du kannst nicht glauben, wie fröhlich u. guten Muts ich nach G[öttingen] gedenke; u. jetzt um so mehr, da ich sehe, daß auch Dein Genius Dich dahinwinket. Hättest Du mir nur mit Einem Wort geschrieben, was ich fodern soll, ob 1800. oder 2000 Tl.: so antwortete ich Heinen noch aus Rom. Vielleicht kommt noch ein Br. von Dir, daß Dirs ein Genius eingibt auf meine indes empfangenen Br.; wo nicht, so mags warten. Ich weiß wohl, daß wir über 1800. Tl. nicht bekommen; indessen ists der Foderung wert. Ich weiß gewiß, Gott sagt Ja zu unserm Unternehmen u. wir wollen ihm fröhl. folgen. Bereite, was Du bereiten kannst; es ist Dir jetzt weniger empfindlich, als wenn in meinem Dasein der Aufbruch geschehen müßte. Jetzt bist Du fast ein Jahr hin eine Verlassene gewesen, u. ich bin für W[eimar] ein Fremder. Es ist gut, daß der Herz. mich nicht unter seine Avancanten gesetzt hat (wie er billig hätte tun müssen); auch dies Übersehen ist gut u. ein Wink der Vorsehung, als ob wir nicht mehr dahingehörten. Was ich auf meiner Reise vorzüglich gelernt habe, ist, daß man auf alle Art streben muß, in eine Art Aisance zu kommen, u. drin zu leben; u. zwar so lange es Zeit ist; sonst bleibt man mit den Seinen ein Bettler; u. diese Gutmütigkeit wird weder im Gesetz noch im Evangelium von uns gefodert. Alle Welt lacht darüber, u. verachtet u. mißbraucht den gutmütigen Armen.
Habe doch keinen Zweifel, liebes Herz, von dem benannten Gelde so viel zu brauchen u. mitzunehmen, als nötig ist. In der Zukunft, bin ich gewiß, wirds uns der Himmel alles geben. Che dubbio? sagt der Italiener. Schreibe mir nur genau, wenn Du in Carlsb[ad] zu sein gedenkst; ich arrangiere darnach meine Reise. Überhaupt wird sich alles dies unterwegens finden. Die 8. Tage, die ich in Rom zugebe, sind auch gutgewesen: seit ehegestern habe ich einen so starken Schnupfen, als ich in Deutschland] mich kaum erinnere gehabt zu haben; der eintretende Frühling ist daran Schuld, u. besser, daß ich <ihn> in Rom habe, als unterwegens.
Hier ist ein Br. an Dich von der guten, guten Angelika; es ist ein Engel von einer Frauen, die mir mit ihrer Güte alles siebenfach vergilt u. wegwischt, was mir andre ihres Geschlechts widriges getan hatten. Sie ist aber auch ganz u. gar nicht von dem gemeinen Geschlecht der Weiber, so wenig als Du es bist, wie ich Dir oft gesagt habe: sie ist an Tätigkeit ein Mann u. hat mehr getan, als 50. Männer in den Jahren tun können u. mögen; u. wirklich an reiner Herzensgüte ist sie wie ein überirdisches Wesen. Deinen Kuß habe ich ihr im Br. zu lesen gegeben, ohne ihn abzustatten. Ich habe einigemal ihre Stirn geküßt, u. sie hat unvermutet meine Hand ergriffen u. wollte sie küssen; das ist unser Verhältnis. Ich danke Gott, daß er mich die reine, liebe Seele noch zu guter letzt finden ließ u. ich durch sie ein frohes Andenken nach Italien hin behalte. Sie ist zuweilen bei der Herzogin, d. i. mit uns, u. die Herz. liebt sie ihrer großen Bescheidenheit wegen; auch bei ihr sind wir zuweilen, u. ich bin dort jede Stunde, die ich erübrigen kann. In Frescati war sie mit; sie überraschte uns da, ohne daß jemand es wußte; ich weiß nicht, ob es uns auch in Tivoli so gut sein werde. Habe sie lieb in meinem Namen, lieber Engel: denn sie verdients, die seltne zarte redliche Seele. Dich verehrt sie recht u. wir sprechen oft von Dir, worauf sie denn ganz stille sagt: sie schätze mich u. Dich sehr glücklich. – Die Geschichte, wie sie Dir die Stein gesagt hat, ist gewiß falsch, ob ich gleich die eigentlichen Umstände selbst nicht weiß. Sie wollte sie mir einmal erzählen, kam aber nicht dazu vor tiefem Schmerz, den sie verbiß, auch noch im Andenken. Nimm ihren Br. gut auf; sie ist nicht stark in Worten, aber in Taten eine redliche Seele. Das Ital. u. Engl, spricht u. schreibt sie schön; das Deutsche ist ihr eine seltnere Sprache. Ihre guten Wünsche begleiten mich gewiß, u. ihre Freundschaft gegen uns wird gewiß dauren, solange sie u. wir leben. Dies ist also das Testament meines Herzens aus Rom, natürlicher Weise bloß für Dich geschrieben: denn ich muß u. will Dir alles schreiben, wie mirs ums Herz ist. Lebe wohl, liebe, u. erhole Dich bald u. lies die Stanzen, meine Reisebeschreibung. Auf der Reise will ich einen zweiten Gesang dazu schreiben. Lebt wohl, Ihr Kinder! Ich schreibe aus Rom wenigstens noch einmal u. vielleicht bekomme ich auch noch einen Br. hier von Euch, addio cara. Küsse die Kinder, liebes Herz, der Br. wird zu dick; ich schreibe an sie nächstens.
Rom den 23. April 1789.
[ . . . ]
Ich beginne mit der Nachricht, die Ihnen gewiß immer willkommen ist, daß es uns nämlich wohl geht. Dazu kommt schönes Wetter und gute Freunde: ergel: Herz was begehrst du? Eine einzige Sache tut mir leid, Herder geht von uns! wenn ich indessen bedenke wie wenig Fähigkeit ihm zum Genuß bleibt, wenn er fern von Weib und Kindern ist, so tröste ich mich. Nur fürchte ich wem's in Rom weh ist, dem wirds nirgend wohl werden. Wir reisen noch zusammen nach Albano und Tivoli, alsdann geht er dahin wo's Sempre nero ist, und wir in unser Herr Gotts schönen Garten, der ihm selbst, so alt er ist, noch bei guter Laune erhält. In unsern guten Vaterland, finde ich, braucht man Lebenskraft meist zum Ertragen, hier bloß zum Genießen; hat man die, für's übrige ist alles gesorgt.
W[eimar,] den 24. April 1789.
Du hast mich heute unvermutet durch Deinen lieben Brief vom Palmmittwoch erfreut, Du mein Einzig Guter, der das Resultat Deiner Empfindungen über Deine eigne Situation in Göttingen enthält; u. dieses endlich zu hören war mir sehr sehr lieb.
Ich bin gestern abermals bei der Herzogin gewesen, sie läßt mich jetzt fleißig rufen; da ich noch allein mit ihr war, sagte ich daß Du einen Antrag nach Gött. hättest (ich hielte es nämlich für unschicklich länger zu schweigen da die ganze Stadt voll davon ist.) – unter welchen Bedingungen? frug sie: unter keinen, antwortete ich: mein Mann soll sie sich selbst machen. »So«! rief sie verwundert u. schwieg eine Weile, »was hat ihr Mann beschlossen?« Antw. er will u. muß den Antrag beherzigen; beschließen will er aber nichts bis er hier ist u. mich gesprochen hat. »Weiß es der Herzog?« Antwort ich glaube daß ers weiß, »ich bin überzeugt daß der Herzog alles tun wird um ihn zu behalten.« ich schwieg, bald darauf trat jemand herein, u. unterbrach das Gespräch das eigentlich geendigt war. sie war überhaupt sehr still, u. jetzt stellt sich erst die Schwäche ein. [ . . . ] wie ich nach Hause kam fand ich Goethe bei dem Kinderfest. Wir sprachen bald von Gött., wie wir denn schon einigemal davon gesprochen haben. Daß Du den vorteilhaften Antrag beherzigtest u. beherzigen müßtest, sagte ich ihm; er fand es ganz recht; so wie er denn gleich von Anfang den Antrag, als ein gutes Evenement, wir möchten nun bleiben oder gehn, ansah. Er will Dir selbst schreiben den nächsten Posttag, heute kann er nicht. Er dringt aber darauf, daß wir ihn allein von der ökonomischen Seite betrachten u. gebrauchen müssen. In der Verhandlung mit den Hannov. müssen wir mit Recht, das hoch anschlagen, was wir Gutes hier haben – Kurz, in eine Waagschale das Vorteilhafte von G., u. in die andre das Gute von hier legen. Dieses war, nachdem ich mich von der ersten Gemütsbewegung des Antrags erholt hatte, mein eigner erster Gedanke gewesen, der mir nicht von ihm eingehaucht worden ist, ich schwieg Dir aber davon, weil ich Dein Gefühl rein darüber erst hören wollte. – Glaubt nicht, sagte er gestern, daß er dort frei von Verdruß u. Ärger sein wird – er wird überall die Neider u. Heuchler u. wie sie heißen, finden – sein Gemüt bringt er ja überall mit – also von dieser Seite, ists dort nicht um ein Haar besser, als überall. Kurz, laßt nur das Gemüt aus dem Spiel u. bleibt bei dem äußerlichen Vorteil stehn. Der Herz. kann u. darf ihn nicht gehn lassen, er ruiniert sich Jena u. Weimar zugleich. Auch nicht einmal nach Jena wünsch ich Herdern; ich habe ihn zu lieb; er ist zu gut zum Professor; er kennt ihre kleinliche Leidenschaften noch nicht. Es ist gut daß der Antrag gekommen ist, jetzt kann ihm durch das Muß u. mit Ehren ein gutes u. sichres Etablishement für ihn u. die Seinigen gemacht werden, u. die ganze Stadt wird damit zufrieden sein, u. es wünschen.
Ich schreibe Dir dies Alles, liebstes Herz, damit Dir keine Gedanken, keine Überlegungen in dieser Sache fremd sein. Wir wollen beides beherzigen. Im Grund kränkts mich doch daß Du ein Professor sein sollst der täglich wie ein Lasttier 4 Stunden lehren soll.
Ich glaube wohl, daß es die ersten Jahre Reiz genug für Dich haben wird; kann dieser Reiz aber dauern?
Ach wie oft bitte ich Gott, daß er über uns entscheiden möge! wir wollen es hoffen daß ers tun wird, wie Du es sagest – denn Du bist ihm lieb vorzüglich lieb; warum hätte er Dir einen solchen Geist u. Herz gegeben! Ja ich hoffe u. traue darauf. Laß uns in seiner Liebe ruhn u. uns fröhlich u. getrost wiedersehen. An Heyne schreibst Du doch vor der Hand nichts von Bedingungen, bis wir uns gesprochen haben. Es fiel mir in seinem Brief auf, nach dem großen Antrag »Bedingungen sollen u. müssen Sie sich selbst machen« zu lesen nebst 40 Pistolen Anzugs Geld. Aus Deinem heutigen Brief sehe ich daß Dir dieses auch aufgefallen u. Du auf 100 rechnest. Dies war mir lieb zu lesen. Was wirst Du aber sagen, liebstes Herz, wenn ich nun meine, daß wir uns dort neu meublieren müssen von oben bis unten; verschiednes Weißzeug, Silber, Hausgerät, Tafelzeug u. Kleidung anschaffen müssen, daß wir zu alle diesem wenigstens 2000 Rtlr. haben müssen. Wollen wir uns auch mit Hartknoch, dem wir mit Intressen über 500 Rtlr. schuldig sind, ins reine setzen, u. alle die kleinen Posten noch berichtigen, die ich vorige Ostern nicht ganz habe tilgen können, u. sich gegen 500 Rtlr. belaufen – kommt die Summa 1000 Rtlr. heraus. Und warum sollten u. könnten wir nicht 3000 Rtlr. zum Anfang fordern? Wenn Du ihnen ihre theologische Fakultät wieder aufrichten sollst, so können wir von ihnen verlangen daß sie unsre ökonomische Lage dagegen verbessern.
Dies alles habe ich einen Sonntag im März, (es war der 15te) so lebhaft gedacht u. berechnet, daß es bei mir fast zur unumstößlichen Notwendigkeit geworden ist. Ja selbst Dein fatales Verhältnis u. Geldaffaire mit Dalb. hat mich dazu ermuntert u. bekräftigt. Den Brief den ich hierüber an die Berlepsch geschrieben u. nicht abgesandt hatte, habe ich gefunden u. Du sollst ihn sehen. Mache Dich jetzt liebes Herz einsweilen mit meinen ökonomischen Gedanken bekannt, u. mache kein unfreundlich Gesicht dazu – der liebe Gott wird uns zusammen helfen u. mündlich wird alsdann alles besser gehn, u. Du wirst mir nicht böse sein, mein Einzig Guter!
Liebes Herz, wie sonderbar ich mich an dem erfreue u. erquicke was Du mir von der Angelica sagst, ist unbeschreiblich; ich bin recht zärtlich bewegt u. strecke meine Arme nach ihr aus, um ihr zu danken, für ihre Liebe u. ihr wohltuendes Dasein für Dich. Ja diese heilige Seele hat Dir Gott gegeben, für Dein langes Entbehren eines treuen Gemütes u. Ungemachs in Rom. Alles Gute in der Welt sehnt sich nach Dir u. verbindet sich mit Dir; ist das nicht Vergütung alles Widrigens. Schreibe ihr das Zärtlichste u. Süßeste von mir – Sie ist meine Heilige, meine Engelsschwester – Ach daß mir das Glück nicht gewollt hat, unter einer solchen Seele erzogen zu werden – Jetzt dauerst Du mich, daß Du Rom verlassen mußt. [ . . . ]
Liebes Herz über G[oethe] u. K[nebel] habe ich sehr klare u. reine Begriffe bekommen. Der erste ist bei Dir jetzt im Schatten, aber ich weiß Du erkennst ihn wieder. K. bleibt ein unstetes unsichres Rohr. Er ist u. mag im Grund gut sein, aber ein jedes Lüftchen beugt u. wendet ihn anderst. Das habe ich in den letzten 4 Wochen zum Erstaunen bemerkt. Er kommt jetzt selten zu mir, ja fast gar nicht u. hängt an der elenden Imh[off] wieder; über Gött. hat er mich noch mit keinem Laut gefragt, die gute Kalbin hingegen, das reine treue Gemüt, frug mich vorigen Sonnab. den Augenblick als sies erfahren hatte gleich. K. macht mir bei jeder Gelegenheit das Sprichwort wahr: bei einer ungewissen Sache erkennt man den Freund. Er hat so ein großes Maul gegen Moritzens Abhandlung gehabt u. da G. einen nur wörtlichen Auszug gemacht u. ihm gegeben hat, da fand er es ganz vortrefflich golden u. verständlich – u. es waren Moritzens eigne Worte u. Zeilen. So liest er immer, mit einem heißen Kopf und so ist er einige Zeit grob u. fremd gegen mich ohne Ursache. G. bleibt sich gleich; er steht auf festem Boden. Mündlich mehr im detail hievon; es schmerzt mich, daß Du Dein Gemüt von ihm abwendest, u. er ist doch der Einzige reingute Mensch hier.
Gott begleite Dich. Gott behüte Dich u. wende alles unangenehme von Dir; auch den Sirocco; der mich immer ängstet. Ich bin sehr wohl liebes Herz, Gottfr. auch u. die [andern] alle. Wir küssen Dich Einzig Liebster auf der Welt.
Verzeihe daß ich Dir wegen meiner Gesundheit Sorgen machte; o die weite Entfernung! alles ängstet einen [Textverlust] Gott behüte Dich, liebes Einziges Herz.
Weimar, 24. 4. 1789 [?]
Lieber Vater
bleiben Sie gesund, und haben Sie mich ferner lieb und kehren Sie hoffend zu uns zurück.
Weimar, 24. 4. 1789
Lieber Vater
Dieses Briefchen bekommen Sie in Florenz, wo Sie auch viel schöne Sachen u Denkmäler der Kunst sehen werden. Bringen Sie mir lieber Vater, einen italienischen Pfennig mit, denn ich sammle mir Pfennige aus allen Ländern. H Schäfer läßt Sie grüßen, u auch die Bibliothek, und sie freut sich, daß Sie bald wieder gebraucht werden wird. Leben Sie wohl, das Glück begleite Sie auf ihrer Rückreise. Leben Sie wohl, u behalten Sie lieb
Ihren gehorsamen Sohn August Herder.
Weimar, 24. 4. 1789 [?]
Lieber Vater.
Ich habe Ihnen heute recht viel zu erzählen. Gestern war mein Gebutstag da war der große Tisch gedeckt in der Mitte waren eine Brezel u. 2 Torten. Von Ihnen und der Mutter bekam ich ein neu weißes Chemischen mit blauen Bande u. ein weißen Hut mit einem Kranz Von Vergißmeinnicht. Das kleine Kästchen Vom Carl und den Schweizer Kalender. Vom Gottfried eine Bibel Gellerts fabeln u. Zeichnungen. August eine Nadel büchse Volks Märchen u. Psalter. Wilhelm baumwolle zum stricken Stricknadeln u. eine kleine Waage 1 Orbis Pictus und ein Katechismus. Adelbert ein Messer ein Bleistift u. Papier. Emil Schnü Bänder Papier eine Rose u. die Leselehren, was ein jedes darzu geschrieben liegt hierbei. Den Nachmittag kamen Mähten u. da spielten wir recht hübsch. Nun Freuen wir uns alle das Sie Bald kommen werden lieber Vater, da wollen wir noch fröhlicher sein als gestern wir beten alle Tage mit der Mutter zum lieben Gott das Sie glulich mögen zu uns kommen
Ihre Gehorsame Tochter Luise Herder. 1789
W[eimar,] den 27. Apr. 1789.
Gestern Abend kam Dein unaussprechlich guter Brief vom heil. OsterAbend, der mir aber Herz u. Seele durchschnitt, ich hoffte zu meiner eignen Büßung, Du solltest mit mir schmälen, u. Deine himmlische zarte Liebe macht mir jetzt unendliche Schmerzen u. Wehmut, ich lief mit zerstreuten Haaren in der Stube umher u. weinte, daß ich Dich so mißverstehen konnte u. Du mich so zärtlich auf den Händen trägst. Der arme Gottfried hatte an mir zu trösten aber ich fühlte daß ich Dein nicht wert sei u. nicht wert werden kann – denn was hilft alle Güte ohne Verstand, u. was helfen mir alle die tausend Tränen die ich Tag u. Nacht darum weine, ich werde nicht verständiger.
Ach Du hast eine harte Prüfung mit allem was Dich umgibt armer Lieber – nichts ist Dir gleich – nichts Deiner Wert.
Möge es Gott jetzt nur erträglich für Dich ändern! – Du hast Dir doch das Osterfest durch meinen dummen Brief nicht verderben lassen? O das kränkt mich am meisten, daß Du was Gutes erwartest hast von mir. Dafür bin ich auch durch eine schlaflose Nacht gepeinigt worden, nur einige Stunden Schlaf u. ein Traum erquickte mich, da Du mir oben am Fenster zu Dir winktest (ich war im Garten mit den Kindern) u. mich so tröstend u. zärtlich in den Arm nahmst, wie Dein ganzer Brief es mir sagte. [ . . . ] Meinen Brief hatte ich damals im Fieber geschrieben, das ich Dir mündlich erzählen will; entsetzlich ängstlich habe ich die Woche vom Ostertag bis zum 22. Apr. zugebracht, bis Luisgens Geburtstag mich erheiterte. Wenn Dir nur nichts unangenehmes in diesen Tagen zugestoßen ist! Alle Worte, alle Zeilen die mir in die Hand fielen, ängsteten mich. Der liebe Gott wird Dich ja bewahrt haben u. mein Gebet nicht umsonst sein lassen! ach wie verlange ich jetzt nach Deinen Briefen, Du mein alles auf der Welt.
Nun zu der fröhlichen Aussicht nach G. wieder. Du wirst meinen Br. vom 24. den ich nach Florenz Poste restante adressierte, erhalten u. meine ökonomische Berechnung auch beherzigt haben. Ich habe Dir Goeth. Meinung so trocken geschrieben – es ist ja auch nur Meinung – im Innern sagt mir aber eine Stimme: wir gehen, u. ich kann sagen daß ich bei dem letzten beruhigter bin, als bei dem bleiben, ich rechne die wehmütige Empfindung, bei dem Gedanken des Abschiedes von hier, ab. – wir haben Leid u. Freude hier genossen, u. beides wurzelt als Eigentümlich ins Gemüt ein. Die Menschen finden wir so leicht auch nicht wieder. Indessen wachsen die Kinder heran, ihre Empfindungen wachen auf, u. wir wollen die ersten sein die ihnen ein ungeteiltes Herz geben, damit sie früh kennen lernen was das für ein Schatz ist.
ich bin den Sonnab. bei der Stein gewesen; sie kam von der Herzogin die viel mit ihr über Dein weggehn gesprochen: es geht ihr sehr nahe, sagte sie, sie hoffe daß der H[erzog] ihn nicht wird gehn lassen;« auch der Steinin gehts sehr sehr nah – wir gingen nachher zur Kalbin, wo Knebel, die Imhof u. Schiller waren. Die gute Kalbin konnte mit ihrem vollen Herzen nicht mit mir davon reden, wir blieben nur stumm im Fenster zusammen. Endlich da sich der Zirkel setzte, fing K[nebel] von England an, u. daß der König u. die Königin nach Hannover kämen. Sogleich darauf: »der Eichhorn befindet sich sehr wohl, er hat ein Haus für 5000 Rtlr. gekauft – in Göttingen blüht doch noch Heil für die Herren Gelehrten pp« Dies alles sagte er nun so, ohne mich ansehn zu können – sein Geist war mir recht zuwider u. ich konnte kein Aug aufschlagen. Er freut sich gewiß, daß wir gehn, damit der Herz. desto mehr an andre wenden kann. Er steht auf unreinem Boden u. das Motto schreib ich ihm auf Lebenslang unter: amicus certus in re incerta cernitur. Mit mir hat er von der ganzen Sache noch kein Wort gesprochen, oder gefragt; er soll auch warten.
Über Carlsbad habe ich Dir in einigen Briefen wieder ab geschrieben, meine Gesundheit ist u. bleibt gut; u. Gottfrieds seine auch; die Reise wäre für mich u. Gottfr. ganz unnütz; ich ärgre mich recht über meine Voreiligkeit! Du selbst aber wirst doch das Carlsbad brauchen, damit Du rein u. gesund nach G. ziehn kannst. O wenn ich nur erst wüßte, daß Du im Carlsb. bist! [ . . . ]
Daß Du mir gar keine Nachricht von Deiner ReiseRoute gibst! Lieber Engel, Deine Abreise von Rom schmerzt mich so sehr, als Dich immer mehr. Jetzt da es Dir wohl wird, mußt Du fort. Grüße in jedem Brief die Engelsseele A. Sollte ich sie in meinem Leben einmal sehen, so würde sie mir eine himmlische Erscheinung sein. Siehe, was man nicht sucht das findet man, u. das Beste: eine solche Seele, ja ich möchte mit Dir jammern daß Du so viele Zeit ohne sie in Rom verloren hast!
Lebe wohl ewigteures Herz u. Geist. Ach werde meiner Schwachheit nicht müde! Die Kinder Küssen Dich tausendmal. Lebe wohl! Lebewohl! wir zählen jetzt Tage u. Wochen u. folgen Deinen Schritten.
Gottes Auge wache über Dich u. sorge für Dich, mein Einziger. Gott sei mit Dir. Amen, amen.
Deine Ewige
Liebes Herz, wirst Du nicht Heyne fragen, wie hoch eine Haushaltung in Göttingen wie die Unsrige, mit 6 Kinder, Informant u. Jungfer nebst Domestiquen, an Ausgaben zu rechnen sei? wie hoch die Seinige u. einiger andrer Professoren mit Familie Jährl. komme? Und dann vorzügl. müßte man die Einnahmen der vornehmsten Professoren wissen, sowohl an Gehalt, Collegia u. allenfallsigen Benefizien für Frau u. Kinder. Sobald man ein Detail hierüber von allem hat, so kann man eher seine Forderungen einrichten.
Eben war die gute Kalb bei mir u. grüßt Dich tausend tausendmal. Auch Knebel war da u. hat Tee mitgetrunken u. mich endlich nach Göttingen gefragt. Er war leidlich gut. Alles ist auf des Herzogs Äußerung hierüber gespannt. Er kommt Anfangs künftigen Monats hierher. Willst Du allenfalls an Goethe vorläufig von dem Antrag schreiben (nur nichts von dem dummen 40 Louisd. Anzug) damit er dem Herzog in Deinem Namen etwas davon sage oder schreibst Du lieber selbst dem Herz. etwas davon –
Lebe wohl lebe wohl treues himmlisches Gemüt – ich drücke Dich an mein Herz.
Gottfried u. ich haben uns fast die Augen ausgeguckt was das für Buchstaben auf Deinem Petschaft sind?
Rom, den 29. April [1789]
Noch in Rom; aber nicht lange mehr. Gestern sind wir von Albano zurückgekommen, oder vielmehr von Castel-Gandolfo, wo wir denn vom Freitag her Castel, Albano, la Ricci, Gensano, Nemi, schöne Gegenden mit ihren Bäumen u. Tälern, u. Seen u. Bergen gesehen haben. Bis Ende dieser Woche ruht die Herzogin aus: Sonntag gehn wir nach Tivoli, mit welchem großen Hymnus der Natur ich hier denn alles Schaubare zu beschließen gedenke. Die Herzogin geht nach Napel, ich nach Florenz u. w[eiter]. – Es ist mir also sehr angenehm gewesen, liebstes Herz, daß Du bei dem Br. den Du nach Florenz geschrieben hast, auch Einen hieher hast laufen lassen. Ich habe schon Reifenst. gebeten, daß er mir den Florent[iner] herverschaffe; u. o enthielt er Antwort auf das, worüber ich mit Dir beratschlagt habe, über Gött., wieviel ich nämlich fodern soll, u. ob Dir meine Bedingungen recht sind. Diese Sache liegt mir jetzt sehr am Herzen u. ich wollte, daß Alles während meiner Reise, Carlsbad eingerechnet, ausgemacht werden könnte, damit ich nach W[eimar] bloß als ein Fremder käme, der seinen Abschied nähme. Tue, bestes Herz, zur Förderung der Antwort, was Du tun kannst.
Deine Gesundheit freuet mich sehr, so wie auch Gottfrieds seine: Du glaubst nicht, was mir die Nachricht von Deinem Übelbefinden u. vom Husten des armen zarten Knaben für Sorge gemacht hat. Aber daß Du nicht nach Carlsb. kommen willst, ist mir gar nicht recht. Es war ein so schöner Gedanke, der mir unsäglich viel Freude macht, daß ich ihn noch nichts weniger als aufgeben kann. Was soll ich ohne Dich in Karlsb. Ich bin des Alleinseins satt, u. in Karlsb., wo ich immer mit Dir war, könnte ich ohne Dich gar nicht aushalten. Da ginge ich lieber geradezu nach W[eimar]. Also richte es ein, liebes Herz, daß Du kommst mit den Kindern. Das Geld siehe nicht an; an Geld wird es uns künftig nicht mangeln, wenn dieser letzte Ruck vorüber ist. Mit meiner Schw[ester] suche es auch zu arrangieren: sie wird Dich nicht aufhalten, noch hindern, mir, Deinem Mann u. ihrem Br[uder] entgegenzugehen; wir wollen uns in Karlsb. nicht lang aufhalten; u. die wenigen Wochen gehn bald vorüber. Dich dort erst in unserm Hause wiederzusehen, will mir gar nicht ein. Sie kann u. wird solange gern mit der Jungf. Schwarzin leben, da sie ja an Stille u. Einsamkeit gewohnt ist. Doch alles dies hängt davon ab, wie Du sie findest, wie ihre Gesundheit ist, u. wenn sie ankommt; alsdenn tue Du das beste. Ich werde fleißig unterwegs schreiben u. auch von Dir Br. finden, da können wir alles abmachen u. wollen uns wechselseitig mit unserer Ankunft aufs beste erfreuen u. einander trösten u. stärken. Mein starker Rheumatism war in Castel gleich weg, u. so hoffe ich, wird mir die Reise auch wohltun. Lebe wohl, Herzensseele u. habe mich lieb, wie ich Dich lieb habe, Du mein Herz u. mein Kleinod. Grüße die Kinder aufs schönste u. mache Dir nur ja über nichts Sorge; alles wird gut gehen in unserm künftigen Leben, wenn wir nur erst beisammen wären. Helfe uns Gott dazu, u. er wirds tun; ich flehe u. bete darum. Amen, Amen. – Welch ein Geist mich aus Rom treibt, kann ich Dir nicht sagen, schlafend u. wachend ruft er mich auf, u. läßt mir keine Ruhe. Die Campagna indes mußte gesehen werden, als ein Hauptstück der Reise; jetzt wird sie bald gesehen sein, u. eher gings nicht an, des bösen Wetters wegen. Nochmals Lebewohl, bester, süßer Engel, Du mein Leben, meine Jugend; behalte mich lieb, treues Herz, ich drücke Dich an meine Br[ust] mit innigster Liebe.
Die gute Angelika grüßt Dich als Freundin u. Schwester. Der Abschied von mir wird der frommen unschuldigen Seele schwer werden, da das Hinscheiden so weit scheidet: sie ist aber so ganz Resignation in allem, daß nichts darüber gehet. Du würdest die Fr[au] unendlich liebhaben, wenn Du sie kenntest: sie ist wie ein feiner zarter Klang, der die Sinne beruhigt. Grüße die Fr. v. Fr[ankenberg], ich kann ihr heut nicht schreiben. Es ist noch so manches zu sehen u. noch einmal zu sehen, daß man von der alten Roma nicht los kann, insonderheit wenn man wie ich leider alles läßt auf die letzte Stunde. Lebe wohl, Liebe, Gottes Segen mit Dir u. den Kindern, u. viel Ruhe u. Freude um Dich, um sie, um Uns alle u. auch um mich. Lebt wohl, Ihr lieben, u. Du liebe der Lieben.
H.
Die Herzogin grüßet Dich schön; die andern auch. Angelika, die heut mit uns gegessen hat, am meisten. Lebe wohl, liebe Seele, wohl.
W[eimar], d. 1. Mai 1789.
Ich habe gestern Abend Deinen lieben Herzensbrief vom OsterMittwoch erhalten; er hat mir gleich Feuer u. Mut eingehaucht an Heyne heute zu schreiben; Du hast mir zwar keinen Auftrag gegeben, sondern nur, daß ich hier abtue, was abzutun ist; Du bist aber eine so großmütige Seele, daß Du unsre ganze Einrichtung die uns viel Geld kosten wird; die gewisse Versorgung der Kinder (welches man auf schwarz u. weiß haben muß) etwas zu vernachlässigen scheinst. Ich weiß daß es nicht in Deiner Natur liegt viel zu fordern; Du wirst mir also verzeihen Du mein Einziger, mein Herz, daß ich diesen Brief an H. geschrieben habe. Man wird hier ernstliche Anstalten machen, Dich zu behalten; die Herzogin die Dein Weggehn unendlich schmerzt, hat durch die Stein an den Herzog schreiben lassen u. auch selbst dazu geschrieben; sie will die Erziehung zweier Kinder auf sich nehmen. Daß der Herzog Ehren- u. Nutzenhalben Dich nicht gern weglässet u. alles aufbieten wird, sieht ein jedes klar. Alle Freunde sind deshalb in Bewegung; es ist also notwendig daß man wisse was sie in G. für uns tun wollen, damit man es gegen Das erwäge, was hier versprochen u. dokumentiert wird. Die Erfahrung mit Dalberg hat mich in diesem Punkt sehr aufs klare u. sichere geführt. Du für Dich, tust Dein Geschäft aus Deinem Geist u. Gemüt rein u. ohne Intresse. Die Kinder aber u. unsre eigne Existenz fordert eine Berechnung. Sollen wir ewig die guten u. letzten Narren überall sein? Es gehört zur guten Laune, zur Zufriedenheit mit andern, daß man gekleidet ist wie sie, ißt, wohnt u. lebt wie sie. – Ich bitte Dich liebes Herz, werde also über meinen Brief an H. nicht unwillig. Ich sollte ihn billig noch liegen lassen, aber ich fürchte Du eilst Dich u. forderst ohne meine Antwort abzuwarten. Verderben, hoffe ich wird er nichts; auch ist es nötig für sie, zu wissen daß man Dich hier nicht so leicht ziehen lassen wird; u. daß sie was tüchtiges tun mögen, wenn sie Dich erhalten wollen.
So weit hatte ich diesen Vormitt. geschrieben, als ich um 3 uhr zur Herzogin mußte. Von G[öttingen] können u. dörfen wir nicht viel reden; es kränkt u. schmerzt sie u. mich gar sehr. Wenn ich jetzt schreiben könnte, sagte sie, würde ich gewiß an H[erder] schreiben. Ich wollte sehr daß er hier wäre. Von dieser Frau uns zu trennen, wird etwas kosten. Die Steinin grüßt Dich herzlich. Über G[oethe] leidet die Arme noch immer sehr viel; u. ich fühle u. sehe daß ers zu toll macht. Den Reichardt, der es von ihm verlangt, hat er zu sich ins Haus genommen. Er komp. die Claudine die ich in Gesellschaft bei ihm gehört habe; worunter nur einiges gut ist, G. aber alles hübsch findet. Nun fällt mir G. eine Zeitlang auch aus den Händen, da er gute u. schlechte Menschen mit gleicher Freundlichkeit aufnimmt. Ich habe mit ihm von Dir, so lange Reich. hier ist nicht gesprochen; kann Dir also auch den Brief von ihm nicht senden den ich Dir letzthin versprochen habe, u. den er mir senden wollte.
O mein Herz nach dem ich atme u. seufze, führe Dich doch Gott bald glücklich zu uns. Dein Traum vom Oster Montag auf den Dienst. hat mich recht verwundert; Du wirst in meinem Brief vom 17. Apr. gesehen haben, was ich in der nämlichen Nacht geträumt habe. Der gute Gott wird uns ja in den letzten Tagen kein Leid zuschicken; ich kann ohne Dich nicht viel tragen.
Deinen süßen treuen Brief vom heil. Abend, habe ich seitdem noch oft mit tausend Tränen gelesen – er macht mir Schmerzen u. nimmt mir sie wieder, u. ich hänge an Deinem Hals u. weine u. möchte Dich mit tausend Armen zu mir ziehen. – Doch eile Dich nicht, genieße noch das schöne glückliche Land, denn leider eilet jetzt dort die Zeit nur allzuschnell für Dich, u. Du bist bald wieder unter dem dunkeln Himmel bei uns, bei Deinen Treuen. Die Heilige, Beste Schwest. A. küsse ich mit dem reinsten Kuß. Ich liebe sie wie Du, u. genieße Dein Glück mit Dir. Ach Du kennst mich hierinnen; ich fühle mich nicht abgetrennt von Dir; ich genieße, ich lebe in u. mit Dir. O wenn ich Dirs so ganz sagen könnte! [ . . . ]
Du hast mir aufgetragen von den einsam glücklichen Orten unsrer Spaziergänge Abschied zu nehmen – O mein Herz, wie kann ich das, ohne Dich? ich zittre wenn ich daran gedenke!
