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Weimar, 26. 4. 1788
Gnädigster, bester Herr,
Inlage empfing ich so unvermutet, als ob sie mir vom Himmel zugefallen wäre; in einem Zustande, in welchem mich der Inhalt derselben eben so erfreuete, als betäubte.
Ich habe mit der gestrigen Post geantwortet, u. den kleinen Dalberg gebeten, sich über das Wie? Wo? u. Wann? etwas näher zu erklären.
Das Weitere müssen Euer Durchlaucht zu seiner Zeit beantworten, u. ich verspreche mir eine gute, gnädige Antwort.
[ . . . ] Ich wünsche Euer Durchlaucht das beste Wohlsein von innen u. von außen.
E[uer] H[erzoglichen] D[urchlaucht] untertänigster Herder.
Aschersleben, den 28. April 1788.
Der Antrag, den die Beilage Ihres Briefes enthielt, überraschte mich sehr angenehm. Schon lange wünschte ich eine gute, annehmbare Gelegenheit, die Ihnen den Vorteil verschaffen könnte, Ihre Atmosphäre zu erfrischen, welche hinter dem hohen Schieferdache der Stadtkirche zusammengepreßt werden mag. Der Vorschlag des kleinen Dalbergs ist mir um desto willkommner, da ich vermute, daß er die notwendigen Einrichtungen so treffen wird, daß Sie gewiß kein Hindernis finden werden, mit ihm die Reise nach dem gelobten Lande zu tun, und seine Gesellschaft von der Art ist, daß solche für Sie nicht die mindeste Beschwerlichkeit haben kann, sondern fähig ist, Ihnen vielerlei Annehmlichkeiten zu gewähren. Ich wünsche Ihnen recht herzlich Glück zu diesem angenehmen Zufalle, und werde mich recht herzlich freuen, Sie mit Ihrem Aesopischen Reisegefährten in den Wagen steigen zu sehen und auf dem Wege zu wissen, welcher Sie gerade zur erquickenden Quelle führen soll.
Der Schwager Chronos (Goethe brauchte ihn einmal zum Postillon) ist doch im Grunde ein guter Fuhrmann, der seine Passagiers zu beurteilen weiß, und führt sie, wenn sie auch zuweilen auf seinem Postwagen vor Stößen geflucht oder zu anderer Zeit vor Langsamfahren gegähnt haben, doch endlich auf die Straßen, die ihnen angemessen und erwünscht sind. Selten verfehlt er ganz des Wegs, wenn er Reisende bedient, die seiner Aufmerksamkeit würdig sind. Aber auch ein Trinkgeld für ihn! das beste ist gewiß harren und vertrauen auf seine Geschicklichkeit. Glück zu!
Dem kleinen Dalberg schrieb ich vor ein paar Tagen; es sollte mir leid sein, den guten kleinen Menschen nicht zu sehen. Wenn das Wo? Wie? und Wann? bestimmt ist, so schreiben Sie mir die Einrichtung desselben. Daß Sie Ihre Abwesenheit nach Ihrem Gefallen einrichten können, versteht sich von selbst.
[ . . . ] Grüßen Sie mir Frau und Kinder und leben Sie recht wohl.
Carl August H. z. S.
Trier, 5. 5. 1788
< . . . > Ich habe mich seit einigen Jahren sehr warm einiger Geschäfte angenommen, deren Erfolg ich wünschte, aber durch Drang unglücklicher, widerstrebender Umstände nicht allein nicht erreichen kann, sondern nach innerer Überzeugung und dem, was ich meiner Ehre schuldig bin, mich des Geschäfts entledigen muß, wenigstens auf einige Zeit, da meine schwächliche Gesundheit ohnehin Erholung und den erquickenden Hauch eines mildern Himmelsstrichs bedarf. Mein Plan geht dahin, zuerst an einem guten, nicht zu heißen Fleck Italiens oder der Provence zu ruhen, und den Sommer durch reinen Äther zu schöpfen, den Winter dann der Reise im Lande, dem Sehen und Genießen der hohen Kunst zu widmen. Ich kann mich auf einige Jahre von meinen Residenzen frei machen, und diese Zeit und meine fortdauernden Renten dort verzehren. Denn wie Sie wissen, ist die Kirche, die zwar auch Bannstrahlen hat, oft eine gütige Mutter und gestattet ihren Söhnen alle Freiheiten, wenn sie nur das Verlangen äußern, ihren mächtigen Vater mit der dreifachen Krone in Rom zu sehen. – Wie wäre nun folgender Vorschlag, bester Herder, wenn Sie die Zeit von hier bis in den September, die ich der Gesundheit und Ruhe widme, zur Vollendung ihrer Geschäfte anwendeten, und wir uns dann in der Schweiz, oder wo es sonst wäre, einen Ort bestimmten, wo wir uns träfen und als Pilgrime in das hohe Rom zusammen wallten? Der Plan unsrer fernern Reise durch Italien ließe sich dann immer noch machen.
< . . . >
Weimar, 6. 5. 1788 [?]
[ . . . ] Ich placke mich mit dem 4. T[eil] der Ideen herum, mit dem ich mich den ganzen leidigen Winter durch umhergeplackt habe. Ich habe unter den nordischen, zumal der edeln Deutschen Nation so lange hausen müssen, daß ich mich recht freuete, wieder unter eine andre zu kommen, wo ich wenigstens des Privilegiums der Reisenden genieße, a beau mentir, qui vient de loin. Ich sehne mich herzlich nach dem Ende der Arbeit, die mir zu meinem Zweck unsägliche, vielleicht auch gar unkennbare Mühe kostet. [ . . . ]
Weimar, vor dem 30. 5. 1788
S. P.
Ende voriger Woche erfuhr ich unvermutet, daß Dalberg in Kalbsried sei, wohin er die Fr[au] v. Seckendorf begleitet. Ich sandte an ihn einen Expressen, mit der Einladung nach Aschersleben, die mir der Herzog nachgelassen hatte, u. die er in der Nähe des Orts vielleicht annehmen würde. Der Expresse kam Sonnabend Abend zurück, mit einem Briefe von ihm, daß er den Sonntag drauf nach Aschersleben reisen, sodann nach Weimar kommen würde u. gern bei mir logieren wollte. Gestern Abend haben wir ihn umsonst erwartet; vielleicht kommt er heut, u. höchstens morgen. In der Frankf. Zeitung hat schon vorige Woche gestanden: er sei in meiner Gesellschaft nach Italien gereiset; diese Nachricht hat sich also auch hier verbreitet u. man nimmt mich für abgereiset an, u. fragt mich selbst, ob ich nach Italien gereiset sei.
Sobald Dalberg herkommt, tue ichs Ihnen zu wissen, mein H[err] u. Freund, denn es ist billig u. recht daß Sie ihn sehen u. auch mich, jetzt in Italien, in seiner Gesellschaft sehen; anbei Zeuge sind, was u. wie es sich verhandelt. Ich höre, er geht erst auf eine Hochzeit des Gr[afen] v. der Leie, u. also bin ich noch ganz ungewiß, wie sich die Sache einrichten u. abmachen werde. Sie müssen aber zu uns kommen, alter Weiser, zumal da Dalberg in meinem Hause logiert. Ich bitte Sie sehr, u. er wird sich Ihrer selbst freuen.
[ . . . ]
Konstanz, 5. 6. 1788 [?]
Daß ich von Constanz an dich nach Rom zu schreiben habe, ist wohl eine seltsame Sache, die mir noch völlig den Kopf verwirren könnte. Gestern Abend lese ich in der Vaterlandschronik, du seiest wirklich mit Dalbergen verreist. Ich glaube es und ergebe mich drein, ob es gleich für mich ein sehr harter Fall ist. Reise glücklich und erbrich den Brief gesund, da wo ich in meinem Leben das erstemal unbedingt glücklich war. Angelika wird dir ihn geben. Vielleicht erhältst du zu gleicher Zeit noch einen; denn ich schreibe gleich, wenn ich nach Hause komme, und Ihr haltet Euch wohl auf.
Wenn Ihr einen Antiquar braucht, wie Ihr denn einen braucht, so nehmt einen Deutschen, der Hirt heißt. Er ist ein Pedante, weiß aber viel und wird jedem Fremden nützlich sein. Er nimmt des Tages mit einem Zechin vorlieb. Wenn Ihr ihm etwas mehr gebt, so wird er dankbar sein. Er ist übrigens ein durchaus redlicher Mensch. Alsdann suche einen jungen Maler Bury incontro Rondanini, den ich lieb habe, und laß dir die farbigen Zeichnungen weisen, die er jetzt nach Carrache macht. Er arbeitet sehr brav. Mache, daß sie Dalberg sieht und etwas bestellt. Dieser junge Mensch ist gar brav und gut, und wenn du etwa das Museum oder sonst eine wichtige Sammlung mit ihm, zum zweitenmal, aber NB. allein sehen willst, so wird es dir Freude machen und Nutzen schaffen. Er ist kein großer Redner, besonders vor mehreren. Meyer, der Schweizer, ist, furchte ich, schon in Neapel. Wo er auch sei, mußt du ihn kennen lernen.
Ich weiß nicht, ob ich wache oder träume, da ich dir dieses schreibe. Es ist eine starke Prüfung, die über mich ergeht. Lebe wohl, genieße, was dir beschert ist. Einer meiner angelegentlichsten Wünsche ist erfüllt.
Wenn du nach Castell-Gandolfo kommst, so frage nach einer Pinie, die nicht weit von Herrn Jenkins' Haus, nicht weit vom kleinen Theater steht. Diese hatte ich in den Augen, als ich dich so sehnlich wünschte. Lebe wohl. Ich gehe zu den Deinigen, und will ihnen die Zeit deiner Abwesenheit verleben helfen.
G.
Wahrscheinlich wird Euch Hofrat Reiffenstein an einige Orte führen. Ich empfehle Hirten also zum Supplemente.
Moritzen mußt du auch sehen. Du wirst noch andere finden: Lips etc.
Weimar, Mitte Juni 1788
Warum haben Sie mir nicht, gnädigste Herzogin, mit Ihrer schönen Italienischen Übersetzung der Lira zugleich etwas Italienischen Geist ins Couvert eingesiegelt, Ihnen Italienisch danken zu können; statt dessen, daß ich jetzt das liebliche, harmonische Blatt mit Bewunderung und etwas Neide lese, daß ich dagegen ein so barbarischer, Deutscher Ignorant bin. Indessen studiere ich seit ehegestern die Sprache, wie es sich tun läßt, und sehe den Zuruf der Lira eben auch als eine Stimme an, die mich dazu freundlich einladet. Ich will sie lesen u. wiederlesen, auch morgen die kleine Nachtigall in Manheim damit erfreuen. Haben Euer Durchl. für den süßen Enthusiasmus Dank, der darin herrschet: im schönen Lande jenseits der Alpen
– – – wo die Zitronen blühn,
hoffe ich Ihnen Italienisch, und also anmutiger danken zu können, als hier hinter der Peter- u. Paulskirche. Vorher aber hoffe ich es nächstens in Tiefurt tun zu können. – Die Fr. v. Dieden u. der Prinz August müssen durch Euer Durchl. Gnade doch ja auch die Musik des kleinen Ritters Valdimonte (so haben wir ihn übersetzt) hören. Ich empfehle mich zu E. D. Gnade
Herder.
Weimar, 22. 6. 1788
Liebster Freund,
Die Zeitungen werden Ihnen, nicht nur sehr zu frühe, sondern auch mir sehr unlieb, gemeldet haben, daß ich nach Italien reise. Reisen mußte ich, wenn es auch auf den Walfischfang gewesen wäre, u. da diese Gelegenheit u. Anerbietung kam, sahe ich sie als einen Wink des Schicksals an, den ich nicht ausschlagen durfte. Wozu ich reise? wird die Zeit selbst negativ oder positiv zeigen: ich lasse ihr gern ihren Lauf u. will den guten Göttern nicht vorgreifen; ich hoffe aber das Letzte, oder vielmehr ich bin dessen gewiß, da doch alles Nichts ein Nichts ist. Wie angenehm, unterrichtend, ja gewissermaßen notwendig wäre es, wenn ich erst zu Ihnen nach G[öttingen] käme; ich habe im Ernst daran gedacht, den Gedanken aber sogleich verworfen. Meine Zeit ist beschränkt; ich weiß nicht, wie ich hier mit meinem Bündel zurecht kommen will; eilen müssen wir, weil wir durch die Schweiz ziehen, u. in der Provence uns zuerst erholen wollen, ehe uns, wie es die Reisende über die Alpen sonst zu genießen pflegen, das stolze Rom verschlingt; also kann ich nicht säumen, u. wie sehr haben wirs mit unsern Sitten, in unsrer Lebensweise darauf eingerichtet, daß wir uns nur immer in einem »minimum« genießen u. kosten! – Also das herzlichste Lebewohl, liebster, treuer, alter Freund, Sie am Ufer der Leine, u. ich wo ich sein möge. Haben Sie Aufträge für mich, wollen Sie mir Gesichtspunkte, Ideen, Aussichten geben, finden Sie es gut, wie ichs freilich gut fände, daß Sie mich nach Ihrer weiten Bekanntschaft in den dortigen Gegenden an einige Menschen, die mir nützlich sein können, empfehlen: so tun Sie, was Ihnen Ihr Sinn u. Herz gebietet. Alles aber ohne Zwang: denn mir ists ganz gleichgültig, wenn ich auch den u. den u. den nicht sehe; was ich sehen, u. einst gesehen haben will, sehe ich doch, u. was mir daher gewährt sein soll, ist in der Götter Händen. Mir selbst, so nahe ich dran bin, scheinet die Reise noch wie eine Fabel. So wird sie es auch sein, wenn sie vorüber ist: denn wie schnell vergehen einige Monate, in welchen wir uns wie Würmer einige Schritte weit zu Hause hingekrümmt u. am Ende doch nichts anders getan, als gemüht u. verdauet hätten – nun mögen sie auf andre Weise wie Schatten vorbeigehn. Die Augen will ich indessen auftun, u. dies schmale Interstitium mit Sorgfalt u. Muße gebrauchen. Ich weiß, Sie wünschen mir sodann eine glückliche Rückkehr, u. ich mir sodann einige Augenblicke oder Stunden, Sie sprechen zu können. Die Bücher, die ich von der Bibliothek habe, schicke ich an dem Ort, der Göttingen am nächsten ist, zu Ihnen, u. sage Ihnen sodann noch dankbar das letzte Lebewohl. [ . . . ] Leben Sie wohl, lieber Patriarch der Künste, bald schreibe ich Ihnen noch einige Zeilen. Überdenken Sie indessen etwas, ob Sie mir etwas mitzugeben haben.
Herder
22. Jun. 88.
Weimar, 22. und 23. 6. 1788
[J. G. Herder:]
Sonderbar ists, wie die Geister wirken. Eben stand ich heut am Fest des H. Johanns vor Ihren 2. letzten Additamenten, zu denen ich durch einen unwiderstehlichen Trieb eben unter dem Lauten zur Kirche getrieben ward, ob ich gleich wußte, daß sie mich in meiner Johannspredigt stören würden, als der Bediente Ihren nassen Brief herauf brachte, den ein unsichtbarer Bote auf den Tisch vor meiner Frauen Zimmer gelegt haben muß. Er freuete mich sehr u. ich habe Alles sogleich besorgt. [ . . . ]
Aber über Ihr Glück, einen alten Philosophen gefunden zu haben, sein Sie nicht zu stolz; denn Sie haben Ihren rückkommenden Freund durch die Reise gerade zu verfehlet. Er ist seit dem 18. Abends um 10. Uhr mit dem Vollmonde hier, ist gesund und wohl, u. hat uns schon 1000. Dinge erzählet. Das hat Ihnen Ihr alter Philosoph schwerlich gesaget: doch bin ich auf ihn sehr lüstern. Mich dünkte sonst, ich kennte alle alten Philosophen an ihren Bärten.
Diese Nacht gehen Diedens weg, u. den 1ten treffen die Gore's ein: verlassen Sie also die Gebirge, u. kehren zur schönen Gesellschaft u. zum Römer zurück. Das ist artiger u. hübscher.
[ . . . ]
Die artige Gesellschaft hat mich sehr gehindert, an meine Reise zu denken. Morgen aber u. fernerhin solls desto ernstlicher getrieben werden. Von Dalberg habe ich seitdem noch keine Zeile; vielleicht kommt sie heut.
[ . . . ] Leben Sie wohl, lieber Waldphilosoph u. kehren bald wieder zu uns: zum Einsiedler sind Sie doch nicht geboren. Ich umarme Sie herzlich.
H.
22. Jun. 88.
[ . . . ]
[Caroline Herder:]
Ich muß Sie auch bitten liebster Freund bald zu kommen, damit wir uns gemeinschaftlich an unserm Freund erfreuen. Diese Tage her hat der Hof durch die Anwesenheit der Fr. von Diede ihn ganz verschlungen. Er kam den Mittwoch Abends 11 uhr durch den Stern gehend, an; Frau von Stein u. der Herzog schliefen schon; er ging in sein Haus, wir erfuhren seine Ankunft gleich u. m[ein] Mann der eben von Tiefurt kam eilte zu ihm u. ich stand auch auf u. ging hin. er glaubte m. Mann sei schon auf der Reise, u. das Wiedersehen war also ganz erfreulich.
Ich hoffe nun auf einige stille Abende wo wir ihn wieder sehen werden wie er ist. Da er nun da ist, fühle ich erst den schlimmen Tausch zwischen Rom u. Weimar. Doch die Liebe trägt ja alles. Herzl[ich] Adieu.
Montag Abend. Goethe ist eben da u. grüßt Sie aufs beste.
Weimar, 23. 6. 1788
Guter, lieber M. [ . . . ]
Der Antrag u. Ruf zu meiner Reise kam mir so sonderbar, als wenn mir ein Br. aus den Wolken zufiele. Da ich zuviel Gutes in meinem Leben unbesonnener Weise aus der Hand geschlagen habe, so fand ichs eine große Sünde, es auch jetzt aus der Hand schlagen zu wollen, u. nahms an. Mein Reisegefährte oder vielmehr der Führer meiner Reise ist hier gewesen, daß ich ihn auch persönlich näher kennen gelernt habe: denn schriftlich u. aus dem Hause seines Bruders, des Koadjutors, kannte ich ihn längst. Er ist der liebenswürdigste Mensch, u. ich kann nicht gnug zum Lobe seiner Seele, seines Herzens, seines Geschmacks u. Genies sagen; vorzüglich zeichnet ihn bei einer ungemeinen Schnelligkeit u. Leichtigkeit der Ideen eine Ruhe des Gemüts aus, die im höchsten Grade nach meinem Sinn u. beim Reisen ein wahrer Balsam ist. Er verachtet, was ich verachte, er sucht, was ich suche, u. kann mir <mit> tausend geübten Kenntnissen im Kunstgeschmack u. in der musikalischen Komposition helfen. In einigen Wochen, in denen ich noch alle Hände voll habe, gehe ich zu ihm: von Manheim aus gehen wir durch die Schweiz nach der Provenze u. schleichen sodann nach Italien über. O brächte ich nach Rom Heynens Kenntnisse, Heynens Studium mit! Aber das Schicksal hat mir diese Zubereitung versaget. Sie wissen, in welchem beschwerlichen Amt oder vielmehr farrago von Ämtern u. furfur von Geschäften ich lebe; da ich nun nach Italien nie mehr zu kommen hoffte, so rächete ich mich durch Abneigung gegen die Sprache, die mir jetzt teuer zu stehen kommt. Jetzt lese ich was ich kann, u. auch dieses sind nur Vierteilstunden. Ich verlasse mich aufs gute Schicksal, das mich rief, u. dessen Wink ich mit jeder sorgsamen Demut zu folgen gedenke. Meine Frau läßt mich gern ziehen: denn sonst wäre ich doch verkommen u. abgestanden, wie ein Fisch im Trocknen, hinter dem schwarzen Schieferdach dieser Kirche, ja vielleicht bin ichs schon jetzt. Also hinaus, u. lasset uns frische Luft schöpfen, so viel wir noch zu schöpfen vermögen. Der reditus in Orcum findet sich immer wieder. Mein Herzog gönnet mir die Reise u. hat sie mir längst gewünscht. Göthe ist seit dem 18. zurück; o hätte ich mit ihm in Italien sein mögen! es wäre ein siebenfacher – nicht Genuß, auf den reise ich nicht, sondern – Gewinn gewesen. Aber die unsterblichen Götter wollen es anders, u. die sind klüger als wir sterblichen Menschen.
[ . . . ]
Also leben Sie wohl, lieber Wanderer, u. wo das Glück Sie hinführt, denken Sie in Freundschaft an mich u. lassen was von sich hören. Senden Sie während meiner Abwesenheit die Br. nur an meine Fr., wenn Sie mir etwas zu sagen haben; mich lüstets in Rom ad limina S[ancti] Petri etwas von Ihnen zu hören, u. ich werde dort sodann Ihren Namen an einen schönen Baum schneiden, der verloren scheinet, aber es nicht ist, denn er blühet im Lande der Musen. Leben Sie wohl, Lieber, u. senden mir etwas von Ihrer Italienischen Sprache, wenn Sie können; Ihr gutes Herz gegen mich aber bewahren Sie treu.
Herder.
W. den 23. Jun. 88.
Weimar, 28. 6. 1788
In einigen Wochen, liebster Freund, geht es mit dem FreiHrn. v. Dalberg auf die Reise, die die geschwätzige Fama für mich u. für ihn etwas zu frühe angekündigt hat. Haben Sie Aufträge mir zu geben: so bitte ich sie mir aus; wenn es nur keine Kollation morgenländischer Buchstaben ist, vor denen ich vor der Hand einen gesunden u. heilsamen Ekel habe, will ich sie bestens besorgen. Ich weiß, Sie gönnen mir den Ausflug u. wünschen, daß er glücklich ausschlagen möge. Sie, l[ieber] Fr[eund], treffe ich wahrscheinlich in J[ena] nicht mehr an; u. ich werde darüber nicht trauern. Ich habe Kn[ebel] recht herzlich gedankt, daß er Ihren wankenden Entschluß befestigt hat; er zeigt von Ihrer zarten Seele; Schritte indes müssen getan werden. Wo Sie auch sind, leben Sie mit den Ihrigen glücklich; dies wünscht Ihnen meine ganze Seele. Hier ist Ihr Spinoza wieder; habe ich noch mehr Bücher von Ihnen, so senden Sie mir eine Note; mich dünkt, den Hafiz des Bar[on] R[eviczky] haben Sie mir gütig geschenket. Leben Sie wohl, lieber, guter, Herzensguter E.; wo ich auch bin, werde ich Ihrer mit Liebe gedenken
H.
28. Jun.
W. den 30. Juni 1788.
[Caroline Herder:]
< . . . >
Der Domherr Fritz v. Dalberg hat ihm eine Reise nach Italien angetragen – sein Brief war auf den Todestag unsres Kindes datiert u. es war uns als ob sein wegscheidendes Seelchen dies noch bewirkt hätte – wir stunden keinen Augenblick an ja zu sagen; die Notwendigkeit, Ort, Klima u. Gegenstände zu verändern, war bei meinem Mann aufs höchste gestiegen, u. wenn dieser Antrag nicht gekommen wäre, so hätte er Sie nach dem Carlsbad gewiß heimgesucht u. <wäre> vielleicht bei Ihrem Bündnis gegenwärtig gewesen. Unser Goethe ist den 18. wiedergekommen, gestärkt u. befestigt in seinem ganzen Wesen; er hat Ratschläge zur Reise gegeben, u. nun hängts von Dalberg ab ob es zuerst nach der Provence geht wies sein eigentlicher Plan war, oder ob sie nach Goethes Rat den kürzern Weg durch die Schweiz über den Gotthard nehmen.
<In letzterem Fall werde Herder gewiß durch Schaffhausen kommen und Müller sehen. – Noch vor der Reise werde Herder Gottfried konfirmieren. – Grüße an Müllers Angehörige.>
Ihre treue C. H.
[J. G. Herder:]
Es ist unerlaubt, liebster, bester M., auf so viele herzliche Gütigkeiten von Ihrer u. Ihrer Freunde Seite die Antwort so lange schuldig zu bleiben; auch können Sie gewiß glauben, daß schwerlich jemals Geschenke mit mehrerer Freude u. Liebe empfangen worden sind. Da aber der Tod den Strich machte; – so können Sie sich das andre leicht denken. Mein Herz u. ganze Seele blutet noch immer, wenn ich an das geliebteste, wirklich holde Kind gedenke. Es kommt zu uns nicht wieder; wir aber kommen zu ihm. Jetzt blühen Rosen auf seinem Grabe, wo er wie in einem Gärtchen liegt. Have animula cara, blanda, suavis, have! –
In wenigen Wochen reise ich also, lieber Gevatter, wie Ihnen meine Frau gesagt hat. Ich wünsche, daß mich das Glück über Schafhausen führe, glaube es aber schwerlich; das sei der Rückkehr aufgespart, so Gott will. So bald ich an Ort u. Stelle bin, schreibe ich Ihnen, wo Ihre Br. mich finden können, u. ich werde, ausgespannt von meinem hiesigen Joch, zuweilen gern an Sie schreiben. Sagen Sie doch in unserm Namen den verbindlichsten Dank an alle Ihre Freunde, die zum Liebesgeschenk fürs Kind schrift- u. tätlich beigetragen haben; ich kann ihnen nicht danken. Sie, l. M., leben wohl u. grüßen Ihre Braut aufs herzl. in meinem Namen. Gott segne Euch beide. – Ihr Bruder ist Staatsmann; möge es ihm bestens wohlgehen. Lebt wohl, lieber Müller, lebt wohl.
H.
30. Jun.
Weimar, 30. 6. 1788
[ . . . ]
Jetzt melde ich Ihnen nur eigenhändig, was Ihnen wahrscheinlich auch schon die Zeitungen werden gesagt haben, daß ich mit dem jüngsten Bruder des Koadjutors in Mainz, Fritz von Dalberg, DomHrn. zu Trier, Worms u. Speier, auch Trierschen Geh[eimen] Rat, eine Reise nach Italien zu tun im Begriff bin. In einigen Wochen gehts fort, u. ich hoffe mit dem Einfluß guter Gestirne. Der Antrag dazu kam mir sehr unerwartet, u. ich nahm ihn als einen lange gewünschten, aber kaum gehofften Ruf des Himmels an. Aus Rom werde ich an Sie schreiben. Sie schicken Ihre Briefe nur mit Oblaten gesiegelt an meine Frau; die wird ferner wissen, wo ich lebe u. schwebe.
Seit dem 18. dieses Monats ist Göthe hier; er ist voll von Rom, wie billig u. recht ist. Er kann sich mit dem hiesigen Himmel noch nicht recht vertragen. Ihre Münzenabdrücke haben ihn sehr gefreuet, u. er dankt Ihnen aufs beste.
Ich weiß nicht, ob ich Ihnen schon gemeldet habe, daß unser jüngster Sohn, Karl Alfred, im Dez. vorigen Jahrs geboren, im März dieses Jahrs von hinnen gegangen ist. Sein Verlust ist uns sehr schmerzlich gewesen, u. ich kann ihn noch nicht verwinden. Gerade im tiefsten Gefühl des Verlusts kam mir der Ruf zur Reise, daher ich ihn doppelt gern annahm.
[ . . . ]
Leben Sie wohl, l. M., der Himmel gebe Ihnen einen glücklichen Ausgang u. denn Ruhe, Gesundheit, Fleiß, Zufriedenheit u. Freude. Ich bin u. bleibe
Ihr H.
[ . . . ]
Göttingen, den 2. Juli 88.
Freilich glaubte ich bisher dem Gerücht von Ihrer Reise nach Italien nur halb; desto mehr Freude macht mir nun die Gewißheit. Die Reise muß Ihnen heilsam werden; sie wird auch uns andern Frucht bringen. Wie gern schwatzte ich mit Ihnen, liebster Freund, über einiges voraus, was Sie zu sehn bekommen, wenn nur die Zeit nicht zu kurz wäre. Aber doch eines, wenn Sie darüber völlige Belehrung mitbringen können. Von Kunstwerken halte ich mich nun überzeugt, daß die hohe Kunst bloß Ideale bearbeitete, entweder eigentlich Ideal, als Götter und Helden, oder sie verwandelt Portrait und wirkliche Natur in Ideal. Wo aber die Ideale noch am wenigsten bestimmt und gesichert sind, sind die weiblichen Antiken, weil die wenigsten alte oder doch nicht ihre eignen Köpfe haben, immer hat sich nur der Tronk, Gewand und Masse erhalten. Immer bleibt der Charakter nicht treu, der eine Minerva, Muse, Nymphe, Diana u. s. w. unterscheiden soll, so bestimmt gleich das Ideal ist. Eine Aufmerksamkeit bei einer großen Reihe weiblicher Figuren müßte Bemerkungen an die Hand geben.
Ferner in der neuern Kunst ist alles, was groß Werk ist, ebensowohl Ideal: Christuskopf, Apostel, Märtyrer, männlich und weiblich. Daß die Leute so aussahen, wer glaubt das? Nun wäre die Entstehung dieser Ideale (so wie ich sie von den Göttern und Heldenidealen aufgefunden habe) und die ersten Meister einmal eine gelehrte Forschung; aber erst doch die genaue Bestimmung, was ist der Charakter, woher und wie gefaßt und wie genau zu bestimmen und auf Klassen zu bringen? Ein weibliches Ideal mit jungfräulicher Sittsamkeit – mit Beimischung von – ist eine Madonna s. f.; so wie Venus ein Ideal weiblicher Schönheit mit Grazie und Reiz. Alle weiblichen Figuren nennt man Venus. Wenn die Antikenoperateurs Acht geben könnten, manches würde auf andere Ideen bei Restaurationen geleitet haben.
Gott leite Sie und bringe Sie glücklich zu den Ihrigen und dann aber gewiß einmal auch zu mir und zu den Meinigen. Alles ehrt und liebt Sie und Ihr Haus. –
[ . . . ]
Weimar, 4. 7. 1788
Ihren Abschiedsbrief, holde Frau, bekam ich Montag Mittag unter des Herzogs Insiegel; ich wunderte mich nicht, denn ich erklärte mir gleich das Rätsel. Ihr anderes liebliches Andenken am Fuß der Gebirge hat es mir gesagt, daß Sie wenigstens bis dahin unser Bild sich haben folgen lassen; da das Ihrige so oft in Gesprächen u. angenehmer Erinnerung um uns schwebet. Jetzt sind Sie im Schoß Ihrer Freunde u. Freundinnen, u. gedenken unser, vielleicht wie man sich aus Elysium seiner Erdegenossen erinnert.
Wir leben hier, wie wir leben. Die Tage sind schwül u. vergehen mir wie Schatten. Der Prinz ist noch hier, u. hat eine Kur unter dem Leibarzt Stark angefangen, die, wie es scheint, ihn angreift. Gore's sind noch nicht hier; dagegen 4. andre Engländer: ein Obrist Gordon u. drei andre junge Leute, die noch nicht recht flick sind, ihre Angesichter aber unter schreckliche Haargerüste von Toupé u. Seitenlocken gestellt haben. Der Obrist ist ein Welterfahrner Mann; die andern lasse ich gehen, da sie für mich nicht dasind.
Sonst geht mein Leben in unaufhörlichem Taumel der Abschüttelung u. Zubereitung zu meiner Reise fort. Ich bin wie die Heuschrecke, die sich mit allen Gliedern krümmet, um sich ihrer Hülse zu entladen: das ist kein angenehmer Zustand. Auch spielt mir das Schicksal hie u. da wunderliche Streiche. So erfahre ich heut, daß Einer meiner ältesten Freunde, dessen Bild in meinem Zimmer der H. G. R. aus der Ferne für einen Kardinal ansah, in Münster gestorben, und im Garten der Fürstin Gallitzin begraben worden. Er ist den letzten Sonnabend gestorben, da Sie hier waren, u. ich, dem zu gut er mit nach Deutschland reisete, habe ihn nicht sehen sollen. Die Nachricht hat meinen Kopf heut so verwirret, daß ich mich noch gar nicht zu finden weiß. Abermals ein großes Band meines Lebens zerrissen; u. allmählich wirds immer einsamer um mich her. Verzeihen Sie also auch, beste Frau, die Wüstenei u. leere Unklugheit dieses Briefes. Mit Göthe habe ich auch noch nicht viel Gescheutes sprechen können; so verschwinden die Tage.
Leben Sie wohl, holde Frau, u. empfehlen mich bestens Ihrem Gemahl, Ihren Hausgenossen u. am vorzüglichsten Ihrem eignen schönen Herzen, wenn ichs verdiene. Nicht wahr, Sie schreiben wohl eine Zeile, wenns zur Abreise geht, damit ich Sie nicht verfehle, aber auch nicht vergebens suchen dörfe, auf Ihrem der Sage nach so schönen Musenberge. Meine Frau empfiehlt sich Ihnen auf das angelegentlichste u. ich küsse Ihre freundschaftliche, Saitenbelebende Hand mit dem süßesten Andenken der Ehrerbietung u. Liebe
Herder.
Weimar 4. Jul. 88.
Weimar, 10. 7. 1788
Ihr Andenken aus dem Karlsbade, liebe kleine Psycharion, ist mir recht zur erwünschten Stunde gekommen und heiterte mich nach einem traurigen Geschäft und einigen traurigen Tagen recht auf. Sie wandeln also in den angenehmen katholischen Wildnissen auf Felsen, und zum Teil unter Bäumen, die so alt als die Welt sind, daher, und denken auch zuweilen unser, wie wir Ihrer auch gedacht haben, als wir dort umherirrten. Die Welt, die Sie dort haben, kann ich mir recht gut vorstellen; ich mags aber nicht, weil mir die halbgesottenen galanten Fische im engen Kessel dieser Gebirge und im Saal nicht gar zu wohl tun. – Die Gores sind hier; ich nehme an ihnen aber diesmal weniger Teil als im vorigen Winter. Die Emilie ist kränker, wenigstens der Farbe nach, und da ich mir selbst nicht helfen kann, so ziehe ich mein abgetragenes armes Gemüt zusammen, um nur mit mir zu wohnen. Es sind überdem so viel Prinzen und Herzoge um sie her, daß ich den Augenblick am angenehmsten finde, wo ich nach Hause schleichen kann. Wozu, sage ich bei mir selbst, alle der Aufwand, wo man ewig sucht und nie findet? – Unser Reiseplan hat sich verändert, wir gehen nicht über die Schweiz und die Provence, sondern gerade nach Rom über Augsburg, wo ich mich mit meinem Reisegefährten Anfangs des zukünftigen Monats begegne. Es kann also immer noch sein, daß Sie mich hier finden, wenn Sie früh zurückkehren; wo nicht, so nehmen Sie meine tausend Segnungen und apostolischen Wünsche auf die Zeit unserer weiten Trennung an, liebliche, gute Seele. Sein Sie gesund und vergnügt und gedenken meiner zuweilen, wenn's Ihnen wohl gehet. [ . . . ] Leben Sie wohl, holde kleine Frau, und grüßen Sie Schardt. Meine Frau empfiehlt sich Ihnen aufs schönste, und ich nehme nicht Abschied, weil ich immer glaube, daß Sie mich mitten unter meinem Gewirr noch hier finden. Adieu, Donna suavissima, spirto gentil, alma cara.
Weimar, 21. 7. 1788
Durchlauchtigster Markgraf, Gnädigster Fürst und Herr,
Euer Hochfürstl. Durchlaucht haben mir die Ehre erwiesen, sowohl in einem gnädigsten Schreiben, als in dem ihm beigeschlossenen Entwurf zur Zusammenkunft einer Gesellschaft, auf meine geringe Stimme huldreiche Rücksicht nehmen zu wollen; welche Gnade ich mit dem untertänigsten u. lebhaftesten Dank erkenne.
Da ich aber eben im Begriff bin, mit dem Domherrn, Freiherrn von Dalberg eine Reise nach Italien anzutreten, zu welcher ich von der Gnade meines Landesherrn Vergünstigung erhalten habe: so kann ich vor der Hand als einer, der sich schon jenseit der Alpen fühlet, diesen rühmlichen Bemühungen für unser Deutsches Vaterland leider nichts, als meine besten u. aufrichtigsten Wünsche schenken; voll Hoffnung, daß bei Euer Hochfürstl. Durchlaucht mich mehr die Lage der Sache, als meine Worte entschuldigen werden.
Im lebhaftesten Gefühl der Einsichtsvollen u. väterlichen Gesinnungen Euer Hochfürstl. Durchlaucht habe ich die Ehre vor tiefster Ehrerbietung zu verharren
Euer Hochfürstl. Durchlaucht untertänigster Herder.
Weimar, den. 21. Jul. 1788.
Weimar, 24. 7. 1788
[ . . . ]
Daß Herder zu eben der Zeit als ich hier ankomme, weggeht, ist mir ein sehr leidiger Vorfall. So sehr ich ihm die Reise gönne; so mußte ich doch notwendig wünschen: daß er mir entweder hier oder ich ihm dort nützlich sein möchte.
[ . . . ]
Goethe.
Weimar d. 24. Jul. 1788.
Weimar, Ende Juli/Anfang August 1788
[ . . . ] Die Abschrift meines Reise Journals gäbe ich höchst ungerne aus Händen, meine Absicht war sie ins Feuer zu werfen. Ich weiß schon wie es geht. So was sieht immer noch einer und wieder einer, es wird noch einmal abgeschrieben und endlich habe ich den Verdruß diese Pudenda irgendwo gedruckt zu sehn. Denn es ist im Grunde sehr dummes Zeug, das mich jetzt anstinkt. Du kannst sie nirgends brauchen als in Verona. Auf dem Rückwege würde sie dir fatal sein und ich bin in Unruhe wenn ich das Zeug auf Reisen weiß. Es ist nicht Knauserei sondern redliche Scham daß ich die Blätter nicht hergeben mag.
Ich sehe dich noch heute. Adieu.
Weimar, 5. 8. 1788
Ich weiß nicht, ob es Ihnen angenehm sein könnte, diesen Nachmittag noch einmal zu uns zu kommen, und einen Segen zu empfangen, den Sie zwar nicht bedürfen, da Ihre Humanität Ihnen den Boden des Erdenrundes überall glücklich betreten wird lassen, welcher aber nur als überflüssige Viktualien und zur Bequemlichkeit eines Frühstückes beigepackt werden kann.
C. A. H. z. S.
Weimar, 5. 8. 1788
Von Euer Herzogl. Durchlaucht nehme den mir zugeschriebenen Segen aufs dankbarste an, u. wünsche Euer D. gesund u. fröhlich wiederzusehen. Ich danke E. D. nochmals wie für so manche andre, so auch für die Gnade, diese Reise tun zu können, u. nehme davon das erkenntlichste Gefühl, das mich allenthalben begleiten wird, mit mir. Leben E. D. mit den Ihrigen wohl u. gönnen mir auch in der Abwesenheit Ihre Gnade.
Herder.
W. den 5. Aug. 88.
Erfurt, 6. 8. 1788
Liebe Frau u. lieben Kinder,
Die erste Station ist glücklich zurückgelegt, halb in Betäubung, halb im Schlafe. Werner, der den zurückgelaßnen Elias Mantel holte, der mir in der empfindl. Kälte gute Dienste getan hat, brachte mir die traurige Nachricht, daß Du noch weintest. Tue es nicht, liebe, sei fest, geduldig u. froh. Gott wird helfen, u. ich sehe Dich u. die Unsrigen gesund u. verjüngt wieder. Lebe wohl, liebe, tausend-tausendmal wohl.
H. 7 Uhr
Grüße Alles u. lebe wohl.
Gotha, 6. 8. 1788
Ich bin glücklich in Gotha angekommen u. schreibe dies Briefchen am Schreibtisch der Fr. v. Fr[ankenberg]. Alles, was ich gefürchtet habe, ist eingetroffen, primo, daß ich mit ihr fast noch kein Wort habe reden können, secundo, daß mich die Herzogin hat heraufrufen lassen, dem ich denn nun nicht entkommen kann, u. also tertio heut noch nicht weiter komme. Morgen gehts mit dem frühesten fort u. zwar, wie ich fürchte, über Schmalkalden p weil von den andern Straßen zu viel Böses gesagt wird; ich will aber wie der Blitz reisen, nachdem ich noch den heutigen bösen Hoftag überstanden habe. Fr. v. Fr. ist sehr gut u. lieb, sieht aber wirkl. sehr krank u. schwächlich aus, daß ich das tiefste Bedauren über ihre geplagte Exsistenz fühle, die eine wahre Marter sein muß. – Lebe wohl, lieber Engel, u. sei froh u. fröhlich. Gott helfe mir nur erst einmal aus dem Thür[inger]land u. Bergen; das Wetter war heut kalt u. abscheulich; da blüht für mich kein Heil. In Franken wirds besser werden. Lebe tausendmal mit den Deinen. Die Fr. v. Fr. grüßt Dich aufs beste; sie dauret mich sehr. Ich finde Gotha abscheulich.
H.
Mittw. um 5. Uhr Abend
[Weimar,] Donnerstag Abend d. 7. Aug [1788]
Lieber Engel. Der erste schmerzhafte Tag ist nun überstanden u. Gottlob daß er überstanden ist. Es war ein Tag wie ich noch keinen erlebt habe, selbst nicht da meine Mutter starb. Dein Leben u. Dasein ist ganz in das meinige verschlungen, ja ich lebe nur durch Dich, Du bist mir mehr als ich selbst mir bin – Ach Gott daß ich Dir das nie habe zeigen können. Deine lieben Zeilen haben mir den ersten Balsam gegeben, u. ich habe so viel vermocht daß ich den ersten Löffel voll Suppe mit dem Günther am Tisch mitaß u. Deinen Brief nicht aus der Hand ließ. Goethe kam den Nachmittag zu mir als eben die Volgstädtin da war. Er hat mich recht gutmütig getröstet, für mich war aber gestern kein Trost da. Die Kinder waren mitunter auch verscheucht, aber im ganzen fühlen sie eigentlich nichts klar u. das ist ihr Glück. Es war mir lieb zu hören daß Du in Gotha bleiben würdest – der regnigte Himmel machte mir Deinetwegen auch Sorgen u. es will gar nicht aufhören. Doch denke ich, hinter jenen Wolken scheint auch die Sonne für Dich u. mich u. die Kinder. Ich bin heute gestärkt aufgestanden, da ich zuerst mit den Kindern gebetet hatte, u. ging flugs hinauf das Repositorium mit dem grünen Vorhang in der Bibliothek aufzuräumen. Es war ein Heldenstreich, aber ich habe viel damit gewonnen – das erste was mir in die Hand fiel war ein unangenehmes Papier – wie freute ich mich jetzt daß Du [all] diesem Quark entronnen bist, u. Dich waschen wirst in einem reinen Quell, da wo Friede Gottes wohnt, wo Du [Dich] selbst wiederfinden wirst. Goethe kam auch heute wieder u. sagte mir die besten Folgen Deiner Reise vor. Unter andern sagte er auch daß er 14 Tage vor der Abreise aus Rom täglich wie ein Kind geweint habe; das hat mich sehr gejammert. Knebel kam auch diesen Morgen u. ermunterte mich zu allem Guten – das Gespräch kam bald auf die Herzogin Mutter; er meinte man könnte unendlich mehr Gutes aus ihr machen wenn man sie nur zu behandeln wüßte. Auch hätte sich die Herzogin Luise den letzten Abend, da er von Dir kam, noch sehr nach Dir erkundigt; unser Gespräch endigte aber damit, daß alles hier verrückt u. nichts an Ort u. Stelle sei, wo es hingehöret. Ach das haben mir die Papiere die ich aufräumte auf jeder Seite zugerufen. Ach lasse Dir wohl sein Du Guter Du Vielgeduldeter – möge Alles was Dich anhaucht Deine Stirn sanft kühlen, ich konnte u. wußte es nicht zu tun. Vielleicht wird auch mit mir eine Verwandlung vorgehen u. ich Deiner noch ein bißgen wert werden. Lösche nur den Funken Deiner Güte u. Nachsicht nicht ganz aus für mich – u. wo die Liebe nicht hinreicht so ersetze es durch Mitleiden. Gottfried ist sehr gut u. aufmerksam auf mich. Er tut alles williger u. wir reden jetzt nur von Dir u. tun was Du uns befohlen hast. Die Bücher nach Göttingen hat er helfen aufs beste packen. Sie werden alle ein Briefchen beilegen weil das Porto noch nicht viel kostet. – Die Elisa Gore hat mir heute ein gar gutes Billet geschrieben u. sich auf morgen nachMittag angemeldet, sie will nicht daß ich zu ihr komme. ich nehme sie an u. habe ihr wieder geantwortet. Die Frl. Waldner hat mich auch zum Frühstück geladen – ich hatte ihrs abgeschlagen, da kam ein Billet von ihr u. ich mußte endlich ja sagen. Was weiter sich zutragen wird will ich Dir morgen schreiben, für heute gute Nacht Du Einzig Guter. Du schläfst u. ruhst jetzt in Ilmenau wo ich u. die Kinder auch einmal mit Dir waren. Noch eins muß ich Dir sagen das Manuskript der Ebräischen Poesie lag auch verirrt unter den Amts Papieren, ich schlug es auf u. las »ich habe einen Bund gemacht mit meinen Augen daß sie nicht schauen nach fremden Frauen« ich lächelte fast daß mir gerade das gesagt wird.
Ach ich möchte Dir noch so viel sagen, mein Herz ist so voll es will nichts heraus. Bleibe mir nur gut. Wie ich gestern Deine Kleider u. Deinen Hut sahe da brach mir mein Herz u. ich eilte wieder herunter um mich auszuweinen – Bald habe ichs überstanden – die Vernunft wird ja Herr über die Empfindung werden. Gute Nacht.
Freitag den 8. Aug. Abends 6 uhr.
Deinen Brief aus Gotha habe ich heute früh in Deiner Bibliothek empfangen u. habe Dich umarmt, ich ging um 10 uhr zur Waldner, die 2 Gores, Fr. v. Trebra u. Fr. v. Schardt waren da. Es war für mich nicht viel Heil. Die Trebra war sehr lustig u. Emilia lachte immer. Elisa lächelte nur u. war im Ganzen nicht damit zufrieden. Nach 11 uhr kam der Herzog, erkundigte sich nach Dir, aß Kirschkuchen u. saß ¾ Stunden der Emilia gegen über die sich durch Spiritus stärkte. Der Elisa war es recht zu tun von Dir mit mir zu reden. Kurz, um 12 uhr fuhren sie mich in Gesellschaft des Herzogs nach [Hause]. Den Nachmittag kam die Göchhausen, u. bald darauf Elisa u. Emilia Gore. Elisa will Dir das nächstemal schreiben. Sie hat 2 Briefe aus Werther übersetzt ins Italienische; da wir eben dabei waren kam Goethe. Sie hat ein sehr warmes [Herz] für ihn u. konnte nicht mehr lange bleiben. Goethe grüßt dich [1000.] 1000mal. Er empfindet Deine Abwesenheit nach mir, am meisten. Durch Dein Gespräch, durch die Aufnahme seiner Gedanken u. Mitteilung der Deinigen die ihm forthelfen, hattest Du ihm viel gedienet – mit Knebel sagt er seie das nicht so. Auch im politischen sieht er daß nichts zu tun sei. Er hat sehr offen darüber gesprochen, das sich aber nicht schreiben läßt u. Du Alles selbst schon weißt. Sobald der Herzog fort ist, will er an den [achten] Band seiner Werke gehn. Will dies Jahr noch viel arbeiten, sein Motto ist abermals: wenn Du stille bist, wird Dir geholfen.
Der Himmel fängt an sich aufzuheitern – ach wo bist Du jetzt u. magst Du an mich u. die Kinder gedenken? an uns, um derentwillen Du so [lange] eingekerkert warst – Ach lebe jetzt glücklich u. genieße genieße was Dir Gott nun gibt.
Lebe wohl Du Du der Du mir Alles bist u. ich Dir nichts – lebe wohl wohl.
C. H.
[Weimar,] Freitag d. 8t. August. 1788.
Reisen Sie glücklich, liebster Vater, und holen Sie sich Erquickung und Leben in jenem Lande, und kommen dann fröhlich zu uns wieder!
Unsere Wünsche begleiten Sie täglich und Stund zu Stund, und unsere Gedanken schweben immer um Sie. Wir bitten Gott täglich Ihnen gut Wetter zur Reise zu geben; es wird gewiß auch gut werden, wenn Sie nur erst aus dem Thüringernest heraus, und nach Franken kommen. Lassen Sie sich nur zugemachte Chaisen geben, wenn es schlecht Wetter ist, damit Sie ja unterwegs nicht krank werden.
Wie schmerzhaft war nicht der erste Tag, für die gute Mutter und uns! nur Ihr Brief brachte uns Trost; und wenn wir die ganze Reise von ihrer rechten Seite betrachten, so können wir nicht anders als getröstet sein. Wir haben schon angefangen alles in Ordnung zu bringen, und Sie werden sich freuen wenn Sie wieder kommen. Der Herr GeheimdenRat Göthe hat uns schon zweimal besucht, und läßt Sie vielmals grüßen. Wir sind bis jetzt alle recht wohl und gesund; Gott schenke nur Ihnen Ihre Gesundheit wieder, und bringe Sie uns wieder in unsere Arme. Leben Sie viel Tausend-Tausendmal wohl, und vergessen Sie nicht, und behalten Sie lieb
Ihren gehorsamsten und Sie zärtlich liebenden Sohn
Gottfried Herder.
Grüßen Sie Werner.
Weimar, 8. 8. 1788
Liebster Vater.
Wie sehr haben wir uns gefreut, da wir einen Brief von ihnen bekamen u wir durch den H. Günther hörten, daß Sie glücklich in Erfurt angekommen wären, denn am liebsten hören wir, wenn es unserm lieben Vater wohl gehet. Kommen Sie nur gesund wieder. In der Zeit, da Sie nicht da sind, wollen wir uns im Lernen recht anstrengen, damit wenn Sie nach Hause kommen, daß Sie wohlgesittete u verständige Kinder finden. Den Sonntag früh, treten wir unsere Reise nach Naumdorf an. Gott reise mit Ihnen. Leben Sie wohl, u vergessen Sie nicht
Ihren gehorsamen Sohn August Herder.
d. 8. Aug. 1788.
[Weimar,] den 8ten August [1788]
Lieber Vater.
Dieser erste Brief den Sie uns geschrieben haben war mir und uns alle sehr willkommen. Ich hatte es gar nicht gehofft, daß Sie schon aus Erfurt schreiben würden, aber wie der Herr Günther kam und den Brief her aus zog so war es eine sehr große Freude. Das Luisichen hat sich wieder mit dem Herrn Günther versehnt und der Herr Günther hat sie recht viel versprochen, wenn sie nach Mattstädt kommen würde. Die Mutter wird vielleicht nach Kochberg reisen mit August und Gottfried. Wir werden aber mit dem Herrn Schäfer nach Klosternaundorf fahren, und her nach mit Gottfried und August nach Mattstädt gehen. Leben Sie tausend mal wohl und behalten Sie mich lieb. Gott sei mit Ihnen, leben Sie wohl und vergessen Sie nicht
Ihr gehorsamer Sohn Wilhelm Herder
1788
Weimar, 8. 8. 1788 [?]
An meinen lieben Vater
Lieber Vater, mir haben bei den H. Schäfer den Cornelius angefangen! mir reisen den Sonntag auch um fünfe nach Naumdorf; ich gege auch mit nach Mattstädt da bleiben wir bald eine Woche. Den Sonntag holt uns die Jumfer Schwarzen ab. Die luise kommt auch nach Mattstadt. Der H. Günther hat gesagt sie sollte ein Lamm kriegen, leben sie wohl denken Sie immer an uns, denn wir haben immer an Sie gedacht den Abend wie ich bei der Mutter auf dem Canapee lag und die Augen zumachte habe ich sie immer gesehen. leben sie tausend tausend mal wohl.
Ihr getreuer Sohn Adelbert Herder.
Weimar, 8. 8. 1788 [?]
Lieber Vater
Wir haben uns gestern recht gefreid über Ihren Brief den der Postillion in der Nacht brachte. Schreiben Sie oft u kommen Sie bald Wieder Wenn die Mutter nach Koch berg fährt so fahre ich mit so bald es schön Wetter wird. Lieber Vater wir beten alle tage mit der lieben Mutter für Sie. der liebe Gott wird mit Ihnen sein u wir Wollen gut sein das Sie uns lieb haben wenn Sie wieder kommen Ihre gehorsame Luise
Bamberg, Sonnabend früh, den [9.] Aug. [1788].
Das erste Wort auf dieser meiner ersten Rast ist an Dich, liebes Weib, die ich in einer Stunde verlassen habe, wie ich sie nicht erwartet hätte. Ich fühle mich seitdem als einen Losgerissenen, Verbanneten von seinem Weib u. Kindern, dem nach seiner 44.jährigen Wanderschaft u. Bemühung noch diese sonderbare Wanderung u. Entbindung nötig sein mußte. Doch wir wollen auf diesem Wege nicht fortdenken, sondern mit Vorsicht u. Bescheidenheit hoffend fortgehn, wohin uns das Schicksal ruft u. winket.
Nachdem ich in Gotha meine Hofbesuche gemacht u. bei Frankenberg zu Abend gegessen hatte: kam ich um 11. Uhr unter einem stürmischen Regen in seinem Wagen mit Fackeln nach Hause u. mußte die mancherlei Unhöflichkeiten, deren ich mich in diesem Verhältnis schuldig gemacht hatte, noch damit schließen, daß ich dem Kutscher u. den Bedienten nichts geben konnte, weil ich kein Silbergeld bei mir hatte u. die Leute in dem Wetter nicht warten lassen wollte. Die Fr. v. Fr. sieht innig u. herzl. krank aus: sie schien mir halb schon bei ihrer Lebhaftigkeit u. Geduld wie ein verklärter Geist: ihre Lage ist mir noch nie so ganz aufgegangen, wie diesmal; auch habe ich sonderbare Gedanken dabei gefaßt. Ich möchte u. könnte in Gotha um Alles in der Welt nicht leben. Begegne dem guten Wesen, die wie eine einsame, zerlechzte Seele lebt, oder kaum noch lebt, wenn sie an Dich schreibt, doch freundlich. Sie verdients gewiß, u. ich machte mir manche Vorwürfe auch ihretwegen, denen ich aber, wie Allem was mir von der Art vorkommen will, mit dem Thüringerwalde Abschied zu geben vorgenommen habe. Frankenb. hat mir eine Iliade des Homers in 2 Okt[av]B[änden] Glasgower Ausg[abe] geschenkt, die mir zu meiner Reise sehr lieb ist; die Odyßee wird mir der Himmel auch zuführen.
Donnerstag früh zwischen 4–5. ging es zum Thüringerwalde in eine andre, reinere Luft. Am Fuß des höchsten Berges, den ich zu passieren hatte, verzehrte ich Dein Huhn, ließ den Werner auch Eins verzehren, trank einige Gläser Steinwein dazu, u. rauchte oben auf dem Berge die erste Pfeife Tobak, die mir auf dieser Höhe sehr wohl schmeckte. Alles lag im Nebel, aus dem sich die Bäume u. Höhen sonderbar schön hervorhoben, oder in ihrer dämmrichten Gestalt in mancherlei Grün zeigten: Die klaren, rauschenden Silberbäche, die gesunden, leichten, fröhlichen Menschen, Alles, alles zeigt, daß die hohen Berge der Schöpfungsort u. das Paradies der ersten Menschen waren u. aller Menschen sind, die noch in dieser Einfalt u. Armut zu leben das Herz haben. O wie wird Einem, wenn man auf solcher Höhe plötzl. an das Fürstenhaus u. den großen Saal zu W[eimar] oder an die mathematischen Kammern in Gotha denket. Es soll diese Empfindung mein erster Gruß an die Natur, oder meine erste Reiseidylle werden.
So kamen wir mit unsern 2. Pferden hinunter nach Schmalkalden durch lauter Dörfer der Tätigkeit u. des hübschen Anstandes, nicht wie auf dem Gelmroderberge. Hier wollte mir der überkluge Postmeister 3. Pferde zuschanzen, die ich aber vermittelst des Zettels, den ich von ihm auspreßte, in Meinungen glücklich wieder los ward, u. so bin ich bis Bamberg mit 2. Pferden gekommen. In Meinungen kam ich zwischen 4–5. an, weil ich aber unter den Flügeln des zwar nicht weisen, aber weißen Georgs durchaus keine Nacht zubringen wollte: so nahm ich zwischen 5–6. Reiß aus u. kam um 12. Uhr glücklich in Hildburghausen an. Werner ward krank unterwegens, weil er Sauerbraten gegessen hatte; er mußte sich aber von demselben trennen u. blieb glücklich am Leben. Von Hildburghausen früh um 5. Uhr: um 11. in Coburg, u. wie froh war ich, da ich um 12. Uhr die Residenzen der Hrn. Vettern Gothaischer Linie u. um 3. Uhr ihr ganzes Gebiet durch war. Um 4. Uhr war ich in Lahne bei Lichtenstein, der mir seine unermeßlich prächtigen Ochsen u. Kühe wies, u. so fuhr ich, das schönste Wiesental zur Seite bis Abend zwischen 8–9. Uhr nach Bamberg. Es ist die schönste Gegend von der Welt, u. man errötet, wenn man an die Länder über dem Thüringerwalde zurückgedenket. Der Tag war wunderbar schön; die Leute alle höflich, frisch, freundlich: nicht übertrieben im Fleiß; bei allen aber wars merklich, daß sie von eigner Muße zu leben, mehr Begriff haben, als unsre geschundnen Thür. Bauern. Göthe u. Knebel können Dir von dem herrlichen Tal erzählen, das längs der Itz von Koburg hinunter läuft u. an welchem sich Geistliche u. Ritter mit ihren fetten weißen u. blauen Ochsen wohl gelagert haben. Gegen alle Städte, auch der andern Hrn. Vettern Goth. Lin[ie] kommt unser W. in keinen Betracht, u. in diesem kleinen Erdstrich schon zeigt sich durch die Vergleichung deutlich, wie wir so ganz ohne Basis unsern Luftbau des Ruhms u. 1000.facher Liebhabereien unternehmen. Doch ich bin noch immer jenseit der Thüringerberge. –
– Hier brach ich den Brief ab u. wanderte mit dem Lohnbedienten die Merkwürdigkeiten Bambergs zu sehen; Werner mit, der alles redlich angestaunt hat. In der Universitätsbibliothek habe ich nicht das Mindste merkwürdige gefunden; dafür aber ein geistl. Gericht in Corpore gesehen, das uns im großen Kreuzgang entgegen kam, der Präsident voran, die geistl. Räte folgend; ein herrlicher Anblick. Meine Einbildungskraft hat eigentl. noch nichts getroffen, als einige Gemälde von einem Alten Deutschen Meister; u. der Dom als Institut betrachtet. Der Chor ist auf einen Felsen gebauet, die Residenz des Fürsten u. die Höfe der DomHrn wie Festungswerke umher, u. in den Winkeln versteckt sitzen die Vikarien, die das Dienstgeplärr verwalten, in verfallnen Häusern, wie unser Einer. Der Kaiser Heinrich mit seiner geliebten Kunigunde liegen in Marmor vor dem hohen Chor: er hat ein feines Fränkisches Gesicht u. sie ist auch nicht zu verachten gewesen; um den Schatz, wo seine Krone p gezeigt wird, habe ich mich nicht bekümmert.
Ich bin durchs Mittagessen u. nachher gleich durch Besuche u. 100. andre Dinge, zu denen ich geschleppt bin, so müde geworden, daß jetzt, da ich nach Hause komme, u. die Post fortsoll, ich kaum ein Wort mehr schreiben kann. Nimm also diesen Brief für das an, was er ist, ohn Anfang u. Ende, nur als ein Zeichen meines Lebens u. Daseins. Lebe wohl, liebes Weib! lebt wohl, Ihr lieben Kinder! Macht, daß ich bald von Euch höre, daß ich in Nürnberg was von Euch finde u. lese. Mich verlangt sehr darnach. Lebt wohl, Ihr alle, meine lieben, lieben, lieben. O daß ich zu Euch fliegen könnte, oder Ihr zu mir. Lebe wohl, liebes treues Herz, küsse Deine Kinder in meinem Namen u. grüße Alles.
[Bamberg,] Sonntag Abend, den 9.[10.!] Aug. [1788].