[ . . . ]
Gott mit Dir!
Lieber Engel der Brief an Heyne ist nicht fertig worden; es schlägt 10 uhr u. die Post will nicht warten. Den nächsten Posttag also.
C. H.
Rom, den 2. Mai 89.
Heut ist der 2. Mai, liebes Herz, u. der erste Tritt aus meinem Bett ist an den Schreibtisch, um Dir an diesem Tage meine brüderliche Hand zu reichen. Ein sanfter Morgentraum treibt mich dazu u. die Art, wie ich aufgewacht bin, zu diesem Tage, den ich zum Tage meiner Reise, wiewohl vergebens angesetzt hatte, weissagt mir wie alles eine glückliche Zeit unsres fernern Zusammenlebens. Mir fällt dabei unsre Kopulation ein mit manchen kleinen Umständen, die mir oft als bedeutend in den Sinn gekommen sind; u. wie fröhlich ging nach Deinem Weinen die Sonne unter. Gräme Dich also nicht, liebes Herz, süße treue Seele; ich bin beinahe gewiß, der Himmel wird Dir wie mir eine glückliche Ahndung beschert haben am heutigen Tage u. wir wollen den weitern Weg unsres Lebens munter u. vergnügt antreten: zurücklassen, was nicht zu uns gehört u. mit wenigen treuen Menschen, am meisten mit uns selbst u. den Unsern leben. Angelika rechne ich auch zu dieser Anzahl; sie ist an Jahren über mir, u. mehr eine Seele, als ein Körper: sie ist aber ein so treues, gutes Herz, als wenige sein werden, u. da sie an mir u. durch mich auch an Dir mit einer recht wunderbaren Liebe u. ich möchte sagen, Andacht hängt: so wollen wir sie auch in diesen Bund reiner u. treuer Freundschaft aufnehmen. Sie sagt mir oft, daß ihr Glück des Lebens auch in der Entfernung davon abhängt, u. daß sie am liebsten jetzt gleich sterben möchte, nachdem sie mich, u. zwar auf so wenige Zeit, wie einen Traum gesehen hätte. Ich schreibe Dir dies alles hin, weil ich Dir alles schreibe: Du weißt, daß so etwas mich nicht eitel macht, sondern demütig. Ich sehe es als eine Güte des Himmels an, daß er mir die Bekanntschaft u. Freundschaft dieser edlen Frau noch zu guter letzt verschafft u. mich damit von allem abgewandt hat, was irgend auf eine törichte Art die Sinne empören könnte: denn sie reizt nicht die Sinne, sondern besänftigt sie, u. ist wie ein zartes gütiges Wesen. Habe sie also mit mir lieb, liebes Weib, die gute Seele; wir wollen auch in der Zukunft mit unsrer armen Exsistenz alles tun, was die willige Märtrerin ihrer Kunst erfreuen kann; sie grüßt Dich zu tausendmalen: denn ich habe ihr gestern, da ich sie einen Augenblick sah, gesagt, daß heut unser Hochzeittag sei. Und wenn ich heut bei ihr sein kann, wollen wir Dein u. der Kinder Andenken, als ob sie mit zu uns gehörte, feiern. Morgen geht die Herz. nach Tivoli: sie geht vielleicht mit: nach 3. oder 4. Tagen kommen wir wieder, u. denn steige ich flugs in den Wagen. Von Bernis habe ich gestern schon Abschied genommen u. bin also bis auf 3. 4. Besuche mit Ehren aus der großen Welt los. Man hat mir dabei so artige Komplimente gemacht, daß Einsiedel sagte, ich könnte sie einmal als Epigramme vor meine Leichenrede beirücken lassen. So ist auch der Wahn vorüber.
Wornach ich äußerst verlange, ist Dein Br. aus Florenz, ob ich gleich zweifle, daß dieser sich schon über meine Anfrage u. Bedingungen in Ansehung G[öttingens] erkläret. Ich möchte sogern die Sache geendigt oder eingeleitet wissen, ehe ich nach W[eimar] zurückkehre, wo es mir lieb ist, daß Alles schweigt. Über Karlsbad, u. wie sehr ich wünsche, daß Du dahinkommst, habe ich Dir neulich geschrieben; ordne alles aufs beste u. siehe das wenige Geld nicht an: wenn der Himmel mir das Vergnügen zugedacht hat, wird er alles fügen, auch mit meiner Schwester, die ich Dir nochmals aufs beste empfehle, ob ich dies gleich Deinem guten Herzen nicht tun darf, das sie gewiß als ihre eigne Schwester mit Nachsicht u. Liebe annimmt. Wie sonderbar machen sich die Dinge alle! u. wie sonderbar kommt mir jetzt Dein Traum vor, den Du mir nach Napel schriebst, daß wir weg sollten. Eben damals, als ich in Napel war, hat mans schon in Rom gewußt, daß ich nach G[öttingen] sollte: es war von G. aus brühwarm an einen Deutschen geschrieben. Nun wollte ich, daß sich Alles während der Reise zurechtlegte u. fügte, damit kein tötendes Nachgeschlepp würde. Frisch daran, u. Gott wird helfen. An die Fr. v. Fr[ankenberg] werde ich heut schwerlich schreiben können; ich kehre u. fege aus, bezahle, gebe wieder pp Auch drängen sich die Menschen zu; u. es ist wunderbar, welche Sensation ich mit meiner armen verschlossenen Exsistenz selbst hier in dem wüsten Rom u. bei Leuten gemacht habe, die ich bloß für Menschen aus u. für die große Welt hielt. Lebe wohl, liebe, ich werde gestört; vielleicht schreibe ich noch einige Zeilen.
Abend den 2. Mai.
– Als ich unterbrochen wurde, kam ich nicht weiter zum Br. Ich mußte nachher zum Chev. d'Agincourt, der mich 5. Tage nacheinander vergebens gesucht hatte. Als ich zurückkam u. bei der guten, lieben Angelika ansprach, steckte sie mir mit der bescheidensten Grazie ein kleines goldnes Kettchen an den Finger für Dich u. mich zum Andenken des heutigen Tages von Ihrer Seite. Sie ist ein gar liebreiches, sittliches, Engelreines Wesen. Ich kann Dir das Kettchen nicht schicken, da es den Br. zerreiben würde; also bringe ichs Dir mit, u. sende Dir jetzt nur ihren herzl. Gruß zu. Traue dem einsamen süßen Wesen auf eine ewige Freundschaft: ich danke dem Himmel, daß ich sie kennen gelernt habe u. liebe sie sehr.
Als ich nach Hause kam, fand ich Deinen lieben Br., halb vergnügt durch die Nachrichten von Dir, halb traurig der Niederkunft der armen Herzogin wegen. Ich war ganz betäubt u. ging zum Essen, wo ich die Herz. Am[alia] sehr niedergeschlagen fand. Nachher ging der Wirbel bestellter Stunden fort, bis Abend jetzt um 9. Uhr, da ich mich zu erholen eine Pfeife Tobak geraucht, ein Glas Wein getrunken habe. Nun ist keine Zeit mehr zu verlieren, da der Br. noch vor 10. auf die Post muß, u. ich noch gern nur ein Wort an die arme Herz. schreiben möchte. Also lebe wohl, gute Liebe, Du mein Weib, mein Schutzgeist u. mein Leben. Lebe wohl mit den Kindern u. habe u. behalte mich lieb. Ich umarme Dich von ganzer herzl. Seele, lebe wohl u. Gott sei mit Dir. Amen
H.
Das war die Gesch[ichte] vom 2.ten Mai mit Leid u. Freude; der Freude aber mehr. – Vale, valete.
Rom, den 2. Mai 89.
Nur Ein Lebenszeichen von mir, gnädigste Herzogin, daß ich Ihre heilige Hand ergreife u. Sie aufs innigste bitte, sich auch über den neuen Unfall zu fassen u. nicht hoffnungslos zu werden. Sie gehen freilich einen harten, dunkeln Weg durchs Leben; aber Geduld, Fröhlichkeit u. guter Mut leiten wechselsweise doch Schritt für Schritt weiter; u. am Ende sind wir alle doch nur Werkzeuge eines verborgenen Schicksals. Jetzt, da E[uer] D[urchlaucht] diesen Brief empfangen, ist ein Teil der trübsten Wolke vorüber: für uns ist der Schmerz gegenwärtig, der für Sie entfernt ist. So spielen Raum u. Zeit mit uns, u. was ist die Entfernung von Rom nach Weimar, u. die Zeit eines Briefes gegen unser Dasein.
o fortes peioraque passi – pellite curas
Leben Sie wohl, gnädigste Herzogin, edle Frau mit einem männlichen Mut; ich beuge mich vor Ihrem Schatten u. küsse aufs ehrerbietigste Ihre Hände oder den Saum Ihres Kleides. Leben E. D. aufs beste, da es sich tun läßt, wohl! wohl.
Herder.
Weimar, 3. 5. 1789
1. Will ich seine Schulden bezahlen, u. zwar auf eine Art daß im Publico nichts davon eklatiere.
2. Ihn zum Vize Konsist. Präsidenten mit der Versicherung ernennen daß er nach Abgang von Lynkern die wirkliche Präsidenten Stelle erhalten solle.
3. Ihm vom Quartal seiner Rückkunft an 500 Rtlr. inklusive der 300 welche er schon jetzt von mir hat, jährl. zulegen.
4. Ihm die Versicherung geben, daß ich es bei denen connutritoren der Akademie Jena durchsetzen wolle, daß ihm das Universitäts Kanzelariat übertragen würde.
5. Seiner Wittib ein Versicherungsdekret eines Witwen Gehalts von 200 Rtlr. geben.
6. Will ich für die Kosten des Studierens seiner Kinder u. für deren Unterkommen sorgen.
Carl August Hz. S. W.
W. den 3t Mai 1789
W[eimar,] d. 4. Mai 1789.
Liebes Herz, Es war gut daß ich letzthin mit Heynens Brief nicht zu Ende kommen konnte; er war zu weitläuftig. Auch geschah mir etwas närrisches dabei, als ich am Ende war u. die Worte schrieb: Sie sind das Werkzeug unsres Glücks –«, so kam über den Tisch her, eine große Spinne mir gerade übers Papier entgegen. Lächle nur; denn ich lache selbst über meine Albernheit, nahm mir indessen vor, einen andern Brief zu schreiben, den ich auch ohnedem geschrieben hätte, weil der erste nichts taugte.
Es ist alles Deinetwegen hier in großer Bewegung. Der Herzog ist den 2. Mai hier angekommen u. hat sogleich der Herzogin versichert, daß er Dich nicht gehen ließe, gestern gab er dem Goethe vorläufig auf einem Billet, die Punkte die er für Dich tun will; ich habe sie von ihm erhalten u. schreibe sie Dir ab, weil ich des Herzogs Billet verwahren will, ich ging auf die Promenade um die Stein aufzusuchen, die ich fand u. den Herzog bei ihr. Er trug mir gar eigends freundlich auf, Dirs zu schreiben u. besonders zu sagen, daß er ohnedem etwas habe tun wollen, Du sollst nicht glauben daß es dieser Sache wegen allein geschähe.
Alle Freunde sind voll Hoffnung daß Du bleiben wirst. ich habe dem Goethe gesagt, daß wir soviel haben müssen, wenn wir hier bleiben, daß Du nicht mehr schreiben dörfest. Dies habe ich ihm auf die derbste Weise gesagt u. er billigt es. Er meint auch, daß noch mehr Zulage unter den Namen für die Erziehung der Kinder, werden könne. Überlege u. beherzige alles in Deinem Gemüt wohl, lieber Engel! die Entschließung verspare bis wir uns gesprochen haben.
Man fühlt jetzt wohl, da Du weg sollst, was man an Dir hat. Die Gedanken hin u. her verwirren mich wieder so ganz daß ich einzeln keine Entschließung fassen könnte. Du bist jetzt von beiden Orten fern – betrachte beide in reinem Gesichtspunkt. O wenn es uns Gott sagen wollte! An Heyne habe ich heute einen andern kleinen Brief geschrieben der abschriftl. beiliegt. Es ist doch notwendig zu wissen, wie sie sich erklären. Denn Blindlings wollen wir ihnen doch nicht in die Arme fallen.
[ . . . ]
Die Herzogin habe ich aufs neue lieb innig lieb bekommen; ich sehe wie sie Dir so gut ist – mehr als wir wissen u. es geglaubt haben.
Der Hofkirchner kam den 2. Mai zu mir in den Garten, fragte mich auch wegen Göttingen u. sagte: o bleiben Sie doch, es werden so viele Rosen auf dem Grab ihres Kindes blühen – es ist alles voll Knospen; den andern sind sie erfroren.
Unser Gemüt u. die Vernunft wird in sonderbaren Streit kommen. Ach wie verlange ich nach Deiner Ankunft.
Zur Frau von Stein sagte ich: es wird schwer halten, daß er jetzt seine Gedanken wieder hierher lenkt, da er sich in allem schon fremd gefühlt hat. Es wird auch noch mehr erfordert, nämlich die alten Eindrücke auszulöschen u. frisch u. rein anzufangen. Die Steinin fühlt dies alles, wünscht u. hofft aber daß Du bleiben mögest; Du seist die Seele von Weimar. Die Herzogin will Dir selbst schreiben, sobald sie schreiben kann. Sie will Dir nur wenigstens selbst sagen, wie es sie schmerzt. Der Herzog ist heute wieder abgereist, ich bin diesen Mittag bei der Kalbin zum Essen gewesen; die Steinin, Imhof u. Knebel waren da, es war der Abschied, weil die Steinin morgen ins Embser-Bad geht. Den Nachmittag hörten wir abermals Claudine; morgen geht Reichardt fort. Goethe hat ihn über Erwarten gut aufgenommen, doch aber nichts anderst als Musik mit ihm abgehandelt.
Die Kinder grüßen Dich tausendmal. Es ist schön daß Du ihnen die Briefchen schenken wirst, sie sind fröhlich u. gut.
Jetzt da es Abend ist, finde ich daß es besser ist daß ich nicht an Heine schreibe, damit ich durch meine Person nichts verderbe, ich lege das Briefchen im Original aber nur zu Deiner eignen Ansicht bei.
Hier hat man schon ausgesagt, Du bekämest 3000 Rtlr. Besoldung u. die Witwe 500 Rtlr. u. die Kinder alle versorgt. – Heine schweigt von den letzten ganz still; u. dies ist doch wahrlich ein Hauptpunkt. Schreibe Du selbst über diese Sachen an ihn, bestimmt u. gerade heraus. Wenn ich so recht im Stillen überlege, so kommt mir die Frage ein: geraten auch die Kinder auf einer Universität, da sie täglich so viel Lärm u. Verführung um sich haben? u. dann möchte ich wieder wissen, ob Du selbst das Geschäft mit der Liebe forttreiben wirst, mit der Du Dirs jetzt vorstellst. Und doch kommt mirs oft sehr lebhaft vor, daß Du mit einem eignen Glück, Wohlgefallen u. großen Nutzen diese Arbeit tun wirst. O könnten wir doch nur darüber reden!
Lebe wohl Du mein Einziger! reise glücklich! Gott sei mit Dir u. seine Engel! Schone Dich u. erkälte Dich nicht liebes Herz. Du bleibst doch die Mittage stille liegen? Lebe wohl, mit jedem Tag sehne ich mich unruhiger nach Dir.
Lebe wohl.
W[eimar,] den 8. Mai 1789.
Meinen letzten Brief vom 4. Mai habe ich nach Bologna adressiert u. ich hoffe Du wirst ihn erhalten haben, Liebstes einziges Herz. Er enthält die Anerbietungen des Herzogs. – ich sagte zur Fr. v. Stein, (die mit der Herzogin Eine Seele hierinnen fühlt u. handelt) die 200 Rtlr. Zulage können u. werden Dir nicht genügen; sie glaubte es selbst, u. meinte Du müßtest jetzt Bedingungen machen. Sie sagte es nachher der Herzogin, u. diese ließ mich den Dienstag wieder zu sich rufen um mehr mit mir darüber zu reden.
Zum voraus muß ich Dir aber sagen lieber Engel, daß ihre Achtung u. Liebe für Dich, sich jetzt im reinsten Licht zeiget. Als ichs ihr sagte, daß Du einen so vorteilhaften Antrag nach Gött. hättest, vermutete ich daß sies schon wisse, weils der Herzog u. die ganze Stadt schon wußte; es war ihr aber noch unbekannt, sie war betroffen u. stille, u. es tat auf ihre Gesundheit einge Tage lang eine üble Wirkung; sie ward noch blässer, sehr matt u. kraftlos, u. sprach wenig; die Wochenbesuche trafen gerade in diese Tage u. ein jedes nahm Teil an ihrem Befinden. Jetzt gehets wieder gut. Wenn ich bei ihr bin spricht sie von nichts liebers als von Dir. Dein letzter Brief hat ihr außerordentlich wohlgefallen, u. wohlgetan. Man muß den Glauben an diese edle Seele durch nichts schwächen lassen; sie ist zu gut; u. jetzt kommts recht ans Tageslicht wie hoch sie Dich schätzt. Ihre Furcht daß Du weggehn wirst, ihr gutes Wort u. Wunsch hierüber zeigt es genug wie sie Dich liebt. Auch die Steinin zeigt sich als eine wahre Freundin. Der Herzog hat zur Herzogin u. ihr gesagt, es sei nicht möglich daß Du weggehn könntest – er wolle alles tun Dich zu erhalten. Dies alles jetzt vorausgesetzt so sagte mir noch die Herzogin, daß der Herzog nur einsweilen diese Punkte aufgesetzt hätte, damit Du Deine Wünsche u. Bedingungen dagegen äußern mögest, u. daß der Herzog alles erfüllen wird.
Diesen nämlichen Tag, war Vormittags die Buchhändl. Ruprechtin aus Göttingen mit ihrem Mann bei mir. Sie erzählten mir, wie die meisten Professoren u. Studenten Dich dort erwarteten mit großer Freude; es seien zwar auch welche die es nicht glaubten, weil sies nicht gerne sähen; u. so seien denn die Stimmen vor u. gegen Dich geteilt; doch mehr auf Deiner Seite. Nun ließ ich mir von der dortigen Lebensart erzählen; die vornehmen, reichen u. eingenisteten, leben sehr gut u. sehr zerstreuend. Alles ist auf den Aufwand gestimmt. Indessen leben die gescheuten einsam u. allein für sich. Freundschaft hält niemand recht viel miteinander. Heyne lebt für sich; seine Frau ist Hypochonder u. kränklich u. geht zu niemand. Eichhorn geht nur mit Schlötzer um, u. lebt sehr eingeschränkt.
Um einen Dritteil ist es teurer als hier. Das Klima wie das hiesige, nur viele Nebel wegen dem nahen Harz. Es sind 5 Prof. aus Schwaben dort, die halten sehr zusammen. Indessen konnte die Ruprechtin, so sehr sie alles lobte u. für die Leute eingenommen ist, nicht umhin sagen, da ich äußerte daß Du Dich der Kinder wegen vorzüglich entschließen würdest, wenn Du den Antrag annähmest; daß die jungen Knaben schon so früh, mit dem 12–14 Jahr den Studenten in Kopf bekämen u. eben so früh in die Collegia gingen. Wie das Gymnasium dort beschaffen sei, wisse sie nicht. Ruprecht erzählte ferner daß Deine Stelle eine ganz abgesonderte Professor Stelle sei – Du seist nicht im Rang mit den andern, u. hättest also dadurch eine große Annehmlichkeit, da Du nicht in Kollision kämest mit den andern. Dies scheint bloß Gerede der Leute. Über Eichhorn gehn 2 Gerüchte. Das eine, er sei sehr vergnügt in Göttingen u. Michaelis habe für dies halbe Jahr kein Collegium zu Stande gebracht. Das andere; er sei im Innern nicht vergnügt. Habe dort bei weitem nicht die Zuhörer als in Jena, u. die Frau jammere sehr, u. könne es dort nicht gewohnen; Er hat sich ein Haus für 5000 Rtlr. gekauft, dieses Geld habe er sich aber in Jena gesammlet.
Die ganze Erzählung der Ruprechtin machte leider bei mir nicht den gewünschten Eindruck. Ich stellte Dich mir nun als den theologischen Professor vor der über Dogmatik u. Homiletik u. wie es weiter heißt sitzt u. 4 Stunden des Tages, den jungen meist rohen ungebildeten Menschen sein bestes Mark hingibt u. dafür, denn alle halbe Jahr 2000 Rtlr. mit Besoldung einerntet. Dafür aber, zu seiner GemütsErholung sich mit neuen, fremden Geistern, (die meist weiter zurück sind) sich erst üben u. versuchen muß, so wie unser Gemüt sich furchtsam nach einem Freund u. Freundin umhersehnen wird u. auch da wieder erst suchen, fehlgreifen u. prüfen wird.
Doch dies ist vielleicht alles zu suchen u. zu finden – nur glaube ich nie, nie wieder so wie hier. Die Herzogin sagte mir letzt: die Berlepsch wird Dich tot machen; Zimmermann der einen breiten Rücken hat, habe sie nicht mehr ertragen können. Die Gräfin Bernstorf zeigt sich auch jetzt wieder als eine wackre Frau u. ihre alte Zuneigung erscheint wieder. So wie die ganze Stadt nur Eine Stimme ist. Der Herzog u. die Herzogin sind hierinnen freilich die vornehmsten; u. es freut u. rührt mich daß sie sich jetzt so zeigen.
Nichts ist mir angelegentlicher zu wissen, als welches Geschäft Deinem Geist u. ganzer Exsistenz zuträglicher, befriedigender u. erheiternder sei: das in G. oder hier? Zu überlegen ist es wohl, daß Du dort nur theologische Sachen zu lesen hast – u. dies so von Morgen bis Abend! Willt Du etwas Philosophisches nur schreiben, so hast Du die ganze Fakultät zu Feinden. Außer Deinem theol. Metier ist für Dich nun kein Heil. Und schreiben darfst Du nicht aufgeben. Ruprecht sagte, die meisten H. Prof. haben auch durch ihre Schriften viel gewonnen, so wie sie auch alle sehr fleißig schreiben, weil es vom Ministerium in Hannover gern gesehen wird. – Dies alles lieber Engel beherzige doch mit ruhiger Seele.
Ein altes Joch abzuschütteln hat viel Reiz u. in dem süßen Wahn von abschütteln, glaubt man daß der neue Stand keine Bürden habe.
Des Herzogs Anerbieten ist zu beherzigen; noch mehreres zu bedingen; worunter ich auch 400 Rtlr. Zulage rechne, ohne die es nicht sein darf. Aber nicht unter dem Namen Erziehung der Kinder, dies wäre entehrend für Dich. Daß wir die Kinder hier moralischbesser erziehen werden, ist keine Frage, u. wir selbst leben edler, neidloser u. menschlich glücklicher hier; dies sagt Dir gewiß Dein Herz auch, wie es das meinige sagt.
Über die Sicherheit der Unterstützung u. Versorgung der Kinder, davon wollen wir mündlich reden; so wie über noch manch anderes. ich bin jetzt in der Sorge daß meine Briefe an Dich erbrochen werden; u. mag nicht alles schreiben.
Mögen auch die, die sie erbrechen, hier einsehen u. lesen: daß das Schicksal dem Verständigen u. Rechtschaffenen zu seiner Zeit hilft. [ . . . ] Wenn es Dir möglich ist liebstes Herz so schreibe nur einen kleinen guten Brief an die Herzogin; sie ist es ihrer goldenen Seele wegen tausendfach wert. Auch dem Herzog wünsche ich daß Du schriebest – wenn Du ihm auch schon nicht ganz zusagest, sondern lieber alles auf die Rückkehr versparest, so verdient doch sein Anerbieten ein gutes dankbares Wort; so wie man wirklich diese Zuneigung der Gemüter jetzt nicht so gering achten muß. Die Herzogin sagte mir noch, der Herz. habe dies nicht auf Zureden getan, es sei ihm aufs allerhöchste fatal daß Du wegwolltest, u. es sei dies seine eigene Bestimmung Dir dieses u. noch mehr zu geben, was Du verlangen wirst. Du möchtest doch nur Dein Jawort nicht an Göttingen geben.
Zureden aber, wollten wir Dir nicht, dies haben wir ausgemacht; u. dabei bleibt es. Überlege alles wohl in dieser Zeit der Herreise; es ist auch dies gut, daß Du es so lange überlegen kannst. Das gute Schicksal mag u. wird auch Dich bestimmen, zum bleiben oder zum gehen, wie es uns gut sein wird. Auch daß Du beim avancement übersehen worden bist muß uns die Lehre geben: daß das Schicksal Dich dennoch nicht vergißt, wenn man schon glaubt, es denke nicht an uns; zur Entschuldigung des Herzogs kann vielleicht gesagt werden: daß er bei Deiner Rückkunft, Dich zum VizePräsidenten habe erklären wollen. Denn sehr angelegentlich hat er mir aufgetragen Dir zu schreiben, daß Du doch ja nicht glauben sollst, es geschähe bloß der gegenwärtigen Veranlassung wegen, er habe ohnehin etwas tun wollen.
Die Steinin kann ich nicht genug loben bei der Gelegenheit. Da der Herzog in Aschersleben war, so hat sie in der Herzogin u. in ihrem Namen an ihn deswegen geschrieben, u. ich glaube, daß er nur bloß deswegen auf zwei Tage herübergekommen ist; alle Vernünftige sehen ein, daß er Dich unmöglich gehen lassen kann; er ruiniere sich Jena beinahe, u. auch Weimar selbst; auch wünschens die Guten um des Herzogswillen selbst. –
Sobald Du kannst so schreibe nur ein paar Reihen auch der Steinin. Sie ist es wert; u. dann tröste sie auch, sie ist sehr sehr unglücklich u. G. beträgt sich nicht hübsch. Da die Unglücklichen immer unter der Zahl der Heiligen bei mir sind, so steht auch sie jetzt bei mir in dieser Zahl, u. ich fürchte der Kummer verkürzt ihr Leben. Sie ist den Dienstag nach Embs ins Bad gereist. Er hat sein Herz, wie sie glaubt, ganz von ihr gewendet u. sich ganz dem Mädchen (die eine allgemeine H. vorher gewesen) geschenkt. »Ich habe mich immer auf Herdern gefreut, sagte sie mir, wenn er wiederkommen wird, so bleibt mir nun gar nichts mehr.«
Ich sagte ihr neulich bei der Kalbin, da Knebel auch mitgegessen; daß sie sich so brav gezeigt hätte, wollte ich ihr das lateinische Sprichwort zum Motto geben: amicus certus pp Knebel verstand mich recht gut daß das Motto auch ihn galt u. er wurde noch recht gut, u. meinte Du könntest u. dörfest nicht von hier fort. Sie sehn Dich doch alle als den notwendig moralischen SchutzEngel an.
Was sagst Du zu dem Kanzelariat über Jena? Goethe meint, er wolle Dir nicht dazu raten, Du würdest Dir den Griesbach zum großen Feind machen. Nachdem ichs aber so bei mir überlege, glaube ich doch, daß es anzunehmen ist, wenn Du hier bleibest. Dieser Einfluß ist von zu großem Wert u. wirklich gutem Nutzen auch in der Folge der Zeit u. darf nicht ausgeschlagen werden. Sobald man sich in einem Staat festbinden will, so muß man auch kein Seil dieser Art ausschlagen.
Der Hauptgedanke Deines lieben Briefs den ich gestern erhielte, daß man sich aisance verschaffen müsse, ist u. bleibt wahr u. muß von uns bedacht werden, ich habe es der Herzogin neulich gesagt, daß das Gefühl, von Mangel an Eigentum, das Dir durch die Reise so lebhaft und bitter geworden ist, Dich nach Gött. entschließen wird. Sie nahm diese Wahrheit gut auf u. billigte dies Gefühl. »Wenn nun aber der Herzog für die Kinder sorgen will; wird er dies nicht in Anschlag bringen?«
Diese gute Aussicht für die Kinder muß man doch auch als ein Kapital ansehen das einem eben so sicher ist, u. das man sich dort erst erwerben müßte. Daß das Land dort größer u. reicher, u. die Versorgungen der Kinder vorteilhafter sind, das ist wahr; aber bei dem vielköpfigen Ministerium wird man auch zu seiner Zeit, sich deswegen kriechen u. schmiegen müssen.
Liebes Herz, Du wunderst Dich gewiß daß ich jetzt so anderst als in den vorhergehenden Briefen rede; es ist aber notwendig, daß man das Gute u. Schlimme auf beiden Seiten beherzige u. nur das wähle bei dem sich unsre Exsistenz am wenigstens gedrückt fühlt, nach der Art wie man zu leben u. zu empfinden gewohnt ist.
Ich habe zu allen gesagt, daß Du noch keinen Entschluß gefaßt hast, noch fassen wirst, bis Du hier seiest. Wende diese Zeit zur besten Überlegung an.
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Die Ruprechtin sagte mir auch, daß Koppen Frau an der Auszehrung ohne Hoffnung läge. Die Nähe des Harzes scheint doch auch nicht gesund zu sein. Ich schreibe Dir dies alles, liebes Herz, damit Du alles bedenkest. Mündlich wollen wir alles noch vollständiger beherzigen, das pro u. contra, u. da ist es noch immer Zeit daß Du Dich entschließest.
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Die Kinder sind alle wohl. Ihre Briefschreiberei hat das schöne Wetter ganz zerstört. Es wird jetzt von nichts anderm, als Deiner Ankunft gesprochen; dies muß Du für Briefe annehmen.
Meinen nächsten Brief werde ich Dir wieder nach Parma adressieren. Gott führe Dich [auf einem] guten glücklichen Weg zu uns, entweder durch die Schweitz oder Venedig.
Ich habe so eben die LandCharte aufgeschlagen u. begreife nicht wie Du bei dieser angehenden Hitze von Mailand nach Venedig das obere Italien quer herübergehn willt. Mein unmaßgeblicher Rat ist dieser: Du gingest durch die Schweitz u. entkämest bald der Hitze. Dieser Weg würde Dir in allem Betracht an Leib u. Seele wohl tun u. mich Deinetwegen sehr beruhigen. Tue es, lieber Engel; Du wirst durch den Eindruck dieses Landes, auch für uns wieder eingeweiht u. eingeboren.
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Goethe sagte diesen Winter einmal, daß Mailand bei weitem nicht so intressant sei als Venedig. Indessen was Du in Venedig zu sehen bekommst, hast Du in Neapel unendlich schöner gesehen; u. was Du da zu hören bekämest, hast Du in Rom eben so gut gehört; u. die Gefahr in der Hitze jetzt dort zu sein ist wohl zu überlegen u. zu meiden. In der Schweitz reisest Du sichrer für Deine Gesundheit. O wenn mich bald ein Brief hierüber beruhigte! Nach Carlsbad komme ich nicht, wie ich schon in Briefen Dir geschrieben habe. Reise doch ja bequem liebe Seele u. lasse Dir u. Deinem Gefährten nichts mangeln. Es gehet jetzt [in] Einem Bezahlen hin. Die Göttinger oder der Herzog werdens tun. Kehre nur [gesund] zu den Deinigen zurück; zögern kannst Du, so lange Du willt. Mein Traum den ich Dir letzthin geschrieben habe, macht mich auch gar Venedig fürchten, weil es eine Stadt am Meer war. Gehe lieber nicht über Venedig.
Nun lebe tausend tausendmal wohl mein Einzig Guter. Gottfr. wird Dir vielleicht noch schreiben. Alle küssen Dich, ihren lieben Vater, für den wir alle beten. Gott begleite Dich.
Wie freue ich mich, daß Du noch einen Gefährten hast; er beruhigt mich sehr, da Goethe so viel Gutes von ihm erzählt hat. Lebe wohl mein Süßer, u. reise glücklich!
C. H.
Rom 9. Mai [1789]
Liebes Herz. Dies ist der letzte Br. den ich Dir aus Rom schreibe; es sei denn, daß ich Dir Einen zurücklasse, oder daß meine Reise durch äußere Umstände aufgeschoben würde.
Gestern Nacht sind wir von Tivoli zurückgekommen, wo wir sehr vergnügte Tage gehabt haben, u. ich schätze sie mit unter die glücklichen meines Lebens, d. i. unter die glückl[ich]sten die ich in Italien erlebt habe; deren sind mir wenige worden. Die Gegenden der Natur haben Reize auf mich, die mir immer unaussprechlich, d. i. sehr einsam-still waren; so war Tivoli, das Adieu von Rom u. ein wahrer Hymnus für mich im höchsten Grad. Unsre sehr zahlreiche Gesellschaft stimmte sehr gut zusammen, u. für mich (ich glaube für alle, unerkannter Weise) war Mad. Angelika, eine schweigende sittliche Grazie, gleichsam der Zusammenklang, der der ganzen Natur u. Gesellschaft Ton gab. O was ists für eine Grazie, eine sittsame Menschennatur; eine Natur, wie die Deine, ohne Ansprüche u. mit sanftem Gefühl der großen Ordnung aller Wesen. Die Herzogin ist auch sehr vergnügt gewesen u. ich scheide vergnügt aus Rom, bloß Tivoli's halben.
Deinen Br. nach Florenz geschrieben, fand ich bei meiner Rückkunft hier. Mich freut Dein Wohlsein, u. ich hoffe, daß alles so wahr sei. Mit Karlsb. will ich Dich weiter nicht plagen; da wir so weit mit unsern Br. aus einander der Zeit u. dem Raum nach sind, so wird sich das Weitere von Deiner u. meiner Seite auf der Reise geben.
Deinen bösen Tr[aum] lege ich, in Ansehung der Bettler, deren Handwerk ich nicht mitmachen wollte, von Deinen Gedanken über Gött. aus. Tue Dir keinen Zwang an, liebes bestes Herz, Du hast jetzt meine Br. empfangen u. wirst entschieden haben. In Ansehung des Verlassens hat der Name Ariadne dazu Anlaß gegeben; fürchte Dich aber nicht dafür. Wohin könnte ich fliehen? alles treibt mich zu Dir, u. Du wirst keine rohe stürmige Heldennatur, sondern eine sanfte sittliche Menschennatur an mir sehen. O ich habe gelernt, was ich an Dir habe, wenn ichs auch nie gewußt hätte; fürchte auch nichts von der Angelika Freundschaft. Sie ist die honetteste Frau von der Welt; ihr u. mein Gemüt wendet sich anders wohin. Sie ist, wie ich wiederholen muß, eine wahre sittliche Schönheit, die Dich wie eine Göttin verehret u. mich wie einen Geist der Erscheinung liebet. Sie grüßet Dich aufs schönste; u. nimm von meiner Hand ihren Gruß an; sie ist ein lieber guter Engel; in Tivoli ist ihre Silhouette genommen, die ich Dir nächstens senden werde. Sie hat mir recht sehnlich aufgetragen, Dich aufs schönste zu grüßen, u. ich wollte, daß Du, wenn Du es nicht getan hast, auf Ihren Br. an Dich, an Sie schriebest. Lege nur den Br. in den Meinigen ein; ich wollte, in keinen andern. O über wie manches werde ich indessen schon Antwort von Dir haben, wenn dieser Br. ankommt.