Ehe ich Bamberg verlasse, liebe treue gute Seele, will ich Dir noch einmal schreiben, ob ich gleich den Br. nach Nürnberg mitnehme. Mein letzter, der gestern abging, mit 2. weißen leeren Blättern endigte damit, daß ich fortgeschleppt worden sei, u. das ging so zu. Als ich gestern Mittag kaum gegessen, u. meine Pfeife geraucht hatte, kam der Leibmedikus des Fürsten, Hofrat Markus, mit einem Stadtrat zu mir, weil sie von dem berühmten Mann gehört hatten, u. Markus bezeugte insonderheit die Aufmerksamkeit des Fürsten, ihn auch zu sprechen, wenn er bis morgen bliebe. Da war nun nichts zu tun, als Ja zu sagen, u. er war seitdem unabtrennlich von meiner Seite. Wir sahen nochmals den Dom, die Dombibliothek, ein Kabinett beim DomHrn Horneck, der in parenthesi ein stupider Mensch ist, ein andres kleineres von alten Holzgemälden, das mich sehr gefreut hat, beim regens eines Seminarii Weiermann, die Zimmer u. Gemälde der Residenz, die herrliche Aussicht vom Michaelsberge der Benedictiner u. ihre Kirche (die Bibliothek nicht, weil der Bruder Bibliothekar weg war u. den Schlüssel nach alter Gewohnheit mitgenommen hatte), endlich des D[oktor] Markus eigne Gemälde, u. so kam ich, müde u. matt, beim schönsten Sonnenuntergange auf dieser großen Fläche, nach Hause; endigte geschwinde den Brief an Dich. Und siehe da war der H. Regens im langen Mantel u. Ornat noch selbst da, mir für die unbeschreibliche Ehre zu danken, die ich in seiner Abwesenheit seinen Gemälden erzeigt hatte. Ich sagte, ich hätte lieber Lust gehabt, ein paar mitzunehmen; er fragte, welche? u. damit ward die Sache mit den größten Ehrenbezeugungen, die kein Ziel u. Maß hatten, verredet. Du hast keinen Begriff von der Katholischen Hochachtung, die zumal Professoren, Regenten, junge Geistliche vor allen, u. sodann Alles bezeugt, was aufgeklärt sein will. Man muß sich ordentlich wie ein Gott hinstellen, oder da ich dies nicht kann, entsetzliche Gegenbücklinge machen, Trotz dem Herzoge von Braunschweig; u. sehr selten weiß jemand nur den Namen des Buchs. Einer redet von menschlichen Ideen, der andre von Blättern, der dritte von Schriften über die H. Schrift; ein Einziger junger Geistlicher oder Professor dankte mir für die Briefe über das Studium der Theol. mit Empfindung, so daß ich sahe, daß er sie wirkl. gelesen habe. Die zerstreuten Bl[ätter] hat in Markus Hause die Präsidentin Kalb in Kunde gebracht, die bei ihm logiert hat; einige theol. Schr[iften] haben die Professoren u. jungen Clerici gelesen; die menschlichen Ideen, glaub' ich, keine Seele. Der Eine reichte mir theses ein, die eben morgen für einen Doktorrang verteidigt werden sollen, u. wo in einem Artikel, nachdem Jerusalem, Michaelis, Döderlein, Leß etc. genannt u. von der Christkatholischen Lehre abgesondert waren, auch vorkam, daß der Verf[asser] in diesem Punkt nicht Herders Meinung folge. Nachdem ichs des Abends mit Lachen gesehen hatte, so sagte ichs heut auch so im Scherz einem jungen Geistlichen, der aber seinen Mitbruder gleich Schamrot entschuldigte, daß ers wohl aus einem gelehrten Journal werde genommen haben. Kurz, es ist einzig, das Gewirr in den Katholischen Köpfen zu sehen, die alle aufgeklärt werden, alle aber doch bei der christkatholischen Lehre bleiben sollen, u. bei dem entsetzl. Unrat unsrer Zeit kaum mit den Journalen und der allg[emeinen] Lit[eratur]Z[eitung], die sogar auch der Fürst bisweilen lieset, fortgehen können. Heut früh war ich streng eingeladen, den berühmtsten Prediger im Dom zu hören, u. ich muß sagen, daß die Protestanten selten eine so ausgesuchte, ausgearbeitete, wohlfließende, elegante Predigt zu hören bekommen. Es herrschte eine Stille, eine Aufmerksamkeit; mir indessen ward sie, so fein u. hübsch sie war, unausstehlich, u. ich mußte vor dem Ende hinausgehn, weil ich überdem im Zugwinde stand. Das war von 8–9.; von 9–10. war ich in die HofKapelle eingeladen, wo der alte Fürst-praeceptor seine Seminaristen predigen läßt. Das war nun ein ander exercitium, dem ich aber aushalten mußte, so wie auch die Messe, bei der es äußerst devot zuging u. eine schöne Musik war. Die Geistl. reden ihre Zuhörer Sie an, u. der Seminarist in der HofKapelle nennt die Versammlung, Hochansehnliche, kurz an Façon u. Art fehlts nirgend in der Kathol. Kirche. Ihr Chorhemd hat vorn eine Spitzen-Krause, u. der HofKapellan, geistl. Rat u. Cerimoniarius des Hofgottesdienstes, wie er sich nannte, ist der rundeste feinste Pfaffe, den ich gesehen habe, weiß u. rot, wie Milch u. Blut. Er trat, nach geendigter Messe, in dem vorbeschriebnen Ton an mich, bot mir seine Dienste an, u. da ich den Grafen Rotenhan sprechen wollte, (Lichtensteins Schwiegersohn, dessen Frau ich in Lahne gesehen hatte, u. der, wie er sagte, meinetwegen den vorigen Abend nach Bamb. gekommen war, mir auch morgends gleich seinen Jäger geschickt hatte) führte er mich zu ihm, wo ich denn auch dem Hrn. Ob[er]-Marschall etc. vorgestellt u. mir signifiziert wurde, daß der Fürst mich gegen 12. Uhr zu sprechen wünschte, jetzt sein, nach seiner tägl. Gewohnheit hinter der Messe, die Referendarien bei ihm. Die sogenannten Kavaliere zerstreuten sich nach Hause; ich ging ein entsetzl. großes u. schönes Krankenhaus zu sehen, das der Fürst bauet, u. so war die Zeit der Privataudienz da. Ich ward in sein Zimmer geführt, da der Referendar herauskam u. sprach mit ihm eine halbe oder ¾ Stunden von 1000.derl[ei] Dingen, wie Du leicht denken kannst u. von allen sehr gründlich. Zuerst von seinem Seminaristen, vom Domprediger, dem Seminarium für Clericos, Landschulen, von seinen Mädchenschulen, seiner Einrichtung der Universitäten, Bibliotheken, dem Deßauischen Philanthropin, von der Aufklärung, dem Dogma, der Freigeisterei, dem Wöllnerschen Edikt, Semler, Teller, der Lit.Zeitung, Kant, den Konduitenlisten der jungen Geistlichen, den Mänteln der philosophischen Studenten pppp Es ist ein eigner Schlag vom Menschen, mit unsern protestant. Fürsten gar nicht zu vergleichen, u. doch entsetzlich Fürst; dabei aber Geistlicher, Bischof, DomH., Präzeptor, Katholik, skrupulöser Landesvater u. Landespfleger pp von welchem Allem in der Mischung wir keinen Begriff haben. Von meiner Reise u. von Dalberg ward kein Wort geredet. – Nun war ich des Katholizismus so müde, daß ich nach Hause mußte, auch des Marcus MorgenEinladung mit ihm zu essen nicht annehmen konnte, von ihm u. von Allem Abschied nahm, als ob ich notwendig gleich fort müßte u. noch manches zu expedieren hätte pp u. so habe ich den Nachmittag bei mir zugebracht, zum erstenmal in der tödlichen Empfindung, daß man nicht nur mit Menschen, sondern mit Menschen auf Einer Basis stehen u. leben müsse, oder man geht unter. Der Katholizism ist ein abscheulich Ding, so fett, wohlbeleibt, etabliert, rund, behäglich, daß einem angst u. bange wird. Bloß hübsche fromme Weiber gibts in ihm. Gestern sah ich eine, die den Augenblick eine Madonna sein konnte. O mir Armen! wie wird mirs das Jahr hin ergehen! Ich glaube, ich sterbe vor Gemälden, Pfaffen u. Katholizismus. Da kam noch ein Kanonikus, u. schickte 3mal, daß ich doch sein Naturalienkabinett sehen sollte, zuletzt ließ er gar sagen: er stehe mit dem berühmten Gen[eral]Sup[erintendenten] Schröder zu Weimar in Korrespondenz. Aber ich blieb bei meiner höflichen Abweisung, daß es diesmal unmögl. sei, bei der Rückkehr pp O H[err] J[esus] X. wie sind pp
Gute Nacht, liebes Weib, Du meine einzige wahre Mutter Gottes auf Erden. Lebewohl mit Deinen u. meinen lieben, u. sei mir hold u. gewogen. Denke an mich, wie ich an Dich denke. Lebewohl für Bamberg. Es schlägt 11. u. ich will morgen früh reisen.
Nürnberg, den 11. Aug. [1788].
Gottlob ich bin hier; aber ich finde keine Briefe, weder im Wirtshause noch auf der Post. Da der H. v. Holzschuher nach mir schon seit 2. Tagen hatte fragen lassen, glaubte ich, daß Er Briefe habe; aber auch nichts. Heut soll noch die Weimarsche Post kommen; vielleicht bringt die mir etwas. Wie sehr verlangt es mich, Deine erste Stimme, liebes Weib, zu hören, Deine Hand wieder zu sehen. Ich schreibe es der ersten Bestürzung, oder vielmehr meinem eignen albernen Konfusionsgeist zu, daß ich Dich nicht bestimmt gebeten habe, mich Briefe von Dir hier finden zu lassen – Doch ich rechne eben, daß sie noch nicht hier sein konnten, u. wahrscheinlich ist auch meine Hoffnung für heute vergebens. Der Himmel sei mit Euch, Ihr Lieben, u. Dir insonderheit, liebe Elektra, helfe er nur die ersten Wochen überstehen; nachher, hoffe ich, findet es sich allmählich. Aber was ich für Eine Freude haben werde, die ersten Nachrichten von Euch zu lesen, ist unaussprechlich.
Ich bin heut Morgens aus dem christkatholischen Bamberg aufgebrochen; u. nachdem ich das Bambergische zurückgelegt hatte, und in das vortreffliche Erlangen eintrat, den Eindruck kann ich nicht beschreiben: So kleinlich, armselig; u. was die Universität sogleich aus einer Stadt an Menschen u. Tieren für ein abscheuliches Ding macht! Ich danke Dir 1000.mal, daß Du mich solange vom Universitätskram zurückgehalten hast; Du hast hierin einen richtigern Sinn als ich, weil ich so gut als keine Deutsche Akademie kenne, u. auf keiner gelebt habe. Apropos von Universitäten. In Gotha sagte mir Frankenb., daß Döderlein sich gegen ihn in einem Br. gerühmt habe, daß ihm Cramers Stelle angeboten sei, daß er sie aber ausgeschlagen habe. Und in Lahne wußte die Fr. v. Lichtenstein, daß sie Koppe angetragen sei, u. auch Er sie ausgeschlagen habe. Wahr oder nicht wahr; gnug hievon.
Ich bin hier u. Holzschuher ist bei mir gewesen, ein artiger hübscher Mann. Danke Knebeln gar sehr für diese Bekanntschaft. Seine Schwester ist so lieb u. artig gewesen, auch an ihn meinetwegen zu schreiben, u. ich bin für die zuvorkommende Güte recht beschämt. Er hat geglaubt, daß Kn. die Reise nach Italien mitmachen würde, u. hat selbst sehr große Lust dazu. Ich wünschte, daß er in Italien sein könnte, wenn ich da wäre; es wäre auch für Rom eine hübsche Bekanntschaft. Heut aber sehe ich in Nürnberg nichts; ich bin unrasiert, unfrisiert, u. die Gegenstände gehen mir durch einander. Ich will u. mag nicht treiben, sondern heut Briefe schreiben, die wie ich eben höre, erst morgen weggehn; Du wirst sie also spät bekommen; ich aber habe dagegen eine Hoffnung mehr, Etwas von Euch zu erhalten. Den Murr über Nürnberg habe ich mir schon gekauft, u. will den auch heut Abend studieren. Welch eine andre Stadt Nürnberg ist, gegen das katholische Bamberg. Ich hoffe hier recht in die altDeutschen Zeiten der Kunst versetzt zu werden, wenn mich nicht Menschen daran hindern.
Gestern Nachmittag fing ich in Bamberg an, meine alten Preisschriften für die Voßische Buchhandlung zu korrigieren; aber wie mir dabei ward, kann ich Dir nicht sagen; so krauses Zeug ists. Wir haben doch seitdem nicht vergebens gelebet. Aus Nürnberg indessen müssen sie fort, es koste auch, was es wolle. Selbst mit diesem Briefe hoffe ich heut einige mitgenommene Reste zu tilgen. O wenn ich nur auch morgen einen Br. von Dir bekäme.
Vor jetzt schließe ich, u. will an diese Reste gehen. Lebt wohl, Ihr Lieben; hinten nach, wenn etwas abgetan ist, schreibe ich mehr.
Vor meinem Fenster arbeitet das ganze Böttcherhandwerk der Kaiserl. Stadt Nürnberg, so daß ich kaum meinen eignen Gedanken zu hören vermag. Lebe wohl, liebe, – Nun da ist eine große Arbeit geendigt, u. ich bin müde. Hier ist der Br. an Niebur, der fort muß, ohne Siegel. Er wird in den Br. der Gr[äfin] Luise gelegt, ich habe die Überschrift bemerkt. Ein andrer an den Gr[afen] Leopold: u. endl. an den K[ammer]Sekr[etär] Bock, der mir am schwersten geworden ist, weil ich den guten Menschen nicht gern beleidigen möchte. Spediere sie fort, lieber Engel, der Gr. Luise mußt Du ja etwas dazuschreiben. – Nun auch kein Wort für diesmal mehr. Lebe wohl, liebe Gute Mutter, lebt wohl, lieben Kinder, Gottfried, August, Wilhelm, Adelbert, Luischen u. kleiner Dottfied, lebt alle wohl, Ihr Süßen. Lieben.
H.
[Weimar,] Montag den 11. Aug. 1788.
Das Wetter ist seit gestern unvergleichlich u. ich denke nur an Dich u. Nürnberg, u. kann dem Verlangen nicht widerstehen Dir zu schreiben. Vielleicht wäre es gut Dich nicht so oft an uns zuerinnern – aber warum wolltest Du uns sobald vergessen – Die Schale wirf weg u. gedenke nur des Kerns. Knebel war diesen morgen da u. hat mir soviel unvergleichliches von Nürnberg erzählt daß ich Deinen Genuß daselbst tausendfach mit Dir teile im Geist. Alle Gedanken an Dich, verkündigen mir Dein Wohlsein, Dein Glück. Die alte Stadt, die Türme, die Kirche die Du aus Deinem Fenster siehst, die gemalten Häuser, die Märkte kurz alles sehe ich mit Dir. Die Jungens sind gestern früh nach Nauendorf mit Schäfer gefahren, u. ich bin mit den Frl. Volgstädts den Nachmitt. spazieren gegangen. Sie hatten aus Spaß die Karte mitgebracht u. die wurde in Deinem Namen gelegt. Ich war wie billig entfernt von Dir u. Du warst zwischen einer Careau Dame u. cœur Dame.
Über Dir lagen glückliche Karten über der cœur Dame aber viel Leid. Letztere ist aller Wahrscheinlichkeit die Fr. v. Fr[ankenberg]. Die careau Dame ist eine fremde, die Du vermutlich kennen oder kennen lernen wirst. Ich bitte mir also gelegentlich einige Nachricht von ihr zu geben. Bei mir lagen auch gute Sachen, u. vorzüglich ein guter Brief – das ist einer von Dir. Die Beklemmung meiner Brust fängt sich an zu verlieren u. meine Seele wird heiter, ruhig u. fest in Deinem Andenken. Vorgestern gegen Mitternacht schlug ich zum erstenmal nach langer Zeit im Schatzkästchen auf u. traf zu meiner Verwunderung den 6. August; mit dem Spruch: Schmecket u. sehet wie freundlich der Herr ist, wohl dem der auf ihn trauet. Wie teuer ist deine Güte o Gott daß Menschen [wie] Kinder unter dem Schatten deiner Flügel trauen; sie werden trunken von den reichen Gütern deines Hauses u. du tränkest sie mit Wohllust, als mit einem Strom. – ich könnte Dir noch manche Dinge so schreiben, alles spricht zu mir Gutes, ein jedes Blatt was ich auch von Deiner Hand finde.
Mit dem Schrank bin ich heute fertig geworden, er ist in der besten Ordnung; der Gedanke freuet mich, wenn Du es einmal sehen wirst; jetzt bin ich bei den Kastens in der Bibliothek. Es ist ein Reichtum überall den Du nicht hast nutzen können – das wird jetzt Alles hübsch werden. [ . . . ] In dem letzten Fach des Schrankes lag Walchs Lebensbeschreibung, ich schlug das Büchlein auf u. las gerade wie er in Rom u. Frascati gewesen war, folgende Stelle. »An diesem Ort sahe der H. Walch noch viele Resultate die von dem alten Rom übrig geblieben waren, welches seiner Lieblings Meinung ungemein schmeichelte u. diese mannichfaltigen Anblicke waren ihm eine rührende Belustigung. Doch heftete er auch seine Aufmerksamkeit auf alles übrige was wegen eines vorzüglichen Wertes bemerkbar war, dahin unter andern auch die WasserOrgel gehört, wobei der starke Wind der die Orgel treibt, welcher durch das starke Fallen des Wasser verursacht wurde u. der vermittelst gewisser Maschinen an verschiedenen in der Wand u. am Fußboden befindlichen Löchern herausgehet, sein Nachdenken erregte, zumal, da er die Stärke dieses Windes daraus abnehmen konnte daß eine hölzerne Kugel, die man in eine runde Öffnung des Bodens wirft, wodurch der Wind herausgehet, nicht zu Boden fällt, sondern in freier Luft erhalten wird.«
In Florenz genoß er die Gunst des Grafen Brighieri Columbi, des Freiherrn Stosch, des Probstes Gori, H. Lami, Biscioni, Ricci, u. s. w. Siehe, hier habe ich Dir etwas Gelehrtes mitgeteilt. [ . . . ]
Grüße doch den Werner von uns. was macht er? schickt er sich gut zur Reise? Sei ihm gut, er ist doch ein treuer verständiger Mensch, erinnre ihn auch zuweilen an seine Gesundheit an Rhabarbar Pillen u. Magentropfen, damit er Dir nie fehlt.
Nun lebe wohl Einzig Guter Lieber – Schreibe mir auch etwas von Fr. v. Fr[ankenberg] – u. laß mich doch in Deinem Herzen auch wohnen.
Deine ewig treue. C. H.
Luisgen u. Emil sind wohl u. spielen.
Die Fräul. Volgstädt grüßen zu 1000 malen.
[Nürnberg,] Mittwoch den 13. Aug. [1788].
Endlich bekomme ich Deine liebe Hand zu sehen, gerade 8. Tage nach meiner Abreise; ich habe den Brief mit zitternder Freude erbrochen, und mit Tränen Deine u. unsrer Kinder liebe, süße Herzensworte gelesen. Gott segne Euch alle, alle; mehr kann ich nicht sagen.
Was mich auch in Deinem Br. quält, ist der falsche ungläubige Wahn, den Du Dir über Dein Verhältnis zu mir machst u. nicht ablegen willt, so sehr ich Dich darum bitte u. so oft darum gebeten habe. Ich sage Dir vor Gott, Du bist mein größestes Glück u. Gut auf Erden, dessen ich tausendfach nicht wert bin. Du übertriffst mich in allem Guten, in aller Tugend; u. was ich echtes Gute habe, habe ich durch Dich u. an Deiner Seite erlangt, das ist wahr u. Amen. An dem mancherlei Überstandenen bist ja Du nicht, sondern das 1000.armige Schicksal, u. zuletzt, da alles sich auf uns zuletzt beziehet, ich selbst am meisten Schuld. Ich habe zu wenig Vernunft, u. zu viel Eigenheit, wenn diese auch selten weder Eigensinn, noch Eigenliebe ist. Doch gnug davon; es ist überstanden.
Ehegestern schrieb ich Dir, u. legte ein ganzes Pack Briefe bei; Du wirst sie, wenn Du dies liesest, bekommen haben. Numeriere Deine Br., wie ich die Meinigen numerieren will, damit nichts verloren gehe. Ich schrieb aus Erfurt, Gotha, Bamberg, u. bei meiner Ankunft hieher ließ ich 2. Br. in Einem fortgehen; die 2. ersten, sehe ich aus Deinem Br., hast Du erhalten; die 2. folgenden wirst Du jetzt erhalten haben. Allgemein muß ich Dir sagen, daß man sich in der Stube das Reisen u. die Entfernung viel langwieriger u. schwerer vorstellt, als sie sind: es kostet nichts als Geld u. man ist hinüber. Ich bin in Nürnberg, u. die Reise ist mir ein Traum; nur Du u. unsre Kinder sind der Punkt, von dem ich mich entfernt fühle – Das Gefühl der Fremde an einem Ort ist unangenehmer, als die Reise selbst. Und doch wird man auch in diesem Stück oft früher bekannt, als es einem manchmal lieb ist. Nun zur weitern Geschichte.
Noch war ich in Nürnberg aus dem Wagen nicht ausgestiegen, so sagte mir der Wirt, daß H. v. Holzschuher sich seit 3. Tagen tägl. nach mir erkundigen lassen, ob ich noch nicht dasei. Ich ließ ihm meine Ankunft wissen u. erwartete Br., die noch nicht dasein konnten; er kam gleich selbst, u. es kam heraus, daß Knebels Schwester mich bei ihm angekündigt habe u. tägl. nach mir fragen lasse, wie mir gestern Fr. v. Behaim gesagt hat, ja daß sie mit ihrem Bruder, wenn sie meine Abreise wüßten, mir entgegenkommen wollten. Das ist nun eine so zuvorkommende Güte, daß ich mich ihrer recht schäme: ich werde das Entgegenkommen natürlich nicht annehmen; desto mehr aber freue ich mich, so gute Menschen dort zu sehen, die mir ordentlich schon wie Bekannte scheinen. Danke Knebel recht sehr für seine Freundschaft; er muß mich wohl empfohlen haben. Montag Abend ging ich nicht aus u. schrieb den Br. Gestern bin ich mit Holzschuher umhergestiegen, u. habe das Rathaus u. die Burg beaugenscheinigt. Unter allen Gemälden die es hier gibt, interessiert mich Dürer am meisten: solch ein Maler möchte ich auch gewesen sein: er schlägt alles, was sonst hier ist, um sich nieder. Sein Paulus unter den Aposteln, sein eignes Bild über der Tür, u. sein Adam u. Eva, sind Gestalten, die in der Seele bleiben; auch sonst habe ich von ihm schöne, schöne Sachen gesehen; auch ein Gemälde von ihm in der Burg, da er in seiner Krankheit sich wie einen Halbtoten gemalt hat, u. den rechten Aufschluß seiner Gesichtszüge u. des ganzen vornehmen, kräftigen, reinlichen Wesens gibt, das in ihm gewohnt hat. Sonst auch viele andre schöne Sachen, die an eine Zeit Deutscher Art u. Kunst erinnern, die nicht mehr da ist u. schwerlich je wiederkommen dörfte. O wie haben die Fürsten den Geist der D[eutschen] Nation verkannt, unterdrückt, verschlemmet u. vergeudet. Sage Knebeln, daß ihn die alte Fr. Kastellanin schön grüßen läßt, u. noch ganz ist, die sie war. Sie hat Nürnbergischen Patriotismus statt der ganzen Schar junger Patrizier, die jetzt aufkeimen. Sie hat mich freundlich u. munter mit ihrem Konfekt bewirtet, u. dem Werner sogar noch ein Papier für mich zum Kaffee mitgegeben. Ich wollte, daß ichs den Kindern schicken könnte: denn es liegt noch da. Nachmittag habe ich Murr besucht, der mir an Raritäten in ein paar Stunden 100.lei vorgetischt hat u. unablässig war, mich mit dem u. jenem sogar beschenken zu wollen. Ich habe von seinen Anerbietungen wenig Gebrauch gemacht; außer einer kleinen Odyssee, die mir gar lieb ist, weil ich den Homer nun ganz habe. Er hat mir dagegen Aufträge nach Italien gegeben, die ich ihm auch erfüllen will, daß ich quitt werde. Er hat, wie er sagt, die Jüdischen Fabeln mir zum Geschenk geschickt; schicke sie mir nicht nach, sondern nur seinen Brief etwa, wenn etwas drin stehet, u. wenn sonst Br. eintreffen, deren Inhalt mir zu wissen nottut. Abends war ich bei einem Liebhaberkonzert mit Holzschuher, wo ich die Fr. v. Beheim, von der ich oben die Nachricht angeführt habe, kennen lernte. Sie ist Knebels Freundin; ich saß neben ihr bei Tisch, u. wir haben viel von ihm geredet. Imhof hat sich hier wie in W[eimar] aufgeführt, seiner Frauen dasselbe laut nachgesagt, was er dort nur verstohlen vorbrachte u. f. Er ist jetzt in München, wohin er mit einem Porträt von der Herzogin Mutter ihr entgegengereiset ist, aber nach einer gestrigen Nachricht meines Wirts elend an der Wassersucht liegen soll. Er hat im r[oten] Roß logiert, u. seine Sachen stehen hier: die Tochter ist in Erlangen; er wird gewiß noch einmal ein erbärmlich Ende nehmen. Hier hat er im Roß gesessen, außer der table d'hote sich ennuyiert, gebrummt u. gemalet. – Eben kommt der Wirt u. sagt, daß die Post erst Freitag weggehe; ich will also schließen u. die Sebaldskirche sehen. Nachmittage bin ich zu einer Landfahrt u. Abend zu einem Schießschmause geladen. Lebe wohl, liebe, liebe Seele.
Donnerst[ag].
Ich ging gestern nach dem H. Sebald, St. Lorenz u. f. Es schlug sich in ersterer Kirche der Rektor der hiesigen Hauptschule Vogel zu mir, den ich Tags vorher im Konzert hatte kennen lernen, u. es kam heraus, daß er der Verf. der Br. über Tempelherrn u. Freimäurer sei, in denen er meine Partei gegen Nicolai genommen. Auch hatte es sich geäußert, daß er mit Jacobi, Witzemann u. dem Spinosismus in Verbindung stehe, u. daß Ersterer ihn gern mit zum Streiter für seine Sache habe machen wollen. Ein guter, gescheiter Mann; er begleitete mich bis Mittag, da wir vor dem roten Roß schieden. Kaum hatte ich mich zu Tisch gesetzt, als mir der Wirt die Nachricht brachte, daß Imhof in München tot sei. Es sei an seinen hiesigen Kommissionär geschrieben, u. seine Sachen sein dort versiegelt. Es wird seiner Frauen gemeldet sein, u. sie hat ja einen juristischen Bruder, der sich der Sache ferner annehmen kann. Bei meinem Wirt steht sein Wagen, u. liegen viele Sachen, die er auch unter Beschluß zurückgelassen. Er hat hier, da er aus Karlsbad kam, einen Krämer mit Karlsbadersachen abgegeben, u. man spricht von ihm, da man seine alte Wirtschaft mit 2. Mohren u. 12. Bedienten, seinen unsinnigen Bau p kennet; als von einem, mit dem es sich hinunter geneigt habe; welches man denn als die Ursache seines Mißmuts u. seiner Unruhe angibt. Mir scheints ordentlich, daß er seinen Tod unter fremden Leuten gesucht habe: denn mich dünkt, er sei falsch, u. wie die erste Nachricht ging, auf die Wassersucht kuriert. So entläuft niemand seinem Schicksal; wir wollen nicht in der Fremde sterben. Brauche, wenn die Fr[au] es noch nicht weiß, die Nachricht mit Vorsicht, u. lasse sie an Schardt sagen; doch das weißt Du selbst. Es ist für ihn u. für Frau u. Kinder gut, daß seine Szene geendigt ist. – Kaum hatte ich gegessen, so holte mich Holzschuher mit seinem Br[uder] ab, mich auf ein paar Landhäuser zu fahren; gegen Abend gings zum großen Schießschmause, wo ich die ganze Republ[ik] Nürnberg versammlet sah, neben dem Hrn. Kriegsobrist, ihm zur Linken saß, ihm zur Rechten der Preuß. Minister, u. die Herren des hohen Rats zu beiden Seiten hinunter, also auch aus dem großen silbernen Becher zu trinken, die Ehre hatte, der beinah so groß wie der Emil ist, nur nicht so dick, ein Nürnbergsches Feuerwerk ansahe u. vom Hrn. Kriegsobrist in hoher Person nach meinem Wirtshause geführt ward. So war auch der Tag zu Ende; was heut werden wird, wird die Zeit lehren; es regnet draußen u. ich werde mich einhalten.
Der Abend kommt, u. der Tag ist verlaufen, ohne daß ich ihn gewahr worden bin. Vormittags von 8. Besuche bis 11. bei mir; nachher habe ich einen Band A[lt]Deutscher Gedichte angesehn, den ich hier von der Ebnerschen Bibliothek habe. Nach dem Essen habe ich die Fr. v. Hutten besucht, die eine verständige, brave Frau scheint; u. da fiel ich auf der Straße, wieder dem Murr in die Hände, der mich bis jetzt mit seinen 10.000. Rarioribus amusiert hat. Ich habe für den August in sein Kabinett ein Stückchen eingekochten Sinesischen Kaisertee p genommen, das ich beilegen will, wenn er auf ein Linschen kochend Wasser gießt, soll der stärkste, kräftigste Tee draus werden. – An Notizen für Italien ist er unerschöpflich, mit allen Jesuiten der Welt hängt er zusammen, von Lisbon bis Sina. Er ist gegen mich so zuvorkommend u. verbindlich, daß ich mich wundern würde, wenn ich nicht wüßte, wohin alles liefe. Geistl. habe ich noch keine besucht; ich will aber 2. besuchen, den Senior Mörl u. den Schaffner Panzer. Beide sind dicht bei mir. Morgen will ich mit Ernst dran gehen, daß ich die Preisschriften allmählich loswerde u. die Merkwürdigkeiten der Stadt endige: denn sogar den schönen Brunnen, der ohne Wasser ist u. in einer Scheune stehet, habe ich noch nicht gesehen. Gnug für heute. Lebe wohl, lieber Engel, ich danke Dir aufs herzlichste für Deinen Brief, erfreue mich posttäglich mit ihnen; wenn ich hier wegbin, sollen sie mir nachgeschickt werden: denn der Wirt ist ein ehrlicher, dienstfertiger Mann. Wie mir oft meine Einsamkeit, meine Entfernung u. Verbannung vorkommt, davon will ich nichts schreiben. Ich fühle schon gnug, wie manches ich anders ein- u. ansehen lerne; ich mußte diese harte Buße haben, weil ich sie verdiente. Lebe wohl, liebe süße Seele, o wärest Du manche Stunde bei mir! – Lebe wohl, liebe, u. grüße Alle; u. habe Hoffnung; denke an mich, wie ich an Dich denke. So sind wir gewiß Eins u. ungetrennet auf Erden.
W[eimar,] den 14. Aug. 1788.
Unsre liebreiche Herzogin wollen Dir selbst einige Zeilen von mir bringen, u. ich schreibe Dir Lieber ob ich gleich nichts zu schreiben habe. Möge dies Blatt Dich zu einer guten u. glücklichen Stunde treffen – u. möge Deine Seele immer heitrer werden je weiter Du von uns gehst. Die Herzogin waren sehr gut u. hold u. haben mir viel Gutes Deinetwegen gesagt u. versprochen. Ein guter Genius begleite auch Sie!
Bei uns steht Alles gut. Die Jungens sind noch in Nauendorf u. ich bin fleißig beim aufräumen. Wenn Du einmal nur halb so viel Freude daran haben wirst als mir das Geschäft macht, so wirds mir wohl tun. Die Papiere selbst freuen sich daß sie gesondert werden. Deine Tische, Kommoden, Schränke u. Bibliotheken sollen Dich rein u. gewaschen wieder aufnehmen zur bessern Existenz.
Ich erwarte nun mit Sehnsucht Deinen Brief aus Nürnberg!
Eben war Goethe da, er hat viel Lustiges, ich möchte sagen Betäubendes über seine häusliche menschliche Situation gesagt – es war aber in allem so viel Klarheit u. Richtigkeit daß das Betäuben nicht statt hat. Er hat nun alles Glück u. Wohlsein auf Proportion u. das Unglück auf Disproportion reduziert. Ihm sei es jetzt gar wohl daß er ein Haus habe, Essen u. Trinken hätte u. dgl. – alles was Du in Deinen 3 Bänden der Philosophie, von den Tatarn bis zu den Römern geschrieben hättest, käme alles darauf hinaus daß ein Mensch ein Hauswesen besäße u. (setzte ich hinzu) mit Vernunft sich regierte!
Dies ist der kurze Auszug unsers Gesprächs, das wir mit ziemlich guter Laune gehalten haben. Speise u. tränke Du uns nur mit guten Briefen von Deinem u. unseres besten Dalbergs Wohlsein – dann mag der Wind auch noch so garstig heulen, wie heute den ganzen Tag, mich wird nichts anderes kümmern. Deine 2 Briefe die ich von Erfurt u. Gotha empfangen habe, lese ich noch allemal Abends vor Schlafengehen.
Lebe wohl Lieber Guter. Lebe wohl. Diesen Brief bekommst Du vermutlich in Inspruck. Gedenke unsrer, u. sei mir gut.
Deine Treue. C. H.
Grüße den Besten der Menschen.
Luisgen u. Emil grüßen den lieben Vater unter dem schönen Himmel.
[Weimar,] Freitag den 15. Aug. 88.
Gestern Abend nach dem NachtEssen kam Dein Brief aus Bamberg! mit unbeschreiblicher Begierde erbrach ich ihn u. nach dem ich den Anfang gelesen hatte, erleichterte sich aufeinmal mein solange gepreßtes u. gedrücktes Herz durch einen Strom von Tränen. Ach ein einziggutes Wort von Dir ist mir wie die Stimme Gottes. Verlaß mich nicht mit Deinem Herzen lieber Engel, verlaß mich nicht; ich kann alles ertragen, nur dieses nicht – ich bin nun einmal auf ewig Dein, u. nichts nichts was um mich ist, gibt mir nur einigen Ersatz. – Durch das Aufräumen habe ich auf eine gewaltsame Art mein Gefühl der Trennung unterdrückt u. ich wollte Dein Glück in Gedanken mit genießen – ich war aber zu rasch damit, mein Schmerz ward eine Art von Fühllosigkeit – immer mischte sich der Gedanke ein: er ist glücklicher ohne Dich – und ich suchte denn alles hervor mich zu betäuben. Jetzt hast Du mein Herz wieder losgebunden – ein Tröpfgen Liebe von Dir u. ich will zufrieden sein wie das Cananäische Weib mit den Brosamen.
Ich habe das Thüringerland mit alle seinem Elend in Gedanken mit Dir zurückgelegt u. Du sollst u. mußt jetzt nicht mehr daran gedenken. Ich lebe nicht hier, ich lebe mit Dir, bei Dir u. bin fröhlich u. glücklich mit Dir. Hat der liebe Gott endlich den Becher der Freuden gegeben, o so koste ungetrübt daraus – Sehne Dich nicht nach uns, ich bin unzertrennlich bei Dir. ich genieße den Geist Deiner schönen Reise aus Deinen lieben guten Worten, die mir kein Mensch so sagt wie Du – Luisgen u. Emilchen hüpften u. jauchzten über dem Brief, da sie mich aber so heftig weinen sahen, ach so fingen sie auch mit mir an, da ich besonders das Ende wo sie genannt waren ihnen gleich vorlas. Dann hörten sie die ganze ReiseRoute recht verst[ändig] zu u. gingen vergnügt zu Bette. In solchem Augenblick wünsche ich mir Flügel Flügel!
Heute früh 10 uhr kam Eliza Gore zu mir um Abschied zu nehmen; sie gab mir inlieg[enden] Brief an Dich. Die Schardt war auch mit; Elisa erzählte von den Italienerinnen, u. es beruhigte mich, daß sie eben das Herz nicht fesseln. Sie mögen auf alle Weise Dein Leben angenehm machen, nur Dich nicht festhalten. Morgen gehn Gores fort u. der Herzog mit bis Leipzig. Heute früh ist die Herzogin über Jena abgereist. ich höre so eben durch den Koch daß sie den Dienstag ihr Testament gemacht hat in Beisein des Koppenfels, Wolfskehl u. Krüger. In Ihrem Haus erzählen die Domestiken folgende Veranlassung dazu. Sie sei den Montag in ihrem Garten spazieren gegangen u. auf einmal käme [ein] ArzneiGlas vor ihre Füße geflogen. Sie hätte sogleich hinaus sehen lassen, woher es gekommen sei, aber man hätte nichts finden [können.] Dies hätte sie alteriert u. zum Testament bewogen, ich hatte sie seit Deiner Abreise nicht gesehen, frug also vorgestern Vormittag an, wenn ich zum Abschied kommen dörfe u. erhielte von der Göchh[ausen] an die ich geschrieben, die Antwort um 11 uhr mit einem sehr guten Billet. Die Herzogin war sehr milde u. weich, sah blaß aus u. ich mußte ihr noch ein Briefchen an Dich schicken das Du durch sie erhalten wirst. Der gestrige Tag war ein fürchterlich stürmischer Tag wie man ihn nur im November erlebt. Heute war es abwechselnd. Die Elisa sagte, sie sei gestern den letzten Abend ganz verändert gewesen. Deinetwegen wünsche ich auch daß ihr nichts unangenehmes widerfahren mag; Du kannst Dich doch nicht ganz von ihr losmachen und sie bezeugte auch auf Dich zu rechnen; wie weit es Wahrheit ist, weiß ich nicht.
Gestern kam vom H. v. Murr aus Nürnberg die längst gehofften Fuchs Fabeln vom Rabbi Barachia an. ich sähe es als ein glückliches Omen an, sende sie Dir aber nicht, weil sie vermutlich in Rom Dich nicht erbauen werden, ich werde sie für unsre Zeiten aufheben, da werden sie wieder für den Freund Elias der Wacholderbaum sein. Auf dem Titelblatt sitzt der prächtige Fuchs mitten unter allen Tieren auf einem großen viereckigten Stein mit der Inschrift:
ich habe es treulich kopiert
Goethe besucht mich fleißig, er war gestern da. ich habe Dir im Brief der Herzogin etwas vom Gespräch erzählt. Im Ganzen will es mir nicht wohl mit ihm werden. Er lebt jetzt ohne seinem Herzen Nahrung zu geben. Die St[ein] meint, er sei sinnlich geworden u. sie hat nicht ganz unrecht. Das Hof gehn u. Hofessen hat etwas für ihn bekommen. Er will sich diesen Winter ganz an die H[erzogin] halten, das sei die einzige die ihm geblieben. Mitunter sollte ich u. die Imhof zu ihm zum Tee kommen – ich sagte, ja wenn die St. mitkäme – ach mit der ist nicht viel anzufangen sagte er, sie ist verstimmt u. es scheint nicht daß etwas werden will, ich nahm ihre Partie so gut ich konnte; ich glaube aber nicht daß er ihr entgegen geht. Das schadet mir aber nichts, ich bedarf keines Menschen. Die Kinder u. Deine Briefe, füllen mein ganzes Dasein aus; u. kommt noch Deine Schwester so werde ich diese nicht verlassen. Auch begehren die Menschen etwas von mir, das sie von Dir gewohnt waren zu empfangen u. ich ihnen nicht geben kann. Übermorgen erwarte ich die Kinder wieder. Es ist unsäglich einsam. Von der reg. H[erzogin] habe ich noch keinen Laut vernommen, u. es wird mir immer wohler je weniger man Notiz von mir nimmt. Die gute Fr. v. Frankenberg hat mir heute geschrieben u. wünscht Nachricht von Dir zu haben, ich will ihr sogleich noch einiges aus Deinem Brief schreiben. Sage mir doch jedesmal in Deinen Briefen ob ich ihr ein Auszug darausmachen soll, von dem was merkwürdiges drinnen ist. Damit Du nicht mit ähnlichen Beschreibungen der Dinge in Deinen Briefen an sie Dir die Zeit rauben mußt. Sie ist sehr schüchtern in ihrem Brief gegen mich. Es ist sonderbar daß man die Ehefrau eines Mannes wie Du bist immer mit diesen Augen ansieht, ich will ihr aber allen Skrupel über mich suchen zu benehmen durch meine unbefangene Art. Sonderbar ists (um Dir nichts zu verhehlen) jetzt könnte ich eifersüchtig über sie werden.
Ach sei gut gegen mich, verbirg mir nichts – u. verlasse mich nicht. Du bist mir ja Alles Alles, bist Vater Bruder Freund. Das Gefühl der alten glücklichen Zeit durchbohrt mir oft die Seele. Doch weg damit! Heute früh schlug ich auf, im Schatzkästgen, den 18. Aug. Siehe ich mache alles neu pp
Lebe wohl Lebe wohl Einziger auf dieser Welt.
Grüße den Werner von uns, er soll kein Sauerbraten mehr essen. Die Henriette ist seit 8 Tagen bei ihren Eltern auf dem Land u. braucht eine Kur, die ihr wohlbekommt. Wir übrigen sind alle wohl. Schreibe mir doch ja aus Augsburg, wo ich Dir nach Florenz [oder] einen andern Ort schreiben kann. Den nächsten Posttag schreibe ich Dir noch einmal nach Augsburg. Laß den Werner einen engen Kamm für Dich kaufen damit Du das italienische Ungeziefer abkämmen kannst. Lebe wohl wohl! Knebel ist wieder in Jena.
Sollte Dalberg schon bei Dir sein, so sage ihm das Beste von mir.
Hastu in der Nacht vom Dienstag auf den Mittwoch an mich gedacht in Nürnberg?
Wenn Du wieder schreibst so grüße die Schwarzin namentlich, sie ist mir jetzt recht behäglich.
W[eimar,] den 16. Aug. [1788].
Bester Freund, ich habe vorgestern von meinem Wanderer einen Brief aus Bamberg erhalten. Einen guten guten lieben Brief, der mein gepreßtes Herz recht erleichtert hat! Den ganzen Sonnabend hat er Rasttag in Bamberg gehalten u. hat sich an dem Weg dahin längs der Itz ungemein erfreut, u. mich an Sie u. Goethe verwiesen, die mir von dem schönen Tal mehr erzählen sollen. Einen Auszug aus dem Brief kann ich Ihnen nicht machen und schicken – ach das kann ich nicht – diese Heiligtümer lasse ich nicht aus meinen Händen. Wenn Sie uns besuchen, sollen Sie ihn hören oder lesen. Mit einer guten empfänglichen Seele hat er diese kurze schöne Gegend gesehen – o was ahnde ich für Gutes im Verfolg der Reise! Zusehends wohler ward ihm da er das Thüringerland verließ. Kommen Sie bald Lieber. Morgen abend erhalte ich gewiß einen Br. aus Nürnb.
Ade ade. C. H.
und wie geht es Ihnen in Jena Guter? Es fehlt mir etwas Sie so lange nicht gesehn zu haben.
W[eimar,] den 18. Aug. 1788.
Du Einzig Guter, wie hat mich der Reichtum Deiner Liebe überschüttet! Gestern Abend kamen Deine Briefe Nro 3. 4. u. 5. nebst Einlagen auf einmal an! die Freude war unsäglich groß. Ich weidete mich noch an Deinem ersten Brief aus Bamberg gestern Nachmittag da ich allein im Garten wandelte u. meine Gedanken immer um Dich waren, ja stets bei Dir sind. Gott hat mir ja Alles Alles was er Gutes geben kann an Dir gegeben Du Einziggeliebter – u. meine Seele u. ganzes Wesen empfindet Deine Liebe jetzt doppelt neu wieder. Ach wir waren verstummt; dieser gewaltsame Stoß der Trennung mußte das Herz wieder lösen. Ja, guter Engel, Du sollst u. wirst mich anders wiederfinden, ich will meine letzten Kräfte aufbieten Dir Dein Leben zu versüßen, das sage ich Dir mit Tränen vor Gott. Wir zwei stehen auf der festesten menschlichen Basis zusammen, u. unsre Kinder rückt die Zeit auch zu uns herauf – was bedürfen wir denn viel anderer. Deine Seelenworte erquicken mein inneres Mark. Ach daß Du Dich nach Briefen von mir gesehnt hast! Wenn ich noch an das Fortrollen des Wagens gedenke – ich habe Dir von der entsetzlichen Empfindung nichts gesagt, es ist vorüber; komm laß uns vorwärts denken.
Ich habe in dem ersten Augenblick da ich Deinen 2t. Brief aus Bamberg las nicht verstehen können warum Du den 2ten Tag noch in Bamb. geblieben bist. Hernach ging mir das Licht darüber auf u. es dünkt mich sehr gut daß Sie Dich dort gekannt u. geehrt haben u. Du in den Katholizismus iniciert worden bist. Es mußte doch einmal geschehen u. es ist besser daß es da geschah. – Über alle Universitäten u. unser künftiges Schicksal wolle uns Gott die Augen noch öffnen! Nürnberg habe ich in besondere Affektion genommen. Ob Du gleich das Schöne u. Hübsche ziemlich tumultuarisch genießest; u. aus der vorgenommenen Ruhezeit alldorten wohl nicht viel herausgekommen sein mag, so mußt Dus denn auch als einen gerechten Tribut Deines berühmten Namens annehmen. Der Schießschmaus pp gehört alles dazu ob Sie Dich kennen oder nicht kennen – gehts doch dem lieben Gott auch nicht besser.
Den 15. habe ich Dir meinen 3ten Brief geschrieben, den 11ten den 2t. Br., den 8ten den ersten, den Du in Nürnb. erhalten hast. Der heutige ist nun der 4te.; ich habe also bisher alle Posttag geschrieben. – [ . . . ]
Goethe besucht mich meistens all ander Tag. er war gestern Nachmittag da. Er ist beinah wie ein Cameleon. Bald bin ich ihm gut, bald nur halb. Er will sich auch nie zeigen, u. nimmt sich vor jeder Äußerung in Acht daraus man Schlüsse machen könnte, darum ändert er auch, glaube ich, so oft die Reden. Jetzt schreibt er sein Pflanzensystem auf u. erwartet Dich künftiges Jahr mit Verlangen dazu, er wills ins lateinische übersetzen u. Du sollst es korrigieren; dabei war nun zu hören, daß er auf einige Jahre Arbeit sich zugeschnitten hat. Er hat das 1te Buch u. das übers Christent[um] Deiner Ideen gelesen, u. hat großes Wohlgefallen daran; im ersten Buch hättest Du dem Gewirr der Völker ein eignes Intresse dadurch gegeben daß Du sie auf den Ursprung zurückgeführt. Dem Rom u. Papst hättest Du auch Gerechtigkeit widerfahren lassen indem Du gezeigt was sie getan hätten u. s. w. Deutlich kann ichs nicht so recht wiederholen; ich sagte ihm, er möchte Dir einmal ein Wort darüber schreiben. [ . . . ]
Der Fr. v. Frankenb. Brief habe ich den andern Tag wieder gelesen u. fand ihn gar lieb u. gut. Meine Lebensgeister waren den ersten Tag aufgeregt u. da sieht man immer zu viel oder zu wenig, ich nehme alles zurück was ich in dem vorigen Brief hierüber geschrieben. Es war nichts. Das Wort Eifersucht (ein häßlich Wort) kenne ich in Beziehung Deiner gar nicht. Dabei wird es verbleiben so lange ich lebe. Du lebst in meinen kleinsten Fasern, was Dir Gutes widerfährt, geschieht auch mir. Die nämliche Nacht träumte mir, wir seien beide bei Frankenb. sie lehnte sich auf mich u. ich mußte sie irgendwohin tragen; sie wurde mir aber so leicht zu tragen, daß ich mich im Traum selbst darüber wunderte. – ich habe ein Blättchen an Dalberg hier beilegen wollen, er wird mit diesem Brief vielleicht bei Dir eintreffen. Ich bin zu weich um mein Gefühl ihm zu sagen: O sage ihm einen eigenen Willkomm in meinem Namen. Gott hat Euch zusammengeführt, Gott sei mit Euch, u. gebe Euch Freude u. lasse Euch finden was Ihr suchet. Lieber Engel, heute ist Augusts Geburtstag – der Deinige kommt nun auch – Adelberts u. Gottfrieds – u. Du bist nicht da. Wie wollen wir einmal nach dem Entbehren die Freude des Wiederbesitzens genießen! u. Du bist zu gut als daß Du dein Herz abstumpfen könntest ich möchte doch ohne dies trotzig u. verzagte Ding (ich meine mein Herz) nicht leben. – Die Kinder sind gesund u. fröhlich wiedergekommen u. werden wirklich täglich milder. Gottfried ist unsäglich gut. er möchte Dir gar gern schöne Briefe schreiben u. doch auch herzliche, das macht ihm noch einige Arbeit. August ist unter allen der gleichgültigste – Jetzt beschäftigen ihn seine Tauben, die er missen soll; ich habe ihm Zeit gelassen sich zu überwinden u. es wird eine große T[at] hierin geschehen. Gottfried sieht gesunder aus. sie waren dort meist auf dem Feld u. haben geritten. Wilhelm u. Adelbert sind gutherzige Buben, das siehst Du aus ihren Briefchen. Nun wird künftig nur einer schreiben, u. dies ist auch der letzte Brief auf deutschem Boden den Du von mir empfangest. O Du einzige Seele, vergesse nun Alles was dahinten ist u. genieße das glückliche Land! ich will doch den nächsten Posttag noch einmal schreiben u. den Brief nach Augsb. adressieren, hinterlasse auf der Post, wo sie Dir ihn senden sollen, ich will meine Stimme Dir solange nachrufen als ich kann! Goethe meint, Ihr werdet in 3 Wochen in Mailand sein. Wenn Du keine Adresse sendest, so will er einen Brief von mir einschließen à Mr. Franchi Professeur de Sculpture à Mi[lano] u. will Euch zugleich empfehlen. Die übersandten Briefe besorge ich bestens. In Murrs Brief steht nichts. Hier sagt man, Du hättest einen Ruf nach Durchlach als Präsident über das Geistl. Wesen u. Schulen. Dies Gerücht kommt wohl von der deutschen Akademie her. Die Steinin hat mirs heute von Kochberg auch geschrieben u. grüßt Dich herzlich. sie ist noch immer verscheucht u. einsam. Die Herzogin hat mich heute zu sich gebeten, ich habe es aber wegen dem Posttag u. Augusts Geburtstag abgeschlagen u. um einen andern Tag gebeten; es war mir eben so unlieb nicht, daß es so kam. Goethe ist den Mittag täglich oben. Knebel ist in Jena u. grüßt Dich, ich werde ihm Deinen Gruß u. Zufriedenheit in Nürnb. melden.
Der Tod des Imhofs ist ein willkommnes Geschenk für die Frau u. sie kann sich jetzt verständig einrichten u. verständig betragen. Goethe sagte, die Herzogin Mutter sei sehr vergnügt abgereist mit dem Wort: künftiges Jahr sehn wir uns wieder.
Lieber Engel nur noch einen diätetischen Rat! enthalte Dich Abends von 8 bis 9 uhr des Spazierengehns. Dies ist die Stunde in der kein Italiener geht, weil der Tau fällt u. man sich gleich erkältet. Wenn diese Stunde schlägt, o denn denke an mich u. die Kinder die ja ohne Dich höchst unglücklich wären u. mich hätten sie denn auch nicht mehr.
Ich bin mit Deinen Papieren u. der Biblioth. ganz fertig, u. es ist mir gar wohl, ich hoffe Du wirst zufrieden sein, u. alles leicht finden was Du willst. Wenn ich in Deine Zimmer kam, ist immer ein Sonnenstrahl da gewesen u. ich muß unwillkürlich 2–3 mal hinauf. Deine Spur ist nirgend ausgetilgt, Du bist u. bleibst bei mir. In den Abendstunden wenn Du Deine Pfeife rauchst, wie habe ich Deiner gedacht.
Deine Briefchen an die Kinder sind mir rührende Blättchen – sie warten nun auf das was sie von Dir aus Nürnb. bekommen sollen. Emil wollte Dir wieder schreiben, nahm ein Blättchen u. fing an Dein Briefchen an ihn abzuschreiben. Grüße den Werner von uns allen u. sage ihm, er möchte ja mit D[albergs] Bedienten gut sein u. manches nicht genau nehmen. Es soll ihm alles belohnt werden; Seine Treue, guter Willen u. Aufmerksamkeit. Ich habe hier ein Paar Reihen an ihn geschrieben, gebe sie ihm u. muntre ihn auf, er wird fürchte ich, neben dem andern Bedienten oft eine böse Stunde haben. Dein Coffre wird hinten auf Dalb. Kutsche gepackt werden, Werner wollte dafür sorgen daß er angeschraubt wird, damit er nie losgeschnitten werden kann. Erinnre ihn daran.
Lieber Engel, der Abend kommt, ich schließe u. reiche Dir die Hand, leb wohl, leb wohl, leb wohl –
Du unaussprechlich Guter.
W[eimar,] d. 18 August. 1788.
Wie sehr hat es mich gefreut, daß Sie auch mir einen so goldnen Brief geschrieben haben, und daß Sie auch meiner gedacht haben. Ich werde Ihre Lehren gewiß halten, und mich immer an Ihre heiligen Worte erinnern. Es war ein großes Fest, da wir auch Briefe an uns sahen, so wie es überhaupt allemal ein großes Fest ist wenn Briefe von Ihnen kommen, und wenn wir lesen daß es Ihnen wohlgeht. Wie oft wünsche ich mich zu Ihnen, um in Nürnberg mit Ihnen alle die schönen Sachen anzusehen, es geschieht zwar nicht wirklich aber doch im Traume.
Wir sind von unserer Reise nach Naundorf, den Sonnabend-Abend glücklich wieder angekommen. Wir haben uns dort recht vergnüget, und auch ein merkwürdiges Grab gesehn, das vermutlich aus dem 30 jährigen Kriege her ist, und worinnen ein berühmter Mann muß gelegen haben. Die Knechte des Herrn Amtsverwalter Lüttich waren im Pflügen auf einen Stein gekommen, worunter noch ein eben so großer lag. Der Herr Amtsverwalter ließ diesen Stein abwälzen und hineingraben; man fand hier einen sehr dicken und großen Schädel und Gebeine. Zu den Füßen stand eine töpferne Urne, worinnen eine gelbe Erde war; das Grab selbst war 7 Ellen ins Quadrat, und 4 steinerne Platten umschlossen es.
Es ist schon vieles bei Ihnen aufgeraumt. Herr Schäfer und ich wollen uns jetzt auch an die Bibliothek machen, sie nach Systemen ordnen, und einen Catalogum darüber machen, daß Sie sich recht freuen werden, wenn Sie wieder kommen.
Es freut uns recht herzlich, daß Sie in Nürnberg so schöne Sachen zu sehen bekommen, und Ihre Beschreibungen sind uns gar lieb.
Leben sie 1000mal wohl, reisen Sie glücklich, und Gott begleite Sie. Schreiben Sie oft an mich und behalten Sie lieb
Ihren gehorsamsten und Sie zärtlich liebenden Sohn
Gottfried Herder.
Herr Schäfer läßt Ihnen gar viele Empfehlungen sagen.
Weimar, 18. 8. 1788
Liebster Vater
Heute ist mein Geburtstag gewesen, die Mutter hat mir etwas geschrieben, was ich Ihnen hier bei lege. Sie hat mir auch einen alten Rudolphs-Taler gegeben u einen Eutropius, letztern werd ich noch bekommen. Gottfried hat mir Damms Götterlehre gegeben, u auch etwas geschrieben. Willhelm die Acerra Philologica, u eine Sonne gemalt, da stand drin, Gott gebe Dir Licht u Weisheit, u Sonne gebe Dir Leben u Nahrung. Adel ein Paar Strumpfbänder u was geschrieben. Luise eine Landschaft u etwas geschrieben, u Emil hat mir etwas durch Willhelm zeichnen lassen, ein Genius der die Tauben wegnimmt, u einen Lorbeer kranz gibt, mit der Inschrift. Für das Geraubte einen Lorbeer kranz, dann kam auch ihr lieber Brief den ich gestern verschlafen hatte. Aber der Kaisertee war nicht dabei worüber ich große Freude hatte, u einen Kirschkuchen vom Geheimerat v. Goethe, es freut mich sehr, daß es Ihnen in Nürnberg so wohlgehet. Der liebe Gott sei mit Ihnen, wir wollen recht gut sein, damit wenn Sie wieder kommen daß Sie gute Kinder finden. Der Geheimrat v. Goethe läßt Sie viel tausendmal grüßen. Leben Sie wohl u behalten Sie lieb
Ihren gehorsamen Sohn August Herder.
[Weimar,] den 18 ten August 1788.
Lieber Vater,
Ich freue mich sehr, daß Sie so viele schöne Häuser Kirchen und Gemälde gesehen haben, und ich wünschte, daß ich sie auch gesehen hätte. Wir sind mit dem Herrn Schäffer gesund und glücklich von der neuen Welt zurückgekommen und haben vieles gesehen und gelernt. Aber die neue Welt war nicht America sondern Kloster Naundorf, weil so eine schöne Gegend ist, und ich eine so schöne Gegend noch nie gesehen habe. Ich danke Ihnen auch für den schönen Brief den Sie mir geschrieben haben ich habe ihn sehr vielmal durchgelesen, weil er mir so gefiel, von den 3 Männern, und ich werde gewiß auch einmal so ein Mann werden. Leben Sie wohl und behalten Sie mich lieb, und vergessen Sie nicht
Ihren gehorsamen Sohn Wilhelm Herder.
Weimar, 18. 8. 1788 [?]
Lieber Vater
Ich möchte die großen Ochsen auch die Blauen gesehen hätte und die lange Wiese. Schreiben sie mir wieder. Das glaube ich auch daß sie uns in hellen Tagen gesehen hatten. Denn wenn sie jetz allein sind denn wir denken immer an sie. Sie haben mir in den Brief geschrieben daß ich sollte das Weinen allegen daß will ich auch tun. Denn sie haben mich lieb und ich will tun was ihnen wohl gefället leben sie wohl ihr getreuer Sohl Adelber Herder.
Dienstag früh, den 19. Aug. [1788] Nürnb.
Endlich ist die Markgräfin fort; u. ich kann Dir einige Worte schreiben; doch langsam, u. in der Reihe.
Als ich vorigen Freitag den Brief an Dich zugesiegelt hatte, läuteten sie eben in die Kirche, u. ich ging, ohne zu wissen, daß es ein Festtag war, weil hier immer geläutet wird, in die Sebaldskirche. Als ich in sie trat, sangen sie just die Worte (aus dem Lied: Jesu meine Freude):
Weicht, ihr Trauergeister,
Denn mein Freudenmeister p
Denen die Gott lieben,
muß auch ihr Betrüben,
süßer Zucker sein.
Es war ein Marien- oder wie sie hier sagen, ein Frauenfest, u. ich habe den ganzen Tag Dir zu Ehren gefeiert. Der Text des elenden Predigers war, meine Seele erhebe den Hrn p u. hinter der Predigt ward im Chor mit lateinischen Hymnen noch völlig ein Hochamt der Mutter Gottes gefeiert, das denn, gegen die Katholiken gehalten, schlecht u. arm d. i. protestantisch ausfiel. Nachher ging ich zum Schaffner Panzer, von dem Du oft gehört hast, u. sah seine herrliche Bibliothek. Unser Nachbar Weber, der mit ihm einen groben Streit gehabt hat, darf sich schwerlich mit ihm vergleichen; er sitzt hier, was solche Studien anbetrifft, recht in der Wolle, u. treibt die alte D[eutsche] Literatur mit einer Genauigkeit u. Kenntnis, daß ich ihn hierin für den Ersten in Deutschland halte. Ich habe ihm versprechen müssen, noch einmal zu ihm zu kommen, da er nur Eine Gasse von mir entfernt wohnet; wir wollen sehen, ob sich noch eine Vierteilstunde dazu findet. Er hat mich mit einer Demut aufgenommen, daß ich mich jedesmal schämen mußte, wenn ich dabei an meinen Bücherkram gedachte. Seit 14. Jahren predigt er nicht mehr, sondern verwaltet das Amt des alten Seniors, der seit einer Reihe von Jahren völlige, wie sie sagen, gelehrte Ruhe genießet. Das ist alles ein reichsstädtischer Zuschnitt, von dem wir bei unserm Getreibe keinen Begriff haben. Nach mittag besuchte ich die Stadtbibliothek, wo ich einen jungen Mann kennen lernte, den ich für den besten Kopf in N. halte; es ist der Verf. der Vandalengeschichte, aus der ich Dir manches vom Könige Genserich p erzählt habe, u. die wir gar lesen wollten, außerdem furchtsam, fleißig, dienstfertig, ein liebenswürdiger Mensch. Nun wanderte ich aus der Stadt zum H. Rochus, wo ich Knebels Bild in einem Dürerschen Gemälde in Gestalt des Pfaffen sah, der die sterbende Pirkheimerin ölet. Sage ihm, daß ichs gesehen habe, u. daß er sich zu solchen Ölungen trefflich schicken würde; es war aber ein weiter Weg. Ich kam mit Ende des Tages müde nach Hause, u. arbeitete fleißig bis in die Nacht; der Rektor Vogel begleitete mich u. schickte mir noch 5. Quartanten von Meistersänger-Poesien, die mir aber nicht einwollten. Harders süßen Ton fand ich auch oft genannt unter den Gesangweisen.
Sonnabend stand ich früh auf, wie ich denn immer hier früh aufstehen muß, weil ich vor dem Gefahr u. Geklapper mit den Tonnen nicht schlafen kann, u. arbeitete fleißig, machte drauf ein paar notwendige blinde Besuche, wollte die Homannische Chartenfabrik sehen, die aber weil es Sonnabend war, nicht im Werk war. Dagegen unterhielt mich H. Monath mit ihrer Geschichte u. mit der ganzen Geschichte seines Hauses. Ich will sie noch sehen, wenn ich einen Augenblick erhasche. Ich kam nach Hause, u. fand den armen Vulpius auf mich warten. Erinnere doch Göthe an ihn; aus dem Menschen wird hier nichts, u. er geht verloren. Er hat mir Göthens Br. an ihn gewiesen, u. hat alle Hoffnung auf ihn gerichtet, ob ich gleich auch nicht sehe, wo man in W[eimar] mit ihm hinwill. – Bald nun kam der Fr. v. Hutten Wagen, bei der ich zu Mittag war; sie hatte eine artige Familie zusammen gebeten, die Stromers, u. nachmittage fuhren wir auch in den Stromerschen Garten, wo wir bis Abend waren. Die Gesellschaft war zahlreich; für mich aber fiel dabei nichts Erquickendes vor, obgleich viel sehr gute, gute Leute darunter waren. Sonntag hätte ich beim Kriegsrat von Haller unter seiner Familie in Gründlach sein sollen; ich verbat es aber, weil ich gern in der Korrektur meiner Preisschr. fortrücken wollte; ich habe seine Töchter nachher auf dem Konzert kennen gelernet. Mein Studium schritt aber nicht weit vor, Nachmittag kam der Hauptm[ann] Stromer zu mir, der lange blieb, u. mich in eine Abendgesellschaft führen wollte. Noch war er da, siehe da kam die Markgräfin aus Erlangen, die der Herz. Mutter ein Rendez-vous in Regensburg gibt; nun hatte alles Studium ein Ende. Beim ersten Tritt ins Wirtshaus frug sie nach mir, u. kaum war sie im Zimmer, als ich gerufen wurde. Diesen Augenblick ist sie fort, u. ich komme wieder zu mir. Daß sie, wie man sagt, sehr gnädig u. artig gegen mich gewesen ist, darf ich wohl nicht einmal sagen. Morgens, sobald sie angezogen war, ließ sie mich rufen, ließ den Prof. Hufnagel von Erlangen kommen, um mich kennen zu lernen, u. s. f.; indessen ist mir doch ein Tag geraubt, u. wie viele werden mir noch geraubt werden. Man lebt übrigens sehr leicht mit ihr, ob sie gleich einen viel ungebrochneren Fürstensinn, als die Herz. Mutter <hat>. Gestern um 6. Uhr nahm mich die Fr. v. Hutten in ein so genanntes großes Konzert, wo eine Harmonika (ohne Wirkung für mich) sich hören, u. die ganze vornehme u. schöne Nürnbergerwelt sich sehen ließ; völlig ein Konzert, wie ich sie einige Jahre in Riga gnug kennen gelernt habe. Da war mir also nichts neu. Heut Abend muß ich noch in eine Gartengesellschaft, der ichs nicht habe abschlagen können, u. am Tage will ich noch Einiges sehen, wo es eine Schande ist, es nicht gesehen zu haben; mit dem heutigen Jenaischen Wagen wollte ich schon mein Pack schicken u. mich freuen, daß ich von dem auch los wäre; aber es wird schwerlich gehen. Meine Zelebrität fängt mir an, so gar in Nürnberg beschwerlich zu werden, u. ich habe eben jetzt durch einen Gang auf den s[alva] v[enia] Abtritt mir einen Besuch zugezogen, der mir fast eine Stunde geraubt hat, vom Prediger Waldau. Tausendmal danke ich Dir für Deinen 2ten Br., ich bekam ihn ehegestern, eben da die Markgr. ankam, u. er hat mich sehr erfreuet u. gestärket. Schreibe mir viel u. oft; was Dir vorfällt; ich bin alsdenn so bei Dir, wie ich durch das Detail, das ich Dir vorsage, Dich bei mich zu setzen wünsche. Gott segne Dich u. die Kinder, liebe, liebe.
Grüße Alles, u. habe doch ja in Deinem Herzen keine Rivalität mit der Fr. v. F[rankenberg]. Was soll das? Du kennest mich ja ganz. Lebe wohl, Einzige, liebe, gute – Ich umarme Dich, Herz.