Lebe wohl, liebes Herz, ich muß in die neue Oper zum letztenmal, u. schreibe noch einmal aus Rom vor meiner Abreise. Tag u. Stunde sind noch nicht bestimmt; aber diese Woche, die wir morgen anheben, gehts in Gottes Namen fort. Lebe wohl. Grüße u. küsse die Kinder. Auch alle gute Freunde u. die arme gute Herz. besonders. Die Herz. Amalia wird mir einen Br. an Dich mitgeben, den ich nicht aufmachen soll. Sie ist sehr gut. Lebe wohl, liebe Seele, u. sei mir gut. Gott sei mit Dir u. mit mir auf der Reise. Grüße die Fr. v. Fr[ankenberg], an die ich nächstens schreibe. Lebe bestens wohl, wohl.
Weimar, 10. 5. 1789
Ich wünsche dir mit diesem Blatt noch irgendwo zu begegnen, da ich von deiner Frauen höre daß du, mehr als gut ist, dem Gedanken nachhängst: von hier zu scheiden und nach Göttingen zu gehen. Wenn es dein Glück, dein ökonomischer Vorteil ist; so will ich dir es gern gönnen und selbst raten; aber wenn man vorteilhaft tauschen will; so muß man das nicht verachten was man besitzt. Entschließe dich zu nichts bis du wieder da bist, laß uns alles erwägen und dein und deiner Kinder Heil soll entscheiden. Jetzt beruhige dich! Allein, unberaten, ohne Stimme eines Freundes, agitiert von so vielen Gegenständen, unbehaglich mitten in den Unbequemlichkeiten der Reise, da ist wahrlich nicht der Platz einen Entschluß zu fassen der das künftige Schicksal bestimmen soll. Hier ist zu rechnen und nicht zu fühlen, zu erwägen und nicht in einen Lostopf zu greifen.
Dein und deiner Frauen jetziger Zustand macht mir recht bange. Wenn ihr euch nicht im Glauben und Zutrauen an einen Freund halten mögt, den ihr lange genug kennt; so seid ihr in Gefahr euch auf Zeitlebens zu Grunde zu richten.
Ich wiederhole: Mir ist nicht an Weimar noch Göttingen gelegen, sondern an dir und den deinigen. Bedenke daß du nicht als ein junger Mensch dein einzeln Schicksal aufs Spiel setzest, das in der Folge sich immer wieder bessern kann, wenn man es auch einmal verpfuscht, sondern daß du in Jahren, mit einer großen Familie dich veränderst und daß dein Gemüt, wie das deiner Frau nicht aushalten würde, wenn der Göttinger Zustand mißlingen und euch drückend werden sollte.
Reise glücklich und komm gebadet zu uns, dann wollen wir konsultieren und dein Heil soll das höchste Gesetz sein.
Lebe wohl. Ich habe mich wacker durchgehalten und bin wohl und vergnügt. Ich brauche noch auf mehr als eine Weise deinen Segen und deine Hilfe, die du mir nicht versagen wirst, wenn auch dein Entschluß dich zum Scheiden von uns neigen sollte. Leb wohl.
Weimar, 10. 5. 1789
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Leider zeigt Herder in seinen Briefen einen großen Hang nach Göttingen, der die Frau selbst verlegen macht. Ich habe ihm wieder geschrieben keinen Entschluß zu fassen bis er wiederkommt.
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W[eimar,] d. 10.[/11.] Mai 1789.
Liebstes Einziges Herz. Du wirst meinen letzten Br. vom 8. Mai den ich nach Parma adressiert habe, doch nicht so aufgenommen haben, als wollte ich Dich zum Bleiben bereden. Nein, liebes Herz, folge hierinnen ganz Deiner Neigung. Denn wo Du glücklich bist, da bin ichs auch. Ich habe heute Deine letzten, lieben Briefe wieder gelesen, u. Deine Stanzen zweimal, u. mein Herz ist unaussprechlich bei Dir. Deine treuen Worte, Dein Geist u. Deine zarte Liebe zieht mein ganzes Leben u. Dasein nur für Dich auf. Alles reizt mein Verlangen nach Dir – die wunderschöne Blütenzeit bei dem hellen Himmel u. der sanft schwermütige Mond, der mich meine Einsamkeit recht empfinden läßt – u. die tausend Gedanken, Fragen, Wünsche u. Hoffnungen, was das gute Schicksal uns bereiten will, das so unerwartet jetzt an Dich, an uns, gedenkt – u. die Hoffnung Dich bald wiederzusehen, bewegt auf so tausend Weise mein armes Herz. Beschließe nur nicht, bis Du hier bist; mündlich läßt sich über alles unendlich besser reden u. beherzigen.
Ich habe Dir bisher Goethe so wenig genannt, weil ich ihn wenig allein gesprochen habe. Gestern hat er den Tasso, bis auf 3 Szenen bei der Herzogin vorgelesen; o wie bestrafe ich mich, daß ich ihn auch nur einen Augenblick verkenne. Er ist durchaus eine treue männliche Seele – u. es freut mich daß Du dies in einem Deiner letzten Briefe so gut wieder erkennest; er kam gestern Abend noch zu mir u. da wir über Tasso fertig waren, (über den Du Dich gewiß freuen wirst) warst Du unser Gespräch. Dem Herzog hat er gesagt daß unsre Schulden 1800 bis 2000 Rtlr. betragen. Es war des Herzogs eigner Entschluß sie zu bezahlen. Die übrigen Bedingungen müssen alle alsdann noch besser u. anderst eingerichtet werden, wenn wir bleiben wollen. [ . . . ]
Unter die glücklichsten Ereignisse Deines Lebens, u. Deiner Reise, rechne ich je länger je inniger, die Freundschaft der Einzig Trefflichen Frauen! Gott hat sie Dir u. uns gegeben! Auf das sonderbarste werde ich gerührt, durch alles was Du mir von ihr sagest. O Du gutes Herz, Du bist es wert das beste u. vortrefflichste zu besitzen – ertrage den Abschied Du Armer; ich klage in meinem Herzen für Dich, darüber; keine Zeit noch Entfernung soll sie Dir u. uns rauben.
Ihr Brief an mich ist so brav u. edel daß der meinige fast ein Geschwätz dagegen scheint u. es doch nicht ist. Mein Gemüt ist auf eine sonderbare Weise gegen diesen Engel bewegt u. hingezogen u. daß sie mir gut ist, verdanke ich Dir ganz allein. Noch mehr aber danke ich ihr daß sie Dein Gemüt u. ganze Seele wieder reingestimmt, was die häßliche Pandora verstimmt hatte.
Von Gott kommt alles – die Freunde vor allen, u. in ihm vereinigen sie sich auf ewig.
Von Deiner Herreise, meint Goethe, Du hättest besser getan, wenn Du von Bologna nach Ferrara u. den schönen Städten hinauf nach Venedig, dann quer über Oberitalien nach Mailand u. durch die Schweiz gegangen wärest. Jetzt da Du schon in Parma seist, ginge dieser Weg nicht mehr an. Parma läge schon zu weit ab von dieser Route. Recht leid tut es mir daß Du Venedig nicht siehst. Ich nehme alles wieder zurück was ich von meinem Traum letzthin geschrieben habe. Wir sind ja überall in Gotteshand; u. Träume sind ja nicht immer Weissagungen. Ich wünsche gar sehr, daß Du Deine Rückreise so einrichten mögest, daß Du ganz von ihr zufrieden seiest, u. nichts intressantes vermissen mögest. [ . . . ]
Ich habe diesen Posttag auf einen Brief von Dir gehofft, aber vergebens. Ach wenn die Tage doch jetzt Flügel hätten! Deine Trennung von der Guten Heiligen darf ich mir nicht denken. Ich fühle daß Du ein solches Kleinod noch nicht gefunden hast. Laß uns Gott dafür danken, u. das Bittre dabei standhaft ertragen. Wir sehen sie gewiß noch einmal; ich wünsche oft, daß sie Dich nach Florenz begleiten möge.
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Die Kinder sind wohl u. freuen sich des herrlichen Wetters, u. küssen Dich tausendmal. Lebe wohl mein Engel. Gott sei mit Dir!
Wenn Du die Abende in der Herberge so allein bist, so denke daß ich bei Dir bin, auf Deinem Schoß sitze u. meine Arme um Dich schlinge, wie ich Dich denn ewig umfasse.
C. H.
d. 11. Mai.
Wenn der Brief an die Liebe, Dir nicht gefällt so behalte ihn zurück u. grüße sie tausendmal.
So eben schickt Goethe diese Inlage – ich setze nichts dazu, seine Stimme redet von selbst u. Du wirst sie gut aufnehmen.
Wenn Du mir in Deinem nächsten Brief nicht andre Ordre gibst, so adressiere ich meinen künftigen Brief nach Mailand.
Lebewohl wohl!
Weimar d. 11t. Mai 1789.
Kommen Sie, kommen Sie liebster Vater aus dem heißen Italien bald zu uns, wo Phöbus und schwüle Gewitter Sie jetzt drücken; eilen Sie, zu unsrer kühleren Atmosphäre, und laben Sie sich bei uns. Wie freu ich mich in der Hoffnung Sie zuerst wieder zu sehn, denn als Ritter werde ich Ihnen gestiefelt und gespornt entgegenkommen. O, wie wirds mich freun, wenn Sie mich oft in meinem hohen Stübchen besuchen werden, das Sie gewiß tun, denn ich und August sind in die Stube gezogen, wo ehedem Herr Liebeskind gewohnt hat, und es gefällt uns außerordentlich wohl darinnen, weil wir eine so herrliche Aussicht haben. O sind Sie nur erst in Carlsbad, da sind wir nur 3 Tage von Ihnen entfernt, und sehen Sie dann schon im Geiste. Bestimmen Sie nur ja den Tag, daß wir Ihnen alle entgegen kommen und Ihren Umarmungen zuvor kommen können. Leben Sie wohl, geliebtester Vater, bleiben Sie auf Ihrer heißen Reise gesund, und behalten Sie lieb
Ihren gehorsamsten und Sie zärtlichst liebenden Sohn
Gottfried Herder.
An meinen lieben Vater
nach dem Catull, I, 9.
Geliebtester, du mir von allen Menschen
Verständigster, der liebste mir, der Beste;
Du kömmst zurück zu deiner süßen Heimat,
Zu deinen Herzenskindern, deiner Gattin;
Du kömmst zurück, o welche sel'ge Botschaft!
Ich werde Dich gesund nun wiedersehen,
Ich werde dich vom Lande der Lateiner,
Geschichten, Trümmern, Wohnungen und Sitten
Erzählen hören; denn so pflegst du, Guter.
Ich werde an den Busen dir die Lippen
Voll Freude drücken, dir die Augen küssen!
O wer von Menschen glücklich ist und sein kann,
Der fühle meine Freude, meine Wonne.
Weimar, 11. 5. 1789 [?]
Lieber Vater.
Nun kommen Sie bald wieder lieber Vater. Jetz ist bei uns schönes Wetter, aber wir gehen nicht viel Spazieren aber wir gehen dafür in den Garten. Nun lieber Vater wollen wir Sie freudig empfangen Leben Sie wohl lieber Vater. Ihre Getreue Tochter
Luise Herder 1789
W[eimar,] d. 12. Mai 1789.
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Eine meiner vorzüglichen Sorgen ist nun Herders Schicksal. Sie werden mir erlauben, daß ich einmal gelegentlich über diesen Fall und verwandte Fälle, ein Wort aus dem Herzen sage.
Es wird einem Fürsten, der so mancherlei Mittel in Händen hat, leicht das Glück von manchem, besonders der Nächsten zu machen, wenn er es wie eine Baumschule behandelt, nach und nach und immer so fort wenig, aber das wenige zur rechten Zeit tut. So kann der Mensch, dem nachgeholfen wird, von sich selber wachsen. Und am Ende von allem, was unterscheidet den Mächtigen? als daß er das Schicksal der seinigen macht, es bequem, mannigfaltig und im großen machen kann, anstatt daß ein Partikulier sein ganz Leben sich durchdrücken muß, um ein Paar Kinder oder Verwandte in einige Aisance zu versetzen.
Rom den 13. Mai 89.
Wohlan denn in Gottes Namen: der Koffer ist gepackt, alles ist abgetan: morgen früh geht es aus Rom gen Pisa in Gottes Namen. Ich bin gesund, u. habe, alles überlegt, in Rom sowohl als in Napel eine Aufnahme gefunden, deren sich wenige Fremde rühmen können. Ich habe gesehen, so viel u. mehr als mir not ist; daß meine Hoffnung in Ansehung der Bibliotheken nicht erreicht ist, hat nicht an mir gelegen. Die Herzogin grüßet Dich aufs beste u. will mir einen Br. an Dich mitgeben, liebes Herz, den ich Dir aber erst selbst überreichen soll. Sie geht künftigen Sonntag auch fort u. hat ihren Aufbruch um einige Tage beschleunigt: sie geht nach Napel, also nach Süden, ich nach Norden; u. zuerst ins stille Pisa, wo es mir, wie ich zuvor weiß, sehr wohl sein wird. Die liebe, über allen Ausdruck gute Angelika grüßt Dich auch herzlich u. schickt Dir ihre Silhouette. Nimm sie mit Liebe u. Freundschaft an: der Engel hat in den letzten Monaten oder Wochen mir den Aufenthalt hier über alle Maße erfreulich gemacht, so viel es in ihren Kräften gestanden; ich wollte, ich hätte sie früher kennen lernen, die honette, stille, schöne Seele. Sie hat mich sehr lieb u. ich sie auch; unsre Freundschaft wird mit jedem Jahr zunehmen, denn sie ist auf reine Achtung u. Liebe gebauet. Du wirst u. mußt auch, wenn Du mich lieb hast, so herzl. als ich an dieser Liebe teilnehmen: Du wirsts, sobald Du sie näher kennen wirst, die zarte, gute Seele. Die Herz. selbst hat große Achtung für sie; ja alles was sich ihr nähert, muß Achtung für sie haben, da sie wirklich wie ein kleiner wohltätiger Geist lebet. Heut Mittage esse ich noch bei ihr, u. Nachmittag wollen wir noch, einige zurückgebliebene Sachen zu sehen fahren. Der Himmel segne u. bewahre das gute Wesen.
Den nächsten Br. also empfängst Du, so Gott will, aus Pisa, u. es wird, wie ich hoffe, ein fröhlicher Br. sein. Ich habe das schönste Wetter, u. der später eingetretne Frühling ist mir jetzt sehr willkommen, so unangenehm mir das lange Warten auf ihn u. die Campagna war. Lebe also wohl, liebes Herz, Du u. die Kinder; wenn Du diesen Br. erhältst, bin ich schon viel näher bei Dir. Gott empfohlen. Sorge für Deine Gesundheit u. grüße die Schwester, wenn sie wie ich glaube, da ist. In Florenz werde ich Deine lieben Br. finden. Lebe wohl, gute Seele, Du nicht-verlassene Ariadne, lebe wohl. Sei fröhlich, u. denke auch an mich fröhlich: es geht mir allenthalben wohler, als ichs verdiene. Lebe wohl, meine Liebe: lebewohl u. grüße alle die sich mein in Liebe erinnern.
<Beilage: >
Kommission
NB. Aufs baldigste, baldigste u. mit erster Post schicke doch des Königs v. Preußen Œuvr. posthumes, die bei Ettinger herausgekommen sind, unter der Herzogin Adresse, die Du bei Ludekus erfragen wirst, hieher. Das Päckchen wird nach Rom adressiert; im Fall aber die Herz., wie wahrscheinlich, nicht mehr da, sondern in Napel sein sollte, so kann unter die Adresse an Sie gesetzt werden,
dal Sign. Consigl. Reiffenstein
so wird das Päckchen bei ihn gebracht, u. er beförderts weiter. Aber ja unter ihrer Adresse: oder Du kannsts Ludecus geben, daß ers aufs eiligste befördre: denn ihr ist viel, viel dran gelegen. Lebe wohl, beste.
W[eimar,] d. 15. Mai 1789.
Dein lieber Brief vom 29. Apr. den ich gestern erhalten habe, Du EinzigGuter, macht mich über Carlsbad aufs neue unschlüssig u. unruhig. O Gott wie verlange ich Dich zu sehen! u. der Gedanke Dich im Carlsbad wiederzufinden hat mich vielleicht mehr als die Arznei selbst, gesund gemacht. Ich will Deinem u. meinem Verlangen nicht ganz widerstreben; will zusehen wie es wird, wenn die Schwester ankommt, die ich tägl. erwarte. Meine u. Gottfrieds Gesundheit sind gut; Rhabar. u. China tun abwechselnd mit dem schönen Wetter, alles was wir wünschen. Wir sind wohl. Ich halte es beinahe für einen kleinen Übermut die Reise zu tun, wenn mich nicht das Verlangen Dich zu sehen, entschuldigte. Gewisses will u. kann ich heute nicht versprechen, bis Deine Schwester kommt. Sie ist in Leipzig wo sie wegen aufgebrochenen Füßen liegen u. ausruhen mußte – sie ist sehr mutlos hierüber, ich habe sie aber getröstet daß dieser Umstand ihr Leben verlängern wird. Wenn sie kommt, will ich gleich Starke holen lassen. Sie hat leider die Reise mit Hartknochs Diener auf dem Postwagen tun müssen u. daher sind ihre Füße so schlimm geworden. Hartknoch ist den Tag, da er von Riga abreisen wollte, an einem aufgebrochenen Lungengeschwür gestorben; sein Sohn hat es mir gemeldet u. aufgetragen es Dir zu sagen u. ihn Deiner Freundschaft aufs angelegentlichste zu empfehlen. [ . . . ] Es ist unmöglich lieber Engel, daß ich Dir über das was Du in Gött. fordern sollst, etwas schreiben kann; Es ist zu wichtig unsre künftige Existenz beruht ja darauf. Wir müssen uns gut betten, dies ist nun einmal eine Hauptsache, u. von diesem Augenblick hängt alles ab. Du wirst an H[eyne] vorläufig ja gesagt haben; mehr verlangt er vor der Hand selbst nicht. Die Unterhandlungen müssen auf deutschem Grund u. Boden geschehen. Man muß pro u. contra überlegen u. nun ernstlich für sich u. die Kinder sorgen.
Ich habe Dir in meinen 2 Briefen nach Parma, worinnen auch einer von Goethe liegt, ausführlich, so viel es sich tun läßt, geschrieben. Beruhige Dich Bestes Herz, bis wir zusammen vereint, das gute Schicksal um Beistand anrufen können. Daß Du an Heine noch gar nicht geantwortet hast, ist nicht gut; er wollte ja sogern Deinen vorläufigen Entschluß wissen.
[ . . . ] Der Herzog ist noch bei der Revue. Bei der Herzogin bin ich den Dienstag gewesen u. muß heute wieder zu ihr. Liebes Herz Du kannst nicht denken wie gut sie ist. Sie fragt immer nach Dir u. wünscht zu hören daß sich Deine Gedanken, hierher lenken möchten – sie ist sehr besorgt u. in Furcht darüber, u. sucht denn freilich das unangenehme von Gött. mir vorzustellen; ich nehme es nicht anderst als gut auf, ihre Liebe u. Zuneigung spricht es ja, u. dies Kleinod muß man hoch halten. Ihr Schicksal hat sie abermals sonderbar geläutert u. erhöhet – u. ich hänge zärtlicher als jemals an ihr, da sie Dich, Dich, so außerordentlich jetzt erkennet u. liebt. Komm u. sehe fühle selbst.
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Weimar, 15. 5. 1789 [?]
Nun lieber Vater reisen Sie glücklich von Rom ab; ich wünsche Ihnen viel Tausend Tausend Glück zur Reise. Der liebe Gott sei mit Ihnen ich will alle Morgen u. Abend für Sie beten O wie wollen wir uns freuen wenn wir Sie wieder sehn. Leben Sie Tausend mal wohl. Ihre Getreue Tochter Luise Herder. 1789.
Weimar, 15. 5. 1789 [?]
Lieber Vater.
ich habe sie geküßet. in zwei Wochgen da ist Mei geburstag. kommen Sie balde wieder ich wünsche noch tausend glück auf ihrer Reise
Wenn Sie da sind und kaugen eine pfeife tabak da will Sie die Pfeife anstecken, ihr gedreier
Sohn Emil Herder
1789
Florenz, am Himmelfahrts Tage [21. 5.] 89.
Die Aufschrift des Orts in diesem Briefe, liebe treue Seele, wird Dir lieb sein, u. ich hoffe, so auch sein weiterer Inhalt; er wird Dir die paar Tage, die Du länger auf einen Brief hast warten müssen, ersetzen. Den Tag vor meiner Abreise aus Rom, den 14. Mai schrieb ich an Dich u. meldete sie Dir; den 15. Mittag um 1. Uhr ging ich ab mit meinem Vetturino. Es war Donnerstag; Sonntag Abends war ich in Siena; Dienstag Nachmittag in Pisa, wo ich 2. halbe Tage blieb u. kennen lernte, was ich kennen lernen wollte. Seit heut Mittag bin ich in Florenz, wo mein erster Gedanke nach Deinen Br. war, die ich denn endlich um 4. Uhr nach Mittage erhielt, 3. an der Zahl, so daß mir nach Deiner eignen Rechnung keiner fehlet; die andern habe ich in Rom erhalten. Wie sehr ich auf dies Himmelfahrtsfest mich unterwegs Deiner Br. wegen gefreuet u. mich darnach gesehnt habe, kann ich Dir nicht sagen; u. sonderbar, daß mir immer dabei der halbpossierliche Nebengedanke einfiel, daß wir auf unsrer Brautreise einmal an diesem Fest gerade in Gött. waren u. ich des dummen Einpackens halben in der Nacht Dein Gewand anhatte. Es waren kindische u. glückliche Zeiten; ich wollte, daß wir dies Himmelf[ahrts]Fest auch mit einander auf der Reise, nur nicht eben in Florenz u. in Italien hätten zubringen können. Nun wohlan! Es geht ja Schritt für Schritt weiter: die Berge werden auch, so Gott will, überstiegen werden, u. die Stunde wird kommen, da ich Dich liebe Treue als meine mir zum zweitenmal neugeschenkte Braut, wie Ulyßes die Penelope, wieder in meine Arme fasse u. zu Dir sage: »Gott Lob u. Dank! Auf so lange, u. so einfältig wollen wir uns nie mehr trennen, so lange wir leben!« Hilf mir von Gott erflehen die baldige glückliche Stunde. Amen! Weiter also an den Text. Gottlob u. Dank! Ich bin gesund u. habe sehr schöne Tage zu meiner Reise gehabt; der einzige heutige Vormittag war warm; das tut mir aber nichts, ich halte mich ruhig u. lege nie meinen ledernen Gurt, der die Leber deckt, vom Leibe. Weder bei Tage, noch zur Nachtzeit: ich finde es sehr nötig: denn wie das Klima in Italien mit Wärme u. Kälte auf mich wirkt, ist unbeschreiblich. Ich bin bei der Wärme sogleich wie aufgelöst, wenn andern leidlich warm ist, bin ich ein lebendiger Brunnen, daß sich alle Menschen wundern u. der alte Zucchi in Tivoli sagte, er habe noch in seinem Leben keinen Menschen so schwitzen sehen. Jetzt sehe ich erst, was ich für eine heiße u. zarte Konstitution habe, die wie fließendes, ungeleimtes Papier ist. Habe indessen keine Sorge: ich reise nicht bei Nacht, u. mit jedem Schritt komme ich dem Deutschen Klima näher, ja aus den Gegenden des eigentlichen Sirocco bin ich heraus. Auch habe ich vom Doktor Klistiere u. tartarus mit mir, die künftig meine Leibarzneien sein werden; bisher habe ich sie unterwegs noch nicht gebrauchet. Dein Segen u. Gebet, so wie das Gebet der Kinder u. die Wünsche mehrerer guten Menschen, deren ich ordentlich nicht wert bin, werden mich schützen u. begleiten. Was mich Deine u. unsrer Kinder Br. heut erfreut, gerührt u. erquickt haben, ist unsäglich. Gott lohne es Euch, meine Lieben; weiter kann ich Euch, mit Tränen in den Augen nichts sagen.
Auch darin hast Du Recht, daß ich von meiner Reise u. Reiseroute zu wenig gesagt habe. Aber wie sagen, wenn man selbst nicht weiß? Du weißt ja, wie es bei Fürsten und Fürstinnen ist; sie sind wie Kinder. Das Land bei Rom mußte gesehen werden, u. es wäre unverzeihlich gewesen, so von Rom wegzureisen, wie ich aus Napel wegging, ohne Pästum gesehen zu haben. Ich trieb was ich konnte; aber immer ward aufgeschoben – von alle dem mündlich. Über meine Reiseroute bin ich bis auf diese Stunde nicht Eins. Nach der Schweiz gehe ich nicht, das ist gewiß, u. Mailand lasse ich also auch liegen. Worüber ich ungewiß bin, ist Venedig. Es ist etwas in mir, was sagt: »laß die Stadt im Wasser auch sein pp« u. denn möchte ich doch gern Padua (die Universität) sehen, was nahe dabeiliegt. Kurz, Bologna, u. Dein Brief, den ich dafinde, auch wie meine Reise sich indessen gestaltet – dies soll entscheiden. Ich bin des Sehens u. Reisens satt, u. sehne mich herzlich über die Alpen u. zu Euch, Ihr Lieben. Weiterhin weißt Du den Weg, Verona, Inspruck, München, Regensburg (über Augsb. komme ich jetzt nicht) Nürnberg. Ob ich nach dem Karlsb. gehe, weiß ich auch noch nicht; das wird sich auch finden. Habe ichs nicht nötig, warum sollte ich in den Fischkessel; spüre ich aber, daß es mir gut ist, so gehe ich auf 3. Wochen hin u. brühe mich aus. Auch dies ist denn aber ein Beweggrund mehr, daß ich Venedig liegen lasse, wo es liegt u. gehe weiter. Dies wird sich alles finden, u. Du hast einen so guten sichern Geist, daß Deine Br. mich nie verfehlen werden. Nur immer poste restante geschrieben. Bisher hat sich noch keiner, als jener nach Augsb. adressiert, verloren.
Über Gott, denken wir auch einig; 2. Punkte ausgenommen, die ich Dir offenherzig melde. Ein Remboursement unsrer Schulden bei dem Weggange in Anschlag (bei uns selbst) zu bringen, geht Hannover nicht an. Warum haben wir bisher einem Fürsten gedient, der seinen so hoch- u. wertgeachteten Diener so bezahlt hat! wir gutherzigen Tröpfe! Da müssen wir uns also jetzt ansehen, als ob wir ohne Schulden wären, u. nur Fleiß anwenden, sie abzutun, da unsre jetzige gnädigste Herrschaft bei allem Wohlmeinen gewiß nichts tun wird. O wie ich durch meine Reise u. auch durch die Nachbarschaft mit der Herz. M[utter] gewitzigt bin, über die Leute zu denken! Weg von ihnen, das ist mein einziges Thema, u. nur nicht auf ihre Freundschaft u. Dankbarkeit gerechnet! Zweitens. Mit dem Herz. lasse ich mich in keine Unterhandlung ein, ehe ich einen Schluß gefaßt habe. Das wäre klein u. wegwerfend; an ihn ist jetzt die Reihe, mich zu fragen: »wie stehts um die Sache? jeder spricht davon – –« nicht an mir, eine untertänigste Anzeige zu tun, als ob ich markten wollte. An Göthe will ich schreiben u. den Br. offen in den Deinen einlegen; laß er damit tun, was er will. Ich bin des kleinlichen Ganges der Verhandlungen in W[eimar] auf immer satt u. müde. – O, lieber Engel, hätte ich Deine Stimme in Rom gewußt! Ich wartete drauf von Post- zu Posttage; die Sache wäre beinah entschieden. Romae tibi propitius ero, lag mir dabei immer im Sinn; in Florenz wage ich jetzt nichts zu tun. Heine mag also noch warten; es ist doch Eins, wenn ich ihm nicht was bestimmtes schreibe. Haben sie doch selbst so lange gewartet.
Übrigens ist alles wie aus meinem Herzen, was Du über die beiderseitige Lage schreibst; aber was zu tun? man muß wählen! – Und das Verlassen der Freunde? Ach Gott, was sind sie uns, was sind sie Dir? was sind sie mir gewesen? Die gute Kalbin schätze ich gewiß wie Du; aber der ist auch wiederum Schiller gnug, u. am Ende haben doch wir beide einzig u. allein mit uns selbst gelebet. Erinnre Dich an alles, u. Dein Herz wird Ja sagen. Menschen zur Gesellschaft, wie wir sie brauchen, finden sich allenthalben. –
Über K[nebel] denkst Du vielleicht zu hart. Ich kenne seine Unarten, die oft gerade denn sich äußern, wenn ers am besten, d. i. am grimmigsten meint. Noch neulich entfuhr es der Herz., daß Ers gewesen, der Jahrelang dem Herz. vorgepredigt, es sei unverzeihlich, wie ich stehe. Als von G[oethe] das Gespräch kam, zuckte sie die Achseln u. sagte, es sei Schade, daß er nichts zu Stande bringen könne, u. sich in die Person andrer nie zu versetzen wisse. Du stehst ihnen beiden jetzt zu nahe. Doch gnug für heut. Der Br. geht erst übermorgen fort u. ich bin herzl. müde. Lebe wohl, schlafe wohl, holder Engel mit allen den Unsern. Es ist 11. Uhr u. ich bin müde. Schlafe wohl, liebe Seele, morgen mehr.
[Florenz,] Freitag, den 22. Mai [1789]
Der heutige Tag ist von mir sehr rüstig u. fleißig zurückgelegt worden; es ist spät, u. der Br. wird ziemlich kurz werden. Was helfen auch lange Br., wenn Du nur weißt, daß ich wohl bin, u. daß ich zu Dir hinstrebe.
Heut also ist die berühmte Venus, Niobe pp samt der Galerie gesehen worden; die verschlossenen Zimmer bin ich 2mal durchlaufen, muß aber noch wenigstens 1. oder 2. Tage dran wenden. Gottlob, in Florenz fängt mir das Herz wieder an aufzugehen; hier sind, wie jener Schiffer sagte, doch wenigstens Fußtritte von Menschen, von großen Menschen alter Zeiten, die alle auf diesem Punkt gelebt u. gewirkt haben. Denke Dir, wie ich heut Nachmittage in der Kirche St. Croce unvermutet auf dem Ort stand, wo Mich. Angelo Buonarotti, Galilei, Macchiavell, 3. der größten Geister die Florenz u. durch sie die Welt gehabt hat, begraben liegen, unter schönen Monumenten. Und neben ihnen andre brave Männer, Filicaja, Lami, Leon. Bruno, Cocchi, Micheli, auch Staatsmänner pp Und zwischen ihren Grabmalen Altäre mit Werken der denkendsten Maler, die die Flor[entinische] Schule fast ausschließend hat, in simpler Bedeutung gezieret. Und als ich nachher in die Kirche Annunciada kam, u. meinen lieben Andr. del Sarto im Vorhofe unter den Meisterstücken seiner Kunst u. seiner Bildsäule begraben fand u. beim Eintritt der Kirche seinen männlich schönen Christus, den schönsten nach Vinci, unter einer Last von Gold, Silber, Edelgesteinen, Gelübden u. Marmor verehrt sah, u. so weiter hinauf bis in die letzte Grabkapelle des Joh. de Bologna rückte, drauf beim Herausgehen eins seiner vielen Werke den Großherzog Ferdinand in Erz grüßte, u. in die Gärten Boboli eilte, um über dem Arno die Sonne untergehen zu sehen. So war mir gestern, da ich Giotto u. Cimabues Bild im hiesigen Dom, u. in Pisa, da ich Algarottis Grab neben Giotto's alten heiligen Anfängen der Kunst im Campo Santo fand: so war mir heut morgen, da ich in der Galerie die unendliche Reihe der Bilder großer Männer alter Zeiten, u. in 2. Sälen die von ihnen selbst gemalten Bildnisse aller großen Maler aller Nationen sah u. auch meine liebe Angelika, wie einen Engel im weißen Gewande unter ihnen erblickte. Hier sind Fußtritte von Menschen, nicht Heilige u. Götzenbilder allein – morgen solls in den Palast Pitti gehen u. s. w. Der heutige Tag ist in der Witterung so schön gewesen, daß nichts drüber gehet. Die Straßen u. Kirchen sind schön kühl u. der Boden so rein, daß man allenthalben niedersitzen u. Gastmahl halten möchte. Wünsche mir Glück, daß es so gut fortgehe, u. <ich> also bald u. fröhlich reisen kann; ich will nichts versäumen, u. auch keine Stunde zögern.
Also auch heut von Gött. nichts; was hilft das Reden. Ich will an Heine schreiben, was sich unverfängl. schreiben läßt; nächstens auch an Göthe. Heut kann ich nicht: denn es ist spät u. ich habe noch an die gute Fr. v. Fr[ankenberg] zu schreiben, eine Antwort auf 4. ihrer Br.
Außerordentlich freuets mich, daß Du von unsrer lieben Angelika so gut u. harmonisch mit mir denkest. Ein guter Geist hat Dir die Worte eingegeben u. ich will sie ihr schreiben. Ach Gott, wenn Du die großmütig-gute, stille, schweigende Frau am Morgen des Abschiedes gesehen hättest. Sie konnte nichts reden, sah aber sehr elend aus u. als sie den Pinsel nehmen wollte, zitterte sie so, daß sie ihn augenblicklich niederlegte. O das ist eine heiliggute Seele! Mich ängstigts, daß ich noch <keine> Zeile von ihr habe. O wie wirst Du die Frau liebgewinnen, wenn Du sie näher kennen wirst; nochmals gesagt, sie ist eine seltne heilige Seele; wäre sie krank geworden, ich könnte ordentlich nicht zufrieden werden. Morgen will ich an den Engel schreiben.
Nun lebe wohl, liebes Weib, lebt wohl, Ihr lieben Kinder. Dank Dir, herziges Luischen, u. Du kleiner Bacchus Emil für Eure Briefe, auch Euch andern Dank für Eure artigen Wünsche an Eure Schwester, u. für Eure guten, niedlichen Br. an mich, die ich alle hier vorgefunden habe. Ist mir einmal in einer Stunde, da ich nicht ausgehen kann, recht, so will ich noch an Euch sämtlich u. sonders schreiben. Zu schreiben habe ich viel. Lebt wohl, Ihr lieben 7. Herzen, Mutter u. Kinder, lebt wohl, ich komme zu Euch. Grüßt alle gute Menschen u. Du, liebes Weib, grüße die gute Kalb herzlich.
P. S. Da hast Du, liebes Luischen, auch etwas von mir zu Deinem Geburtstage; Du mußts aber nicht verlieren. Es ist die Morgenröte, von Hrn. Meier aus der Schweiz ausdrücklich für Dich gezeichnet. Lebe wohl u. sei artig, Du kleines Seelchen, Dir, lieber Emil, schicke ich nächstens auch etwas, u. bringe Euch allen hübsche Steinchen mit. Lebt wohl, Ihr Herzen, lebt wohl.
Rom den 23. Mai 1789.
[ . . . ] Ihr Durchlaucht die Herzogin waren sehr gnädig gegen mich und alle die mit Ihr seind, voller Güte. Den 19. dieses seind Ihr Durchlaucht wieder von hier abgereist den Sommer in Neapel zuzubringen, mir scheint der genuß so guter Nachbarschaft ein traum zu sein von dem ich zu früh erwacht. und lebe wieder in meiner einsamkeit sehr traurig – auch der gute und vortreffliche Herder ist abgereist, wünsche er wär schon bei den seinigen die ich ehre und liebe. Heute vor 14 tagen war ich noch mit der Respektablen gesellschaft in Tivoli, in der Villa D'este. unter den großen Cipressen hat Herr Herder uns den überschickten teil von Ihrem Tasso vorgelesen; mit welchem Vergnügen ich zugehört kann ich Ihnen nicht sagen, ich denke es ist unter Ihren schönen Werken eins der schönsten, wer kann ein so vortreffliches musterstück lesen ohne begierig werden zu dem ganzen – Herr Herder hat mir die schrift gelassen. Habe Ihnen auch recht herzlich darvor gedankt.
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A. K. Z.
PS. Zucchi empfehlet sich Ihnen auf das höflichste. Dem abbatte Spina seind Sie unvergeßlich. Die Frau Herzogin war Ihme sehr günstig. Der Herr Herder hatte Ihn auch sehr lieb. Empfehlen Sie mich des Herrn Herders seiner Frauen, die ich liebe und aufs höchste achte. Hoffe bald wieder von Ihnen zu hören, leben Sie indessen recht wohl.
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Der Carl so bei Ihnen hier in Diensten gewesen, hatte das Glück von Herr Herder aufgenommen zu werden, der ihn vermutlich bis nach Weimar bringen wird, er hat mich gebeten ihn bei Ihnen bestens zu Rekommandieren – der Arme mann ist von der malaria auf den tod krank gewesen. weiß nicht wie er die Reis aushalten wird. [ . . . ]
Weimar d. 25. Mai 1789
Dein lieber Brief vom 9. Mai hat mich gestern über alles erfreut, Einzig liebes Herz. ich hatte vorigen Posttag keinen erhalten u. war darüber bekümmert weil Du mir in einem Deiner letzten Briefe versprochen hattest, noch alle Posttage zu schreiben. Meine Gedanken u. mein ganzes Gemüt lebt jetzt mehr bei Dir als hier, da die glückliche Zeit des Wiedersehens sich täglich nähert. O ich darf mich dem Gedanken nicht ganz überlassen, besonders heute nicht meine Empfindungen aufregen – ich will schweigen u. hoffen. Du wirst mir alles wiedergeben u. bringen, was ich bedarf.
Du wirst Dich freuen lieber Engel, wenn ich Dir sage, daß Deine herzliebe Schwester bei mir ist. Sie hat eine harte Reise auf dem Postwagen ausgehalten; die ich Dir mündlich erzählen will. Ihr Geist u. außerordentlicher Mut hat sie aber alles überstehen helfen. Ein guter Arzt u. gute Menschen, worunter die Ruprechtin aus Göttingen war, haben sich ihr in Leipzig sehr angenommen, u. ihre Füße wurden bald so gut daß sie reisen konnte. Den Tag vor dem Himmelfahrtsfest kam sie an; Du kannst leicht denken mit welchem Herzen ich sie empfangen habe; ich sprang hinunter u. führte sie selbst in das Haus, das wir ihr zum Himmel machen wollen, da sie 23 Jahr in der Hölle gelebt hat. Ich will Dir keine Beschreibung ihrer Leiden machen, Du mußt sie selbst von ihr hören u. dann sollen sie, wo möglich auf immer vergessen sein. Ihr geistvolles schwarzes Auge u. ihre schöne regelmäßige Bildung rühren mich jedesmal wenn ich sie ansehe. Sie sieht Dir nicht ähnlich, doch kann man sehen, daß sie Deine Schwester ist – unser August sieht ihr entfernt ähnlich. [ . . . ]
Da die Krankheit der l. Schwester so erträglich ist, so komme ich mit tausend Freuden zu Dir ins Carlsbad – denn um vieler Ursachen wegen muß ich Dich zuerst außer Weimar sehen u. sprechen. O es tut mir sehr wohl daß Du das nämliche Gefühl hast. Goethe wird Dich auch auf einige Tage dort aufsuchen; er will den Eger brunnen trinken, den der alte König lange Jahre getrunken hat; er soll eine besonders auflösende u. stärkende Kraft zugleich haben. [ . . . ]
Dein genossenes Glück in Tivoli erneure ich ganz in meiner Seele u. teile alles mit Dir, Du mein Einziges Leben. So hat die gerechte Nemesis, Deine letzten Tage in Rom über Erwarten verschönert u. es trifft Dein Neujahrtext von 2 Jahren auch hier wieder ein: das Ende eines Dinges ist oft besser als sein Anfang.
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Nun lebe wohl für heute, guter Engel, verlasse das Land segnend worinnen Dir aufs neue Gott u. die Wahrheit u. ein Engel von Frauen erschienen ist. Wir wollen ihm für alles danken, wenn wir uns wieder vor seinem Angesicht umarmen, für Leid u. Freude wollen wir ihm danken.
Deine Schwester erzählte mir, daß Du als ein Knabe bei dem Anblick von Italien, auf der LandCharte in die Hände geklopft u. ausgerufen habest: O mein liebes Italien!
Wie wehmütig hörte ich ihr da zu!
Ich habe Dein Bild, von Graf, in das Zimmer gestellt, daß sie Dich immer vor Augen hat. Mit meinen Augen des Geistes sehe ich Dich inniger u. lebhafter.
Die Kinder sind alle wohl. es ist Jahrmarkt u. schönes Wetter, sie legen daher keine Briefe bei u. küssen nur ihren Vater tausendmal.
Lebe wohl Treues Gemüt u. lieber Geist. O wie will ich mich wieder an Dir laben! Gott sei mit Dir, begleite Dich, u. halte sein Auge über Dir. Lebe wohl.
C. H.
Weimar, 25. 5. 1789 [?]
Ich freue mich herzlich Sie nun bald in Carlsbad zu sehn, liebster Vater, und Sie nach so langer Zeit wieder zu genießen, und Ihre lieben Worte wieder zu hören; o könnte ich doch die süße Stunde des Wiedersehns Flügel anlegen, schneller zu uns zu kommen! – Gestern habe ich meinen Herrn Bruder August, in Belvedere mit Herrn Schäfer zu Pferd besucht, und das Glückskind befindet sich überall recht wohl, er läßt Sie vielmals grüßen. Wie freu ich mich auch daß meine liebe Tante da ist, und insonderheit, da der Hofmedicus so gute Hoffnungen macht, o ich habe diese würdige Frau recht lieb. Kommen Sie nur bald, wir können die Zeit gar nicht erwarten; ich will Ihnen auch recht viele Übersetzungen aus dem Griechischen vorweisen, die ich in Hexametern gemacht habe u. die sie verfeinern müssen. Leben Sie wohl, liebster Vater, behalten Sie immer lieb
Ihren gehorsamen und treuen Sohn Gottfried Herder.
Florenz, den 28. Mai 89.
Morgen früh gehts von hier u. ich tue also einen neuen Schritt den Gebirgen näher, die uns, liebe, so lange getrennt haben. Ich schreibe jetzt u. lasse den Brief nach, weil ich nicht weiß, wenn die Post in Bologna fortgeht, wo ich Br. von Dir zu finden hoffe u. das Weitere ersehen u. Dir schreiben werde. Hier bin ich fleißig gewesen, sofern man mit dem bloßen Sehen fleißig sein kann, es ist doch ein bloßer u. am Ende lästiger Müßiggang, das Reisen. Mit dem Großherzoge habe ich 2. Stunden allein gesprochen; u. es ist mir äußerst merkwürdig, ihn kennen gelernt zu haben, ob mich gleich übrigens die große Welt nicht angehn darf, weil sie mich nicht bezahlet. Lebe wohl u. sei fröhlich, meine Liebe. Gott erhalte Dich gesund u. die Deinen; ich bin wohl. Grüße die Fr. v. Fr[ankenberg], an die ich aus Bologna schreiben werde; hier fehlt mir die Zeit, so wie Du auch diesen kurzen u. elenden Brief aufs beste entschuldigen wirst. Ich bete zu Gott, daß er mir eine glückliche Reise beschere u. mich gesund u. froh zu Euch bringen möge, damit ich auch Euch alle gesund u. froh finde. Tut desgleichen, meine Lieben, u. behaltet mich lieb. Lebe wohl, Herzensliebe, ich drücke Dich an meine Brust, Du gute liebe, lebe wohl, wohl.
W[eimar,] d. 29. Mai 1789
Ich erhielte gestern Abend Deinen Brief vom 13ten Liebes Herz; u. mein Herz klopfte heftig bei der Nachricht Deiner Abreise!
Gott sei mit Dir, Du mein Einziger u. bringe Dich glücklich zu uns.
Wie es Dir aber hier sein wird, unter Deiner armen Frau u. Kinder, wird Gott wissen, ich darf nicht daran denken, will aber auf Dich hoffen u. trauen gutes Herz.
Die Silhouette der Angelica hat mich außerordentlich frappiert. So ein innig zartes heiliges u. verständiges Gesicht habe ich noch nicht gesehen. Ja mein l. Herz, ich liebe sie, u. werde sie noch mehr lieben wenn Du mir mündlich von ihr erzählen wirst. Sie soll die Seele unsres Lebens sein. Gott hat sie Dir u. auch mir gegeben. Doppelt wird der Spruch des h. Ignatius erfüllt, der liebe Gott hat Dich lieb.
Vorigen Posttag habe ich einen Brief nach Venedig an Dich adressiert. ich wußte nicht, daß Du über Pisa gehn wirst. Es liegt einer von der Herzogin u. Fr. v. Frankenb. darinnen, ich meldete Dir, daß ich ins Carlsbad kommen kann u. gern kommen will, denn ich muß Dich vorher außer Weimar sprechen. Goethe will auf einige Tage zu Dir, reitend, ins Carlsb. kommen. Er ist in diesem wichtigen Zeitpunkt jetzt unser treuester Freund; u. Einen Freund müssen wir jetzt haben. Glaube mirs. Einen Brief von ihm wirst Du in Parma finden, wenn Du, wie ich glaube diesen Weg nimmst. An die Ang. liegt auch ein Brief dort.
Antworte doch dem Goethe daß Du Dich vor der Hand nicht in Unterhandlung mit Gött. einlassen willst; bis wir alles reiflich überlegt haben. Der Herzog will u. wird mehr tun; denn mit 200 Rtlr. Zulage können wir nicht bleiben. Es wid alles zu Deiner u. meiner Zufriedenheit ausfallen; Zeige nur selbst daß Du gegen sie nicht abgeneigt bist, wenn unsre Situation verbessert wird. Im Carlsbad wollen wir darüber mehr reden u. es von allen Seiten beherzigen.
Goethe liebt Dich, u. ists vor allen Menschen wert, von Dir geliebt zu sein. Wende Dich nicht von ihm ab. Du achtest u. liebst an der Angelica was die Natur ihr glückliches u. heiliges gegeben hat; er ist von dieser Seite ihr Bruder u. wir wollen ihn nicht mehr verlieren, wie Du es einmal (vor 6 Jahren wars) so heilig zusagtest. Es schmerzt ihn daß Du in dieser wichtigen Sache so stumm gegen ihn bist. Ich habe Dich entschuldigt. Das Wiedersehen im Carlsb. wird alles gut machen. Laß michs bald wissen wenn Du eintreffen kannst. In dem Brief nach Venedig habe ich Dir von dem Befinden der lieben Schwester Nachricht gegeben. Sie befindet sich gar leidlich, u. wird morgen einen Versuch machen aufzustehn. Sie liest fleißig in den Blättern der Vorzeit u. erwartet Dich mit Sehnsucht. Du wirst sie recht lieb bekommen. Gott gebe ihr Freude in unserm Haus u. Gesundheit. Der Hufland gibt gute Hoffnung.
Herzl. wünsche ich daß Du den Brief von der Herzogin bald erhalten mögest. ich kann Dir nicht Gutes genug von ihr sagen. Komm u. siehe es selbst u. habe uns lieb; u. verlange doch nicht zu viel von uns; Gott hat uns nicht gegeben was er Dir gegeben hat. Sei mitleidig gegen die Armen u. Schwachen, das heißt gegen mich, Gutes Herz. Du weißt wie ich Dich liebe. Grüße die schöne, in sich gekehrte heilige Seele A. u. lebe wohl! Die Kinder sind fröhlich u. küssen Dich. Gott sei mit Dir, u. behüte Dich, [l. Engel.]
Goethe ist in Belvedere, ich habe ihn heute über den Brief der in Venedig liegt um Rat gefragt. Da ein gutes Wort über Dich im Brief ist, so schicke ich Dir seinen Brief selbst. Nimm aber das Wort guten Alten nicht übel auf; er liebt Dich wie Du es nicht weißt. Das glaube mir.
Lebe wohl, mein inniges Herz. Lebe wohl, u. bringe einen guten Willen mit.
Belvedere, 29. 5. 1789
Folgen Sie mir und lassen den Brief in Venedig liegen, schreiben dem guten Alten sogleich nach Bologna einen guten Extrakt von allem, was wir wünschen und denken. Daß Sie nach Carlsbad gehen wollen und daß ich vielleicht auch hinkomme. Daß wir ihn herzlich lieben und ihn freundlichst erwarten. Nur bitte ich, tun Sie von nun an nichts im Elektrasinne und fragen mich hübsch. Ich kann in einzelnen Sachen irren, aufs Ganze werde ich nie fehlen. Der Brief in Venedig liegt ohne Wort ganz ruhig; geht er nach Venedig, so findet er ihn; geht er nicht hin, so lassen wir ihn zurückkommen. Schreiben Sie ihm nur aber und abermal, daß er sich mit Göttingen nicht weiter einläßt.
Sonntags komme ich wohl in die Stadt. Ich möchte Euch wohl einen schönen Morgen einladen. Wir wollen es abreden, daß es ohne weitere Gefahr geschehe. Morgen sage ich noch ein Wort. Tasso ist so gut als fertig. Noch aber darf ich nicht groß tun. Adieu, Liebe. Tun Sie nur jetzt nichts ohne meinen Rat. Der ist immer zu haben.
Adieu. Hier oben geht alles nach Wunsch.
G.
Florenz, den 29. Mai 89.
Ich hatte mir vorgenommen, gnädigste Herzogin, aus Pisa Euer Durchlaucht einen langen Danksagungsbrief zu schreiben; die Worte versagten mir aber u. sie versagen mir noch. Ich muß also diesen Punkt übergehen, u. will den Dank nur unvergeßlich u. für mich unaussprechlich in meinem stillen Herzen über die Alpen nehmen, wohin mich der Himmel geleiten möge.
Meine Reise von Rom nach Pisa war gut u. gemächlich; ich bin dem Sign. Collina für den guten Vetturin viel Dank schuldig. In Pisa blieb ich 2. halbe Tage u. sah an Menschen u. Steinen u. Farben, was zu sehen war; wandelte drauf mit demselben Vetturin nach Florenz, von da ich morgen früh abgehe. Ich habe die Tage sehr fleißig zugebracht u. gesehen, was sich nur sehen ließ. Die Mediceische Venus u. die Niobe mit ihrer Familie empfehlen sich E. D. aufs schönste; sie allein sind wert, daß man nach Florenz reiset. Ehegestern habe ich dem Großherzog aufgewartet, der gegen 2. Stunden mit mir gesprochen hat; Tages vorher den Prinzen; die Großherzogin ist auf dem Lande. Der Graf Hohenwart, der den ältesten Prinzen in der Geschichte Unterricht gegeben, hat mir insonderheit viel Freundschaft erwiesen; u. so jedermann; die Florentiner sind ein viel feineres Volk als die stolzen u. groben Römer. Ich wollte, daß ich zuerst nach Florenz gegangen wäre u. in Einer seiner Städte Italienisch gelernt hätte; hier bekommt man Lust zum Italienischen, in Rom nie. Es ist auch in der Sprache ein Babel, ein Tummelplatz der Völker; das Eselsgeschrei, mit welchem dort die Damen ihre schöne Reden anfangen, das Oh, Ha, Eh, Ih und dergleichen liebliche Akzente höret man hier nie. Bis alle Klassen u. Stände erstreckt sich diese Artigkeit. Mein Wirt, der Signor Dottore Vanini, der das vornehmste Albergo der Stadt am Arno hat, u. bei dem auch der Kardinal Ex-Minister in Frankreich gewohnt hat, ist ordentlich ein Muster der Höflichkeit, wie alles in seinem Hause. Ich wollte, daß E. D. bei Ihrer Rückreise durch Florenz bei ihm herbergten. Der Kardinal ging ab, als ich an kam; ich habe ihn also nicht gesehen; er hat hier aber allgemein ein großes Lob der Artigkeit, Kenntnisse pp nachgelassen; auch der Großherzog lobt ihn sehr. Er hat sich (der Großherzog nämlich) nach dem Aufenthalt E. D. und der Länge desselben erkundigt, u. es schien mir, als ob man bei der Rückkunft durch Florenz aufmerksam darauf sein wolle. Auch geht hier die Rede, daß die Markgräfin von Baireuth, in Gesellschaft des Prinzen Friedrich nach Italien kommen wolle; das wird aber wohl noch lange ein guter Wunsch bleiben. Freudenheim ist noch hier; ich habe ihn aber nicht gesprochen, ob er gleich im Einem Hause, oder vielmehr im andern Teile des Hauses wohnet. Übrigens ist alles hier sehr still und ordentlich, fast nach Deutscher Weise: der Geist Deutscher Regierung ist allenthalben sichtbar.
Und wie leben Euer Durchlaucht jetzt in Ihrem lustigern Neapel? Die Pontinischen Sümpfe sind glücklich passiert, und die schöne Nymphe Parthenope präsentiert Ihnen täglich ihren silbernen Spiegel. Ich habe mein Antlitz von ihr gewandt u. schaue jetzt nach den Deutschen Bergen, doch mit voller Dankbarkeit für die heitern Stunden, die sie einst auch mir gönnte, u. die ich der Güte u. Huld Euer Durchlaucht zu danken habe. Wenn meine Wünsche einige Macht über das Schicksal haben: so müssen E. D. den schönsten Sommer durchleben u. dann im schönen Herbst – – – Die Bedeutung dieser Striche wird E. D. weissagendem Geist überlassen, ohne daß ich sie vollende.
Ihr göttlicher Sänger, wie ihn Buri nennt, wird nun wohl auch auf seine Venezianische Rückreise denken; ich für meine Person werde auch an diesem Strande die Sirenen nicht singen hören: mein Sinn steht über die Alpen.
Leben Euer Durchlaucht aufs schönste wohl mit Ihrer kleinen Reisegesellschaft; und haben die Gnade, Einsiedel anzutreiben, daß er in Napel oder auf einer Insel etwas dichte. Mir ists recht unlieb, daß ich diese Gegenden nicht durch etwas angezeichnet habe, das der Rede wert ist; selbst in die schöne Marionette habe ich mich <nicht> verlieben können, ob E. D. es mir gleich Schuld gaben. Nochmals das schönste Lebewohl, und einen Wunsch, sich meiner in mancher frohen Stunde als eines – Verbannten, oder als eines patriotischen Deutschen, der sein Vaterland mehr als die Nymphe Parthenope liebte, in Gnaden zu erinnern. Ich küsse E. D. ehrerbietigst die Hände u. sende Ihnen tausend Segnungen zu.
Portici d 29ten Mai 1789
Ich bin Ihnen, lieber Knebel für Ihr Andenken sehr verbunden. Das Gute und schmeichelhaft[e] was Sie mir sagen ist von einer Art daß besäß ich mehr Eigenliebe, ich stolz darüber werden könnte; es soll mir aber vielmehr zur Ermunterung dienen mich noch mehr zu befleißigen meinen Freunden nützlich zu werden um bei meiner Zurückkunft in meinen Kreise, so viel wie möglich mitzuteilen was ich hier in Italien empfangen habe. Unterdessen bitte ich Sie, lieber Knebel lesen Sie den 6ten Gesang der Eneide Virgils, Sie werden darinnen alles finden was ich jetzt fast beständig vor Augen habe; wie sehr wünschte ich daß ich es mit Ihnen genießen könnte!
Der Vesuv zu dessen Füßen ich jetzt wohne, hat die große Höflichkeit und gibt mir alle Abend ein kleines Feuerwerk. Für jemanden der nie dergleichen sahe ist es eine große Erscheinung. Vor einigen Tagen war er mit Wolken ganz umkränzt, die Mündung ausgenommen die eine dunkelrote hohe Flamme ausstieß, die glühenden Steine die er auswarf tanzten leicht in der Luft, als denn kam die Lava die sich mit den Nebelwolken mischte und sie verteilte. Der widerschein der Lava machte über den Berg eine dunkel rote Glühende Glorie die bis tief in die Nacht dauerte. Es war das schönste Schauspiel was ich in meinem Leben gesehn habe; ich ermangele auch nicht alle Abende meine Andacht den Vesuv gegenüber zu halten, u kann mir recht gut vorstellen wie es nationen gibt die das Feuer anbeten.
Herder ist jetzt von mir weg. Es tut mir sehr leid daß er nicht bei mir geblieben ist, denn viel genossen hat er nicht in Italien, doch kömmt er nicht leer zurück.
Der Fr: von Kalb danken Sie für Ihr Andenken an mich; ich erwidere es ihr gewiß, grüßen Sie sie auf das freundschaftlichste; auch mein Alten Wieland der mich ganz vergißt. Sie, lieber Knebel, bleiben Sie immer mein Freund so wie ich Ihre Freundin sein werde.
Amelie.
Bologna, den 31. [30.!] Mai [1789]
Ich bin Gottlob gesund hier angekommen, u. finde Deine beiden Br. vom 1. u. 4. Mai, für die ich Dir herzl. danke. Wo Du weiter hin schreiben wirst, hast Du nicht gemeldet. Du wirst weiter in meinen Br. gefunden haben, daß ich nicht über Venedig zu gehen gedenke; ich habe einen geheimen Schauder vor dem Ort u. will dieser blinden Abneigung diesmal folgen. Übermorgen oder Dienstag gehe ich also von hier über Modena, Parma, nach Mailand u. von da gerade hin nach Trident; allenthalben werde ich mich auf der Post nach Briefen befragen, u. auch von Mantua, falls ein solcher da sein sollte, ihn mir nachschicken lassen, daß also wahrscheinl. nichts verloren gehen wird.
Die Post geht heut Abend fort, u. ich will Bologna sehen; über alles, was Du mir geschrieben hast, ist also nicht Zeit zu reden. Des Herzogs Anerbietungen lauten groß u. sagen wenig. Nur No. 1. 3. ;5. 6. ist wirklich von Wert; n. 2. 4. will nichts sagen, u. am Ende gewinne ich doch im Ganzen nichts als 200 Tl. jährlich. Was will das sagen? Laß also alles ruhen, bis es rechtl. an mich kommt. Was soll jetzt auf der Reise die Übereilung?
An Heine habe ich noch gar nicht geschrieben; Du hast ihm also im Eingange des Br. das Jawort zu früh gegeben, das er endlich als Kompliment aufnehmen kann. Sonst wird Dein Br. an ihn nichts wirken; man muß deutl. u. bestimmt fodern; oder die Sache abbrechen. Mir tuts leid, daß sie diese langsame Wendung genommen hat. Ich hätte gern in Rom die Foderungen gemacht, wenn ich Deine Meinung bestimmt gewußt hätte. Du schwiegst aber darüber einen ganzen Monat – Nun alles ist gut; nur wäre es, wenn wir aufs neue ins Garn gelockt würden, abermal – u. zwar für die Lebenszeit – Schicksal, ein hartes Schicksal.
Die Hauptsache ist, in G[öttingen] an einem Platz zu sein, wo ich für mich selbst verdienen kann, nachdem ich fleißig bin u. Glück habe. Das ersetzen mir keine Titel, keine leeren Gnaden, keine 200. Tl. jährl., bei denen ich doch umkommen muß. Ich schätze alles, wie ich soll; aber aufs neue Dupe zu werden, nachdem ichs so lange gewesen bin, sollte mich in der Seele schmerzen. Was kann ich in W[eimar] angreifen, woran nicht alter Kummer u. Verdruß hängt? Fast mag ich keine Person in Geschäften wiedersehen, so sehr ist mir alles verbittert u. verleidet.
Gnug, wenn ich kann, schreibe ich an Heine, u. schicke Dir die Kopie; abgemacht soll nichts werden. Nur der Punkt, daß der K[önig] v[on] Engl[and] meine Weimar. Schulden bezahlen soll (wie man auch die Sache einkleide) ist untulich; ich kann nur ein anständiges Anzugs- u. Einrichtungsgeld fodern; oder sie wollen mich dieser Lumperei wegen auf ewig an G[öttingen] binden, u. das ist mir nur zu denken unausstehlich.
Gnug, grüße Alle u. sei ruhig, u. quäle Dich nicht unnütz ab, liebe. Ich gehe über Inspruck, München, Nürnberg, da werde ich Deine Br. finden u. was besonneneres schreiben. Auf einer Reise mit dem Vetturin, wo man jede Stunde nutzen muß, wenn man nicht die lieben Zechinen umsonst ausgeben will, ists nicht möglich. Ich habe heut seit frühauf in meiner Seele einen mißmutigen Tag, an dem mag ich nicht schreiben. Morgen ist das Pfingstfest.
Gesund bin ich übrigens u. ich wünsche u. hoffe, daß Ihrs auch seid. Die Herz. rührt mich im Innersten; was kann ich aber für sie tun? Nichts, nichts; u. sie im Grunde für mich auch wenig. Was hilft also das Ängsten?
Die Spinne, die zu Dir kroch, ist wahr u. überwahr; Du hast wohlgetan, daß Du den Br. nicht abgeschickt hast; darüber denke ich sehr klar, u. will, wenn Gott es will, nur wie ein Manufakturer vom Fleiß leben. Was ich brauche, ist eine Werkstätte; die ist in W. nicht: es ist ein Gnadenbrot u. am Ende Bettelei für sich u. die Seinen, deren ich satt bin.
Lebe wohl, liebe, Gott helfe mir zu Dir, da können wir uns besser beraten. Was hilft das Schreiben? Lebt wohl, Ihr lieben. Lebt tausendmal wohl.
So weit war der Br. geschrieben, u. von mir selbst auf die Post gegeben, als ich wie durch eine Inspiration sage: »laßt uns noch ans andre Bureau der ankommenden Br. gehen u. fragen, ob keine Br. mehr an mich da sind.« Wir tuns u. eben war Dein Br. vom 15. Mai, meinem Abzugstage aus Rom angekommen, der nun meinen Plan soweit ändert.
1. Ich gehe nach Venedig künftigen Mittwoch mit dem Courier, bloß um diese Stadt gesehen zu haben, gehe nach Pavia, u. sodann sobald möglich, mit dem Courier nach Modena, Parma, Mailand, wo ich Deine andern Br. finden werde. Von Mailand über Brescia, nach Trident. Sodann nach Inspruck, München, Nürnberg. Nach der Schweiz gehe ich nicht; ich bin zu voll von Eindrücken u. kann jetzt nichts mehr sehen, also wenigstens in München u. Nürnberg finde ich von Dir Br.
2. An Heine schreibe ich, da ich jetzt einen Tag länger hier bleibe, von hier. Daß ichs solange nicht tat, tat ich mit guter Überlegung. Die stolzen Herren sind der Sache so gewiß, daß ich komme u. kommen muß; daß auch meine vorläufige Antwort nicht zu eilig sein darf. Heine schrieb nur »antworten Sie, sobald Sie können u. mögen« u. überhaupt wird mit diesem vorläufigen Br. nichts ausgerichtet. Der Fuchs hat die Bedingungen, wie weit er gehen kann, doch schon im Sack u. will nicht damit heraus, u. Winkelzüge wirds noch gnug geben. – Nimm auch die Stelle meines Br., die vom Verzögern handelt, nicht hart auf; Du siehst, daß ich mir daraus nichts mache, u. am Ende wird auch dies gut.
3. Der Herz. sage doch das Beste, Schönste von mir; o wie mich ihre Liebe u. Treue rühret. Wegen Karlsb[ad] tue, was Du willt, nur schreibe mir, daß ich in Nürnb. wenigstens den Br. finde. Kommst Du nicht, so gehe ich vielleicht auch nicht hin, insonderheit wenn mein Geld nicht hinreicht. Folge Deinem Triebe, nicht mir; ich will Dir u. der Notwendigkeit folgen.
4. So ist Hartkn[och] auch tot; nun ruhe wohl, guter Mensch, auch Du hast ausgestöhnet. – Meiner Schwester Krankheit beunruhigt mich. Ach es war eine törichte Reise, gegen die immer meine Seele war: Ich sehe sie für nichts an, als für die letzte Unruhe des Kranken: sie will bei uns sterben. Pflege sie, tue, was Du kannst, Gott wird Dirs belohnen. Und lebe, lebe wohl. Grüß die Kinder, Dank Amor u. Psyche für ihre Briefe, lebt wohl, Ihr Herzen, lebt wohl!
Weimar den 1. Juni 1789
Auf unsres Rosen Emils Geburtstag, schreibe ich Dir also den letzten Brief nach Italien, u. segne Dich an dem Tage zu glücklicherer Wiederkunft, daran uns Gott gesegnet hat. Sei glücklich mit den Glücklichen u. stark bei den Schwachen die Dein erwarten – Genuß u. Lohn begleiten Dich für Beides.
Ludecus hat mir heute die Nachricht gebracht daß Du wirklich von Rom den 14. abgereist seiest, u. Deinen Weg durch die Schweiz nehmen wirst. Dies letzte ist mir um so beruhigender da Du schneller der Hitze entkommen wirst, die in Italien jetzt schon groß sein muß. [ . . . ] Glaubst Du, Dich in Carlsb. für Weimar oder Göttingen vorzubereiten, so komme ich mit Freuden zu Dir u. bringe Gottfried, August u. Luisgen mit. Bist Du aber des Reisens müde u. sehnst Dich nach Ruhe zu Hause, so bist Du mit Sehnsucht erwartet; ob ich gleich weiß, daß Du das erste halbe Jahr höchst unglücklich durch den gewaltigen Wechsel des Klima, Landes, der Gegenstände u. des Glücks, sein wirst, so stehe ich gerüstet mit meiner schwachen Kraft u. bitte die guten Götter, mir u. Dir bei zu stehn – dies werden PrüfungsTage aufs ganze Leben sein; u. gut ists, wenn man sie kommen sieht u. sich vom Feind nicht überraschen läßt; ob des Menschen Herz gleich überall ein trotzig u. verzagtes Ding ist.
Ich erinnre mich, daß Du nach der Reise von Hamburg, da Du den Emil fandest, einige Monate zu tun hattest, Dich in Deinem Hause zu gewohnen – Welch ein Unterschied zwischen Holstein u. Italien! Bringe mit Deinem zarten Gemüt, Stärke u. Kraft zu allem mit; Du bedarfst für Dich u. mich. Läge es jetzt bei mir, Deinen Aufenthalt in Rom verlängern zu können, was gäbe ich darum! Ja mein Leben wäre mir nicht zu lieb es für Dein Glück zu geben! u. es schmerzt mich daß ich es nicht hingeben kann; u. daß es eben zu nichts nützet. – Du wirst von allen Freunden mit stiller Liebe u. Achtung erwartet – es freut mich zu sehen wie Du geschätzt wirst. Das sind lichte Punkte des Lebens, die nicht immer so helle glänzen; indessen sind sie da, u. da gewesen.
[ . . . ]
Emil ist heute so glücklich wie ich Dirs nicht sagen kann, mein Lieber Einziger, die Beschreibung des Geburtstags wollen wir Dir mündlich machen, daß wir Dir auch noch etwas zu erzählen haben, das Deinem Herzen wohltut. Ein glücklicher Genius schwebt um das Kind, u. die unschuldige Heiterkeit erquickt mich wenn ich in sein offenes Angesicht sehe. Er schläft mit Luisgen seit einiger Zeit bei mir im Alkoven; wenn er nun erwacht so kommt er aus dem Bette, umfaßt u. küßt mich u. sagt: ich habe sie lieb – dann geht er wieder ins Bettchen.
[ . . . ]
Die Einziggute Angelica grüße in Deinen Briefen u. sage ihr wie ich sie liebe u. verEhre. Deine Briefe die Du mir während der Reise geschrieben hast, liegen in einer Pappe mit blauen Bändern zugebunden, dazu legte ich Deinen u. meinen Schatten, die ich vorrätig hatte, die Angelica legte ich sogleich neben Dich, u. wir haben Dich wie zwei Schwestern (obgleich sehr ungleiche am Geist) nun in unsrer Mitte. Ich kann Dir nicht ausdrücken was mir ihr unvergleichliches Profil alles sagt.
Gestern bin ich mit der guten verständigen Kalb in Belvedere gewesen u. wir haben einige sehr gute Stunden da gehabt, ob es gleich regnete. Der Herzog ist gestern wieder von der Revue zurückgekommen; Goethe wird wohl nicht mehr lange den stillen Aufenthalt, in dem er sehr fleißig gewesen ist, genießen. Der Pan ist wieder erwacht, sagte die Kalbin.
So eben fällt mir ein, wenn Du nicht über Carlsbad zu gehn Lust hast, so gehe über Ilmenau, u. ich komme Dir sodann mit allen Kindern dahin entgegen, u. wir können einige Tage ruhig u. abgeschnitten überlegen u. uns ausreden.
Nun lebe wohl zu tausend tausend tausendmalen Du gutes treues Einziges Gemüt, mein Geist u. mein Alles. Engel Gottes tragen Dich auf ihren Armen zu uns u. bereiten Dir hier Glück u. Freude u. Wohlgefallen an Deinen Kindern u. den Deinigen.
Gott erfülle die stillen Wünsche meiner Seele, an Dir Du Bester auf Erden!
Anfang Juni 1789 [?]
Ich muß Ew. Durchl. eine Nachricht mitteilen die Sie beunruhigen wird, wenn Sie solche nicht schon wissen: Wir sind in Gefahr Herdern zu verlieren. Die Göttinger haben ihn gerufen und ihm selbst überlassen die Bedingungen zu machen. Der Herzog hat ihm ansehnliche Vorteile zugedacht, allein die Hannoverische Waagschale ist schwer aufzuwiegen. – Was diesen Mann vorzüglich beschwert sind die vielen Kinder, für welche man besonders zu sorgen sich von dort aus erklärt hat. Ich habe den Vorschlag getan: daß unsre gnädigste Herrschaften, in die Vorsorge für diese Kinder sich teilen und sich es dergestalt wechselsweise erleichtern möchten. Der Herzog und die reg. Herzogin sind es wohl zufrieden und ich hoffe Ew. Durchl. werden mehr aus Freundschaft für Herdern, als in Betrachtung des gegenwärtigen dringenden Falles Sich gleichfalls gerne dazu entschließen.