Ansbach den 21. Aug. 88.
Gestern Morgen habe ich Nürnberg verlassen, und am Mittage kam ich hier an. Knebels Familie ist eine außerordentlich gute Familie: seine Mutter eine so würdige, feste, verständige, muntre Frau, als es ihrer wenige gibt: seine Schwester hat eine außerordentliche Güte, u. eine schüchterne Zartheit, recht wie eine Taube: sein Bruder ist ihm sehr ähnlich, nur jünger u. fröhlicher wie Er. Auch drückt sich überall der Charakter des Landes hier mit aus, daß man bequemer, ungezwungener, natürlicher ist, u. lebet. Es herrscht eine Gutherzigkeit in diesem Hause, die äußerst wohl tut; und der Geist u. die originale Empfindung, die der Familie eigen ist, macht sie zu einem seltnen Kreise. Ich habe die Nacht wohl geschlafen, u. einen sehr angenehmen Morgen gehabt, indem ich zum Fenster hinaus in eine schöne Aussicht meine Pfeife rauchte. Nun denke ich allmählich weiter gen Süden hin u. je näher ich Augsburg komme, desto unruhiger werde ich, bis ich mich mit meinem Reisegefährten in Einem Wagen sehe. Sei doch so gut, u. laß für Knebels liebe Schwester, die Dir sehr gut ist, von Dalbergs Liedern die abschreiben, die sie noch nicht hat; es sind folgende:
Flattre, flattr' p Flieht, ihr meiner p |
||
Heiter sind des Schicksals p Auch hier ist Arkadien |
} } |
ich weiß den Anfang nicht |
u. wenn sonst welche sind. Sie hat nur den Schlaf u. den Gewinn des Lebens; auch Kaisers 3. kannst Du ihr abschreiben lassen u. sie Knebeln geben. Sie spielt so zart, als sie exsistiert u. empfindet. Ich wollte, daß ich ihr etwas Angenehmes schicken oder zum Denkmal lassen könnte: sie ist ein gar holdes Wesen. – Ein großes Pack mit der fahrenden Post über Jena wirst Du erhalten. Es sind unnütze Br. u. Bücher, die ich zurückschicke, u. für die Kinder Naschwerk. Das M[anu]skr[ipt] das ich an Göthe eingesiegelt habe, laß Dir von ihm geben u. bewahre es auf wie Alles, was ich so beiläufig schicken werde. Es sind alte Deutsche Sprüche u. Priameln. Nun lebe wohl, liebe Beste, Einzige, gute treue Seele. Ich bin in meiner Verbannung Dir näher, als ich Dir dort war, da ich auf meiner Stube, wie ein eingeschlossener, angeketteter Missetäter saß; nur freilich ists manchmal auch insonderheit Abends in wehmütigen Gedanken, denen ich indes nicht Platz u. Raum gebe. Deine Briefe sind mein Gebetbuch, u. ich hoffe in Augsb. bald welche zu empfangen oder zu finden. Grüße die Freunde, küsse, u. umarme die Kinder; seid meiner eingedenk, wie ich Euer tägl. ja stündl. eingedenk bin u. bleibe.
Weimar den 21. Aug. 1788.
Es ist an dem bester Freund, mein Mann ist den 6. dieses nach Italien abgereist; er hat mir aufgetragen es Ihnen zu schreiben, weil er in den letzten Tagen, noch mit zuviel Arbeit überhäuft ward u. nicht schreiben konnte. Er sagt Ihnen u. den Ihrigen das beste Lebewohl! Die Veranlassung zu dieser Reise, ist diese. Im Frühjahr, frug der jüngste Bruder vom Coadiutor in Mainz, Herr von Dalberg meinen Mann, ob er eine Reise nach Italien mit ihm machen wolle? – Der drückende Winter in dem mein Mann gelebt hatte, der Schmerz über den Verlust unseres Kindes, u. hundert andre Dinge, die meinem Mann manche Gemütsruhe raubten, ließen uns keinen Augenblick anstehn ja zu sagen. Wir hielten es für eine helfende Stimme Gottes. Denn gewiß, eine solche Gemütserholung, Veränderung der Gegenstände, reinere Luft u. Bewegung waren ihm höchstnötig geworden, wenn er noch sein Leben für die Seinigen fristen wollte. Gönnen Sie ihm also diese Erholung die nur ein Jahr dauren wird. Er hat den verflossenen Winter den 4. Teil der Ideen bis zum letzten Buch geschrieben, da er aber oft darinnen gestört war, so war die Arbeit nicht nach seinem Gefallen u. er wollte diesen Sommer das Buch umschreiben. Das konnte aber hernach nicht geschehen u. Sie müssen sich freilich noch ein Jahr gedulden. Der Teil der kommt ist der interessanteste wichtigste für uns alle. Sie werden durch ihn für alles entschädigt werden. Er hat die Plastik u. übers Erkennen u. Empfinden mit nach Rom genommen. Falls er die beiden Bücher dort umarbeitet, wie er Lust hatte, u. sie zum Druck herausschicken will, so werde ich sie nach seiner Vorschrift bei Schirach drucken lassen. Ich hoffe daß Sie ihm Ordre gegeben haben, alles zu befolgen was mein Mann zu drucken wünscht. Täglich erwarte ich die Schwester meines Mannes aus Mohrungen, die mit ihrem kränklichen Körper noch die Reise zu uns zu tun unternommen hat. Mein Mann hat ihr noch einen Wechsel von 50 R[eichstalern] geschickt u. ich will sie pflegen u. warten. [ . . . ]
Nun leben Sie wohl Bester Freund. Gott sei mit Ihnen, segne Ihre Mühe u. lasse Sie auch an dem was Sie für uns getan haben, Belohnung finden. Noch lege ich Ihnen ein Zettelchen bei, ein Auszug eines Briefes aus Moskau; es betrifft den unglücklichen Lenz. Vielleicht können Sie das harte u. unmenschliche Herz des Vaters erweichen, daß er den unglücklichen Sohn zu sich nimmt u. ihn dem Gespött der Menschen entzieht. Ihrer lieben besten Frau, sage ich viel tausend Gutes, dem wackern Sohn auch. Gott gebe Ihnen Glück u. Freude an den Ihrigen u. sei mit Ihnen!
Ihre eigene Carol. Herder.
[ . . . ]
Ansb. den 21. Aug. [1788].
Aus Nürnberg, lieber K., habe ich an Sie nicht schreiben mögen, weil ich zu zerstreuet war; jetzt schreibe ich am Tisch Ihres Bruders, in einem so angenehmen u. hübschen Zimmer, als der Morgen u. die Aussicht schön ist. Ich habe Ihrem Wegweisenden Blatt treu nachgelebt, u. Sie also als den autor classicus meiner Fränkischen Reise betrachtet; nur angefahren bin ich nicht vor dem Hause Ihrer Familie, weil ich auf Ihrem Zettel fand, daß wenn man von Nürnberg um 5. Uhr ausführe, man um 10. Uhr in Ansb. ankommen müsse; ich kam aber, da ich die lange Allee hin meistens geschlafen hatte, u. also der Fuhrmann um mich nicht zu wecken, langsam gefahren war, erst halb 12. Mittags an. Ich stieg im Stern ab, Ihr H. Bruder, der Ihnen außerordentlich gleicht, nur daß er jünger, flüchtiger, fröhlicher, also auch toller u. kühner als Sie ist, besuchte mich sogleich, weil vom Tor aus die Nachricht zu ihm erschollen war; u. ich habe den gestrigen Nachmittag in Ihrer Familie fast wie eingeboren gelebt, diese Nacht in gegenwärtigem herrlichen Zimmer, wie ein Prinz geschlafen, meine Pfeife zum Fenster hinaus mit Ihrem Bruder fröhlich geraucht, u. will jetzt an seinem Schreibtisch Ihnen dies signaculum vitae schreiben, daß wenn Sie einst herkommen u. auch in diesem Zimmer sind, Sie sich auf dem ledernen Stuhl meiner erinnern mögen. Ihre Frau Mutter ist eine so brave Frau, daß sie so tolle u. gute Söhne zu haben verdient: Ihre Schwester ist ein in ihrer Art einziges, zartes Wesen. Mir war beim ersten Anblick, als ob ich sie schon einmal gekannt hätte u. nur nicht hinzubringen wüßte; von Stunde zu Stunde ward sie es immer mehr. Ein sonderbar-schüchternes Täubchen an Bescheidenheit, Güte u. wunderbarer Zartheit der Seele. Alles hängt an Ihnen, lieber alter Mönch, zumal Ihre Schwester; u. ich kann Ihnen nichts bessers wünschen, als im Kreise Ihrer Familie einmal die Tage leben zu können, die Ihr Herz wünschet u. auf die Ihre Seele feuret. Ich, für mich, danke Ihnen tausendmal, daß Sie mir diesen Zutritt u. gütige Aufnahme, über die ich ganz beschämt bin, verschafft haben; Sie selbst kenne ich jetzt viel besser, d. i. erklärbarer, als ich Sie bisher kannte. Nun gehts bald Ihren Geburtsort vorbei, u. ich werde mich, wenn ich das Schloß ansehe, so wie den ganzen Ried herunter, Ihrer oft erinnern, wie ich es außerdem auch gnug tue. Von Augsb. aus schicke ich Ihnen Ihr letztes Blatt, zu dem ich noch nicht habe kommen können, wieder. Denn lege ich Deutsche Sprache u. manches andre hinter mich; nur die Meinigen, unter welche auch Sie gehören, nehme ich über die Alpen mit hinüber. – Sonst mag ich über meine Reise u. Ausflucht noch keine Resultate <ziehen>; alle Resultate taugen nichts, wenn man sie von <einem> so unvollkommenen Anfange sondert. Leben Sie wohl, lieber Guter, u. denken an mich zuweilen mit Güte u. Freundschaft. In der Entfernung seid Ihr mir alle viel näher, als Ihr mir in der Thüringschen Atmosphäre waret: ich rücke Euch aus dem dortigen Nebel u. Ihr seid andre Gestalten. Ich hoffe auch, eine dergleichen zu werden. Leben Sie wohl, Lieber, u. gedenken meiner an einem so schönen Morgen, als an welchem ich jetzt an Sie schreibe.
H.
Augsburg, 23. 8. 1788
Auf welche Weise soll ich Ihnen, holde zarte Seele, den sonderbaren Eindruck bezeugen, den ich aus Anspach, u. am meisten von Ihnen, mit mir genommen habe. Ich kannte Sie lange schon aus herzlichen Reden Ihres Bruders, u. aus einigen Ihrer Briefe an ihn selbst; ich gestehe es Ihnen aber gern, daß ich auch jetzt die neue Erfahrung machte, die ich in andern Fällen so oft gemacht hatte, daß Worte u. Reden etwas anders als Gegenwart u. Dasein, daß Seele u. Herz endlich etwas anders sein, als sich je durch Bild u. Sprache ausdrücken läßt. Ich will Ihnen nichts sagen, was sich zudem auch nicht sagen läßt; aber liebe, reine u. treue Seele, ob ich Sie gleich noch immer als ein entferntes, heiliges Wesen, wie eine Nonne unter dem Schleier u. hinter dem Gitter betrachte, so weiß ich doch mehr als gnug von Ihnen, um Sie mit der innigsten Teilnehmung an Ihrem innern Wesen, an Ihrem Taubenzarten Charakter, u. ich weiß nicht an welchem Je ne sais quoi einer eignen, andern Welt, das Ihr Blick u. ganzes Betragen bis auf die kleinste Gebärde hat, hochzuschätzen u. zu lieben. Ich weiß nicht, ob ich Sie je wieder sehen werde; gönnen Sie mir aber Ihre Güte u. Freundschaft. Wie sehr wünschte ich, daß ich Ihnen, zarte Seele, je nur Etwas sein könnte; es war, da ich von Ihnen wegging, meine Hauptempfindung, daß ich Ihnen nichts, gar nichts gewesen war, noch hatte sein können.
Mit Ihrem Bruder habe ich die vergnügteste Reise gemacht; er wird es Ihnen selbst sagen. Von Stunde zu Stunde wurden wir einander näher; u. ich hätte ihn so gut, als gar nicht kennen gelernt, wenn ich nicht mit ihm gereist wäre. Ich wollte, daß ich auch mit Ihnen so reisen könnte, oder nur die 8. Tage, die ich in Nürnberg zubrachte, bei Ihnen zugebracht hätte. Doch auch dieses haben die Götter also gefüget; darum es denn gut ist.
Der Fr. G. Rätin küssen Sie, liebe Schwester, in meinem Namen aufs dankbarste u. liebevollste die Hand. Ihre mütterlich-muntere Stimme, mit dem heitern, zufriednen, gütigen Anblick sind mir noch im Ohr u. vor Augen.
Leben Sie wohl, lieber zarter Engel in Ihrer holden Einsiedelei, in der Sie mit Ihrem Blick u. Ihrer Seele wohnen. Denken Sie zuweilen gütig an mich, ich werde auch jenseit der Alpen oft an Sie denken. Grüßen Sie Ihren Weimarischen Bruder, der jetzt wieder, wie meine Frau mir schreibt, in Jena ist, von mir aufs beste. Leben Sie mit Ihren beiden Freundinnen aufs beste wohl.
Herder.
Augsburg den 23. Aug. [1788].
Gestern Abend bin ich hier angekommen, eben um Mitternacht mit dem Schluß des Tages, in Begleitung eines recht liebenswürdigen Mannes, des jüngsten Bruders unsers Knebels. Er ist, was man sagen kann, ein liebenswürdiger, biedrer, guter, treuer, sittlicher Mensch, der die Knebelsche Laune so hübsch gedämpft u. heruntergestimmt hat, daß es einem bei ihm recht wohl wird, ob er gleich hie u. da etwas zu furchtsam u. gut ist. Er wollte mich, mit Gewalt, bis Donauwerth begleiten, u. begleitete mich bis Augsburg, weil es uns beiden zusammen recht wohl war, u. heut früh haben wir zusammen die Merkwürdigkeiten Augsb. besehen, die wir heut Nachmittag mit guter Weile beschließen können und wollen.
Heut morgen, da ich aufwachte, war mein Erstes auf die Post zu schicken, ob Briefe von Dir dawären; eine gewisse Unruhe hatte mich nach Augsburg getrieben, von der ich keinen Grund wußte, da es mir im Knebelschen Hause so äußerst wohl ging; und siehe ich fand Briefe. Zuerst einen Brief von Dir, eine Antwort auf meinen ersten Bamberger n. 3., der so erquickend, lieb u. heiter für mich war, daß ich den ganzen Tag mehr geschwebt habe, als gegangen bin unter diesem viel schönern Himmel, u. in einer Stadt, die die heiterste Stadt ist, die ich in Deutschland gesehen habe. Wie eine Taube kamst Du mit Deinen zwei kleinen Täubchen zu mir geflogen, u. hast mich ordentlich umschwebet. Wunderbar ists, daß Du mich fragst, ob ich in der Nacht vom Dienstag auf den Mittwoch in Nürnberg an Dich gedacht habe? so sonderbar innig und gleichsam unwillkürlich an Dich gedacht, daß ich glaube, Du müßtest es empfinden. Es ist mir ein neuer Beweis, daß Seelen auch in der Entfernung untrennbar zusammenhangen, u. dieser Glaube, u. sein neuer Beweis soll mich auch in unsrer Untrennbarkeit stärken. Du bist mein, u. Du sollt mein sein: ich will Dich mit Geistesarmen zu mir ziehen u. an mir halten.
In Anspach kann ich Dir nicht sagen, mit welcher Güte ich aufgenommen bin, u. wie ich, nachdem das erste Anstaunen vorüber war, die wenigen Stunden der anderthalb Tage recht brüderlich unter diesen seltnen Geschwistern gelebt habe. Knebels Bruder ist ein trefflicher Mensch, ganz Herz u. Familiengüte, unnennbar weich u. doch elastisch, schnell u. bieder. Knebels Schwester ist ein sonderbares Wesen, gar nicht schön, aber sie hat was fremdes, außerweltliches in ihrem Auge, u. ist zart u. eingezogen, wie eine Taube. Ich habe ihr versprochen, Deine Silhouette für sie zu erbitten; ich bitte Dich gar sehr, schicke sie ihr doch u. schreibe ihr einige Zeilen. Sie sind bei ihr so wohlaufgehoben, als nicht leicht bei jemand, in einem jungfräulichen, stillen Heiligtum. Auch laß Gottfried unter den ungebundnen Büchern das Leben von Turenne aufsuchen; es ist in Quart auf Postpapier, von Zanthier; Du erinnerst Dich, daß Reich es mir schickte. Das gib doch an Knebel, daß ers Maxen, seinem Bruder mit Gelegenheit schicke, zum Andenken. Ich habe es ihm versprochen; u. dafür von ihm ein Andenken, Geßners Idyllen genommen. Es ist ein gar lieber, biederherziger Mensch. Er ist, da ich dies schreibe, von Augsb. fortgereiset.
Mein Br. wird konfus; denn ich habe ihn oft abbrechen müssen u. kehre zum Anfange zurück. Heut ist der 24. Aug. Sonntag, der Tag unsrer Verlobung im Geist, da ich Dir den ersten Br. brachte. Ich habe Dich 1000. 1000mal lieber, als da ich ihn Dir zitternd gab; o glaube es doch, glaube es mit Herz u. Seele, Du vielgeprüfte, gute, Lieb- u. Aufopferungsreiche Heldenseele. Du hast mich zu Allem gemacht, hast seitdem für alles gesorgt u. Dich für mich auf 1000.fache Art hingegeben. Und was habe ich Dir getan? u. wie kann ichs Dir vergelten? Sorge für Dich u. die Deinen, schone Deiner Gesundheit, u. wir werden, ich bins gewiß wie meines Daseins, ein neues bräutliches Leben führen, ja glücklicher, als das alte war: denn wir sind weiser u. am Ende doch auch besser geworden. Ich fühle es ganz, daß unsre kurze Trennung ein wahres Geschenk ist, das uns die ewige Güte zuwandte. Reiß allen Zweifel aus Deinem Herzen u. sei mit Deiner guten, starken Seele bei mir, mit Deiner lieben süßen Gestalt vor mir u. zu meiner Seite. Amen.
Mit Deinem Br. empfing ich zugleich auch einen von Dalberg u. Einen von der Fr. v. Fr[ankenberg]. Über die letzte würdest Du kein, kein Fünkchen Eifersucht haben, wenn Du sie sähest u. ihren Zustand in Gotha kenntest. Ich will einige Reihen an sie beilegen, oder den Br. besonders gehen lassen, wenn er zu dick wird: denn Werner schreibt auch. Dalberg hat seine Ankunft auf morgen oder übermorgen im Briefe zugesagt, u. geschrieben, daß er für die Zögerung mir ein angenehmes, unerwartetes Geschenk mitbringe. Ich dachte hin u. her, was es sei; gestern Abend ließ sich ein Geistlicher von hier melden, mit dem Zusatz, daß er von meinem Reisegefährten mir eine nötige Nachricht zu geben habe. Sie bestund darin, daß Dalb. morgen eintreffen werde, welches ich schon wußte; die Fr. v. Seckendorf auch, welches ich freilich nicht wußte. Siehe, Du hast wieder wohlgeraten; sie hat doch die Reise nach Italien durchgetrieben, u. jetzt ist offenbar, warum er Aufschub machte. In manchem Betracht mags gut sein; in anderm vielleicht nicht; doch ich nehme alles als gut auf, was mir auf der Reise zustößt: denn ich kann nicht sagen, wie gut mir alles gehet, wie gut mich alles aufnimmt, u. wie mir alles glückt über Erwartung. Die mich kannten, haben sich von mir alle einen andern Begriff gemacht: die mich nicht kannten, beweisen mir lauter unerwartete Güte u. Freundschaft. Der gestrige Geistliche, der übrigens gar nicht nach meinem Sinn ist, hat sich recht aufgedrungen, mir zu dienen, u. auf heut vormittag 2. Domherrn angemeldet, die ich denn sehen werde. In Augsb. wird es mir also wahrscheinlich gehen, wie es mir in Nürnberg ging, u. meine arme 2te Preisschrift wird mit Mühe zu Ende gebracht werden. Ehrenhalber muß ich die hiesige protest. Kirche besuchen; den Kathol. Gottesdienst möchte ich denn auch sehen, weil heut Kirchweih ist. Nach dem Äußern der Stadt muß inwendig alles sehr splendid zugehen; das Verfallende von N[ürnberg] ist hier weniger merkbar, weil die Stadt eine bessere Verfassung, u. eine glücklichere Lage hat. Ich bin in ihr unter lauter glücklichen Auspizien erwacht, u. sehe sie, da sie der Schlüssel zu Italien ist, auch als den Schlüssel meiner Reise dorthin; mögen die Götter u. Genien meine bescheidene, demütige Hoffnung erfüllen. Doch sie tun mehr, als wir gedenken; u. ich traue es meinem u. Deinem Gott zu, daß er auch gegen uns die unendliche Liebe u. Güte sein wird.
Lebe wohl, Geliebte, mit Deinen u. meinen Kindern. Du hast sie jetzt alle wieder um Dich: sei Ihnen Vater u. Mutter, wie Du es ja allein immer warest. Noch hoffe ich hier in A. einen Brief von Dir, u. will Dir auch noch, wenn D. ankommt u. ich weiterhin sehe, einen schreiben; Dir denn auch melden, wohin Du weiter die Br. adressierest. Auch in diesem Betracht ist alles so gut gegangen: Dein Br. an mich war nur Einen Tag früher eingetroffen, als ich selbst.
Noch muß ich Dir sagen, daß mich in Anspach Uzens Bekanntschaft sehr erfreuet hat; er ist der Pendant zu Gleim, nur eingeschränkter u. nicht so auswerfend, weil er nicht so begütert ist, wie jener; aber auch ein Dichter nach der alten Art, dabei sehr aufgeweckt u. bei seinem Alter wie ein Jüngling lustig. So ein inkorrekter Schriftsteller als ich bin, hat er doch mit weinendem Auge von mir Abschied genommen, welches denn der erste Fall ist, den Knebels bei ihm gesehen haben. Auch bei dem G[eneral]Sup[erintendenten] Jungheim habe ich nicht vergessen das Handwerk zu grüßen, u. einen großen, stattlichen Geistlichen an ihm gefunden, über den Uz mir aber 1000.mal lieber ist.
Nun lebe nochmals wohl, liebe Beste, lebt wohl Ihr lieben Kinder, Du guter Gottfried u. lieber Aug. u. braver Wilhelm u. Du wackrer Adelb., u. liebes Luischen u. Du kleiner goldner Emil, lebt wohl alle u. feiret morgen meinen Geburtstag mit Freude u. Liebe. Grüße Göthe, die kl[eine] Schardt, die Fr. v. Kalb, wenn sie da ist, die Fr. v. St[ein], wenn Du zu ihr kommst, oder an sie schreibest, die Fr. v. Imhof, der ich ein gutes Testament ihres elenden, gnug gestraften Mannes wünsche. (Denke nur, er ist zuletzt ganz herabgesunken, u. wie man sagt in einer Mönchskutte begraben worden. Es wird für die Herz. abermals ein schlechtes Augurium sein, wenn sie es in München erfährt.) Grüße auch Kn[ebel] von mir recht freundlich; ich habe ihn seiner Familie wegen noch einmal so lieb u. danke ihm viel Gutes auf meiner Reise. Lebe wohl, liebes Weib, Du mit Deinen Kindern mein einziger Schatz auf Erden. – Die Jungf[er] Schwarzin grüße auch, ich hoffe, sie wird Dir beistehn u. Dir Deine Last erleichtern. – Werner führt sich recht wohl auf. – addio, cara mia.
Augsb. den 25. Aug. [1788].
Liebe, beste! Ich kann meinen heutigen Geburtstag, ob es gleich gegen Mitternacht ist, nicht anders schließen, als daß ich noch einige Worte des herzlichsten Danks, der Liebe u. Freude an Dich schreibe, u. Dich um Deinen Segen zu meiner Wiedergeburt u. Reise bitte. Dalb. ist mit der Fr. v. S[eckendorff] hier, heut Abend angekommen, u. wir sind alle drei, wie drei Geschwister u. Kinder fröhlich. Laß Dir die Geschichte meines hiesigen Daseins seit dem Schluß meines vorigen Briefes zuvor erzählen.
Ich schloß ihn gestern früh u. ging, weil ich es ohnedem nicht ablehnen konnte, in die vornehmste Protestantische Kirche, wo ich das Augsburgsche Frauenzimmer alles vor mir hatte u. sie in einer langweiligen Predigt gnugsam übersehen konnte. Nachher eilte ich zur Katholischen Kreuzkirche, wo Kirchweih war u. der Prälat mit Inful d. i. der goldnen Prälatenmütze u. dem Stabe thronte p Kaum war ich zu Hause, so kamen 3. Domherrn zu mir, deren Einer mir Dalbergs Ankunft auf morgen, der andre der Fr. v. S. Ankunft mit ihm meldete. Ich aß, trank Kaffee, u. ging wieder zur Kirche; eine Lustfahrt aufs Land hatte ich abgelehnt u. wollte arbeiten. Es ging aber nicht u. ich hatte einen trägen, einsamen Abend, weil ich vom frühen Aufstehen u. dem Tage ermattet war; ich ging also zu Bett, u. wartete, was es morgen, als an meinem Geburtstage geben würde. Um 5. Uhr Morgens wachte ich auf, u. was mir zuerst einfiel, war der Gesang der 3. Männer im feurigen Ofen. So possierlich das klingt, so war es mir ein bedeutendes, schönes Motto zu meinem neuen Jahre. Lies ihre Geschichte im Daniel u. unter den Apokr[yphischen] Büchern den Gesang selbst; Du wirst es schön u. treffend finden. Auf einen Br. von Dir hoffte ich nicht, weil ich hörte, daß die Post erst Dienstag käme. Ich arbeitete also stille fort, bis mein Diakonus kam u. mich zum Ausgehen abholte. Ich ging mit ihm zum Senior Tegmeier, von da zur Stadtbibliothek, wo schöne Sachen sind u. so war der Mittag zu frühe da. Ich hatte während der Zeit meine Sachen auf ein andres Zimmer bringen lassen, weil das vorige mir zu klein u. melancholisch gewesen war, u. als ich in mein neues trat: siehe, da trat Werner mit Deinem u. der Kinder Br. vor mich. Welch vergnügtes Mittagsmahl ich gehabt habe, kannst Du nicht denken, goldne, liebe. Ich danke Dir für jede Zeile, auch den 4. Kindern u. küsse Euch alle im Geist, ja ich habe Euch 100.mal geküsset. Ich esse wunderbar wenig, u. alle Wirte wundern sich, wovon ich lebe; es muß an der Luft u. an der Veränderung der Gegenstände liegen, von denen ich satt werde. Nachmittage ging ich zum Senior Urlsberger, der mich Tags vorher besuchte, wo ich die schönste Bibliothek eines Privat-Manns voll rarer Sachen fand u. noch darin stünde, wenn nicht der Domherr Ulm mit dem Domhrn. Hompesch gekommen wäre, welcher letzte von Aichstedt Dalbergs wegen hergekommen war, u. ein lieber Mensch ist. Ich ging mit ihnen zu Ulm, der mir viel Gefälligkeiten erwies, kam nach Hause, u. als ich mich kaum zu Tisch gesetzt hatte, blies der Postillion u. Dalb. war da. Der vorige Bediente ist nicht mit ihm, sondern ein ehrlicher guter Kammerdiener; die Fr. v. S. hat ihre Kammerjungfer mit sich: statt des vorigen Wagens ist ein 4.sitziger, den Wern[er] für sehr prächtig hält, ich aber noch nicht gesehen habe. Wern. wird sich zu diesen beiden wohl passen, u. ist mit der Veränderung sehr zufrieden. Ich auch, ob ich wohl glaube, daß es mit dem Gepäck schwer hergehen wird u. ich meinen Koffer wohl werde zurücksenden müssen. Doch das wird auch der morgende Tag lehren, u. wie ich hoffe, alles sich wohl arrangieren, weil wir alle drei Ein Herz u. Eine Seele sind. Bis jetzt ist geplaudert; Hompesch war auch schon hier, den D. sehr lieb hat. Dich hat er auch recht lieb u. ich habe ihm Deinen Willkomm herzlich gegeben; sie schlafen, nun will ich auch schlafen u. morgen, wenn ich mehr weiß, den Brief fortsetzen. Für heute habe den süßesten Dank für Deinen Br., an Aug. Geburtst., zu meinem Geb.tage u. zu Adelb. Geb.Tage geschrieben, der so wohl u. erfreuend traf. Ihr lieben, werft mir Kränze zu, u. Du weißt sie mit einer Genauigkeit u. Liebe, wie eine Griechin, die Du auch bist, zu werfen. Schlafe wohl, liebes Herz, schlaft wohl, Ihr Sprößlinge um den Palmbaum der Mutter! Schlaf wohl, liebe! u. verzeih, daß ich Dir so manche Kleinigkeit beinah Stundenzählend schreibe. Wenn Dirs nicht hilft, so hilft es mir; u. wird mir, statt eines Journals der Reise Erinnerung werden. Wohlan denn, mein Geb. T. hat sich gut geendet, u. ich singe den Gesang der 3. Männer mit tiefer Anbetung. Singe ihn mit mir, Du Engel der Erquickung, der Errettung, u. treuen Liebe. Gott mit Euch! Amen: denn es hat Mitternacht geschlagen.
Guten Morgen. Ich habe mit der S. gesprochen, u. es wird sich alles gut arrangieren. Mein Koffer kommt hinten oben auf, u. ich will, nachdem ich mit D. durchgegangen bin, ob ich entbehrliche Bücher habe, sondern u. zurückschicken, was ich nicht brauche. Werner sorgt für sich u. hat Kostgeld: das übrige geht auf D. Rechnung. Die Kaiserlichen Dukaten will ich behalten; das übrige Geld hier umsetzen, wo ichs mit Vorteil tun kann, oder auch behalten, oder in seine Kasse liefern. Er ist jetzt bei dem Banquier, wohin er mich, ich weiß nicht, weshalb nicht mitnehmen wollte. Wir gehen nicht über München, sondern Inspruck, welches mir auch lieb ist; die übrige Reise ist noch nicht bestimmt; es scheint, er hat Lust nach Venedig. Mir ist alles Gleich, u. er ist sehr folgsam. Ehe dies Alles arrangiert ist, bin ich unruhig, daher ich jetzt auch den Brief schließe, u. Dir etwa noch vor der Abreise, oder aus Inspruck schreibe. Wenn Dein Br., den Du mir noch versprochen hast, nicht ankommt, lasse ich auf der Post Bestellung – ich nehme überhaupt noch von Dir aus Deutschland nicht Abschied, weil ich noch wenigstens aus Trident oder Inspruck schreibe. Hier ist ein Brief an die Fr. v. Diede, schicke ihn mit Wielands 3. T[eil] vom Lucian fort u. schreibe einige Zeilen dazu. Grüße alles was ich neulich genannt habe, auch die Mad. Schmidt. – Mit Hetzer ists kurios, schreibe mir doch von ihm weiter. Die Markgräfin ist von ihrem Rendezvous hier, hat mir aber ihr Dasein nicht melden lassen, also habe ich sie nicht gesehen u. von der Herzogin nichts erfahren. – Das Einzige, was dem Wern. wehmacht, ist daß er als 4ter im Wagen sitzen soll; weil die andern beiden nicht rückling fahren können, u. mir ists selbst unlieb. Doch von dem Allen aus Inspruck. – Lebe wohl, Liebe, wir sind die Stadt durchgangen u. es geht zu Mittag. Lebt wohl.
Den 26. Aug. – Gottfr. Geburtst. will ich im Geist u. Andenken feiren.
Augsburg, 26. 8. 1788
Hier, liebe, hast Du auch die zweite Preisschrift; die erste wirst Du von Nürnberg aus empfangen haben. Behalte beide bei Dir, u. nimm Dir die Mühe, sie mit den Korrekturen genau durchzugehen, denn ich habe sie in den größesten Zerstreuungen durchackert. Ich werde Dir bald weiter schreiben. Morgen früh gehts nach Inspruck. Lebe wohl, u. adressiere Deine Br. durch Göthens Bekanntschaft gerade auf Rom, oder auf die Römische Straße Bologna oder Florenz, poste restante. Es ist besser, daß ich warte, als daß die Briefe verloren gehen. Nach Venedig gehen wir nicht; vielleicht auch nicht nach Mailand, u. in Verona kommt Dein Brief vielleicht zu spät, doch will ich nach der Post allenthalben in den Hauptstädten fragen. Lebe wohl.
Den 26. Aug. Abend.
Augsburg, den 26. Aug. 88.
Ich war in einem so großen Taumel, ehe u. da ich Weimar verließ, daß ich keinen Augenblick fand, diesen zurückgelegten Lucian, den ich bei meiner Rückkehr selbst abholen werde, mit einem Schreiben zu begleiten, u. Ihnen, einzige Frau, für Ihre tausendfache Güte u. Großmut zu danken. Ihre liebreichen Hände erstrecken sich weit, u. Sie haben mich mit Briefen versehen, denen ich kaum werde ein Gnüge tun können: denn in manchen werden Sie mich nach Ihrer Seele, nach Ihrem Herzen gemessen haben, u. da werde ich ziemlich beschämt werden. Doch Alles kommt ja aufs gute Glück, Leben u. Reisen, zwei wahre Abenteuer, insonderheit darauf an, u. also werden u. wollen wir unser Heil versuchen. Gestern Abend ist Dalberg hier eingetroffen, u. morgen oder übermorgen gehets fort. Die Fr. v. Seckendorf ist mit Dalberg gekommen, u. gehet mit uns auf die Reise; wir sind alle, wie alle Collegia sein müssen, Drei. Wünschen Sie uns Glück auf die Reise, holde Frau, u. segnen mir zuweilen nach in Ihrem Andenken, wie ich weiß, daß Sie es gewiß tun werden. Sobald ich in Italien, in Ihrem Lieblingslande bin, lasse ich von mir zwar nicht hören, sondern lesen; u. wenn es aus Vicenz sein kann, um so lieber. Meine Frau habe ich über alle Vorstellung, die wir uns machten, erschüttert u. bewegt verlassen; sie sammlet u. fasset sich endlich aber, wie ihre Briefe zeigen. Die Gore's sind den 16. weggereiset, u. der Herzog hat sie bis Leipzig begleitet; die Herzogin Mutter den 15., u. ist über Schlez, Eger p gegangen, nach Regensburg, wo ihr den 20. die Markgräfin aus Erlangen ein Rendevous gegeben. Ich ging den 6. Aug. aus Weimar, über Gotha, Schmalkalden, Meinungen p Nürnberg, Anspach, bis ich jetzt hier bin. In Lane habe ich das Lichtensteinsche Haus gesehen, aber so gut nur als gesehen, weil ich über Nacht nicht bleiben konnte. Die Gräfin Rothenhan insonderheit ward mir nur ein Anblick von wenigen Minuten, u. die Walmoden war 2. Tage vorher fort. Rotenhan habe ich in Bamberg kennen gelernet. Meine Reise ist äußerst glücklich bis hieher gewesen, u. ich hoffe, sie werde es fernerhin werden. Alles kommt mir mit so vieler Güte zuvor, u. es fügt sich Alles so gut, daß ich die frohesten Augurien schöpfe. Erhalten Sie mir Ihre Gnade, Liebe u. Freundschaft, edelste Frau, ich nehme Ihr Andenken über die Alpen u. werde es da oft erneuren. An den H. G. R. meine schönste, beste Empfehlung u. Wünsche, bis auf ein glückliches Wiedersehen auf Ihrem Monte ameno. Leben Sie wohl, einzige Frau, ich küsse Ihnen mit unnennbarer Hochachtung, Liebe u. Verehrung die Hände.
Herder.
Insbruck den 29. Aug. 88.
Den letzten Brief schrieb ich Dir, Liebe, vor meiner Abreise aus Augsb.; mir wird sonderbar enger ums Herz, da ich immer weiter von Dir rücke u. in wenigen Tagen nun Deutschland hinter mir sehen werde. Doch meine Wünsche sollen u. werden auch über die Alpen fliegen, u. Du wirst bei mir sein, mich ermuntern u. stärken, wie u. wo ich auch lebe.
Unsre Reise hat sich nun freilich ganz verändert. Sonst war ich frei; jetzt bin ichs minder, indessen wie sich in einem Sack alles zusammenrüttelt u. schüttelt, so auch hier. Unser erste Reisetag war regnicht u. unangenehm; das Wetter klärte sich aber am folgenden Tage auf, u. heut ist ein entzückender Morgen gewesen. O was Tirol für ein schönes Land ist! prächtige Berge, gutherzige, naive Leute; hier in Inspruck schon ein halb-Italienischer Himmel, wirklich schon blauer, als wir ihn dort zu sehen die Ehre haben. Der Inn ist ein prächtiger Strom, u. macht die schönsten Gegenden, Amphitheater von Felswänden, lachende Wiesen, Felder voll Welschen Korns u. f. Aber die Regierung, Verfassung u. Einrichtung? O weh, weh! – Unter den alten Tirolergrafen muß das Land einzig u. glücklich gewesen sein; die Zeiten aber kommen nicht wieder.
Wie sehr freuete ich mich darauf, einen Br. von Dir hier vielleicht zu finden; ich fand ihn nicht, wohl aber einen von Knebels Bruder, der sehr herzlich u. mir auch lieb war. Gewiß finde ich ihn also in Trient, weil Du schriebst, daß ich noch in Deutschland haben sollte. Ihr werdet an meinem Geburtstage an mich gedacht haben; ich gewiß auch an Euch, u. an Dich, lieber Adelbert, weil es Dein Tag war, vorzüglich. Sei Deiner Mutter und dem Hrn. Schäfer hübsch gehorsam, u. werde ein braver Mensch, so wirst Du mich sehr erfreuen, wenn ich den folgenden Geburtstag wieder mit Dir feire. Deine Gesundheit, lieber Gottfried, haben wir gestern alle drei, der Hr. v. D., die Fr. v. S. u. ich, mit des Hrn. G. R. Göthes seiner, jede besonders getrunken; den Segen, den ich Dir aber in meinem Herzen erteilte, da ich allein in meinem Zimmer in die Gegend zu Euch hinaussah, gab ich Dir allein u. besonders. Werde gesund, fest u. stark in allem Guten, lieber Junge, ich küsse Dich herzlich.
An Göthe mag ich aus Deutschland nicht; ich will aus Rom an ihn schreiben. An Kn[ebel] schicke diesen Brief, es ist ein Blatt von ihm, das ich auch, wenigstens zwischen den Alpen, zurückfliegen lassen will. Grüße ihn bestens; Göthe, die Fr. v. Stein, Schardt, Kalb ppp versteht sich. Die HerzoginMutter hatte vor wenigen Stunden das Wirtshaus verlassen, als wir heute hier ankamen; hätten wir gestern ein paar Stationen mehr gemacht, so hätten wir sie hier begegnet. Es ist gut, daß es nicht geschah, u. wir werden sie jetzt schwerlich als in Rom treffen, weil wir unsern Weg über Ancona u. Loretto nehmen wollen, um bald in Rom zu sein; sie gehet rechts, wir links, u. sie macht einen größern Umweg.
Sonst kann ich Dir von unsrer Reise noch wenig schreiben. Dalb. ist herzlich gut, munter u. fröhlich; die Fr. v. S. ists gleichfalls; nur etwas schüchtern. Der Kammerdiener u. die Jungfer sind gute Leute: Werner führt sich brav auf, u. alle haben ihn wert. Indessen ist das Alleinreisen doch immer etwas Anders; Freiheit! Freiheit! Wir wollen eilen, was wir können, daß wir in Rom sind; u. Du, Liebe, mache alsdenn, daß ich viele Briefe von Dir finde. Wenn Du mir nicht im nächsten Briefe was bestimmtes darüber meldest, werde ich sie bei Buri, oder der Angelika, oder auf der poste restante suchen; mache ja aber, daß ihrer viel da sind, u. siehe das Porto nicht an. Ich muß solange fasten; Dir aber will ich fleißig, treu u. redlich schreiben, so oft ich kann.
Lebe wohl, liebe! lebt wohl, Ihr Kinder! und auch außer den 2. vorgenannten, Ihr andern, August, Wilhelm, Luischen u. Adelbert, lebt wohl, Ihr lieben. Wahrscheinlich schreibe ich noch aus Trient. – Ein Päckchen unbeträchtlicher Sachen wirst Du aus Augsb. erhalten haben, oder erhalten; ich konnte sie indessen nicht mitnehmen; u. die zweite Preisschrift mußte doch vor sich auf die Post gegeben werden. Wird mirs recht, so will ich noch diesem Briefe, die Vorrede beilegen, die an Voß zu schicken ist; wo nicht, so behalte beide, bis ich Dir diese übermachen kann, u. siehe beide Bücher indessen, ob es wohl eine beschwerliche Arbeit ist, genau durch. Lebe wohl, liebe, beste; ich umarme Dich aufs innigste, u. bin Dein mit Herz u. Seele.
H.
Die Vorrede ist fertig worden. Laß sie, wenn sie Dir gefällt, durch den Gottfr. 2. mal abschreiben u. schicke sie, wenn Du die Exemplare genau durchsehen u. gegen diesen Brief nichts einzuwenden hast, neben den korrigierten Exemplaren an Voß nach Berlin ab. Im Fall sie antworten, melde mir nach Rom, was sie schreiben. Hast Du aber etwas einzuwenden, so melde mirs zuvor u. schicke es noch nicht ab; wenn es wichtig ist; wo nicht, so frage Göthe, oder ändre es selbst. Lebe wohl, liebes Herz, treue gütige Seele. Du hast mich so verzogen, daß ich bei jeder andern Frauen nur den unendl. Abstand von Dir finde. Lebe wohl, lebe wohl!
Um Kn[ebels] Br. mache ich keine Enveloppe, mache Du sie, ehe Du das Blatt fortsendest.
An die Fr. v. Fr[ankenberg] sei doch so gut u. mache auch ein größeres Couvert; es ist so schlecht geschrieben u. so klein. Lebe wohl, liebe.
Botzen den 1. Sept. [1788].
Also nähere ich mich den Grenzen Deutschlands u. hoffe, in Trent morgen gewiß einen Brief von Dir zu finden, da Du mir noch Einen für Deutschland versprachst. Aus dem Ton meiner letztern Briefe wirst Du wohl gemerkt haben, daß ich nicht mehr allein reise, ob ich dies Gefühl gleich soviel ich kann unterdrücke u. noch mehr den Schmerz unterdrücke, daß alle die schönen Ideen, mit dem guten, wirklich guten Dalberg zu reisen, so gut als ein leerer Traum gewesen. Durch die S. ist ein Tropfe in den Teig gegossen, der keine Vereinigung möglich macht, sondern sie vielmehr verhindern soll; als worauf sie es vom ersten Abende angelegt hat. Gleich nach ihrer Ankunft kam ein junger Hompesch, Dalb. Freund, mit dem sie denn sogleich in einem trio abgeschlossene Cotterie machte. Den folgenden Tag in Augsb. kam es schon so weit, daß sie unter dem bekannten Vorwande der Kopfschmerzen u. des Schlafengehens ganz allein blieben, ob sie gleich tief in die Nacht hinein hauseten. Hompesch reisete die ersten Stunden mit u. Werner mußte reiten: er trennte sich von ihr, wie Liebende sich trennen; ich sah alles, ließ es gehen, überstand ein paar unangenehme regnichte Tage, wo wir garstig im Wagen zusammengepackt waren; das Wetter ward heiterer, der Sinn zerstreuete sich wenigstens von außen; von böser Laune habe ich mir gewiß nicht das Mindeste merken lassen, weil ich im Grunde alles als transitorisch ansah, fühlte aber immer, Trotz aller Intervalle dadurch ich uns drei zu Einem machen wollte, daß es nicht anging. Die gnädige Fr. hat die Impertinenz, uns als lästig zu fühlen, da sie im Grunde unsre Reise verdirbt. Das Geschlepp ist kostbar, u. muß es sein; da soll nun durch elende Knickereien erspart werden, was sich nicht ersparen läßt, weil sie wahrscheinlich den Verwandten oder dem guten D. selbst eingebildet hat, daß sie zur Ersparung mitreise. Wie jämmerlich dies sei, ist unsäglich, u. hilft nichts, sondern es schadet; indessen das ewige Gefühl davon, das durch alle Gespräche unterhalten wird, weil sie sonst äußerst leer ist, u. leerer nach Italien reiset, als je ein Mensch reiste, läßt mich eine Situation fühlen, die ich von jeher, auch in meinem ärmsten Zustande verachtet habe. Sie ordnet alles an, macht die intime Freundin D., der ihr wie ein Kind folgt, u. sucht mich wie immer möglich von ihm zu entfernen, u. die ganze Situation einzurichten, als ob ich von Gnade, ja von ihrer Gnade lebe, ob sie mir wohl, wofür ihr der T[eufel] danke, sehr höflich begegnet. Ich tue es auch, suche allem Unmut, der sich bei mir zuweilen melden will, zu begegnen, u. will sehen, wie es in Italien wird. Allmählich schneide ich ab, was ich allein brauche, u. will von morgen an meinen Kaffee selbst bezahlen, wie ich bisher schon Dies u. Jenes bezahlt habe. Geht es gut, was ich aus allen Kräften wünsche u. dazu beitragen werde, was ich kann, wohlan, so gehe es! Wo nicht, muß ich mit guter Manier u. ohne D. Güte zu beleidigen, einen Vetturino nehmen u. mein eignes Glück versuchen. Die Reise wird damit allerdings kostbarer; aber auch kürzer mein Aufenthalt; u. es ist dies nur ein äußerster Fall der Notwendigkeit, den ich mir selbst als eine schwere Strafe irgend für eine Sünde gegen die Weiber gedenke, die noch auf meiner Rechnung stehet. So kommt auch in den besten Plan ein Querstrich, u. wodurch? Durch unzeitige Nachgiebigkeit u. durch ein Weib. Sage aber von dem Allen niemanden ein Wort, auch Göthe nicht; mache Dir auch selbst keinen Kummer: denn wer kann wider das Schicksal? So lange ich Dukaten, u. zwar soviel habe, daß ich nach Rom kommen, u. daselbst einige Zeit leben kann, ist mir nicht bange; zu dem Fernern, wird, wenn es das Schicksal will u. fodert, sich auch schon Rat finden. Nur Dir schreiben mußte ichs; Du würdest, wenn ich nicht lügen wollte, es aus dem veränderten Ton meiner Br. doch bemerkt u. Dir vielleicht was ärgers gedacht haben, als da ist. Mit D. bin ich recht gut, wie ich ihm auch herzl. gut bin; nur er ist Kind gegen sie, u. sie ist nichts, als listig u. pfiffig, eingebildet u. eitel. Ein Mehreres wird die Zeit lehren u. wir wollen ruhig erwarten, was sie uns lehren werde. Übrigens ist die Gegend hinter den Tyroler Gebirgen unsäglich schön, u. milde; es ist hier warm, aber eine so innig durchdringende u. erquickende Wärme, als ob das Karlsbad sanft in die Luft gebreitet wäre. Obst gibts hier, wovon wir keinen Begriff haben; ich schreibe davon etwas an die Kinder. Auch einen säuerlichen Brunnen gibts in der Nachbarschaft, dessen Trank mir recht wohl tut. Sonst kann ich Dir nichts schreiben, als daß wir der Herz. Mutter auf den Hacken nachreisen; sie ist heut morgen von hier gezogen, u. wir kamen vormittags an. Denke Dir aber mein Erstaunen, als Werner plötzl. den Kaiser meldete, daß er ihn gesehen habe, u. ich ihn, er mich unvermutet sah. Kurz, er ist von der Reisegesellschaft zurückgeblieben, weil ers nicht länger ertragen konnte, u. das Gemälde, das er mir davon gemacht hat, hat ihn bei mir vollkommen gerechtfertigt. Es ist eine Bagage drei- u. vierfach, wie man sie sich denken kann; er hat nicht anders handeln können, als daß er noch vor der Grenze Italiens Reißaus nahm. Die Herz. hat ihm einige Dukaten Reisegeld gegeben, u. er sucht morgen den nächsten Weg nach Zürich. Laß aber die Sache durch Dich nicht auskommen; andre werden Dirs erzählen. Lebe wohl, liebe holde, u. laß mich morgen einen Br. von Dir in Trent finden, daß ich mit Deinem Segen in ein Land ziehe, wohin ich völlig als Fremdling trete. Lebe wohl, liebste Seele.
Bozen, 1. 9. 1788
Alle meine lieben Kinder, Gottfried, August, Wilhelm, Adelbert, Luischen u. Emil.
Ich bin jetzt nah an der Grenze Deutschlands u. habe die großen Tyrolerberge beinah zurückgelegt. Es sind hohe Berge, auf einigen war viel Schnee, und die sogenannte Pforte oder Klause, dadurch man nach Tyrol kommt, ist besonders wild, schön u. prächtig. Auch die Martinswand sind wir vorbeigekommen, wo der Kaiser Maximilian sich verstieg, u. haben in Insbruck mitten in der Kirche ein sehr schönes Monument auf ihn gesehen, davon ich Euch mündlich erzählen werde. Jetzt bin ich nun in Botzen, wo heut eine unsägliche Menge Volks ist, weil 19,000. Kinder gefirmelt werden sollen, da der Bischof in vielen Jahren nicht gefirmelt hat, weil er zu faul gewesen. Da ist nun vor unserm Wirtshause zur Sonne ein solcher Obstmarkt, als Ihr in Eurem Leben nicht gesehen habt, u. so schönes Obst, als Ihr noch nie gegessen habt, Birnen, Quetschen, Weintrauben, Nüsse, Feigen: denn hier wachsen schon Feigen, u. bald werden wir auch dahin kommen, wo die Pomeranzen- u. Zitronenbäume wachsen. O daß Ihr hier mit mir wäret, oder ich Euch einen Korb solches Obsts zuschicken könnte; aber das schöne Obst faulte unterwegs, wie zuweilen die schönsten menschlichen Hoffnungen von innen heraus verwesen. Auch gibt es hier schon platte Dächer, wie es in Italien viel geben soll, wo man denn weit umhersehen kann, u. die Luft ist gar sanft, warm u. milde. Auf den Tirolerbergen haben wir auch Gemsli springen gesehen; auch Eins in Inspruck gegessen, u. ein zahmes gesehen, das gar niedlich war, seiner Nährerin, einer Bauersfrau, überall hin folgte, u. so geschlank war, als ich Euch allen zu sein wünsche. Da wollte ich, daß Ihr dabei gewesen wäret u. es gesehen hättet; auch wünschte ich, daß Ihr die Tirolerberge einmal sehen u. fröhlich bereisen möget. Lernt nur fleißig, u. führt Euch gut auf; lernt auch hübsch zeichnen, denn das beklage ich sehr, daß ichs nicht kann. Es sind gar zu schöne Gegenden und zehntausend Wasserfälle zwischen den Bergen, die ein Strom, die Etsch oder Adige macht. Er fließt sehr schnell zwischen den Gebirgen, u. hat insonderheit im Bischoftum Brixen schöne Bäume an seinem Ufer, Pappel- Birken- u. Weidenbäume. Wir sind viele Stunden weit neben ihm gefahren; sucht nur hübsch auf der Karte nach, da könnt Ihr unsre Fahrt finden. Morgen kommen wir nach Trento, da finde ich vielleicht u. gewiß Nachricht von Euch. Lebt wohl, lieben Kinder, habt mich lieb u. seid gesund, u. lebt mit Eurer Mutter u. dem ganzen Hause wohl. Es ist jetzt spät, u. Ihr werdet schon meistens in Euren Bettchen schlafen. Schlaft wohl.
W[eimar,] den 29. Aug. [/4. 9.] 1788.
Mit einer unbeschreiblich süßen Freude setze ich mich heute hin Dir zu schreiben Du Einzig Guter. Du hast mich gestern unnennbar erquickt durch Deinen Brief aus Augsburg vom 24ten. Er kam eben an, da wir zu Ehren des Gottfrieds Geburtstag den Abend einen Fisch gegessen hatten, bei dem die Frl. von Volgst. zugegen war. Alles war aufgeregt u. voll Freude, besonders da wir Augsburg auf der Adresse lasen. Mein Herz u. Gesicht glühte mir, die Kinder schrien, ich sollte den Brief laut lesen u. das geschah; außer den Stellen die nur für mich waren, u. die ich mit heftigen Tränen gelesen, u. beim Schlafengehn 3mal wieder gelesen hatte mit unaussprechlich süßer Liebe. O Gott was habe ich für einen Schatz für einen Reichtum an Dir, Du unaussprechlich Lieber, dem kein Mensch auf Erden gleicht. Sage mir nicht so viel Gutes, ich weine tausend Tränen vor Wehmut, daß das nicht so ist. Aber ich will alle meine Lebensgeister besänftigen, daß ich weise, sanft u. unablässig nur das tue was Dir wohlgefällt. Ach wie viel tausend Süßes möchte ich mit Dir reden! Ja es wird ein neues süßes Leben werden, wenn wir uns wieder haben!
Den 22ten habe ich Dir meinen letzten Brief Nr 5. nach Augsburg adressiert, in der Hoffnung daß Du ihn Dir wirst nachschicken lassen; es war freilich nichts drinnen als Liebe. Den 24. Abends kamen die Kinder von Mattst. wieder, u. zugleich kam Dein Brief vom 19ten aus Nürnberg ohne Nummer, der aber auf den vom 14.ten Nro 5. paßte u. also die Nummer 6. bekam. Das war nun der Anfang zum folgenden Geburtstag! ich beklagte Dich daß Du durch die Markgr. gestört worden warst u. auch ziemlich tumultuarisch das Gute hast genießen müssen. Daß Du meiner so dabei gedenkest, ach wie vergelt ich Dir das! Durch Deine Mitteilungen genieß ich mein Dasein mit Dir – es ist alles so u. nicht anders, was Du sagst u. schreibst. Den 25ten wurde denn dem guten Adelbert das Tischgen gedeckt – er solls Dir beschreiben. Für Dein Fest zu feiern, habe ich 6 grüne Büchelchen, inwendig mit weiß Papier binden lassen, mit dem Titel den ich geschrieben: Denk-Buch goldener Sprüche am Geburtstag des abwesenden besten Vaters zum Geschenk. Adelbert teilte jedem das Seinige aus, u. sie waren sehr vergnügt darüber, am meisten Emil. Der trägt es seitdem immer mit sich herum. Sie schrieben zum 25. alle; Die Furcht des Herrn pp Das Böse meiden, das ist Verstand. Wie sie einen Gedanken hören, der ihnen gefällt oder einen Denkspruch oder Verschen das sollen sie hineinschreiben. Um 11 uhr kam Knebel u. bald darauf Goethe. Zugleich kam auch das Päckchen Bücher aus Nürnberg u. das Jubeln der Kinder war sehr groß. Mir selbst tat es innig wohl daß gerade den Tag etwas von Dir eintraf; ich war eben nicht heiter aufgestanden u. lag etwas Verstimmtes über mir, die Ankunft des Päckchens tat Wirkung u. zerstreute Alles. Ich las aus dem Brief, (den ich den Tag vorher erhalten denn im Päckchen war nichts an mich) Goethe u. Knebeln vor, u. sie hatten beide gleiche Freude mit mir; nicht genug können sie die gute Art u. das reingewaschene Auge loben, mit dem Du Alles siehest u. so vielfach siehest – Goethe intressiert das um so mehr da er, wie er sagte, nur auf Eine Sache sähe. Nun wurde der Pack aufgemacht. Goethe bekam seinen Brief oder vielmehr Gedichte – Emil maßte sich den Pack Pfefferkuchen an, u. teilte so kindlich großmütig aus, daß bald keine mehr übriggeblieben wären, die Deute Zuckersachen wurde auf einen Teller getan, Goethe u. Knebel aßen von Allem mit, u. ich kostete im frommen Andenken an Dich einige süße rote Täfelchen, ein wahres besseres Abendmahl als von Gottschalg.
Goethe war sehr gut. ich lobte ihn daß er zu dieser guten Stunde gekommen, da er die ganze Woche nicht da gewesen sei. Ja, sagte er, ich war schon auf dem Weg nach meinem Garten u. mußte umwenden; es trieb mich her, nicht die Liebe, sondern vielleicht die Verzweiflung, ich ging so eben vom H[erzog] weg. Nun war von seinem Geburtstag die Rede – ich erinnerte ihn an unsern Gott den er voriges Jahr erhalten hatte – »Da bekam ich, sagte er lächelnd, den Gott um dies Jahr an keinen zu glauben.« Es müssen unangenehme Dinge durch sein Gemüt gehn. Den Mittag aß Schäfer u. die Volgst. mit, den Abend wurde aus Spaß die Karte zum heutigen Fest gelegt, aber 3mal lagen verdrießliche Sachen bei Dir, u. allemal die Careau Dame dabei, zuletzt ward mirs recht fatal. Endlich zum viertenmal lagen wir beide am Ende der Karte mit guten Sachen, zusammen. Da Knebel den Morgen mir schon gesagt hatte, daß die Fr. v. S[eckendorff] mit nach Italien ginge, so glaubte ich endlich gar, daß die Dame, sie sei. Lieber Engel schreibe mir doch alles alles, wenn Du das unangenehme mit mir teilst, so trägst Du es ja nicht mehr allein. Es ist sonderbar daß ich den 25ten Dir nicht hätte schreiben können. Wie begierig bin ich auf Deinen nächsten Brief!
[ . . . ] Da gestern Gottfrieds Geburtstagsbescherung vorüber war, so schickte ich ihn u. August zu Goethe. Gottf. brachte ein Körbchen mit Feigen, Pomeranzen u. eine Melone. August eine Torte bedeckt mit einem Lorbeer u. Myrten Kranz. Auf den Früchten lagen folgende Worte, die ich selbst gemacht habe, wie leicht zu sehen:
Aus dem Vaterland sendet Dein treuer Freund uns
zu feiern Dein Fest, Liebling der goldenen Zeit!
Komm u. erfreue Dich unsrer! und sieh,
auch unter dem dunkelen Himmel sind wir,
auch unter dem dunkelen Himmel sind
Lorbeern und Myrten.
Goethe selbst habe ich nicht gesehn, er muß immer beim kranken Zehen des Herzogs sein, auch war ein Ball im Komödien Haus, wo er gewesen ist. Der Herzogin habe ich Geßners Chrestomathie senden müssen. Nach Kochberg bin ich nicht gefahren, die Fuhre kostet 3 Rtlr. – das ist mir für 1 Tag hin u. den andern wieder her, zu viel. Sie ist noch immer nicht herzl. mit G[oethe] das merk ich aus allem. Er sollte männlicher sein u. sie bei der Hand nehmen, wie Dus oft getan hast, wenn ich unwillig herunterging. Ach das soll nie wieder geschehen! solche Erinnerungen sind mir Dolchstiche. Da sehe ich recht, wie Du mich liebtest! jetzt kommt die Reihe an mich.
Es ist eine große Stille in der Stadt u. im Land. [ . . . ] Der Direktor war diesen Morgen da, empfiehlt sich u. hat sich nach Dir erkundigt. In Gött[ingen] hat er mit Hofrat Heyne, der sehr nach Dir u. Deiner Reise gefragt hätte, vielgesprochen. Am Sonntag war ich in der Kirche, Zinserling predigte, es war mir, ehe er kam, sehr weh – es verwischte sich aber da er nichts für mein Bedürfnis sagte; ich hielte mich an das Evangelium von den zehn Aussätzigen, wo einer wieder kehrte u. lobete Gott! – Ich kann Dir nicht sagen wie Dein gestriger Brief mir tausendfach wohl tut, wie ein heitrer Himmel voll Sonnenschein. Gott wird Alles gut machen! Zweimal hat es mir getraumt (in der Zeit da Du in Nürnb. warest) ich sei mit Dir nach Augsburg aus dem Carlsbad gekommen, u. Du hast zu mir gesagt: bleibe solang in Augsb. bis ich wiederkomme. Das zweitemal war ich wirklich mit den Kindern in Augsb. beschäftigt u. dgl. Sonderbar, daß dieser Ort, an dem Du gute Ahndungen hattest, mir im Traum so lebhaft vorkam. Weißt Du, die Nacht da Du in Nürnb. so sehr an mich gedacht hattest, konnte ich vor Gedanken an Dich nicht einschlafen, endlich im einschlummern war mirs ganz deutlich als legte sich jemand neben mich – ich wußte damals gewiß daß Du es warst – o Du Einzig Guter Engel wie will ich Dir meine Liebe zeigen, wenn Du wieder bei mir bist durch Tat [und] durch alles was ich vermag. – Was Du von Knebels Geschwister geschrieben freut mich. ich will an Kneb. schreiben, der sehr darnach verlangt. Das Buch an den Bruder, die Silhouette u. Brief an die Schwester werde besorgen. Hier liegt auch von Frankenb. ein Brief. Die arme Frau ist so krank gewesen! Vielleicht hatte sie keinen Brief von Dir! Ach sie jammert mich, ich will ihr einen kleinen Auszug aus Deinen Briefen machen, wenn es angeht. ich habe Dich in einem Brief schon darüber gefragt; sage mir ja oder nein!
Gottfried ist sehr gut. Mit den andern gehts auch erträglich. Adelbert ist wieder ziemlich roh geworden unter den Pferden u. Kühen des Landes. Doch gehe ich jetzt nie gewaltsam mit ihm um; es ist ein so gewaltig Feuer in ihm, das ich nicht zerstören will. Gott wird mir Weisheit über ihn geben.
Auf seinen Geburtstag hat er Damms Götterlehre u. ein altes Stück Geld bekommen. Eine Tasse u. Kleinigkeiten von den Geschwister. Vielleicht schreibt er Dir noch selbst. Ich habe den Kindern diesmal nicht so überhäuft geben mögen, damit sie wieder zur Mäßigkeit u. Genügsamkeit gewöhnt werden.
Nun bist Du in Italien Du Lieber, in dem Land da Dein Geist so oft u. viel gewesen ist – Dein guter Genius begleite Dich überall! Sieh Du Glücklicher, alles liebt u. ehrt Dich wer Dich nur kennt u. das Glück ist mit Dir wenn Du nur aus Thüringen bist. Goethe war diese Woche noch 2mal da. er liest noch an Deinem vierten Teil. Die wilden Völker, Attila, Geiserich u. Konsorten haben ihn sehr intressiert, er hat viel davon gesprochen u. wird Dir schreiben. Er meint, wenn Du wieder kommst, wirst Du dem Werk einen eignen Glanz geben, aber in der Grundidee nichts ändern können, weil alles unvergleichlich u. glücklich gedacht u. gestellt sei. Er war wieder sehr heiter u. gut.
Ich werde es nur aufgeben dem edeln unvergleichlichen Dalberg etwas zu schreiben. Meine Seele dankt ihm unaussprechlicher als es Worte durch die stumpfe Feder tun könnten. Wir haben nun hin u. her geraten ob die Frau von Seckendorf mit Euch oder der Herzogin Mutter fahren wird? Da war eine Deliberation über den Wagen von Dalberg – u. mir war schon leid daß es nicht der nämliche sein würde in dem ich gesessen habe – nun sagte Gottfr. er könne zu 4 Personen eingerichtet werden u. Goethe meinte für eine Frau wäre es immer angenehmer mit 2 Herren, als in der Herzogin Wagen mit 2 Frauen zu fahren. Dazu habe ich Ja u. Amen gesagt. Genießet also ein dreifaches Glück u. Freude! Gott behüte Euch u. sei mit Euch, Ihr Lieben Reisegefährten u. gedenket mein wenns Euch wohl gehet.
Nun lebe tausendmal wohl Du Treuer Guter. Auch Du bist mein u. sollt mein sein; ich will Dich mit GeistesArmen zu mir ziehen u. an mir halten, auf immer, auf immer.
Dein!
Die Kinder wollten alle schreiben u. ist nichts zu Stande gekommen, der Tag ist schön, sie laufen im Garten herum u. grüßen u. küssen Dich tausendmal. Da Du sie alle nach der Reihe gegrüßt hattest, waren sie gar glücklich.
Adieu Du liebes Herz.
P. S. Diesen Brief wollte Goethe nach Mailand adressieren, er wurde aber noch einen Posttag aufgehalten; um noch mit einem Kameraden vom heutigen Datum d 4. Sept. nach Florenz zu gehen. Goethe hat mir inliegenden Brief gesandt. Er kam den Nachmittag vorgefahren mit dem Prinz August u. wollten aussteigen – ich war aber gerade im Anziehen begriffen um mit den Kindern spazieren zu gehn – der Himmel war so schön wie ich ihn in langer Zeit nicht gesehen; ich war nur bei Dir u. mit Dir. Die Kinder waren so fröhlich, es war Adel, Luisgen, Emil, daß sie vor Freude Kartoffeln ausrauften u. versteckten. Die 2 Jüngsten werden das nächste mal schreiben.
Wie wird es Dir sein wenn Du jetzt vielleicht oder früher schon, auf dem Brenner bist, u. das letzte mal nach uns blickest – Ach Du Guter, ich hange mit den Kindern an Deinem Hals [,] lebe wohl wohl! Laß Dich nichts im Genuß des Schönen stören, auch das Andenken an uns erheitre u. stärke Dich zum neuen Leben – Das dachten wir voriges Jahr nicht da Du durch meine Schuld krank geworden, daß Du dieses Jahr für Alles belohnt sollst werden! Gott sei mit Dir u. Deinen lieben Gefährten.
Weimar d. 29. Aug. [/4. 9.] 1788.
Lieber Vater.
Was für eine große Freude war es, als Ihr Brief von Augsburg, gerade an meinem Geburtstage kam, da wir es gar nicht vermuteten. Ich hatte es recht gewünscht daß ich an meinem Geburtstag etwas von Ihnen hören möchte, u. mich freuts nur daß Sie so vergnügt und heiter sind. Wir sind alle recht wohl und vergnügt. Wie mein Geburtstag ist gefeiert worden, will ich Ihnen erzählen.
Zuerst danke ich Ihnen für die Baille Hosen und Weste, die die Mutter in Ihrem Namen mir noch wird machen lassen. Von der Mutter habe ich einen 4eckigen Lämmchens dukaten, und ein silbern Leuchterchen bekommen, nebst einem Blättchen, das ich beilege. von August 2 Tafeln mit Gemmen, von Wilhelm einen Gulden, von Adelbert ein paar Strumpfbänder, von Luischen eine Tasse und Bleistift, und von Emil einen von Ihren Nürnbergischen Pfefferkuchen. Als ich zum Herrn G. R. Göthe ging, so schenkte er mir einen Ring mit einem geschnittenem Steinchen womit ich den Brief zusiegeln will. – Sie müssen es empfunden haben, wie sehr wir den ganzen Tag an Sie dachten.
Herr Schäffer und ich arbeiten stark an der Bibliothek. Diese Woche kommen wir mit den Folianten durch; dann geht es an die Quartanten, es wird recht hübsch sein wenn alles in Ordnung ist.
Das Gedenkbuch war mir ein recht liebes Geschenk an Ihrem Geburts Tag, ich habe schon verschiedenes hineingeschrieben. – Wir sind auch in Mattstedt gewesen, wo wir recht vergnügt waren, und wo uns Luischen und Emil mit der Jungfer Schwartzin wieder abholte. Von da habe ich meinen ersten Ritt bis nach Weimar getan, in 2 Stunden, und ich habe mir keinen Wolf geritten, nur taten mir die Beine ein paar Tage weh. H. Schäfer kam mit einem Pferd, u. setzte sich heraufwarts in den Wagen.
Möge es Ihnen, lieber Vater, überall so wohl und vergnügt gehn als bisher! reisen Sie glücklich mit Ihrem Reisegefährten.
Unsere Wünsche begleiten Sie immer. Leben Sie tausendmal wohl, behalten Sie mich lieb, und denken Sie oft an
Ihren treuen, gehorsamsten, und zärtlichst liebenden Sohn
Gottfried Herder.
P. S.
d. 4ten Septemb.
Macte, macte in Italia! – Nun sind Sie dort, in dem Lande der Glückseligkeit, genießen Ihre Reise, und sind ein Italiener. – O könnten wir nur immer Briefe von Ihnen bekommen, und wäre doch der Weg nicht so weit, daß wir nur schnell wüßten was Sie machten.
Bleiben Sie gesund, liebster Vater, und denken Sie bisweilen an uns, wenn Sie in Zitronenwäldern wandeln, Feigen essen, und Ruinen der Tempel der Götter sehn. Schreiben Sie doch oft, und an uns auch, damit wir auch Ihre Stimme an uns hören.
Leben Sie wohl, liebster bester Vater, und behalten Sie mich lieb. Gott schenke Ihnen Friede, Freude und Gesundheit, und schenke Sie uns bald wieder. Χαιρε, Χαιρε vale. Addio.
Auf dem Blättchen, das mir die liebe Mutter zu meinem Geburtstag gab, stand folgendes.
den 28. August 1788.
Lieber Gottfried, Sei und bleibe unsre
Freude und Krone.
Laß dich nie zum Bösen verführen,
Steh fest auf gutem Wege
Und bleibe an Gott hangen,
Bei ihm wird man allein glücklich.
Sei meine Stütze an deines Vaters Statt.
Gott segne Dich u. sei mit Dir Dein Leben lang.
Deine treue Mutter C. H.
Und dies habe ich Ihr u. Ihnen versprochen es zu halten, u. es tief in meinem Herzen zu haben.
Gottfr.
Weimar, zwischen dem 29. 8. und 4. 9. 1788
An meinen lieben Vater
Ich will sie sagen wie das Fest gefeiert woren ist erstlich von der Mutter Geld und auf Ihre Silbette auf einer Tasse u. ein grünes gedenk bügelgen von ihnen Gottfird hat mir ein Farmenkasten gegeben und August und Willhelm ein paar Sporn und weiße Kreide u. Miel haben mir Bleistift u. [?] das war dasjenige Fest und wir haben ihre gesundheit getrunken. Leben sie wohl griesen sie den werner und Herr Schäfer grieset sie auch leben sie wohl ihr getreuer Sohn. Wir haben und das grisgise angefangen.
Verona den 4. Sept. [1788].
Seit gestern Abend sind wir glücklich hier, auch ist die Arena oder das Amphitheater in Augenschein genommen, samt den Sehenswürdigkeiten, die daran grenzen; bald solls in die Akademie, das Museum p gehen, u. während dessen schreibe ich Dir, liebste Einzige Gute Gute, einige Zeilen.
Mit unsrer Reisegesellschaft gehts besser, seitdem ich meinen Teil für Quartier u. Kost mitzahle; dies ist von Roverodo aus geschehen, u. an Kaffee p schon einige Stationen früher. Allmählich haben sich die Gesichter der gnädigen Frau, des Hrn Kammerdieners u. selbst des guten D., der ganz von den Launen der S. abhängt, aufgeklärt, u. er freut sich, daß es weniger kostet. Sind wir nur erst in Rom, so wollen wir uns einrichten, wie wir können; es wird, ob eine Reise mit einer Frau gleich die unvernünftigste Sache ist, die sich denken läßt, doch allmählich etwas herausschütteln, daß man sich selbst, seine Exsistenz u. die Dinge umher genieße, deretwegen man sich aus seinem Nest gemacht hat. Ohne Kenntnis der Landessprache zu reisen ist immer u. überall, zumal in Italien, eine verdrießliche, lächerliche, kostbare u. am Ende unvernünftige Sache; wir arbeiten darauf, hier einen Sprachkundigen Menschen als Courier mitzunehmen, u. die Reise soll hoffentlich besser gehen. Wenn er nur erst angekommen wäre: denn das wird noch hart halten, weil er einige Dukaten notwendig kostet. Diese Kärglichkeit habe ich nicht vorausgesehen; sonst hätte ich mich anders eingerichtet, oder die ganze Reise unterlassen. Mit einem Vetturin zu reisen, wie G[oethe] gereiset ist, muß eine ganz andre Sache sein, als jetzt unter solchen Umständen al Barone, wo man geprellt werden muß, sobald man nur die Arche Noah von 6. Personen, Männer u. Weiber, von außen mit Gold eingefaßt, u. entsetzlich beladen, ansichtig wird. Sage von dem Allen aber niemanden nichts, auch nicht Göthe; in Rom wird sich erst etwas sagen lassen, u. eher schreibe ich nicht an ihn; er wird sich selbst, wenn er sich unsre Reise denkt, alles sagen. D. ist gut u. bleibt gut; hätten wir die Reise allein gemacht u. wäre er in meiner brüderlichen Gewalt gewesen, hätten wir auch nur dabei einige Sprachkenntnis mehr, so wäre alles anders. Indessen hast Du Dich nicht zu grämen: denn in wenigen Stationen sind wir im Römischen Gebiet, u. unter 14. Tagen müssen wir in Rom sein; denn ist das Schwerste überstanden. Der Werner ist über seine Unkunde der Sprache beinahe Trostlos; ich muntre ihn auf, wie ich kann, tröste ihn mit Rom u. gewinne ihn, wenn es möglich wäre, immer werter. Es liegt bei der kostbaren Kavalkade so mancherlei Strapazarei auf ihm, daß ich seine Geduld bewundre, u. ihn nur immer aufmuntre, alles leicht zu nehmen u. für sich u. seine Gesundheit zu sorgen. Verona ist sehr groß; in Absicht der Gebäude gibts, glaube ich, in ganz Deutschland nichts dergleichen: die Gegend umher ist wohlangebauet u. schön, aber einförmig. Prächtige Trauben schlingen sich überall zwischen den Maulbeerbäumen in Kränzen herauf, u. Werner hat schon manchen vollen Raub begangen, der hier allenthalben auf den Straßen erlaubt ist. In den Wirtshäusern siehts desto elender aus, ob mir gleich Alles sehr klar ist, u. ich manches sogar billige, worüber andere sich quälen. Der Italiener lebt sich selbst: wir armen Nordländer leben allein für andre. Doch von den Allen bei mehrerer Muße, u. noch mehr mündlich. O liebste, gute Seele, wie habe ich Dich lieb! wie verlanget mich nach Dir, meinem einzigen Gut auf Erden. Gibt mir der Himmel das Glück, wie ichs wünsche u. hoffe; nichts soll uns mehr irre machen u. scheiden; jede Unannehmlichkeit des Lebens will ich um Deinet u. unsrer Kinder willen gern u. mit frohem Mut ertragen; das habe ich dem Himmel auf der Grenze Italiens mit bedrängtem, vollem Herzen geschworen u. schwöre es ihm jeden Morgen, jeden Abend, ja jede Stunde, da ich an Dich gedenke. Wenn ich mich auf mein breites Italienisches Lager hinstrecke, bist Du mein letzter u. erster Gedanke: ich drucke Dich an mein Herz, bitte Dir tausendmal alles ab, womit ich Dich je erzürnt u. beleidigt habe, u. wenn ich mir sage, daß ich Dich wieder sehen werde, vergesse ich alles andre, Du mein Schatz, meine einzige treue Habe. Gott nehme Dich u. die Deinigen unter seinen Schutz, wende alles Unglück von Euch ab, erhalte Euch mir, u. mich Euch gesund u. fröhlich. Ich werde gewiß ganz anders wiederkommen, als ich ausgereiset bin, u. zwar nicht ins Schlimmere verändert. Lebe wohl, meine liebe, reine, treue, Gute; lebe wohl. Küsse die Kinder nach der Reihe in meinem Namen u. sage ihnen allen was Gutes. In Trient habe ich keinen Br. von Dir gefunden; wenn Du ihn nach Augsb. geschickt hast, so wird er mir nach Rom nachgeschickt werden, ich habe drum geschrieben. Da hoffe ich eine gute reiche Ernte zu finden, u. wenn es Euch allen wohlgeht, o wie werde ich froh. Da will ich auch, wenn ich alles überschlagen habe, schreiben, wie ich mit dem Gelde stehe. Es ist eine gute Partie weg, 4. L[ouis]dor, die 20. Laubtaler u. eine gute Partie von den Kaiserlichen Dukaten. Laß Dich dessen aber nicht dauern, ich spare, was ich kann, u. Wernern geht das Sparen über Alles. Die Herzogin ist gestern noch in Verona gewesen; wir haben aber nichts von ihr gehört, ob sie noch dasei, u. nehmen in der großen Stadt natürlich keine Notiz von ihr. Noch muß ich Dich bitten, daß Du nicht glaubst, als ob ich im mindsten etwas gegen D. habe; er ist die liebste, schönste, zarteste Seele; daß er die Frau mitgenommen hat, ist vielleicht gar ein Treiben der Verwandten gewesen, die die Reise nicht verstanden, so wenig als er, oder ich. Lebe wohl, liebe, die Post geht ab. Lebet wohl, Ihr einzig lieben, Gott mit Euch!!!!!!!
W[eimar,] den 4. Sept. 1788.
Mit Verlangen habe ich auf eine Adresse gehofft Du Einzig-Guter u. gestern kam das Päckchen Bücher mit Deinem Briefchen vom 26., u. vorigen Posttag den 31. Abends der vom 25 u. 26ten aus Augsburg, auf den ich mit sonderlichen Schmerzen verlangte, weil ich nicht wußte wie der erste Eindruck sein würde. Gottlob daß Du alles so gut aufnimmst. Ihre Gegenwart ist gewiß weniger lästig als einer andern Frauen, obgleich eine Frau jazuweilen den Männern zuviel ist. Es war das schönste was Du mir sagen konntest daß Ihr Ein Herz u. Eine Seele seid. Bleibt so Ihr lieben u. laßt Euch durch nichts fremdes stören – sie beneiden die Seckend. ganz entsetzlich.
Ach wie süß war mir Dein Brief am Geburtstag um Mitternacht noch geschrieben! in meine Freude mischt sich noch soviel Wehmut u. Tränen, u. Sehnsucht – Ja ich bin inniger bei Dir als jemals – alles wird neu, Du sollst mich so gut finden als ich werden kann; der liebe Gott wird mir dazu helfen. Auch an ihm hange ich jetzt mit ganzer Seele, ich fühle wie gut ers mit uns meint, u. was er mir an Dir gegeben hat. Ja er spricht zu mir durch Dich Du Engel Gottes, u. meine Seele ist durch Deine Himmelsworte ganz erhöht u. erquickt. – Auch ich habe den Lobgesang mit Anbetung gelesen, ich kannte ihn noch nicht, er kam mir gewiß zum Trost. An Gottfrieds Geburtstag überfiel michs einige Augenblicke, daß ich laut aufweinen mußte. Den andern Tag schlug ich auf: Weine nicht, siehe es hat überwunden der Löwe pp dann wieder: Sei getrost u. unverzagt, ich will dich nicht verlassen noch von dir weichen; Siehe ich habe dir geboten daß du getrost u. freudig seist. Laß dir nicht grauen u. entsetze dich nicht; denn der Herr dein Gott ist mit dir in allem das du tun wirst. Ja ich rief dich bei deinem Namen u. nannte dich, da du mich noch nicht kanntest.« Ferner: u. der Herr zog vor ihnen her, des Tages in einer Wolkensäule, daß er sie den rechten Weg führete pp. Bei diesen Worten die ich in diesen Tagen aufgeschlagen, fühle ich recht was Gottes Wort ist. Dein Brief hatte mir alle Furcht vertrieben, ein Traum den ich aber gestern vom Dienstag auf den Mittwoch hatte, wirft wieder einen Schatten auf mich – unsre Hoffnung auf Gott wird uns aber gewiß über all erretten! u. Dein Lobgesang ist ein Bürge dafür. Es träumte mir, ich sei mit Gottfr. in einem großen Haus, es war ein Wasserwerk u. sollten auch viele Lichter angesteckt werden – es kam aber nicht zu stande u. ich ging mit Gottfried wieder nach Hause, es war ein fremdes Haus. Gottfr. lief voran Dich zu fragen warum Du nicht gekommen seist, ich folgte ihm bald, da fand ich Dich hinter einem Schirm im Bette liegend; Gottfried stand am Fenster Dir zu Füßen, den Kopf auf die Hand gestützt, u. sagte traurig zu mir: der Vater hat im Schlaf gesagt »ich habe das Fieber.« ich ging ängstlich an Dein Bett, da sagtest Du auch halb schlummernd zu mir: ängstige Dich nicht über diese Kleinigkeit« ich nahm Deine Hand, sie war voll gutem warmen Schweiß, das war mir lieb, u. ich dachte: nun hat sich die Krankheit gebrochen. Da sagtest Du wieder zu mir, »es ist schade daß Du Dein Bett nicht hierherstellen kannst« – ich wachte sogleich auf u. hörte einen Gesang von Ferne – endlich hörte ich, es war ein Loblied auf des Herzogs Geburtstag, der gestern war. Zwei Tage vorher war es mir als ob ich mit Dir spazieren wäre, u. ein Regen überfiel uns, bei einbrechender Nacht, wir eilten sehr u. entkamen dem Regen noch so ziemlich. Wir sind überall in Gottes Hand, das sage ich mir bei jedem traurigen Gedanken. Er wird Dich u. mich erretten u. erhalten u. wieder zusammenführen – freilich darf ich nicht daran gedenken daß ich mein Bette nicht bei Dich stellen kann Dir zu pflegen – doch es ist alles ein Traum!
Durch Knebel habe endlich auch Dein Briefchen aus Anspach erhalten u. so ist kein Brief von Dir verloren gegangen. Dein letztes Briefchen aus Augsb. mit den Büchern bekommt die Nr. 10. Knebel ist sehr vergnügt über Dein Lob seiner Geschwister; er schreibt mir: »Herd. hat Gutes getan an mir u. den meinigen, das ich ihm nie genug verdanken kann. Danken Sie ihm in meinem Namen pp Henriette schreibt mir zugleich, Sie könne nicht glauben welche Achtungsvolle Zärtlichkeit, sie für den Mann erhalten hat. Er selbst hat mir dadurch wohlgetan auf lange Zeit. Ich hoffte darauf.«
Die Lieder besorge ich bestens für Kn. Schwester, Deinen Schatten lege ich zu dem meinigen, er ist so gut geraten als noch keiner, u. es soll alles bald abgehn.
Morgen fahre ich nach Kochberg mit Goethe u. der kl. Schardt; wir hoffen auf eine gute Stunde. Die kl. Schardt grüßt Dich gar herzlich. Alles frägt sehr nach Dir.
In der Stadt spricht man aber über die Reise der S. mit Dalb. sehr. Besonders soll die reg. H[erzogin] sehr darüber reden. Es ist alles sehr begreiflich. Mir u. den Kindern tuts leid daß Du rückling fahren u. also das schöne Land mit dem Rücken zuerst siehest. Wie viel u. oft wir von Dir reden glaubst Du nicht. Keine fremde Gegenstände hindern uns daran. Goethe ist recht billig: »wie Herder die Sache mit der S. ansieht, so ist sie, sagte er; nimmt er sie gut auf, so ist sie gut.«
Den Brief von Frankenb. lege ich Dir nicht bei. Sie war vom 12t. August an sehr krank am Fieber u. heftigsten Kopfweh. Sie bessert sich wieder u. das Kopfweh vergeht auch. Ich fürchte es hat sie geschmerzt daß Du ihr nicht gleich geschrieben hast. Ich habe ihr 2 Blätter Auszüge aus Bamb. u. Nürnb. gemacht; es hat mir aber Mühe gekostet u. ich kann dies Geschäft nicht über mich nehmen. Überlege wie Du es einrichtest, daß Du die Beschreibungen der Gegenstände so machst daß ich ihr das Blatt senden kann damit sie Teil daran nimmt u. Du doch des Geschreibs nicht gar zu viel hast.
Auf ein besonder Blättchen kannst Du mir die süßen Herzensworte sagen, daß Du mein bist, daß ich Dein bin. Ich empfinde es tief daß die Frau ohne Dich nicht leben kann. Sei ihr, was Du sein kannst – sie kommt mir recht oft als ein Gegenbild der Gräf. v. Bückeb[urg] vor. Noch vor einigen Tagen da ich Briefe von der letztern fand. An Eifersucht ist nicht zu gedenken, ich liebe sie rein u. mit innigem Bedauren. Deine Schwester hat geschrieben, sie kommt diesen Herbst nicht weil es der Arzt nicht für gut hält. Künftiges Frühjahr soll ich ihr eine Gelegenheit vorschlagen. Ich will darauf denken. Wenn Hartkn. noch lebt, ist er wohl die beste Gelegenheit. Deine Preisschriften will ich mit größter Genauigkeit durchgehn. Deine Schwester hat den halben Brief voll Segenswünsche für Dich, die Kinder u. mich geschrieben, wenn ich nicht wüßte daß es ihre Art so sei, so dächte ich, es sei ihr letzter Segen. Osterode ist völlig abgebrannt u. ihr Arzt muß viele Meilen weiter mit dem Regiment ziehen. Darüber ist sie äußerst bestürzt u. betrübt. Das Geld hat sie empfangen.
An die Diede werde gleich nach meiner Rückkunft schreiben u. Deinen Brief nebst Buch senden. Des Herzogs Zehen wird nur langsam besser, Goethe muß täglich, ich glaube auch stündlich bei ihm sein. [ . . . ] – Die Kinder haben ihre Schule wieder mit Freuden angefangen. Es geht alles Gottlob gut bei uns. Gottfried ist eine treue gute Seele. Er hat mich gestern immer suchen zu trösten da ich ihm den Traum erzählte, auch ist er mit Schäfer in der Bibl. sehr fleißig.
Ein Wunderschöner Himmel ist heute, wie ich ihn noch nie gesehen habe, ohne ein einziges Wölkchen! Meine Seele wird auch so, während dem ich an Dich schreibe – ach Du bist so einzig einzig gut, fest u. treu! Gott belohne Dich jetzt für alles alles, unter dem glücklichen Himmel! In Florenz empfängst Du diesen Brief! Meine Seele ist ganz bei Dir! u. ich reise mit den Kindern auf der Landcharte sogar mit Dir. In Rom empfängst Du meinen nächsten Brief. – Wenn alles um mich still ist u. ich am Schreibtisch sitze, höre ich oft einen Ton, an der Stelle da unser Engel starb – u. kanns nicht heraus kriegen was es ist. Die Kinder sind fröhlich, gut u. glücklich durch Deine Grüße. In dem dumpfen Wesen steckt doch die Knospe Herz in ihnen.
Sage viel tausend Gutes dem edeln Dalberg für den ich keine Worte habe. Die gute Soph. S. küsse ich, u. bitte daß sie Euch in guter Aufsicht halte, ich sehe sie überhaupt als das Zünglein in der Waage an, wenn die 2 Waagschalen nicht wissen was sie tun sollen, wird sie entscheiden. – Ach mein Lieber [unter] dem fremden Himmel umarme ich Dich jetzt mit unnennbarer ewig treuer Liebe: Du hast Dir [den] Lohn errungen, auch diese Erde Gottes zu betreten u. diese reinere Luft einzuatmen! welch einen Himmel müsset Ihr haben da der unsrige so schön ist. Lebe wohl wohl wohl Du mein Alles.
Weimar, 4. 9. 1788
Lie[b]ster Vater.
Glück auf in Italien! Glück, alles Glück wünsche ich Ihnen in dem Lande, da Milch u Honig fleußt. Im Geist sind wir alle mit Ihnen, u reden mit Ihnen. Unser Herz ist Ihr Herz, u Ihr Herz ist unser Herz. Neues ist hier nichts, als daß wir in Ihrer Stube Schule halten, weil die kleine Schwester von Herrn Schäfer die Blattern hat, u wir wegen Emil nicht dürfen zu ihm kommen. Vielleicht ist in Ihrer Stube Ihr guter Geist über uns, u wir werden viel lernen. Leben Sie wohl, u Grüßen sie Werner von mir vergessen sie nicht.
Ihren gehorsamen Sohn August Herder
d. 4 September. 1788.
[Weimar,] den 4ten Septem. 1788
Lieber Vater
Jetz sind Sie in Italien, Gott sei mit Ihnen. Wir freuen uns allemal wenn ein Brief von Ihnen kommt und lesen ihnen mit Freuden. Leben Sie dort glücklich und fröhlich damit Sie noch Ihr Leben mit lauter schönen Sachen die dort sind versüßen. Wir haben auch das Griichsche angefangen und sie ist sehr schön. Der Herr Schäfer grüßt Sie. Grüßen Sie auch den Werner und sagen Sie ihm, daß ich ihm noch danke für das Bildchen. Leben Sie wohl und behalten Sie lieb
Ihren gehorsamen Sohn Wilhelm Herder.
Weimar, beendet am 4. 9. 1788
Nun, lieber Bruder, sollst du auch einmal etwas von mir finden. Ich habe mich der Briefe an deine Frau sehr gefreut. Mögest du immer gleich vergnügt und empfänglich immer weiter reisen.
Des Herzogs böser Fuß hält ihn wider seinen Willen hier und auf dem Kanapee; er nimmt sich jetzt, da er die Notwendigkeit sieht, sehr zusammen und läßt sich nicht merken, wie fatal es ihm ist; innerlich aber ist er in einer schlimmen Lage. Er hat sich in der Neigung zu dem Mädchen so ganz indulgiert, wie in seinem politischen Getreibe: beides hat keinen Zweck; wie soll es Zufriedenheit gewähren? Die Herzogin leistet ihm treue Gesellschaft mit guter Laune und Geduld. Ich esse alle Mittage mit ihnen und bin auch einen großen Teil des Tages dorten, wenn niemand anders da ist. So vergeht eine Zeit nach der andern; man wird des Lebens weder gewahr noch froh.
Deinen vierten Band habe ich größtenteils gelesen. Im 16. Buche habe ich mich sehr gefreut zu sehen, wie du die Völkerwanderungen von dem beginnst, was noch geblieben ist, von den ersten in die Gebirge getriebenen Völkern. Es gibt ein gar gutes und faßliches Bild. Das Christentum hast du nach Würden behandelt; ich danke dir für mein Teil. Ich habe nun auch Gelegenheit, von der Kunstseite es näher anzusehen, und da wirds auch recht erbärmlich. Überhaupt sind mir bei dieser Gelegenheit so manche Gravamina wieder rege geworden. Es bleibt wahr: das Märchen von Christus ist Ursache, daß die Welt noch 10/m Jahre stehen kann und niemand recht zu Verstand kommt, weil es ebenso viel Kraft des Wissens, des Verstandes, des Begriffs braucht, um es zu verteidigen als es zu bestreiten. Nun gehn die Generationen durch einander, das Individuum ist ein armes Ding, es erkläre sich für welche Partei es wolle, das Ganze ist nie ein Ganzes, und so schwankt das Menschengeschlecht in einer Lumperei hin und wieder, das alles nichts zu sagen hätte, wenn es nur nicht auf Punkte, die dem Menschen so wesentlich sind, so großen Einfluß hätte. Wir wollen es gut sein lassen. Sieh du dich nur in der Römischen Kirche recht um, und ergötze dich an dem, was in ihr ergötzlich ist.
In meinen Schriften bin ich nur wenig vorgerückt. Der achte Band ist beinahe zusammen. Wieland hat ihn gegenwärtig in der Revision. Es sind noch einige Kleinigkeiten dazu gekommen, das Übrige kennst du.
Sonst weiß ich dir beinahe nichts zu sagen. Daß Frau und Kinder wohl sind, erfährst du von ihnen selbst; sie haben mich mit einer Bisquitetorte und ein Paar Kränzen, nebst fremden Früchten, zum Geburtstage erfreut.
Das Wetter ist immer sehr betrübt und ertötet meinen Geist; wenn das Barometer tief steht und die Landschaft keine Farben hat, wie kann man leben?
Lebe wohl und glücklich! Du hast ja unerwartet eine Reisegefährtin gefunden; möge das Eurer Reise nicht schaden!
Fast hätte ich vergessen, dir für die Meistersängersprüche zu danken. Es ist sehr artig zu sehen, wie sie mit den platten Lebens- und Handwerksbegriffen gespielt haben.
Den 4. September.
Prinz August ist gekommen, mit dem ich vielleicht die nächste Woche nach Gotha gehe. Morgen fahre ich mit deiner Frau und der kleinen Schardt nach Kochberg. Es scheint, wir werden gut Wetter haben. Übrigens drücken wir uns unter dem kimmerischen Himmel, der unglaublich auf mich lastet. Alles wollte ich gerne übertragen, wenn es nur immer heiter wäre.
Lebe wohl. Du wirst nun wissen, was eine reine Atmosphäre ist, und wirst es noch mehr erfahren. Grüße deine Reisegesellschaft. Wie der Mensch ist, muß es ihm werden. Da hast du nun gar noch ein zierlich Weibchen im Wagen.
Lebe wohl. Gedenke mein! Du brauchst mir nicht zu schreiben. Die Briefe an die Frau werden mir ganz oder zum Teil mitgeteilt.
Grüße Dalberg. In Rom findest du die versprochene Nachricht über die Deutschen Künstler zu Eurem Gebrauch.
G.
Verona den 5. Sept. [1788].
Als ich gestern den Brief an Dich mit sonderbarer Rührung geschrieben u. weggeschickt hatte, gingen wir das Theater, die Akademie u. die Antiquitäten zu besehen, die Maffei gesammlet hat. Die beiden ersten Gegenstände gingen mir leicht vorüber; unter den alten Steinen, die einem großen Teil nach Grabsteine u. Sarkophagen sind, übernahm mich das Andenken unsrer gemeinschaftlichen Freude, u. Arbeit so sehr, daß ich in ein Nachdenken kam, das mich fast zu Tränen erweichte. Da standen die Gegenstände der griechischen Epigramme ruhig da, die Hände, die sich einander auch auf dem Grabstein mit Treue gaben, u. die Kinder zwischen ihnen, hier eine häusliche Gesellschaft um den Tisch, dort ruhende Personen, 4-5.mal, auch unser Freund Schlaf mit der gesenkten Fackel. Du kannst denken, in welchen Gedanken ich unter den Arkaden umherging; nach Mittage sahen wir sie noch einmal in Gesellschaft wieder, des Morgens sah ich sie mit D. allein. Wir gingen u. sahen noch den Bogen Vitruvs, die kostbare Brücke über die Etsch, u. kehrten zum Mittagsmahle. Um Ein Haar hätte ich den Bartola schon hier erwischt; er war in Verona gewesen, hatte in den tre Rè, wo wir logieren, logiert, der Custode dell'Academia sagte, er sei noch da, er war aber ein paar Tage vorher verreiset. Gegen Abend fuhren wir durch Höflichkeit eines Bankiers, an den D. empfohlen war, zur Komödie in die arena, oder das Amphitheater, wo wir einen Akt durch blieben, u. das lustig-kleine Schauspiel bei hellem Tage sahen: sodann in ein Naturalienkabinett von merkwürdigen Petrefakten, dann im Corso umher, u. auf den Braa-Platz, wo die ganze Welt von Verona von der ersten Dame bis zur gemeinen Fille, vom Stutzer bis zum Pfaffen umherfährt, geht, konversiert, u. f. Wir gingen das größeste Kaffeehaus durch u. sahn die Gesellschaften, unter denen auch Damen waren, nahmen eine Tasse Schokolade u. kehrten nach Hause. So ward der erste Tag begangen u. beschlossen, den wir in einer Italienischen Stadt zugebracht haben; Du kannst denken, nach dem langen Wagengedränge sehr vergnügt. Locatelli hat meistens mit mir gesprochen, Italienisch, Französisch, Deutsch, wie man sich ausdrücken konnte: denn er kann alle 3. Sprachen u. ist gar ein artiger, gefälliger Mann; heut will er uns in die Kirchen, in einige Gärten u. Paläste führen; morgen reisen wir sodann mit besserm Mut weiter. Meinen Brief habe ich nicht abgeben können, weil die Exzell[enz], an die er ist, nicht hier sondern in Vicenza wohnet, wo er seitdem podestà, d. i. Gouverneur geworden u. eine große Kreatur ist. Es ist mir sehr lieb: denn ich bestehe noch mit der Sprache viel zu schlecht, als daß ich mich ihm mit Ehren zeigen könnte. – Eben fahren Wagen vorbei, ich gehe ans Fenster, u. es grüßet mich jemand vom Bock; es ist also die Herzogin, die wegfährt. Wir dachten, sie sei gestern schon verreiset, u. hörten erst gegen Abend, daß sie noch hier sei, als Locatelli kam, uns abzuholen. Da war keine Zeit mehr, für sie u. für uns, zu ihr zu schicken. Der Himmel ist hier sehr schön; u. alles lebt u. webet. Die Häuser sind gegen die Hitze wohl eingerichtet, nicht aber so gegen die Kälte. Der Himmel gebe uns heut einen so guten Tag, als wir gestern gehabt haben, u. ich werde den Brief froh endigen. Lebe wohl, Du Gute, Liebe.
Der Tag ist zu Ende u. ich will vor dem schönen Monde unter diesem schönen Veronesischen Himmel noch beschließen, womit wir heut Verona beschlossen haben, denn morgen früh geht die Reise fort. Unter den Gemälden der Kirchen hat mir insonderheit ein Raphael Wohlgefallen, der erste, den ich in Italien sähe. Es ist eine Ankündigung: der Engel ist himmlischleicht, ein hinanschwebender Jüngling voll Naivetät u. Unschuld, die Maria bescheiden in sich gesenkt, gar nicht exaltiert, sondern innig menschlich, nicht eben schön, aber sehr sittsam u. bescheiden. Die Veronese sind nicht für mein Herz sprechend, so voll Kunst der Farben u. des Lichts sie sein mögen. Wir sahn den Bischöfl. Palast u. den Bischof selbst, eine schöne, große, edle Figur, mit einer Venetianischen Nase u. scharfen Augen, 70. Jahr alt u. noch sehr munter. Mich hat, wie er lebt u. wie er schläft, sehr behaget: zwei Figuren, die sich herzlich umarmen, in seinem Schlafzimmer u. neben an eine sehr sanfte Magdalene. Er nahm uns sehr würdig u. artig auf. Gegen Abend fuhren wir in die Giustischen Gärten, wo ich zuerst die Ehre hatte, unter Pinen (Zypressen) umherzuwandeln, u. diesen edeln, melancholischen Baum in die blaue Luft steigen zu sehen. Der Garten geht hoch an einen Felsen hinauf, so daß gleichsam Ein Garten über dem andern stehet, bis sich oben die weiteste, schönste Aussicht öffnet. Ganz Verona siehet man sich zu Füßen liegen, zur Linken die schöne Ebne, die bis Venedig hingeht, zur Rechten in die Ferne die blauen Gebirge, die unter einem Himmel, wie Ihr ihn nie sehet, daliegen. Vor sich hin siehet man die Türme von Mantua, die Berge von Parma – u. in dieser Aussicht ging die schöne Sonne unter, u. der holde Mond stand da. Ich war meistens wie im Traum, u. fühlte mich, da ich die schöne Sonne durch die Reihen von Zypressen untersinken sah, wunderbar still u. traurig. Wir fuhren nach dem Corso, wo ich nochmals mein großes, großes, majestätisches Amphitheater begrüßte, u. von ihm Abschied nahm. Morgen gehts weiter. Doch ach, ich habe mein Augenglas verloren; ein Verlust, der mir recht nahe geht. Es war von der Fr. v. Fr[ankenberg] u. hat mir so gute Dienste geleistet, daß ich gleichsam ärmer wegziehe, als ich kam: denn, glaube oder verzeihe mirs, ich habe in der Nähe der gn[ädigen] Fr[au], die mein Gefühl fast mit jedem Wort u. Betragen beleidigt, das Andenken besserer Menschen oft nötig, u. ich zweifle, ob ich mich, Trotz aller Mühe, je an sie gewöhnen werde. Morgen gehts nach Mantua, vielleicht zu Wasser nach Ferrara, denn nach Ravenna, Rimini, Ancona, Loretto, wohin ich zu Dir, meine liebe Mutter Gottes u. zu unsrer armen Heiligen Hütte, die freilich nicht voll Silber ist, wie diese Santa casa, mit herzlichen innigen Gebeten für Dich u. die Deinigen wallfahrten werde. Du denkst auch an mich u. betest für mich, meine Teure. So ist Verona beschlossen, wo uns ein Kaufmann Locatelli herrliche Dienste geleistet hat, dergleichen wir Deutsche keinem Fremden leisten. Ich habe mir eine Sammlung von Gedichten eines Veronesischen Nobile gekauft, der vor 3. Monaten gestorben ist, u. worin viele griech. Epigramme mit dem Original stehen; das nehme ich mit aus Verona. Lebe wohl, Teure! Grüße die Kinder. Seit Insbr[uck] trage ich einen Zopf, weil mir die runde Frisur zu lästig war. Das Sommerkleid habe ich mir in Nürnberg ändern lassen, u. habe es hier getragen, auch grauseidne Strümpfe.
Jena, den 8. September 1788.
Ich suche schon lange, bester lieber Herder, eine heitere Seelenstimmung, um mich den Gegenständen, mit welchen Sie leben, näher zu setzen und mich besser mit Ihnen unterhalten zu können; ich muß aber in dieser Erwartung den Tag wählen, da mich Ihre liebe Frau, mit Goethen und der kleinen Schardt, auch Fritz Stein, hier besucht hat. Sie kamen diesen Mittag von Kochberg und waren heitern und guten Muts, wie das schöne Wetter, das wir seit einigen Tagen genossen haben. Meine nächsten Fragen waren nach Ihren lieben Briefen, woraus ich einige gute und erfreuliche Nachrichten erhielt.
Für Ihre lieben Zeilen aus Ansbach danke ich, und freue mich des Ortes und der Meinigen, daß Ihnen daselbst und unter ihnen hat wohl werden können. Sie können nicht glauben, was für gute Spuren Ihres Daseins Sie überall zurückgelassen haben! Die Meinigen haben Sie ganz glücklich gemacht, und meine Schwester, welche der zärtlichsten Achtung gegen Sie voll ist, schreibt mir, daß sie lieber von dem tiefen Eindrucke, den Sie auf ihre Seele gelassen, nicht schreiben möchte, nur daß dadurch eine neue Grundfeste ihres Glücks gelegt worden sei.
Wie viel Dank muß ich Ihnen nicht haben, Lieber! und wie freut es mich, daß Sie, bei allen Ihren Eigenschaften, menschlich und gut sind! So weit besser, lieber, gefälliger ist der Prophet der Menschheit als der Prophet des – Prophetentums. Auch Frau von Hütten hat mir, wegen Ihrer Bekanntschaft, gar herzlich gedankt und spricht mit großer Rührung von Ihnen. Mit diesem Geiste ausgerüstet, lieber Mann, wo und was kann Ihnen fehlen? Vernunft und Menschheit sind so gute Schutzzeichen, als nur irgend ein Heiliger geben kann. Ich schreibe mich von Ihrem Orden, und mein Herz hofft dann sich selbst und Ihrer würdiger zu werden.
Daß Sie sobald keine Resultate Ihrer Reise ziehen wollen, billige ich sehr; sie müssen von selbst abfallen wie reife Früchte. Doch bin ich begierig, ob nicht die allgemeine Menschheit sich auch eine Ernte davon zu versprechen hat, oder ob Ihre ganze Aufmerksamkeit nur durch die Verdienste der einzelnen in Kunst und Wissenschaft abgezogen wird. Man hat freilich recht, auf einer kurzen Reise nur auf das Vorzüglichste zu sehn; aber ist das Allgemeine nicht selbst vorzüglich? Ich hasse alle Individualität, die ohne eine richtige Wendung gegen das Allgemeine zu bestehn oder groß zu sein glaubt. Freilich gehört Individualität zu jeder Äußerung, aber die größte Individualität neigt sich wieder am meisten zum Allgemeinen herab. Dieses ließe sich auch auf den Geist des Künstlers anwenden; Raphaels Bilder haben mir immer die menschlichsten geschienen.
Ohne Zweifel genießen Sie schon jetzo der Italienischen Luft. Der Geist der ersten Wiederhersteller der Wissenschaften wird Sie anwehen und in Ihrer Brust mehr erwecken, als Sie in allen Bibliotheken finden könnten; doch wünsche ich auch da Glück zu neuen Entdeckungen.
Hier auf unsern Akademien und Weisheitsschulen entdeckt sich nichts; ihr einziger Apoll und Musagete ist Haß und niedere Verleumdungssucht, und dieser führt selten Musen und Grazien im Chor. Jeder lernt höchstens, soviel er kann, von fremder Wissenschaft zusammen, und wer den größten Haufen hat, schreit, er wäre der Größte.
Daß Sie nun auch eine Grazie in Ihre Begleitung genommen haben, hat mich sehr ergötzt; ohne Zweifel ist es nur geschehen, um die Strenge des priesterlichen Ernstes gegen den apostolischen Stuhl etwas zu mildern. Wie wird sich die holde Psyche unter dem Schmucke echter Italienischer Blumen freuen! Sagen Sie doch, ich bitte Sie, Ihrer angenehmen Begleiterin und Herrn von Dalberg was Inniges, Gutes von mir!
Allem Anscheine nach ist die Markgräfin von Erlangen ihrer Frau Schwester nach Italien gefolgt, wenn sie anders durch Augsburg passiert ist. Wenn nun die Feste des apostolischen Stuhls nicht erschüttert wird, so weiß ich es nicht mehr.
Bei uns herrscht noch das alte Symbolum: In pace de bello cogitandum est; und alles was dahin Einfluß hat (die Ochsenhörner insbesondere) wird mit vielem Eifer getrieben. Der Herzog ist nach dem Sächsischen Lager abgereist, und wir leben, bei zur Ruh gesetzter Ehre und Vernunft, ein Leben, das eigentlich kein Leben ist.
Frau von Kalb ist mit heiterer Stimmung wieder nach Weimar zurückgekehrt. Ich hoffe, sie wird mich mit Frau von Stein aus Kochberg nächstens einmal hier besuchen, und dann wollen wir bei den Jenaischen Rebenblättern Ihrer süßen Trauben gedenken. Leben Sie wohl und behalten mich, nebst Ihrer lieben Reisegesellschaft, in einigem Andenken! Ich will suchen, in der Vorstellung Ihres Daseins glücklich zu sein.
Ankona, den 11. Sept. [1788] am Meer
Seit ich Dir aus Verona schrieb, liebe Treue süße Seele, u. den Br. in Mantua auf die Post gab, unter Adresse der Fr. v. Fr[ankenberg]; sind wir, wie Du auf der Karte sehen wirst, weit fortgerückt, u. was noch besser ist, unsre Reisegesellschaft hat sich so konson zu einander gestimmt, daß wir seit 3. Tagen aufs vergnügteste reisen. Die Natur der Sache bringt dieses mit sich, denn am Ende muß in einer so engen Gesellschaft jeder dafür sorgen, daß dem andern wohl sei, weil ihm sonst selbst nicht wohl ist; u. das tun wir jetzt alle. Auch für Werner wird gesorgt, u. er ist frisch u. fröhlich. Vergiß also alles, was ich in einigen Briefen unangenehmes herausgestoßen habe; es war zu frühzeitig, wie ich Dir auch selbst schrieb. Du wirst Niemanden, wie ich Dich bat, ein Wort davon gesagt haben, auch G[oethe] nicht: wir sind jetzt von Rom wenige Tagreisen entfernt, u. von da aus wird sich unsre ganze Einricht[ung] schreiben lassen. D. ist gut u. lieb; er läßt Dich aufs schönste grüßen; die Fr. von S. hat mir ein Gleiches aufgetragen. Sie überhäuft mich mit Güte u. Aufmerksamkeit, u. ich für mein Teil lasse auch nichts daran ermangeln, was ich ihr Gefälliges tun kann. Auch unsre Sitze im Wagen sind uns allen leicht geworden, weil wir oft wechseln, u. da wir uns mit den Wirten männlich durchakkordieren, u. mit den Posten, wo es sein muß, trefflich umherzanken, so gibt das der Gesellschaft Leben u. Bewegung. Laß Dir jetzt erzählen, wie wir auf dem Stiefel heruntergerutscht sind, u. was wir seitdem gesehen u. nicht gesehen haben. In Mantua logierten wir in einem so trefflichen Geschmackvollen Wirtshause, als ich auf allen meinen Reisen nicht gefunden habe; wir fürchteten die Bezahlung; es ging aber mit ihr ziemlich gnädig ab. Ich rauchte des Morgens meine Pfeife auf dem Balkon vor dem herrlichsten Morgenaufgang (versteht sich in meinem Überrock, weil ich der angenehmsten Kühle nicht traue u. mich sehr schone:) wir fuhren frühe ab, hatten ein kleines Abenteuer am Wagen, das erste auf unsrer Reise, das uns aufhielt, so daß wir durch Carpi schnell eilen mußten; u. auf schönen Alleenwegen in Modena spät ankamen. Hier hatten wir ein andres Abenteuer, daß wir unsern Courier, den wir aus Verona der Sprache wegen mitgenommen haben, u. der uns lauter Unbequemlichkeiten machte, zurückschicken mußten; seitdem wir denn für uns selbst unsre Reise besorgen, u. überall bisher gut durchgekommen sind. Weil in Modena im Wirtshause alles voll, u. der Tag uns fatal worden war, reiseten wir in der schönsten Mondnacht weiter, kamen bei Tagesanbruch durch Bologna, das wir auf unsrer Hinreise nicht sehen wollten. Wir kehrten Montags in Faenza ein, aßen u. warteten die Hitze des Tags ab, die seit Trident schon sehr stark worden war, da wir denn wieder die Nacht durchfuhren, die noch schöner war als die vorige. In Rimini wollten wir Halt machen; da wir aber hier mit Tagesanbruch ankamen, waren wir alle in so festem Schlaf, daß der Kammerd[iener] Dalb., der die Posten auszahlt, davon keine Notiz nimmt; wir fahren weiter, glauben nach Rimini zu kommen, sehen das Adriatische Meer, das in der Morgenröte u. Sonnenaufgang den herrlichsten, unnennbar schönsten Anblick gab, u. waren schon vorüber. Wir mußten also bis Pesaro fahren, wo wir aber alle sehr ermattet waren, u. entsetzlich schliefen. Seit Pesaro bis Ankona haben wir das Meer gar nicht verlassen, u. oft ging der Weg Stunden lang dicht am Ufer fort. Du kannst auf der Charte mit den Kindern nachreisen, den herrlichen Anblick kann ich Euch aber nicht mitteilen. Es war nicht ganz ruhig, aber auch nicht völlig im Sturm; die Schiffe flogen darauf, einige so nahe vor uns vorbei, daß wir die Segel u. Menschen erkennen konnten, u. Werner rief Einmal über das andre: »o wenn jetzt doch die Kinder hier wären!« u. nannte, was ein Jeder sagen würde. So kamen wir über Forli, Sinigaglia p bis Ankona, welche Stadt mit ihrem Hafen sonderbar malerisch u. schön liegt. Über dem Meer schwebte ein Gewitter, das uns zur Seite dann u. wann seine Strahlen schoß u. seine hohle Meeresstimme hören ließ. Als wir in Ankona waren, ward es stärker, gab uns den Abend prächtige Stimmen zu hören, u. heut Morgen 6. Uhr tat es einen Schlag aufs Meer, daß mein ganzes Zimmer wie in Flammen zu stehen schien. Jetzt ist 10. Uhr, es regnet noch, u. ist noch nicht vorüber. Diese Szene, dieser Anblick, die kühle erfrischende Meeresluft, nach einer Reihe so heißer Tage, die Ruhe, die wir in Pesaro, noch mehr aber hier in Ankona genossen, hat uns allen ein neues Leben gegeben. Mir sind die Seeszenen meiner Jugend wieder vor die Seele getreten, u. ich habe gestern Abend den ersten Blick wieder in Homers Odyßee getan. Heut morgen greife ich wieder nach ihr (Bodmers Übers[etzung], die D. mithat) u. denke, was ich aufschlage S. 256. die Worte über die Sirenen. Schlage sie Wundershalben auf; sie sollen mir gesagt sein, u. ich mache die Stricke zurecht, mich an den Mast zu binden. Diese Nacht habe ich auf meinem Bett unter dem prächtigsten Ungewitter recht majestätisch geschlafen, u. noch niemanden als Werner, die Kaffeekanne, Dalb. u. den alten Homer gesehen. Man kommt in Italien zu nichts; man mag nicht lesen, denken noch weniger; das Schreiben aber an Dich wird mir äußerst süß; es ist ein Zauber drin, wenn ich denke, daß ich hunderte von Meilen hinüber so herzlich u. vertraulich mit Dir sprechen kann, als ob Du vor mir säßest. Du sitzest auch wirklich vor mir; ich sehe Dich Nachts u. Tages in allen Deinen Lieblichkeiten, u. Deiner herzlichen, einzigen, unnennbaren Liebe u. Zartheit, die Du vor mich hast, u. hattest, u. mir tausendfach erwiesest. Dies sehe ich ohne alle Erhitzung der Einbildungskraft, vor der Du Dich auch, wie vor dem grimmigsten Feinde hüten mußt, bloß im Bilde einer genossenen Seligkeit u. einer Seligkeit, die wir, wenn uns der gute Himmel wieder zusammenführt, tausendmal süßer u. inniger genießen werden. Du meine treue Penelope, ich Dein alter gewanderter Ulyßes, u. unsre Kinder, Kleine u. große, um uns. Grüße sie alle von mir mit einem Kuß: hier lege ich ein Sträußchen vom Adriatischen Meer bei; mit solchen Gebüschen, klein u. groß, ist das Ufer bewachsen. Heut Nachmittage wollen wir das Merkwürdige in Ankona sehen, zu Wagen nämlich, denn die Stadt ist äußerst schmutzig u. es regnet unaufhörlich. Morgen gehts wahrscheinlich nach Loretto; da will ich Dein u. unsrer Santa casa in herzl. Gebet gedenken, wie ich vor dem grünen u. grauen Meer zum Dämon meines Lebens herzlich gerufen habe, da ich zu Pesaro allein nach dem Hafen ging, u. nachher die Segel der Wallfahrt auf den Wellen einen Tag lang dahinschweben sahe. O gütiger Genius, erhalte uns unser Leben, unser Herz, unsre Gesundheit, unsre Kinder, u. bringe uns wieder zusammen, u. gib uns bei gutem redlichem Mut ein frohes Schicksal; ewig, ewig will ich Dir danken, u. nichts erpochen, was Du mir versagest. – Nach den Nachrichten, die hier laufen, ängstet mich ein großer allgemeiner Krieg; daß er nur nicht auch meine Reise verderbe, u. Euch in Not, Gefahr u. Schrecken stürze. O die Fürsten, die Fürsten! – Lebe wohl, liebstes Weib u. sorge für Deine Gesundheit. Ich küsse Dir die Hände, die Arme, Deine Brust u. Dein ganzes Leben. Lebt wohl, Ihr Kinder, lebt wohl. In Rom finde ich von Euch allen Briefe. Sei so gut u. gib der Fr. v. Fr[ankenberg] in einigen Reihen Nachricht, auch mündlich allen, die es begehren; meine Br. aber kann keiner lesen, als Du allein. Aus Rom schreibe ich an den Herz., die Herz. u. Göthe. Nach u. nach auch an andre, die Du jetzt alle aufs beste grüßen magst. – Noch muß ich Dir sagen, daß ich seit Inspruck einen Zopf u. graue seidne Strümpfe trage, um nur mein geistl. Ansehen zu dämpfen. Zur Reise im Wagen habe ich mir Beinkl[eider] von Nanking machen lassen, weil die schwarzen mir unausstehlich enge waren u. zerrissen. Wie ich mich in Rom kleiden werde, wird die Zeit lehren. – Lebe wohl, süße liebe.
W[eimar,] den 11. Sept. [1788] Abends 9 uhr.
Ehe ich Dir auf den Brief von Botzen, den ich so eben erhalten habe, etwas sage, so reiche ich Dir zuerst die Hand mit tausend tausend Tränen, in Rom! Nicht einen Augenblick verlasse ich Dich, Du vom Schicksal so sonderbar geführter, bald in die Höhe, bald in die Tiefe! Mein Gebet ist bei Dir u. Gott ist mit Dir, das weiß ich gewiß, u. Du wirst alles Ungemach überwinden, belehrt u. erquickt u. glücklich wieder zu uns kehren. Aus meinem letzten Br., den Du in Florenz unter Deiner Adresse wirst erhalten haben, wirst Du gesehen haben daß ich nicht heiter war; diese Stimmung ward durch die Fahrt nach Kochberg etwas unterbrochen aber nicht getilgt, kurz ich habe heute den ganzen Tag sehr traurig zugebracht, ging endlich hinten allein ans Fenster u. suchte Gott unter den dicken Wolken mit Seufzen u. Weinen auf; ein schwarzes Täubchen das einsam am Fenster stand machte mich noch trauriger – ich eilte zum Schatzkästchen u. fand »Es ist ein köstlich Ding daß ein Verlassener geduldig sei, wenn ihn etwas überfället u. der Hoffnung erwarte. Die Geduld des Herrn achtet für eure Seligkeit!« auf der andern Seite: »Die Güte des Herrn ists, daß wir nicht gar aus sind: seine Barmherzigkeit hat noch kein Ende, sie ist alle Morgen neu; u. deine Treue ist groß. Der Herr verstoßet nicht ewiglich, er betrübet wohl u. erbarmet sich wieder nach seiner großen Güte, pp ich ließ die Kinder etwas lesen, es wollte mich aber nichts ganz erheitern, nach dem Essen kam Dein Brief aus Botzen, u. erklärte mir meine traurige Stimmung. Ich hoffte auf keinen Brief Du Einzig unaussprechlich Lieber, u. Du bist über Alles, über Alles gut. Ach könnte ich nur einen Augenblick mit Dir reden! aus Deinem Brief aus Inspruck war genug zu ahnden, ich sagte nur wenige Worte an Goethe, da antwortete er: er wird Italien schnell aber gut sehen, im Juni eilt er wieder zu ihnen. Es ist alles aufs höchste gegen die S. aufgebracht; u. das mit Recht, aus doppelter Ursache: Euch die Reise zu verderben, sieht ein jeder, u. dann die weibliche Ehre so ganz zu beleidigen. Die Kalb ist seit einigen Tagen wieder hier, kam gestern zu mir u. kanns der Frauen nicht verzeihen. Ihr selbst hat sie in Mannh[eim] ihre ganz Exsistenz verdorben; sie mußte ihrentwegen fort. Die kleinste Sache machte sie zur Intrique; es war undurchdringlich zu sehen, was sie in der nächsten Stunde tun würde pp Ich hoffe Du hast Dich mit dem Veturino allein auf den Weg gemacht, in Rom kannst Du Dich mit Dalberg wieder vereinigen; auf die erste Weise war die Reise höchst unangenehm, ich durfte nicht daran gedenken. In Rom kann Dalb. die S. nicht bei sich haben, das ist gegen alle Sitte, man duldet es sogar nicht. Goethe zuckt darüber die Achseln. In Neapel, sagt er, ist das alles erlaubt, nur in Rom nicht. Sie wird sich an die Herz. Mutt. anketten müssen, oder sich anderswo einlogieren oder sie werden beide nach Neapel eilen; wie er ja auch in einem seiner Briefe aus Mannheim hierher geschrieben hat an Dich. Mir wäre es lieb, so wärest Du ganz frei, aber freilich auch isoliert. Lasse Dir nur gleich ein paar hübsche Kleider machen, ich rate zu einem violettseidnen, welches die Farbe der vornehmen Geistlichen ist, u. ein schwarz seidenes. An guten seidnen Strümpfen u. guten Schuhen, muß es Werner nie fehlen lassen. Lieber Engel es ist eine harte Sache zwar, für den Beutel, allein zu sein, aber Du bist glücklicher u. auch anständiger. Es sei denn daß die S. nicht eurer Gesellschaft wäre. Um alles was ich Dich bitte, laß Dir die Exsistenz nicht durch ein Weib verderben. Bedenke, daß diese Zeit nicht wiederkommt. Suche oft die Angelica auf, die Goethe so hochhält, an andern u. viel Bekanntschaften wird Dirs nicht fehlen. Goethe ist gestern mit dem Prinz August nach Gotha gereist, sobald er kommt sollst Du einen Wechsel von 100 Dukaten haben, durch Reifenstein. ich werde ihm sagen daß Du zu Deinem equipieren noch Geld brauchst. Quäle Dich nur nicht u. ärgre Dich nicht; Du hast nun einmal ein solch zweiblättrigtes Schicksal. Mit Vernunft überwindet man doch endlich Alles. Das hast Du im 3. T[eil] d. Ideen so hübsch gesagt. Wir wollens zuerst ausüben. – Ach wie mir ist, da ich Deine Liebe so neu wieder genieße! ich bin unaussprechlich glücklich durch ein jedes Wort, u. denke manchmal: Du kannst doch vielleicht noch besser werden, da er Dich so lieb hat. Und wenn ich das wirklich zu werden strebe, sanfter u. fester werde, wie bin ich dann so glücklich – leider dauerts nicht lange. Wenn Du wieder kommst, soll Deine Gegenwart alles über mich vermögen. Ich liebe Dich jetzt, wie ich Dich noch nie geliebt habe, das weiß ich. Ja wie ich Dich immer geliebt habe u. ewig lieben werde. – Schlafe wohl Süßer unaussprechlich Lieber, für heute muß ich aufhören, ich muß meine Augen, Kopf u. mein armes Herz schonen. Nichts ist mir peinlicher als daß Du keinen Brief in Trient von mir gefunden hast.
Den 12. Morgends. Guten Morgen lieber Engel. Der Gedanke daß Du Dich losgemacht u. mit dem Veturino allein gezogen bist, beschäftigt mich ganz. u. gibt mir Hoffnung daß Deine Reise doch nicht ganz ist verdorben worden. Goethe sagte neulich einmal, man reist ja nicht um anzukommen, sondern um zu reisen. Ehe ich weiter schreibe, will ich Dir auch etwas von der Kochberger Fahrt sagen. Den 4. Sept. schrieb ich meinen letzten Brief nach Florenz. Den 5. früh 6 uhr fuhren wir ab. Goethe, die kl. Schardt, ich u. Fritz. Der Schönste Himmel wars, kein Wölkgen den ganzen Tag. wir waren alle gleich heiter gestimmt. Die Schardt ward über ihre Zuneigung zu den Engländern sehr railliert, Goethe hat ihr vornehmes u. borniertes Wesen detailliert, ist über das Betragen des Hofs gegen sie ziemlich pikiert u. hat offen u. sehr vernünftig darüber geredet. Um halb 11 uhr hatten wir den stoßigen Weg geendigt. Lotte Lengefeld kam zuerst, uns zu empfangen, denn die Fr. von Stein, die uns alle freundlich empfing, doch ihn ohne Herz. Das verstimmte ihn, den ganzen Tag. Wir sahen Zeichnungen die er mitgebracht. Nachmittag schlief er, u. Abends las ich ihr Stellen aus Deinen Briefen vor. Das gab nun eine allgemeine Wärme u. Teilnehmung. Tags vorher hatte Goethe dem Pr[inzen] Aug[ust] u. Herzog über das Christentum vorgelesen, die es außerordentlich erfreut hatte. Da bekam er nun in Kochb. einen Brief hierüber, den er Dir schicken wird – wir sprachen viel von Dir. Der andre Tag war in Allem diesem gleich, nur daß Goethe einiges vorlas das er in den Merkur geben will. Etwas über die Kunst, Beobachtungen über die Witterung u. von der heil. Cäcilia in Palermo. Der Abend war mit einem Spaziergang geendigt, u. der Mond war lieblich. Mich überfiel jeden Abend eine Sehnsucht nach Hause die ich im Bett mit Tränen erleichterte. Ich fürchte daß Du diese Sehnsucht empfindest u. bitte Dich tausendmal sie zu unterdrücken, damit Du Dir nicht die Gegenwart verdirbst. Den Sonnt. gings nach Rudolst[adt] ins Lengefeldische Haus, das eine Herzgute Familie ist. Schiller war auch da; Goethe betrug sich gut gegen ihn u. es war eine gute Stimmung. Die Gegend ist schön. Abends nach Kochb. im Mondschein. Goethe sagte das Gedicht üb[er] die Rosenkreuzer u. erzählte aus dem Tasso. Den andern Tag gings wieder nach Hause über Orlamünde u. Jena in dem unvergleichlichen Saaltal u. schönsten Wetter. Durch Schillers Aufsatz im Merkur über die Götter, den Du kennst, kam Goethe auf die Eigenschaften die die Alten in ihren Göttern u. Helden in der Kunst dargestellt haben; wie es ihm geglückt sei den Faden des Wie? hierin gefunden zu haben; er hat hierüber mit Dir da ich auch zuhörte, viel gesprochen. Die ganze Idee liegt, wie es mir deucht, wie ein großer Beruf in seinem Gemüt. Er sagte endlich wenn Ludwig der vierzehnte noch lebte, so glaubte er durch seine Unterstützung die ganze Sache ausführen zu können; Er hätte einen Sinn für das Große gehabt. Mit 10-12 000 Rtlr. des Jahres könnte ers in 10 Jahren, in Rom allein versteht sichs, ausführen. Der moralische Sinn darinnen hat mich sehr gerührt. Ihr Beide geht, wie zwei Genien der Menschheit, zu Einem Ziel. Gar schön wars, wie er sagte, daß ein einzelner Mensch nie einen Charakter in dem höchsten Ausdruck haben könne, er würde nicht leben können; er müsse vermischte Eigenschaften haben, um zu exsistieren. Er war in der Stunde, da er dies alles sprach, recht in seinem Himmel; u. wir haben ihm endlich versprechen müssen, mit niemand davon zu reden. Du warst natürlich nicht darunter begriffen, denn Du gehörst ja ganz eigentlich u. allein zu diesem Gespräch. Dich vermißt er je länger je mehr. Mit Kn[ebel] kann er über nichts reden, sagte er, Du verstehst ihn u. hilfst ihm vorwärts durch Dein großes Studium. In Jena aßen wir den Mittag bei Knebel, der durch die hiesige Wirtschaft ziemlich verstimmt war. Diesen Tag war der Herzog, ohnerachtet des noch nicht geheilten Zehs nach Dresden ins Lager gereist. Im alten Schloß werden Zimmer zurecht gemacht, damit die Kammer aus dem gelben Schloß herauskann, vermutlich soll dieses für die Gores zurecht gemacht werden. Kneb[el] las mir Stellen aus einem Br. von seiner Schwester vor, die gar lieb u. hochachtungsvoll von Dir schrieb. Abends kam ich stumm u. sehnend nach Hause, fand Deinen Brief aus Inspruck u. die Kinder gesund u. war beklommen glücklich! Ich habe gestern u. vorgestern angefangen die Preisschrift vom gesunknen Geschmack zu durchlesen; ich konnte meiner Stimmung wegen aber nicht fortfahren. Es soll in diesen Tagen geschehen u. künftige Woche abgehen, alles nach Deiner Anordnung wenn ich nichts erhebliches dagegen finde. O Du ganz Geist u. Seele u. unvergleichbares Gemüt! ich bin über alle Deine Gutheit u. Treue u. Liebe demütig bis in mein Innerstes. Ach daß ich mich nicht Stundenlang bei Dich hinzaubern kann! u. jetzt vorzüglich jetzt! Noch bitte ich Dich um Gotteswillen, sehe u. genieße ohne Störung, was für Dich taugt, u. sehe jetzt nicht mehr auf die Werkzeuge Deiner Reise. Du bist ja Selbständiger als sie alle. Sie waren die gewaltsamen Mittel Dich auf den Weg zu bringen. Solcher bedurftest Du, sonst wärst Du noch hier u. grämtest Dich vielleicht. D. soll u. muß Deinen Dank u. Deine Liebe behalten. Die S. gehört nicht zu Euch. Es ist unbegreiflich wie die Frau ihre Ehre so hat an Nagel hängen können. Dalbergs Reise ist durch sie noch mehr verdorben als die Deinige – Du kannst Dich losmachen. Ich hoffe Kaisers Beispiel hat Dir zum Veturino Mut gemacht. In Mailand stößt Grave zur Herzogin. Sie bleiben sich überall ähnlich. Goethes Freunde u. der Dieden Empfehlungen werden Dir wohl tun. Du bist ja überall durch Deine eigne Person glücklich. Gehe ja gleich aufs Land nach Tivoli pp damit das schwere Rom Dich nicht so sehr drückt. Goethe sagte, wenn er wieder nach Rom käme, so würde er von 12 uhr bis 2 schlafen, die Stunden vor dem Essen; viele täten es so, u. befänden sich wohl dabei. Versuche welches Dir besser bekommt, vor oder nach dem Essen. Der Schlaf scheint dort eine notwendige Erholung zu sein. Einen seidnen Gürtel der dort morgends u. Abends getragen wird unter der Weste, kaufe ja bald, u. vergesse ihn besonders des Abends nicht: man trägt ihn in der Tasche mit sich, um ihn immer zu haben. O könnt ich unsichtbar Deine Begleiterin u. Pflegerin sein!