Es käme darauf an ob es Ihnen gefällig wäre, jährlich einige hundert Taler vorerst auszusetzen. Es verstünde sich daß die Kinder bei den Eltern blieben und man nur von Seiten der Herrschaften für Kleider und andre Bedürfnisse nach dem Wachstume der Geschöpfchen sorgte. Daß man Ihnen dereinst eine Ausstattung zusicherte und es Ew. Durchl. gefällig wäre Ihrem Testamente, in welchem Sie so manche Person bedacht, eine Verordnung beizufügen, in welcher Sie einige Tausend Taler den Kindern zuwendeten.
In Betracht was Ihnen persönlich Herder war und sein wird werden es vielleicht Ew. Durchl. mit mir beklagen daß Sie nicht früher veranlaßt worden es zu tun, weil es jetzt aussehen möchte als täte man es mehr gezwungen, als aus wahrer Neigung. Haben Sie die Gnade mir bald zu antworten und übrigens niemand etwas von der Sache zu eröffnen. Ich möchte gern ihm, wenn er ankommt, mit allen freundlichen Offerten entgegen gehen und die Eindrücke der Göttinger entkräften. Diese schreiben schon in der ganzen deutschen Welt herum: es sei gewiß, er komme zu ihnen.
Ich wünsche Ihnen nur Gesundheit das übrige haben Sie alles.
Bologna den 3 Jun. 89.
Sie werden meine Antwort auf Ihre Einladung nach G[öttingen] vielleicht längst erwartet haben, bester Fr[eund] denn die Gedanken eilen schneller, als Entschlüsse u. Briefe; eine kleine Erinnerung meiner jetzigen Umstände aber u. wie schwer es sei, unter ihnen einen dergleichen Entschluß mit den dazugehörigen Bedingungen zu fassen, wird mich entschuldigen, daß ich die Antwort solange aufgeschoben habe.
Sie kennen meine Neigung für G., u. für den Wirkungskreis, zu dem Sie mich einladen u. in dem ich gewiß nicht ohne Nutzen zu sein hoffe. Ich danke dem K[öniglichen] Ministerium, für das Zutrauen, das es auf mich setzt, u. im Fall das Schicksal mir wirklich dies Feld anweiset, werde ich mich gewiß als einen treuen Arbeiter zeigen. Nur sind noch Überlegungen nötig, die auf einer Reise, wie die meinige ist, ohnmögl. geendigt werden können. Da ich auf der Rückreise bin, so finden mich Teils die Antworten nicht, Teils ists natürlich, daß ich zuerst in den Kreis zurücktrete, aus dem ich gegangen bin u. hinterrücks nichts Voreiliges unternehme. Schon vor meiner Abreise hatte der Herzog, dem ich mit seiner Zufriedenheit diene; im Sinn, einige Umstände meiner bisherigen Situation zu ändern, er hat mir, ohne die mindeste Anregung von meiner Seite einige Punkte darüber zukommen lassen, u. es erfodert also sowohl die Pflicht der Dankbarkeit gegen ihn, als die Sorge für die Meinigen, daß ich nichts übereilt tue. Sobald ich wieder in W[eimar] bin, welches in Monatsfrist sein kann, werde ich mich der Freiheit bedienen, die mir die Gnade Ihres Königs gestattet, u. die Bedingungen melden, unter welchen ich in G. sein kann. Solange gönnen Sie mir, H[ochgeschätzter] Fr[reund], einen Aufschub, den meine jetzige Lage selbst fodert. Werden wir Eins, so werde ich nachher auf keine Weise zögern, sondern tun, was ich zu tun habe.
Indessen leben Sie wohl pppp
Weimar d. 5. Juni 1789.
Gestern Abend erhielte ich Deine lieben Briefe aus Florenz vom 21 u. 22. Mai, Lieber guter Engel. Meine Knie zitterten mir für Freuden, Dich denn endlich auf dem Wege zu uns zu wissen! ich schlief spät ein u. wachte frühe wieder auf. Dies lasse Dir für heute genug sein zu wissen, wie meine Seele in Bewegung ist, da Du mir, Du wohltätiger lieber Geist näher kommest. Gott wird uns ja, an uns selbst, das wieder finden lassen, was uns niemand hat geben können, treue Liebe u. Duldsamkeit.
Gott begleite Dich überall glücklich u. behüte Dich für allem Schaden, Dich unsern Einzigen!
ich habe Dir den 1. Juni nach Mailand geschrieben u. durch eine besondere Eingebung nach Ilmenau eingeladen, um Dich da mit allen Kindern zu empfangen u. einige Tage in dieser glücklichen Abgeschiedenheit mit Dir zu leben u. uns über Deine Situation ungestört zu besprechen. Den Tag darauf höre ich daß die Gores ins Carlsbad gehn, u. daß unser Herzog seitdem er hier ist, sich auch nicht wohl befindet u. vermutlich das Carlsbad notwendig in Gesellschaft brauchen muß.
Das wäre nun eine Sekkatur von der ersten Art, mich dahinzuschleppen – ich bin fest entschlossen nicht hinzugehn; es wäre mir unerträglich unter ihnen, mit Dir zu leben, in diesen ersten Tagen, ich tue also ganz Verzicht auf Carlsbad u. wenn Du es nicht unumgänglich nötig hast, so tue mir den Gefallen u. gehe auch nicht hin. ich wünsche Dich außerordentlich vorher allein zu sprechen ehe Du Dich in Unterhandlung mit dem Herzog einlässest. Goethe wird auch nach Ilmenau zu uns kommen. Vielleicht ist jetzt der Zeitpunkt, wo er seine Treue u. Freundschaft zeigen wird, mündlich mehr von alle diesem. ich mag nichts schreiben, weil leicht die Briefe geöffnet oder verloren werden können. In dem stillen Ilmenau wollen wir Leidenschaftlos u. mit Bedacht Alles überlegen. Es sollte mich schmerzen wenn Du nicht hinkämest. Auch kann ichs nicht bergen, daß ich auf 8 Tage mich irgendwo stärken u. frischen Mut fürs Leben holen möchte – Ich bin wohl u. gesund; mein Gemüt ist nur jetzt in einer so eigen gereizten Lage, daß mir eine gesunde Luft notwendig ist. Wenn Du indessen nach dem Carlsb. willt, so laß Dich nichts hindern, ich erwarte Dich alsdenn hier; denn nach dem Carlsb. komme ich jetzt nicht. Ich kann nicht französch u. mag nicht unter ihnen die Stumme u. Dumme sein. es ist genug daß Du meine Armut weißt.
Nach Bologna habe ich Dir noch den 29. Mai geschrieben, in der Vermutung daß Du Dich in Florenz 14 Tage aufhalten wirst u. Dich der Brief den 9 Juni in Bologna noch treffen wird. Nach Venedig habe ich den 22. geschrieben u. nach Mailand den 1. Juni. Du wirst sie schon zu Dir bringen können, wenn Du diese Orte nicht berührst. Je früher Du aus Italien kommst desto lieber ist mirs. Die 2 Briefe die in Parma lagen, wirst Du wohl erhalten haben.
[ . . . ]
O mein liebstes Herz, wie wird es uns sein, Dich wieder zu sehen! Freude u. Sorge bemächtigt sich wechselseitig meiner – u. ich sollte das letzte verscheuchen, Du bist ja so gut. Nach München u. Nürnberg will ich Dir noch schreiben.
Um die gute Angelica habe ich recht gelitten, wenn ich an Euern Abschied gedachte. Nun dies heilige reine Wesen, soll uns niemand rauben.
In Verona erhältst Du diesen Brief; In den hohen Gärten unter den Pinien segne noch das Land, wo Du diesen Engel gefunden hast, den Dir Gott gegeben.
Die Morgenröte von Meier hat mich u. Luisgen sehr gefreut – sie ist ja diese aus den Paramithien.
Daß Dir in Florenz so wohl ward, gibt mir eine stille gute Hoffnung; O nehme den besten Eindruck mit, von den großen u. guten Menschen vorigr Zeiten; sie sind alle Deine Brüder.
O wie oft bitte ich Gott, daß er Dich so führen u. leiten möge, wo Du Dich nur irgend ein wenig glücklich fühltest. Dies Gefühl ist Dir in Deutschland noch nicht worden. Ach ich weiß die Ursache die leider nicht mehr zu heben ist.
Lebe tausend mal wohl mein Einziger. Die Kinder, die nicht geschrieben haben, küssen Dich, u. warten kindlich freudig auf Deine Erscheinung!
Lebe wohl, wohl; Gott u. seine Engel begleiten Dich. Täglich beten die Kinder für Dich – sollte Gott das Lallen der Unschuldigen nicht erhören!
C. H.
Schreibe mir so bald Du kannst bestimmt Zeit u. Tag wenn Du in Ilmenau einzutreffen gedenkest.
Goethe grüßt Dich als der treueste Bruder.
Weimar, 5. 6. 1789 [?]
Reisen Sie recht glücklich liebster Vater, und behalten Sie mich lieb. Wie bald sehen wir sie, denn die Zeit eilt. – Ich küsse Sie herzlich. Leben Sie wohl, Alle gute Geister mögen sie begleiten.
Ihr gehorsamster u sie zärtlichst liebender Sohn Gottfried.
grüßen Sie Werner.
Weimar, 5. 6. 1789
Liebster Vater
Mich freuet es sehr, daß Sie nun uns näher sind, in Florenz werden Sie auch viel sehen; ich sehe Sie auch bald, denn ich reise mit ins Karls baad. Jetzt logiere ich mit dem Prinz oben in Bellevedere, ich bin heute mit dem Prinz in Weimar, ich gehe aber um 1 Uhr wieder hinauf; ich habe Ihnen lange nicht geschrieben aber ich bin in Belle vedere ein wenig faul. Der H Landkammerrat Riedel läßt sich Ihnen empfehlen. Der H Geheimerat v. Goethe wohnet auch mit oben. Leben Sie recht wohl u behalten Sie lieb
Ihren gehorsamen Sohn August Herder
Weimar d. 5ten Juni. 1789
Weimar, 5. 6. 1789
Lieber Vater
Ich habe sie recht lange nicht geschrieben. Ich habe mich recht gefreut daß sie aus Florens geschrieben haben ihre Schwester ist gekommen, und sie sieth recht wohl aus und auch recht gut. Den Donnerstag sind unsere Schulen wieder angefangen Kommen sie bald wieder. Und Herr Schäfer grüßet sie, grüßen sie den Werner. Leben sie wohl ichr
getreuer Sohn Adelbert Herder
Weimar, 5. 6. 1789 [?]
Lieber Vater
Ich danke Ihnen für die schöne Morgen Röte ich will auch früh aufstehen. Es freut mich daß Sie bald wieder kommen leben Sie Tausend mal Glück auf Ihre Reise. Luise Herder
1789.
[Weimar,] den 5 Juni 1789
Liebster Vater.
mich Freid Es gar serg Des sie in Florendst sind gestern bin ich in pelvedere gewesen heute war august da und um 1 fuhr er fort aber aß nicht mit den wie er kam So word es gedeckt da schlug es 1 d ging e in das Schloß da drag Friederrikche seinen Rock in das Schloß ich wünsche noch viel tausend mal glück auf ihrer Reise Leben sie wohl Ihr getreuer Sohn Emil Herder
Venezia, den 6. Jun. [1789]
Seit gestern Nachmittag bin ich hier; sehr gesund, u. ich habe abermals das Erfrischende des See-Elements gefühlet, das mich in meiner Jugend, da mich vorher der Wind umwerfen wollte, neu stärkte. Den 3. Pfingstfeiertag Abend ging ich mit dem Courier von Bologna zu Schiff nach Venedig: es war ein schöner Mondabend; in der Nacht schlief alles, wie u. so gut es konnte. Ich gar schön; gegen Mittag waren wir in Ferrara. Ich begrüßte Ariosts Grab, nachmittag gings weiter u. gestern zwischen 2–3. waren wir in Venedig. Nachdem ich mich erholt u. die Sachen abgemacht hatte, die eine Last der Reise sind, sahe ich den Markusplatz u. alle Gebäude desselben von außen, die Brücke Rialto etc. Kaufte mir den Ariost, sahe den Markusplatz nachher erleuchtet, u. ging Abend Zwischen 10. u. 11. in die Oper, die gegen 2. aus war. Heut morgen bei den Banquier, auf die Post, (wo ich leider nichts von Dir fand, so wenig die poste restante vorigen Tags etwas unter meinem Namen kennen wollte), sahe drauf St. Markus u. seine Gebäude, die Bibliothek etc. inwendig, hörte die Advokaten, aß u. sitze jetzt hier den Vetturino über meine weitere Reise zu erwarten, die, wills Gott übermorgen weiter fortgesetzt werden soll; über Padua, Vicenza p Dein Br. soll mir nachkommen; in Parma u. Mailand werde ich die andern finden. Es geht brav über das Geld her; aber man kann nicht anders. Heut Nachmittag will ich einen giro um Venedig in einer Gondel machen u. wenn Zeit ist, den Kindern noch etwas von dieser Seestadt schreiben. Das ist keine Parthenope wie Neapel mit sanften lockenden Armen, sondern ein Seeungeheuer mit 10,000 Händen, das in jedem Gliede lebt, u. auf Nutzen bedacht ist. Es reuet mich indessen nicht, daß ich auch diese Nymphe der Lagunen hinter Rohr u. Schilf gesehen habe. Es ist ein ganz eignes Universum in ihr; in allem das Gegenteil von Rom u. von allen Landstädten. Selbst Amsterdam ist an Seltenheit nichts gegen sie; es ist eine Seespinne mit hundert Füßen u. Millionen Gelenken. Die Luft bekommt mir sehr wohl; u. die Unruhe, in der Alles ist, teilt sich mit, wie auch dieser Brief zeiget. Lebe wohl, liebes Herz, in Parma, u. nachher in Mailand finde ich gewiß Deine Briefe. Nachher gehts in die Alpen, für die Schweiz habe ich keinen Raum mehr, weder im Hirn, noch im Beutel. An Heine habe ich aus Bologna geschrieben. Hier ist der Brief. Nochmals das beste Lebewohl Dir u. den Unsern. Vale, Valete
H.
Venedig, 6. 6. 1789
Lieben Kinder,
Nun bin ich in solch einem kleinen schwarzen Hause geschwommen, das man eine Gondel nennt. Es ist lang u. schmal, vorn u. hinten spitz, u. sieht wie ein Frauenpantoffel aus; das viereckigte Kämmerchen darauf, mit 4. Sitzen, ist mit schwarzem Tuch beschlagen, so wie auch die Gondel schwarz ist. Der Gondelier steht hinten drauf u. lenkt die Gondel mit seinem Ruder so geschickt, daß man es sich kaum denken kann, wenn mans nicht gesehen hat. Man schwimmt dicht auf den Wellen so sanft, wie in einer Wiege, u. sieht an beiden Seiten große hohe Paläste Einer dicht am andern; unter den Brücken fährt man durch; zwischen Gondeln, Schiffen, Barken fährt man wie auf einem Pfeil hin, daß im größten Gedränge Eine Gondel die andre kaum berühret. In manchen ziemlich engen Kanälen gehen 3. Gondeln neben einander so schnell vorbei, als ob man einander vorüberflöge. Die Damen sitzen mit ihren Herren drin, u. sie haben es zehnmal bequemer, als wenn sie in den Kutschen gerüttelt würden. In Venedig sind keine Kutschen, alles wiegt sich in Gondeln, was nicht über die Brücken Trepp-auf u. ab laufen will. Es ist eine sonderbare Stadt, die gleichsam aus der See emporsteigt, voll Gedränges von Menschen, voll Fleiß u. Betrügerei. Es ist mir lieb, daß ich sie gesehen habe. Übermorgen oder vielleicht schon morgen gehts nach Padua, auch zu Wasser, fort: denn weiter hin zu Lande u. endlich 2. mal über die Berge, bis ich bei Euch bin u. Euch wiedersehe. Lebt wohl, Ihr Lieben, lebt wohl; ich sehe Euch bald, behaltet mich lieb, wie ich Euch lieb habe. Gebt alle 6. der Mutter einen Kuß in meinem Namen, u. seid hübsch artig u. ihr gehorsam. Lebt wohl, Ihr Lieben.
Mailand, den 13. Jun. [1789]
Hier bin ich endlich in Mailand, liebes Herz, aber wie? daß ich auch hier keinen Br. von Dir finde? Den Tag vor Pfingsten empfing ich Deinen 3ten Br. nach Bologna adressiert, als er eben ankam, in dem Du mir meldetest, daß Du nächstens nach Venedig u. Mailand zugleich schreiben u. mich benachrichtigen wolltest, ob Du nach Karlsbad kämest oder nicht. Ich blieb die Feiertage in Bologna, kam in Venedig an u. fand Deinen Br. nicht; ich ließ Ordre, daß er mir nach Mailand nachgesandt werden sollte, er ist nicht gekommen. Und hier finde ich auch nichts von Dir. Du mußt Dich gewaltig in meiner Reisezeit verrechnet haben; u. das tut mir leid, weil ich fürchten muß, daß es jetzt immer so gehen werde. Und mit dem Nachschicken der Br. ists eine böse Sache: den Postmeistern bezahlts keiner u. wo habe ich allen Orten Privatbekannte, die die Br. auslösen, u. mir nachschicken wollen. Das wird schlimm werden; u. warten kann ich auf die Br. nicht, wenigstens nicht hier an einem teuren Ort. Nachher gehts wieder mit dem Vetturin fort, der seine abgemessene Wege hat; so fürchte ich jetzt ungewiß über Deinen Entschluß, u. ohne Nachrichten von Dir zu bleiben, fast bis Nürnberg. Ich hoffe aufs gute Glück, das mir aus diesen disconto heraushelfen soll; das ich mit Deiner Genauigkeit im Rechnen gar nicht reimen kann. Solltest Du in 14. Tagen nicht geschrieben haben? u. wohin? Es ist mir unbegreiflich, da in Venedig, Mantua, Parma nichts war u. hier auch mit der eben angekommenen Post nichts ist. –
In Parma habe ich Deine 2. früheren Br. mit Göthens Einschluß empfangen. Göthens Br. ist grob; er behandelt mich als einen jungen Narren von 20. Jahren; ich kann ihm also nicht darauf <antworten.> Indessen da er doch eine gute Absicht haben soll: so danke ihm dafür, u. sage ihm, was Du schon aus meinem Br. an Heine weißt, von dem ich Dir eine Kopie aus Venedig geschickt habe, daß ich nichts weniger als mein Jawort für G[öttingen] gegeben, welches ja auch ohne zwischen mir u. Dir verabredete u. dort angenommene Bedingungen unsinnig zu denken wäre. Aber so gehts! Man muß die kleinen, schwachen Menschen, die nur »fühlen, nicht sehen« können, fein dumm u. sinnlos machen, um zu ihnen als ein höherer Geist zu reden.
Die Güte der Herz. u. alles was Du mir von ihrer Sorge uns in W[eimar] zu erhalten schreibst, rührt mich unendlich. Ich kann jetzt unmöglich an sie schreiben, wie ichs wünsche, u. ihr danken; sobald ichs kann, will ichs tun, auf die beste Weise. So auch an die Fr. v. Stein, deren Freundschaft sich bewährt, d. i. handelnd, nicht schwätzend zeiget. Mich dauert sie, wie sie Dich dauert; ich will ihr ein freundlich Wort zureden, aber was kann ihrem zerknickten Geist das helfen. Ich fürchte, wie Du, es ist eine Wunde an ihrem Herzen bis zu ihrem Sarge. Gott bewahre jedes männliche u. weibliche Herz für solchem Wurme.
Und nun, lieber Engel, lasse ich die Sache mit Göttingen in Friede ruhen, bis ich Dich sehe. Was hilft alles Treiben, u. Abmatten in Gedanken? Tue mir den einzigen Gefallen u. sei auch ruhig: schreibe an Heyne nicht mehr, was er Dir auch antworten möge, matte Dich auch nicht mit Sorgen u. Überlegungen ab, die zu nichts dienen. Höre alles, was Dir gesagt wird u. schweige; behalte es zu meiner Rückkunft auf: denn wollen wir überlegen. Deine beiden Br., die ich in Parma fand, haben mir um Dich so bange gemacht, daß ich selbst ein Fieber bekam u. in Burgo eine elende Nacht zugebracht habe. Nun habe ich alles dem guten Geschick in den Schoß gelegt, u. will u. mag während meiner Reise nichts denken. Ich will hierin von der Hand auch ein Herz. von Sachs. sein, wie jener, von dem der Prinz Aug[ust] erzählte. – Dem Herzoge danke für seine Erbietungen aufs untertänigste, u. melde ihm das, was ich Dir oben für Göthe schon gesagt habe u. Du selbst weißt. Schreiben kann ich nicht, oder nicht viel an ihn; u. was soll das Unterhandeln über diese Materien in Italienischen Wirtshäusern? Laßt mich ruhig reisen u. ankommen: meine äußerstscheugewordene, in sich zusammengeschreckte, matte Seele kann jetzt nichts mehr, als – reisen.
Aus Florenz habe ich Dir 2.mal, einmal aus Bologna, u. aus Venedig einmal geschrieben. Seitdem bin ich über Padua, Vicenz, Verona, Mantua, Guastalla, Parma, Piacenza gegangen, u. jetzt bin ich hier. Nun basta! An die Schweiz ist nicht zu denken: meine Seele faßt keine neuen Eindrücke für jetzt mehr, u. die Schweiz, wenn man sie noch nicht gesehen hat, zum Appendix von Italien zu machen, wäre unverzeihlich. Um den Genfersee zu sehen, an dem mir am meisten gelegen ist, müßte ich mich über Turin u. den Mont Cenis hinschleppen, u. das ist mir jetzt zu weit um, u. zu kostbar. Laß das sein, bis wir einmal zu guten Schmidtin reisen, wenn es anders das Schicksal so will. Denn sehe ich diese schönen Gegenden mit Dir; allein mag ich nichts mehr sehen. Ich gehe über Trento, Inspr[uck], München, Regensb., Nürnberg, wohin Du mich weiter weisest.
Mein Br. ist heut außerordentlich matt; aber meine Seele ists auch; verzeihe mir also, daß ich Dir heut nicht mehr schreibe. Sonst bin ich wohl u. gesund, danke Dir 1000.mal für Deine unaussprechl. Liebe u. Güte gegen mich, auch für Deinen Br. an Angelika, den ich in Parma beigeschlossen fand. Er ist gar lieb u. herzlich; sie verdient ihn aber, die englische Seele, u. er wird ihr unendlich tröstend u. lieb sein.
Lebe wohl, holder Engel, wenigstens für heut; vielleicht schreibe ich noch morgen etwas hinzu, u. auch wenn ich Zeit habe, etwas an die Kinder. Wo nicht, so grüße u. küsse sie herzlich u. danke ihnen für ihre lieblich-einladenden Stimmchen. Lebe wohl, gute Seele u. grüße Alles, was sich meiner mit Liebe erinnert. Gott sei mit Dir, mit mir u. mit unsern Kindern. Amen.
P. S. Ich bin nicht wieder zum Schreiben gekommen u. die Post will fort. Ich will noch die nächstankommende abwarten, ob ein Br. von Dir komme, u. alsdenn so Gott will nach Trento. Grüße die Kinder u. betet für mich, daß Gott mir zu Euch helfe; ich sehne mich herzl. nach einer Heimat. Grüße Göthe, u. sage ihm nichts Übles von meiner Empfindung. An die Herz. will ich, noch von hier aus schreiben. Lebe wohl, herzliebe Gute u. Treue, Gott gebe Dir Ruhe u. mir erhalte er die Gesundheit.
W[eimar,] d. 15. Juni 1789.
Du hast mich außerordentlich erfreut, durch Deinen Brief aus Venedig vom 6. Juni, Liebstes einziges Herz. Ich war in unbeschreiblicher Unruhe, als ich Deinen Brief aus Bologna erhielt, worinnen Du mir sagtest: ich habe einen Schauer gegen Venedig pp u. Dich dennoch auf einen Brief von mir, entschlossen hattest dahinzugehen. Gott wird überall Dich in Gefahr beschützet u. bewahret haben, das ist meine einzige Hoffnung – ich will Dich nicht mit meinen sorgenden Gedanken unterhalten; Laß uns Gott danken u. bitten, daß er sein Auge über uns erhält. Dein Brief an Heine ist vortrefflich. O wie sehne ich mich nach dem Augenblick, wo ich mich mündlich mit Dir über alles besprechen kann. Im schreiben läßt es sich nicht tun. [ . . . ]
Auch hoffe u. bitte ich Dich, mir sogleich Nachricht zu geben, wenn Dein Geld ausgehn will, damit ich Dir sogleich welches schicken kann.
Deine Schwester küßt u. grüßt Dich; ihr geschwollener Leib ist noch nicht viel gesunken; sie bleibt aber immer voll Mut u. Hoffnung, auch gibt ihr heitres Aussehen die beste Hoffnung. Sie ist eine zarte gute Seele, u. 1000mal Geistvoller u. verständiger als Dein armes Weib, das nur durch Dich empfangen hat, das Lichtlein das sie noch beseelt.
Die gute Angelica hat Goethe geschrieben, wollte ihm einen großen Brief schreiben, es sei ihr aber nicht möglich; sie sei zu traurig durch den Abschied der Freunde u. versenke sich wieder in ihre Einsamkeit. Sie hat mich gar achtungsvoll grüßen lassen. O Du hast ihr vielzuviel Gutes von mir gesagt.
Nun lebe wohl Einzigtreues Gemüt u. Geist. Lebe wohl u. nähere Dich uns immer mehr mit guter Hoffnung u. Liebe. Nimm uns nur wie wir sind! Die Kinder sind alle wohl, u. graben ein Bergwerk im Garten u. danken u. küssen Dich für Deinen 1. Brief. Es ist nach 14 Tagen Regen wieder schönes Wetter, darum schreiben sie heute nicht. Ich habe niemand in diesen Tagen gesehen als Goethe. O den mußt Du als Deinen treuen Bruder lieben u. behalten. Mündlich mehr.
Fr. v. Fr[ankenberg] hat mir vorigen Posttag u. heute einen Brief gesandt, darum folgen diesmal 2.
Lebe tausendmal wohl, mein Alles auf der Welt! Wenn ich Dir durch meine Sorgen in dem Brief nach Mailand, wehe getan habe, so verzeihe mirs. ich wollte Dir nicht wehe tun, vielmehr es Dir, wie mir selbst, zur Klarheit bringen, daß wir uns über Schatten oder Notwendigkeiten nicht quälen.
O Gott, wie ist mir heute, nach 14 Tagen sonderbarer Unruhe Deinetwegen, heute so leicht, daß ich Dir nach München schreiben kann. Gott begleite Dich u. seine Engel, mein Einziger.
[ . . . ]
Weimar, 15. 6. 1789 [?]
Lieber Vater reisen Sie glücklich und kommen bald zu uns, im Garten blühet jetz alles o wenn Sie jetz bei uns wären
Luise
Wenn sie im Garten sitzen u tabak rauchen so will ich Ihnen die Pfeife an stecken Lieber Vater
Emil
Und ich will ihnen die schönsten Rosen bringen und sie gehn dann mit uns wieder Spazieren. Kommen sie Glücklich zu uns lieber Vater.
Adelbert Herder
Lieber Vater ich und Adelbert sind gestern in eine neue Stube gezogen nun wünschen wir daß Sie bald bald zu uns kommen möchen. Gott begleite Sie. Wilhelm
Lieber Vater, wir alle erwarten sie mit großem Verlangen und keins hat jetzt Lust zu schreiben es ist auch so schönes Wetter, daß sie's uns gewiß lieber gönnen, wenn wir in der schönen Luft sind. Ich gebe Ihnen nur ein Zeichen meines Lebens und wünsche Ihnen glücklige Reise. Leben Sie wohl.
August Herder.
Liebster Vater, verzeihen Sie auch mir, daß ich so lange nicht geschrieben habe, u. behalten Sie mich noch lieb; sehnlichst wünschen wir Sie wieder zu uns. Ich und August haben das französische angefangen u. wollen bald mit Ihnen reden. Leben Sie wohl, nächstens schreibe ich mehr. Behalten Sie lieb
Ihren Gottfried Herder.
Mailand, 15. 6. 1789
Hochgeschätzter, HochzuEhrender Herr,
Ehe ich Italien verlasse, kann ich nicht umhin, noch einige Zeilen an Euer HochEdl. zu erlassen, u. Sie bei meiner Buste um einige kleine Änderungen zu bitten, über die ich vor meiner Abreise gern mit Ihnen gesprochen hätte, wozu aber die Zeit zu kurz war. Ich lege sie Ihnen, als dem Schöpfer u. Künstler der Buste, zur Beurteilung vor, u. diese allein mag darüber entscheiden, ob meine Bitte statt haben könne, oder nicht.
Zuerst wünschte ich, daß die Schultern nicht so breit ausfielen: der Kopf bekommt dadurch etwas kolossalisches u. Gigantisches, welches in einer großen Höhe zwar Wirkung machte, aber in einer Höhe, wie unsre Busten meistens gesetzt werden, scheint es mir drückend u. schwer zu werden. Ich weiß nicht, ob Göthe seine Buste kolossal bestellt hat; meine ist aber selbst größer geworden, als die seine. Meine Bitte ist vielleicht unnötig, weil E. H. bei dem Marmor vielleicht eine etwas kleinere Form zu nehmen gesonnen waren; u. in diesem Fall bitte ich um Verzeihung.
Zweitens auf der Stirn wünschte ich etwas mehr Haar. Jetzt ist sie fast kahl in der Buste, welches mich gar zu philosophisch macht; das Haar, das über das Ohr in einer Locke fällt, wünscht' ich dagegen etwas dünner gehalten, damit es mit dem Haar auf der Stirn in Verhältnis käme. – Drittens dünkt mich die Augenbraue etwas zu gespannt, u. schräg sich hinaufziehend; ich habe sie, wie mich dünkt, etwas gerader u. sanfter. Auch wird das ganze Gesicht dadurch etwas Einnehmenderes bekommen, wenn diese Spannung aufhöret. – Verzeihen Sie, bester Mann, daß ich die Bitten an Sie tue. Jedem ist doch sein Gesicht u. seine Person lieb; man ärgert sich, wenn darüber etwas gesagt, u. freuet sich in die Seele des Künstlers, wenn es in Allem, Allem als Muster der Vollkommenheit gelobt wird. Insonderheit wünscht man doch immer, daß das Bild einen guten Eindruck von der Person gebe, woran es schon 2. früheren Busten, die in Weimar von mir exsistieren, sehr fehlet. Mich dünkt, der Kontrast zwischen mir u. Göthe sei etwas zu stark: er sieht wie ein junger Alexander oder Apollo aus, u. ich gegen ihn wie ein kahler, trockner Alter. Verzeihen Sie, bester Mann, meine Bitte; Sie wissen, wie hoch ich Sie schätze u. wie eifriggut ichs mit einem so braven Künstler als Sie sind meine. Ich sehe Ihr Werk ordentlich als das Meinige an, u. ich möchte gern, daß Ihr Ruhm auch durch meine geringe Buste in Deutschland ein lebendiges, ewiges Monument erhielte. Dies wird auch gewiß sein: denn so vortrefflich die Ähnlichkeit, so fein die Züge, so glücklich die Draperie ist: so wird sich auch durch diese angedeuteten kleinen Stücke im Marmor das Gesicht noch mehr beleben, daß jeder es mit Freude betrachtet. Leben Sie wohl, Hochgeschätzter] H[err], haben Sie Dank für Ihre an mich gewandte Mühe, u. für Ihre mancherlei mir erzeigte zutrauliche Güte. Wenn ich je etwas zu Ihrem Vorteil tun kann, will ichs gern tun, u. werde immer mit Hochachtung an Sie gedenken. Übermorgen gehe ich von hier weiter; aber nicht über die Schweiz, sondern über die Alpen; indessen werde ich mich Ihres jungen braven Schweizers doch erinnern, so gut ich kann. Leben Sie wohl, würdiger Mann, verzeihen Sie die Freiheit dieses Briefes u. bleiben mir wohl gewogen.
Ihr ergebenster Herder
Weimar, Mitte Juni 1789
In Parma hast du wahrscheinlich ein Wort von mir gefunden, nun gehe ich dir mit diesem nach München entgegen.
Du hast an Heyne sehr gut geschrieben und behältst dir auf diese Weise einen ruhigen, überdachten Entschluß vor.
Der Herzog hat mir neuerdings geäußert: daß er dir 1800 rh. geben wolle jährlich, um dich in deinem Häuslichen mehr zu beruhigen.
Wenn er nun deine Schulden bezahlt; so ist das auch auf 10 Jahr eine Zulage von 200 rh. zu rechnen, die Intressen nicht einmal in Anschlag gebracht. Das also vorläufig.
Mögest du recht wohl uns immer näher kommen.
Schreibe nur gleich von München aus und bleibe etwa ein Paar Tage in Nürnberg. Deine Frau hat dir Ilmenau vorgeschlagen um dir dort zu begegnen. Das ist sehr gut. Ob du von Coburg auf Ilmenau oder Salfeld gehst ist ganz eins. Wenn du nun von Nürnberg gleich schreibst und den Tag bestimmst wann du in Ilmenau sein kannst; so kann sie gleich ab und dir entgegen gehn. Frage aber in Coburg auf der Post: ob nicht ein Brief an dich da liegt. Wir wollen dir dorthin schreiben. Lebe wohl und vollende deine Reise glücklich.
G.
W.
W[eimar,] d. 22. Juni 1789
Es sind heute 8 Tage da ich Deinen Brief aus Venedig erhalten habe, liebstes Herz, u. ich hoffte heute ganz gewiß auf einen Brief, aber vergebens, in welcher Unruhe ich bin, glaubst Du wohl nicht. O warum bist Du doch nach Venedig gegangen! wie habe ich wissen können daß Du einen Schauer gegen diesen Ort hast! ich kann mir meinen Brief hierüber nicht verzeihen, Dich dahin verlockt zu haben. Bin ich denn nur immer das Werkzeug zu Unglück! Ich weiß daß Dich Gott zu uns bringen wird, daß wir noch glücklich sein werden, daß aber noch etwas unangenehmes geschehen wird. Ich will Gott um Stärke bitten. Gräme Dich doch nur selbst über nichts. Auch wenn Dir Geld geraubt sollte werden so gräme Dich doch nicht. Ach hättest Du mir doch nur eine Zeile geschrieben! Du kannst ja denken in welcher Erwartung u. Unruhe ich jetzt bin.
Deine Schwester ist zwar heiter von oben, der Leib aber bleibt wie er ist; Hufl. u. Starke suchen jetzt erst durch Arzneien zu erweichen u. werden hernach treibende geben. Es ist schade um die Frau, sie ist so heiter u. verständig u. so klug, wir beide sind gegen sie Kinder – u. sie hat dabei etwas weiblich vornehmes in ihrem ganzen Wesen; ich bin wie eine gutherzige Magd. Gebe ihr auch die Klistiere selbst, wofür sie mir oft die Hand küßt.
Gott führe Dich doch glücklich zu uns! u. laß Dich doch Freude u. Ruhe finden bei den Deinen. Vor 8 Tagen habe ich Dir auch nach München geschrieben worin eine Einlage von Goethe war. Ich hoffe daß Du gern hier bleiben magst. Es kann ja alles ungleich besser werden – u. man hat doch hier zwei Dinge, die man in Gött. nicht hat: Ruhe für sich u. eine stille Erziehung der Kinder. Für das Auskommen wird ja einiger maßen gesorgt, u. mehr kann man ja nicht als essen u. sich kleiden. Egal stehn wir ja ziemlich hier mit den übrigen; u. in Gött. hättest Du brav arbeiten müssen, um es dahin zu bringen.
Ich habe diese Woche niemand gesehn als Goethe u. Knebel. Ich habe Deine Zimmer eingeräumt u. wünsche daß Du schon darinnen wärest! Die Tapete habe ich aber nicht aufgemacht, Du sollst erstlich kommen u. entscheiden.
Ich bin heute zu Goethe zum Tee geladen, mit den andern Frauen; ich habe aber heute nirgends Freude, da Du nicht geschrieben hast.
Lebe wohl mein Einziger.
Gott sei mit Dir u. begleite Dich. Die Kinder küssen Dich tausendmal u. Deine Schwester grüßt Dich herzlich.
Lebe wohl, wohl u. glücklich
C. H.
Abends.
Ich muß Dir noch eine freundliche Gute Nacht sagen, lieber Einziger! ich bin mit der Gesellschaft spazieren gewesen u. habe die Herzogin gesehen, das war das Beste, an ihr hab ich mich erquickt u. meine Seele beruhigt. O liebstes Herz verlasse mich doch in den letzten Tagen nicht u. gönne mir noch Deine freundlichen Worte u. Dein Gutes Herz! ade, ade!
Inspruck, den 25. Jun. 89.
Hier bin ich jetzt, liebes Herz, u. Gottlob gesund u. glücklich; nur auch hier finde ich Deine Br. nicht, eben so wenig als in Trent, Mailand, u. f., da Du mir doch von Deinem Entschluß über Karlsbad nach Mailand u. Venedig Nachricht zu geben versprachst, u. dies 3. 4. mal wiederholtest. Ich begreife nichts u. wünsche nur, daß kein schlimmer Umstand Deine Br. verhindert habe; sondern daß es nur die Ungewißheit sei, in der Du über meine Reiseroute warest. O daß Du Dich in diese hast einleiten lassen! denn hättest Du fortgefahren, wie Du bis Bologna getan hast, so hätte ich nachdem was Du weiter schriebst, daß Du tun wolltest u. wornach ich mich wieder auf der Reise richtete, jedes <Bla>tt Deiner Hand zur rechten Stunde erhalten. Nun weiß ich seit dem 10. 15. Mai nichts von Dir, selbst nicht ob Du nach Carlsb. kommen willt, kommen kannst, nichts von der Schwester pp – – – –Wie das mich ängstigt, mag ich nicht sagen.
Gnug, ich bleibe meinem Wort treu, u. reise, sobald ich kann, nach München. Ich sage, sobald ich kann, denn bisher bin ich mit Vetturins gefahren u. ich tue mich hier auch nach einem Deutschen Fuhrmann herum. Es ist mit dem Ab- u. Aufpacken bei jeder Poststation eine höchstbeschwerliche Sache, auch muß man mit allerlei Wagen vorlieb nehmen; u. denn habe ich an dem Menschen, den ich mit aus Rom geschleppt, mir eine beschwerliche Last auf den Hals gebunden. Ich will ihn noch bis München mitschleppen; denn mag er sich weiter forthelfen – Reifenstein hat ihn loswerden wollen u. hat ihn mir aufgehalset. –
26. Jun.
So weit war ich gestern, u. erwartete mit Sehnsucht die Post, die Abends eintreffen sollte. Sie hat mir 2 Br. von Dir mitgebracht, Einen nach Bologna adressiert vom 29. Mai, den andern nach Mailand adressiert vom 1. Jun. In Einem lag ein Br. v[on] d[er] Fr. v. Fr[ankenberg], im andern ein Zettel von Göthe. Den Br. nach Venedig habe ich noch nicht erhalten; habe aber seinethalb Vorkehrungen gemacht, u. will nochmals schreiben. Diesmal hast Du Dich übel verrechnet, welches alles davon kommt, daß Du nicht in der ersten Route fortgefahren bist: die Briefe konnten ja alle auf mich warten. Es tut aber nichts, wenn ich sie nur nach erhalte, u. der Br. der Herz. nicht verloren ginge, welches ich aber nicht hoffe. – Gnug, mich freuets, nach Monatfrist wieder Deine Hand zu sehen u. zu vernehmen, daß Du u. die Kinder gesund bist, auch daß es mit der Schwester leidlich gehet. Tue an ihr, was Du kannst, Gott wird Dirs lohnen. Grüße sie von mir aufs beste; wenn dieser Br. eintrifft, werde ich auch bald dasein.
Mit Karlsb. bin ich nach diesen beiden Br. ungewisser, als ich war: der Eine sagt, »ich komme«, der andre »ich komme nicht« u. willt von mir Entscheidung hören. Diese zu geben, ist jetzt zu spät, u. ich muß es erwarten, ob ich auf meiner weitern Reise einen Br. finde, der mir darüber etwas sage. Mit mir stehts also. Auf der Einen Seite bin ich des Herumziehens u. Geldausgebens herzl. satt u. müde, so daß ich lieber heut als morgen in einer Heimat zu sein wünsche. Von der andern Seite habe ich einen beschwerlichen Husten, wie ich ihn in Karlsbad hatte, u. auch in Rom eine Zeitlang gehabt habe. Da er indessen nur eine Folge der Reise ist, so wird er sich auch ohne Karlsbad wie ich hoffe, bloß durch die Ruhe von selbst geben. Er hat sich nur in Mailand eingestellt, u. die Veränderung des Klima muß ihn natürlich eine Zeitlang nähren. Ich kann also über meine Ankunft noch nichts sagen, werde zuerst sehen, ob ich in München, Regensb., Nürnberg was bestimmtes von Deinem Entschluß über Karlsb. finde, u. wie es weiterhin mit meiner Gesundheit stehe. Von Nürnberg aus werde ich denn wenigstens schreiben; kannst Du mir denn, wenn Du Karlsb. aufgegeben hast, noch nach Ilmenau entgegen kommen, so soll es mir sehr lieb sein. Wo nicht, so bin ich zufrieden, wenn ich nur hinter der Kirche gesund eintreffe, u. Euch alle gesund finde. Etwas quält es mich, ich kann es nicht leugnen, daß Du Dich für meiner Ankunft zu fürchten scheinest, so sehnlich Du sie erwartest. Diese Aufschraubungen u. Aufspannungen, liebes Herz, sind doch nicht gut: sie matten die Seele ab, verderben alle Stunden des reinen Genusses, u. nagen am Leben. Nimm mich, wie ich bin; ich will Dich nicht anders, als wie Du bist, habe Dich auch nie anders gewünschet. Das muß Dir doch Dein eignes Herz sagen, daß ich Dich lieb habe, wie irgend jemand auf Erden seine Frau u. Geliebte lieb gehabt hat; was beunruhigest Du also Dich u. mich mit Deinen zweifelnden Gedanken? Aller Zweifel ist böse; u. ich habe ihn bei Dir, Gott weiß, nicht verdienet. Sei fröhlich u. heiter, grüße u. küsse die Kinder, auch besonders Luischen u. Emil, grüße die Schwester u. mache Dein Gemüt ruhig. Deine Unruhe ängstigt mich sehr. Meine Br. aus Florenz, Bologna, Venedig, Mailand wirst Du erhalten haben; der Br. der in Parma an Angelika einschlossen war, ist von Mailand aus an sie geschickt. An die Herzogin schreibe ich heut u. lege das Briefchen bei, ob ich gleich den Ihrigen noch nicht habe. Danke Ihr 1000.mal in meinem Namen. Weiter kann ich vorjetzt an Niemanden schreiben, das weiß Gott. Lebe wohl, liebes Herz, Du mein treues Weib u. meine innig-Geliebte, lebe wohl mit den lieben Mein- u. Deinen, u. sei ruhig, u. denke mein in Güte u. Liebe. Morgen gehts gegen München.
Daß ich an den Husten gedacht habe, mache Dir keine Sorge. Er ist der Rede nicht wert. Lebe wohl, liebe. Die Fr. v. Kalb grüße schönstens. Auch die Fr. v. St[ein] wenn sie zurück ist ppp
Insbruck, den 26. Jun. 1789.
Durchlauchtigste Herzogin, Gnädigste Frau,
Vor allen Dingen komme ich Euer Durchlaucht, da ich wieder in Deutschland bin, mit meinem treuesten Glückwunsch zu E. D. allmählich wieder erneueten u. gestärkten Gesundheit entgegen. Sie ist doch das Hauptgut u. gleichsam das Kapital aller Wünsche, mit denen wir leben, u. die aus ihr nur wie Zinsen steigend u. fallend ihren Ursprung nehmen. Der Himmel wird mir wie ich hoffe, bald die glückliche Stunde schenken, E. D. gesund u. so fröhlich als es in diesem sterblichen Leben sein kann, wieder zu sehen u. mich Ihres geliebten, heiligen Daseins zu erfreuen u. zu vergewissern.
Zweitens schreibt mir meine Frau von so unendlich vieler Güte u. Gnade, die Euer Durchlaucht bei Gelegenheit des Göttingschen Antrages für meine Person u. für das Wohl der Meinen geäußert haben, daß, so wie sie nicht Worte gnug hat finden können, die Gnade und Liebe Euer Durchlaucht für unser armes Haus auszudrücken, ich dergleichen noch viel weniger finden kann, Ihnen, geliebteste gnädigste Fürstin, dafür zu danken. Von Anfange an trieb mich mein Geist an E. D. einzig in dieser Sache zu schreiben, um wenigstens nur Jemanden das zu entwickeln, was in meinem Gemüt lag u. sich sehr gewaltsam darin umherkehrte. Ich sahe Italien als die wahre Krise an, wie weit es mit mir im ganzen Resultat meines Lebens gekommen sei, (wie ichs auch noch ansehe) und da niemand in Weimar ein Ohr für diese Disgrazie meiner Lage zu haben schien: so kann ich nicht leugnen, ich fühlte mich meines ganzen Daseins daselbst satt u. müde. Jedes Wort schien mir überdrüssig, das ich an Personen täte, die mich 12. u. mehrere Jahre hatten dulden gesehen u. denen der ganze Unfall meiner Reise beinahe gleichgültig sein konnte. Euer Durchlaucht wollte ich, nicht als der Fürstin des Landes, sondern als der von mir verehrtesten Person in Weimar, die Ursachen vorlegen, die mich zu meinem halb-verzweifelten Entschluß nötigten; bloß u. allein hielten mich die körperlichen Umstände zurück, in denen sich E. D. damals befanden, und die ich auf keine Weise durch Materien der Art verschlimmern wollte.
Sonderbar hat mich also die Teilnehmung getroffen, mit der, meines Stillschweigens ungeachtet, Euer Durchlaucht diese Revolution meines Schicksals haben ansehen wollen; mir wars, als ob unsichtbar mein Geist zu Ihnen geflogen wäre und Ihnen seinen Kummer entdeckt hätte. Zwar habe ich E. D. gnädigen Brief, den meine Frau nach Venedig geschickt hat, noch nicht empfangen, u. weiß von seinem Inhalt nichts; indessen, daß einer da ist, ist für mich gnug, um diese ganze Sache, die mir immer ein Fieber macht, wenn ich lange daran gedenke, ruhen zu lassen, bis ich Euer Durchlaucht, den Herzog u. etwa die Wenigen gesprochen habe, die mein Schicksal interessiert. Des Herzogs huldreiche Anerbietungen habe ich in Bologna empfangen u. ich fühle mich gewiß darüber aufs dankbarste gerühret. Da aber auf Reisen, zumal auf Reisen meiner Art, wo mein Gemüt äußerst angegriffen u. selbst meine Gesundheit etwas in Unordnung ist, Punkte der Art schwer auszumachen sind: so habe ich selbst den Dank dafür bis zu meiner Ankunft in Weimar aufschieben müssen, u. hoffe, Se[ine] Durchlaucht werdens nicht ungut aufnehmen. Übereilt ist nichts; zu einer solchen Torheit bin ich zu alt; ich habe an Göttingen nichts weniger als mein Jawort gegeben, sondern alles bis zu meiner Wiederkunft in Weimar verschoben. Dies erforderte Anstand, Dankbarkeit u. Überlegung; u. so unterdrücke ich auch jetzt jeden Gedanken, der sich hie- oder dorthin lenke.
Wie auch die Würfel fallen mögen: so wird das Herz u. die Seele, die Euer Durchlaucht in dieser Verlegenheit, der äußersten u. entscheidenden meines Lebens, gegen mich u. die Meinigen erwiesen haben, mir ewig-heilig u. unvergeßlich sein. Ich kann nichts daraufsagen, als: Euer Durchlaucht zeigen sich jetzt wie Sie sind u. wofür ich Sie immer gehalten habe; vielleicht bin ich aller der Gnade nicht wert. Die wenigen Tage u. Wochen werden ja auch hinrollen, da ich mein windichtes palatium hinter der Kirche wiedersehe, u. höre was weiter das Schicksal mit mir will. Was ich an Weimar verlöre, weiß ich selbst am besten, ich will u. mag es mir aber nicht sagen; weil ich überhaupt an diese bittre Kur meines Lebens gewiß nicht mit jugendlichem Leichtsinn denke. – Leben also E. D. solange aufs beste wohl; ich küsse Ihnen mit einer Empfindung von Dankbarkeit u. innerer Wehmut die Hand, die ich mir selbst nicht entwickeln mag. Ich bin u. verharre, gütigste Herzogin, mit stummer Verehrung
E. D. untertänigster Herder.
München, den 29. Jun. (Sonntag, ich glaub es ist der 29.) [1789]
Den Augenblick komme ich hier an, finde mit großer Freude Deinen Br. vom 15. Jun., nebst den Br. der Fr. v. Fr[ankenberg] u. Göthes Briefe.
Zuerst Dank für die Gewißheit, daß Du nicht nach Carlsb. gehest. Ich gehe auch nicht hin; ich könnte da nicht weilen. Mein Husten mindert u. die Weimarschen Pillen, die ich auf Italien. Boden ganz vergessen u. vernachlässigt hatte, tun mir wohl.
Wie lang' ich hier bleibe? wenn ich von Nürnberg reise? etc. etc. weiß ich noch Alles nicht. Auch ists mir, die Wahrheit zu sagen, gleich, wo ich Dich wiedersehe? Ists in Ilmenau; wohl! wo nicht, – ist der Herzog da u. f. – nach Salfeld komm mir nicht entgegen. Ich komme ruhig an u. freue mich, daß ich die Reise vollendet –
In der Zeit nun werden meine andre Br. von Mailand, Inspruck angekommen sein, oder ankommen. Auf Deinen Br. nach Venedig will ich noch bis Nürnb. warten, u. denn auch nach dem in Verona schreiben. Sonst fehlt mir nichts.
Lebe wohl u. küsse die Kinder. Mich freut die Heiterkeit der Schwester, grüße Sie sehr. So auch Göthen, u. der Herzog. empfiehl mich; ich habe ihr aus Inspruck geschrieben. An die Fr. v. Fr[ankenberg] schreibe doch nur ein paar Zeilen mit Dank für Ihre herzl. gütigen Br. Ich kann nicht: denn die Post geht fort. Lebe bestens wohl, liebe.
W[eimar,] den 29. Juni [1789].
Deinen 1. Brief vom 13. Juni aus Mailand habe ich gestern Abend erhalten, u. danke Dir u. dem lieben Gott herzlich dafür, denn er hat mich aus einer sonderbaren Todesangst gerissen; ich habe seit 14 Tagen keinen Brief von Dir gehabt u. konnte mir nichts als lauter Übles vorstellen.
Gott sei gedankt daß Du wohl bist; ob mich gleich der ganze Brief u. der Zustand Deines Gemüts sehr schmerzt, u. ich mit Kummer an Dich denke. So wird denn die Freude des Wiedersehens nicht rein u. süß sein! O wodurch haben wir das verschuldet!
In Mailand u. München wirst Du meine Briefe erhalten haben, worinnen ich Dich bat den Weg über Ilmenau zu nehmen.
Lieber Engel, wenn es aber Deine Gesundheit erfordert nach Carlsbad zu gehn, o so bitte ich Dich auf den Knien, gehe hin, erleichtre u. stärke Dich, u. komme fröhlich zu uns. Willt Du es aber nicht, so gib mir Nachricht wenn Du in Ilmenau sein kannst; Du mußt aber darauf rechnen daß die Briefe von Nürnb. sehr unrichtig ankommen, 3, 4 auch 5 Tage unterwegs bleiben. Ist Dir überhaupt dieser Umweg fatal, so gehe lieber wieder über Gotha u. ich komme Dir mit den Kindern bis Erfurt entgegen. Die Fr. v. Fr[ankenberg] wird sich sehr freuen; denn sie hat Leid u. Freude wie ein himmlisches Wesen mit mir getragen. Auch leidet sie wieder an der Brust, u. Deine fröhliche Gegenwart wird sie stärken. Doch mußt Du sie auf Deine Ankunft vorbereiten, allenfalls durch einen Expressen. Sie ist die Freundin die mir jenes gesandt hat, das ich Dir aber nicht sagen durfte. Gott führe Dich glücklich u. heiter zu ihr u. mir u. uns allen! Mein Gemüt ist Deinetwegen so besorgt; o Gott was hat Deine Seele so scheu gemacht u. in Dich zurückgeschreckt.
Ich will Dich nicht bereden hier zu bleiben, Gott bewahre mich, wenn es so sehr Deine Seele beleidigt. Zuvor wollen wir mündlich reden u. entscheiden. Wenn Dich dieser Brief schon in Nürnberg findet, so wird es wohl zu spät werden daß Du mir über Ilmenau Nachricht gibst, quäle Dich alsdann darüber nicht u. komme über Gotha; nur lasse mir ja wissen wenn Du in Erfurt gedenkst zu sein; damit ich das ängstliche Harren zu Hause durch das Fahren vertreibe. O mein l. Herz, Gott gebe uns doch eine gute Stunde des Wiederfindens! ich glaubte es in meiner Einsamkeit verdient zu haben – aber es ist nicht so – Gestern schlug ich auf: so jemand kämpfet, so wird er doch nicht gekrönet, er kämpfe denn recht!
Deine Schwester ist heute Vormittag wieder abgezapft worden. Sie war sehr standhaft dabei u. befindet sich wohl u. erleichtert. Sie hat eine herrliche Natur, u. wird vielleicht noch das Übel überwinden. Die Abzapfung wurde notwendig, da in diesen Tagen die Geschwulst hoch stieg u. ihr den Atem erschwerte. Sie grüßt Dich tausendmal u. kann fast die Stunde nicht erwarten Dich zu sehen. Die Operation, die Bernstein sehr gut verrichtet hat, hat mich indessen, so wenig ängstlich sie ist, zuletzt gedrückt u. ich habe den Nachmitt. einige Stunden zu Bette liegen müssen. Jetzt da ich schreibe ist mir wieder wohl. Ach wenn ich Dich nur sehen könnte, nur etwas wieder hätte, das meiner Seele Kraft gäbe. Ich war dies Frühjahr so wohl u. in der Hoffnung so glücklich – jetzt ist wie eine Wolke vorgezogen. Vielleicht ist dahinter eine schöne Sonne. Gott gebe sie uns! Die Kinder sind wohl u. schreiben Dir heute, außer August, der ist beim Erbprinzen.
Lebe tausendmal wohl mein Einzig Gut auf Erden! mein erster u. letzter Gedanke bist Du, u. wirst es sein, so lang ich lebe.
Gott erquicke Dich!
C. H.
Wenn Du nach Carlsb. gehst, so schreibe mir wieviel Geld, ich Dir schicken soll?
Weimar, 29. 6. 1789 [?]
Geliebtester Vater.
Willkommen auf deutschen Grund und Boden, wenige Tage sind es, dann sehen wir Sie wieder, und freuen uns Ihrer Ankunft. Fast weiß ich nichts mehr zuschreiben, und Sie werden mir es verzeihen, da ich nur ganz auf das liebliche Wiedersehn harre, wie die Wächter auf Zion der Morgenröte harreten. – Gottlob daß Sie nur gesund sind, denn wir schlugen uns 14 Tage mit mancherlei kummervollen Gedanken herum und hoffeten sehnlich auf einen Brief, der endlich erschien.
Ich kritisiere jetzt scharf Übersetzungen und Exercitia beim Herrn Schaeffer, wodurch ich denn auch die artem criticam lerne, die manchen so verhaßt ist –. Herr Schäffer läßt Sie auch vielmals grüßen, wir sind mit der Bibliothek fertig, nur fehlt noch der catalogus, der mit der Zeit auch noch kommen soll. August grüßt Sie herzlich, er kann nicht selbst schreiben, weil er mit dem Prinz beim Herrn Geheimderat Göthe zu Gaste ist. – Leben Sie wohl. Neuigkeiten kann ich Ihnen weiter nicht schreiben, als daß gestern der junge H. Hufkirchner Koch Hochzeit gehabt hat, und daß vor 8 Tagen des Herrn Subkonrektors [von Caroline Herder eingefügt: Lippolds] Sohn[Nachschrift von Caroline Herder:] er war blödsinnig u. elend, Gott hat ihnen durch die Wegnahme eine Wohltat erzeigt. in der Ilm im Stern ertrunken ist; Leben Sie wohl, bringen Sie ein Füllhorn voll Gesundheit mit, und behalten Sie lieb
Ihren gehorsamsten, und Sie zärtlichst liebenden Sohn
Gottfried Herder.
grüßen Sie Werner.
Weimar, 29. 6. 1789
Lieber Vater.
Zum Zeichen, daß ich noch lebe u wohl bin, schreibe ich nur diese wenige Worte, küsse sie, u wünsche daß sie bald bei uns sein. Ich komme so eben vom Erbprinz, u die Mutter will den Brief zusiegeln, darum kann ich nichts mehr schreiben. Leben Sie wohl u kommen sie bald. Behalten Sie lieb
Ihren gehorsamen Sohn August Herder
den 29t
[Weimar,] den 29ten Juni 1789
Lieber Vater
Ich bewillkomme Sie in Nürnberg wieder auf teutschen Boden. Wir kommen Ihnen entgegen und bewillkommenen Sie mit tausend Freuden. Leben Sie wohl und behalten Sie lieb
Ihren gehorsamen Sohn Wilhelm Herder.
Weimar, 29. 6. 1789 [?]
An meinen lieben Vater
Mich hats recht sehr gefreit, daß sie einen Brief geschickt haben aus Meyland kommen sie bald zu uns. Und bringen sie mir was rechtes hübsches mit, ich weiß nichts mehr zu schreiben. Grießen sie den Werner, leben sie wohl, ihr getreier Sohn, Adelbert Herder.
Weimar, 29. 6. 1789 [?]
Lieber Vater!
Nun sind sie bald da lieber Vater. Die Mutter hat mir ein Gebet gegewen das Sie gemacht haben O! Herr mit Ehrfurcht nenn ich dich das lerne ich jetz. Wir wollen Ihnen entgegen fahren liebster Vater Gott behüte Sie überall und bringe Sie glücklich zu uns. Leben Sie Tausendmal wohl.
Ihre gehorsamste Tochter Luise Herder. 1789
Weimar, 29. 6. 1789 [?]
Lieber Vater!
Nun Kommen sie Bald wieder und ich wünsche tausend mal tausendmal glück auf ihre reise die Mutter hat gesagt wwirden ihnenen entgegen fuhren da will ich recht achtung geben das ich sie zuerst sehe der Herr Zöllner grüßt sie gehorsamst, leben sie wohl lieber gute Vater ihr getreuer Sohn Emil Herder 1789
W[eimar,] d. 3. Juli 1789.
Da Dein zweiter Brief aus Mailand mit gestriger Post nicht gekommen ist, so bin ich in der nahen, obgleich ungewissen angstvollen Hoffnung Dich bald bald selbst zu sehen mein Einziger. Wenn Du noch einen Postt. in Mail. geblieben bist so kannst Du meinen Brief vom 1. Jul. erhalten haben. O wenn Du wüßtest wie mir jetzt ein jedes Wort von Dir notwendig u. stärkend ist.
Die Posttage sind jetzt die angstvollesten Tage für mich, wenn ich hoffe u. nichts erhalte. Der liebe Gott wache über Dich u. nehme Dich ganz in seinen Schutz!
Nach Ilmenau können wir diesmal nicht gehn; das Posthaus in dem wir sonst so schön u. bequem logierten, ist vermietet. u. ein andres Logie zu suchen ist mit zuviel Unbequemlichkeiten verknüpft. Der Himmel selbst ist uns nicht dazu günstig, es regnet seit 10 Tagen unaufhörlich – u. bei solchem Wetter ist fast unmöglich dahin zu reisen. Wir wollen es also aufgeben. Über Gotha zu gehn, habe ich Dir letzt angeraten, Fr[ankenbergs] gehn aber den 10ten ins Carlsb. u. Du könntest sie leicht verfehlen. Prinz August ist auch nicht da, u. in Erfurt müßtest Du notwendig den Koadjutor sehen, der seine Wohnung wieder da genommen hat, weil er sich mit dem Churfürsten brouilliert hat. Wenn Du nun nicht ins Carlsb. gehst, so ist es beinah besser Du kommst den geraden Weg über Saalfeld. Knebel ist jetzt ge[wiß] in Jena. Wenn es angeht so vermeide Jena oder ihn, oder vermeide ihn nicht, er ist Dir äußerlich sehr zugetan, ich begreife aber nicht warum er so fremd gegen mich geworden ist. Schone [nur] das Verhältnis mit G[oethe] u. dem Herz. wenn Du ihn sprichst u. laß Dir keine Pfeile ins Gemüt werfen. Er spielt mit solchen Dingen wie ein Knabe u. kümmert sich nicht um die Wirkung.
Bringe Dein Gemüt unverrückt zu uns u. urteile nicht bis Du mich gesprochen hast.
Da es mit unsern Briefen jetzt so verwirrt gehet; so habe ich Dir soeben einen nach Nürnb. geschrieben des nämlichen Inhalts; damit Du Dich beizeiten darnach richten kannst. Darinnen meldete ich Dir daß der H. Dir nach München durch G. 400 Rtlr. Zulage versprochen hat, so daß wir jährl. 1800 Rtlr. haben. Dies Anerbieten wirst Du erst im wahren Licht sehen, wenn wir uns über alles ausgesprochen haben. Gott helfe uns zu dieser Stunde, woran unser Schicksal hängt u. gebe Dir ein, zu tun was für Dich gut ist. Gott bringe Dich doch nur bald u. glücklich zu uns. Eine große Unruhe quälet mich fast Tag u. Nacht um Dich.
Diesen Brief erhältst Du in Coburg.
Ich werde Dir also nicht entgegenkommen liebes Herz. In unserm Haus wollen wir Dich empfangen u. es uns dadurch aufs neue einweihen.
Lebe Tausendmal wohl mein Alles. Gott bringe Dich auf seinen Händen zu uns u. laß Dich Ruhe u. Zufriedenheit finden.
Die Schwester grüßt Dich herzl. ist wohl u. leichter wieder u. harret Dein mit Schmerzen. Die Kinder küssen Dich unendlich. Lebe wohl, wohl. Liebstes Herz.
C. H.
W[eimar,] d. 3. Juli 1789
Ich habe gestern mit großem Verlangen auf Deinen zweiten Brief aus Mailand gehofft, den Du mir versprochen hast, lieber Engel, u. den ich als eine Antwort des meinigen vom 1. Juni dahin, erwartete, da Du ihn in diesen Tagen erhalten konntest. Der Posttag ist aber leer u. angstvoll für mich vorüber gegangen. Ein sonderbares Mißgeschick, daß sich jetzt unsre Briefe so kreuzen. Ach wie ist mir jetzt um ein jedes Wort von Dir, bange, ich bin so unruhig, als ich noch nie gewesen bin.
Der Plan mit Ilmenau kann nicht bequem ausgeführt werden, lieber Engel; das Posthaus in dem wir hätten wohnen können hat die Frau von Staff bezogen. Es ist also vor der Hand nichts da, wo wir mit Wohlgefallen sein könnten. Auch hat es seit 10 Tage unaufhörlich geregnet, u. die Lust nach Ilmenau völlig verschwemmet. Wir wollen es also für diesmal liegen lassen. Wir würden der mancherlei Unbequemlichkeiten wegen, keine Freude da haben. Ob der Weg über Gotha Dir diesmal annehmlich sein wird, steht dahin. Frankenbergs gehn zwischen dem 10 u. 12. nach dem Carlsbad, Du könntest sie gar nicht finden; auch wohnt der Koadjutor wieder in Erfurt, der sich mit dem Churfürst brouilliert hat u. nicht mehr nach Mainz gehet. Diesem müßtest Du notwendig in Erfurt aufwarten. Es ist also am besten, wenn Du nämlich nicht ins Carlsb. gehst, Du kommst gerade über Saalfeld hierher, u. ich erwarte Dich hier in unserm Hause. Dies wiederfinden darinnen wird es uns aufs neue lieb u. wert machen.
O wäre diese Stunde schon da!
Knebel ist in Jena; er ist gut gegen mich, aber fremdegeworden. ich bitte Dich, sei redlich aber nicht offen, gegen ihn. Schone G. u. den Herz. gegen ihn; urteile nicht, bis Du mich gesprochen hast. Bringe nur ein reines Gemüt mit; alles wird sich finden oder wir gehen – ob Du meine Briefe in München erhalten hast, zweifle ich jetzt sehr. Der Herzog hat Dir darinnen durch G. 400 Rtlr. Zulage versprochen, so daß wir 1800 Rtlr. jährl. haben. Dies zeigt genug daß Dich der Herzog nicht lassen will. Es kommt jetzt alles darauf an, wie Du es ansiehst. Es ist mir lieb daß Du den Herz. nicht hier findest damit man vorher ruhig überlegen kann. Er ist den 1. Jul. über Ilmenau nach Eisenach gegangen u. also nicht nach dem Carlsbad. Ich wünsche daher beinahe daß Du ins Carlsb. gehn mögest, wenns Deine Gesundheit erfordert.
Nürnberg, den [um den 4.] Jul. 89.
Gottlob, ich empfange Deinen Br., liebes Herz, auf den ich mit großer Sehnsucht gewartet habe. Erst hier fiel es mir ein, daß es, nach Deinem Münchner-Br. zu schließen, eine Antwort auf meinen Mailänder sein werde. Und da war mir für Dich bange; ich hatte ihn in dem größten Unwohlsein Leibes u. der Seele geschrieben, u. so sehr ich alles zu verbergen gesucht hatte, so war doch in meinem Gemüt der Stachel zurück, daß er Dir nicht wohlmachen könnte. Gottlob, auch diese Zeit ist überstanden; Du wirst indes meine Br. aus Inspruck u. München erhalten haben, u. wenigstens daraus ersehen, daß ich mich Euch näher bringe –
Näher bringe dem Körper nach, im Geist war ich stets bei Euch; das soll mir kein Feind leugnen: nur zu sehr, u. zu oft bin ich bei Euch gewesen. Jetzt komme ich – aber nicht im Triumph; daher ist an kein Entgegenkommen zu denken. Kommt dieser Br. vor mir an; so warte, lieber Engel, ruhig, bis ich komme; ich weiß nicht, wenn? Über Gotha gehen kann ich nicht; das fühlst Du wohl selbst. Es ist mir unmöglich.
Rede also auch den Kindern das Entgegenkommen aus, das für sie freilich eine große Freude wäre. Wir wollen einander mal mit einander ausfahren, nach Ilmenau, oder wohin es sei? Vorjetzt – habe ich Dich in meinem Hause hinter der Kirche verlassen; da wünsche ich Dich u. die Meinigen wiederzufinden. Diese Gnade wird mir der Himmel schenken, u. weiter begehre ich vor der Hand nichts.
Außerordentlich wohl hat mirs getan, seit ich wieder in Deutschland bin, nach welchem Lande ich mich zuletzt so gesehnt habe, daß mir Speise, Trank, u. Schlaf nicht mehr gefielen. O wie mich die Alpen erquickten! Aber vom ersten Kaiserlichen Zollamt begleitete mich ein Gewitter, das vor dem Brenner so arg ward, als ichs in meinem Leben nicht gesehen habe, u. die unsägliche Kälte veranlaßt hat, mit der ich bis zur Donau gereiset bin. Dicht vor München heizte man am Ende des Junius, u. in München hatte ich eine krasse Kälte, daß mich noch schauert. Vor Regensburg, u. noch mehr im Fichtenwalde vor Nürnberg fing ich endlich an, eine bessere Luft zu fühlen, u. der Eintritt in Nürnberg u. in mein altes rotes Roß war mir sehr erfreulich. Doch trage ich mich noch mit meinem Husten, der freilich nicht auf einmal verschwinden kann. Nach Karlsb. indessen gehe ich nicht; ich weiß ja selbst nicht, ob diese Hygea dem Husten zuträglich wäre, u. an der Leber fühle ich ganz u. gar nichts.
Also gehts nach W[eimar]; u. morgen voraus in die Spiegelfabrik, ob ich gleich, wie Du weißt, die Spiegel nicht leiden kann u. mich wenig auf ihren Gebrauch verstehe. – Aber, nochmals gebeten, kümmere Dich ja nicht, wenn oder woher ich komme? Gnug wenn ich Euch gesund u. mich liebend wiederfinde; u. so viel möglich in der Stille zu Euch kommen kann. Die Reise hat mich, glaube ich, sehr verändert; Gottlob indessen, wenn ich dabin, ist sie vorüber. Nach Karlsb. u. Gotha zu gehen, wäre mir jetzt unmöglich; alles hat sein Ziel, seine Zeit u. Stunde.
Der Schwester wünsche ich Glück über ihre abermalige Operation; aber was das, auch nur im Anblicke für Dich ist, mag ich nicht ausdenken. Grüße sie bestens; grüße die Kinder, u. danke den lieben für Ihre Briefe. Adieu, liebe. Wenn wir zusammen sind, wollen wir Gott herzlich u. stille danken.
Tue mir ja den Gefallen u. komme mir nicht entgegen, weder nach Ilmenau, noch nach dem abscheul. Jena. Ich weiß selbst noch nicht, welchen Weg ich nehme. Gott bringe uns glücklich zusammen, das ist alles was ich wünsche; aber in unserm Hause. Lebe wohl, Herzensliebe.
Weimar, 10. 7. 1789
Ich freue mich recht herzlich Ihrer Ankunft, und mein Geist kommt Ihnen schon entgegen, der sich in Ihrer Abwesenheit oft nach Ihnen gesehnt hat. Seien Sie willkommen in dem einsamen Weimar, und in meinem mir täglich weniger einsamen Garten, seitdem mich die Denkungsart der meisten immer mehr und mehr dahin einschließt. Ich komme auch bald, mich nach Ihnen zu erkundigen. Leben Sie indes wohl und freuen sich mit mir des milden Sonnenblicks und der holden noch grünen Natur!
[Weimar,] d. 10. Juli [1789].