Da ein Brief nach Trient 11 Tage unterwegs bleibt, so war das leider die Ursache daß ich nicht mehr nach Trient adressieren konnte. Wie schmerzt mich das, u. wie erwarte ich Deinen nächsten Brief von Da mit Wehmut! [ . . . ] Alles ist unzufrieden mit Dalberg daß er sich durch die S. hat bereden lassen. Alles ist auf Deiner Seite u. bedaurt Dich. Man hofft gewiß daß sie zur Herzogin sich schlagen wird, da sie Ehrenthalben nicht bei Dalb. bleiben kann. Sehe jetzt nur das Geld nicht an Lieber Engel, u. lasse Dir Dein Dasein nicht verderben, diese Zeit kommt nicht wieder, oder es müßte ein besonderes Glück Dich zum zweitenmal begünstigen! Alles ist ja möglich. [ . . . ]
Lieber Engel, fahre fort mir Alles zu schreiben was Dich so nahe betrifft, verberge mir nichts. Das Vertrauen erleichtert ja allein, u. ich bin kein getrenntes Wesen von Dir, unsre Seelen trennt nichts! Was sind das für Stunden wenn ein Brief von Dir kommt! O Du Einzig Guter Lebe wohl u. grüße Dalberg u. wer Dich liebt. Daß Werner brav ist, freut mich sehr, in Rom lasse ihm ein neues Kleid machen nach der Landesart, u. was er sonst bedarf, damit er gut u. willig bleibt. [ . . . ]
Ich werde Dir von jetzt an, alle 8 Tage richtig schreiben, es müßte dann sein daß ein Brief von Dir gleich Antwort erfordert, so erhältst Du noch früher einen. Sende nur gleich Deine Adresse. Kneb. hat mir inlieg. Brief gesandt, auch einen an ihn von der Fr. v. Hutten die ihm für die Bekanntschaft des Hochachtungswürdigen Mannes gar wacker danket. Goethe schreibt Dir aus Gotha, wie er mir versprochen.
Ach das Fortrücken zieht meine Seele immer fester an Dich, Du mein einziges Glück auf Erden – Lebe wohl, lebe wohl. Gott sei mit Dir, erfreue Dich u. behüte Dich!
Tausendmal lebe wohl Du unaussprechlich Guter.
Die Stein u. Schardt grüßen gar herzl. es tut mir wehe daß erstere mit G. noch nicht gut werden will.
Noch danke ich dir 1000. 1000 mal daß Du so oft schreibst u. mich beruhigst. Ich danke Gott daß er Dich gesund erhält u. er wird Dich behüten u. bewahren Du Guter.
Weimar, 12. 9. 1788 [?]
Liebster Vater.
Empfangen Sie auch von mir meinen Gruß in Rom, und holen Sie hier den Zweck Ihrer Reise, vergessen Sie allen Ihren vorigen Kummer, und kommen Sie mit neuen Seeles- und Leibeskräften bald wieder zu uns. Unserer täglicher Wunsch ist, daß es Ihnen nur wohl gehen möge, und ich schließe Sie immer in mein Gebet ein. Es hat mich und die Mutter recht gerühret, da Sie sagten, daß das Obst verfaule, wie oft die schönsten Hoffnungen verweseten –, O, denken Sie doch, daß aus einer fehlgeschlagenen Hoffnung manchmal etwas besseres und schöneres hervorgehet.
Ich habe noch immer meine Schwären, aber ich werde gewiß recht gesund und fest darnach werden, bleiben Sie nur gesund und vergnügt. Leben Sie wohl, ich wünsche Ihnen alles Glück, und umarme Sie in Rom. Behalten Sie mich lieb und vergessen Sie nicht
Ihren gehorsamsten u. Sie zärtlichst liebenden Sohn
Gottfried Herder.
Grüßen Sie Werner, und ich lasse ihn viel Glück in Rom wünschen, alle grüßen ihn. Alles ist gesund und die Mutter hat der Henriette eine Arzenei aus Hamburg verschrieben, u sie befindet sich recht wohl darnach.
[Nachschrift von Caroline Herder:]
Den Werner grüße ich mit meiner eignen Hand aufs beste. Er hat doch meinen Brief erhalten?
Weimar, 12. 9. 1788
Liebster Vater.
Gestern haben wir wieder einen sehr erfreuenden Brief von Ihnen bekommen, in welchem Sie uns die schönen Tyroler Gegenden u Berge beschrieben haben. Ach könnten wir doch mit Ihnen die schönen Sachen genießen, weil es aber nicht so ist, so sind wir mit Ihrer Beschreibung zufrieden und unser Geist und Gedanken sind bei Ihnen, und danken für alles. –
Heute haben drei Primaner peroriert Cunis, Hederich u Mende. Sie sagen alle Hederich hätte Ihnen nach geahmt.
Ich wünsche Ihnen viel tausend Glück in Rom unter den Pällsten u über all.
Leben sie tausendmal wohl, ich liebe sie herzlich u vergesse Sie keinen Tag.
u vergessen nicht Ihren gehorsamen Sohn August Herder.
d. 12 September. 1788.
[Weimar,] den 12ten Septem 1788.
lieber Vater
Ich bewillkomme Sie in Rom, daß Sie jetz dort glücklich leben möchen, und uns nicht vergessen. Ich gebe mir rechten Fleiß zum Zeignen, damit ich auch einmal dahin reiste wo Sie jetz sind, und alle die schönen Gegenden abzeigen kann. Ich schreibe Ihnen diesmal wenig, aber Sie sehn doch noch, daß ich Sie lieb habe und noch an Sie denke wir reden immer [von Ihnen?]. Leben Sie wohl und grüßen Sie den Werner, behalten Sie lieb
Ihren gehorsamen Sohn Wilhelm Herder.
1788.
Weimar, 12. 9. 1788 [?]
lieber Vater.
Nun sind sie in Rom! ich wünsche ihnen vieltausend Glück! über ihren lieben Brief aus Botzen habe ich mich rechtschaffen gefreut, die Gemsen hätten mir rechtwohl gefallen wenn ich sie gesehen hätte. Ach wenn ich nur bei Ihnen wäre, so wollte ich mich mit Ihnen recht freuen. der H. Schäfer hat uns Von dem Kaiser Maximilian erzählt wir haben auch Griechisch angefangen, daß lesen ist recht leigt leben sie wohl lieber Vater u. sein sie Glücklich – ich denke recht oft an Sie u. haben Sie lieb
Ihren gehorsamen Sohn Adelbert Herder.
Weimar, 12. 9. 1788 [?]
Lieber Vater.
Kommen Sie bald wieder denn wir haben Sie gar lieb u mögen [von Caroline Herder darübergeschrieben: können] nicht ohne Sie leben, die Mutter hat uns auf der Landcharte Botzen gezeigt, wo so Viele Kinder u so viel Obst waren da haben mir recht gewünscht bei Sie zu sein. Jetzt lerne ich das Lied Jesus meine Zuversicht u. mir beten alle Tage mit der Mutter.
Luise
Weimar, 12. 9. 1788 [?]
lieber Vater!
Kommen Sie bald, u haben Sie mich lieb, und erzählen mir von den Gemslis u. da will ich wieder an ihnen hinaufe klettern u ich will Sie auh lieb haben, u wenn Sie kommn, bringen Sie Von die schönen Abrilikosen mit
Dein getreuer Bruder Emil
Terni den 17. Sept. [1788].
Tausend Jahre scheinen mirs, mein liebstes Leben, seit ich nicht an Dich geschrieben habe, u. 10,000. seit ich keinen Brief von Dir empfangen habe; aber siehe auf die Charte, wie weit wir fortgerückt sind, so daß wir morgen bequem in Rom sein könnten, wenn wir nicht erst den berühmten Wasserfall bei Terni sehen wollten, der einige miglie von hier ist, u. wohin wir morgen unsre Reise steuren u. denn übermorgen nach Rom unsre Straße fortsetzen wollen, so daß wir, Ende dieser Woche, etwa Sonnabend, wenn uns der Himmel hilft, daselbst glücklich anzukommen gedenken. Bisher sind die Wirtshäuser so schlecht gewesen, daß ich nirgend gleichsam ein reines Winkelchen fand, wo ich Dir hätte schreiben können, so sehr es jeden Tag mein Herz begehrte; nimm also mit diesem Briefe den Zoll der Liebe u. des Andenkens von 8. Tagen an, u. lies unsern Fanciulli die weitern Abenteuer unsrer Reise vor, indem Ihr eine Charte zur Hand nehmet. Ich fange an, wo ich aufhörte, bei Ankona. Am ersten Tage passierte nichts so gar merkwürdiges: ich ging Nachmittag einen berühmten Missionar hören, den der Papst aus Rom nach Ancona geschickt hatte, die Ketzer zu bekehren. Er predigte auf einem großen Platz vor viel 1000. Männern u. Weibern, der abgefeimtste Pfaffe, in der schönsten Italienisch-Römischen Mundart, so infam, daß ich Dir den Gräuel nicht sagen mag: weil er mit den religiösesten Gebärden lauter Geschichtchen u. Gespräche der donne aus dem Beichtstuhl erzählte, hinter jeder derselben lachte das ganze andächtige auditorium laut auf, u. blieb immer andächtig. Wir haben keinen Begriff von solchen istruzzione, wie sie es nennen, in unsrer Gegend: wie seine Stunde aus war, trat er ab; es wurde wieder gesungen u. ein Dominikaner trat auf das Gerüste zu einer ernsthaften Predigt. So verbringt man die Zeit, wenn keine Oper oder Komödie da ist, u. das Damen, wie Herren u. das Volk. Man hat keinen Begriff von dem in den Tag hineinleben unter freiem Himmel. – Ich ging nach Hause u. rauchte meine Pfeife vor einem schönen Monde. Den Tag drauf wanderte ich allein durch die Stadt, weil D. zeichnete, u. die S. nicht wohl war: Gegen Mittag kam ich auf die schönste Höhe der Welt, die über den Hafen von Ankona aufs Adriatische Meer hinausblickt. Hier hat einst ein Tempel der Diana, an einem würdigen Platz gestanden, jetzt ist der Dom da; ich konnte mich von der schönen Höhe des blaugrünen Meeres nicht trennen, ging endlich aber doch hinunter, u. suchte die Börse, wo vom Balkon eine ruhige, unendlich schöne Aussicht aufs Meer ist. Nachmittag fuhren wir in einige der Kirchen, die ich vormittag schon gesehen hatte, auch auf meine schöne Höhe, u. beschlossen, da es schon dunkel wurde, mit der Börse u. der porta nuova. Die Aussicht aufs Meer machte mich jetzt unter dem schönen Monde so süß-traurig, daß ich im Andenken von Euch, meine teuren Einzigen Lieben, ein Stückchen Siegelwachs, das ich in der Tasche hatte, still u. andächtig ins schöne Meer hinab vom Balkon fallen ließ, u. mit einer Zähre in den Augen die Nymphen für Euch u. mich anflehte. Morgens drauf am Sonnabende gings aus Ankona nach Loretto, wo wir Mittags ankamen, sehr unrein, garstig u. schlecht logierten, u. gleich den Nachmittag die Santa casa der Maria, die im Altar ist, mit allen goldnen Kindern, allen unnennbaren Juwelen, Diamanten, Schmuck, Perlen, Gold-, silbernen Statuen ppppppp sahen. Es ist nicht zu beschreiben u. verdient auch keine Beschreibung, ich will Euch davon erzählen. Das beste für mich war, außer vortrefflichen Basreliefs rings um den Altar, eine Madonna von Raphael in der Schatzkammer, u. eine kleinere, nebst einem kleinen Johannes in den Zimmern des Papsts, wenn er herkommt. Den Sonntag drauf kniete D. u. ich vor dem Altar, sahen u. hörten alles noch Einmal, u. fuhren Mittags ab. Wir kamen über Recanati, wo erst die Santa casa gestanden, bis Macerata, logierten schlecht u. teuer, es regnete die Nacht durch, u. wir fuhren Morgens mit TagsAnbruch unter Regen in die Gebirge: es heiterte sich aber bald auf, u. wir kamen Abend unter der schönsten Mondbeleuchtung durch Täler u. Gegenden, von denen wir keinen Begriff haben, in Fuligno an. Morgens sahen wir einen Raphael, viel schöner als der in Loretto, eine Maria mit dem Kinde auf Wolken, das Kind steigt aus ihrem Schoß, u. tritt mit dem Einen Füßchen auf die Wolken. Unten ein vortrefflicher Joh[annes] der Täufer, ein Mensch, der eine Welt in sich hat u. auf das Kind zeigt; u. 2. Kniende Heilige, der Eine ist das Porträt dessen, für den Raphael das Bild malte: ein Sekretär des Papsts, sein Freund, u. hieß – – – a comitibus p Es ist ein herrliches Stück, nur leider beschädigt: die Nonnen lassen es verderben. Wir sahen noch einiges andre u. hätten von Fuligno in der schönsten Ebne von ganz Italien nach Perugia fahren können; die S. aber wollte nicht; wir reiseten also nachmittag fort, nach Spoleto, gleichfalls in einem vortrefflichen, entzückenden Tal zwischen den Apenninen. Von der Schönheit der Apenninen ist nicht gnug zu sagen: es gibt, glaub' ich, keine schönere Gegenden des Gebirges, ob die Tirolerberge gleich viel höher, wilder, kühner, größer sind. D. zeichnete hie u. da; ein schöner Fund, den wir antrafen, war ein ganz erhaltner Dianentempel, nicht weit von Vene, eine Station vor Spoleto. Da es der erste Tempel ist, den ich sah, lief ich voll Freude hinab, umfaßte die Eine schöne Säule, ganz mit Lorbeerblättern geziert, u. sah mit entzücktem Blick auf die schönen Flüsse u. Gegenden im Tal, mit ihren Nymphen hinab. Das innre Tempelchen hat ein Papst zur Kirche weihen lassen, damit es verschont bliebe; ich stieg, wie toll auf den Altar, zur Nische, wo die heilige Göttin gestanden hatte; sie war aber nicht da, ein schlechtes Bild des Gekreuzigten stand auf dem Altar. Hier hat Du 2. Zweiglein aus den Mauern des Tempels, die ich für Dich gepflückt habe, D. hat ihn in der Eile gezeichnet, u. will mir ihn zum Andenken der schönen Stunde geben, die wir da genossen. Die Gegend wird ewig in meiner Erinnerung bleiben. Zu guter Zeit waren wir in Spoleto, besahen noch die porta fugae, wo Hannibal floh, da er beim Trasimenischen See geschlagen war, ein Gemälde mit Wasserfarben von Raphael in seiner ersten Manier, u. die ungeheure Brücke zwischen 2. Bergen zur Wasserleitung. D. zeichnete diese den Morgen drauf, während dessen ich die Brücke beging, u. das Schloß bestieg. Ein sonderbarer Morgen. Um 10. Uhr fuhren wir weg, kamen Mittags auf die Somma, die höchste Höhe der Apenninen, nachmittags durch den ersten Olivenwald, von dem ich Dir ein Zweiglein von einem Ast beilege, der hier vor mir voll Früchte liegt, u. ich durch Werner pflücken ließ, damit ich Euch wie die Taube Noah ein Friedens- u. Weisheitszeichen übersende. Und nun sind wir hier in Terni; ich sitze u. schreibe: morgen gehts zur Kaskade. Lebt wohl, Ihr lieben; lebe wohl Du holde Maria, an die ich bei jedem Bilde von Raphael andächtig u. glücklich denke, lebt wohl, Ihr Kinder. Bald bin ich in Rom u. finde von Euch eine Menge Briefe. Gebe Gott, sie sein glücklich, Gebe Gott, daß Ihr alle wohl seid u. mir lauter frohe Nachrichten meldet. O mein liebes Herz u. Leben, erhalte Dich u. sorge für Deine Gesundheit, habe die Kinder lieb u. mache, daß ich sie wie Palmen wiederfinde. Was fehlet uns, wenn wir froh sind u. uns lieb haben? Nichts auf der Welt kann u. darf uns fehlen. Ich umarme Dich, Du Engel Gottes, Du, der ich ganz bin u. es immer sein werde. – Die Cena ist aufgetragen; nachher noch einige Worte.
18. Sept.
Wir sind beim Wasserfall gewesen, u. eilen fort; ein großer Anblick, doch nicht größer, als meine Erwartung ihn dachte. Der Strom Vellino, ehe er fällt u. in der Enge zwischen Felsen rauscht, füllte mich mehr, als da er in seine Kluft stürzt u. allgemach sein Bette findet. Wir kamen im Regen von den Höhen hinab, u. eilen fort. Heut Nacht in Citta Castellana, denn geht der neue Weg an u. Morgen Mittag oder Nachmittag in Rom. Lebt wohl, Ihr Lieben, u. gedenkt meiner, u. wünscht mir alles Gute; wo nicht um mein- so um Euretwillen. Lebe wohl, Liebe, ich nehme diesen Brief nach Rom mit.
W[eimar,] den 19. Sept. 1788.
Vorigen Posttag habe ich Deinen Brief aus Verona vom 4. Sept. erhalten, lieber Engel, auf den ich ängstlich wartete, der aber über alle Erwartung gut war. Doch ist es mir immer als ob Dir noch mehr unangenehmes begegnet sei in dieser Zeit, u. ich bin mit jedem überlebten Tage froh daß einer zurück ist u. Du bald nach Rom kommest. Die Übereilung gesellt sich nun einmal in alle unser gutes u. böses Schicksal; wie anderst angenehm u. glücklich wäre es für Dich gewesen, wenn Du Dich ein Jahr darauf hättest bereiten können! Da es nun nicht geschehen, so mußt Du Dich wie jener Musikus in Rom, auch einsperren solange bis Du nur ein wenig die Sprache weghast. Doch über das alles, hebe Dich ein guter Mut weg; atme u. sehe; u. sorge für Deine Gesundheit. Je länger ich an Eure Reisegefährtin denke, je unbegreiflicher wird sie mir. Die Reise muß dem Dalb. gerade noch einmal so hoch kommen u. wie manche Zeit u. Stunde wird er selbst verlieren, das Land u. seine Schätze kennen zu lernen.
Laß Du Dich nur nicht stören lieber Engel, ich hoffe immer daß der große Eindruck der alten Welt, Deine Seele in etwas befriedigen möchte, u. daß wir an dem gesammelten Schatz nun die übrige Lebenszeit glücklicher und zufriedener leben werden! Ach Deinen Segen den Du uns noch an der Grenze gegeben, habe ich mit tausend heißen Tränen empfangen u. Gott angelobet, gut zu sein, täglich besser zu werden, für Dich u. die Kinder. Ach ich will Alles tun Du einzig Guter, fordre was Du willt; Gott wird mir ja Stärke u. Kraft dazu geben! – überall wo ich Deine Hand finde, finde ich etwas tröstendes u. aufmunterndes. [ . . . ]
So lese ich manchen Abend vor Schlafengehen die Lieder in den zerstreut[en] Bl[ättern] u. die Blätter der Vorzeit; o wie fromm u. herzlich u. groß sind sie mir jetzt als mein Abendgebet; unmittelbar Gottesstimme von ihm u. zu ihm. Eine jede Zeile ein jedes Wort von Dir, ist mir Gottes Wort. Das wußt ich schon lange, aber jetzt weiß ichs noch inniger. Deine Preisschrift vom gesunknen Geschmack habe ich gelesen. Das ist ein unvergleichliches Werk u. ein lehrreiches; ich denke, es müßte den Schullehrern auch nützlich sein. Der Kern, Dein Geist, ist doch immer der nämliche gewesen – nur die Schale, der Stil hat sich um ein merkliches verbessert. Wenn wir es zusammen gelesen hätten, hätten wir über manchen Drang der Aussprache gelächelt. ich habe nichts zweifelhaftes gefunden, alles ist deutlich u. gar schön verbessert. Wenn Goethe von Gotha kommt, will ich ihn über ein Wort fragen, die offne Muse, (es war von den Griechen die Rede.) Gestern habe ich die über die Sprache angefangen u. werde es übermorgen zu Ende bringen, so daß den Mont[ag] alles nach Berlin abgehen kann. [ . . . ] Gleim hat gestern 10 Lose u. das Geld dazu, zum Musäusischen Garten, für die Kinder u. mich, geschickt, die Prof. hat sie ihm zum unterbringen zugesandt. Er frägt sehr nach Dir u. drückt sich auf eine eigne Weise aus: »ärgert sich mein Bruder Herder schon in Rom? Sitzt er im Schatten eines Ölbaums an der Quelle bei Vaucluse? wo lebt er? wo denkt er an uns? nun wünscht ich, er wäre noch bei uns u. schrieb an seiner geliebten Adrastea, so bekäm ich das herrliche Geschöpf in diesem Leben noch zu sehn!« auch schließt er den Brief mit den Worten: »Sie sind nicht sicher daß wir nicht einmal am Sonnabend angefahren kommen u. den Mont. wieder abreisen – wir dörfen doch?« – Das wäre mir nun ein artlicher Besuch!
Wenn Goethe kommt sollst Du gleich einen Wechsel haben; ich hoffe, wenn Dir Geld gebricht, Du nimmst einsweilen von Dalb. oder Reifenstein. Ich bitte Dich doch ja hübsche Kleider zu tragen, nach der Gewohnheit des Landes. Hübsche Schnallen nicht zu vergessen. Jetzt kommts endlich auf ein paar hundert Taler mehr oder weniger nicht an. Sich behaglich zu fühlen mit andern, kommt doch gar sehr auf die Kleider an; das sehe ich immer mehr. Wie bin ich begierig auf Deine ersten Briefe aus Rom! Wenn Du Dir nur alles recht gemächlich u. gemütlich einrichtest! An Geld will ich Dirs nicht fehlen lassen. – Von der Herzogin habe lange nichts gehört. Du schreibst ihnen beiden doch gewiß aus Rom; ich bitte Dich darum. Anfang künftigen Monats kommt der Herzog wieder. Wie jammerts mich daß Ihr nicht über Florenz gegangen seid! Dort lagen 2 Briefe von mir. Ich habe sie durch einen italienischen Brief an das Postamt daselbst, unter der Adresse an Buri nach Rom zu senden gebeten. H. asses. Zinserling hat mir den Brief aufgesetzt; der überhaupt gar willfährig zu dienen ist. Solltest Du sie nicht empfangen haben, so schreibe selbst darum. Die Adresse war: à Mons. Herder Conseiller ecclesiastique à Florence, poste restante. Es war auch ein Br. von Goethe darinnen.
Die Kinder u. ich sind alle wohl. Da ich große Anstalten zum sparen machte, haben wir sämtlich einen solchen Appetit bekommen, daß ich muß mehr Gemüs kochen lassen wie sonst; der Fleischer bekommt aber viel weniger. Etwas von der ältsten Fräul. Volgst. muß ich schreiben. Sie hat Dich doch so lieb. Als sies in der Stadt hörte (denn in der Stadt wußten sies früher als ich) daß die Seckendorf mitreiste, so war sie sehr [böse] auf sie u. sagte, jener arabische Weise hätte wohl recht; vor sieben Sachen soll man sich hüten, vor Ottern, Schlangen, Skorpionen pp u. vor einer schönen Frau.
Nachmittag. Eine unaussprechlich große Freude habe ich so eben durch Deinen Brief vom 5. Sept. aus Verona, den mir die Frau von Frankenb. gesandt! ach wie viel tausendmal danke ich Dir dafür. Du bist über Alles über Alles gut, lieb u. treu Du unerschöpfliche Quelle; ich weinte von Herzen bei der Beschreibung der Grabmäler, u. das Andenken der verflossenen Tage kam recht wehmütig über mich. Doch freue ich mich auch der andern Dinge, Gebäude, Gegenden, des Himmels, den Du auch mit mir gesehen. Ja ich bin Dir immer zur Seite Du lieber Einziger, Du magst auf Deinem breiten Italienischen Lager liegen u. unsrer gedenken, oder den stillen Mond sehen, in den ich Dich tausendmal begrüße, immer u. unabtrennlich bin ich bei Dir. Keine neuen Gegenstände verhindern mir Dein Andenken – so schlafe ich ein u. so erwache ich. Wenn ein Brief von Dir kommt, denn bricht das arme Herz wieder los, u. die Kinder können nicht begreifen warum ich weine, da sie doch hüpfen u. springen bei des Vaters Brief. Nun Gott sei immer bei Dir, Du bestes Herz! Es ist doch Alles gar schön was Du aus Verona schreibst, u. ich fühle daß Dirs wohl war. Nun wird der Brief wieder zehnmal gelesen bis wieder ein andrer kommt. Wir sind alle sehr begierig Dich zu sehn in Deinem Zopf. Den Kindern macht das einen großen Spaß. Ich wünsche Du hättest Dir auch seidenes Futter in das Sommerkleid machen lassen. Spare nur an Deinem Leibe nicht. – O wie schön ist die Gegend die Du beschreibst! Gott gebe Dir viel tausend Gutes dafür. Ich kann Dir doch gar nichts erfreuendes dagegen sagen. Das schmerzt mich. Auch ist heute ein gar dunkler Himmel, es regnet gewaltig. Dein verlornes Augenglas wirst Du ja wohl wieder im Andenken der guten besten leidenden Fr. v. Fr[ankenberg] durch ein andres ersetzen; sage mir nicht mehr: »glaube oder verzeihe mirs, ich habe das Andenken besserer Menschen oft nötig« Du weißt wie ich über diesen Punkt gedenke. Ich lebe nun einmal ganz in Dir u. mich macht nichts irre; ich denke nicht einen Augenblick an mich; u. ich hoffe Dir dies Gefühl in vollem Maß zu zeigen, wenn Dich Gott wieder zu uns bringt. Das Leben ist zu kurz, u. ich zu arm für Deinen reichen Geist. Die ganze Welt ist Dein, genieße sie, ich bitte Dich. und wenn Du wiederkommst, wollen wir an Deinen Lippen hangen u. Du bist wieder unser, wie Du es ja jetzt auch bist. Lebe wohl Du guter lieber fester Mann. Gott gebe Dir Freude, Gott gebe Dir Segen u. behüte Dich! Gottfr. u. Aug. schreiben Dir heute. Wilhelm, Adelb. Luisgen u. Emil grüßen den lieben Vater u. werden das nächstemal schreiben, ich drücke Dich an mein armes treues Herz.
Weimar, 19. 9. 1788 [?]
Liebster Vater.
Ihre vortrefflichen Briefe aus Verona sind uns eine große Freude u. Erquickung gewesen. – Ich kann mir den Zypressen garten, an dem Felsen recht deutlich denken, und das schöne Wetter, und das herrliche Italien. Es freut mich, daß Sie auch einen Zopf tragen, da kann ich Ihrer auch spotten, wenn Sie über den meinigen lachen.
O könnte ich Sie doch nur einmal sehen, oder Sie wieder hören, und Sie in meine Arme drücken!! Der Herr Direktor hat an die Mutter einen sehr höflichen Brief geschrieben und ihr das Programm für Sie geschickt, worinnen er das Stück aus den Blättern der Vorzeit, Salomon in seinem Alter übersetzt hat. Ich habe es der Mutter übersetzt, er hat es sehr schön übersetzt, und es ist dem genio der Lateinischen Sprache recht angemessen.
Leben Sie wohl, teuerster, liebster Vater, und kommen Sie bald wieder.
Herr Schäfer läßt Sie vielmals grüßen; wir sind in der Bibliothek recht fleißig. vale, vale.
Behalten Sie mich lieb,
Ihren gehorsamsten, u. Sie zärtlichst liebenden Sohn.
Gottfried Herder
Viel Grüße an Werner.
Weimar, 19. 9. 1788
Liebster Vater.
Jetzt rede ich wieder mit Ihnen im Herzen, u. sage auch dank für die liebsten Briefe. – Morgen kommt der H. Geheimerat v. Goethe wieder von Gotha. Ich wünschte, daß ich sie mit ihrem Zopfe könnte sehen, es wird sehr lustig aussehn mit ihrem ernsthaften Gesicht, wenn sie wieder kommen muß sie Werner auch so machen, daß wir sie alle auch so sehn. Etwas muß ich Ihnen melden, ich trinke jetzt alle morgen ein Ei im Kaffee u. es bekommt mir sehr gut, u. da sie in Italien keinen Raum haben, sagt die Mutter So möchten Sie doch auch ein Ei im Kaffee trinken. Grüß Sie Werner von mir u. allen. Leben Sie wohl u. vergessen nicht
Ihren gehorsamen Sohn August Herder
Weimar, 19. 9. 1788 [?]
lieber Vater
ich kriege ein neues Kleidchen von grunem Biber, es wird schon kalt, ich habe getraumt von Sie. Sie wären gekommen u. hätten Kuchen gebracht.
Kommen Sie nur bald, ich habe Sie gar lieb. Gott wird Sie gesund halten.
Ihr gehorsamer Bruder Emil Herder.
Rom, den 20. Sept. 88.
Da sind wir in der Hauptstadt der Welt, u. alles Ungemach der Reise ist vergessen u. verschwunden. Gestern Abend, oder Nachmittag zwischen 4–5. Uhr langten wir an, stiegen bei Danon ab, der uns ein Haus im Corso anwies, wo wir uns denn nach einem Hause umzusehen Zeit haben, vor der Hand aber noch ziemlich enge u. unbequem zusammengepackt sind. Unsre erste Sorge war um Briefe; D., die S. empfingen die ihrigen; ich aber ging leer aus. Ich habe diesen Morgen nochmals auf alle Posten geschickt; aber vergebens. Wie mich das schmerzt, kann ich Dir, liebste auf Erden, nicht sagen; Es ist Euch, hoffe ich, nichts begegnet; sondern Alles, Alles, ich hoffe, hoffe es zu Gott, ein Mißbenehmen mit den Posten; dem Göthe doch wohl hätte zuvorkommen können. Die Briefe, die ich an Dich geschrieben habe, sind
1. Erfurt 2. Gotha 3. Bamberg 4. Bamberg in Nürnb. auf die Post gegeben. 5. 6. 7. Nürnberg, imgleichen ein Pack 8. Anspach, nebst Br. an Knebel 9. 10. Augsb. imgl. – 11. Insbr., wo Briefe an Knebel, Voß plagen auch die Vorrede 12. Botzen vom 1. Sept. 13. Verona den 4. 14. Mantua, aber zu Verona geschrieben, unter Adresse der Fr. v. Frank[enberg] 15. Ankona den 11. Spt. 16. von Terni der hier beikommt.
Deinen letzten Br. habe ich in Augsb. an meinem Geburtstage erhalten; Du schriebst, daß Du noch Einen in Dtschl. an mich schreiben wolltest. Ich fragte auf allen Posten bis Trent u. Roveredo nach, aber vergebens; schrieb von Insbruck nach Augsburg, daß wenn er dort ankäme, man mir ihn à la poste restante nach Rom schicken sollte; aber auch den habe ich hier noch nicht gefunden. Ich ging gestern Abend zu Buri, u. glaubte, bei ihm würden welche sein; ich sahe Göthes Quartier, u. an Buri, den herzlichsten, liebevollsten Jüngling, aber keine Briefe. Er ging mit mir zu Angelika, die mir nichts als Göthes alten Brief von Costanz zu geben hatte, für den ich ihm sehr danke. Reifstein kam auch eben hin, daß ich also den ersten Abend gleich 3. Deutsche sprach: er hat Göthes Geldanweisung erhalten, sage ihm das; die Angelika wartet auf eine Antwort von ihm; sie hat nachgerechnet, daß sie sie schon haben könnte, sage ihm das auch. Sie ist eine feine, zarte, reine Seele, ganz Künstlerin, äußerst simpel, ohne Reize des Körpers, aber in allem sehr interessant; der Hauptzug ist Simplizität, Reinheit u. Feinheit. Schade für die Kunst u. Menschheit, daß sie schon etwas altert. Sie hat mich sehr artig empfangen, ich blieb aber nicht lange da, weil meine quodlibet-Gesellschaft zu Hause noch nicht arrangiert, u. ich nur so weggelaufen war. Die Nacht habe ich prächtig geschlafen, u. befinde mich gesund u. wohl. Werner, der einige, die letzten Tage der Reise über Kopfschmerzen klagte, befindet sich heut auch frischer u. gestärkter, welches ich ihm denn herzl. gönne. Er lag mir sehr am Herzen, u. es war Zeit, daß die Reise aus war. Gottlob, also, wir sind hier; u. was sich weiter machen wird, will ich Dir schreiben. Wäre ich allein, so wäre ich in Rom schon wie zu Hause; so unglaublich leicht wird einem alles gemacht, wenn man Geld hat (doch ists nicht teuer) u. wie ein Mensch reiset. Ein Troß aber, eine gnädige Frau, Knickerei und Kleingeist daneben machen es freilich nicht so leicht u. eben. Doch laß das gut sein, u. laß Dich gegen keinen nichts merken, wie ich Dich immer gebeten habe. Man gewinnt vor der Welt nichts gegen die Leute, u. sie sind durch sich selbst gnug gestraft; daher sie auch im Leben zu nichts rechtem, Innigen, Großen u. Festen kommen mögen. Wenn wir eingerichtet sind (welches bald geschehen wird; denn es gibt gnug u. satt leere Quartiere) werde ich ausführlicher schreiben. Während der Zeit habe ich auch Deine Br., u. werde sodann an den Herz. u. die Herz. schreiben. Vorjetzt grüße alle u. sage, daß ich gesund hier bin; grüße Göthen u. sage, daß ich sein Quart[ier] gestern bei Licht gesehen, heut will ichs sehen bei hellem Tage. Buri hat herzlich geweint, da er mich sah u. herumführte. Ich will heut Werner mitnehmen, daß er das Quartier kennen lernt; es ist in unsrer Straße. Die Herzogin M[utter] will den 25. in Florenz sein, wie Einsiedel Reifstein geschrieben; also kommt sie Ende dieses Monats hier an, wenn wir hoffentlich eingerichtet sein. Gesehen habe ich noch nichts, als aus meinem Zimmer das Stück vom blauen Römischen Himmel; das ist vorerst die Rotonda gewesen, unter der ich heut morgen mein Dankgebet getan habe. Es war zugleich eine herzliche Bitte um gute, glückliche Nachrichten von Euch, meine lieben. Lebt wohl, wohl, wohl, wohl u. denkt meiner. Hier ist das Zweiglein vom Tempel der Diana am Klitumnus, ein Blatt aus dem ersten Olivenwalde u. ein Lorbeerzweiglein vom Wasserfall bei Terni. Aus Rom meinen herzlichsten Kuß.
Weimar, 22. 9. 1788
Hier schick' ich noch ein Blättchen an den Mann. Ich habe mich etwas stark herausgelassen; warum soll man aber nicht die Wahrheit sagen? Ihm ist ja so ungeheuer manquiert, daß er ein für allemal nicht zu nachgiebig und gutmütig sein muß.
Leben Sie wohl, Beste!
G.
Ich kann wohl wenig zu dem hinzufügen, was dein treues Weib in beiliegendem Brief dir wird gesagt haben. Wenn es noch Zeit ist, du dich nicht durch ein gutmütiges Point d'honneur außer Besitz gesetzt hast; so bitte ich dich inständig, unserm Rat zu folgen: Dalbergen männlich und einfach zu sprechen, von ihm das bedürfende Geld zu nehmen und lieber sein Schuldner zu bleiben als dich und die deinigen in die fatale Verlegenheit zu setzen.
Dank's ihm im Grunde der Teufel, du brauchst ihm gar kein gut Wort dafür zu geben; es ist in jedem Betracht schurkisch; denn es ist kein Spaß, einen dahin zu locken, wo er nicht sieht, wie er zurück kann. Das Zurückgehn muß dein Hauptbegriff sein; denn du stickst nun einmal drin. Vor Ostern ist's nicht möglich. Laß du bis dahin die Frau das Geld sammeln. Ich gebe dir den Kreditbrief in Rom, und du gehst neugeboren zurück.
O mein Bruder, welcher böse Geist trieb dich, mich zurückzuberufen? Ich hätte dich nun auffangen können und wir hätten sie alle ausgelacht.
Es wende sich dir alles zum Besten, nur um Gotteswillen keine Gutmütigkeit, die pelikanmäßig ihren Busen aufreißt, um Bastarde zu säugen.
Ich lebe sehr wunderlich. Sehr zusammengenommen, und harre auf Zeit und Stunde. Mein achter Band ist in Ordnung. Künstlers Apotheose soll dir eine gute Stunde machen. Nun bin ich an Tasso, der auch vorrückt. Behalte ich Frieden von außen, so gerät auch der.
Leb wohl. Morgen fahr ich mit dem Erbprinzen nach Jena. Wir nehmen Augusten mit.
Daß du Kaysern in Botzen antreffen solltest und auf solche Weise, war wunderlich genug. Er ist den 10. September in Zürich angelangt. Sehr verlangend bin ich von dir zu hören. Daß doch dein Reiseglück nicht beständiger war! Möge sich eine neue Epoche machen!
G.
d. 22. Sept. 88.
Weimar, 22. 9. 1788
Lieber Engel ich schreibe Dir heute schon wieder; die Affaire des Geldes kränkt mich aber je länger je mehr. Je länger ich darüber denke, je unedler u. niedriger finde ichs, daß Dich D. bezahlen läßt. Er hat Dir die Reise angetragen, er wußte so gut als wir, daß Du nicht in der Verfassung bist, eine Reise nach Italien zu unternehmen, noch weniger mit ihm al Barone zu bezahlen. Unsre Gutheit spielt uns eben immer üble Streiche; u. in der ersten Aufwallung u. Teilnehmung an Deinem Verdruß, dachte ich, ich könnte u. müßte Dir Geld schaffen, wenn auch gleich zu unserm Nachteil. Die Sache wird mir aber je länger je wichtiger – ich habe daher gegen Dein Verbot gehandelt u. in Zeiten, ehe wir etwas durch gutherzige Übereilung verderben, Goethe um Rat gefragt. Wie ihn das ganze Betragen indigniert hat, kann ich Dir nicht sagen. An dem allen ist freilich niemand als die S. schuld; D. selbst aber ist äußerst schwach, daß er Dein Anerbieten des mitbezahlens angenommen hat. Jetzt müssen wir darauf denken daß wir in kein größeres Labyrinth kommen, ohne unsre Schuld. Das Resultat unsrer Beratschlagung hierüber ist dieses. Das Geld, was ich Dir diesen Winter bis Ostern ersparen kann, u. worüber ich Dir am Ende des Briefs eine vorläufige Berechnung beifügen will, müssen wir als einen Hinterhalt zu Deiner Rückreise aufheben. Du selbst mußt nun mit Dalberg mündlich u. allein, nur um Gotteswillen nicht schriftlich durch einen Brief etwa, sprechen, ihm ohngefähr dies sagen: Du hättest die Reise auf sein Anerbieten mit ihm unternommen. Er wüßte so wohl als Du daß Du nicht mit Frau u. 6 Kindern in dem Verhältnis wärest eine solche Reise auf Deine Kosten zu tun. Du sowohl als alle Deine Freunde hier, sind in der Meinung gewesen daß Du auf seine Kosten mitreistest. Er selbst war es gewiß nicht anderes Sinnes, da er in Augsburg alles zu zahlen übernommen hat. Da nun die Reise durch den Beitritt der Fr. v. S. so hoch gekommen, so hättest Du freilich aus übergroßer Gutmütigkeit Deinen Teil daran mitbezahlt; Du müßtest ihm aber sagen daß Du Dich nicht darauf eingerichtet hättest, auch nicht in der Verfassung seiest Dir von Hause Geld kommen zu lassen. Indessen wenn es seine Meinung sei, daß Du bezahlen sollst, so müsse er Dir aus seiner Kasse soviel leihen als Du brauchst u. Du würdest ihm solches nach Deiner Heimkunft nach u. nach abtragen.« Hier bitte ich Dich nun lieber Engel, auf den Knien, gegen undelikates Betragen nicht delikat zu handeln, sondern diesen Vorschuß als Gerechtigkeit von ihm zu verlangen u. Du wirst es auch erhalten. Goethe behauptet: D. müsse einen unbedingten Kredit-Brief mithaben, anderst hätte er die Reise nicht unternehmen können. Sie sind eben wie Kinder, sagte er, die einen Spinnrocken anzünden, u. wenn er denn brennt, darüber erschrecken. Ja ich weiß am besten was es für Geld kostet; u. oben drein ein Weib mitzuführen ist lächerlich, kostspielig u. macht weder Spaß noch Nutzen.
Jetzt, Du Guter Lieber, gilts, unsre unnütze Großmut beiseite zusetzen u. der Notwendigkeit zu gehorchen. Aus den Fürstl. Kassen wird mir kein Geld vorgestreckt, weil durch ein Reskript verboten worden, solches zu tun. Und wer ist hier der einem Geld gibt ohne 6 prozent? 1000 Rtlr. wenigstens müßte ich Dir für diesen Winter bis Ostern schicken, ohne das Reisegeld zur Rückkunft. In welche neue Sorgen, die einem Lust u. Leben verzehren, würden wir wieder dadurch kommen. Beherzige das selbst lieber Engel, u. lasse uns jetzt nicht über unsre Kraft u. Vermögen gutherzige Narren sein. Ein andrer sinnlicher Mensch würde an Deiner Stelle, einen Kontrakt gemacht haben, nicht allein daß er in allem frei gehalten werden müßte, sondern er hätte seine eigne Person auch mit in Anschlag gebracht. Da das nun nicht geschehen ist so müssen wir uns mit heiler Haut suchen heraus zu winden, das ist unsre Pflicht, die wir auch den Kindern schuldig sind.
Findest Du für notwendig von D. zu ziehen, mehrerer Ersparnis wegen, so ist das Zimmer das für den Kaiser bestimmt war u. worinnen Goethe logiert hat, noch ledig. Da könntest Du, wenn Du auch mit ihnen zu Tische gehest, was merkliches ersparen u. mit Buri kannst Du das alles abmachen; Goethens Freunde werden Dir dort mit Rat u. Tat an Hand gehn, wenn Du Zutrauen zu ihnen hast, sagt Goethe.
Nun komme ich zu dem Geld das ich diesen Winter bis Ostern zu ersparen gedenke, u. Dir durch Goethens Vorschub, in einem Wechsel an Ostern übermachen werde. Es haben an Johanni verschiedene Sachen nicht bezahlt werden können, die ich jetzt abtragen muß, u. also vom Michael Quart. nichts erübrigen kann. Hingegen lege ich zurück: die den 1. Okt. Gefällige
halbjährige Zulage vom Herzog | 150 Rtlr. |
an Weihnachten | 100 Rtlr. |
an Ostern | 200 Rtlr. |
Die halbjährige Zulage vom Herzog den 1. April 1789 gefällig mit |
150 Rtlr. |
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Summa | 600 Rtlr. oder 200 Dukat. |
Die Rückreise hat den Goethe 500 Rtlr. gekostet; Dich wird sie nicht um einen Pfenning weniger kosten; die 100 Rtlr. die darüber sind gehn für einige Liebhabereien zu kaufen, drauf. So wäre Dein Rückzug gedeckt u. gesichert. Noch will ich Dir über die gewiß von D. den 11. März empfangenen 400 Dukaten oder 1200 Rtlr. zu Deiner eignen Beruhigung eine Berechnung machen, die Dich in der Verbindlichkeit gegen D. gewiß erleichtern wird. Diese 1200 Rtlr. sind nämlich ganz allein zur Reise auf folgende Weise verwandt.
Du hast bar mitgenommen | 400 Rtlr. |
Notwendige Vorbereitungen zur Reise für Dich u. den Bedienten, an Kleidung u. andern Dingen die zu weitläuftig sind herzusetzen, u. wofür ich nur die geringe Summe hersetze von |
100 Rtlr. |
ferner das Reisegeld zur Rückkunft das Du an Ostern erhalten wirst |
600 Rtlr. |
ferner, den 2 Geistlichen die Dein Amt bisher verwaltet haben, zusammen | 100 Rtlr. |
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Summa | 1200 Rtlr. |
So, wäre von dem schon empfangenen Geld, nichts zu unsern Bedürfnissen verwandt. Von dieser Berechnung lasse Dir vor der Hand nichts merken, sie soll Dir selbst nur Mut machen, nichts von eignem Geld, das wir ja auch nicht haben, aufzuwenden, u. jetzt allein der Gerechtigkeit u. Notwendigkeit zu gehorchen. Da Du mir aus Augsburg schriebst, daß D. alles bezahlt, wie billig u. recht, so hoffte ich diese 600 Rtlr. als einen Notpfenning für uns zu ersparen. Da das nicht geschehen kann, so wird Gott auch schon sorgen.
Jetzt bleibt mir noch eine einzige Bitte übrig: nämlich, erhalte Dein Gemüt u. Deinen Geist heiter! mache das ganze Geschäft ohne Bitterkeit, aber auch ohne Nachgiebigkeit ab; u. dann sehe u. genieße mit reiner Seele. Ich kann Dir nicht oft genug zurufen: diese Zeit kommt nicht wieder; lasse sie Dir durch nichts verbittern noch vertrüben. Auch denke nicht, daß Du durch Arbeit u. Schreiben, Geld zusammenbringen willt, das hat alles Zeit, wenn Du hier sein wirst; durchaus mußt Du kein andres Geld dort ausgeben, als das Du von D. empfängst. Ich bitte Dich, sei hierinnen wacker u. fest zu unsrer künftigern Ruhe.
Ich denke gewiß daß Dir die Berechnung der 1200 Rtlr. ein Licht gegeben haben, daß Du Dich nun weiters als keinen so drückenden Schuldner von Dalberg ansehen wirst. Wenn Du wieder hier bist, kannst Du Dich in einem Brief mit ihm hierüber erklären. Das ist für Euch beide notwendig. Auch, falls es Not tut, kann es noch früher geschehen. – Die S. hat an den Luck geschrieben, auf Zureden der Verwandten hätte sie sich zur Reise entschlossen; u. an die Schwägerin Fr. von Seckend. in Francken hat sie geschrieben, daß sie auf Einladung der Herzogin reise. Nun ist beides nicht wahr; sie hat vermutlich die Herzogin ausgeforscht oder angesucht ob sie sie mitnehmen wolle, u. da es nicht ging, aus depit, es mag auch kosten was es wolle, durchgesetzt. Der Coadiutor soll über die Reisegefährtin sehr gelacht haben. Wie könne es der Familie einfallen, sie zur Reise zu bereden, da sie ihrer unendlichen Bedürfnisse wegen, gewiß noch einmal so hoch kommen muß als wenn Ihr beide allein geblieben wäret. O wenn ich daran gedenke so jammert u. blutet mein Herz, daß Dir doch auch alles verdorben wird. Für den guten D. wünsche ich, daß ihm inzeiten die Augen über diese Frau geöffnet werden mögen, sonst bringt sie ihn auch noch in große Schulden. Denke, die Verwandten ihres Mannes haben 15 000 Gulden Schulden nach seinem Tod bezahlt, die während ihrer Ehe gemacht worden u. wozu sie redlich geholfen hat. Wenn sie diese Summe voraus gewußt hätten, so würden sie ihr kein so gutes Wittum ausgesetzt haben; u. anstatt daß sie dafür der Familie dankbar hätte sein sollen, war sie noch unzufrieden über sie. Wie dauert mich der arme D. daß er in den Klauen eines solchen Weibes ist. Wenn er durch diese Reise nicht kuriert wird, so ist er an dieser Krankheit unheilbar. – O Du Engels liebe gute Seele, sei Du nur fest u. standhaft, u. lasse Dich nicht durch Pfiffe u. List des Weibes um unser Geld bringen! Sei darinnen unbe[irr]lich; und wenn wirs ihm auch wieder geben müssen, so ists besser ihm schuldig zu sein, als hier den Leuten für ihre 6 prozent die Mäuler aufzusperren. – Bei der Herzogin Mutter verwundern sie sich auch gar gewaltig daß das reisen so viel Geld kostet!
Gott gebe daß dieser Brief bald zu Dir kommt u. Du indessen keine nachteilige Einrichtung getroffen hast. Ach wie wünsche ich mir Flügel zu Dir Du über alles Guter Einziger. Ich habe vorgestern Nacht, da mein Brief an Dich fort war, in den Blumen aufgeschlagen, ich konnte nicht satt an den unvergleichlichen werden, endlich fand ich Der Kranz von Lilien u. Amaranth u. Das süße Finden! ich ward recht wehmütig u. fand nur im Bette endlich Ruhe. – Laß Dich nur von keiner Sehnsucht überwältigen, sondern genieße u. sehe, bis Du alles gesehen hast. Noch in der Nacht träumte ich, ich sei mit Dir in Rom. Ich habe ein Gebäude gesehen, wie ich selbst im Kupferstich noch keins von der Größe gesehen noch geahndet habe. Das Gebäude gab einen höchst feierlichen dämmernden Schatten. Endlich sah ich an dem Portal, das überhaupt wie ein Triumphbogen gemacht war, oben eine ruhende Familie alle in Lebensgröße in Bildhauerarbeit. Ich stand ganz erstaunt u. betroffen über das Gebäude, u. sagte endlich ganz vernehmlich: Das ist ein großer Gedanke. Dieser Traum ist nur ein lebhafter Eindruck von Deinem lieben süßen Herzensbrief gewesen. Du siehst u. empfängst das Gute wie es niemand sieht u. empfängt, Du triffst gleich den Geist u. echten Sinn. Wenn uns das Schicksal je gewürdigt hätte, eine solche Reise miteinander tun zu können, wie manch andres unnützes reiches Volk! Welch ein Genuß wäre das gewesen!
Die Kinder sind alle wohl. Gottfried spielt nun gar hübsch auf dem Klavier, ich lasse ihm seit diesem Monat Stunden von Rudolf geben, der mit viel Ausdruck spielt. Du sollst aber davon nichts wissen, es ist ein Geheimnis, u. sollst bei Deiner Rückkunft damit überrascht werden. Die Kinder reden doch gar gern von Dir, sind sehr fleißig; August u. Wilhelm vorzüglich. [ . . . ] Ach Du Lieber, ich wünsche uns oft in einen Zauberspiegel daß Du uns sehen könntest. Noch sind die Tage schön u. ich lasse sie noch gern der Luft genießen; wenn die langen trüben Abende kommen, wollen wir uns alsdann zusammen setzen, an Einen Tisch; arbeiten u. lesen, u. von dem Vater erzählen. Immer ist mir im Gedächtnis, was Du in Verona gesehen hast, u. wird mir recht lebendig. Die gute Franckenberg beneide ich recht um ihr geschnittenes Steinchen der zwei Hände womit sie jetzt siegelt. Bringe mir ein liebes Andenken von der Art mit. [ . . . ]
Nun lebe wohl Geliebter. Sei heiter u. guten Mutes. Ich hoffe daß Du nun alle meine Briefe empfangen hast. Die Kinder küssen Dich 1000mal. Es ist ein Seil im Garten aufgespannt das ihnen Fritz Stein gegeben hat, u. sie werden sich wohl von diesem neuen Spektakel nicht los machen um Dir zu schreiben. Die Preisschriften sind heute abgegangen. Es wurde nichts verändert. Das über die Sprache ist ein großes Psychologisches Werk u. hat ganz unvergleichliche Stellen, ich habe darüber den schönen Sonnenschein gestern u. ehegestern nicht geachtet u. bin beim lesen geblieben. [ . . . ]
Weimar, 22. 9. 1788 [?]
Lieber Vater
Sie werden nun in Rom sein, wir freuen uns alle Tage, wenn Freitag und Sonntag ein Brief von ihnen kommt. Wir haben recht lange von ihnen keinen Brief gekricht. Der junge Stein hat uns allen ein rechtes dickes Seil geschenkt das ist im Garten aufgespannt. Wir haben auch Gürtel an unserm Leib angekricht das wir sollen uns gerade halten. grißen sie den Werner leben sie wohl behalten sie mich lieb der Herr Schäfer griset sie. – ihr getreuer
Sohn Adelbert Herder.
Weimar, 22. 9. 1788 [?]
Lieber Vater.
Es geht jetzt gar hübsch in der Schule ih rechne nun, u. Wir haben die Landcharte da suchen Wir oft Italien auf das liegt gegen Mittag u. ich habe auch Verona gesehn ich habe das Lied gelernt, befiehl du deine Wege u jetzt lerne ich meinen Jesu laß ich nicht. Kommen Sie bald wieder der liebe Gott wird Sie auch nicht verlassen Sie sind ein Guter Vater Ihre gehorsame Luise Herder 1788.
Weimar, 22. 9. 1788 [?]
lieber Vater
Kommen Sie bald wieder. Es ist noch gar schön im Garten ich war beim Erbprinz u habe eine Schaferin von der Herzogin geschenkt gekriegt.
u die Mutter hat uns auf der Landcharte gezeigt wo Rom liegt. Bringen Sie mir einen Atlas mit leben Sie wohl lieber guter Vater ich schreibe recht gern an Sie[?]
Ihr gehorsamer Bruder Emil Herder
Rom den 24. Sept. 88.
Endlich, liebes Weib, kann ich Dir freier u. gefaßter schreiben: denn ich bin in meinem Quartier und das letzte bedrückende Ungemach der Reise hat vor der Hand ein Ende. Ich schrieb Dir vorigen Sonnabend; und Sonntag früh gingen wir aus, Zimmer zu suchen. Sieben, acht Quartiere wurden angesehen, u. alles zur hohen Ansicht der gn[ädigen] Fr[au] auf Nachmittag aufgesparet. Diese Ansicht geschah, und das einzige, wo wir in 2. Stockwerken allzusammen vor den Preis hätten sein können, vor den sie jetzt mit D. Eine Etage allein bewohnet, wurde von ihr gerade zu verworfen. Es wäre keine gute Einteilung möglich, die Zimmer waren ihr nicht freundlich gnug; endlich ließ <sich> zum Unglück gar eine Geige in der Nachbarschaft hören, u. sie befürchtete, daß dies ihr sehr unangenehm sein würde. Also gings weiter; es ward diesen Tag aus allen Nichts, u. da D. drauf drang, daß künftigen Morgen doch Eins gewählt werden müßte, so fand sich zum Glück Eins, einem Palast gegen über, u. einem Hause vis a vis, in dem die Favorite des Kard[inals] Buoncompagni wohnen sollte; es schnitt zwei Hauptstraßen, den Corso u. die condutta, u. hatte einen Balkon, um die Ecke laufend zu beiden. Dies gefiel ihr; sie bekam eine Suite der besten, ruhigsten Zimmer, da D. sich mit 2. andern begnügen muß, die ich für die meinigen nicht tauschte. Eine Reihe der Vorzimmer mußte freilich unbesetzt bleiben, die jetzt der H. Kammerdiener bewohnen mag, u. für mich fand sich durchaus nichts. Ich sagte aber u. hatte es schon vorigen Tages gesagt, daß sie sich um mich keine Mühe geben dörfte; denn wenn sich für mich in einer Wohnung, die ihr gefiele, auch nichts fände, so fände ich überall in jeder Nachbarschaft Platz, weil ich nur für mich 1. kleines Schlafzimmer, u. ein andres brauchte, wo ich einige Menschen empfangen könnte, nebst einer Kammer für W[erner]. Dies tröstete sie denn: die Zimmer wurden vor 20 oder 25. Zechinen monatlich genommen; wir fuhren mit ihrem großen Vergnügen ab; sie nach Hause, wir zum monte Cavallo, u. als wir zurückkamen, ging ich mit Hirt, für mich zu sorgen. Buri hatte mir gleich den ersten Abend ein Quartier in Göthens gewesener Wohnung angeboten, weil dies aber v[on] D. gar zu ferne lag, konnte ichs nicht brauchen; ich hätte auch die guten Leute, die Maler, elend zusammengedrängt u. aus ihrer Fassung gesetzt, weil 3. schon in dem Hause wohnen. Nach vielen die ich sah, fand sich endlich eins für 5½ Zechinen monatlich, wo ich 2. Zimmer u. W. eine Kammer hat; der sich überdem sehr freuet, daß der Wirt ein Deutscher ist, u. meistens Deutsche Leute hat, weil neben an das Speisehaus der Deutschen ist, das er besorget. Göthe kennt die Gegend gut, denn eben neben mir im genannten Hause hat der Prinz Waldeck gewohnt. Du schreibst also künftig auf die Briefe nella Strada Condotti, casa del S. Cristian, Tedesco; zur rechten Seite ist das sogenannte Griechische Kaffeehaus, il Caffe Greco. Der Preis ist hoch, es wollte sich aber kein andres finden, das ich in D. Nachbarschaft mit Ehre u. Freude hätte beziehen mögen. Jetzt bin ich im Mittelpunkt der Fremden, u. Werner, der bisher wirklich in einem verlassenen Zustande gelebt hat, ist wie neu geboren. Auch ich spüre zum erstenmal, daß es mir hier wohl werden kann; u. dieses muß sein, oder man kann nichts in Rom sehen, u. tut besser, gleich von dannen zu gehen. Diese Nacht habe ich zum erstenmal drin u. wieder recht ruhig geschlafen; die erste ruhige Nacht, die ich in Rom genossen habe. Die Deutschen sind ein sehr gutes Volk; sie drängen sich sehr um mich; gestern Abend haben mich Moriz, Buri, u. Hirt, der dazu kam, in mein Quartier begleitet. D. Quartier kennt Göthe auch; Lucchesini hat drin gewohnet: er kann es Euch, so wie das Meine auf dem Kupferstich von Rom weisen. Soweit wären wir also mit der Wohnung; mit den Kleidern bin ich noch nicht eingerichtet. In 8. Tagen hört man auf Seide zu tragen, u. es wäre töricht, mir für diese Zeit ein seidnes Kleid zu kaufen. Ich gehe also in dem Sommerkleide, das Du mir machen ließest, u. ich in Nürnberg ändern ließ; herumzulaufen, oder zu fahren, ists recht gut. Müßte ich wohin gehen, wo ich es nicht anziehn kann, so muß das schwarze seidne Kleid herhalten; da man mich überdem hier allenthalben für einen Geistlichen hält. Die schwarzen Unterkleider u. die Krone auf meinem Scheitel (so heißt die Tonsur) machen das ihnen unwidersprechlich. Als ich in der päpstl. Kapelle auf dem Cavallo ins Innere eintreten wollte, zog mich der päpstl. Schweizeroffizier sacht zurück, u. sagte, es sei nicht erlaubt, weil ich als Geistl. in einer Landkleidung wäre, das sei gegen den Respekt des Papsts. Ich sagte, ich sei kein Kathol. Geistl.; er schüttelte aber den Kopf, sah nach meiner Glatze u. sagte, ich möchte es nicht übel nehmen, er könne nicht anders. Also muß ich mir ein tuchnes Kleid mit einer bescheidnen Farbe machen lassen, u. allenfalls einen Haarbeutel tragen, wenn ich in Gesellschaft erscheine. Doch das wird sich finden, auch werde ich mich nicht nach Gesellschaft drängen, zumal ich noch so gut, als gar kein Italienisch kann, weil alles was wir sehen u. hören, Deutsch redet. Msgnor. Borgia hat mich durch Zvega schon zu sich bitten lassen; ich werde es aber, so lange ich kann aufschieben, um erst etwas mehr in der Sprache fortzurücken, soviel es sich tun läßt. Der Senator ist auf seinen Reisen: die andern, an die ich Briefe habe, sind auf dem Lande, also bin ich so gut, als unter Deutschen u. Altertümern allein. Was ich von diesen sehe u. gesehen habe, will ich an Göthe schreiben; der wird Dir jedesmal den Br. geben u. Gottfried kann ihn abschreiben. So präget sich ihm auch Rom ein. Lebe wohl, liebes Herz, was weiter vorfällt, will ich Dir schreiben. Mit D. bin ich gut; er fühlet sogut als ich, daß unser Reiseplan ganz verrückt ist; mit Dalbergschem Leichtsinn aber läßt ers gehen u. mag sich die Sache nicht ganz sagen, weil er im Grunde nichts ändern kann. Ich bin in einer dummen Lage, indem ich nicht recht zu ihm gehöre, auch nicht recht allein sein kann u. mag. Ich werde Mittags bei ihm essen; W[erner] beköstigt sich von heut wieder selbst; da wir den Kurs machen, so sind wir ohnedem alle Tage beisammen. Ich will treu u. honett gegen ihn sein, u. ihn nicht verlassen, so weit ich kann; es wird sich ein Mittelweg der Exsistenz sehr wohl finden lassen, der uns allen dreien mit der Zeit der behaglichste sein kann, da wir alle doch nur Einen Zweck haben u. es uns daran gelegen sein muß, wenigstens uns beiden, Rom mit Muße zu sehen u. zu betrachten. Lebe wohl, liebe, u. wünsche mir zu meiner abgeschiedenen Exsistenz, die ordentl. das Schicksal gemacht hat, Glück. Nächstens mehr.
H.
Die Zeit ist vorüber, u. ich kann an Göthe nicht schreiben. Es schadet auch nicht; um so reicher wird, was ich ihm schreiben werde. Alles liebt u. bewundert ihn, was ihn hier gekannt hat. Grüße alle. Und Euch küsse ich herzlich, Ihr lieben, lieben Kinder. O daß ich seit so langer Zeit keine Briefe von Euch habe. Es ist unausstehlich. Lebt wohl.