[ . . . ]
Nun ist auch Herder wieder da, guten Humors, gesund. Ich hoffe das Beste für ihn und uns. In den ersten Augenblicken ist von der Hauptsache wenig gesprochen worden.
[ . . . ]
Weimar, 12. 7. 1789
Durchlauchtigster Herzog, Gnädigster Fürst und Herr,
Euer Herzogl. Durchlaucht habe hiemit meine gesunde Rückkehr nach Weimar untertänigst anzeigen und zugleich für die gnädigsten Anerbietungen danken wollen, deren Nachricht mir auf der Rückreise zukam. Es war mir unmöglich, dafür mit einiger Bestimmtheit während meiner schnellen überhäuften Reise zu danken, wie es mir auch in dieser ersten Betäubung, wo Alles auf mich zustürmet, bisher unmöglich gewesen; es soll u. muß aber meine erste Arbeit sein, weil von dem gnädigen Entschluß, den Euer Herzogl. Durchlaucht darüber zu nehmen geruhen, meine Ruhe und Situation abhängt. Vorjetzt nehmen E. D. meinen reinsten Dank an für Ihre zuvorkommende Gnade, die keine wärmere Erkenntlichkeit finden kann, als in meiner Seele. Die Herzogin Mutter habe ich gesund u. vergnügt verlassen; die Kälte in Deutschland wird für sie in Napel wahrscheinlich eine sehr angenehme Kühle sein. So ist für mich auch dieser Traum zu Ende, u. ich fühle es noch in allen Gliedern der Seele, daß von Rom, das ich den 15. Mai verließ, bis Weimar, wo ich den 9. Jul. ankam, mit allem, was zwischenlag, ein großer Sprung sei.
Kommen E. D. gesund u. glücklich zu uns zurück aus Ihren Thüringer Wäldern, wo ich vom 7. auf den 8. Jul. kaum eine Vierteilstunde entfernt von Ihnen übernachtet habe, u. bringen mir Ihre alte Liebe und Gnade freundlich mit. Ich verharre in tiefester Ehrerbietung
Euer Herzogl. Durchlaucht untertänigster Herder.
Weimar, 12. 7. 1789
Durchlauchtigste Herzogin, Gnädigste Fürstin,
Wie sonderbar ist mir zu Mut, da ich wieder in Weimar diesen ersten Brief an Euer Durchlaucht schreiben kann, hier an einer Stelle, wo ich in so mancherlei Engen des Herzens u. des Daseins, in Situationen der Freude u. der Betrübnis, in Sorge u. Dank zum Himmel, immer aber mit einer Teilnehmung u. Verehrung schrieb, die mir jetzt als einem Wiederkehrenden eine sonderbar-süße u. doch zugleich, ich weiß nicht warum? eine beklommene Rührung wird.
Mein guter Wille ist da, hier zu bleiben; möge nun ein gutes, ein günstiges Schicksal auch Alles so einrichten, daß ich mit Freude u. Hoffnung hierbleiben kann, u. mich dieser gute Wille nie gereuen dörfe. Daß Euer Durchlaucht dazu beitragen werden, was in Ihrer Macht ist, bin ich gewiß; meine Verehrung u. Liebe für Euer Durchlaucht ist gewiß Grenzenlos u. wird bis zu meinem letzten Lebenstage wachsen. Ich will u. mag nicht fodern, sondern will nur die Anerbietungen des Herzogs auf eine nähere Weise zu bestimmen wagen, die mir irgend nur annehmlich u. leidlich ist. Ins alte Joch wieder zu treten, in dem ich 12. Jahre unwürdig verloren habe, ist mir so schauerlich, daß ich statt dessen lieber das Ärgste zu wählen bereit wäre. Es kommt jetzt auf die Gnade u. Billigkeit des Herzogs an, wie u. wohin die Sache entwickelt werde. Ich will die Punkte aufsetzen, u. wenn Euer Durchlaucht es erlauben, sie Ihnen voraus zur Ansicht überreichen. Verzeihen E. D. mir diese Kühnheit; da es aber ein Schritt fürs Leben und E. D. sich für mich u. die Meinigen in einer so großmütigen, edeln Gestalt aus freiem Entschluß gezeigt haben, so darf ich Verzeihung dieser meiner Kühnheit erwarten. Der Himmel möge alles zum Besten wenden.
Hier sind die Kleinigkeiten, die Euer Durchlaucht zu sehen verlangten: sie sind meistens Geschenke des Andenkens, weil ich auf Sachen dieser Art kein Geld wenden konnte, u. mir sind sie deswegen noch werter.
Darf ichs wagen, Euer Durchlaucht beikommende drei Italienischen Dichter, die drei vornehmsten, die diese Sprache hat, untertänigst zu überreichen, auch als ein kleines Andenken meiner Italienischen Reise. Ich habe sie für Euer Durchlaucht mitgebracht; verachten Sie also das arme Geschenk nicht, u. gönnen ihm ein Winkelchen unter Ihren Büchern. Es ist eine Handvoll Wasser, die jener Arme dem Persermonarchen reichte u. die er gütig aufnahm.
In ewiger Hochachtung, Liebe u. Verehrung beharrend
Euer Herzogl. Durchlaucht untertänigster Herder.
Weimar den 12. Jul. 89.
Weimar, Mitte Juli 1789
Lieber Prinz,
Es wurde mir nach Rom geschrieben, daß Sie auch wohl so ein Briefchen haben möchten, als ich zuweilen an meine Kinder schrieb. Ich konnte es Ihnen damals nicht schreiben, weil ich bald darauf aus Rom reisete; ich schreibe es Ihnen also jetzo, und wünsche, daß es Ihnen wohlgefallen möge.
Sie haben die Statuen und Büsten so gern; ich habe Ihnen keine aus Rom mitbringen können, weil sie so schwer sind und weil man Abgüsse davon in Deutschland und auch hier gnug hat. Aber doch nicht ganz leer zu kommen, und um Ihnen doch, lieber Prinz, ein kleines Andenken zu geben, daß ich in Rom gewesen bin, habe ich Ihnen dies Köpfchen mitgebracht. Es ist oder soll ein Prinz aus der Familie des Augustus sein; wir wollen es einen Jüngern Germanikus oder einen jungen Titus nennen, bis ich etwa auf Münzen oder auf andern Denkmalen etwas Bestimmtes finde, und wollen voraussetzen, daß es ein liebenswürdiger guter Prinz gewesen sei, wie seine Gesichtszüge auch sagen, von liebenswürdigen, guten Eigenschaften und von vortrefflichen Eltern, wie die Ihrigen sind, lieber Prinz, und wie wir hoffen, daß auch Sie mit jedem neuen Lebensjahr es immer mehr sein werden. Nehmen Sie also dies kleine Köpfchen gütig auf, und behalten es mir zum Andenken; Sie müssen mir aber auch ja durch ein kleines Briefchen hierauf antworten; das Briefchen darf nur drei Reihen lang sein. Leben Sie wohl, lieber Prinz, und sein fernerhin gesund, fröhlich, munter, artig, gut und fleißig.
Weimar den 16. Jul. 89.
Nur drei Worte, gnädigste Herzogin, nehme ich mir die Freiheit an Euer Durchlaucht zu schreiben; ein Kennzeichen meines Lebens und meiner glücklichen Ankunft im hochberühmten Weimar. Den 9. dieses Monats, morgens um 2. Uhr, geschahe diese ohne andre Festivitäten, als daß der schönste Mond an der Einen, die schönste Morgenröte an der andern Seite des Himmels stand und die Nacht sehr schön war. In meinem Hause war alles bereit mich zu empfangen; nur fehlte der Schlüssel zur Haustür, mich hereinzulassen, u. mußte ich also die Gefälligkeit haben, etwas zu warten, bis meine Frau vermutlich ihren Liebhaber zur Hintertür hinaus in den Garten geschafft hatte; da ich denn recht kam u. mich alles, groß u. klein, mit großer Freude empfing. Seit der Zeit bin ich hier wie der Abgott Baal; ich esse, trinke, schlafe u. spreche: der Deutsche Wein u. die Deutschen Gerichte tun mir nach meiner 2. monatlichen Reise sehr wohl; weiter ist mirs noch unmöglich an etwas zu denken, u. tun kann man nach einer Reise in Italien gar nichts; welche Erfahrung ich als eine Prophezeiung auch Euer Durchlaucht demütigst zu Füßen lege. Man ist wie eine geschwungene Glocke, die stillsteht u. in sich selbst sanft wiedertöset.
Der Herzog ist nicht hier; also ist mit meinem Arrangement, ob? wo? und wie? noch nichts arrangieret. Den gnädigen Brief Euer Durchlaucht an meine Frau habe ich überbracht; nur, wie E. D. gar richtig prophezeiten, entsiegelt; ich sahe ihn lange an, u. wollte doch endlich wissen, was drin stünde. Ich danke Euer Durchlaucht für die gnädigen Gesinnungen in Ansehung meines Hierbleibens. Die Würfel liegen auf dem Tisch; und das gute Schicksal mag entscheiden; an meinem guten Willen soll es nicht fehlen, und sobald der Herzog aus den Thüringerwäldern zurück ist, wird alles klar werden.
Hier ist alles wie es war: Turm, Kirche, mein Haus u. f. stehen noch auf der alten Stelle; es ist alles, als ob ich gestern abgereiset wäre. Euer Durchlaucht wird es auch so sein: die ganze Reise dünkt einem ein Traum. Mir ist sie, so sehr ich dort auf Italien geschimpft habe, ein sehr angenehmer Traum, u. E. D. kommen mir in der Entfernung wirklich wie die Göttin in einem Roman vor, die vom Schicksal bestimmt war, sie mir angenehm zu machen; wofür alle Götter der Erde u. des Meers, des Himmels u. aller Elemente E. D. reichlich segnen mögen. Meine Rückreise in Deutschland war sehr kalt; die Deutsche Kälte wird Ihnen in Portici eine angenehme Kühle gewesen sein. O seid gegrüßet alle ihr schönen Wesen, die ihr dort wohnet, du Nymphe Parthenope mit den breiten Armen, u. du alter Pausilipp, u. ihr freundlichen Inseln, die ich nur von fern gesehen habe, u. du Mond, ihr Sterne, du Meer, du Abendrot, du untergehende Sonne, gesegnet! gesegnet! Schafft denen Freude, die Euch sehen u. lieben; u. mir erscheint, wenn ich einmal ins Elysium quer über Euch fliege.
Meine Frau empfiehlt sich Euer Durchlaucht untertänigst; ihre Antwort auf E. D. holden Brief wird erfolgen, sobald die Sache abgemacht ist. Göthe u. der ganze Kreis der schönen Frauen um ihn ist wohl; Alles lebt auf die alte Weise, nur wie mich dünkt, zutulicher u. freier. Die Herzogin ist hold u. gut; nur noch niedergeschlagen u. erholt sich langsam. Der Prinz ist lieb u. munter. Alles freut sich, wenn ich das Wort aussprechen darf, auf E. D. glückliche u. heitre Rückkunft; insonderheit Tiefurt, wo ich ehegestern war u. es außerordentlich schön fand, selbst nachdem ich in 2. Monaten noch so viel, viel, viel schöne Gegenden gesehen hatte. Ich bin gewiß, daß es E. D. neu u. schön sein werde; es läßt sich in ihm allerliebst von Italien sprechen, schwatzen u. träumen. Traum ist doch Alles in der Welt, u. oft ist der Traum mehr als der Genuß selbst; so dünkt michs jetzt – Mich? u. ich kann nicht so schön, wie E. D. träumen.
Leben Sie wohl, gnädige, gute Herzogin; ich küsse Ihnen aufs ergebenste die Hand, u. meine Wünsche werden Sie über die Paludischen Sümpfe, (wie Einsiedel sagt) sanft hinübertragen. Leben Sie wohl mit Ihrem Reisekreise u. kommen glücklich zu uns hinüber, früher oder später, nur munter u. glücklich.
E. D. untertängster Herder.
Frau u. Kinder küssen E. D. aufs innigste für sie u. für mich die Hände.
Weimar den 3. Aug. 89.
Endlich komme ich ans Schreiben, um Ihnen holde gn[ädige] Frau, mein Hiersein zu melden. Ich reisete den 15. Mai aus Rom aus, ging über Pisa, Florenz, Bologna, Venedig, Padua, Vicenza, Verona, Manuta, Parma, Mailand, Pavia, Brescia, Inspruck, München, Regensburg, Nürnberg u. kam in der Mitte vorigen Monats in Weimar an. Meine Reise war in Deutschland so eilig, daß ich in Regensb. nicht einmal dem Grafen Görz aufgewartet habe; denn wie ein Körper im Fall immer mehr eilet, so ists auch mit der Sehnsucht nach Hause u. zu den Seinigen, die ich Gottlob alle gesund wiedergefunden habe. Die Nachrichten, die ich von Ihnen hörte, liebe gn. Fr., waren nicht so erfreulich; schon in Rom sagte mir der Senator bisweilen von Ihrem Übelbefinden währenden Winters in Regensb., u. die Beschreibung endlich, die ich vom Abschiede Ihres Engels hier vorfand, sagte mir Ihren Schmerz aufs innigste. So grenzen in der Welt Freude u. Leid; der Übergang ist immer schwer; doch aber ist u. bleibt es gut, denn auf das Leid kann nach diesem großen Gesetz der Abwechselung abermals nichts als Freude folgen. Ich hoffe, die Zeit wird mit ihrer sanften Hand u. ihrem verdunkelnden Schleier allmählig die Tränen Ihren Wangen enttrocknet haben; daher ich schweige. Das Andenken eines seligen Engels muß nicht anders, als mit Dank u. Liebe gefeiert werden. Vorjetzt also, beste gn. Fr. wollen wir von andern Dingen reden.
Zuerst habe ich vom Hrn. Senator ein klein Päckchen an Sie oder vielmehr an Ihren Hrn. Gemahl überschrieben. Da ich nicht weiß, wo Sie sind, oder wohin ich das Päckchen sicher adressieren kann: so nehme ich mir die Freiheit, diesen Br. als Vorläufer zu senden. Haben Sie die Gnade, l[iebe] g[nädige] Fr[au], mir nur durch ein paar Zeilen zu melden oder melden zu lassen, wohin ichs zu richten habe: so soll's mit der nächsten Post fort.
Zweitens, muß ich Ihnen klagen, daß ich in Italien so unglücklich gewesen bin, nur Einen Ihrer Br. zu erhalten. Der Br. z. E. den Sie in den Br. des Senators gelegt hatten, ist, ich weiß nicht wie? verloren gegangen. Ich war damals in Napel; er sagt, er habe ihn dahingeschickt; ich hatte nichts erhalten, u. erhielt auch nichts, da ich auf der Post nachfragen, da ich selbst die Postcharte nachsehen ließ – Er war mir also nicht beschert, u. ich weiß nicht, was darin gestanden? Desto mehr danke ich E[euer] G[naden] für die Erinnerung, die ich hier fand, ob sie gleich wehmütig gnug war.
Was Tischbeins Empfehlung betrifft, so danke ich Ihnen aufs beste für Ihre gütige Mühe; bitte aber auch zugleich um Verzeihung, daß ich über den alten R[eiffenstein] einige vielleicht zu harte Ausdrücke gebraucht habe. Der Grund derselben ist völlig wahr; da aber niemand anders handeln kann, als wie Er siehet u. empfindet, so ist bei dem Alten auch vieles zu entschuldigen u. am Ende alles zu erklären. Sie kennen ihn ja so gut als ich; u. da er mir, insonderheit die letzte Hälfte meines Daseins in Rom viel Gefälligkeiten u. Freundschaften erwiesen hat, so mag ich von ihm nichts geschrieben oder geurteilt haben. Bedecken Sie alles mit dem seidnen weißen Mantel der christl. Liebe u. vernichten den Brief, wenn Sie ihn nicht längst schon vergessen oder vernichtigt haben.
Endlich kann ich Ihnen, beste gütige Fr., für Ihre Empfehlungen nicht gnug danken. Sie haben mir die Bekanntschaft trefflicher Leute verschafft u. überall die Türen eröffnet, so daß ich in Italien eine Aufnahme genossen habe, wie ich sie in manchen andern Gegenden schwerlich genießen würde. Da der Graf Savioli in Bologna tot ist, so habe ich den Br. an ihn noch verschlossen bei mir; den Br. an den Gr[afen] Pindemonte gleichfalls: denn ob ich gleich durch das schöne Vicenza, wo er jetzt Podestà ist, durchreisete u. alles zur Notdurft sah, was sich im Kurzen sehen ließ: so fürchtete ich doch den Br. abzugeben, weil ich im schönen Vicenza zu lange aufgehalten zu werden, mich gleichsam vor mir selbst fürchtete. Es muß ein so schönes Leben an diesem Ort sein, als vielleicht sonst in wenig Italienischen städten, weil alles dazu beiträgt. In Mailand haben mir der Graf Wilzek mit seiner Gemahlin, auch der KammerH[err] Kinigl p viel Artigkeiten erzeiget, u. jedermann hat Ihr Andenken mit Hochachtung u. Freude erneuret. Die beiden rückständigen Briefe werde ich E[uer] G[naden] mit dem größesten u. verbindlichsten Dank wiederschicken, sobald Sie es befehlen.
So ist denn nun auch der sonderbare Traum von meiner Italienischen Reise ausgeträumt, u. das schöne Italien ist meiner Seele jetzt selbst ein Traum. Rom u. Napel, Tivoli u. Bajä, Salern u. Nemi, Ankona u. Venedig, Foligni u. Vicenza, nebst allen Vorratshäusern u. Vorratssälen der Kunst u. des Andenkens voriger Zeiten sind lichte schöne Schatten, die in weniger Zeit dunkler u. dunkler sein werden, so daß ich bald Mühe haben dürfte, zu sagen, ob ich Italien gesehen, oder davon nur geträumt habe? Indessen ist auch dieser Traum vom Jupiter gesandt gewesen u. wird nicht ohne Folgen für mein Leben [sein]. Er hat meine Seele sehr gereinigt u. erweitert; er hat hundert Dinge weggestreift, hundert enge u. falsche Ideen unvermerkt berichtigt – Nur gehört, zumal für meinen langsamen, trägen Geist Zeit dazu, dies Chaos zu ordnen, u. mich gleichsam mit mir selbst u. mit meiner Lage wieder ins Gleichgewicht zu setzen, aus der ich ziemlich geraten bin. Das wird denn auch die allmächtige Mutter Zeit tun, sie, die den Menschen, wie ein Kind, mit mancher notwendigen zarten Täuschung bald hier- bald dorthin führet. Es tut mir leid, daß ich bei meiner Rückkunft nicht Göthens Glück hatte, E. G. hier zu finden; es wäre ein schönes Geschwätz gewesen. Den Herzog selbst habe ich noch nicht gesehen; er wird aber in diesen Tagen hier erwartet. Die Herzogin Mutter habe ich in Rom gesund u. vergnügt zurückgelassen, 3. Tage nach meiner Abreise ist sie nach Napel zurück gegangen, wo sie sich in Portici sehr wohl befindet. – Leben Sie wohl, edle gn. Fr., mit dem Hrn. G[eheimen] R[at] u. allen Ihren Freunden. Meine Fr[au] empfiehlt sich Ihnen aufs beste, u. ich, in Erwartung der paar Zeilen, um die ich gebeten habe, bin mit Herz u. Seele ppp
Herder.
Eisenach, 3. 8. 1789
[ . . . ]
Herder ist sehr vergnügt zurückgekommen. Ich habe ihn noch nicht gesehn; ich verfehlte ihn auf den Thüringer Walde um ein paar Stunden. Er ist doch viel häuslicher, als ich es ihm zutraute, denn begierig eilte er dem Seinigen zu. Auf Göttingen hat er völlig Verzicht getan; es ist doch sehr löblich, wenn der Mensch einmal sich ein Vaterland und Wirkungskreis festsetzet.
Napel d. 7ten Septembre 89.
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Die Hoffnung die uns Herder gibt, zu bleiben ist mir herzlich lieb, auch will ich gerne dazu beitragen ihm bei uns zu halten, man kann auf mich rechnen; ich bitte nur daß man geduld habe bis ich wieder zurück komme. Ich bin überzeuget, daß Herder vielleicht jetzt mehr Italien genießt als da er wirklich im besitz des schönen landes war, auch kann ich nicht leugnen daß die Umstände von seiner her Reise viel dazu bei getragen haben einen Widerwillen in sein Gemüte zu erregen, und Sie kennen ja seine Irritabilität. – [ . . . ]
Grüßen Sie von mir Herder und sein liebes Weibchen. Adio.
Amelie.
Rom, 9. 9. 1789
WohlEdler Hochgeehrtester Herr,
Dero schätzbare Zuschrift habe ich zu seiner Zeit richtig erhalten vom H. R. Reiffenstein, würde sie gleich beantwort[et] haben wenn ich nicht durch viele umstände wäre davon verhindert worden. Die anmerkungen die Sie gemacht haben über Ihre Buste, sind wir ziemlich Übereins, und das meiste davon habe ich schon im Modell verändert, oben auf dem Kopf habe ich mehre Haare aufgetragen, und hat die Wirkung getan, das die Seiten Haare nicht mehr zu voll scheinen, in deme Sie sich mit einander vereinigen, und macht, das das ganze dadurch ein Jüngeres ansehen bekommt. Die Schultern werde ich ein wenig schmeiller halten, für all das das Sie nicht breiter ist als des H. von Goeden seine, die höhe ist gleich, und ich glaube, das sie Kolasaisch aussehen kann der schade nicht groß sein, und besser tut als wann sie klein und Mager aussehen würden, die Köpfe sind um keinen Viertels Zoll größer als die Natur. Die Augenbraun sind schon verändert und tut gute Wirkung, es wird alles in Marmor weicher und sanfter gehalten, das das ganze, ein ganz anderes ansehen bekommen wird. Dero Hoch-Edlen können versichert sein, das ich mein möglichsten Fleiß dabei anwenden werde, weilen es mir eben so viel daran gelegen ist wie Ihnen und meine Ehre würde darunter leiden. Sie ist schon in Marmor angefangen, und allem anschein nach so wird es vortrefflich ausfallen, bis dahin hat sich noch nicht den geringsten Fleck entdeckt, die Farb ist Wahre und geht in den Gelblichten Ton aus, das sie mit dem H. von Göthe seiner, gut harmonieren wird.
[ . . . ]
Außerordentlich wird es mir angenehm sein zu vernehmen wenn Sie Glücklich und Wohl angelangt sind, und Ihre ganze Liebe Familie bei gutem Wohlsein angetroffen haben, Bitte meine Entfehlung an Sie und habe die Ehre mich in Dero Wohlgewogenheit zu Entfehlen
Ihro Ergebenster Diener Alexr. Trippel
Rom den 9t Sep. 1789
Bitte meine Entfehlung an H. von Göthen und H. Lips wenn er angelangt ist
Weimar den 14. Sept. 1789.
[ . . . ] Nämlich: das Deutsche Klima macht mir noch allerlei Unheil, Fieber, Engbrüstigkeit, unterdrückte Transspiration u. f., woraus denn auch ähnliche Seelenübel erfolgen, die aber von Morgen an durch die Thüringsche Quetschenkur bestmöglichst vertrieben werden sollen. [ . . . ]
Weimar, den 18. September 1789.
Durchlauchtigste Herzogin, Gnädigste Fürstin,
Euer Durchlaucht gnädigstes Andenken ist mir in Ihrem lieben Briefe so erfreulich gewesen, daß ich im schönen Neapel und auf dem noch schönern Ischia mit meinem Geist selbst zu sein glaubte. Sonderbar sind dergleichen Gedanken in die Ferne: denn es fehlt nicht viel, daß ich, in Italien gewesen zu sein, ganz für einen Traum halte, weil alle Erinnerungen in eine so ganz andre Welt gehören. Ich kann es mir wohl denken, daß in recht barbarischen Zeiten man alle Erzählungen von außen her entweder ganz glaubte, oder ganz für Lügen hielt, wenn man nicht zum Glauben aufgelegt war; und wer weiß, kommt nicht die Zeit, da ich mich selbst besinnen werde, ob es wahr sei, daß ich in Rom und Neapel an E. D. Seite gesessen, hie und dort gewesen, diesen oder jenen Wundertraum gesehen habe. Ihnen, gnädigste Herzogin, wird es nicht völlig so gehen, Teils weil Sie länger in der Zaubergegend geblieben sind, als ich, Teils weil Sie eine weise Fürstin sind und alles mit mehrerer Zueignung sehen; indessen sehe ich doch die Zeit voraus, da auch Sie davon als von Träumen und Märchen sprechen werden. Das glücklichste dabei ist, worüber ich mich auch und jedermann sich freuet, Euer Durchlaucht Gesundheit. Bringen Sie diese auch auf der langen Rückreise (die sich indessen auch in einen kurzen Traum verlieret) ungestört, heiter und fröhlich zu uns zurück; und ich bin gewiß, daß der schönste Genuß Italiens Ihnen in der Erinnerung noch erst bevorstehe. Diese Zauberin rückt Zeiten und Gegenstände nachher zusammen, läßt alle Mühe und Langeweile, kurz alle sich mit eindrängenden odiosa weg, und bereitet unsrer Phantasie, unserm Gebrauch und Gespräch eine reine vollkommene Nahrung. Was Lukrez von seiner Philosophie sagt:
Süß, wenn tobender Sturm des Meeres Fluten empöret,
Ists vom sicheren Ufer der Schiffenden Arbeit zu schauen
u. f.
wird auch Euer Durchlaucht Philosophie sein, sobald Sie in den stillen Hafen nach Tiefurt angelangt sein werden und dann zuweilen den Überblick des Zurückgelegten mit stolzer und froher Seele sich selbst gewähren.
Sie sehen, gnädigste Herzogin, wie sehr ich schon wieder impatriiert bin; Teils aus Liebe, Teils aus Not habe ich mir die fremden Dünste ziemlich aus dem Kopf gescheuchet, und lasse die Gedanken nur noch wie Sommervögel zuweilen um mich flattern; auch meine redselige Zunge ist ziemlich schon wieder verstummet; nur lasse ich mir meine Späße und Paradoxa, womit ich die Fräulein zuweilen böse gemacht habe, auch hier noch nicht nehmen: denn sie gehören wirklich zum Genuß des Lebens. Knebel sagte neulich: »es schiene, daß ich sie von meinem August lernte:« und wenn sie mir ausgehen, will ich sie auch wirklich von ihm lernen, und behalte mir bloß vor, sie auf der Kanzel nicht zu brauchen. Auf dieser bin ich denn auch Gottlob schon einmal wieder gewesen; ich dachte, ich würde gar nichts hervorbringen können, und wie ich heraufkam, war es auch beinahe so. Da ich indes jetzt weniger zu predigen habe: so will ich mir schon durchhelfen: denn im Grunde lernt sich Alles wieder. Wir haben uns, gnädigste Herzogin, aus Italien klare Augen geholt, und damit wollen wir uns schon durchhelfen; so lange uns guter Mut und im Notfall Späße nicht verlassen, mit denen man Unmut und lange Weile wegscherzt. Ich finde alle Menschen hier besser, als ich sie verlassen hatte, weil ich selbst besser geworden bin; wie [sie] mich finden, das kümmert mich minder. Der Prinz August ist einige Wochen hier gewesen, obwohl sehr kränklich. Goethe, Wieland, Knebel und ich haben da oft und fast täglich einige von uns gut und froh zusammen gelebt. Wieland ist von sehr gutem Humor, gleicher als ich ihn jemals gekannt habe; Knebel habe ich gedrückt gefunden, wovon die Ursachen sehr natürlich sind; Goethe hat sich eingerichtet, und es gelingt ihm alles, was er als Dichter, Philosoph, Künstler und sonst treibt, zu seiner und unser aller Herzensfreude. Er hat sich gegen mich sehr brav erwiesen, und ich bin ihm zehnfache Dankbarkeit schuldig, daß er mich von dem leidigen Professorpfade zurückgehalten hat. Der Weg ist breit und die Pforte ist weit, die zur Hölle führt, und ohne mich sind Schwätzer genug, die sie finden.
Den Herzog, der vor 8 Tagen weggereiset ist, habe ich etwas stiller und ich möchte sagen zusammengedrängter gefunden, als er sonst war: man sieht, daß ihn sein Dienst und sonstiges Verhältnis sehr beschäftigt; er hat sich aber gegen mich so edel und bieder gezeigt, daß ich ihn nicht genug loben kann. Er wollte mich noch mehr von meinen geistlichen Arbeiten losmachen, als es vor der Hand anging, oder ich selbst es nach Lage der Sache annehmen konnte. Von E. Durchlaucht habe ich ihm viel erzählt: er hat sich mit wahrer, gutmütiger Teilnehmung nach allem erkundigt und E. D. Freude und Genuß wirklich als Freund und Sohn geteilet. Der Prinz Constantin ist auf ein paar Tage auch hier gewesen; er sieht gesunder als jemals aus, ja recht blühend im Gesicht, und ist gesetzt, wie es einem General gebühret. Der Dienst hat ihm wirklich wohl getan, und E. D. werden sich seiner freuen, wenn Sie ihn wiedersehen. Ich schreibe von lauter Männern; denn da ich als Geistlicher in die galante Welt nicht gehöre, und E. D. darüber von Ihrem galanten OberKammerherrn und Reisemarschall ohnstreitig bessere Nachricht werden erhalten haben, als ich zu geben vermag: so übergehe ich diesen, den schönsten und Hauptteil der Schöpfung mit ehrerbietigem Stillschweigen, und nehme mir die Freiheit, noch einige häusliche Kleinigkeiten hinzuzufügen, die E. D. nach Ihrer Güte gegen mich wenigstens verzeihen werden.
Meine Frau befindet sich ziemlich wohl; sie war zuerst mit ihrem wiedergekommenen Herrn Gemahl hie und da nicht recht zufrieden, sie ergibt sich aber jetzt nach der angebornen weiblichen Güte und Geduld so ziemlich in ihr Schicksal; nur an ihren neuen Ehrennamen kann sie sich noch nicht recht gewöhnen. Euer Durchl. hat sie neulich einen ganzen Extrakt unsres neuen hiesigen Etablissements gegeben, das uns eben so vorkommt, als wenn sich die Schwalbe ihr Nest neu zusammen flickt; geben Sie uns, gn[ädigste] Herzogin, einen guten Wunsch, daß es wohl geflickt sein möge. Die Kinder sind alle wohl, und Gottfried, der eben jetzt die Masern auf die beste Weise hat, ist seit meiner Abwesenheit recht stark in der Musik worden. Er spielt Haydn's 7 Worte auf dem Klavier recht schön, und soll auch einiges von meinem Mitgebrachten seinen Fingerspitzen mitteilen. Fahren Sie fort, gnädigste Herzogin, hübsche Musik zu sammlen: sie wird uns hier zu großer Freude gereichen. Cranz, den ich neulich in einem kleinen Konzert gehört habe, spielt recht schön; und es wird sich manches hier geben lassen, was uns in Weimar noch erquickender sein wird, als in des Kardinals oder Senators musikalischen Schwitzstuben; für diese hat das Klima bei uns gesorget. Ich freue mich schon auf die Abende, die wir zuweilen zwischen dem Kopf des Homers und der Ariadne genießen werden, und freue mich auf das Ehrendenkmal, daß sich der Palmyrena-Thalia von selbst errichten wird, indem sie es genießet. Leben E. D. aufs Beste wohl und kehren glücklich wieder. Wo in der Welt mögen Sie jetzt sein? Im südlichen Frankreich ists nicht gut hausen. Der kleine Schack ist vor 8. Tagen hier durchgegangen (ich habe ihn verfehlt) und hat üble Dinge daher erzählet. Der Himmel geleite E. D. und gebe Ihnen die besten Gesinnungen ein, wie Sie sich allmählig zu uns wenden; da Sie davon ganz schweigen, so schweige ich auch, wünsche Ihnen aber das Beste, als ob ichs selbst mitgenösse und verharre in Liebe und Verehrung
E. D. untertänigster Herder.
Weimar, den 18. Sept. 89.
Als ich auf meiner Rückreise Ihnen vorüber eilte, herzlicher lieber Freund, war ich im Geist mehr bei Ihnen, als Sie mich aus Güte erwarten konnten; aber meine Segel waren so aufgespannt, und durch mancherlei Umstände ward mein Schiff so fortgetrieben, daß es nicht frühe gnug in seinen Hafen einlaufen konnte. Verzeihen Sie also, daß ich mir selbst das Vergnügen versagen mußte, Sie wieder zu sehen u. mein ehemaliges brüderliches Zimmer zu bewohnen.
Um so mehr freute es mich, da ich hörte, daß Sie mein Nachfahr über die Alpen würden. Der Himmel gebe Ihnen glückliche Fahrt u. Rückfahrt; Ihre eigne Vorsicht u. Mäßigkeit wird gewiß diesen guten Wunsch zur Wirkung bringen, u. dem Himmel seine Sorge erleichtern.
Mit einem Fürsten zu reisen, hat sein Unbequemes, sobald man für sich selbst auf einen Zweck gespannt ist; findet sich dieses nicht, so ist die Gelegenheit, also zu reisen, sehr erwünscht u. man kann das fremde Land mit Vorteilen sehen, die ein einzelner Reisender entweder aufgeben muß, oder teuer erkaufet. Ich kann also nicht anders, als Sie glücklich schätzen, Lieber; über die Gelegenheit, die sich Ihnen darbeut, da ich Ihren gesetzten, schlichten, guten u. männlichen Sinn kenne. Die Reise wird Ihnen tausendfach nützlich sein, da sie uns, auch gleichsam wider Willen, über tausend Dinge die Augen u. Sinne öffnet. Daß Sie dieses bei sich tun lassen, ist meine einzige Bitte u. der vornehmste Rat, den ich Ihnen zu geben habe. Sehen Sie alles, wozu sich Ihnen die Gelegenheit darbeut; alles aber ohne Anstrengung u. widernatürliche Spannung, die ein Deutscher seiner Ehrlichkeit wegen, wie ich von mir selbst weiß, nur mit Mühe ableget. Ganz Italien mit allem, was Ihnen Natur, Politik u. Kunst darbeut, sei Ihnen wie ein Guck-Kasten, den Sie mit Muße u. Gemächlichkeit, ohne Anspannung u. innere Unruhe sehen. So sehen Sies am besten; das Klima u. die ganze Lebensart der Menschen wird Sie dazu einladen, u. die Wahrheit zu sagen, eines Mehreren ist auch die ganze Reise fast nicht wert. Alles sehen kann man doch nicht; und was hülfe es, wenn mans gesehen hätte? Die Seele kann es doch nicht fassen; das Gedächtnis doch nicht alles behalten; u. wie nun alle diese Mühe anwenden? da Enden aller Geschichte, aller Kunst, des ganzen Altertums, der Gesetze, Kirche u. f. in diesem geographischen Stiefel, zumal an seiner Wade in Florenz u. Rom zusammengehen. Also muß man hier auch, wie Sokrates durch den Jahrmarkt, mit offnem, aber heitern Auge gehen, sehen u. merken, so viel man kann, u. das Beste in der Erinnerung erwarten. Diese wird Ihnen nachher gewiß einen reichen Schatz von Bemerkungen gewähren, deren Sie sich selbst beim Anblick der Dinge nicht bewußt waren: Sie werden mit genährtem u. erweitertem Geist, mit weiterer Brust, mit geläutertem Auge über hundert u. tausend Dinge zurückkehren; u. eine ungewohnte neue Freude an Deutschland, einen Hang fürs ruhige häusliche, sittliche Leben mitbringen, das Sie in Italien sehr vermissen werden. Geschwister, Freunde, alles was Sie das Ihre nennen, Aufklärung, Deutscher Umgang u. f. wird Ihnen lieber werden: Sie werden sich unter dem schönen Himmel zum guten Mut eines immer frohen Lebens gestärkt haben; was kann man mehr wünschen oder von einer Reise erbeuten? Wie werde ich mich freuen, wenn ich einst nach einer glücklichen Wiederkunft höre, daß ich ein wahrer Prophet gewesen sei, u. wenn Sie mich selbst dessen versichern werden.