W[eimar,] den 24. Sept. 88.
Wie sehnlich verlanget mich zu wissen wie es Dir gehet Du einzig Guter. Keinen Augenblick bin ich ohne Dich, ich rede mit Dir, wir beratschlagen zusammen, ich ärgre u. gräme mich, wie doch keine gute Sache rein bleiben kann! Ich hoffe, Du hast meinen Brief vom 22. durch Goethe erhalten. Ich bin heute bei der Waldner gewesen, die Dich sehr grüßen läßt. Das erste Wort war von der S. Es versteht sich, daß ich nicht ein Wort davon gesagt, was mir Du geschrieben. – Alles ärgert sich darüber daß Du so angeführt worden seist, u. man will es dem guten Dalb. nicht verzeihen. Man sieht sie in dieser Sache als den Pendant der schönen Wertherin an, u. man spricht von ihrer Reise als beinah einer öffentlichen h. Sache. Bei Tafel ist vor wenig Tagen der Diskurs wieder davon gewesen, u. es soll jemand gesagt haben, daß die Verwandten von Dalb. sie so sehr zu dieser Reise genötigt haben, so hat die Herzogin darauf geantwortet: es sei nicht wahr. sie, die Seckend. habe die Schwägerin, Fr. von Dalb. in Mannheim, gefragt, ob es ihr wohl könne übel genommen werden von der Familie, wenn sie die Reise mit D. machte, sie wäre ihr für ihre Gesundheit angeraten worden, (merke hier, das war der Besuch nach Jena zu Starke, wie sie hier war.) Die Schwägerin soll ihr hierauf leicht geantwortet haben, die Familie mache sich daraus nichts, wenn sie das Gerede der andern auf sich nehmen wolle, so könne sie reisen. Dies hat der Coadiutor der Herzogin erzählt u. dies ist die lautre Wahrheit. Ich finde es je länger je impertinenter, Dir ins Gesicht zu sagen u. es hier auszubreiten, daß die Verwandten sie dazu genötigt hätten. Als ob er bei Dir nicht in hinreichend guter Gesellschaft gewesen sei. Die Waldner hat gar eine gute Französische Frage hierüber: sous quel Titre soll sie mitreisen? sagte sie. Keine Wirtin ist sie nicht, das ist Weltkundig. Wissenschaft hat sie keine u. weiß also von nichts mitzureden; Weltkenntnis hat sie eben so wenig u. weiß mit niemand Fremdem umzugehn. Sie besitzt nichts als Pfiffe u. List.
Daß Sie Dir aber dadurch die Reise untergraben u. verdorben hat, das macht mich von Tage zu Tage unglücklicher. Was gäbe ich darum daß ich den Dalb. nur eine Stunde darüber sprechen könnte. Ich wollte ihm die Augen öffnen. Er ist zu gut u. verdients, daß er die Frau in ihrer wahren Gestalt kennen lernt. Ach wenn ich nur bald zu meiner Ruhe wüßte, wie Du Dich in Rom einrichtest, wie Du leben wirst u. wie Du mit D. sein wirst. Lasse Dich nur um Gottes willen, nichts irre machen u. bestehe auf dem Geld; wenn Du schon nach Deiner Konvenienz genötigt bist von ihm zu ziehen. Du bist aufs höchste von ihm beleidigt, da er Dich zur Reise als den zweiten u. einzigen einladet, u. hintergeht Dich hernach, schleppt noch ein Weib dazu u. läßt Dich, nicht allein den dritten Mann sein, sondern auch sogar bezahlen! Nein, lieber Engel, man muß sich nicht so ganz erniedrigen lassen. Dies ist jetzt ein öffentlicher Ehrenpunkt, der vor ganz Deutschland dasteht; es würde Dir von allen allen aufs höchste verdacht werden, wenn Du jetzt nicht Deine Würde in allem behauptest u. auch nicht einen Pfenning eignen Geldes aufwendest. Wenn es sich tun läßt, daß Du mit D. über die Reisegefährtin u. wie er Dir sowohl, als sich selbst manquiert habe, sprechen könntest, so hättest Dus von der Leber weg, u. die Wahrheit würde ihm hierin nützlicher sein, als unsre dumme u. blinde Gutheit. – Wenn Du Dir nur keinen Tag, keine Stunde von ihr verderben lässest in Rom, lieber Engel, das ist mein einziges u. größtes Anliegen. Ich sehe beinah zum voraus, daß Du Dich von ihnen trennen mußt, wenn sie nicht bei die Herzogin geht, u. glaube mir, es bringt Dir keinen Nachteil sondern vielmehr Ehre. Dann wünschte ich auch, lieber Engel, ob es nicht gut wäre, wenn Du eine kleine Nachricht hievon dem Coadiutor gäbest? Doch das wirst Du am besten wissen, ob es notwendig sei. Gute nacht, für heute Du Lieber Lieber, ach wenn mir Gott einen wohltätigen Traum schenkte!
Den 26. Ich habe heute vergebens auf einen Brief von Dir gehofft; nun sinds 8 Tage da ich den letzten aus Verona von Dir empfangen habe. Ach was ich mir für unzähliche Gedanken mache! Bald fürchte ich Du bist krank, der Unmut u. Verdruß hat Dir geschadet. u. bald glaube ich, daß Du Dich abgesondert hast. Ich bin nicht eher ruhig, als bis ich weiß daß Du von ihnen bist. Das war also abermals ein Traum! O daß Dalberg vorher nicht ein Wort geschrieben u. man alles zuerst hätte überlegen können.
Goethe ist seit Mittwoch in Ilmenau. ich war gestern bei der Kalbin die Dich herzlich grüßet. sie ist entsetzlich auf die S. aufgebracht; u. bedauert Dich unsäglich. Ich hoffe u. hoffe noch immer daß Du Dir Rom u. Neapel nicht verderben läßt! Ich bin so stumpf von Gedanken daß ich Dir auch gar nichts sagen u. schreiben kann, das Dich erfreute. Wir sind alle wohl, das ist das beste; den Kindern war es auch nicht recht daß kein Brief kam, wir haben also heute keine Freude gehabt. Ich stehe fast an, Dir den Brief so trocken zu schicken; u. doch glaube ich ists gut daß Du weißt, daß die Verwandten die Reise weder betrieben noch begünstigt haben. Wie Goethe vom Bezahlen hörte, rief er aus: den Teufel auf den Kopf! nicht einen Pfenning muß Herder dort bezahlen – glaubt der kleine Mensch daß er Herdern nicht unendliche Verbindlichkeit schuldig sei, daß er die Reise mit ihm unternommen hat? sein Verstand, seine Kenntnisse u. sein Wert müssen unschätzbar für ihn sein! Nein, Ihr müsset durchaus in keine Verlegenheit durch ihn kommen. Er muß bezahlen, das ist er schuldig! – Seitdem ich mit Goethe gesprochen habe, schlafe ich wieder besser; die Sorgen haben mich manche Nacht gegen 2 uhr aufgeweckt u. ließen mich nicht mehr schlafen. Ach wenn es Dir nur wohl wird, u. die verdorbene Sache in Ordnung kommt.
Lebe wohl Du mein einziger Trost u. Genuß des Lebens. Gott gebe Dir Freude. Er wird ja das unschuldige Lallen der Kinder erhören mit denen ich täglich für Dich bete; u. stündlich allein für Dich seufze. Lebe wohl, erhalte mir Deine Liebe u. Dein gutes Herz, Du mein Glück auf Erden. Lebe wohl!
C. H.
Gottfried, August u. Emilchen, die heute nicht mitschreiben, grüßen Dich viel tausendmal u. bitten um Deine Liebe.
Da ich eben schließe, finde ich noch diese Zeilen.
Tausend muntre Farben
Bricht der Strahl der Sonne
In verhüllten Tränen
Über grauer Dämmrung.
Lebe wohl Liebes bestes Herz, gedenke mein!
[Weimar,] den 26ten Septem 1788
lieber Vater
Ich habe mich jetz beschlossen, so ein Künstler zu werden wie Albert Thürer ud die andern waren, und um hernach hinzureisen wo Sie jetz sind, daß ich alle die Schönen Paläste und Gemälde abzeignen kann, ich haben auch angefangen zu tuschen, und der Herr Rat Krause hat mich sehr gelobt. Wir haben alle Gürtel bekommen, daß wir gerade und schön gehen ud sitzen. Mehr schreib ich Ihnen nicht darum weil keine Neiigkeiten sind vorgefallen. Leben Sie glücklich und fröhlich und denken Sie oft an uns wie wir an Sie denken. Leben Sie wohl und grüßen Sie den Werner, behalten Sie lieb.
Ihren Gehorsamen Sohn Wilhelm Herder. 1788.
[Nachschrift von Caroline Herder:]
Ich grüße den Werner auch gar vielmal. Es wird gar oft auch von Ihm geredet!
Weimar, 26. 9. 1788 [?]
Lieber Vater.
Wir haben uns über Ihre Briefe sehr gefreut, die Mutter hat sie uns vorgelesen Reisen Sie recht glücklich nach Italien der Herr Zöllner hat uns gezeigt wo Rom liegt lieber Vater kommen sie bald wieder
Ihre gehorsame Tochter Luise Herder
Rom, den 1. Okt. 88.
Gestern endlich fängt sich meine Zeitrechnung wieder an: ich habe einen Brief von Dir bekommen, teures Leben, den ersten in Italien. Denke, vom 25. Aug. – bis zum 30. Sept. keinen. Der nach Florenz adressiert, muß noch da liegen, wenn er poste restante überschrieben ist, u. ich werde ihn bald haben.
Nun, Dank Dir fürs erste, daß Du mit den Deinigen wohl bist, u. daß Ihr Euch meiner mit Liebe erinnert. Ich gedenke gewiß oft an Euch, u. wünsche oft, daß die Berge nach gemachter Arbeit schon wieder überflogen wären. Mehr als ich dachte, ladet mich zu diesem Wunsche ein, u. ich werde wacker geprüfet. Werners Gesundheit ist auch darunter: er hat sich auf der Reise mit der Nacht-Luft nicht geschonet, wie ich ihm oft sagte: Teils lag, bei der verruchten, unvernünftigen Reise so viel auf ihm, u. er schluckte nach seinem harten Charakter so manche Ärgernis in sich, daß es ihm in Rom nie recht wohl ward. Ich riet ihm immer an, Pillen zu nehmen, drang ihm endlich Sonnabend auf, das Laxiertränkchen machen zu lassen, welches auch die höchste Zeit war. Er nahm es Sonntag, es operierte stark, zu stark, bis auf den Montag: Sonntag früh aber konnte er sich schon vor Kopfschmerzen, u. Bitterkeit im Munde nicht mehr stehend erhalten: eine Beklemmung in der Brust mit Husten u. Schmerz war dabei: kurz gestern früh mußte der Arzt gerufen werden, der denn auch bei aller angewandten Mühe in 2. Stunden kam, u. ihm einen guten leichten Trank zum Schweiß verordnete: Malven, Nitrum p Ein starker Schweiß folgte, die Beklemmung in der Brust u. der bittre Geschmack legten sich, der Kopfschmerz blieb; u. der Arzt sagte Abends, es müsse notwendig noch mehr Schweiß folgen. Er verschrieb ihm einige, wenige Pillen; der Schweiß stellte sich wieder ein, mit neuem laxieren: so liegt nun der arme Mensch, abgemattet wie ein Kind, u. noch nicht ohne Hitze u. Kopfbetäubung: phantasiert aber hat er nie. Da der Arzt so ganz seine Absicht erreicht hat, hoffe ich, die Krankheit habe sich gebrochen u. ich erwarte ihn mit Ungeduld diesen Morgen, in dem ich dies früh schreibe. Wie mir bei dem Allen zu Mut ist, u. welche Unruhe ich gestern u. diese Nacht gehabt habe, kannst Du denken; alles ist eine Folge der vermaledeiten Art zu reisen. Diese hat ihm auch den unendlichen Haß gegen die Italiener gegeben, in dem er nicht so ganz Unrecht hat; es ist aber fatal für mich u. ihn, zumal in der Krankheit. Seit gestern ist eine Deutsche Frau bei ihm gewesen, die auch diese Nacht bei ihm gewacht hat, damit er immer trinken möchte. Denn Alles geht ihm schwer ein, weil er einen verzweifeltharten Kopf hat. Der Himmel wird auch dies überstehen helfen, u. ich sehe ihn gewissermaßen als ein Opfer für mich: denn ich weiß, er hat sich auch für mich u. in meine Seele hineingeärgert. Gestern Abend sagte ich ihm aus Deinem Br. vor, was ihn anging; dies richtete ihn sehr auf, u. er hat diese Nacht fleißiger getrunken, nur ist er noch sehr ungeduldig. So leben wir in Rom, so ist unser Willkomm. Gott helfe uns darüber. Mit meiner Gesundheit gehts gottlob wohl; u. ich bin gewiß, daß der Tabak u. Kaffee, so mäßig wie ich sie brauche, mich erhalten. Von Tag zu Tage lerne ich mich auch mehr vor der Nachtluft wahren, weil ich sogleich die Folgen in der rechten Seite spüre: der Körper ist hier sehr offen u. das geringste Lüftchen der Tramontane ist mir bemerkbar, wie ich auch jedesmal an meinem Schlaf weiß, ob der Sirok oder die Tramontane wehet. Vom Schlaf, von dem Du mir schreibst, kann ich nichts sagen, indem ich hier vielweniger, als zu Hause schlafe: am Tage habe ich dazu keinen Trieb, weil ich auch fast nimmer allein bin. Nach dem Essen rauche ich bei einer Tasse Kaffee eine Pfeife: der Kaffee hilft der Unverdaulichkeit nach, die alle Italienische Speisen geben, die Pfeife führt gelinde ab, welches auch hochnötig hier ist. Magentropfen habe ich mir machen lassen: sie sind aber für dies Klima zu stark: ich nehme sie selten u. wenig. Der Arzt sagt, sie sein gut im schleichenden Fieber, wozu denn aber hier weniger Ursache sei, u. er kann recht haben. – So weit war ich heut früh, als der Arzt kam, u. über W[erners] Besserung guten Trost gab. Wenn der gute Mensch sich nur besser halten wollte; heut Mittag hat er sich den Schweiß durch kalte Limonade, die ihm der Arzt verboten hatte, wieder gestopft, u. ans Einnehmen will er noch weniger als ein junges Kind; ich muß es ihm einschmeicheln. Es ist eine rechte Not mit dem eigensinnigen Menschen; ich wollt, daß ich ihn nur wieder in Deutschland hätte; für Italien ists nichts mit ihm; er hat einen Haß gegen alle Italiener. Ich freue mich indessen, daß es aufwärts gehet, u. wünsche sehnl. seine Gesundheit. Der Arzt heißt Polelli, Göthe kennt ihn, er ist ein geschickter Mann, in seinen Verordnungen sehr einfach u. natürlich. – Du kannst leicht denken, daß unter solchen Umständen noch nicht viel an neue Kleider gedacht worden ist. Alles hält jetzt Villeggiatur: ich habe noch keine Besuche gemacht u. mich also mit meinen mitgenommenen, dem Sommerkleide u. bei kalten Morgen der Tuchkleider sehr wohl behelfen können. Ein seidnes Kleid mir machen zu lassen, riet man mir ab, weil die Zeit der Tuch-Kleider zu nah ist: da will ich denn sehen, wie man sich trägt, u. mich equipieren. Die Summe Geldes soll mir lieb sein, damit ich an meinen Holländischen u. D[eutschen] Dukaten nicht zu viel verliere, u. sie zur Rückreise aufheben kann: ich habe mich bisher mit den L[ouis]dor durchgeholfen, die ich in Augsb. umsetzte, bin aber auf der letzten Neige. An den Duk. verliere ich ansehnlich. Alles ist hier kostbar, wenn man als Fremder lebt; das Geld entwischt einem aus den Händen. Und eben das Mittelding, daß ich nicht mit D. lebe u. mich auch von ihm nicht ganz trennen will u. kann, macht mir meinen Aufenthalt kostbarer, als wenn ich ganz für mich wäre. Ich esse bei ihm, u. er ließ nicht nach, bis auch W[erner] die 3. Tage, da er gesund war, wieder dort aß. W., dem ichs freistellte, wollte es selbst, weil er sonst allein u. verloren ist; es ist ein BettelEinrichtung. Um Dir von meiner Lebensart etwas zu sagen, will ich Dir bloß das Register einiger Tage hersetzen u. künftig damit fortfahren. Es dient mir einmal zur Erinnerung, wenn es Dir auch in manchem nichts saget.
Freitag Abend den 19. Sept. kamen wir an; ich ging noch zu Buri, u. mit ihm zur Angelika, wo das Erste was ich in Rom sah, Göthens Büste von Trippel war. Sonnabend früh war Buri u. a. bei mir, ich schrieb an Dich, besuchte Moriz u. der Tag ging zu Ende. Sonnt[ag] den 21. vormittag zu Hause; wir besahen Quartiere: ich besuchte Reifenstein u. Zwega: nachmittag wurden mit der gn. Fr. die Quartiere besehen. Ich trieb, daß wir Montag was von Rom sehen sollten, um nur aus dem Corso zu kommen. Vormittag besahen wir Enkaustische Malereien, die nach Rußland geschickt werden sollten; D. u. ich fuhren mit Hirt zum monte Cavallo, u. sahen die Zeremonien des Leichenbegängn[isses] von Ganganelli, den Papst, Kardinäle u. f. Ich ging mit Hirt u. besahe für mich Quartiere: Nachmittag fuhren wir zur rotonda, besahen die Reste der Bäder des Agrippa, fuhren den Corso hinab, u. ich fuhr Abend mit D. zur Angelika. Dienstag früh in den Peter u. das Clementinische Museum bis Mittag; nachmittag sollte ausgezogen werden, u. da ich bei der heil. hohen Staatsaktion nicht sein wollte, ging ich mit Buri und Moriz den Campo Vaccino hinab, bis zum Colisee: der erste fröhliche Nachmittag in Rom. Ich fand W[erner] in meinem Quartier u. hatte in meiner Einsamkeit einen Abend u. eine Nacht, wie ich sie seit Nürnberg nicht gehabt hatte. Mittwoch schrieb ich an Dich: D. besuchte mich: wir gingen in Göthens Quartier u. besahen die Arbeiten von Rehberg, Schütz u. Buri, die da wohnen. Nachmittags holte mich die gn. Fr. mit D. u. Hirt ab (erstere, um mein Quartier zu sehen, wo ihr denn das damastne Zimmer, das sie selbst nicht hat, sehr wohl gefiel). Wir fuhren zum Colisee, u. sahen alles wieder, was ich den vorigen Tag zu Fuß weit schöner gesehen hatte. Donnerst. früh wurde geruhet, weil die gn. Fr. nichts sehen wollte; nachm. fuhr D., ich u. Hirt ins Museum, ob gleich fast zu spät. Ich eilte voll Gedanken u. Empfindung nach Hause; Buri, Moriz, Rehberg besuchten mich aber u. blieben den Abend spät bei mir. Freitag gings zu Trippel, einem andern Wirtenb[ergischen] Bildhauer, u. More, einem Engl. Landschaftmaler. Nachmittags ohne D. in die Villa Medicis, um doch auch eine Villa gesehen zu haben. Sonnabend in die Villa Ludovisi, die Kirche St. Agnes außer der Stadt, dem Grabmal der Constantia. Nachmittag schrieb ich an Göthe den Anfang eines Br., den ich wahrscheinlich nicht fortschicken werde. Abend ich mit D. ins Theater, wo wir um Mitternacht zurückkamen u. ich W. krank antraf. Er nahm das Laxiertränkchen, u. ich ging mit Moriz in die Villa Borghese, wo wir Buri u. Schütz trafen. Die gn. Fr. war bei die Angelika geheim gefahren; ich weiß nicht, mit welchem Erfolg, weil ich die Angel. noch nicht gesprochen habe. Nachmitt. ging ich mit Hirt u. Werschaftel an der Tiber. D. wollte allein sein. Montag waren wir von Reifenstein nach Frescati eingeladen: sie hattens angenommen u. er sich drauf eingerichtet: Sonntag Abend spielte die gn. Fr. eine Intrique, daß sie u. D. nicht kommen könnten, weil sie beide plötzl. krank geworden. Schande halber mußte ich also allein hin, so ungern ichs tat, u. W. allein ließ. Die Reise hat mich über 5. Scudi gekostet, u. sie fuhren indes Nachmittag in der Villa Borghese spazieren, u. sahen Raphaels Villa, die ich noch nicht gesehen habe. Überhaupt war die gn. Fr. vor der Hand des Sehens müde, u. ich schlug also vor, daß wir die nächsten 8. Tage den Kurs nicht fortsetzen wollten, welches auch begierig angenommen ward, u. so treu befolgt ist, daß man Hirt nicht einmal vor sich gelassen hat, wenn er zum Besuch kam. Dienstag Vorm. war die Szene mit Werner u. dem Arzt: Nachm. ging auch hin, bis Trippel zu mir kam, Moriz u. Buri folgten, welcher letzte mir Deinen, so lang erwarteten u. gestern nicht mehr gehofften Br. brachte. Er hat mir einen guten Abend verschafft u. auch zu W. Trost beigetragen. Heut bin ich mit Hirt im Museum gewesen: Abend kommt Trippel mit dem Abbate Bonfigliolo zu mir: jetzt sitze ich u. schreibe. – Da hast Du mein Römisches Leben, von außen; von innen wird Dirs eine andre Zeit lehren. Mit meinem Ital[ienisch] gehts schlecht fort; weil ich beinah allein unter Deutschen lebe; die Zeit muß etwas tun, daß ich zum Durchbruch komme, sonst wird nichts. Habe 1000. Dank, liebes Weib, für Deine Nachrichten, u. die Sprache Deines lieben Herzens. Du bist wie eine Göttin um mich, ich sehe Dich im Museum sehr oft. Lebt wohl, Ihr Lieben u. habt Dank für Eure holden Br. Grüße auch Kn[ebel] u. danke ihm für den Seinigen. Von Göthe schreibe mir viel, was er spricht u. tut, es geht mich alles hier an. Von der Herz. L[uise] hast Du ja kein Wort geschrieben; doch vielleicht ists im Br., der in Florenz liegt. Die H[erzogin] M[utter] wird diese Tage erwartet; ganz Rom erwartet sie, u. sie kommt in eine kostbare, hohe Schule. Für meinen innern Menschen habe ich hier noch niemand. Moriz ist der Beste für den Verstand, Buri hat ein außerordentlichgutes Herz u. ist der liebenswerteste Junge. Wie die arme Frank[enberg] mich dauret, kann ich Dir nicht sagen. Hier sind einige Reihen. Grüße die Fr. v. St[ein], Schardt, Kalb, die Schmidt, u. wer sich meiner sonst gut erinnert. Du aber, mein Herz u. Seele, betrübe Dich nicht, sei fröhlich, gesund mit den Deinen, u. lebe, lebe, lebe, lebt alle wohl. Lebt 1000mal wohl u. denkt an mich mit Gebet u. Liebe.
H.
Auf meine Br. schreibe entweder bloß à M[onsieu]r/M[onsieu]r Herder, oder den Titel Surint[endant] gen[eral] des Eglises du Duché de Saxe-Weimar, nur nicht Conseill[er] ecclés[iastique] allein, es scheint sonst, als ob ich dies hier in Rom wäre, wofür mich Gott bewahre.
W[eimar,] den 1. Okt. 1788.
Den Sonntag Abend hat mich Dein unvergleichlich lieber Brief aus Ancona aufs höchst erfreut u. ziemlich beruhigt; Du liebe beste treue Seele! ich bin den ganzen Tag aus Erwartung beinah krank gewesen; wenigstens sah ich geisterhaftig aus, weil mich die Gedanken etwas peinigten über dem Ausbleiben des Briefs. Du hast mich durch Deine gar zu große Güte u. Liebe so verwöhnt, liebstes Herz; u. Du hast nicht ganz unrecht, daß Du mich vor der Phantasie warnst, denn ich glaubte nicht daß ich sie kennte, jetzt ists aber anderst. Seitdem Du nicht mehr bei mir bist, bist Du nun unaufhörlich in meinen Gedanken, u. ich wünschte jetzt mehr als jemals für Dich wirken u. tun zu können als so müßig zu sein. O Du Lieber Einziger, Gott wird mir ja Kraft geben, meine Wünsche, meine Hoffnungen erfüllen zu können! – Wir sind über Deine Fahrt am Meer u. noch mehr über Deine Heiterkeit der Seele über Alles erfreut gewesen; der SeeGeist in Deinem lieben, herzlieben Brief hat mich selbst erquickend angeweht, u. er scheint auf Deine Reisegesellschaft auch gut gewirkt zu haben. Nur höre ich so beiläufig von Goethe, daß Ihr zu geschwind reiset, u. das tut mir doch gar leid. Habt Ihr den Volkmann nicht bei Euch? In Bologna ist ein Raphael aus seiner Jugend, ein Stück wie es nicht in Rom ist, ein Guido, ein Guerini die man nicht einmal sondern so oft sehen muß als es möglich ist. An dem eilen, ist wohl niemand als die schöne Dame schuld, weil sie kein Intresse hat etwas zu sehen, so müssens die andern auch nicht haben! nein es ist unverzeihlich so durchzujagen. Mein Gott, wie hast Du Alles anderst gesehen in Bamberg u. Nürnberg, wie Du noch allein warst! Möge Dir doch Dein guter Genius beistehen in Rom, daß Du alles siehest u. genießest, u. Dich durch das Weib nicht hindern lassest; u. wenn sie auch allen Zauber von Gefälligkeit über Dich schüttet. Meine Gutheit läßt mich das Unrecht so uns geschiehet nicht gleich empfinden; wenn ichs aber empfinde, so raffen sich auch alle Kräfte zusammen, mich dagegen zu sträuben. Wie wünschte ich Dir hievon jetzt etwas mitteilen zu können, denn ich fürchte, Du bist schon wieder zu gut. Ich habe leider Dein Verbot übertreten, wie Du aus meinem letzten Brief gesehen hast, u. habe G. die Sache erzählt. Ich glaube nicht daß ich so ganz unrecht getan habe; wirklich ist uns der Rat eines Dritten sehr notwendig; u. wie vorteilhaft u. gut ist er für uns ausgefallen! Auch ist G. ja so sehr verschwiegen. Überhaupt müssen wir uns für dem angebornen Edelmut in acht nehmen, wir kommen sonst immer in die Patsche. Nein ich kanns der Frau nicht verzeihen u. nicht vergessen daß sie Deine Stelle eingenommen, Dir Deinen Platz geraubt hat! Wenn ich denn [nun] so erbittert bin, so höre ich immer eine Stimme: wer weiß wozu es gut ist u. so tröste ich mich im Dunkeln, im Glauben daß nichts von ohngefähr geschieht.
Seit dem Freitag, da ich meinen letzten Brief an Dich schrieb, ist nichts merkwürdiges vorgefallen, ich bin bei der Kanzler Schmidtin gewesen, u. die Kalbin hatte mich den Sonntag wieder besucht. [ . . . ] Goethe hat mir die erste Abteilung seiner Gedichte gegeben; es sind gar schöne darunter, besonders zwei Idyllenartig die mir vorzüglich gefallen. Ich habe recht vernünftig mit ihm darüber gesprochen; er wird auch an die Christel u. das Kätchen auf meine Bitte herauslassen. Ich lege Dir aus dieser ersten Sammlung 2 bei, als ein Geschenk. Ach wenn ich Dir nur meine Liebe u. mein Herz durch Worte überbringen könnte, Du Einzig Guter unaussprechlich Lieber! was gäbe ich nur für ein Stündchen, neben Dir oder auf Deinem Schoß zu sitzen! – Ach Dein Genius wird Dein u. mein Gebet erhören u. uns wieder gesund zusammen führen u. uns ein glückliches mildes Dasein zusammen u. mit unsern Kindern bereiten. Alles verkündigt mir eine schöne Abendröte des Lebens! Auch unsre Kinder werden sie uns bereiten helfen, die guten Geschöpfe unseres Herzens; die gut sind ohne es zu wissen. [ . . . ]
Ich habe gleich den Montag der Fr. v. Fr[ankenberg] geschrieben, ich wollte ihr auch etwas von dem Sträußgen am Meer senden; ich konnts aber nicht übers Herz bringen. Es ist mir ein heiliges Andenken, u. das teile ich mit niemand. [ . . . ]
Weimar d. 3t. Oktober. 1788.
Liebster Vater.
Ich habe mich über das Sträußchen vom Adriatischen Meer recht gefreut, und noch mehr darüber daß es Ihnen so wohlgehet; ich wünsche auch einmal das Meer zu sehen, mit den Schiffen die darauf herumfliegen, und dahin zu kommen wo Sie jetzt sind. Wir sahen gleich auf der Landkarte nach, und fanden Ancona auf der Spitze liegen, und dachten uns in Gedanken recht lebhaft, wie es Ihnen nach der Hitze nun am Meer so wohl geworden war; Gott erhalte Sie nur in Rom gesund und frisch, und bringe Sie bald wieder zu uns.
Ich bin nun endlich meine Schwären los, und befinde mich wohl. Wenn ich eine Viertelstunde Zeit habe, schwinge ich mich auch ein paarmal ums Seil herum. Ich wollte daß Sie uns sehen könnten, es ist eine recht lustige Lust, und unsere Schulkameraden finden alle ein Vergnügen daran. Indessen versäumen ich bei dem Vergnügen die Arbeit nicht, und hoffe daß Sie bei Examen mich als einen guten Primaner hinüber setzen sollen. – Herr Schäfer grüßt Sie aufs beste. Leben Sie wohl, liebster Vater, genießen Sie in Heiterkeit und Wohlsein Italien und Rom, und gedenken Sie unserer, die wir Ihnen so viel Tausend Gutes wünschen.
Ihr gehorsamster, u. Sie zärtlichst liebender Sohn
Gottfried Herder.
Grüßen Sie Werner vielmal von mir, u. sagen Sie ihm, er solle mir italienische Schmetterlinge mit bringen.
[Nachschrift von Caroline Herder:]
Den Werner grüße ich auch u. wir alle. Er wird nun schon viel Italienisch können u. von seiner Kavalkade nun ausruhen. Er wird recht gescheut wieder kommen. Gott erhalte ihn auch gesund u. brav u. wacker, u. besorge Er doch ja alles recht hübsch, daß mein Mann recht schön u. reinlich in den Kleidern geht; denn die stolzen Römer sind, glaube ich, auch galant im Anzug. Ich bitte, sich nur vor Erkältung in Acht zu nehmen u. meinen Mann fleißig an den seidnen Gürtel u. alle die notwendigkeiten zu erinnern. Lebe Er recht wohl. u. lasse er sich nichts abgehn daß er nicht gar zu mager wieder kommt.
C. H.
Weimar, 3. 10. 1788 [?]
Liebster Vater
Vorigen Sonntag haben wir Ihren lieben Brief aus Ancona empfangen, welcher uns sehr erfreut hat, Sie haben uns sehr viel Schönes geschrieben vom Adriatischen Meer, das Sträußchen das Sie uns geschickt haben, hat uns allen sehr gefallen. Nun will ich Ihnen auch erzählen, was ich mache. Vorigen Dienstag, als den 23 September, bin ich mit dem Erbprinz, dem H. Geheimerat von Goethe u H. Landkammerrat nach Jena zu dem H. v. Knebel gefahren, und haben das Kabinett gesehn, wir sind auch in des H. Griesbachs Garten gewesen, u 2 mal spazieren; denn Abend sind wir gesund u vergnügt wieder gekommen u ich habe der Mutter viele Feigen gebracht, denn sie ißt jetzt die Italienischen Früchte sehr gern. Auf dem Seil, welches uns Steins fritz geschenkt hat machen wir lustige Kunststücke, ich gehe darauf, u wir überschlagen uns auf vielerlei Weise.
Leben Sie Tausendmaltausendmal wohl, u vergessen Sie nicht
Ihren Gehorsamen Sohn August Herder
Grüßen Sie Werner aufs beste.
Weimar, 3. 10. 1788 [?]
lieber Vater.
Kommen Sie bald wieder u. haben Sie mich lieb, ich habe am Sonntag das neue Kleidchen angehabt u. bin mit dem Gottfried in der Kirche gewesen, u bringen Sie Weintrauben u. Feigen u Pfirschen mit. Die Mutter hat mir ein neues Gesangbuch aus Ihrer Bibliothek geholt. Es ist gar schön u. es ist groß gedruckt, ich danke Ihnen dafür. Ich habe auch Ancona gesehen u. das Meer u. das Sträußgen was Sie geschickt haben, lieber Vater
dein getreuer Bruder Emil Herder.
[Nachschrift von Caroline Herder:]
Da noch Platz ist, in Deines Bruder Emil Herders Briefchen, so muß ich Dir das aufschreiben was die Luise Stolb[erg] von Dir geschrieben »Ich habe Herdern herzl. lieb, es gibt nur wenig Menschen die so wie er Herz u. Geist vereinigen u. in dem Maße u. mit solcher Grazie – das darf ich wohl sagen, da er dies nicht lesen wird. Seine Schriften liebe ich täglich mehr u. ich glaube daß ich besser den Sinn seiner Schriften fasse, als so manche andere. Es ist eine Kunst recht zu lesen, denn sie fordert Aufmerksamkeit, u. nichts ist so selten bei den Menschen zu finden als Aufmerksamkeit – tout le Monde parle, mais personne n'écoute. ich habe mich von jeher des hörens beflissen, dem der es versteht gewährt es unendlichen Genuß.«
Die kl. Schardt war so eben bei mir, sie sagt Dir viel Gutes. Sie hat einen Engländer, Namens Obn, der einige Tage nach Deiner Abreise ankam, als einen Bruder liebgewonnen u. er sie auch u. vielleicht noch mehr. er ist heute wieder zurück nach Engl[and] u. sie geht morgen zur Ichtritz.
Sie ist recht gut. Die Liebe macht doch Alles glücklich.
Gott schenke uns ein glückliches Wiedersehen Du Einziger. Auch mir kommen die Szenen meiner Jugend, nämlich unsre erste Liebe wieder. Sie schlägt wie aus einer festen Wurzel neu hervor. Lebe wohl Lebe wohl, treues Herz.
Weimar den 6. Oktob. 1788.
Gestern Abend 9 uhr erhielt ich Deinen Brief aus Terni u. den ersten aus Rom! o mein liebstes Herz, anstatt mich zu freuen, war ich sehr betrübt daß Du keinen Brief von mir gefunden hast, daß meine Stimme Dich nicht bewillkommt hat! u. Deine Unruhe hierüber schmerzt mich unsäglich. Alles trug zu meiner schmerzhaften Stimmung bei; da ich eben Deinen Brief gelesen hatte, ging das große Geläute, mit dem der Witzleben begraben ward. Die Empfindung hierüber teile ich Dir nicht mit. Zuweilen ermannte ich mich, da die Glocken auch bei großen erfreulichen Gelegenheiten gelautet werden; der Haupt-Eindruck blieb aber Unmut über mich selber, daß ich nichts als Ungeschicktes begehen kann; endlich besänftigten mich Tränen, u. ein wohltätiger Schlaf. O verzeihe mir liebster Einziger Unaussprechlich Guter, daß ich Dir Deine Liebe so ungeschickt lohne u. Dir Unruhe gemacht habe. Ich wollte Dir früher Freude machen, indem Du aus Augsburg geschrieben, »adressiere die Briefe nach Florenz oder Rom,« dort haben sie bisher gelegen. Ich hoffte immer, daß Du meinen Brief vom 22. August, den ich noch nach Augsburg gesandt habe, Dir nach Rom wirst nachschicken lassen; auch den hast Du nicht gefunden u. ich fürchte daß er verloren gegangen ist. Ich werde heute noch an das Postamt nach Augsb. schreiben daß sie ihn unter Buris Adresse nach Rom senden. Wie gut ging doch Alles, da Du noch allein warst, seitdem Du Gesellschaft hast, hast Du noch keinen Brief von mir erhalten! O wie mich das peinigt. Du Lieber erquickst mich so oft mit Deiner Stimme, die mich aufrecht erhält; u. wenn es mir einfällt daß Du nun so lange von meiner Liebe u. Leben kein Zeichen gehabt hast, noch von den Kindern, so überfällt mich eine recht heiße Unruhe. Ich bin schon im Garten herumgelaufen, es ist ein unvergleichlich heller Himmel ohne Wolken, als ob ihn mir die Natur in Deinem Namen schenkte, aber es will bei mir nicht heiter werden. Mischt sich nicht ein eigen Schicksal in alle unser Glück? Wenn Dir die Unruhe u. Sorge hierüber nur nicht geschadet oder Dich in dem Genuß der hohen Gegenstände gestört hat. Das hoffe ich doch nicht. Ich denke Du wirst jetzt alle Briefe von mir empfangen haben u. wir wollen jetzt alles vergessen. [ . . . ] Mein ganzes Leben hängt an Deiner Seele u. an Deinem Wort. Das sagen Dir die heißen Tränen die ich weine, Du mein einziges Gut auf Erden. – Gott gebe daß nur noch 8 Tage um [sein] mögen, damit ich nur endlich erfahre daß Du einen Brief hast. Mein erster Gedanke heute warst Du u. bist Du allezeit, u. das erste was ich heute früh sahe, waren zwei Täubchen. Bald nachher ließ mir Goethe sagen daß er Briefe aus Rom hätte, Du seist da. Auch schickte er das Bild u. Vignette zum 8t. Band, von der Angelica gezeichnet. Es hat mich recht überrascht. Die hohe Muse wie sie ihn mit innigem Wohlgefallen ansieht u. in Betrachtung ist u. der Schmerz auf der Bildsäule sind unaussprechlich rührend. Das Ganze ist ein empfunden u. gedachtes Denkmal seiner Werke. Gott gebe Dir Freude u. Glück unter seinen Freunden. Gott verhindere nur alle Störung, damit Du Deine Zeit gut brauchest. Ich hoffe, Du wirst Dir einen Plan gemacht haben über alles das Du sehen willst u. mußt, u. daß Du Dich hernach durch nichts irre machen lassest. O des Kindischen lächerlichen Gedankens, ein Schätzchen kostspielig mitzuschleppen, um in Rom mit ihm zu liebeln.
Abend 8 uhr. ich bin durch einen Besuch vom Erbprinzen u. Riedel, die sich auf diesen Nachmitt. angemeldet hatten um die Kinder auf dem Seil zu sehen, verhindert worden, weiter zu schreiben. Goethe kam auch, u. hat mir nachher, nachdem wir vorher viel von Dir geredet haben u. er sich recht gefreut hat über das was u. wie Du gesehen hast u. mich über das Ausbleiben der Briefe getröstet, u. es als notwendige Zufälle einer Reise betrachtet, so hat er mir nachher aus dem Tasso einige Stellen gelesen. Es ist eine vortreffliche Arbeit; eine vortreffliche würdige Sprache – ein herrlicher Geist der die Charaktere so präzis darstellt – ich habe nur noch wenig gehört, es gefiel mir aber sehr; u. es freute ihn. Er sagt die Jamben seien noch besser als in der Iphigenia. Es ist ihm lieb daß Du nun in Rom bist. Da, sagt er, brauchst Du auch nicht mehr so viel Italienisch, er hätte meist Deutsch gesprochen. Ich hoffe daß Ihr den Antiquarius Hirt nicht vergessen werdet zu nehmen, u. die Dukaten doch da nicht sparen werdet? Es freute ihn, was Du sogleich vom Buri u. der Angelica geschrieben. [ . . . ] Ich sollte Dir billig diesen Brief nicht schicken, es ist nichts darinnen; Laß Dein Herz u. Deine Liebe das Beste darinnen finden, u. bleibe mir gut wenn auch jetzt die großen Gegenstände mein Andenken etwas verdrängen wollten. Ich u. die Kinder klammern uns an Dich. Ach ja wir sind freilich die schweren Gewichte so lange gewesen, die Dir Deine Flügel gelähmt haben. Atme jetzt frei u. stärke Dich, Du Vielgeduldeter. [ . . . ]
Rom, 8. Okt. 88.
Ich unterließ letzten Posttag an Dich zu schreiben, meine liebste Seele, weil ich vom Werner was Gewisseres schreiben wollte, als ich damals schreiben konnte; jetzt kann ichs, u. alle Umstände haben sich zum Guten geändert, so daß er, wie der Arzt versichert, auf dem sichern Wege der Rückkehr zur Gesundheit ist. Dieser Arzt ist aber nicht der Italiener, sondern der Deutsche, der D[oktor] Huschke, den die Herzogin mit sich hat. Jener hatte ihn auf einen so schlimmen Weg geführet, daß, wie Huschke versichert, eine Lungensucht u. der Tod ohne Zweifel das Ende vom Liede gewesen wären; jetzt hat ihn Gott, wie ich hoffe, errettet, u. der Arzt versichert, daß er vielleicht in 3. Tagen einen Versuch werde machen können, außerhalb dem Bette zu sein; seine Kräfte, die ihm der vorige Arzt bis zum äußersten Grade der Schwachheit genommen hatte, werden sich freilich langsamer wiederfinden. Doch auch hierüber ist von der Mutter Natur das Beste zu erwarten, sobald nur einmal die Ursache der Krankheit aus dem Körper ist. Polelli hatte ihm durch den Schweiß die Kräfte genommen, durch den Aderlaß die unabgeführte Galle ins Blut u. auf die Brust gejagt, u. durch die unzeitige China das Übel verstärket, indem er ihm mit Gewalt die Diarrhee stopfen wollte, durch welche die Natur sich helfen wollte. Eine minder-schwächere Natur wäre, wie Huschke sagt, drauf gegangen. Seit ein paar Tagen ist er merklich besser: seit ehegestern bewohnt er auch ein besser Zimmer, worin ich ihn näher bei mir habe. Er hat aber dahin müssen wie ein Kind hinabgetragen werden, u. konnte einige Tage sich auch im Bette nicht 2. Minuten aufrecht erhalten, ohne Ohnmacht: das Gedächtnis war ihm ganz weg, u. er kannte vor Schwäche selbst die Personen nicht, die er am besten sonst kennet. Das alles ist Gottlob jetzt anders u. besser; denke, wie mir war, u. welche Tage ich zugebracht habe. Jetzt läßt er Euch alle aufs beste grüßen auch seine Mutter u. Schwester, denen Ihr aber nichts sagen sollt, von seiner Krankheit. Alle Nachrichten, die ich ihm aus den Briefen gebe, sind ihm eine ordentliche Arznei, u. wenn ihm der Himmel aufhilft, wie ich nicht zweifle, wird, wie ich hoffe, auch sein Aufenthalt hier angenehmer werden: denn bisher hat er in Italien kaum eine frohe Stunde gehabt. Er ist ein äußerst guter Mensch, treu, fest u. bieder; er hat aber zu viel Galle, u. hat sich ordentlich über manches für sich u. für mich geärgert. Wenn ich ihn nur erst wieder außer dem Bett sähe!
Seit meinem letzten Br. ist also auch der Faden gleichsam abgerissen, den ich aus der Erinnerung nur mit Mühe knüpfe. Sonnabend Abend kam die Herzogin Mutter gesund u. äußerst vergnügt an. Es traf sich eben, daß ich nach ihrer Ankunft im Hause gefragt hatte, als sie ankam; ich bemerkte den Wagen, ging zurück, u. ich war also der erste, den sie in Rom sah. Sie war sehr liebreich u. gütig, gab mir Deinen Brief, erlaubte mir den Arzt für W., der sich auch alle erdenkliche Mühe gegeben hat. Sonntag früh wartete ich ihr mit Dalb. u. der Seckend. auf: Montag ließ sie mich zu sich rufen, u. war sehr gut: Dienstag bin ich mit ihr in die Rotonda u. ins Museum gefahren, u. speisete bei ihr: Heut wollte ich zu Hause bleiben, da ich sie also noch nicht gesehen habe. Sie beträgt sich, als Fürstin, sehr gut, u. im Museum hatte sie eine wahre, innige, gefühlte Freude; ganz anders als unsre schöne Begleiterin, die von allem nichts weiß u. verstehet, alles ohne Teilnehmung siehet, u. die man nur mitschleppen muß, so daß ich nicht weiß, wenn wir mit Hirt unsern Kurs vollenden werden. Wenn sie einen halben Tag fährt, wird wieder ein paar Tage nichts ppp Doch dies alles bleibe bei Dir. Niemand kann sich zu etwas anderm schaffen, als er ist, noch sich eine andre Natur geben. Die Herzogin war äußerst verwundert, sie hier zu sehen; sie hatte es gehört in Regensb[urg] u. nicht geglaubt. Die Göchhausen sagte, sie habe es schon in Weim[ar] gemerkt, daß ihre Ideen dahin gingen. Doch habe ich mich gegen beide nicht weiter expliziert: was geschehen ist, ist geschehen, u. ich habe nur zu sorgen, wie ich mir aufs beste durchhelfe. Jetzt sitze ich eigentlich zwischen 2. Stühlen auf bloßer Erde; u. W. Krankheit hat das Maß bis zum Übermaß erfüllet. An Kleider u. dgl. habe ich noch nicht denken mögen: Teils weil ich sie so notwendig nicht brauchte, denn zum Kurs ist jedes Kleid gleich gut; der Senator ist nicht hier u. alle Welt ist auf dem Lande, Teils weil ich noch von keinem was recht Vernünftiges erfahren habe. Alle sagen mir, ich müsse ein schwarzes Kleid in die Gesellschaft haben, u. das wäre mir ärgerlich, hier im teuren Rom, mir ein schwarzes Kleid müssen machen zu lassen; ich wollte, daß ich Deinem Rat gefolgt wäre, u. mein schw[arzes] Kl[eid] mitgenommen hätte. Ich will jetzt ernstlich dran denken, u. Reifenstein oder die Angelika fragen: wünschte aber, daß ich in Allem schon steckte, weil ich in solchen Sachen wie ein Kind bin, indem ich solange nicht für mich gesorgt habe. Bei Monsignor Borgia, der mich vorigen Freitag mit seinen roten Strümpfen in meinem Hause selbst aufsuchte u. auf den Sonntag zu Tisch bat, hatte ich das schwarzseidne Kleid an, war rund frisiert d. i. mit einzelnen Buckeln wie in Weimar; u. er stellte mich seiner Gesellschaft als Bischof in meinem Lande vor, welches ich denn auch mit aller Bescheidenheit annahm, u. annehmen konnte, weil er von Allem unterrichtet ist. Er hat mich sehr wohl aufgenommen, u. ist wirklich ein gelehrter, dazu freier u. fröhlicher Mann. Ich habe mit ihm Latein gesprochen, u. er ist der einzige, den ich bisher habe kennen lernen, der es geläufig u. gut spricht. Diese Woche geht er auch aufs Land, u. ich habe Zeit gnug, für meine Kleider zu sorgen. Es wird sich ja wohl eine gute Seele finden, die sich meiner annimmt. Die Seckend. mag ich über nichts fragen; sie rät mir in allem entweder klein oder hinterlistig u. übel, ohne daß sie es weiß. Unsre Naturen sind zu sehr verschieden, so daß ich nicht geglaubt habe, daß ich von jemand in der Welt so fern sein könne, ohngeachtet alles Zwanges, den ich mir oft antat. Bin ich ausstaffiert, u. habe die paar Gesellschaften gesehen, die hier exsistieren u. die im Grunde für mich nicht sein können u. sein werden, ziehe ich mich zurück in mich selbst, u. suche etwas zu arbeiten. Jetzt bin ich ganz zerstreuet, unruhig u. außer mir, so daß ich in Rom noch keinen Genuß gehabt habe, wie ich mir ihn wünschte. Ich bin indes mit Sehen so fleißig, als ich sein kann. Außer dem Pantheon, der Peterskirche, dem Museum, das ich nun ganz durch bin, den Bogen, einer guten Partie von Säulen u. Trümmern, unter denen das Colisee oben ansteht, habe ich von Villen die Ludovisi u. die Borghese gesehen; ein Schatz, den ich bei weitem noch nicht verdauet habe. Mein Plan indes reihet sich fest, u. meine Plastik kommt mir ganz wieder; wahrscheinlich wird sie das erste sein, was ich aus- u. umarbeiten werde. Doch sage davon nichts an Göthe; es liegt ja noch alles in der Zukunft. Wie sehr mich Deine Br. erfreuen, trösten u. stärken, kann u. mag ich Dir nicht sagen: Du bist, möchte ich sagen, meine Vernunft u. mein treues, edles, reinestes Herz. Du sollst es auch bleiben. Grüße die Kinder u. küsse sie alle in meinem Namen. Ihre Br. sind mir sehr lieb u. machen mir ihre Personen so ganz gegenwärtig, als ob ich zugleich ihre lieben Stimmen hörte. Sie sollen mich im Zopf sehen, wenn ich zurückkomme: Gottfr. soll über mich lachen dörfen, u. dem Aug. will ich im Zopf kein ernstes Gesicht machen. Dem Emil will ich Kuchen mitbringen u. was er begehret. Lebt wohl, Ihr lieben Kinder, lebe wohl, ihre liebe Mutter, lebt alle wohl u. gedenkt meiner in Euren besten Stunden. Grüße Alles, schreiben kann ich noch an niemanden: ich werde es aber, sobald ich kann. Nach dem Br., der in Florenz liegt, habe ich geschrieben; nach dem in Parma schreibe ich heut, ich weiß nicht, von wem er sein mag. Besonders empfiehl mich der Herz., von der Du so gar nichts schreibest, wenn es nicht im Florent. Br. stehet, daß Du bei ihr gewesen. Die arme Fr. v. Fr[ankenberg] dauret mich sehr: mein nahes Leiden hat indes gemacht, daß ich an das entferntere weniger denken konnte. Ich komme wenig zu mir, habe wenig Gedanken u. schreiben kann ich gar nicht; ich habe auch dazu nicht Zeit. Lebt wohl, Ihr Lieben, lebt wohl! Gott mit Euch dort, u. mit Uns hier. – Die Seck. hat mir einen Gruß an Dich aufgetragen. D. auch. Lebe wohl, liebe Seele.
H.
Göthe, Knebel, Fr. v. Stein, Kalb, Schardt, der guten Volgst[ädt] mit ihrem Arab. Spruch pp sage Grüße. Hat meine Schwester sich noch nicht gemeldet? Ist Heinze Progr[amm] nicht zu stark, so schicke es mir, doch ohne Decke, wenigstens das Blatt, wo an mich gedacht ist. Nochmals das beste Lebewohl.
Weimar, 10. 10. 1788
Sei mir herzlich in Rom gegrüßt und an jeder Stelle, die du betreten wirst. Keine merkwürdige wirst du betreten, in der ich nicht deiner gedacht hätte. Ihr habt Tadel verdient, daß Ihr bis Ancona so schnell, Lob, daß Ihr von daher die merkwürdigen Sachen mit Ruhe und einigem stillen Genuß angeschaut habt. Verzeihe deiner Frauen, wenn sie mir mehr, als du wolltest, vertraut hat; verzeih mir, wenn ich mich etwas heftiger gegen – erklärt habe. Sie muß nichts Wichtiges ganz in sich verschließen, wenn sie deine Abwesenheit tragen soll, und wie ich die Sachen nehme und trage, weißt du ja auch.
Mich freuts, wenn du Angeliken und sie dir einige gute Stunden machst. Wenn dir Bury lieb wird. Sei doch ja gegen Rat Reiffenstein recht artig und rühme ihm, wie sehr ich seine Freundschaft gerühmt. Ich bleibe immer der wunderliche Heilige Gottes, der wunderlich geführt wird. Wenn du in mein hold Quartierchen kommst, so laß dichs einen Augenblick reuen, daß du mich herausgejagt hast.
Das Blatt ist liegen geblieben; nun kommt dein Brief, der deinen Einzug in Strada Condotta benachrichtiget. Die S. ist eigentlich ein Racker, und spielt ihre Person in der Gesellschaft am besten. Du bist auf alle Weise zu honett; da es aber deine Natur ist, so bleibe dabei und laß sie dirs nur nicht zu grob machen. Der Dalberg ist, wie alle schwache Menschen, freilich sehr vergnügt, wenn du ihm das Leben leicht machst, da du's ihm sauer machen solltest, indes jene, die ihms leicht machen sollte, es ihm lästig macht. Ich lobe sie indessen, wie der Herr den ungerechten Haushalter. Es geht doch nichts über die Huren, dagegen kann kein ehrlicher Mann, keine ehrliche Frau, kein ehrlich Mädchen aufkommen. Lebe wohl, du guter, der du auch unter Wilhelms Verwandten dich auszeichnest. Genieße Rom, sorge, daß Ihr nach dem Karneval nach Neapel geht bis Ostern pp und vergiß nie, was du bist und was dir der Sperling schuldig ist. Liebe mich. Grüße die Landsleute.
G.
W. d. 10. Oktbr. 88.
Rom, den 11. Okt. 88.
Auf einmal, liebe, habe ich Deine 2. Flor[entiner] Br. nebst Inlagen der Kinder u. Göthes, auch Deinen Br. v. 22. Sept. mit Göth. Beilage erhalten. Auf den letzten, da er Geldsachen u. meine Einrichtung betrifft, zuerst. Und da muß ich Dir sagen, G. hat Dich auf alle Art irre geführet. Jeder Mensch muß aus sich u. für sich handeln; u. im höchsten Punkt der Pflicht u. Not muß man keine allgemeine Raisonnemens brauchen. Ich bin Gottlob noch nicht in diesem Punkt; bin ich aber darin, so ist es vergeblich, Worte zu sagen, wo man Tat brauchet. Ich schreibe Dir diesen Br. allein: nimm aber den Verfolg meiner Br. zusammen, u. Du wirst finden, daß kein Sterblicher mit mehr Nachgiebigkeit u. Geduld gehandelt habe, als ich; eben weil ich auf jeden Heller, den ich im Beutel hatte, so eifersüchtig bin u. war als der Bettler, der eine Reise nach Rom vor u. hinter sich hat, sein kann.
Wäre es auf mich angekommen, so wäre ich eine Poststation hinter Augsb. aus dem Wagen gesprungen, u. hätte gesagt: fahrt zum T – Nun habe ich eine Reise getan, wie ich meinem Feinde nicht wünsche: Werner ist das Opfer geworden u. hat sich für seinen Hrn. geärgert. Bezahlt auf der Reise habe ich nur einge Stationen von Botzen ohngefähr bis Verona, da es mir zu nahe an den Hals ging. Alles aber, was ich auf der Reise allein genoß, u. nichts als Kaffee, Milch, Brot u. eine kleine Bouteille Liqueur war, habe ich bezahlet. Bei Tisch ertrug ichs, als ihr Gnadenhungriger angesehen zu werden, und mitzuessen, im elendsten Verstande des Worts. Für den W[erner] bezahlte ich bis Mantua, da ich denn, damit er nicht gar verhungerte, ihn in die gnädige Kost mit einredete. Laß mich davon nicht weiter schreiben: ich schäme mich vor mir selbst. Als wir endl. in Rom waren, kams zur Erklärung. Unter allen Quartieren, die besehen wurden, war immer der Fehler, daß ich nicht mitwohnen könnte; ich sagte also, meinetwegen möchte sich die g[nädige] Fr[au] nicht genieren, ich könnte auch besonders wohnen. Sie nahms (o warum muß ich nur an sie gedenken?) sosehr mit beiden Händen an, daß bei den freundlichsten Worten ihr das Quartier sogleich mißfiel, wo ich mit hätte wohnen können, u. sie in allem nur darauf sahe, wie sie als Prinzessin wohnen könnte, wie sie denn auch wohnt. Sie hat 5. Zimmer in der Suite, deren Türen sie sorgfältig auftat, da die Herzogin Tee bei ihr trank, Dalb. muß sich mit 2. elenden begnügen. Als ich mit D. sprach, sagte ich ihm in Liebe Alles, was Ihr mir sagen könnt, aber ohne daß ich ihm das Messer an die Gurgel setzte. Er sagte, er wolle mein Quartier bezahlen: mittags möchte ich doch bei ihm essen; ich esse bei ihm u. quäle mich in der vermaledeiten Gesellschaft, wo mir die g. Fr. zu sehen fatal, beim Durchgehen den Hrn K[ammer]Diener zu sehen abscheulich ist, u. mir im Grunde alles in Rom Gift u. Ekel ist – was wollet Ihr mehr? Ich fahre mit ihnen, schleppe mich auf ihrem Kurs mit, auf dem wir, so elend gehts, in 2. Jahren Rom nicht aussehen werden, warte auf die Zeiten, da es der g. Fr. beliebt, ärgre mich u. genieße nichts; was wollet Ihr mehr? – Wenn ich nun notgedrungen außer dem was sehen will, muß ich meine Pauls geben: denn ich sehe für mich. Wenn W. krank wird, Arzt, Medizin, Wärterin braucht, kostet es mich; was ich Morgens, Abends brauche, jeden Gang, den ich schicken muß, da ich entsetzl. überlästigt werde, mich – ppp Das Alles habe ich nicht gemacht, sondern die Situation, daß das Weib da ist u. ich nicht mit dem Kammerdiener wohnen, oder gleichgehalten werden will, oder ich würde mich aus Rom betteln. Die 5. Pauls, die das MittagEssen kostet, möchte ich ihnen in den Schlund werfen pp o warum muß ich dies alles schreiben, da ich bei jeder Zeile mich vor mir selbst schäme u. mit den Zähnen knirschen möchte. Weiter ist bisher nichts ausgemacht; ich glaube, er wird nach einiger Zeit selbst die Gnade haben, u. nach der Rechnung fragen. Erstreckt er diese bloß aufs Quartier; ich fodre von ihm nichts, nehme dies auch an, u. sehe was weiter zu tun ist; mit dem Messer an der Kehle werde ich keinen Bajok von ihm fodern. Und wie könnt Ihrs verlangen, da Ihr seht, daß selbst seine Güte – doch ich rede noch nichts hierüber; die Zeit wird reden. Gnug, vor der Hand habe ich noch kein Geld nötig; wenn ich aber schreibe, so glaube, liebes Weib, daß es das Schicksal selbst Dir geschrieben habe, u. schaffe, wieviel ich Dir sagen werde; es wird nicht viel sein, oder vielleicht gar nichts, was weiß ich? G[oethe] hat gut reden; alle seine Ratschläge in Ansehung Roms taugen nicht; er hat wie ein Künstlerbursche hier gelebet. Da schwätzt er u. warnt mich vor dem schwarzen Rock, u. macht, daß ich den meinigen nicht mitnehme. Und nun muß ich mir einen hier machen lassen, weil ich mit Keinem andern, auch keinem gestickten, der immer nur Frack ist, in eine Gesellschaft kommen kann, u. Einsiedel selbst einen schwarzen mitgebracht hat. Ich muß mich also in doppelte Kosten setzen, mir einen schwarzen u. violetten zu kaufen; u. so hat er mehr geredet; ich habe mich manchmal schon über ihn geärgert, daß ein Mensch, der 2. Jahr in Rom gewesen ist, einen so ziehen läßt. Ich würde es, da ich jetzt 2. 3. Wochen in Rom bin, keinem Fremden so tun, der mich früge. Gnug, gräme Dich nicht, sorge auch nicht voraus; halte aber Dein gutes Gemüt zusammen, glaube mir, u. laß mich machen. Wenn der Überschlag gemacht, u. die Sache zu übersehen ist: denn handle. Es wird Dich u. mich nicht gereuen. Ich bin darin u. muß durch. Ja wohl bin ich in Rom auf meine Lebenszeit genesen, aber in anderm Sinn, als G. es meinet. –
Über das Alles ein andermal: für jetzt nur Eins. Sage von diesem Br. u. seinem Inhalt nichts an Jemand; schicke mir aber den 1. T[eil] der krit[ischen] Wälder mit erster fahrender Post. Er ist blau broschiert, lag in der Bibl[iothek] zum Mitnehmen auf dem Fenster bereit; u. ward vergessen. Ich brauche ihn hoch notwendig. Meine Adresse habe ich Dir geschrieben.
Werner ist heut zum erstenmal aus dem Bett gewesen, ¼ Stunde oder noch weniger. Er sieht wie einer aus, der aus dem Grabe aufsteht; nichts ist an ihm: er wird wie ein Kind müssen gehen lernen. Er ist sicher aus der Gefahr, grüßet Euch alle herzl. u. rührend. Meine Eingeweide drehen sich um, wenn ich ihn ansehe. Heut kein Wort weiter. Auch Keins der tausendfachen Dankworte, die ich Dir auf Deine Florentinerbriefe zu sagen hätte. Gott sei mit Euch, liebes Weib, liebe Kinder u. bringe Euren Mann u. Vater einst gesund u. entronnen wieder zu Euch, auf Lebens-Lebenslang kuriert u. genesen. Lebt wohl, Ihr lieben.
Noch Einmal bitte ich Dich, liebste liebe. Mache Dir keine Sorge ums Geld: es kann sich alles so finden u. fügen, daß ich nichts brauche: denn vor der Hand habe ich noch 50. Holl[ändische] Duk[aten] u. 10. Deutsche; auch eine Partei Scudi. Ich wirtschafte, wie ich kann. Wenn D. sich erklärt, oder den kleinsten Anlaß gibt, werde ich nochmals mit aller Liebe sehr aufrichtig sein; er ist aber ein schwaches Gefäß, ich kanns nicht bergen. Jetzt schikanieren mich insonderheit die Kleider. Sie sind der teuerste Artikel in Rom, u. zugleich der nötigste. Wenn ich nur erst ausstaffiert wäre!
Als ich heut Deinen Br. u. G[oethes] gelesen hatte, u. voll Verdruß u. Kummer oder vielmehr Unmut umherging, schlage ich Ital. Gedichte auf u. finde das Griech. Epigramm (T[eil] 1 d[er] z[er]st[reuten] Bl[ätter])
Nacket kam ich p nackt geh ich p
nackt von hinnen zu gehn, braucht es wohl Kummer u. Leid?
Lebe wohl, Liebe! –
Da Du mir einge Deiner Ahndungen schreibst, die leider so wohl eintreffen, muß ich Dir auch einge der Meinigen sagen. Den 24. Aug. da ich vorher so heiter gewesen war, befiel mich in Augsb. eine Traurigkeit ohne Grenzen; sie waren unterwegs.
Als ich auf der letzten Poststat[ion] vor Rom auf dem Gipfel des zurückgehaltnen Unmuts u. zugleich der wunderbaren Erwartung war, wenn man sich diesem Abgrunde der alten Welt nähert, lasse ich mir den Bart rasieren. Mein Gemüt war Ahndungsfähig; u. siehe da, W[erner] schneidet mich zum erstenmal, solange ers getan hat. Ich fühlte u. wußte nicht was; nun weiß ichs. Traurig u. äußerst bekümmert gehe ich drauf u. setzte mich in den Schatten vor einer Kapelle nieder, ganz unfähig, auch nur das Auge aufzuschlagen. D. kommt u. über mir steht:
ego tibi Romae propitius ero
ich will Dir in Rom günstig sein.
Worte, die Ignatius gehört haben sollte auf dem Ort, als er bekümmert nach Rom ging. D. lachte; ich lachte nicht, u. bete zu Gott, daß er die Erscheinung erfüllen möge, zu deren Erfüllung er mich durch lauter Prüfungen u. Widerwärtigkeiten führet. Zum drittenmal lebe wohl, Liebe. Lebt wohl, lebt wohl, Kinder, Kinder, alle meine lieben sechs. Amen. Helfe Gott auch mir.
W[eimar,] den 12. Okt. 1788.
Liebster, Guter, Einziger. Mein letzter Brief vom 10. Okt. war so sehr in der Eile geschrieben, daß Du mirs tausendmal verzeihen wirst. Verzeihen sollst Du mir aber nicht die Wärme, mit der ich schon in verschiedenen Briefen über Dein Verhältnis mit der Reisegesellschaft geschrieben habe. Eine öffentliche Beleidigung vor ganz Deutschland darf man nicht auf die leichte Achsel nehmen. Ich bin nur auf den Ausgang dieser Reise begierig. Die Dame legt es recht groß an, u. hält sich hübsch hoch u. teuer. Dalbergs ganzes Vermögen, das in 20 000 Gulden besteht wird ganz gewiß daraufgehn, das glauben alle. Für dieses Geld hätte er 2mal mit Dir hinreisen u. unendlich mehr Nutzen u. Freude davon einernten können. Doch um ihn wollen wir uns nicht bekümmern, da er so unmännlich gewesen ist, Dir nichts davon zu entdecken. Rette nur die goldene Zeit damit keine Stunde verschwendet werde. Das wünscht Goethe selbst für Dich; denn er weiß wie es schmerzt, wenn die Zeit der Abreise kommt. Gestern war ich bei der OberMarschall von Witzleben zur Kondolenz; sie hat sich sehr nach Dir erkundigt u. empfiehlt sich Deinem Andenken. Man sagt daß sie hierbleiben, aber keine Pension vom Herzog annehmen wird. Dies ist von ihr sehr billig u. gerecht gedacht, ihr Vermögen wird über 50 000 Rtlr. geschätzt. Heute Mittag aß Schäfer mit, da wir am Braten waren meldete sich ein Fremder; und wer hereintrat war Johannes Müller aus Mainz! Seine Gegenwart erfreute mich sehr. Er ist wirklich etwas größer u. dicker geworden u. ist sehr verständig, herzlich u. männlich gewesen. Unser Hauptgespräch war von Dir; von Deinen Arbeiten vorzüglich; er verlangt sehr nach dem 4. Teil der Ideen von dem er durch Dalb., auch seinem Bruder, gehört hat. Er sprach mit so viel Verstand von Deinen Arbeiten: wie nicht allein die Sache selbst so durchdacht, sondern auch Dein Stil so vortrefflich sei. [ . . . ] Von Politischem hörte ich von ihm daß die Truppen marschieren werden. Darunter verstehe ich denn die Preußen, Sachsen samt dem ganzen Fürstenbund. Doch glaubt er daß es nur bei dem marschieren bleiben u. in Einem Jahr Friede sein wird. Der elende unglückliche Kaiser! Vermutlich werden wir hier Durchmärsche bekommen u. unser Fürst wird nun wieder ein Held werden auf 14 Tage.
Von seinem Bruder ist auch viel geredet worden. Er selbst wünscht (im Vertrauen!) mit der Zeit eine Stelle in seiner Vaterstadt zu erhalten, in der er Muße bekäme, wieder für sich zu arbeiten. Ob er sich aber von dem politischen Seil losmachen kann, glaube ich kaum. Eine unangenehme Neuigkeit hat er mir gesagt, daß Reichardt aus Berlin auf einer Reise nach Italien u. Rom begriffen sei. Du wirst also diesen Freund dort sehen. In 8 Tagen wird der Herzog erwartet. Jetzt ist es doch vielleicht gut daß Goethe hier ist. Im heiligen Schoß der Kirche, werdet Ihr doch nicht Eine Unannehmlichkeit des Kriegs empfinden u. ich hoffe wir in Weimar auch nicht. Die Frucht steigt indessen schon im Preis u. vielleicht auch der Caffèe. Da ich meine Portion aus einem halben Lot mache, so werde ich diese Teurung wohl ertragen können. Das schlimmste ist, daß in bedrängten Fällen der Hunger u. Durst gemeiniglich zunimmt. [ . . . ] O welches Glück hat uns beiden der liebe Gott an Dir selbst gegeben! er wird Dich wieder glücklich zu uns führen, zu mir u. den Kindern u. nichts soll unser Glück stören. Wie unbedeutend wird mir aller Menschen Treiben. Wie wenig achtenswert! Wenn man sein eigentümliches Dasein gesichert u. befestigt hat, was braucht man mehr?
Dienstag. Goethe kam den Montag zu mir. Von Müller sagte er: er sähe völlig wie ein Domherr aus; u. das ist wahr. übrigens gefällt er ihm so halbwegs. Die Zeit war freilich zu kurz. Vom Kaiser sagte er: er hätte das Haus Östereich durch diesen Krieg so heruntergebracht daß es sich in 100 Jahren nicht erholen wird. Ich sagte: so wirds unserm Herzog auch gehn. ja, nicht anders, antwortete er; u. so gehts uns allen, wenn wir unsre Eigenheit irgendwo oder am unrechten Ort, wie es gemeiniglich geschieht, durchsetzen. So ist mirs von Jugend auf ergangen; ich war frei u. reich, konnte sie also öfters u. mehr durchsetzen, als ein andrer, u. ich weiß am besten, wo u. wie sie mir geschadet; und wenn ich mich jetzt nicht so zusammennähme, so würde es noch mehr geschehen. So schadet dem Herder jetzt seine Eigenheit. Niemand wird es glauben, aber Zartheit u. Nachgiebigkeit ist seine Eigenheit u. nun leidet er darunter. Hätte er jetzt gefühlt wer er ist, u. wie ihm manquiert worden, er hätte von Augsburg aus, sich nicht so gütig betragen. Und daher kommts manchmal, daß er hernach am unrechten Ort gegen Menschen das rauhe herauskehrt.« Diese goldnen Worte waren, als ob sie aus unser beider Seele herausgeredet waren. Ich sagte ihm daß Du es so gut als ich wüßte; daß wir bei jeder Gelegenheit es merkten u. oft übel empfänden. Bei Deinem Verhältnis zu Dalb. sagte er ferner: u. wenn ihn Herder 3000 Rtlr. kostet so ists nicht zuviel; er hat ihm ja noch immer seine Person nicht bezahlt. Ferner sagte er: Die S. zeigt einen unsäglichen Verstand in ihrer Einrichtung – es ist das schönste Haus in Rom – mit Ecclat u. Anstand will sie den Schritt gutmachen; sie versteht ihr Handwerk u. der künftige Churfürst kanns bezahlen.« Nun liebster Engel auch Du mußt durchaus mit Anstand dort leben – es mag auch kosten was es will. Du bist einmal durch ihn dahin verlockt; Du bist als sein Gesellschafter engagiert, u. kannst doch wahrlich in der Kleidung nicht so gehn wie hier. Ach wenn wir nur eine Stunde mit Dir reden könnten. Ich hoffe Du wirst jetzt lange meinen Brief vom 22. Sept. erhalten haben, worinnen ich Dir geschrieben daß ich mit Goethe gesprochen. Gott gebe daß alles gut gehet; u. es muß. Jetzt ist es hohe Zeit seine Eigenheit bei Seite zu setzen, wenn wir nicht in Not u. Gram kommen wollen. Der H[ure] S. werde ich in meinem Leben nicht gut. Wenn Ihr nur Euern Kurs vernünftig einrichtet!
Weimar, 12. 10. 1788 [?]
lieber Vater
Kommen Sie bald wit ich kiege wieder ein neu Kleidchen, ein grun Jäckchen, bringen Sie uns Rom mit. das will ich zeichnen ich komme auch nach Rom. Ihr getreuer Bruder Emil Herder 1788.
Rom, 14. 10. 1788 [?]
Lieber, Ihr Glück macht das meinige; hängt Ihre Existenz, Ihre Zufriedenheit daran, daß Sie sich von mir trennen – es sei – Sie stoßen mir einen Dolch ins Herz, aber ich bin schon gewohnt, ihn auch von Freunden zu dulden. Erster Tage gehe ich zu Lepri und überschicke Ihnen die bewußten 1000 Rtlr. Ihre Motiven, Bester, untersuche ich nicht, weil dies von Vorstellungen abhängt, und ein jeder die seinigen hat. Mein Wille war rein, mein Bestreben, Sie glücklich zu machen, so groß, als drückend das Gefühl, Sie leidend zu sehen. Zufall und der Wunsch, ein besseres Klima zu genießen, brachten bei der Frau von Seckendorf bloß auf mein (und sogar Ihr) Anraten den Entschluß, mit nach Rom zu gehen, zu Wege. Sie waren immer ihr Freund, sind der meinige. Ich hoffte, ein harmonisches Band würde sich knüpfen, das aber weiß der Himmel welcher Dämon zerstörte – und das doch so gut bestehen könnte. Genug, Sie wollen sich trennen – ich untersuche nicht und befolge den Wunsch des Freundes. Alles soll übrigens ein ewiges Geheimnis zwischen uns bleiben. Sagen Sie mir mündlich oder schriftlich, wann und wie unsre (leider!) neue Lebensepoche anfangen soll. Also noch einmal, Liebster, Ihr Glück ist das meinige, mit meinem Leben wollt' ichs erkaufen, aber wahrlich Sie beförderten das meinige nicht dadurch, daß Sie mich in so manchen Punkten verkennen.
Rom, den 15. Okt. [1788].
Endlich, liebes bestes Weib, fängt sich der Knote an allmählich aufzulösen, der mich solange zusammengeschnürt u. fast tot gedrückt hat; u. zwar auf eine gute Weise; Gott helfe, daß schon Alles getan sei.
Sonnabend empfing ich Deinen Br. u. beantwortete ihn, verzeihe mirs, auf eine etwas heftige Weise. Ich konnte aber nicht anders im ersten Augenblick, weil ich selbst von der Last zu sehr gedrückt war, u. im Grunde mit Eurem Wort »sprich mit ihm: er muß bezahlen« nichts gesagt war: denn gesprochen war öfters, u. doch nichts entschieden, sondern alles nur verschoben. Sollte ich sprechen, so mußte es am Ende ihm bitter werden, u. das erträgt seine Gesundheit nicht; auch sein wirklich-guter Charakter verbot mirs. Also trug ich mich noch 2. Tage mit dem Ding auf die empfindlichste Weise, u. wälzte es umher: am Dienstag früh schrieb ich endlich einen Brief, lang, nachdrücklich, aber ganz u. gar unbeleidigend u. gut; ich sagte ihm gerade zu historisch, alles was geschehen sei, wie die Sache stehe, daß sie nicht so bleiben könne, u. wie ich wollte, daß sie eingerichtet würde. Das Erste will ich, weils zu jämmerlich u. widrig ist, nicht wiederholen; das Letzte war, ich müßte von ihm 1000. Tl. für u. zu meinem Aufenthalt in Italien haben, da mein Geld, der Rest der Summe des Unbekannten p zu Ende ginge, u. 600. Tl. zu meiner Rückreise, da er selbst sehe, daß ich mit ihnen nicht zurückgehen könne. Ich müßte mich für mich einrichten, da ich nicht mit ihm sein u. wohnen könne, stünde ihm aber übrigens zu allen, allen Gefälligkeiten bereit. Abends als ich nach Hause kam, fand ich seinen Br., herzl. u. gut geschrieben. Er beklagte, entschuldigte p (ich wills nicht wiederholen) versprach aber in einigen Tagen zum Wechsler zu gehen u. die 1000. Tl. mir zukommen zu lassen: von den 600. zur Rückreise sagte er nichts. Da er die Sache als Trennung ansieht, so habe ich ihm eben einen Brief geschrieben, daß sie gar keine Trennung, sondern nur Arrangement ist, das doch einmal gemacht werden mußte. Es könnte u. müßte also auch für alle, auch für die Herzogin, ein Geheimnis bleiben; wir trennten uns ja hier in Rom nicht mehr, als wir schon getrennt wären; sondern es finge sich eben jetzt eine neue Epoche der freien Liebe u. Güte gegen einander an u. f. Bloß das Eine werde geändert, daß wir nicht zusammen äßen, welches den Winter über doch nicht hätte sein können u. f. Diesen Brief will ich ihm heut Mittag geben; u. geht alles gut, so komme ich allmählich ins Freie u. Gute. Über die S. habe ich mich sehr linde u. gutmütig erklärt: Teils um ihn zu schonen, Teils aus Mitleiden gegen sie. Sie ist einmal hier, u. muß übertragen werden. Wenn sie mich nur nicht drückt, möge es ihr recht wohl werden. Das Klima behagt ihr nicht sehr; auch D. hat seit gestern die Diarrh. u. sah elend aus. Es ist ein hartes Ding für ihn u. seinen zarten Körper. Wenn es schön ist, ists außerordentlich schön; weht aber der verdammte Sirocco, so ists feucht, warm, kalt, widrig, u. alle Transspiration hört auf. Ein starker Rheumatism liegt auf dem Kopf, der sich nicht auflöset. Ich bin Gottlob gesund; nur den Sirocco spüre ich jedesmal wenn er kommt, schon im Bett, u. weiß sicher, wenn ich erwache, woher der Wind kommt. Auch eben heut bin ich mit einem starken Rheumatism aufgestanden, der sich nicht eher verliert, als die Tramontane wehet. Werner war gestern zum erstenmal wieder in meinem Zimmer, er sieht wie ein Erstandner aus, hat aber guten Appetit, nur kann er noch die Diarrhee nicht loswerden u. ist ganz ohne Kräfte: er kann kaum 3. Schritte weit gehen. Mich freuts indes, daß er soweit ist. Die Wärterin kann doch jetzt die Nacht abgeschafft werden, u. für die Pauls, die sie kostete, kann er essen u. trinken. Der Arzt sucht ihm durch Klistiere zu helfen, u. nimmt sich seiner sehr an: hat auch gemacht, daß ihm noch einge Tage aus der Herzogin Küche geschickt wird. Künftige Woche hoffe ich mich selbst einzurichten, u. es kann also auch diese Gnade wegfallen; welches mich sehr freuet. Die Göchhausen blickt mich sehr häßlich an, hat auch die Herzogin ganz kalt gegen mich gemacht; welches entweder das Essen des Werners ist, oder die S. hats durch Klatscherei bereitet. Es ficht mich indessen nicht an. Ich bin zwischen den beiden Weibern garstig in der Mitte: ich glaube, sie haben einen Dux: u. ich argwohne fast, die Reise ist zwischen ihnen so gut als abgeredet gewesen: Da die G[öchhausen] hörte, daß die S. hier wäre, wunderte sie sich gar nicht; die S. schließt sich sehr an die Herzogin an, die Herzogin hat sie gleich den folgenden Tag zum Tee besucht; seitdem sind sie wieder bei der Herz. gewesen, u. ich bin nicht invitiert worden. Auch die Angelika suchen sie zu sich zu ziehen, u. wollen eine Cotterie bilden, zu der ich nicht gehöre. Das mögen sie; ich kanns nicht ändern, u. werde mich deshalb nicht grämen, wenn W. nur erst gesund ist u. ich mit meinen Sachen in Ordnung bin. Denn fange ich an zu arbeiten, u. lebe mit mir selbst u. wenigen Menschen, destomehr aber mit Helden u. Göttern. Je mehr ich daran denke, daß ich gerade in dieser Zeit, zwischen diesen Weibern, unter solchen Umständen in Rom sein muß, desto mehr wird mir die Sache ein Rätsel, u. scheint mir ordentlich das fatale Spiel eines Geistes. Und doch ists alles durch Menschen gewebt; u. vielleicht ist die S., die Urheberin meiner ganzen Reise. Sie wollte in Italien sein, weil die Herz. dahinging, u. sah mich als den gutmütigsten Tropf an, mit dem sie durchkommen, u. zugleich als einen Mann von Namen, der sie decken könnte. Die Herz. brachte Göthe auf den Gedanken, u. so regt Eins das Andere; wir kommen überall nur zuletzt dazu, weil man uns brauchen kann u. weil kein andrer da ist; u. leider wir lassen uns brauchen. Indessen ist doch die Natur u. die weite Welt größer, als diese pfiffige Köpfe; sie weiß es Ihnen wieder zu vergelten. Und so glaube ich wird auch Rom selbst mich rächen u. trösten, weil ich dahin so unwürdig hin vexiert bin; ich für mein Teil will tun, was ich tun kann, es zu nützen u. den Fehler gutzumachen, den ich durch diese ganze Entreprise getan habe. Was hatte ich mit Rom zu tun? was Rom mit mir? Gott gebe mir jetzt Glück, Gesundheit u. Kraft, den Fehler zu bessern. Lebe wohl, liebes Weib u. sei ruhig, Du siehst, es fängt an gut zu werden.
Werner grüßt Euch alle; ich lese ihm die Br. der Kinder vor, u. sie erquicken ihn sehr. Es ist jetzt 16. Tage u. Nächte, daß die Wärterin bei ihm gewesen; er war aber schon vorher krank. Moriz kommt zu Euch.
Rom, 15. 10. 1788
Meine lieben, guten Kinder,
Ihr habt mir so viel Freude gemacht mit Euren Briefen, daß ich jedem von Euch mehrere Briefe schuldig bin, und diese Schuld will ich Euch bald abtragen. Dir, lieber guter Gottfried will ich von römischen Altertümern, Dir, lieber August, von schönen Göttern u. Göttinnen, Dir, braver Wilhelm, von vortrefflichen Gebäuden, der Rotonda u. f., Dir, Du kernfester Adelbert von Italienischen Ochsen, Kühen, Bäumen, Dir, liebes Luischen von Gärten u. hübschen Bildern, Dir, Du lieber Emil von Weintrauben und andern schönen Sachen schreiben. Bald kommt auch H. Moritz zu Euch, der künftige Woche von hier wegreisen wird, u. wird Euch vieles von Rom u. von mir erzählen. Habt ihn lieb, u. fragt ihn nur viel; er ist ein gar guter Mann, u. ich habe ihn recht lieb. Er kennt auch Rom recht gut, u. hat es recht durchstudieret. Die Mutter u. Ihr, Ihr werdet Euch alle recht an ihm erfreuen; er wird Euch auch was mitbringen, daß Ihr mich nicht vergesset u. mich liebbehaltet. Küßt ihn alle, denn ich werde ihm einen Kuß an Euch alle mitgeben; auch H. G. R. Göthe wird große Freude haben, ihn wiederzusehen; mich aber betrübt es recht, daß er nicht hier bleibt; ich verliere an ihm den besten Menschen. Mich freuets, lieben Kinder, daß Ihr so fleißig, gehorsam u. artig seid. Dir danke ich, lieber Gottfr. u. dem Hrn Schäfer, daß Du Dich meiner Bibliothek so annimmst, u. mir so artige Briefe schreibest. So auch Dir, lieber August, u. guter Wilhelm, auch deswegen, daß Dich H. R[at] Krause über Deine Zeichnung gelobt hat. Mich schmerzt es jetzt alle Augenblicke, daß ich nicht zeichnen kann; ich bin wie ein Stummer, der zwar Gedanken hat, aber sich nicht auszudrücken vermag. Darum, lieben Kinder, lernt hübsch zeichnen, u. seid auch in den Sprachen fleißig. Auch schadete es nicht, lieber G[ottfried] wenn Du Dein Klavierspielen wieder anfingest, damit Du recht mit Ausdruck spielen lerntest. Als ich dem Hrn Rehberg, der ein vortrefflicher Maler ist, Deinen Brief vorlas, daß Du Albrecht Dürer werden wolltest, sagte er, warum ich Dich nicht mitgebracht habe; aber es ist noch zu früh; Du mußt erst auch andre Dinge lernen, ehe Du nach Italien reisest. Du hast mir, guter Adelbert, eine schöne Beschreibung von Deinem u. meinem Geburtstage gegeben; aber sie war nicht gut geschrieben. Das mußt Du nicht tun, Du mußt hübsch ordentlich u. richtig schreiben lernen. Es ist gut, daß Ihr das Griechische angefangen habt; seid nun recht fleißig: es ist die schönste Sprache auf Erden. Du lernst hübsche Lieder, liebes Luischen, u. Deine Blättchen an mich sind recht hübsch; insonderheit freue ich mich über das Lied: Befiel du deine Wege; Du mußt auch einige Verse aus dem Liede: Ich singe dir mit Herz u. Mund lernen: es ist ein gar schönes Lied. In Deinem neuen Biberkleidchen, lieber Emil, möchte ich Dich gern sehen; aber ich komme erst wieder, wenn Du es nicht mehr trägst. Trage es gesund, Du gutes Jüngelchen, u. behalte mich lieb; Deine Briefchen freuen mich sehr: Du bist ein verständiges Bübchen u. der kleine Gottfried. Ich lasse mir jetzt auch 2. neue Kleider machen, Eins von schwarzem ungeschornen Samt, der hier um die Hälfte wohlfeiler ist, als in Deutschland; Eins von Tuch. Ich bringe sie mit, u. Ihr sollt mich auch darin sehen, auch mit dem Zopf, den ich recht gern trage. Werner grüßt Euch alle; er hat Euch sehr lieb, u. wird schon wieder gesund. Er hat eine sehr harte Krankheit überstanden, u. ist dem Tode nahe gewesen. Wie vergnügt wird er sein, wenn er Euch wiedersieht. Nun lebt alle wohl, Ihr meine lieben guten Kinder, Gottfried, August, Wilhelm, Adelbert, und Du liebes Weibchen u. kleiner Emil, der Du so gern an mich schreibst. Lebt wohl u. grüßt die Fräul. Volgstedts, den Hrn. Schäfer, den Hrn. Direktor u. Konrektor, auch den Hrn. Rudolf, Fritz Stein, die Jungfer Schwarzin, die Henriette u. seid hübsch artig, vergnügt, gehorsam u. fleißig. Lebt wohl, Ihr Lieben.
Herder
Rom den 15. Okt. 88.
Werner grüßt nochmals. Der arme Schelm muß viel ausstehn, u. freuet sich sehr auf den ersten Milchbrei, der eben für ihn bereitet wird. Er grüßt Euch alle.
[Weimar,] Freitag den 17. Okt. 1788.
Gestern Abend kam Dein Brief vom 1. Okt. Du lieber Engel. Wie schmerzt mich Werners Krankheit Deinetwegen, ja wie schmerzt mich Alles, Alles! Ich sehe leider daß die S. vor der Hand alles verdirbt, Euern Kurs u. Eure Exsistenz; u. ein Tag geht nach dem andern vorüber. Der liebe Gott gebe Dir ein, wie Du Deine Zeit genießen magst u. gut einteilest. Über das Geld mache Dir doch um Gottes Willen keine Sorgen; er muß bezahlen einmal vor alle. Und ob man 1 oder 200 Zechinen verlangt, wenns ans fordern geht, das ist jetzt eins; er kann u. wird Dir hierinnen nichts vorenthalten. Werners Krankheit kümmert mich jetzt mehr. Wenn Dir nur der unangenehme Zufall, die Unruhe hierüber, u. die Entbehrung mancher Bequemlichkeiten nicht selbst schadet! Gott erhöre unser Gebet, Du unser Vater! Du hast mich beruhigt, daß Du selbst auf Deine Gesundheit Acht gibst u. Sorge tragest. Sonderbar ists daß mir diese unangenehmen Begegnisse in Träumen vorgekommen sind! Ich will sie Dir erzählen. Vom 3 auf den 4. Oktob. träumte mir: ich sei oben in der Stube, in der Du zuletzt wohntest (wo Gleim war) mit den Kindern, hatte viel Arbeit mit ihnen, ich kämmte sie, auch war der Georgi mit dabei, nun sehe ich von weitem den Goethe kommen, ich eile mich, daß alles in Ordnung kommen soll, endlich tritt er herein u. fragt: wenn wird denn eure Wäsche fertig? (Wäsche bedeutet allemal etwas unangenehmes, Verdruß pp) ehe ich ihm noch antworte, so antwortet er selbst auf den Montag. Ich führte ihn hinüber in Deine Stube, da war eben gescheuert worden, alles stund untereinander u. es hatte hinein geregnet, das war mir unangenehm, u. ich erwachte. Ich legte den Traum so aus: daß Du vielleicht auf den Montag als den 6. Oktob. meinen Brief vom 22. Sept. erhalten wirst, der die Geldsorgen u. Dein Verhältnis mit Dalb. ins reine bringen wird. Vielleicht deutets den Tag da Werner wieder gesund wird. Denn meinen Br. vom 22. kannst Du erst d. 8. Okt. erhalten, nach dem ersten zu urteilen, der 18 Tage unterwegs blieb. Mein zweiter Traum war von Werner selbst mich dünkt, Anfangs voriger Woche vom 6-7- oder 8. Okt., er kam plötzlich die Treppe herauf; ich fragte: wo ist denn mein Mann? Er hat einen französischen Bedienten antwortete er; mir gef[iels] da nicht; ich werde zu Wieland ziehen. ich glaubte daß sie Dir den Bedienten abspenstig machen werden. Was Dir auch vorfallen mag, Du hast Hirt, Reifenstein, Moriz, Buri pp Sie werden Dir gewiß Freundschaft genug erzeigen; es freut mich unsäglich daß sie Dich so aufsuchen. Das war mein Wunsch; ich bitte Dich, behalte sie in der Woche etlichemal des Abends bei Dir. Wenn Du mit ihnen die großen Dinge siehst ist es mir ungleich wohler. Goethe sagte es schon zum voraus. Herd. wird Rom gewiß gut sehen. Den Kurs macht er freilich mit Dalb. (der nichts recht sehen wird) alsdenn sieht ers hernach mit Hirt u. den andern für sich allein u. genießts erst. Das sehe ich nun alles so kommen. Du fragst nach der Herzogin. In dem Brief vom 22. Aug. den ich noch nach Augsb. adressiert habe u. den Du nicht erhalten hast, habe ich ein freundliches u. gütiges Andenken von ihr gemeldet; ich bin den 19 oder 20. August bei ihr gewesen; u. seitdem hat sie mich nicht wieder zu sich rufen lassen, obgleich der Herzog solange nicht hier ist. Zur Kalbin hat sie indessen gar herzlich u. gut von uns Beiden gesprochen. Über die S. ist sie aufs höchste Deinetwegen aufgebracht. Den August fragt sie allemal nach Dir. [ . . . ] Goethe ist recht brav u. gut gegen mich u. Dich, ich sehe ihn gemeiniglich die Woche ein oder 2 mal, u. werde alles von ihm schreiben. Es ist nur schlimm daß er immer seinen Panzer anhat, manchmal blicke ich doch durch! [ . . . ]
Freitag Abend. Ich komme von der Gräfin Bernst[orff]. es war außer der Reck, die Kalbin, die Schardt u. der Schardt. Es war ein ungestörter guter Ton. [ . . . ]
Lebe tausendmal wohl liebster Engel; mache alles gut; ehre Dich selbst! man frug mich heute, ob Du den Kardinal Bernis gesprochen. Es wird bei ihm meist Französch gesprochen u. sein Umgang u. Haus sehr gelobt. Kaufe Dir doch schöne Kleider u. gehe in diese guten Häuser, ich bitte, bitte liebster Engel. Lebe tausendmal wohl Du edle Seele! Du zartes Gemüt. Ach wie mich Deine Lage jammert, davon schreibe ich Dir nichts. Suche doch ja die besten Kardinäle auf, die besten verständigsten Menschen. Abends geht ja die Gesellschaft an; da versäumst Du alsdenn nichts. Aber nur Kleider Kleider. Wenn die Manschetten nicht fein genug sind, so laß Dir feinere machen. Angelica oder Reifenstein werden Dir zu allem behilflich sein. Welch ein elendes Betragen von D. u. S., Reifenstein wieder abzusagen! Es war vortrefflich daß Du allein gingst u. wenn es 10 Scudi gekostet hätte. Wenn Goethe das hört! Nun sie wird noch manche dumme Intrique spielen, wo es möglich ist, lasse Dich nicht darein verwickeln liebes gutes Herz. Grüße Moriz, Buri u. Hirt, der Dir ein damastnes Zimmer verschafft hat! Lebe wohl Du einzig Guter! lebe tausend mal wohl. Der Geist der Alten schwebe um Dich, stärke Dich, erhebe Dich! u. unsre treue Liebe erquicke Dich wie die Deinige mich! Der liebe Gott sei bei Dir u. verlasse Dich nicht.
Deine treue C. H.
Weimar, d. 17 Oktob. 1788.
Liebster Vater
Ich freue mich herzlich, daß es Ihnen wohl gehet, und daß Sie gesund sind, denn nichts wünschen wir mehr. Holen sie sich dort Erquickung und Gesundheit, denn das macht uns alle glücklich. Es hat mich recht sehr geschmerzt, daß Werner krank ist, denn dadurch haben Sie manchen Abbruch gelitten; Gott wird auch diesem Übel bald abhelfen, so wie er alles, was uns betrübt und traurig macht zum Guten lenkt, das wir nachher erst einsehen.
Wir sind alle recht gesund wohl, und ich bekomme wieder einen Ausschlag am Kopf, der mich vollends recht gesund machen wird. – Ich träume jetzt alle Nächte von Ihnen, daß Sie angekommen wären, und des Tags vergeht keine Stunde, wo ich nicht an Sie, liebster Vater denke. Das Liedchen »wenn ich ein Vöglein wär pp« fällt mir immer ein.
In der Bibliothek wird stark gearbeitet. Wir stellen jetzt die Quartanten, das uns viel Mühe kostet, weil wir keinen Platz haben, wir müssen uns neue Bücherbretter machen lassen. Herr Schäfer grüßt Sie aufs schönste. Leben Sie wohl liebster, bester Vater, haben Sie uns lieb und kommen Sie bald wieder zu uns, denn wir sehnen uns sehr nach Ihnen. χαιρε, χαιρε, und denken Sie oft an Ihren
gehorsamsten u. Sie zärtlichst liebenden Sohn
Gottfried Herder.
[Weimar,] d. 17 Oktbr. 1788
Liebster Vater.
Ich habe mich recht sehr gefreut, über Ihren lieben Brief. Wenn ein Posttag ist, bleiben wir immer gar lange auf, u hoffen auf einen Brief, und des Abends, wenn wir gegessen haben, und noch an den Tisch sitzen; horchen wir immer, ob der Postknecht klingelt, u einen Brief bringt, u wenn er einen von Ihnen hat, u noch einen andren, so gibt er immer den andren zuerst, u Ihren zuletzt. – Den Dienstag bin ich mit dem Prinz wieder in Jena zur Weinlese gewesen bei den H. von Knebel, u haben eine Nacht da geschlafen, der H. Geheimrat v. Goethe u H. v. Wedel sind geritten. Den Dienstag Nachmittag sind wir auf dem Fuchsturm gewesen, u dem Mittwoch früh bei H. Hofrat Starke, u H. Major von Bentheim, u um halb 4 Uhr wieder nach Hause gefahren. Leben Sie tausendmal wohl, u behalten Sie lieb Ihren
gehorsamen Sohn August Herder.
[Weimar,] den 17ten Oktob. 1788
Liebster Vater.
Ich freue mich daß Sie so glücklich nach Rom sind angekommen, sehr lange habe ich Ihnen nicht geschrieben. Ich gehe alle Tage von 9. bis 11. Uhr in die Zeigenstunde. Ich habe diese Ausstellung ein Bild mit der Feder und Tusche gemalt ud werde auch noch ein Bild mit farben malen. Wir sehen alle mal auf der Landkarte nach, wenn ein Brief von Ihnen kommt. In Grieschen lerne ich die deklinationen. Leben Sie tausendmal wohl liebster Vater und behalten Sie Lieb Ihren
gehorsamen Sohn Wilhelm Herder.
1788
Weimar, 17. 10. 1788 [?]
Lieber Vater
Wie sie in den Brief geschrieben haben, daß sie in Rom wären, ich habe mich recht sehr gefreut, daß sie ein Loschie haben. Das Seil das ist runter gemach weil die Kälte daß Seil sehr Straff macht denn wir befürchten sonst das daß Seil reißen wird. Griesen sie den Werner sehr ich habe mich nicht gefreut daß der Werner Krank war. Wir wollen wünschen wenn sie wieder kommen werden nur alle beide gesund wieder. Ich habe in der Ausstellung ein Bild gemalt, sie werden sich recht freuen, wenn sie uns so schön zeigenen sehen. Leben sie wohl lieber Vater
Ihr getreuer Sohn, Adelbert Herder.
Rom den 17 Oktober 1788.
[ . . . ] Der gute Herr Herder kann sich noch nicht recht in die hiesige Lebensart finden; die Ursache ist sein Bedienter; wenn der wieder hergestellt sein wird und [Herder] seine gehörige Aufwartung hat, so wird es schon gut gehen. Er geht täglich mit Herrn von Dalberg was zu sehen; es scheint als wenn er Hirten nicht mehr leiden könne; des Moritz seine Abreise tut ihm sehr leid; ich tue soviel ich kann, ihm dienlich zu sein [ . . . ].
Rom den 18 Oktober 1788.
Ich kann Ihnen die Nachricht geben, lieber Herr Geheimrat, daß Ihr Wunsch Moritzen wieder in Berlin zu wissen, nun bald erfüllt sein wird. [ . . . ]
Er hat noch wenigstens das nötigste von der Perspektive gelernt, und das Vergnügen gehabt, obgleich nur kurze Zeit sich täglich mit dem Herrn Herder zu unterhalten. Mit welcher Devotion werden ihn die Kinder sehn denen er so neue Nachrichten von dem lieben Vater mündlich bringen kann. Von dem Herrn Herder soll ich Ihnen viele Grüße schicken weil er heute nicht selbst schreiben wird. Sein Aufenthalt in Rom macht mir große Freude, und wird ihm selbst auch nunmehro hoffe ich so angenehm sein als Rom sein muß; denn im Anfange war es das nicht < . . . >.
Einen Abend gingen wir spazieren, in der Gegend des Capitol, und da das Wetter schön, die Beleuchtung vortrefflich war entschlossen wir kurz, und hinauf auf den Turm des Capitols. Moritz war da, und legte Herdern das alte Rom vor, den viminalischen, den esquilinischen und Palatinischen Berg den Janiculus und wie sie alle heißen. Die Sonne tat das ihrige, die Gegenstände wurden immer goldener und goldner, ich habe Rom niemals so schön gesehn, und Herder mußte sagen er habe nicht geglaubt daß es so schön sei.
Es heißt wir sehn Sie vielleicht bald wieder hier, ich brauche Ihnen nicht zu sagen wie sehr ich mich darauf freue, wenn es wahr wird.
Ganz Ihr Rehberg.
Rom, 19. 10. 1788
Hier kommt Moritz. Nimm ihn auf, wie Du irgend einen guten Menschen aufnehmen kannst, u. laß Dir u. den Kindern von mir erzählen. Ich habe ihn sehr lieb gewonnen, u. sehr ungern verloren. Er bringt dem Luischen einen Fächer mit: den Buben will ich selbst mitbringen, wenn ich komme, vor der Hand teile die Bilder unter sie aus, die mir so zugeflogen u. geschenkt sind; es ist grade gut für die Kinder. Für Dich kommt ein Italienisches Volksliedchen, das mir sehr wohl gefällt; lasse es Dir übersetzen, ich wills auch; die Melodie ist gar rührend. Den Kindern laß Moritz viel von Rom erzählen, insonderheit vom alten Rom, wo wir hie u. da mit einander gewesen sind; er kann das vortrefflich. Nun lebe wohl, liebe; wenn ich selbst zu Euch komme, o der vergnügten Stunde!
H.
Rom den 19. Okt. gerade einen Monat, seit ich hier bin.
Laß den Kleinen was Süßes holen, als ob ichs ihnen von Rom geschickt hätte, damit sie Zutrauen zu Moritz gewinnen. Er ist eine gar zu gute Seele. Nochmals lebe wohl, liebstes Leben. Wenn Du dies liesest, siehet er Euch alle, u. ist bei Euch; ich bin so weit entfernet.
W[eimar,] den 20. Oktob. 1788.
(heute vor 12 Jahren hastu Deine Anzugs Predigt getan)
Ich habe zwar diesen Posttag keinen Brief von Dir erhalten lieber Engel, das ich auch vermutete; teils Werners Krankheit – vorzüglich aber Deiner Stimmung wegen – indes muß ich doch noch diesen Abend einige Worte an Dich schreiben Du sehr Geplagter; ich bin mit meinen Gedanken nur immer um Dich. Gott gebe daß nur Dein Verhältnis mit D. einigermaßen gut bleibt. Die S. fängts doch auch gar zu toll an. Reifensteins wieder abzuschlagen (der so manche Gefälligkeit erweisen kann) heimlich zur Angelica zu fahren u. s. w. Goethe ist diesen Augenbl[ick] bei mir gewesen. Er findet es eben so unverständig als ich. Er glaubt daß sie aus Knickerei nicht nach Frascati gefahren sind. Es freute ihn daß Du hingefahren bist. Er will nur sehen wie die Römer, die so beißende Zungen haben, den ganzen unverschämten u. ungewöhnlichen Auftritt ansehen u. bereden werden. Einem reichen Mylord ist von Seiten der Päpstl. Polizei an die Hand gegeben seine Maitresse wegzuschaffen, weil es nicht Sitte in Rom sei. Gegen den Bruder des künftigen Churfürsten, werden sie freilich schonender sein – aber Goethe glaubt doch, daß man sies wird empfinden lassen.
Einmal erscheint sie doch als D. Maitresse, der ganze Zuschnitt ihrer Einrichtung zeigts deutlich genug. Eine ehrliche Frau treibts nicht so.
Eine reiche schlesische adel. Frau mit ihrem Mann haben nur wenige Zimmer zusammen gehabt, wofür sie monatl. vielleicht nur 10 Zechinen gegeben haben, u. haben doch ein sehr gutes Haus ausgemacht, wie mir Goethe erzählte.
Ich hoffte noch immer daß sie sich zur Herzogin schlagen wird – er meint: sie wird eine größere Rolle zu spielen suchen, als die Herz.
Er bedauert Dich unsäglich: doch glaubt er gewiß daß es nach u. nach besser gehn wird. Das fatalste ist freilich daß Du Dich nicht von Dalb. losmachen kannst. Sei doch auch gegen die Herz. artig u. gut. Sie soll auf der Reise bisher unsäglich gut gewesen sein, ich wollte daß die S. mit dem Grave einen Roman anfinge u. dem D. doch einmal die Augen aufgingen u. er sie in ein benachbartes Bad schickte.
Ihre Aufführung ist unverschämt, unverschämt. An Hof u. in der Stadt spricht man: daß sie mit Ehren nicht mehr zurück nach Deutschl. kommen könnte. – Die Angelica wird ihre Pfiffe schon durchschauen. Goethe hat der Angelica ihren Namen nicht genannt, auch Dalbergs nicht. Dich hat er ihr aber sehr empfohlen. Auch die Herzogin Mutter, mit dem Zusatz: ihr eigner Verstand wird das Gute an ihnen am besten selbst beurteilen.
[ . . . ]
Liebster Engel, richte nur in Zeiten alles so ein, daß Du nicht die Rückreise mit ihnen tust, sonst ist Deine ganze Reise verdorben. Auf der Rückreise hoffe ich noch das meiste Gute für Dich. Und solltest Du auch später abreisen als sie; desto besser. Wo Du Dich mit Ehren von ihr losmachen kannst, desto besser; verlasse hingegen Dalb. nicht [wo] es immer sein kann. Goethe u. ich werden [nicht aufhören] davon zu reden. Wie es so schön, so honorabel selbst für D. gewesen wäre, wenn er in Deiner Gesellschaft allein in Rom angekommen wäre u. lebte. Jetzt ist alles abscheulich. Gibt es denn nicht eine Gelegenheit daß Dus ihm deutlich machen kannst? er verdient es doch.
Nach Frascati u. aufs Land werdet Ihr gefahren sein. Das war das erste was Euch Goethe angeraten. Doch was hilft das Leben genießen wenn man inwendig Verdruß hat.
Der liebe Gott sei mit Dir, Du armer Guter! Ich bin glücklicher hier mit den Kindern in der Armut, als Du im Reichtum. Die Zeit aber wird auch aus dieser Lage was Gutes bringen. Die Kinder grüßen Dich viel tausendmal, wir singen oft zusammen: Befiehl du deiner Wege p Wilhelm zeichnet gar sehr brav. Gottfried ist gesund u. gut wie immer. August ist munter, sein guter Humor verläßt ihn nicht; u Adelb. u. Wilh. sind treue Seelen. Luisgen ist still um mich herum [u.] liest gern, nur die weibl. Arbeiten wollen ihr nicht ein. Emil ist herzig, immer singend u. hüpfend. Könnt' ich sie Dir einmal hinzaubern! Du treuer Vater, Du einzig gutes Herz! Die Stunden u. Tage werden aber e[ilen,] o genieße, genieße! Der Herz. Mutt. empfehle mich. Ich wünsche ihr zu Rom Glück, auch den Andern. Grüße auch Dalberg von mir. Lebe wohl, lebe tausendmal wohl bester.
Die Preußen ziehen einen Cordon gegen die Dänen. Des Herzogs Regiment ist aber nicht dabei. Er ist noch nicht hier, wird immer von einer Woche zur andern erwartet. Vor Dresden hat er wieder einen so heftigen Sturz getan als voriges Jahr vor Berlin. Er hatte das Pferd den ganzen Tag geritten es war endlich müde, er wollte es nach Hause forcieren u. es überschlug sich wieder mit ihm. Goethe hat mirs selbst erzählt. Neues geht gar nicht bei uns vor.
Adieu Adieu.
Vorgestern traumte ich, Du warst wieder bei mir so herzlich gut pp
Gott gebe daß Du mich gesund wieder findest. Die S. hat mir aber viel graue Haare gemacht. Doch bin ich gesund u. wohl. Gott wird uns ja behüten, um Deinetwillen.
Grüße den armen Werner – daß er sich doch nach der Krankheit ja pflegt. Was Dich diese Krankh. peinigt. Gott behüte Dich.
Rom, den 22. Okt. [1788].
Mit großer Freude, liebe Seele, empfing ich gestern Deinen süßen Brief auf den Meinigen aus Ankona. Du hast in Allem recht was Du schreibest, daß wir zu schnell u. gleichsam hundsföttisch gereiset sind; aber wer hat dies mehr empfunden, als ich? u. noch war selbst die Schnelligkeit dieser Reise, so unsinnig sie sein mochte, Wohltat. Gnug, das Blatt, ein finsteres Blatt ist überschlagen; nichts mehr hievon. Und am Ende habe ich nichts als Bologna verloren, das wir uns denn weislich auf unsre Rückreise sparten. Durch Bologna muß ich auf alle Weise durchkommen, auch wenn ich allein reise; u. das letzte ist um so besser.
Auch hier ist unser Kurs halb in der Mitte geendiget, mit Hirt nämlich. Die Museen, Villen, Gebäude, Ruinen sind so ziemlich durch; so daß mir eigentlich nur die Villa Pamfili u. Mattei noch fehlet. An das was in den Palästen ist, u. an die Gemälde sind wir noch gar nicht gekommen, u. das kann wunderbar scheinen, ob es gleich sehr natürlich ist. Den halben Kurs hielt uns die gn[ädige] Fr[au] so unendlich auf, daß viele Stunden Vormittags verloren gingen u. Nachmittage ist nie was getan worden. Teils war Hirt im Anfange so unerträglich weitläuftig; die 2te Hälfte vom Kurs waren wir Männer meistens allein, da gings schneller. Dalberg war aber müde, die Frau trieb ihn auch vor der Hand zu endigen; ich selbst wünschte es, weil ich überfüllt war, u. nach solchen ermüdenden Zerstreuungen notwendig eine Einkehr bedarf; also ist er vor der Hand abgelohnt, u. der Kurs wird schwerlich mehr fortgesetzt werden, aus dem auch nichts herauskommt. Jetzt hole ich für mich nach, wiederhole, u. sehe mit Hirt weiter; es sei denn, daß dem Dalb. aufs neue die Lust ankommt. Ich habe diesen Monat zu viel gesehen, u. muß notwendig ausruhn u. ordnen.
Werner hat mich heut zum erstenmal wieder frisiert (rasieren kann er bei weitem noch nicht;) worüber er sich sehr freuet. Ich auch. Er ist wie ein Kind, das gehen lernet; ich danke dem Himmel indessen, daß er soweit ist. Seine Krankheit hat mich viel gekostet; u. was Unbequemlichkeit betrifft, läßt sich fast keine mehr denken, als ich den Monat genossen habe. Gottlob, auch das ist vorüber.
Wegen meiner Kleidung sei unbesorgt. Mein schwarzes Kleid von unaufgeschnittnem Samt ist fertig u. läßt sehr edel; es ist leicht, u. hier um ein Dritteil wohlfeiler gewesen, als Einsiedel das Seinige in Deutschland gekauft hat. Ein Frack nach hiesiger Mode wird jetzt auch gemacht, u. so werde ich allmählich ein Römer werden. Meinen Überrock habe ich dem ächzenden, frierenden, armen Werner gegeben; er wird eben auf seinen Leib geändert, u. ich lasse mir, sobald der Frack fertig ist, einen neuen machen. Schuhe habe ich mir hier schon auch machen lassen; der Hut ist aufgestutzt; also bin ich, wenn ich Schnallen u. einen Chapeaubas habe, für den Besuch fertig. Zum Kurs u. den bisherigen Besuchen ist alles, was ich hatte, gleich gut gewesen; u. auf der Straße ists gar einerlei, wie der Forestiere erscheinet. Er könnte mit einem schwarzen u. einem weißen Strumpf gehen; gnug, er ist ein Forestiere. Diese Leute stehen hier unter keiner Obrigkeit, u. niemand bekümmert sich um sie. Indessen wird mir recht lieb sein, wenn ich einmal in der Wolle bin; alles was ich mir anschaffe, kann ich auch dort tragen.
Daß ich zu weltlich erscheine, dafür fürchte Dich auch nicht. Bisher im Kurs bin ich mit einem Zopf u. meistens mit grauseidnen Strümpfen gefahren; in Gesellschaft u. sonst werde ich immer erscheinen, wie es sich für mich schickt, da jeder meinen Stand weiß. Der Herzogin bin ich immer noch zu geistlich.
Von meinem Br. an Dalb. habe ich Dir neulich geschrieben. Er hat mir vor einigen Tagen 50. Zechinen in Papiergelde geschickt; damit bin ich nun auf eine Zeit versorgt, u. das Weitere wird sich finden. Sei also ruhig, u. glaube mir, daß ich Alles so gut u. glimpflich einrichten werde, Dir u. Mir u. Ihm unbeschadet, als es sich einrichten läßt. Er ist ein äußerstguter, bonhomischer Mensch, aber etwas bänglich in der Ausgabe; u. jetzt kann ers sein, da ihm das Etablissement mit der Frauen so viel Geld kostet. O wie gut wäre mit dem guten Menschen zu leben! Jetzt ist einmal die Blüte unsres Plans hin, welches Er sowohl, als ich, fühlet. Was ist aber zu tun? Die Frau ist hier, ohne Interesse, isoliert, ohne Sprache; er muß seine Last mit ihr tragen. Die Eitelkeit aber vergeht dem Köpfchen nicht; es scheint vielmehr, daß sie sich auf diese geliebte Weiberneigung mehr u. mehr konzentriere. Wie alles ausgehen wird, mögen die Götter wissen, ich weiß es nicht. Gnug, wenn ich meine Haut u. Exsistenz rette. Daß ich allein zurückgehen werde, habe ich D. auch geschrieben u. die Reise 600. Tl. angeschlagen; er hat aber in seiner Antwort den Punkt nicht berühret. Ich will u. muß alles vergessen, wenn ich mich selbst wiederfinden will, u. zusehen, wie ich von jetzt an meine Zeit nützlich einteile, u. sammle; der Genuß, der einzige den Rom geben kann, liegt bloß darin. Denn sonst ist der Ort für mich gar nicht; mit Seel' u. Magen geht man drin zu Grunde.
Gesund bin ich Gottlob! u. der Rheumatism ist alles, was ich bei jedem Übergang der Witterung leide. Nur mein Magen taugt nichts; er kann sich noch nicht Italienisch fügen, u. selbst der Wein ist für mich ohne Reize. Ich muß ihn bloß trinken, wie ich das Essen esse, damit ich lebe.
Moritz ist ehegestern weggereist; ich habe ihm ein Italienisch Liedchen mit gegeben, das mir sehr wohl gefallen hat, auch wegen des Inhalts, der schönen Melodie zu geschweigen. Deshalb habe ichs für Dich übersetzt; aber nur für Dich; andern gib den Italienischen Text, den Dir M[oritz] übersetzen wird, oder höchstens nur die 2. ersten Strophen; nächstens von ihm ein Mehreres.
Lebe wohl, liebe beste, an die Kinder schreibe ich heut nicht, da Werners Br. schon so dick ist; es ist sein erster Versuch u. ich habe ihm die Freude sehr gegönnet. Nächstens schreibe ich ihnen nach der Reihe von den Merkwürdigkeiten Roms, sie werden sich freuen, u. Moriz oder Göthe kanns ihnen weiter erklären. Küsse sie alle in meinem Namen, lebt wohl Ihr lieben, Weib u. Kinder, ihr seid mein siebenfach Herz.
Von der Herz. schreibst Du mir ja gar nichts. Bist Du nie bei ihr gewesen. Ich werde sobald schreiben, als ich nur was zu schreiben weiß. Dank für alles Übersandte, u. nochmals mein innigstes Lebewohl.
Weimar den 24. Okt. 1788.
Ich habe mit Schmerzen auf Deinen nächsten Brief gehofft Du gutes Herz, aber die große [Pein] für den armen Werner, habe ich mir nicht vorgestellt. Gottlob daß sie in diesem Augenblick vorüber ist! Ach wie bedaure ich Dich. Was wirst Du dabei gelitten haben. Gott erbarme sich doch nur über uns, daß Du nicht krank wirst! Schone, ach schone Dich, Du armer Geplagter. Ich darf mir Deinen Zustand nicht lebendig vorstellen; so schmerzlich weh wirds mir. Vorgestern Abend, ehe ich ins Bett ging, u. mein Gemüt voll Wehmut an Dich dachte, sah ich gen Himmel über unsern Garten, er war wie in zwei Teile geteilt, die untere Hälfte war ganz dunkel, u. am Rand des Dunkels standen 4 glänzende große Sterne u. der obere Teil des Himmel war helle. ich ging recht getröstet zu Bette. Heute früh schickte mir Goethe mit inliegendem Billet, einen Brief von der Herzogin Mutter an ihn. sie sagte darinnen, daß sie recht glücklich durch Deine Gegenwart sei, u. durch Deinen Geist sähe u. genieße.« Das Alles u. was Du von ihr geschrieben, hat mich recht gestärkt u. erfreut. Sie ist Dir mit ihrem Arzt wie ein Engel erschienen; u. ich sehe daß sie mit der S. nicht Partie gemacht hat, wie ich vermutet habe. Dies ist unsäglich gut; u. Dein Umgang mit ihr, wird Euch beiden gegenseitig wohltun. Wo man nichts hofft, da wirds oft am besten. Ich kann Dir nicht sagen, wie leicht u. wohl der Gedanke mir macht, daß Du gut mit ihr bist. Ich nehme also das zurück, was ich in einem meiner letzten Briefe geschrieben daß Du Dich nicht viel zu ihnen gesellen mögest; ich dachte, sie würden eine verabredete Cotterie zusammen ausmachen. Ich wünsche sehnlich daß ich in einem Deiner Briefe bald lesen möge daß Du ein schwarzes schönes Tuchkleid u. dann wieder ein schönes Violettkleid wie es einem Bischof geziemt gekauft hast, u. in allem wohl u. vornehm ausstaffiert bist. Angelica u. Reifensteins werden Dir ehrlich u. treu raten; nur in nichts die S. gefragt, ich nehme alles zurück, was in den Briefen die nach Florenz waren, irgend Vorteilhaftes für sie steht. Vorgestern war ich endlich einmal wieder bei der reg. Herzogin. Sie läßt Dir sehr viel Gutes sagen u. hat mir ihren Unwillen über die S. vornehmlich Deinetwegen geäußert. Was ich Dir schon vom Coadiutor geschrieben habe, hat sie mir alles wiederholt. Er hatte sich über die buckeliche Reisegesellschaft fast zu tode lachen wollen. Er selbst hat auch nicht eher ein Wort davon gewußt, bis alles mit der S. richtig war. Ferner sagte die H[erzogin] daß der Senator, den sie voriges Jahr gesprochen hat, Deine Bekanntschaft sehr wünscht; Du möchtest ihn doch ja aufsuchen; sie freut sich daß Du allein wohnst u. hofft auch mit mir, daß Du die besten Gesellschaften aufsuchen wirst. Darum bitte ich Dich recht sehr, sehr, Lieber Engel, um aller Ursachen willen, die nah u. fern sind. Da Du Dich mit den Künstlern, wie Goethe selbst sagt, in das Detail, ihre Mühe, u. Arbeit nicht einlassest, so hast Du mit ihnen auch den Genuß nicht, den er hatte. Ob Du mit dem gutherzigen Bury umgehen kannst, zweifelt er, das Gemüt (nämlich des Buri gutes Gemüt) kann ja nicht sprechen, sagte er.
Gestern war die Schardtin bei mir u. diesen Augenblick war die Stein eine Viertelstunde bei mir. Sie freute sich von Dir zu hören u. grüßt Dich bestens. Gegen mich war sie trocken u. kalt. Endlich sagte sie mir daß die Kalbin ihr gesagt: daß ich recht liebenswürdig geworden wäre, ich spräche seit Deiner Abwesenheit mehr u. wäre gar artig; ich hätte aus Bescheidenheit nur immer den Mann reden lassen pp Der Ton oder die Art u. Gelegenheit wie sies sagte, fiel mir auf. In ihrem Herzen wird sies wohl dem Umgang mit Goethe zuschreiben, den ich alle Woche einmal sehe. Die Zusammenkünfte mit ihr u. Goethe werden mir also diesen Winter nicht erbaulich werden u. es werden ihrer wenig sein. Sobald man Eifersucht erregt, so ist man in allem schuldig. Gottlob daß ich über die gute edle Frankenb., diesen Satan nicht im Herzen habe. Sie ist ein Engel. Die wenigen Worte, die wir uns schreiben, haben unsre Herzen so rein u. gut zusammen gebracht, daß ich innig gern an sie schreibe. Sie hat eine goldene Treue u. Liebe. Ihre Krankheit rührte gewiß von Deinem Abschied u. Ausbleiben eines Briefs her, auf den sie vermutlich von Dir hoffte. Wenn wir diese Frau hier haben könnten, das wäre ein Schatz unsres Lebens. Von Günther hörte ich, daß man hier spräche, der Geh.R. Lynker käme an die Regierung u. Du würdest Geheimerat beim OberKonsistorium. Ich achte nun auf kein Gerede; kommt Zeit, kommt Rat. Wir wollen klug werden u. unsre eigne Exsistenz bauen. Die Schardt sagte: es wird Herder gewiß wieder wohlgefallen hier; es ist doch gut hier u. wird für Herder gewiß immer besser. Der Lynker wird nicht mehr lange leben er hat matte Augen u. eine matte Stimme. Der Minister Bernstorf hat an meine Tante geschrieben: an Cramers Stelle wünsche ich niemand anders als Herder, da er aber kein eingeborner ist, so gehts nicht, ich antwortete: ich zweifle ob er die Stelle nach seiner Reise nach Rom annehmen würde. Die Gedanken der Menschen ändern sich durch Umstände gar oft. Sie grüßt Dich. Die Kalbin auch. Noch eins muß ich nicht vergessen. Die Herzogin hat mir auch gesagt, daß sie vielleicht guter Hoffnung ist; sie hats erlaubt daß ich Dirs schreiben darf. Ich fand sie aber im Ganzen nicht heiter. Sie hat üble Träume. Auch hat sie einige unmutige Worte über die Gores ausgestossen. Der Herzog ist den 10. Okt. mit ihnen von Leipzig nach Dessau gezogen, der König ist den 22. dahin gekommen, jetzt erwartet man endlich den Herzog auf den Sonntag. Wenn [es] sich bestätigt so ist die Herzogin im 4ten Monat schwanger.
Der Monsignor Porgia gefällt mir unendlich, ich habe ihn recht lieb daß er Dich aufgesucht hat. Spreche nur der liebe Vater recht viel Italienisch. Der Wilhelm fragt mich, ob es denn so schwer ist? Indessen ists köstlich daß Du mit dem lateinischen so durch kommst. Es ist ja auch die alte Muttersprache Roms. Mit meiner ganzen Seele bin ich bei Dir unter den alten Trümmern der alten Beherrscherin! Wer hätte das geahndet, da Du über die Römer schriebst? O wie werde ich auf Deine süßen Worte hören, wenn Du mir erzählen wirst, Du Allerliebster Guter. Gott erquicke Dich jetzt. Gott gebe Dir Freude, für die viele Plage. Die Henriette ist plötzlich auch krank geworden; sie hat am Dienstag ersticken wollen u. mußte eiligst zur Aderlassen. Jetzt ist sie wieder wohl, ich ließ sie aber nach Hause gehn, daß sie sich diesen Winter recht abwarten kann u. gebe ihr wöchentlich einen halben Taler Kostgeld.
Gottfr. hat heute eine latein. Rede dem H. Schäfer gehalten. Alle herzen u. küssen Dich, Deine gutherzigen Kinder. Ich habe mitunter manchen Pein von ihnen auszuhalten, sie haben aber meist recht u. meine Ungeduld unrecht. Lebe wohl bestes Herz. Werner wird doch jetzt völlig hergestellt sein! Grüße ihn von mir herzlich, er soll sich doch ja pflegen. Vor 3 Wochen war seine Mutter da u. frug ängstlich nach ihm; sie habe so ängstliche Träume von ihm. es ist sonderbar! Lebe wohl unser Vater unser Alles auf der Welt.
[Weimar,] den 24 ten Oktbr. 1788
Liebster Vater
Ich freue mich, daß Sie so viele schöne Dinge gesehen, und noch immer sehen werden. Meine Mutter hat mir versprochen, daß Rom meine Universität wäre, denn Sie sagte, nur in Rohm könnten große Maler gebildet werden. Dann werde ich auch alle diese schönen Sachen sehen, die Sie sehen, auch sehen, und ich freue mich schon darauf. Wenn Sie wiederkommen werde ich schon ein kleiner Maler sein. Leben Sie wohl und haben Sie lieb
Ihren gehorsamen Sohn Wilhelm Herder.
Weimar, 24. 10. 1788 [?]
Liebster Vater
ich habe Ihnen recht lange nicht geschrieben. Ich freie mich recht daß Sie gesund sind, ich habe Zahnweh u einen geschwollenen Backen Kommen Sie bald denn wir sehnen uns nach Sie Jetzt sitzen wir des Abens beisammen, die Mutter hat uns ein Spiel gelernt bekommt ein geder ein Blättchen darauf wird ein Wort geschrieben. Rose oder schaf oder ein andres u da muß man eine Beschreiwun davon magen das Spiel gefällt mir recht u Emil spieltes auch mit. Ich lerne Jetzt das Lied Sollt ich meinen Gott nicht singen. Leben Sie wohl liebster Vater ich habe Sie recht lieb. Ihre gehorsamen Luise
Herder.
Rom d 25ten 8ber 88
[ . . . ] Einen gar lieben und lehrreichen Gesellschafter haben wir an den Hofrat Reifenstein der fast täglich mit uns ist. Herder, die Seckendorf u. Dalberg halten sich auch fleißig zu uns, u. es vergehen wenig Abende, wo sich nicht diese kleine Gesellschaft, Mad. Angelica u. ihr Mann, mit eingeschlossen, bei uns um den Tee Tisch versammelt. [ . . . ]
W[eimar,] den 27. Okt. 1788.
Liebster Engel. Ich will Dir nicht sagen, wie mir Dein Brief vom 11. Oktob. das Herz zerschnitten hat. Laß uns nicht davon reden. Du bist in der Hölle. Das fühle ich sattsam u. schmerzlich genug. Du hast aus meinen vorigen Briefen gesehen, wie ich gleiches Gefühl hierüber mit Dir habe, u. wie bereitwillig ich war, Dir Geld zu schicken. Ich weiß, wie es mir in der ersten halben Stunde war, als mir Goethe den Rat gab. Ich sah freilich die verfluchte Verbindlichkeit von D. ein, u. seine Niedrigkeit, Dich so sitzen zu lassen. Im Ganzen, wollen wir der Sache nicht auf den Grund gehen – das Weib ist vielleicht das Triebrad zu allem gewesen, aber peinigen soll sie Dich nicht länger. Ach wenn Dir Deine Ehre u. Dein Leben noch lieb ist, so erbarme Dich über mich u. die Kinder u. trenne Dich augenblicklich von ihrem Tisch u. Kurs. Bei dem ersten, schütze Deine Gesundheit vor, u. bei dem zweiten die Kürze Deiner Zeit. Ich schwöre Dir hiermit, daß es Dir an Geld nicht fehlen soll. Den nächsten Posttag, sollst Du einen Wechsel von 100 Dukaten haben. An Weihnachten sollst Du haben, soviel Du verlangst u. an Ostern desgleichen. Aber Eine Bitte lieber Engel, die erfülle mir, wenn Du einige Liebe für mich hast! arbeite nicht, in diesem entsetzlichen Gemüts Zustand, in dem Du in diesen 12 Jahren hier nicht gewesen bist. Arbeite nicht! suche zuerst Dein Gemüt zu beruhigen, u. das Andenken des erlittenen auszutilgen. Ach wodurch kann ich Dich bitten als durch meine heißen bittern Tränen u. daß ich Dir Deine Kinder vorführe, die die Schlachtopfer des Schicksals werden, wenn Du ihnen entrissen wirst. O wie hoffte ich, daß Dein Leben durch diese Reise gefristet werde, u. sie ist bisher zu Gift geworden. O Du Gott, erfülle die Weissagung des armen Ignatius! Ja lieber Engel, sie wird erfüllt werden, das hat mir mein Herz in dem Augenblick gesagt.