Die Reise durch die Alpen wird Ihnen ungemein angenehm sein; die Natur u. selbst die Menschenart rufen dem Reisenden zu, daß er hier die wahre Deutsche Schweiz finde. Ich wünschte, wenn ich zum Regenten bestimmt wäre, ein Landgraf von Tirol zu sein, in den mittlern Zeiten. In Inspruck insonderheit z. E. in der Hauptkirche sind schöne Denkmale vom Geist der Zeiten, die jetzt leider nicht mehr sind, u. schwerlich wieder kommen werden. Wenn Sie über den Alpen sind, bietet sich Ihnen die schöne Gegend von Verona dar, wo alle nordische Völker zuerst das Paradies sahen, das sich durch die ganze Lombardei bis nach Mailand zu ausbreitet. Denken Sie an mich, wenn Sie oben auf dem Amphitheater (arena genannt) oder im Hofe des Philarmonischen Museum umhergehen, oder auf den Höhen der Justischen Gärten die Sonne untergehen sehen u. die Stadt unter sich, die Etsch (Adige) und einen guten Teil der Lombardei beschauen. Sollten Sie sich von Verona nach Venedig wenden: so denken Sie an mich im schönen Vicenza, dessen Gegend über Padua, an der Brenta, bis nach Venedig hin, ich das Paradies des Paradieses nennen möchte. Vicenza ist voll von Gebäuden des großen Palladio, das Ufer der Brenta voll der schönsten Lusthäuser: die Menschen sind gut u. freundlich u. auf dem Campo Marzo zu Vicenza sehe ich noch meinen Geist, wie im schönsten Amphitheater zwischen Bergen wandeln. Der Anblick von Venedig wird Ihnen auf einige Zeit sehr angenehm sein, weil man da wie in einer eignen Welt lebet; ich empfehle Ihnen insonderheit den Markusplatz nebst dem was daran liegt, weil hier die Republik zusammengedrängt ist, u. die Insel der Benediktiner, S. Giorgio Maggiore. An Gemälden wird Ihnen aus der Venezianischen Schule ein solcher Reichtum entgegenkommen, daß man zu sehen fast müde wird, u. doch ists noch nichts gegen Bologna, Florenz, Rom u. Napel. Im volkreichen Bologna sind Schätze der Kunst von Guido Reni, Guercino, Albano u. a., bis man dann nach Florenz als in den wahren Putzschrank von Italien kommt. Hier ist in der Galerie, im Naturalienkabinett u. im Palast Pitti alles so gesammlet, so geordnet, daß man sich nur Augen u. Zeit u. Muße wünscht, Alles sehen u. wiedersehen zu können; auch in mehreren Kirchen sind schöne Denkmale. Erfreuen Sie sich des schönen Landanbaues in diesem Lande, u. der feinen, höflichen, Geistreichen Sprache seiner Einwohner; Sie finden diese letzte sonst nirgend in Italien wieder. – Rom ist ein Ozean der Kunst u. Merkwürdigkeiten, das wohl soleicht kein Reisender erschöpfen wird, in welchem es aber auch gnug ist, nur so viel zu kosten, als für uns dienet. Wenn Sie sich da aufhalten, so werden Sie wahrscheinlich bald mit dem Rat Reifenstein bekannt werden, der die fremden Fürsten u. Standspersonen meistens führet; wollen Sie außerdem für sich [seh]en so ist H. Hirt, gleichfalls ein Deutscher, u. ein geschickter Mann, der Ihr Wegweiser sein kann. Außerdem sind in Rom viel Deutsche Künstler, u. mich dünkt, der Markgraf selbst unterhält einige, die Ihnen dann ein Weiteres sagen werden. Es kommt darauf an, wie lange Sie sich aufhalten, u. wieviel Zeit Sie dran zu verwenden haben; so richtet sich der Führer darnach ein. Gehen Sie aber zuerst durch Rom nur durch, u. wenden sich gleich nach Napel; desto besser, da sind [Sie] wie im wahren Griechenlande. Grüßen Sie mir ja den schönen Himmel u. das schöne Meer, u. die lieblichen Inseln, die vor Ihnen liegen, den schönen Mond, die sanfte balsamische Luft u. die helleren Sterne. Grüßen Sie mir Portici, und das königl. Museum daselbst, wo Sie die ganze Lebensart der Griechen aus dem herausgegrabnen u. da aufbehaltnen Herkulanum mit Herzensfreude sehen werden. Sodann den Pausilipp u. alles was hinter ihm liegt, Bajä, die Elisäischen Felder, den Styx u. Acheron, das Misenische Vorgebirge; Gegenden, wo alle Fabeln der alten Dichter über Himmel u. Hölle entstunden, oder von Dichtern wenigstens benannt wurden. Auf der andern Seite versäumen Sie nicht, das alte Pompeji, die aufgegrabne Griechische Stadt zu sehen, wenn es sein kann den Vesuv zu besteigen, u. Napel sowohl von der See, als von St. Elmo aus alles rings zu betrachten: denn es ist ein einziger Anblick in der Welt, der mich fröhlich macht, wenn ich an ihn gedenke. Ich habe Ihnen nur sehr allgemeine Sachen geschrieben; wüßte ich etwas Besonderes, worüber Sie meine Gedanken wissen wollen, u. sobald ichs weiß, will ichs schreiben, wenn Sie mirs nur anzeigen. An Büchern haben Sie mit dem einzigen Volkmann (Nachrichten von Italien, neueste Ausg.) Alles, was, ja noch mehr als Sie brauchen, u. dem Weitern hilft ein gescheuter Lohnbedienter aus. Es ist leichter zu reisen, als man denkt, sobald man nur Geld, Gesundheit u. guten Mut hat. Um sich die Gesundheit zu erhalten, hüten Sie sich vor gar zu jäher Erhitzung u. Erkältung, vor der letzten insonderheit gegen die Nacht, an den Artikel der Weiber ohnedem, zumal in Napel, nicht zu gedenken. Verzeihen Sie mein Geschwätz u. leben wohl. Empfehlen Sie mich Ihrer Fr. Mutter u. Fräul. Schwester aufs ergebenste; ich denke an Euch Alle, Ihr herzlich lieben, mit inniger Liebe u. Teilnehmung. Leben Sie wohl, lieber Max u. lassen noch vor Ihrer Abreise was von sich hören. Gott mit Ihnen. Amen. Wenn Sie wiederkommen, werden Sie sich u. allen den Ihrigen neu geschenkt sein, u. wie eine alte Haut abgestreift haben. Nochmals das beste Lebewohl u. Gott empfohlen.
Neapel, den 29. September 1789.
Mir verkündigt die Fama, die keine Entfernung achtet, und den Schall ihrer Tuba von den Ufern der Ilm bis zu dem Gestade unserer Nymphe leicht fortbewegt, daß Sie, liebster Herder, in dem gelobten und geliebten Thüringen bleiben, und Ihre Lorbeeren und Rüstung in dem großen Arsenal alles Wissens und aller Weisheit, erbaut am Fuße des Hexengebirgs, nicht prangen lassen wollen, wozu ein jeder unserer Patrioten sagen wird: »Amen! das ist wohl getan.« Und so sage ich auch. Ein Weiser steht überall auf gutem Boden! und wenn ich Ihrem Entschluß nicht meinen Beifall gäbe, so versündigte ich mich an Ihrer Weisheit und an meinem Vaterlande zugleich. Dies Motto fällt mir gerad' ein, weil ich es heut' in Hamiltons Saal, mit goldenen Buchstaben geschrieben, las, indes verfehlt es dort seinen Sinn; denn die Schäferin mit dem Finger im Mund und die Bacchantin im lockern Gewand mit dem Widder am Rosenband deuten klärlich an, daß der Hausherr eigentlich auf Brittischem Grund und Boden steht – oder besser zu sagen, ruht. [ . . . ]
Noch ist es unentschieden, ob wir bleiben oder gehen? wann und wohin wir von hier aus wandern sollen? Doch bald muß ein Entschluß darüber gefaßt werden; denn wir können nicht, wie jener Feldherr, der Sonne Halt gebieten, und den Schnee vom Brenner wegschmelzen, wenn der Wintermond ihn damit bedeckt hat.
Als ich Ihnen das vorigemal schrieb, war unser Leben und Tun noch nicht völlig geordnet; dermalen ist es ungefähr folgendes. Zwei Abende der Woche füllt das Theater aus, zwei andere Abende Konzerte in unserm Hause, wo sich der Kreis der Zuhörer täglich mehrt; die übrigen Abende besuchen wir die sogenannten Akademien der nobili und amici wechselweis, und dann und wann auch eine Konversation. Die Morgen werden auf der Gitarre verklimpert, die Nachmittage verschlafen; Portici oder der Pausilipp dienen zu Spazierfahrten – und was unter dem Fittig der Nächte vorgeht, das soll meine Feder nicht enthüllen! – Von den umliegenden Gegenden haben wir noch keine wieder bereist; denn überall, rechts und links, ist mal' aria, die der allgemeinen Sage nach noch ein paar Wochen dauern soll. Dermalen wird uns Hirt begleiten, welches uns allen guten Nutzen bringen kann; denn Genuß möchte ichs nicht nennen, durchs Ohr zu vernehmen, was in der Vorzeit, vielleicht auch nie, zu sehn gewesen ist.
Als ich im vorigen Monat zu Ischia war, habe ich unzähligemal an Sie gedacht, und eben so oft Sie zu uns gewünscht! Es ist unaussprechlich schön auf dieser Insel, und Ihre liebe Gegenwart würde alles verschönert und verherrlicht haben! Und ich hätte die glücklichen Tage, die ich dort zubrachte, so gern mit Ihnen geteilt; denn die romantischen Felsen, die dunkeln Täler dazwischen, alles wie Zaubergärten! Die reizenden Ufer und die noch reizendern Insulanerinnen würden alle Ihre Sinne und Gefühle zum schönsten wachenden Traume gestimmt haben. Das große Neapel ist dermalen an Neuigkeiten, die Sie interessieren könnten, so leer, wie an Fremden; denn, einige verwirrte Engländer ausgenommen, sind wir die einzigen. Gesund sind wir alle; der Sommer war nicht heiß, und der Herbst beginnt mit Regen. Der Vesuv macht kleine Eruption, und ist das cheval de bataille unserer Hofdame, so wie es ehedem die éloge de Guibert zu Rom war.
Daß wir den Erzbischof nicht gefunden haben und nicht sehn werden, wenn wir auch noch so lange verweilten, das habe ich Ihnen schon einmal gesagt. Alle Ihre hiesigen Bekannten wollen, daß ich sie Ihrem Andenken empfehle. Die Herzogin schreibt Ihnen selbst, und ich endige dies Blatt mit der Bitte und dem Wunsch, daß Sie meiner dann und wann gedenken mögen, bis daß ich komme! Leben Sie wohl, und alle die Lieben, die Sie umgeben!
1789 Oktober 7. Aschersleben.
< . . . > Je chargerai Herder de me rapporter par écrit son entretien avec le Grand Duc de Toscane. Il devra y faire entrer ce que je voudrais qu'on dise. J'adresserai le tout à Vous, pour que Vous en fassiez la lecture au Roi < . . . >.
Weimar, vor Mitte Oktober 1789
– – Sehr interessante Stunden waren es für mich, da ich nach so vielem Merkwürdigen, das ich in Florenz gesehen hatte, die Ehre und das Glück genoß, den Großherzog selbst zu sprechen, ohne daß ich darum angehalten hatte. Er hatte durch den Grafen Hohenwart von mir gehört, und als er an Einem seiner gewöhnlichen Tage in die Stadt kam, um die Klagen oder Bitten seiner Untertanen anzuhören, war ich um 11. Uhr bestellt, da er denn sogleich mich vor sich ließ und bis fast zwei Uhr sich über eine Menge Dinge mit mir so gedrängt und lebhaft unterhielt, daß während dieser ganzen Zeit kein leerer Augenblick sich zwischen ein zu schleichen Raum hatte. Das Gespräch betraf fast mit keinem Worte die Gelehrsamkeit, und noch weniger die gemeinen Trivialitäten, von denen man mit Reisenden reden zu müssen glaubt, wenn man nichts bessers weiß: sondern, wenn ich so sagen darf, allgemeine Bedürfnisse der Menschheit, Anstalten für dieselbe, den Zustand der und jener Nation, Grundsätze dieser oder jener Regierung, mit so Manchem, was davon abhängt oder sich daran bindet. Der Großherzog selbst leitete das Gespräch; er fragte, und sagte seine Meinung; das letzte allemal mit der Energie, die ihn ganz charakterisieret, und die bei jedem Wort zeigte, daß er in diesen Sachen zu Hause ist, daß er sie oft durchdacht hat, und darin, wie in einem Geschäft, wie in einer Kunst lebet. Ich glaube nicht, daß er sich von einer bloßen Wort-Theorie nur einen Begriff machen kann, ob er gleich viel und täglich lieset, die besten Schriften der aufgeklärten Nationen Europa's kennet und sein System daraus gebildet hat; es ist aber ein praktisches System, sein Geist ist ganz energisch, tätig und praktisch, wie es auch seine Gestalt und seine tägliche Lebensart zeiget. Ich glaube nicht, Euer Durchlaucht von der letzten unterhalten zu dörfen, da sie bekannt ist; und auch den Faden eines so gedrängten, lebhaften Gesprächs zu wiederholen, würde mir unmöglich sein, so sehr ichs wünschte. Unvermerkt legt man Poesie in solche Gesprächszenen, sobald man sie niederschreibt; und immer geben sie doch nur ein täuschendes, unvollkommenes Bild des wahren Gespräches. Aber die Grundsätze, die aus des Großherzogs Seele, so wie aus allen seinen Urteilen und Äußerungen hervorleuchteten, haben sich zu kenntlich in mein Gemüt gedrückt, als daß ich von ihnen nicht sicher sprechen u. schreiben könnte; seine Regierung selbst ist auch zu ihnen gleichsam die Probe, und ich kann mir nach dieser Unterredung manches in dieser erklären, was ich vorher nicht recht zusammen zu reimen wußte.
Nichts drückte sich so Augenscheinlich in seinem Gespräch ab, als daß er den Kriegsgeist wilder Eroberung nicht liebe, und die Regierungskunst in ganz etwas anders setze, als in eine unruhige, oder eigennützige, oder eitle Erweiterung der Länder. Natürlich hat ihn seine Situation in Italien, in welche er frühe kam, und in der er solange fortgewirkt hat, in dieser Denkart befestigt; sie ist aber auf etwas Tieferes und Edleres, als auf diese seine jetzige Lage gegründet, nämlich auf Einsicht in das Wohl eines Landes und den Zweck aller menschlichen Regierung. Er hat seit einer Reihe von Jahren bessere Beschäftigungen eines Regenten kennen lernen, als zu Friedenszeiten ein einfältiges Puppenspiel mit menschlichen Maschinen treiben, die man zu Kriegszeiten oft für – oder wider nichts aufopfert. Er sprach vom Eroberungsgeiste als von einem Rest voriger roher u. barbarischer Zeiten so bestimmt, hat es auch sowohl durch die Grundsätze, nach denen er regiert u. die Stände seines Landes betrachtet, als auch durch die Grundsätze, in denen seine Prinzen erzogen werden, wie mich dünkt, gnugsam erwiesen, daß der Geist seiner Regierung bürgerlich, nicht militärisch sei. Und eben hiedurch, glaube ich, wird er, falls das Schicksal ihn noch zum Nachfolger seines Bruders bestimmt hätte, den Staaten desselben sehr aufhelfen, indem er in solchem Fall gewiß zeigen würde, was durch Ordnung, Klugheit u. feste Verträge der Friede über den Krieg vermag. Als vom Fürstenbunde die Rede war, sagte er: »wenn der Fürstenbund nichts als die Erhaltung der Deutschen Konstitution zum Zweck hat, so ist er nicht zu tadeln, u. ich sehe nicht, warum nicht der Kaiser selbst ein Mitglied davon sein könnte; die Konstitution Deutschlands zu erhalten, ist er ja eben Kaiser.« Überhaupt hat er von dem, was wahre Konstitution eines Landes ist, sofern solche auf Gesetzen, auf innerlicher Ordnung u. Beobachtung gegenseitiger Pflichten, auf einem Gleichgewicht der verschiedenen Stände gegen einander beruhet, einen hohen Begriff, wie er denn auch seinem Lande, das vorher im Grunde keine Konstitution hatte, zuerst eine solche gegeben. Gegen den Despotismus sprach er mit einer Art Eifer: er redete von ihm als von einer nicht nur ungerechten, sondern unverständigen Sache. Der Depotismus helfe nichts, sondern bringe alles in Verwirrung. Gesetze müßten regieren, nicht Willkür; denn am Ende könne doch die Willkür des Fürsten weder die Dinge, wie sie sind, noch ihre Folgen ändern. Er sprach von einem benachbarten Hofe, der auch in weltlichen u. in Regierungssachen infallibel sein wollte, mit einer Art von Verwunderung, wie man so sein könnte; und er selbst hat sich nicht geschämt, Gesetze frei zurückzunehmen, sobald sie nicht taugten. Er geht aber auch mit langsamem Schritt zu wirklich neuen Gesetzen; er versucht die Sache, sobald sie ihm zweifelhaft scheint, erst durch partikulare Befehle, bis er sich von der Güte derselben überzeugt hat, da ihn denn auch nichts mehr wankend macht, oder davon abwendet. Energie scheint mir überhaupt die Basis seines Charakters zu sein; Calcul und Ordnung sind die notwendigen Erfordernisse, seine Wirksamkeit zu bestimmen u. einzuschränken.
Als ich ihm über die letzte ein Kompliment machte, sagte er: »Da loben Sie mich über etwas, was ich wirklich aus Bequemlichkeit tue, u. aus Not tun muß. Nichts erspart so viel Zeit, als Ordnung: nichts gibt so klaren Begriff einer Sache, als der Calcul. Wer beide nicht von selbst lernen will, den muß sie die Not lehren.« In beidem aber hilft ihm auch ungemein sein großes Gedächtnis; so wie ich gegenseitig glaube, daß dies sein ungeheures Gedächtnis, von dem man mir sonderbare Proben erzählt hat, sich eben auch durch die Ordnung, die in seinen Geschäften herrscht, durch den immer frischen Anblick, den er sich von Personen u. Sachen gibt, durch die Erzählungen, die er sich dabei tun, durch die Nachrichten, die er sich von individuellen Umständen fortgesetzt geben läßt, sehr geordnet u. gestärkt habe. Daß dabei ganz der Geist des zu kleinen Details zu vermeiden sein sollte, läßt sich nicht vermuten; indessen ist dem Großherzoge dadurch sein kleines Land so übersehbar geworden, daß ers beinah wie ein Hausvater sein Haus oder Landgut kennet. In manchen Dingen, versichert man, um die er sich in den ersten Jahren vielleicht zu sehr bekümmerte, hat er einen großen Teil seiner Aufmerksamkeit nachgelassen; und es kann nicht fehlen, daß er sie in manchem nicht noch mehr herabstimmen sollte, wo sie nicht zu seiner täglichen Lebensweise gehöret. Er ist nahe am Ziel, sein Land völlig umgeschaffen u. eingerichtet zu haben; und er hat, nach dem Zustande, in welchem er sein Land fand, nach dem Verhältnis, das es insonderheit gegen Rom hat, nach der Proportion desselben zu seiner Familie u. f. während seiner langen Regierung u. täglichen Bemühung gewiß regieren gelernet.
Vielleicht fragen Euer Durchlaucht, woher es denn komme, daß bei allen diesen, und so lange fortgesetzten Bemühungen fürs Wohl seines Landes den Großherzog nicht eben die allgemeine Liebe seines Volks belohne? woher es komme, daß zumal in Florenz die alte Fröhlichkeit u. mit ihr ein Teil des Genie's dieser Geniereichen Nation unterdrückt u. auf eine Zeit erstorben scheine? wie es sein könne, daß ein so einsehender Regent an einigen revoltanten Einrichtungen mit einer Festigkeit hange, die mehrere Begüterte aus dem Lande getrieben? ja vielleicht noch manches andre, das die sogenannte Hofpartei der Jansenisten, die Unzufriedenheit des Adels, das Mißtrauen des Fürsten gegen die Nation, die Mutlosigkeit der Akademien, die Schläfrigkeit der Universitäten anbetrifft u. f. Allein in allem Diesem greifen so mancherlei Dinge in einander; es scheinet mir dabei so vieles auf die Lage von Florenz u. seine vorige Beschaffenheit, auf die Erziehung u. Familiendenkart des Großherzogs, auf die Nähe Roms, auf die ganze jetzige Gestalt und den Grad der Kultur Europa's anzukommen, daß hierüber zwar Manches zu mutmaßen, zu reden, Weniges aber zu behaupten u. zu schreiben sein dörfte. Keinem Sterblichen haben die Götter Alles verliehen: so auch keinem Lande, keiner Zeit Alles. Der ökonomisch-politische Geist unsres Jahrhunderts drückt ja nicht nur in Florenz, sondern überall auf Alles sein Siegel. Und gewiß werden nicht allenthalben so große Anstalten für die Nachwelt gemacht, wie in Toskana. Das ganze Instrument wird rein gestimmt u. ist scharf bezogen; kann doch einst ein jüngerer Nachfolger hie u. da eine Saite nachlassen, wo sie ihm überspannt dünket. Den Schlüssel zu einer mildern Harmonie muß ihm alsdenn der Geist seiner Zeit geben – – –
Weimar, 17. 10. 1789
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Herder dont la sagacité, l'esprit perçant et le jugement juste Vous est connu me parla beaucoup après son retour de l'Italie sur le sujet du Grand Duc de Toscane avec lequel il avait eu un long entretien. L'existimation d'un homme comme Herder me paraissant décisive, je le priai de me faire une espèce de portrait de ce Grand Duc et d'y faire entrer les traits les plus caractéristiques du discours que ce Prince lui avait tenu, pour qu'on eût pour l'avenir une espèce de norme d'après laquelle on pût juger si les actions du Grand Duc égalisaient ses principes et si l'on avait bien jugé sur les apparences. C'est pour cet effet qu'il coucha par écrit les lignes que je Vous communique et que Vous veuillez présenter au Roi, Sa Majesté désirant peut-être de connaître le Souverain de la Toscane de plus près.
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Weimar, 23. 10. 1789
[Caroline Herder:]
Durchlauchtigste gnädigste Herzogin.
Euer Durchlaucht lieber vortrefflicher Brief hat uns beiden so viel Freude des Herzens gemacht, daß ich meinen innigsten Dank nicht lange verbergen kann; ich muß Ihnen die liebe Hand tausendmal dafür küssen u. kann es nicht ausdrücken, wie wir Sie edle Fürstin, aufs neue unser nennen.
<Erwartung ihrer glücklichen Heimkehr und Hoffnung darauf, ihre Erzählungen von Italien in Tiefurt mit anhören zu dürfen. Auch Herder werde dann mehr aufgemuntert, über seine Reiseerlebnisse zu sprechen. Freilich werde die Herzogin sich erst allmählich wieder an die Thüringer gewöhnen.>
Von meinem Mann muß ich nun das Beste rühmen, er gewöhnt sich wieder an uns, hat uns lieb, unterscheidet was wir prestieren können oder nicht, erkennt auch gelegentlich daß wir doch auch Menschen sind obgleich unter einem dunklern Himmel, worunter er nun selbst mit gehört – unter dem manchen Guten hat er vorzüglich ein reines Verhältnis mit Jedem bekommen; u. für dieses Gute segne ich die Reise 1000fach u. alle die dazu beitrugen.
<Wiederholte Bitte um baldige Rückkehr der Herzogin. – Diese Woche habe eine> Frau von Krook <Herder> zu Gefallen den Weg über Weimar nach Rußland genommen <und nur ihn und Wieland aufgesucht.>
Es war gut, gnädigste Herzogin, daß mein Mann beizeiten aus Italien zurückgekehrt ist, denn es hätte wohl wahr werden können: aus den Augen aus dem Sinn, u. ich hätte vielleicht manch artigen Besuch (wenn er nämlich Lust gehabt hätte wieder heimzukehren) erwarten müssen.
<Gute Wünsche und Ausdrücke der Ehrerbietung, auch von Seiten der Kinder.>
Euer Durchlaucht untertänigste C. Herder.
[J. G. Herder:]
Nicht nach Pästum! Er schallet mir nicht der fröhliche Chor mehr
Nicht nach Salerno mehr strebet mein ahnender Sinn.
Ferne verklungen sind die Welschen lieblichen Töne,
Ferne verschwunden sind jene Gestalten der Kunst,
Hohe Wundergestalten voll Griechischer großer Gedanken,
die mich im Marmor oft hungrig und durstig gemacht.
Aber statt Pästum sing ich mir jetzt im höheren Baßton
»Ins Konsistorium! storium! storium!« vor
Und statt der Musen im Vatikan umgeben mich Kinder,
lebende Kinder, die mir auch eine Griechin gebar
Und ich bin ihnen leibhaftig der Musagetes im Schlafrock
zwar ohne Leier, doch nicht sonder Italisches Rohr
Denn an Vesuvius statt erhebt sich ein niedliches Wölkchen
am Italischen Rohr aus einem Türkischen Kopf
Und da sinn' ich, Trotz aller Griechen, erhabne Gedanken
und da steigt, wie ein Traum, mir auch Italien auf.
Komme zurück, o Fürstin, und mache den Traum uns zur Wahrheit
laß uns mit Ton u. Gespräch Tiefurt Italien sein.
Scripsit ex Stegereifio di Sua Altezza Serenissimo
il devotissimo Servo Herder
den 23. Okt. 1789.
Morgen ist E. D. Geburtstag; wir wollen ihn im besten Andenken feiren, vielleicht denken Sie unser auch an diesem Tage. Leben Sie aufs beste wohl, gnädigste liebe Fürstin.
Weimar, 25. 10. 1789
Liebster Freund,
Daß ich Ihnen bisher keine Nachricht von der Rückkunft meines Mannes gegeben habe, ist freilich Sünde über Sünde. Wir waren aber beide mitunter so gequält, daß wir nicht zu uns selbst kamen, vielweniger zum schreiben. Den 9. Juli früh-Morgends vor der Morgenröte kam er an, u. Mutter u. Kinder stürzten sich ihm, beinah wie im Stande der Unschuld, in die Arme. Er ist guten Humors wieder gekehrt u. seine Seele ist, wenn ich so sagen darf, weiter u. allgemeiner geworden, u. dies ist zu seiner eigenen Ruhe gewiß vorteilhaft. Seine Gesundheit ist gut, außer einem Husten den er unterwegs bekommen hat, der aber vielleicht eher nützlich ist, denn er empfindet seitdem nichts an der Leber. So stehet es mit Leib u. Seele, Lieber. Nach Göttingen hatte er große Neigung u. das Publikum könnte wohl mit seinem Schutzgeist zürnen daß er nicht dort ist. Da aber der liebe Gott einen jeden Menschen zuerst u. zunächst seines eignen Daseins wegen erschaffen hat, so traf sichs eben so sonderbar daß sich hier die Vornehmsten um sein Dasein bemühten, das er in beiderlei Sinn nicht zu achten schien – weil es ihm rühmlicher u. würdiger dünkte sich dem Publikum aufzuopfern! Die Vorsehung hatte ihn aber lieber u. erhielte ihn hier.
Danken Sie Gott mit uns, u. sein Sie auch froh daß Sie nicht auf jenem Morast wohnen, aus dem aufsteigen allerlei böse Gedanken pp
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Der Herzog u. die Herzogin haben sich bei Gelegenheit des Weggehns meines Mannes sehr schön betragen u. gezeigt wie sehr sie ihn lieben u. seinen Wert schätzen. Er hat 300 R. jährl. Zulage erhalten, dies ist das was wir noch unumgänglich brauchen – indessen soll auch für die Kinder zu seiner Zeit gesorgt werden. Schon für ihre Moralität ist glaube ich viel getan daß sie nicht auf der Universität erzogen werden.
Goethe hat sich auch jetzt als unsern treuesten Freund gezeigt.
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C. H.
Weimar, den 7. Dez. 89.
Glück zu in Rom. Ihre Reise nach Italien, lieber M. hat mich u. meine Frau sehr gefreuet; Sie werden nicht wie der Narr Arkenholz reisen, um die Blößen dieser alten Matrone mit frecher Hand aufzudecken u. sie im Kontrast mit England zur Schau zu stellen, sondern den Geist, der in den alten Monumenten, zur traurigfeierlichen u. doch süßen Erinnerung lebt, daß diese grausame Römergröße vorbei ist, die liebliche Stimme, die aus den Jahrhunderten Dante, Petrarka's, Ariosto u. Taßo's tönt, samt dem andern was ihm so widersprechend gegen über steht, sanft zu Herzen zu nehmen, u. es Ihren Landesleuten, so viel diese können, zu genießen zu geben. Das sehe ich aus Ihren Br., an mich u. an Heyne geschrieben, welchen letztern dieser mir mit seiner gewöhnlichen Miene mitgeteilt hat. Also Glück zu! Gewöhnen Sie sich, denn darauf kommt alles an, mit sanftem Gemüt an die Nation u. das werden Sie tun, weil Sie den Geist u. das Herz dazu haben. Übersehen Sie die Ungemächlichkeiten, die Sie dem Leibe nach haben müssen, u. denken, daß alle Apostel es nicht besser gehabt haben. Was mir leid tut, ist die Französische Flut, die jetzt Alles überschwemmt, u. Alles noch teurer machen muß, als es sonst war. Auch dem läßt sich endlich durch gute Bekanntschaft u. Gelegenheit entkommen. Der Mann, der Ihnen diesen Br. gibt, wird Ihnen zu Vielem nützlich sein können: er ist willfährig u. gutmütig; ich habe Sie ihm auf das beste empfohlen. Genießen Sie lernend im größten Mausoleum, das uns Europa u. die Geschichte darbeut.
Wenn ich so klug gewesen wäre, als ich jetzt bin, u. meine Reise von mir abgehangen hätte, würde ich mich zuerst im Garten Gottes, im obern Italien hie u. da aufgehalten, Mailand, Parma, Mantua, Verona, Vicenza, Venedig langsam gesehen, u. mich damit zur zweiten Stufe, Florenz u. Bologna vorbereitet haben; sodann zur dritten, Rom u. Neapel geschritten sein, nicht aber, unbereitet, Rom zum ersten u. längsten Wohnsitz gemacht haben. Wie Sie denn nun auch gereiset sind, halten Sie sich an keinem Ort länger auf, als Ihnen Ihr Genius eingibt, u. lassen sich dabei durch keine fremde Zungen lenken. Über Italien herrschen Vorurteile, wie über kein anderes Land; u. da Sie weder als Künstler noch Antiquar reisen, so muß Ihre Muse selbst Ihnen sagen, wo Sie am liebsten, längsten, u. nützlichsten verweilen sollen. Für Bücher, u. für eine lebende Welt der Handlung u. des Theaters ist Venedig: in Bologna lernen Sie Guercino, Guido u. Francia besser kennen, als sonst nirgend: in Mantua schwebt der Geist von Julio Rom.; in Parma Correggio, in Mailand sind Trümmern vom großen Da Vinci, in Florenz ist ein heiliger Boden von Allem was durch Wiedererweckung der Kunst u. Wissenschaft auf Europa gegangen ist: Rom ist das alte Heiligtum aus Griechenlandes, Roms, Raphaels u. allen Schulen; es ist wie der Hauptaltar gegen alle jene Nebenaltäre: in Napel u. Portici endlich finden Sie das alte Griechenland in seiner reinsten Gestalt, unter dem schönsten Himmel wieder. Verzeihen Sie, daß ich dies abgerissene Wort schreibe: Sirach sagt, irre die Spielleute nicht, u. so muß man auch die Reisenden nicht irre führen. Der Geist wirds Euch alles sagen, u. Euch erinnern an Alles, was Euch nicht ist gesagt worden. Mich freut es, daß Sie dem Antiquariengeist seine engere Kammer angewiesen haben; er muß nicht das Hauptgemach bewohnen, sonst wird eine Rumpelkammer draus, oder ein abscheuliche<r> Schau-Laden nach Sir Ramdohrs Weise. Ihr Gesichtspunkt für Sprache, Musik, Dichter, den Schauplatz u. das Geistige der Kunst ist so schön genommen, daß ich Ihnen nichts, als gut Glück wünschen kann, davon auf Reisen so viel, viel abhängt. Schreiben Sie mir nach Empfang dieses Br., wenn Sie wollen bald, u. zwar individuell u. lokal; ich will Ihnen sodann mehr schreiben. Durch Rat Reifenstein müssen Sie ja suchen, auch Mad. Angelika kennen zu lernen; sie ist was ihr Name sagt, die Hochachtungswürdigste Frau wie man es nur sein kann; mit dem Fleiß, dem Verstande u. Studium von fünfzig Männerseelen haben ihr die Grazien alle zarte Blüte der Anmut, Einfalt u. Kunst ihres Geschlechts beschieden; ihr Haus u. ihr Museum ist ein wahres Heiligtum der Musen. Das Papier ist zu Ende. Leben Sie wohl, Lieber. Meine Fr. grüßet Sie aufs schönste: sie hat mir Ihren Br. an Heyne mit großer Beistimmung vorgelesen, u. wir denken oft an Ihren freundl. Aufenthalt bei uns mit aller Wärme der Freude u. Liebe. Leben Sie bestens wohl, Lieber, in Ihrem Schafsgewande der Unwissenheit; inwendig aber ppp. addio, carissimo mio, addio.
Halberstadt, den 13. Dezember 1789.
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Weil unser Herder ein so vornehmer Mann geworden ist, und der Geschäfte, wenigstens in den ersten Jahren, mehr bekommen hat, so schreiben Sie mir, mein bestes Hausmütterchen, doch öfter als bisher, und können auch Sie nicht, so lassen Sie den lieben Gottfried Herder mir schreiben. Alles, was mein Herder aus Rom und Napel, dem neuen Rom und neuen Napel geschrieben hat, das möcht' ich lesen! Er sollte doch etwas über seine Reise seinen Freunden sagen; es würde ganz was anders sein, als was die Dupaty und alle die andern uns sagten. Wie Herder sieht, sehen nur die höhern Geister, von welchen einer unsern Newton sah so, wie wir einen Affen sehen. Leben Sie wohl, mein Herzensmütterchen, und grüßen Sie den Herzog und die Herzogin von Ihrem alten Gleim!