Mehr als einmal habe ich in den vorigen Wochen aufgeschlagen Zuletzt meine Brüder seid stark in dem Herrn pp u. mehr dergl. ähnliche Zurufe, u. gar oft diesen: Siehe es hat überwunden der Löwe pp. Ich darf mirs nicht denken, daß Du solange in der entsetzlichen Gemütsverfassung gewesen bist, u. vielleicht bis zu diesem Brief sein wirst. O verzeihe mir, u. verzeihe mir Gott, daß ich mich so übel an Dir versündigt habe. Ja Du wirst es mir verzeihen Du edles Gemüt, antworte mir gleich auf diesen Brief u. sage mir daß Du von ihnen bist. Darinnen bestehet jetzt meine einzige Ruhe u. Gesundheit. Wie ich mich hier schon über Goethes Rat wegen den Kleidern immer geärgert hatte, das habe ich Dir nie gesagt. Ich hoffe Du hast jetzt ein schwarzes u. ein violettes Kleid. Vielleicht wäre Dein schwarzes im packen verdorben worden, da Dein Coffre so klein war u. da es nicht nach Deinem Gefallen gemacht war, so laß das auch fallen. Schwarze Kleider brauchst Du ja immer, u. so hast Du auch eines das in Rom gemacht ist. Ich habe wohl immer gute Gedanken das weiß ich, weil sie aber nicht zugleich das Gepräge von Verstand haben, so werden sie verw[orfen]; u. ich habe nicht Zutrauen genug auf mich, auch nicht Verstand, mich hierüber zu explizieren. O liebster Engel, wie innig fühle ich, daß Du auch durch mich leidest. Gott helfe mir. Hier sind einsweilen 3 feine breite chapeaux an Deine feinsten Hemder, den nächsten Posttag kommen noch 3. Du hast 6 feine neue Hemden mit, an diese soll Werner diese 6 Chapeaux nähen lassen, u. diese Hemden tust Du allein in die Gesellschaft an. Verzeihe auch diese Kleinigkeit. Man trägt breitere Chapeaux als Du mit hast, worüber mir aber weder Fr. von Stein noch Schardt die ich darüber befragt hatte, gründliche Nachricht gab; bis ich selbst überall meine Augen auftat. Du mußt, Du mußt in gute Gesellschaften gehn; sie sind für Dich jetzt notwendiger als Arbeit. Ach, spare doch diesen Artikel hier zu Deiner Gesellschaft, ja zu der notwendigen Exsistenz Deiner Seelen, auf. Goethe beklagte es schon einige mal, daß er in Rom gearbeitet hätte; er wolle es nie wieder tun. – Die gute Fr. von Frankenberg schrieb mir heute, daß Du im Frühjahr schon wieder gedächtest in Deutschl. zu sein. u. frug mich ob ich etwas näheres hierüber wisse. Ich hoffe nicht liebster Engel, daß Du Deine Rückkehr nun noch gar übereilen wirst. Nein das tust Du nicht. Ich sagte allen, die nach Deiner Rückkunft frugen, daß Du Ende Juni wieder kommen würdest. Lasse Dich auch nicht durch die Niederkunft der Herz. übereilen. Was tut es, ob Du einmal dabei bist oder nicht; u. überdem weiß man ja nie wie es geht. Ob das Kind lebt oder nicht. Darf ich Dir meine gutherzige Meinung sagen, so gehe 6 Wochen vor Ostern nach Neapel, vor dem Palmsonnt. wieder nach Rom; alsdenn nehme den Mai u. Junius zu Deiner Rückreise, u. gehst über Florenz, Bologna, Ferrara nach Venedig u. über Padua, Vicenz u. Verona zurück. Goethe sagte, man könne Mailand entbehren; Venedig u. die Städte dahin, seien ungleich merkwürdiger. O welch eine andre Reise, wird die Rückreise sein.
Liebster Engel, wirst Du denn auch meine Bitte erfüllen u. Dich von Ihnen augenblicks trennen? u. Deiner Ehre u. Würde gemäß leben? Ja das wirst Du; u. Du wirst dadurch überall gewinnen! O warum hastu mir nicht über alles längst ernstlicher gesprochen. Gehst Du darum nach Rom, um Dich zu ärgern u. Gnadenbrot zu fressen, aus einer Hand die man nicht liebt noch ehrt. Ich hoffe daß Du Dich getrennt hast ehe dieser Brief kommt!
Da ich heute früh voller Gedanken noch im Bette liege, sagt Emilchen der Mensch denkt, Gott lenkt. Das war eine himmlische Stimme, u. ich stand getrost auf; wie Du, aus des Ignatius Kap[elle.] Die Kritischen Wälder habe ich diesen Morgen sogleich mit der fahrenden Post die eben abging, unter Deiner Adr. abgesandt. Ich habe das zweite Stück dazu gepackt, weil es dabei lag. Das 3. hat Günther. Aber nochmals bitte ich Dich, nicht zu arbeiten! O verzeihe mir alle die Briefe, die ich bisher über den fatalen Artikel des Geldes geschrieben habe. Rette Deine Exsistenz, ich bitte was ich bitten kann.
Des armen Werners Zustand geht mir innig nah. ich darf dabei nicht an Dich gedenken. Grüße ihn tausendmal von uns. lasse ihm nahrhaftige Speisen geben. Wenn nur die Herzogin Mutter aus ihrer Küche etwas für ihn verabfolgte. Empfiehl mich ihr untertänigst. Allem Anschein nach wird sie Dir u. Du ihr wohl tun. Wenn ich Dich nur in den Kleidern wüßte! Dieser Artikel wird Dir gewiß eine bessere Exsistenz geben. Ich habe Deinen Brief aber u. abermals gelesen; bei dem Schmerz den er mir immer macht, fühle ich doch durch, daß Du meinen Brief nicht verstanden hast, oder ich mich undeutlich erklärt habe. Meine Idee war eigentlich die daß Du Dich gleich von ihnen trennen sollst, aber D. müsse Dir Geld lehnen, solange bis wirs ihm mit Muße abtragen können – ich erinnre mich geschrieben zu haben, es sei besser sein Schuldner zu sein, als bei jemand hier. Du solltest durchaus nicht in Kleinigkeiten als Logis u. Essen von ihm abhangen, als ob Du sein Untergebener seist, nein, meine ganze Idee ging dahin: Du solltest ihm sagen, Herr, die ganze Reise ist verdorben, ich bin nicht auf diese Art bei Ihnen, wie Sie mich dazu eingeladen – ich kann nicht länger bei Ihnen bleiben; indessen habe ich mich nicht darauf eingerichtet, leihen Sie mir so u. soviel Geld, ich wills Ihnen wieder bezahlen wenn ich nach Hause komme. Dies war eigentlich meine Hauptidee; die andre schloß sich freilich gleich daran, daß wirs ihm nicht wiedergeben wollten u. er Alles bezahlen müsse da er Dich so beleidigt habe! Diese Erläuterung schreibe ich Dir nochmals daß Du meinen Brief nur recht verstehen mögest. Was Goethe hierüber geschrieben, weiß ich nicht; krieg ihn auch heute nicht zu sprechen. Meine erste u. einzige Idee war immer, sich von ihnen zu trennen, u. eher hast Du keinen Genuß, u. fast möchte ich sagen: auch keine Ehre. O daß die Briefe solange unterwegs bleiben; Gott gebe Dir ein, was Du zu Deiner Ruhe u. Glück tun mögest. Gestern Nachmittag legte ich das Blatt vom Dianen Tempel u. das Ölblatt zwischen den letzten Brief von Terni u. den ersten aus Rom, u. hatte eine so [schöne] u. heitre Empfindung u. eine so gute Ahndung dabei, [als] bei dem Blatt des Friedens, wie Du es nanntest, u. auf den Abend wie Dein Brief kam, war alles trübe. Gott gebe diesem Brief Flügel daß er bald zu Dir kommt.
Lebe wohl mein Herz, Lebe wohl Du Einsamer. Gott wird unser Gebet erhören! Du hast diese Reise nicht errungen, hast nicht daran gedacht; sie kam von ohngefähr, ohne all unser Zutun – so wird sie auch der liebe Gott zu Deinem Besten wenden. Darauf traue ich fest. u. Du mußt es auch tun, wirst Dich erheitern u. beruhigen. Das niederträchtige Weib ist ja nicht wert daß man sich durch sie ärgre. u. sie lebt in ihrem Hurensinn fröhlich dahin.
Nochmals liebste edle Seele verzeihe mir u. verlange von mir was Du willst. Diese Woche sollst Du noch einen Wechsel haben. Lebe wohl. Ach liebe mich u. sei mir gut.
Deine ewige C. H.
Ich habe nur 2 Chapeaux einpacken können, der dritte machte den Brief zu dick. Der Herzog ist noch nicht hier.
Die Kinder grüßen ihren teuren Vater tausend tausendmal.
Rom, den 28. Okt. 88.
Heut soll mein Br. an Dich nur ein Einschlag sein zum Br. an die Herzogin, den ich fast zu lange aufgeschoben habe. Wenn Sie Dich zu sich kommen läßt: so kannst Du treu mit ihr sprechen; es ist doch alles bei ihr, wie in ein Heiligtum gelegt: sie ist die edelste, treuste Seele. Die Entfernung u. das Leidenschaftlose, in dem ich jetzt ganz u. gar lebe, hat mir ihr liebes Bild wieder so rein u. klar vor die Seele gebracht, als da ich sie zum erstenmal liebgewann u. ihr wirklich auf ewig in meinem Herzen die reinste Achtung weihte. Ich habe ihr einen recht herzlichen Br. geschrieben; ich wollte, daß sie Dir ihn zeigte.
Dein heutiger Br. mit G[oethes] begleitet, hat mich, wie immer, sehr gefreuet. Es freut mich, daß Dir mein Alleinwohnen gefällt; wenn es Dir aber auch nicht gefiele, wie es mir denn widrig einging, es war ein Werk der Notwendigkeit, der man die Bequemlichkeit aufopfern mußte. Nun hast Du noch eine harte Woche mit W[erners] Krankheit gehabt; u. es tut mir leid, daß ich Dich damit geängstigt habe. Ich konnte aber nicht anders, als Dir auch hievon Nachricht geben, u. jetzt freuets mich, daß er wieder ziemlich wohl auf ist. Auch der dumme Br. über das Geld wird Dir einige böse Tage machen; aber auch nur bis zu einem Posttage. So ists, wenn man in so großer Entfernung so nahe zusammenhängt, wie wir an einander hängen. Man teilt sich einander seine Schmerzen mit, ohne daß man denkt, daß wenn der Br. ankommt, sie die gütige Zeit schon gemildert u. gelindert habe. Es ist eine böse Folge der weiten Entfernung, die man schon muß ertragen lernen. Die Saite vibriert freilich zu weithin; indessen ists doch besser, als öde Verstummung, die ein lebendiger Tod ist.
Seit der Quasi-Endigung unsres Kurses ists nun anders gegangen. D. komponiert u. lebt im Komponieren. Am Mittwoch schrieb ich Dir den Br., u. machte in einer Vierteilstunde auf seinen Wunsch beiliegendes Gedicht zum Geburtstage der Herz., das er komponieren wollte. Donnerstag komponierte ers; Freitag am Geburtstage, sang es die – ab. Er hat es unvergleichlich komponiert, u. sie sang es sehr gut, weil es für sie komponiert war. Der Herz. gefiel es sehr, u. ist oft wiederholt worden, auch vorigen Sonntag in Gegenwart der Angelika, da ich nicht dabei war. Am Geb[urts]tage fuhren wir auch in Raphaels Villa u. waren bei der Herz. vom Mittage bis zum Abend. Sonnabend Morgen ging ich mit Rehberg nach Tivoli: ich ergriff nämlich den schönen Tag u. hatte auch zwei unvergleichliche Tage. Ich werde an Gottfr. über Tivoli einen ordentlichen honetten Br. schreiben; kurz ich war wie aufgelebt u. kam guten Muts nach Hause. Es war verabredet, daß Sonnt. Abends die Herz. das Museum mit der Fackel sehen wollte, u. ich war auch eingeladen. Sie glaubten, daß ich nicht kommen würde; ich <kam> aber wie neugeboren zu sehr guter Zeit an, u. wohnte dem Zuge bei; darüber will ich denn an August auch einen honetten Br. schreiben.
Montag trat ich denn allein mit Hirt meinen Kurs an, u. besah das Museum im Capitol, das ich noch nicht gesehen hatte. Abends war ich mit der Herz. im Theater, denn meine beiden Reisegefährten waren wie gewöhnlich krank. Die gn[ädige] Fr[au] hatte sich im Museum erkältet u. der gute Dalb. komponierte. Heut hat es geregnet, abscheulich geregnet; wir haben ungewöhnliche Kälte, öftern Regen u. gar keinen guten Herbst. Dafür hat mich Hirt mit einer langen Vorlesung im Bett beglückt, der mich überhaupt sehr quälet. Er ist indes wieder so dienstfertig, u. ich brauche ihn so sehr, daß ich ihn tragen muß, ob er mich gleich hart ennuyieret. Er ist ein hölzerner Mensch, u. war mir im Grunde von Anfange an zuwider; er weiß indessen viel, u. ist ein armer T.; man muß ihn dulden. Er tut mir alles zu Gefallen, obgleich immer nicht viel herauskommt, indem man mit ihm nicht von der Stelle kommt. Wer mir sonst außerordentlich viele Gefälligkeiten erweist, ist Rehberg. Er ist ein sehr verständiger Mensch, u. Verstand ist doch das beste im Leben. Er kennet Rom seit vielen Jahren, u. hat mir bei meinen Kleidern u. sonst gute Dienste geleistet. Über meine Kleider sorge nicht: mein Kleid von unaufgeschnittnem Samt u. mein Frack von dunkelm Tuch mit einer ihm ziemenden Weste sind fertig; der zweite hat seine Probe schon bestanden. Jetzt lasse ich mir noch einen Überrock, oder wie ihn die Italiener nennen, einen copre-miseria machen, weil ich dem W[erner] den meinigen in seiner Krankheit geben mußte. Auch W. bekommt sein Kleid: denn lasse ich mir den Pelz mit violett Garnitur überziehen, u. bin ausstaffieret. Einen Haarbeutel habe ich nie getragen u. werde ihn nie tragen; beim Frack habe ich ein Zöpfchen der Bequemlichkeit wegen. Wenn ich das schwarzseidne Kleid anhatte, u. das samtne anziehen werde, zur Gesellschaft bin ich frisiert, wie in W[eimar]. Über solche Anständigkeiten trage keine Sorge. Alle meine Kleider kann ich auch in W. tragen.
Mit Kardinälen Bekanntschaft zu machen, habe ich noch keinen Reiz gehabt; sie sind auch alle auf dem Lande. Im Novemb[er] kommt alles allmählich zurück: der Senator kommt: ich übergebe ihm den Br., u. das übrige wird sich finden. Jetzt sind Vakanzen von Gesellschaften, Gerichten, selbst von Audienzen, nach denen mich auch nicht dürstet. Die Gesellsch[aften] gehn um 10. Uhr Abends an, u. es wird nur darin gespielet. Agincourt habe ich mit D. besucht, u. auch das wollte ich noch nicht einmal; der sonderbare Hirt hatte es betrieben. Keine einzige Bibl[iothek], selbst die Vaticana habe ich noch besucht; u. keine Bekanntschaft deshalb machen können, die für mich zu dem Zweck diente. Ich muß erst mit dem toten Rom, wenigstens halb fertig sein u. da fehlt noch viel. Rom ist so groß u. reich: eine Welt von dritthalbtausend Jahren ist hier zu suchen u. zu finden, alles liegt so weit aus einander, u. hat Ideen neben u. vor sich, daß ich mir jeden Tag unwissender dünke. Ich habe 1000 Sachen im Kopf u. noch keine Zeile schreiben können, was ich gesehen habe. Da vergißt man Papst u. Kardinäle. Gute Nacht, liebes Leben. Es ist spät; morgen noch ein Blättchen. Grüße G[oethe]; ich werde an ihn schreiben, sobald ich kann u. etwas für ihn zu schreiben weiß. Gute Nacht, Ihr lieben Kinder, Ihr schlaft nun alle u. ich will auch schlafen.
Die Fr. v. Kalb ehre ich wie Du; u. habe also nie von ihr geredet. Wir sind auch hier, wie in Allem, am Gefühl einander gleich. Grüße Sie u. die Stein, u. alle die mir hold sind. Ich habe, weil heut kaltes, trübes Wetter war, an 2 der Kinder geschrieben u. meinen Kurs wiederholt; an Wilh. u. Adelb. will ich ein andermal schreiben. Lebewohl, meine Liebe.
Rom, 28. 10. 1788
Lieber Gottfried, Ich muß an Dich, da Du doch schon ein Academicus bist, auch einmal einen ordentlichen Brief schreiben, u. das zwar v. Tivoli, oder dem alten Tibur, das ich vorigen Sonnabend u. Sonntag mit dem größten Vergnügen gesehn und genossen habe. Die Stadt selbst ist ein Bettelnest, wie alle kleine Städte im Kirchenstaate, u. die Straße dahin ist wie alle Gegenden um Rom wüste und öde. Aber die Natur hat alle menschliche Faulheit nicht zerstören können; sie ist noch dieselbe wie sie in Horaz Oden u. in der Römischen Geschichte gemalt ist. Hier war die Villa des Mäcens; sie steht in den Ruinen des untern Stockwerks u. der unterirdischen Gewölbe noch prächtig da; das stolze hohe Haus aber, die Superba alta domus Maecenatis ist verschwunden. Sie sah weit vor sich; stand aber noch mehr da um gesehn zu werden, u. muß über alles, was wir jetzt machen, schön u. prächtig gewesen [sein]; jetzt aber stehn Weinreben auf ihr; es wachsen über Stangen die großen schwarzen Trauben Pergolese. An der andern Ecke des Bergs, wo jetzt die Villa d'Este ist, u. im Garten 300jährige hohe Zypressen stehen, auch die Königin der Fontainen, wie sie Michael Angelo nannte, ihr Wasser ausgießt, war die Villa des Cäsars, die nachher Sallustius kaufte. Alles dies aber was die Vorderseite gegen Rom zeigt, ist nichts gegen das, was das hintere Tal verbirgt; der sanftschleichende Anio glaubt nicht, daß in wenigen Schritten ihm soviel Kampf und Sturz von der Natur bereitet worden. Wunderbar sind die Grotten, durch die er stürzt, der praeceps Anio des Horaz, und schön ist der Anblick, den er gibt, wenn mit Regenbogenfarben die Sonne auf ihm spielt. Ich habe 2 schöne Tage, dieses Schauspiel der Natur zu sehen, bin beide Tage in der besten Stunde bis zur innersten Grotte Neptuns hinuntergestiegen, u. habe in der Silberwolke des aufstäubenden Wassers mit dem sanften Entsetzen, welches die Alten Begeisterung der Nymphen nannten, gestanden. Oben an der Ecke des Bergs steht ein lieblicher Tempel der Vesta, gemeinigl. der Sybillentempel genannt, rund u. schön; wir haben beide Tage Mittags in ihm gegessen. Der stille Anio ist vor dem Blick; der rauschende Anio im Ohr u. erfüllt das ganze Tibur, wo man geht u. steht, mit Einer hohen u. schönen Empfindung des Schauers u. der göttlichen Gegenwart. Nachmittag stiegen wir hinab, den Anio hinüber u. umgingen das Tal, wo der Strom alle seine kleinern Leiden hat u. seine lieblichen Künste beweiset. Das ist ein Spaziergang, wie wohl wenige in der Welt sind; auch haben die Römer, die zu leben wußten, jeden Fleck dieser schönen Höhe benutzt u. genossen. Am schönsten Ort der Aussicht, wo jetzt das Kloster des Antonio ist, hatte Horaz sein Haus, wenn er in Tivoli war; seine kleine Villa lag 3 deutsche Meilen in den Sabinerbergen, deren mons Lucretilis voll Ziegenherden ich auch einmal besuchen will; der Weg von ihr nach seinem Tibur am Anio hin, soll sehr schön sein. Hier war denn der Winkel der Erde, der ihm am schönsten gefiel, u. wo er sein ruhiges Alter hinbringen wollte; es ist auch ein gar lieblicher Erdenwinkel, der die Phantasie so ausfüllt in einem engen Raum, daß ihr nichts übrig bleibt. Hier waren denn das
Domus Albuneae resonantis
et praeceps Anio ac Tiburni lucus et uda
mobilibus pomaria rivis
vor seinem Blick, wo er allen seinen Freunden Fröhlichkeit zusang, als den einzigen Genuß des Lebens. Ich bitte Dich, lies mit Hrn. Schäfer die 7te Ode des 1. B[uches] u. die 6. des 2ten; u. habe den Horaz lieb, den, wie Du weißt, ich immer lieb gehabt, u. jetzt siebenfach lieber habe, nachdem mir die Wahrheit u. Schönheit seiner Empfindungen der Natur u. des Lebens in seinem heiligen Tibur recht lebhaft gemacht worden. – Ach, wer einige Wochen zu guter schöner Zeit in diesem Lustort der Natur verweilen, und jedes Plätzchen in seiner Tagesstunde genießen könnte; es ließen sich schöne Sachen daselbst denken. Unsern kurzen Nachmittag haben wir sehr glücklich genutzt, sind zu den Kaskatellen an jedem schönen Ort hinuntergestiegen, u. haben das ganze Tal unten, wie einen schönen Tempel der Natur durchwandert. Auf der schönsten Kaskatelle sahen wir die untergehende Sonne mit ihren letzten Strahlen, u. begrüßten noch in der schönsten Abendröte die Quelle Aquonia, die so heimlich u. still liegt, daß man jeden Augenblick die Erscheinung der Nymphen Dianens erwartet. Dann stiegen wir müde u. vergnügt den Berg hinan, u. aßen jeder seine 2 Eier, u. legten uns so sanft zur Ruhe, als ob unsere rauschende, knirschende Schilfmatratze das schönste Bett wäre. Das Wirtshaus steht in der schönsten Gegend, u. der Tempel der Vesta gehört zu ihm, er steht in seinem Gärtchen. Der Anio rauscht einem also auch im Schlafe ins Ohr, u. da ich immer wenn ich die Augen schließe, wie Du weißt Bilder sehe, so schwebte Tibur wie ein schöner Kranz vor mir, in dem die Strecken der dunkeln ruhigen Ölbäume, Rosmariensträuche, u. die hellen, silbernen Kaskatellen die Perlen u. Edelgesteine waren. Unter den vielen Villen, die den Kaskatellen gegenüber lagen, war auch des Varus Villa, an den Horaz die 18. Ode machte; er war sein Nachbar; auf ihren Trümmern wachsen auch jetzt nichts als Weinreben, als ob Horaz Ode erfüllet würde. Ich bitte Dich also noch einmal, lerne hübsch Latein u. halte den Horaz in Ehren; er ist ein gar lieber Dichter. Rammler u. alle seine Nachahmer sind steife Böcke gegen ihn: denn ihnen fehlt der Geist u. die schönste Blume seiner Lieder, Leichtigkeit, Fröhlichkeit, Artigkeit, lieblicher Anstand, das Gefühl der schönsten Lebensweise, welches seine Philosophie sowohl, als seine Begeisterung war. Viel Dinge um Tivoli habe ich noch nicht gesehen, z. B. die Villa des Hadrians in ihren ungeheuren Ruinen. Auch die Königin Zenobia hat, da sie als eine Gefangene aufgeführt war, bei Tivoli gewohnt; man hat noch ein Grabmal ihrer Tochter mit einem goldnen Armbande gefunden; ich habe aber die Stelle, wo die stolze Königin ihr Leben als eine Hausmutter verleben mußte noch nicht betreten. So auch noch nicht die Villa Catulls, wo jetzt ein Kloster auf dem Berge ist; die größesten u. elegantesten Leute, Marius, Atticus ppp haben hier gewohnt, und alles was schön und ruhig leben wollte, ist hier hinausgeflüchtet. – Sei fleißig und gut, lieber G., wenn ich lebe, sollt Du auch Tivoli sehn, u. zwar jünger als ich, dem diese Ansicht jetzt nur wie eine schöne Nachmittagsstunde kommt, indes sich die Sonne neiget. Lebe wohl, Du Guter lieber und habe mich lieb.
Herder.
Rom, 28. 10. 1788
Auch Dir, mein lieber Prinz August, will ich heut schreiben, u. zwar, weil Du so ein feiner artiger Knabe bist, von lauter schönen Göttern u. Göttinnen. Vorigen Sonntag sahen wir das Museum des Vatikans mit der Fackel, die so u. anders gewendet wird, daß die Statue recht ins Licht kommt; das war ein schöner Anblick. Da saß, als wir hereintraten, der große, schöne Herkules, dem aber Kopf, Arme u. Füße fehlen: seine Muskeln, seine weite Brust, sein schöner Rücken, seine tapfern Beine sind bis zum leben. Wir gingen aber schnell in die lange Galerie zum großen Jupiter, der auf dem Thron sitzt. Er sah mit seiner gewaltigen Stirn, aus der die Weisheit heraustrat, auf uns wie ein sanfter, gütiger Vater herunter. Nicht weit von ihm stehen viele schöne Köpfe, unter denen auch einer dem Hrn. v. Knebel sehr gleich ist. Du kannst ihn grüßen u. ihm sagen, daß bei lebendigem Leibe sein Kopf im größesten Museum der Welt unter Göttern u. Helden, unter Kaisern u. Philosophen stehe, u. daß ich ihm daselbst meinen tiefen Respekt bezeugt habe. Weiterhin zur linken Hand, wenn man vom Vater der Götter kommt, kam die schöne Jägerin Diana auf uns zu; das ist eine so leichte, schöne, jungfräuliche, schlanke Figur, daß ich sie gerne mitnehmen, u. dem Luischen bringen wollte, daß sie auch eine so hübsche Person würde. Weiterhin kam ein schöner, lieblicher Genius: da saßen u. standen Faunen in mancherlei Stellung: eine schöne Heldin Amazone stand da; ein trauriger Adonis am Schenkel verwundet: da saß Paris gar breit u. gemächlich, um der schönsten Göttin den Preis zu geben, u. viele andre Gestalten. Auf der andern Seite stand Neptun mit seinem Dreizack, da lag ein schöner Bacchus mit seinem umgestürzten Kruge, da stand eine schöne Nymphe mit einer großen Schale in der Hand, auf die sie traurig hinabblickt, daher man sie auch die weinende Danaide nennet. In einem Erkerchen stand eine schöne Göttin mit erhobnen Händen, die man Pietas nennet, auch nicht weit davon ein sehr treues Denkmal der ehelichen Liebe, Mann u. Frau in halben Figuren, die sich einander so treu die Hände geben, u. im Gesicht so redliche Züge haben, daß man schwöret u. glaubt, sie leben. Von da kamen wir in ein kleines schönes Zimmer, in dem ich wohnen möchte. Es ist ein schöner Fußboden von Mosaik u. herrliche alte Porphyrstühle aus den Bädern der Alten stehn darinnen. Da kehrte sich denn die Venus, wie sie aus dem Bade steigt, am Licht der Fackel umher, u. ließ uns ihren schönen Rücken u. Hintern sehen: da stand auch ein schöner Adonis u. f. Wir gingen ins Zimmer der Tiere, das ich einmal dem Adelbert beschreiben werde: da lagen zwei ungeheure Flußgötter, die Tiber u. der Nil, auf dem 16. kleine Jüngelchen herauf- u. herabklettern. Da stand wieder eine hübsche Diane, aber nicht so schön, wie der erste; u. ein vortrefflicher Meleager, der Jäger, nebst vielen andern schönen Figuren. – Nun kamen wir aber ins Heiligtum der Musen, das mir vor allen wohlgefällt, u. wo ich in der schönsten Gesellschaft der Welt zu sein glaube. Beim Eintritt steht Apollo, der Eidechsentöter u. ein schöner Schlaf. Er hat sein Haupt seitwärts geneigt, u. eine hinabsinkende Fackel in seiner Rechten. Alsdenn kommt man zum Apollo u. allen Musen, die in einem schönen Kreise umherstehn. Apollo ist der schönste Jüngling, fast wie ein Mädchen schön, u. fast auch mit einem weiblichen Mantel bekleidet: er schlägt die Leier, u. hebt das Auge in einer hohen Begeisterung, daß man seinen Gesang fast zu hören glaubet. Sage dem H. G. R. Göthe, daß unter den Musen mir vorzüglich die zur rechten Seite gefallen, die Mnemosyne oder die Fabel, die ihre Arme so still in den Mantel schlägt, die horchende Kalliope mit der Schreibtafel, Urania, aber am meisten seine Muse, die tragische Melpomene. Diese ist, neben der Diane, der hohen Juno Ludovisi, der hohen Melpomene weiterhin in der Rotonda p meine Göttin u. wenn sie auch die Seine ist, soll michs sehr freuen. Sie hat eine Würde, einen Adel u. einen hohen, stillen Schmerz, der mir ganz neu war. In der Rotonda stand die hohe tragische Muse, die breite Ceres, die beiden Juno's prächtig da; auch Jupiters Kopf, u. der Kopf Hadrians zieren ihre Stelle (wo Du denn wieder dem H. G. R. Göthe sagen kannst, daß sein Antiquarius Hirt ihn mit aller Gewalt zu diesem Kopf Hadrians machen will; welches denn keine Schande für seinen Kopf ist.) Und nun gingen wir zum schönen Antinous zurück, u. von ihm zum schönen Apollo, zum duldenden, ausatmenden Laokoon, u. wieder zum schönen Apollo, wo wir denn unsre große Göttererscheinung schlossen. Siehe, mein lieber August, so viele Dinge kann man zu Rom an einem Abende sehen; aber das alles sehen, wie man es sehen soll, dazu gehört mehr Zeit; auch muß man was Gutes gelernt u. Lust u. Liebe zur Sache haben, sonst siehet man nichts. Lerne auch Du fleißig die Mythologie, die alte Geschichte, die alten Sprachen u. vernachlässige ja nicht das Zeichnen. Wenn ich zeichnen könnte, dünkte ich mich in dieser hohen Göttergesellschaft noch einmal so viel; nun gehe ich wie ein Stummer umher, der nicht reden kann, wie Du weißt; so bin ich auch ein Stummer, weil diese Dinge sich nicht durch Worte, sondern durch Linien u. Formen allein ausdrücken lassen. Aber dennoch sind auch mir diese hohen Gestalten sehr lieb u. wert: unter Göttern gewinnt man die Menschen lieber; man lernt, was in menschlichen Formen u. Charakteren alles verborgen sei, u. wird gar rein u. vornehm, wenn man unter diesen Anschauungen lebet. So habe ich aus den Dichtern mehr Philosophie gelernt, als aus den Philosophen, u. weil Du Deines Gewerbes ein Philosoph werden willt, mußt Du ja die alten Sprachen u. Zeichnen lernen; da kannst Du denn Dichter lesen u. Kunstwerke sehen, u. ein exzellenter Philosoph werden. Lebe wohl, lieber Junge. Dein Ureltervater, der Kaiser Augustus glorwürdigen Andenkens zeigt sich hier oft, nackt u. bekleidet, als Held, Konsular u. Oberpriester. Er hat aber nicht hinter der Kirche zu Weimar, sondern auf dem palatinischen Berge in einem großen Hause von schöner Aussicht gewohnt, das allen Kaiserpalästen den Ursprung gegeben. Lebewohl.
Rom, 28. 10. 1788
Durchlauchtigste Herzogin, Gnädigste Fürstin,
Vielleicht kommt dieser Brief Euer Durchlaucht wie die Stimme eines aus dem Reiche der Toten: denn da man sich das alte Rom nur als eine Gegend von Überbleibseln der Vorwelt denket, so bin ich vielleicht von Euer Durchlaucht auch längst unter diese Trümmern im Andenken begraben worden, und mein Stillschweigen hat ohne Zweifel dazu beigetragen. Über das letzte will ich kein Wort einer Entschuldigung verlieren: denn wenn Euer Durchlaucht die Gnade haben, von meiner Frauen einmal eine Reihe von Umständen meiner Reise u. der ersten Wochen, die ich in Rom gehabt habe, sich erzählen zu lassen (Ihnen darf sie nichts verschweigen) so hoffe ich entschuldigt gnug zu sein. So viel ist gewiß, daß, wenn in jedem Augenblick, da ich an E. D. gedacht habe, indem Ihr edles Bild durch so mancherlei Gegenstände der alten Römerwelt geweckt, oft, sehr oft von selbst vor meine Seele trat, ein erinnerndes Lüftchen E. D. umschwebt hätte: so wären manche große u. schöne Bilder Ihrer Seele vorübergegangen, die plötzlich u. unerwartet die Römerin an ihr Vaterland erinnert hätten. Aber leider ists auch so von der andern Seite; in Rom verlernt man das Schreiben. Die Gegenstände dringen zu gewaltig auf die Seele, ihre Zahl und Masse überhäuft u. übertäubet, so daß ich noch immer aus jedem hohen Ort, den ich betreten hatte, wie ein Berauschter zurückkam, und mich oft müde u. stumm zwischen Statuen oder Trümmern niedersetzen mußte. So ging es mir im Museum des Vatikans, so kam ich vom Capitol, vom Campo vaccino im alten Rom bis zum Coliseum hinab, vom Pantheon, aus der Villa Borghese u. Albani, aus der Sixtine u. Raphaels Stanzen, von den Kaiserpalästen, dem Cirkus des Caracalla, nebst allem, was dahin liegt, den Bädern des Diokletians u. s. f. ja noch ehegestern aus Tivoli zurück, u. habe noch keine Feder ansetzen können, um über das was ich gesehen u. betrachtet hatte, mir selbst einige Rechenschaft zu geben. Man ist, oder wenigstens ich bin in einem Meere, wo große zuweilen etwas plumpe Wellen einen umbrausen, prächtig heben u. denn unvermutet an eine Klippe werfen, wo man nur sein Haupt sichern muß. Das älteste, alte, mittlere, u. neue Rom tritt nicht nur mit seinen Gegenständen in wilder, bunter, dissonanter, oft fataler Verwirrung vor die Seele; sondern indem es Ideen weckt, woher denn dies alles geworden? woher es gekommen? wohin u. wozu es gewirkt habe? so erliegt mein armer Kopf ganz u. gar, so daß ich Gefahr laufe, aus Rom unwissender zu gehen, als ich hineinkam. Wäre meine Reise nicht so unvermutet gewesen, hätte ich mir vorläufige Notizen nehmen können, wie ich sie jedem andern würde angeraten, ja selbst von ihm würde gefodert haben, wäre ich endlich jünger u. hätte mich nicht im Dienst des Staats, der Kirche u. der gelehrten Republik so sehr verlebet, hätte ich endlich Geld u. könnte wie ich wollte, ja so lang ich wollte, reisen, mit der schönen Aussicht, zwanzig Jahre meines Lebens zurückzuhaben, u. sie anwenden zu können, wie ich wollte: so wäre etwas. Aber nun? – jetzt? – Doch ich mag keinen Calcul ziehen, u. dränge mir das arme Wozu? so oft es mir vorkommen will, mit Gewalt weg aus der Seele: Ein sonderbares Schicksal hat mich hergeführet u. ich lasse in mich schreiben, was mir das Schicksal vorzeigt. – Verzeihen E. D. daß ich soviel von mir rede; aber ich betrachte mich nur, indem ich dies schreibe, als Werkzeug, durch welches eine Partikel vom Weltgeist gewisse Sachen der Vor- u. jetzigen Zeit siehet; man muß eine verzweifeltstarke Ichheit haben, wenn man sie in diesem Strom der Dinge vorwiegend jeden Augenblick fühlen wollte. Was mich in der Seele dauret, ist, daß E. D. nach Ihrem Römergeist und Römerherzen, nach der lecture, die Sie in Römischen Schriftstellern gemacht, und den Kenntnissen, die Sie sich darin erworben haben, (so daß ich, ohne Kompliment zu reden, dagegen ein Kind bin) nicht Einen, Einen lebendigen Anblick dieser Gegenden haben können. An Genuß denke ich dabei gar nicht; der ist im jetzigen Rom weder zu suchen, noch zu finden; aber nur Eine Ansicht wünschte ich E. D., u. einen unsichtbar-sichtbaren Spaziergang durch diese Gegenstände. Mit Ihnen auf dem Capitol u. seinem Turme, auf dem palatinischen Berge an der Ecke des Hauses Augusts zu stehen und umherzuschauen, oder im Friedenstempel des Titus, im Koliseum, im Cirkus, in den Thermen pp der Kaiser umherzuwandern; das wäre freilich was Großes! Ach, daß Rom so entfernt liegt, u. doch ists gut, daß es daliegt; denn seit ich Italien kenne, bin ich sehr gern ein Deutscher.
Die Herzogin Mutter hat ihre Reise über alle meine Erwartung gesund vollbracht, u. ist hier sehr fleißig u. fröhlich. Sie macht ihren Kurs beinah ununterbrochen, u. beschämet uns hierin am Fleiße: denn wir haben ihn, ohngefähr in der Hälfte, aufgegeben u. ich sehe jetzt allein, so weit ich reiche. Nach dem Grunde, der gelegt ist, ist das auch gut: jeder kann nun nach seiner Muße sehen u. betrachten. Ehegestern gab uns die Herzogin eine Beleuchtung des Museums im Vatikan mit der Fackel, welches Fest ich mir noch einmal vor meinem Abzuge aber einsamer wünschte: es ist ein großer Anblick.
Die Nachrichten von der Gesundheit Euer Durchlaucht, die mir meine Frau gibt, erfreuen mich sehr; und die andre Hoffnung, die ich durch einen andern Kanal erfahren habe, bietet alle meine Wünsche des Herzens auf, daß sie zu Euer Durchl. völligsten Freude gedeihen möge. Gott weiß, wie ich Euer Durchlaucht verehre u. immer verehren werde; auf dem engen, verworrenen Wege meines Lebens ist das Bild E. D. eine zu große, schöne Erscheinung gewesen, als daß es nicht mit unter die ewigen Gedanken und Empfindungen gehörte, die nur der letzte Strom, durch welchen wir müssen, aus mir tilgen könnte. Wie vieles ich E. D. schuldig bin, habe ich nie sagen können; vielweniger kann ichs schreiben.
Leben E. D. aufs schönste wohl, u. gedenken zuweilen meiner in Güte. Auch bitte ich, die Gnade zu haben, mich bei dem Herzoge über mein Stillschweigen zu entschuldigen: in dem bisherigen Rumor meiner Seele war mir ein vernünftiges Schreiben unmöglich, und wie sehr mein Innres Ihm für diese jetzige Muße danket, weiß ich, wird ihm selbst sein Inneres sagen. Ich hatte sie verdient, ja vielleicht noch eine bessere, als wie sie mir das Schicksal beschert hat; aber was das Schicksal gibt, ist immer das Beste. Ich küsse Euer Durchlaucht ehrerbietigst die Hände, und wünsche Ihnen und allen den Ihren das herzlichste Lebewohl, über den Kirchenstaat, die Apenninen und Alpen hinüber.
In tiefster Ehrerbietung beharrend
Euer Herzogl. Durchlaucht untertänigster Herder.
Rom, 30. 10. 1788
Ich war gestern Abend an Ihrem Hause, traf Sie aber nicht; zwei Ursachen führten mich zu Ihnen. Erstens wollte ich Ihnen ein Arrangement wegen unserm Gelde vorschlagen, so mir eingefallen war. Es besteht darin, Ihnen, Lieber, sobald Lepri zurückkehrt, gegen Ende Novembers eine Anweisung an ihn für die ganze unter uns verabredete Summe zu geben. Mir ist es einerlei und Ihnen bequemer, indem Sie sie auf diese Weise ganz nach Ihrem Belieben erheben können. Zweitens daß Ihre unerklärbare Art, mit mir zu existieren und mich zu behandeln, mich nicht allein unruhig, sondern höchst unglücklich macht. Ich sinne auf alles, was Ihnen nur im mindsten Vergnügen schaffen und Ihr hiesiges Dasein freudiger machen kann; und doch – lassen Sie mich nicht wiederholen, auf welche Weise Sie mir gestern Mittag fühlbar machten, daß Ihnen meine Gesellschaft zur Last sei! Wodurch habe ich dies verdient? welches neue eingebildete Mißverständnis ist Ursache? wird – kann dies fortdauern, ohne daß wir am Ende alle darüber zu Grunde gehen?
W[eimar,] den 31. Okt. 1788.
Liebstes Herz. Es war gestern Abend nach 10 uhr als ich schon verzweifelte einen Brief zu erhalten, als Dein Trostbrief vom 15. Okt. ankam. Aufeinmal war nun der Stein vom Herzen gewälzt! Wer war froher als ich, daß Du Dich getrennt u. geäußert hast; ich durfte nicht daran denken daß Du tägl. mit ihnen sein u. essen mußtest! Gottlob daß Du mich verstanden hast. Habe ich denn ganz u. gar vergessen zu schreiben, daß Du Dich von ihnen trennen müßtest? Dies ist ja die Hauptsache Deiner Exsistenz dort! Gerecht u. billig ists, daß D. zahlt; aber auch dafür hätte ich Rat geschafft, wenn es sein mußte. Ich sehe aber wohl daß mein Herz seinen alten Fehler noch hat u. meine Briefe so schnell liest, daß er die Hauptsache überschlägt; nun, ich muß mich unter die gewaltige Hand demütigen, u. höre doch nicht auf Dich zu lieben, wenn Du auch schon in den Träumen, die ich diese Tage gehabt, mich nicht liebreich angesehen hast. Du bist mein Leben u. mein ganzes Dasein; das weiß ich auch aus dem Schmerz wenn es Dir übel gehet.
Ich sprach mit Goethe wegen dem Wechsel. Es sind 150 Rtlr. bar da, des Herzogs halbjähr. Zulage, ich wollte noch 150 Rtlr. dazu leihen u. den vollen Wechsel von 300 Rtlr. Dir schicken; er wiederriet mir aber das leihen, u. meint, vor der Hand soll ich Dir nur 150 Rtlr. oder 100 Scudi (durch Scudi gewinnt man, durch Zechinen aber verliert man) schicken, welches er auch vorigen Posttag Mittwoch besorgt hat. Du empfängst den Wechsel durch Paulsen über Frankfurt. In 4 Wochen, da ich durch das Weihnachtquartal u. Fruchtverkauf, wieder soviel zusammengebracht hätte, wäre das andre erfolgt, bis ich über die ganze Summe mir Rat geschafft hätte. Gottlob daß das jetzt vor der Hand nicht nötig ist. Indessen muß ich Dir zu Deiner eignen Beruhigung sagen, daß ich Dir 1000 Rtlr. nach u. nach bis Ostern schicken kann, wenn Du sie brauchst. Lasse Dir also, ich bitte Dich tausend tausendmal, nichts abgehen was Ehre, Wohlstand u. Bequemlichkeit u. vorzüglich Sorge für die Gesundheit erfordert. Dies letzte ist ein Artikel, den Du aus Liebe für Deine 6 armen Kinder nicht vernachlässigen wirst, darum bitte ich Dich auf den Knien! Für den Sirocco, laß mich Dir einen vernünftigen Rat geben lieber Engel. Kaufe Dir 2 Ellen Flanell. Dieses Stück lasse immer in Dein Bette zu Deinen Füßen legen. Weht der Sirocco so wickle die Füße bis über die Knie hinein u. Du wirst Dich wohl befinden, glaube es mir! Auch unter Dein Kopftuch lege ein Stückchen Flanell auf den Wirbel u. eins auf die HerzGrube, den Mittelpunkt aller Nerven. Folge mir liebstes Herz.
Daß Du zwischen den Weibern verraten u. verloren bist habe ich längst besorgt. laß sie nur gehen. Schließe Dich immer u. immer mehr an gescheute aber auch vornehme Männer an; ich habe immer bemerkt daß Dich die Männer gefühlter ehren u. lieben, als die Weiber; ich nehme die einzige Fr. v. Fr[ankenberg] aus. Sie ist ein Engel von Herz u. Verstand, das empfinde ich in jedem Wort was sie sagt. Bleibe der edlen Seele gut, u. gib ihr was Du ihr geben kannst. Sie verdients. Sie ist die zweite Gräfin von Bückeb.
Ich freue mich über Deine Kleider. Ich sehe Dich bischöflich einhergehen, an guten Strümpfen, Schuhen u. Schnallen wie die Geistl. sie dort tragen, lasse Dir doch nichts abgehn. An nichts nichts was zu alle dem gehört. Kostet ihn das Weib doch zehnmal mehr als Du! – [ . . . ] Über die Götter u. Helden will ich Dir doch etwas sagen, was ich damals beiläufig von Goethe gehört habe, als er von den Charakteren in den Bildsäulen sprach, als wir von Kochberg zurückfuhren. »Es ist selbst schwer einen echten u. wahren Götter- u. Heldenkopf unter den alten aufzufinden. Der Künstler hat oft, wenn er diesen oder jenen ehren wollte, sein Porträt zum Gott oder Helden, oder jenes Frauen Porträt zur Göttin genommen. Dazu gehört ein Studium, die echten Ideale aufzufinden.« Vielleicht weißt Du dies schon, oder es wird Dich aufmerksam machen. Wenn Goethe begünstigt würde durch Glück, Geld u. Künstler in Rom, so glaube ich gewiß daß er jeden menschlichen Charakter vom Scheitel bis auf die Fußsohle wie er glaubt, herausbringen könnte. Dies scheint tief in seiner Seele zu liegen. Sage aber um Gottes willen keinem etwas davon weder der Angelica noch den Malern; wir haben ihm ein heiliges Stillschweigen angeloben müssen.
Die Schardt hat mich Dienst. Abend zur Steinin abgeholt. Der Stein ist nicht wohl. Es hat ihn vorige Woche wie eine Lähmung im rechten Arm überfallen; er hälts für einen Schlag, u. ist sehr hypochonder darüber. Sie hat mich gut u. ordentlich empfangen. Die Kalb u. Imhof die Gans (von der vermutl. der St. Jalousie herrühren mag) waren auch da. Es wurde in der Reise der la Roche gelesen, die, wie ich auch daraus wiedersehe, die leibhaftige Schwester von Lavater ist. Die Kalb u. ich haben laut unser Urteil gesagt u. die Schardt stimmte sanft bei. Die übrigen staunten. Die Kalb ist ein trefflich Geschöpf – ich bin ihre Vertraute; u. ich glaube daß sie jedesmal gestärkt von mir geht. Sage aber niemand von unsrer nahen Freundschaft. Ihr Verhältnis wird sich über lang oder kurz ändern; sie ist in einem unwürdigen u. leidenden Verhältnis, das ich aber nicht dem Papier anvertrauen kann. Ich bin die einzige hier zu der sie spricht.
Nun lebe wohl liebster Engel. Ich habe einen gewaltigen Schnupfen u. Kopfweh. Mein Gemüt ist aber wieder aufgerichtet, gesund u. heiter. Wie verlange ich nach der Nachricht daß Du völlig abgeschnitten bist; nur mit D. noch gut bist, er verdiente nicht in die Hände einer solchen Coquette zu fallen, die ihm die Haut über die Ohren streifen wird.
Es fällt mir so eben ein, ob es nicht gut wäre, sich bestimmt bei D. zu erkundigen, ob er Dir vor Deiner Reise Geld geschickt habe? ob er auch der Ungenannte ist [oder] ist ers nicht. So dünkts mich, nimmt Dein Geldverhältnis noch immer eine andre Wendung. Ich schreibe Dir das Briefchen das dabei lag ab. Damit Du nochmals siehst was darin gestanden. Nur mußt Du freilich klug oder gerade zu fragen. Doch überlasse ich Dir den ganzen Gedanken. – Schreibst Du noch nicht bald an die Herzogin u. den Herzog? Es ist doch fatal daß mein Brief vom 22. Aug. nach Augsburg [fehlt].
Weimar, 31. 10. 1788 [?]
Liebster Vater.
Wie sehr hat mich Ihr lieber Brief an uns gefreut, darinnen Sie uns soviel gutes und herzliches schreiben, ich danke Ihnen recht sehr dafür, daß Sie auch unserer in Rom gedacht, und uns etwas von sich geschrieben haben. Ich freue mich recht sehr auf Herrn Moritz, der uns recht viel von Ihnen und von Rom erzählen wird. Bleiben Sie nur gesund, liebster Vater trotz dem Sirocco, wir wollen Ihnen gewiß immer gute Luft zuschicken, und der Tramontane soll Ihnen allemal Glück, Freude und Gesundheit bringen. Wir sind bisher gottlob alle recht gesund und wohl, und Gott wird uns ja auch noch fernerhin Friede, Freude und Gesundheit geben.
Ich muß Ihnen doch auch etwas zu lachen schreiben, das mir passiert ist: Am WillhelmsTage stand ich in der Kirche neben dem H. Hofmaler Cleß, der bald 80 Jahr alt ist. Dieser fing ein Gespräch mit mir an, ohne mich zu kennen, und beklagte sich sehr über die jetzigen Zeiten. »Vor Alters, sagt er, da war es doch noch etwas, aber ach! wie sieht es jetzt mit uns aus!!! – Man sehe nur die Geistlichen an, sie treten auf die Kanzel, reden und reden, und wissen nicht was. – Ja! und der Superintendent ist da nach Italien gereiset bloß aus Neugierde, er wird gewiß nicht auf die Kanzel treten und uns erzählen wo er gewesen, und was er gesehn hat, ob er weiß, ob der Papst einen goldenen oder dreckigten Pantoffel an hat,« u. d. gl. mehr, das uns rechten Spaß gemacht hat. Leben Sie wohl, liebster Vater. Der Herr Konrektor und Herr Schäfer grüßen Sie bestens, auch Herr Rudolph, der Ihnen sagen läßt, daß es im Seminario recht gut ginge. Leben Sie wohl, wohl! und gedenken Sie
Ihres gehorsamsten und Sie zärtlichst liebenden Sohnes
Gottfried Herder.
Weimar, 31. 10. 1788
Mein lieber, du verzeihst einer treuen Meinung, wenn sie dir einen unangenehmen Tag machte. Es ist so gefährlich, in die Ferne sittlich zu wirken. Spricht man mit einem Freund, so fühlt man seine Lage und mildert die Worte nach dem Augenblick. Entfernt spricht man nicht recht, oder es trifft nicht zur rechten Zeit.
Dein letzter Brief erquickt mich. Was ich wünsche und bitte, das tust du; setze dich zusammen, laß das Verlorne verloren sein, aus dir wird dirs gewiß wohl.
Ich bin sehr einsam und fleißig. Des alten Königs nachgelaßne Werke machen mir gute Tage.
Deine Frau und Kinder sind wohl. Der Herzog ist nach einer beinahe zweimonatlichen Abwesenheit zurückgekommen. Knebel sitzt in Jena. Die Herzogin lebt still, wie immer. Adieu, genieße die Zeit.
G.
W. d. 31. O. 88.
Rom d. 1ten 9br 88.
[ . . . ] Den Abend waren wir bei der Angelica, die sich fleißig zu uns hält. Bei diesen allen ist der alte Reifenstein ein gar lieber und lehrreicher Gesellschafter, er wird ordentlich wieder jung, und will die Herzogin gar nicht aus den Augen lassen, sie mags anstellen wie sie will. Gewöhnlich kommt er Vormittags und bleibt bis Abends beinahe 10 Uhr, da gehts denn überall in ganz Rom herum, bis Mittags wo die Minestra sehr gut schmeckt, und Abends versammeln wir uns um einen großen runden Tisch, wobei gezeichnet und geschwätzt wird. Jetzt ist zu dieser Versammlung auch noch ein Abade gekommen, Ceruti, er hat den Homer übersetzt und Herder hat ihn zu uns gebracht. Es scheint ohne eine solche Figur kann in Rom keine Gesellschaft bestehn. Dieser scheint ein verständiger Mann. Herder ist seit einiger Zeit wie umgewandt; er ist wohl und fröhlich und genießt in reichem Maße. Zu dem Glück was uns hier beschieden ist, gehört gewiß auch seine Gegenwart. Er ist fast beständig mit uns und meinen lieben Reifenstein hat er auch beinahe eben so lieb als ich ihm selber habe.
[ . . . ]
Gedenken Sie mein! und schreiben Sie bald
Ihrer G.
Rom den 1. Nov. 1788.
Wissen Sie wohl mein teürer freünd ich komme nach Weimar – hätten Sie sich das wohl träumen können. Ihro Durchlaucht die Frau Herzogin hat unseren guten Hrn. Rat Reiffenstein – Zucchi und mich auf das gnädigste eingeladen entweder mit Ihr zurück oder Ihr zu folgen. Die fräulein von Gechhaußen – der Herr Herder – waren zugegen, stimmten auch mit über ein – wie war es möglich ein so schönen antrag der auf die gnädigste art gemacht wurde zu widerstehen. Das Versprechen wurde gemacht, so ferne die umstände es erlaubten. Das glückselige Weimar das, seit dem das Glück mir gegönnt Sie zu kennen, ich so oft beneidet habe, wo ich mich mit gedanken so oft und so gerne aufhalte, sollte ich das sehen, und Sie da sehen, oh schöner traum! doch noch vor die Reise angehete hoffe ich Sie noch einmal in Rom zu sehen, indessen habe ich Ihnen zu danken mein bester freund, das die frau Herzogin sich so gnädig gegen mir erzeigt, diese gnädige fürstin hat meine Wohnung schon verschiedne mal beehret und erlaubt mir zu Ihr zu kommen, wie oft wird von Ihnen gesprochen und welche freüde fühl Ich in meiner Seele. Vor einigen Abenden gingen Ihr Durchlaucht mit der ganzen gesellschaft, nämlich Herr baron von Dalberg – die frau von Seckendorf, Herr Herder p. nach dem Museum. Zucchi und Ich, hatten die Ehre auch mitzukommen. Das war vor mich ein großes fest aber mir fehlte doch noch etwas mein Vergnügen vollkommen zu machen, Ihr namen erschallte im Saale der Musen, ich sah mich um und sehe Sie, aber nur im Geiste. Da wir alle vor dem Apollo gestanden, wurde proponiert dem Gott ein gebet zu opferen, Herr Herder sagte es würde wohl ein Jeder, oder eine Jede, eine eigne bitte an den Gott zu machen haben, meine bitte an den Apollo war, das er Sie inspiriere nach Rom zu kommen, das mein bitten doch erhöret würde, das müßte sein ehe dem Ich nach Weimar Komme, wie angenehm ist die ganze gesellschaft, wie gut wie vertraulich, und wie sehr lieb hab ich die fräuln von Gehaußen, sie ist so verständig und so lebhaft, und findet sich so wohl, so auch die fürstin scheint sehr vergnügt zu sein, das wetter ist so schön, alles zeigt sich so vorteilhaft, die frau von Seckendorff empfehlet sich Ihnen auf das beste.
[ . . . ]
W[eimar,] den 8. [7.!] Nov. 1788.
Zu einer süßen Stunde kam gestern Dein lieber Brief vom 22. Okt. mit dem Röschen u. dem Dorn, Du mein liebstes Herz. Ich war den Nachmittag bei der Stein u. sie beredte mich in die Komödie zu gehn; es war eine Operette von Sardi: wenn sich zwei streiten gewinnt der dritte. Die Musik ist unvergleichlich u. mehr als jemals sind mir die liebenden Arien süß u. zärtlich gewesen. O Du mein Leben, Du warst in dem innersten meines Gefühls bei mir – alles glühte an mir wie ich nach Hause kam u. ich wachte heute frühe wieder mit Dir auf, Du warst bei mir in meinem Bettchen, ach wie verlangte ich nach Dir! Du Süßer. – Wie wird es Dir u. mir ergehn, wenn Du nun die vortreffliche Musik in Rom hörst! Da bei mir, durch das geringe Spiel, die ganze Phantasie erregt ist. Goethe scherzte letzthin: es würde Dir nicht eher wohl werden in Rom, bis Du liebst. Gebe das gute Schicksal Dir gute Stunden, für manches lange Leiden; nur sei klug u. vorsichtig lieber Engel – über den Alpen bist Du wieder ganz mein; ja Du bist mein, Du bist mein. Vorgestern Abend nach 9 uhr, da ich allein war u. meine Haare aufwickelte, sagte ich mir das Lied vor »Hoher Freundschaft Sympathien pp u. da ich an der Zeile war: u. sind jetzt, was noch – als Widerhall? hob sich ein Stuhl in der Stube auf u. wieder nieder, als ob ihn jemand sehr laut niedersetzte; so war den ganzen Abend und Tag vorher, meine Seele aufmerksam auf alles. Bei dem neuesten Himmel, rauschte der Wind in unserm Garten sonderbar – es war kein allgemeiner Wind. So hagelte es auch, den Mittwoch (als vorgestern) Abend um 6 uhr da die Kalbin bei mir war, auf einmal sehr heftig u. war sogleich wieder Sternenhell u. der Himmel heiter. Gehe es Dir allein nur wohl. Wie gern möchte ich alle Deine Leiden auf mich nehmen.
Es ist in dieser Woche nichts besonderes vorgefallen. Vom Herzog höre ich nichts. Die Herzogin soll wohl u. in der Hälfte der Schwangerschaft sein. Sie ist gestern auch in der Komödie gewesen, hat sich aber nach mir nicht umgesehn, wie es immer ihre Gewohnheit ist. Ich bin seit Deiner Abwesenheit nur 2mal bei ihr gewesen den 20. August, u. den 22. Okt. Sie nimmt an Dir herzlich Teil; u. ich warte mit Schmerzen auf einen Brief von Dir an Sie, so wie an den Herzog. Knebel ist noch in Jena u. will nicht herüberkommen ohnerachtet sein Logis bereitet ist. Er leidet, glaube ich, wieder durch den Herzog. Es ist Waffenstillstand zwischen Schwed. u. Rußland; die Preußen marschieren also nicht u. unser Held muß also auch zu Hause bleiben. [ . . . ] Auch sagt man in der Stadt, daß die Herzogin, nicht länger als ein Jahr ausbleiben wird, weil alles noch einmal soviel kostet, als sie geglaubt hat. O wie zähle ich bei Dir Tage u. Stunden. Wie freuten wir uns den 6. Nov. daß nun 3 Monate zurückgelegt sind! Gott wird die übrigen auch überstehn helfen. Wenn es Dir nur wohl wird Du armer geplagter! Wie ich mich über Werners Genesung freue, kann ich nicht beschreiben. O wie gut ists daß Du von Deiner Gesellschaft geschieden bist. Das war ja ein unvernünftiger Kurs, mir ist lieb daß er abgeschnitten ward. Sehe für Dich allein. O wie schön hattest Du in Bamb. u. Nürnberg gesehen, da Du allein warst! Tilge in Deinem Gemüt das Vergangene aus u. genieße u. sehe! ich lasse Dirs nicht an Geld fehlen, das schwöre ich Dir! Gehe ja gut in Kleidung! ich bitte, bitte.
Voss aus Berlin hat gestern für das Honorar, der verbesserten Preisschr[iften] 50 Rtlr. oder 10 Louisd. gesandt; u. weiter nichts dabei geschrieben. Das kommt nun auch in Deine Sparbüchse für Rom. [ . . . ]
Die Kinder sind gesund u. fröhlich. Sie tun alle 4 ihr möglichstes im lernen aber auch im rasen u. ich verbiete es ihnen nicht. Frühling währt nicht immer. u. mich jammert ein jeder trübe verschwundener Augenblick – denn er kommt nicht wieder, da ich ihn besser hätte brauchen können. Die Zeit die Zeit sie ist unser Schatz. Deine Trennung u. Abwesenheit o wie öffnet sie mir die Augen! Wenn sie keinen andern Vorteil uns brächte, als unsre Zeit unsern Schatz zu gebrauchen, so hätten wir schon dadurch gewonnen. Ja liebstes Leben, ich hoffe so viel über mich zu vermögen, daß Du durch mich keinen trüben Augenblick haben sollst.
Ich habe Dir im vorigen Brief die Abschrift vom Brief des Unbekannten geschickt, ich erzählte es Goethe u. sagte wie wichtig es für uns sei jetzt zu wissen ob das Geld von Dalb. sei. Da antwortete er: ihr habt das bisher immer so gewiß angenommen, als obs D. sei; man glaubt aber es sei der Markgraf von Baden, Dalb. sei dabei meliert gewesen; ich habe ihn so eben durch ein Billet gefragt ob er mir etwas Gewisses hierüber sagen könne? er antwortete aber nichts darauf. Verzeihe daß ich noch einmal diese Sache berühre; es ist aber das letztemal u. ich werde in keinem Brief mehr daran denken. Nachdem was Goethe gesagt wird es mir evident, daß es der Markgraf ist u. D. was davon weiß. Ja da er Dich einiges hat bezahlen lassen, so kommt es mir vor als haben sie auf Deine Person wegen den 1200 Rtlr. Jacht gemacht, damit er Dich nicht in allem frei halten dörfe. Diese Vorstellung empört mein ganzes Gemüt; uns das zu entziehen, was das gute Schicksal uns zuwenden wollte, u. wir auf einmal aus allem Labyrinth gekommen wären. Es schmerzt mich bitter, wenn ich daran gedenke; u. an die Hure wendet ers. Doch es mag sein. Wir werden gerächt werden. Der liebe Gott hilft uns gewiß. – Nun künftig kein Wort mehr davon! Die tausend Grillen u. Sorgen habe ich mir durch das Spinnen zu vertreiben gesucht; u. es ist mir jedesmal gelungen; das Spinnrädchen ist wie jenes Epigramm »flieht ihr Sorgen!« Meine Haare sind indessen um die hälfte grau geworden, u. dies danke ich der schönen S. Nun gutes Herz auf meine grauen Haare mußt Du nicht sehen; wenn Du wieder kommst, sind alle Schmerzen vergessen. Der gute Gott erhalte Dich nur gesund, u. behüte Dich vor dem Sirocco. Die Tramontane weht Dir meine treuen frommen Wünsche zu. O sie sollte Dir immer wehen, meine Gedanken sind ja immer bei Dir. Lebe wohl wohl treue Seele. Lebe wohl u. gedenke mein u. sei mir ein wenig gut. Gott sei mit Dir u. erfreue Dein Herz u. Gemüt!
C. H.
Gottfr. u. August küssen u. grüßen Dich herzlich, noch eins. Vorigen Sonntag stund ich mit dem Gedanken auf, ein Pasquill auf einen Deiner Feinde zu machen, ich beschäftigte mich beim Anziehn ganz damit. Da kam das Luisgen mit Gleims Fabeln u. las mir: »manche Blume hat doch Gift u. du saugst aus allen Blumen – ja das Gift laß ich darin.« Wie beschämt ich in meiner Seele war, kannst Du denken. Die Kinder sind meine Engel u. Wächter geworden; u. Du mein zweiter Schöpfer u. Bildner! Lebe wohl bestes Herz! ich küsse Dich für das Röschen u. den Dorn.
Alles grüßt u. liebt Dich.
[…]
Jena, den 7. November 1788.
Schon längst hätte ich bei Ihnen, liebster Herder, meinen armen Besuch in der großen und reichen Hauptstadt der Christenheit abgelegt, wenn es nicht auch mit der nachlässigen Zögerung ginge, wie mit andern Übeln; sie hängen an einander. Stets erwartet man die Stunde, die dem Freunde geheiligter und gewidmeter wäre, und darüber vergehen Stunden und Tage. Indes ist meine Seele oft und innigst bei Ihnen, Sie seelenlieber Mann und Freund! Ihre gleichfalls seelenliebe und werte Frau gibt mir zuweilen Nachricht von Ihrem Dasein; die nehme ich dann begierig auf und teile gelegentlich meinen Ansbacher Geschwistern mit, die immer von Ihnen wissen wollen und denen Sie zum Heiland geworden. Ich wünsche nur, daß Sie alles Gute, was um Sie ist, mit vollem Herzen genießen möchten, und das übrige in die faule Tiber werfen. Sie kommen in dieses Tal der Cimmerier wieder zurück, und erinnern sich dann wenigstens des schönen Sonnenscheins mit Freuden. Mich hat Ihre schöne Lebensfreude vom Anfange Ihrer Reise an sehr ergötzt; dabei lassen Sie es; es ist ja sonst nicht der Mühe wert zu leben. So ist es mit uns, von denen es kaum der Mühe wert ist zu sprechen. Das Beste, Schönste, was das Leben macht, ist Anteil und Freude; die sind bei uns nicht zu finden; man hat für Nichtswürdigkeiten und fremde Dinge seinen Anteil und sein Vermögen hingegeben.
Doch damit will ich keinen Schatten in einen lichten Augenblick von Ihnen mischen; der Mensch lebt ja schon durch Gewohnheit und lebt auch bei den Pescherähs – – da geht es uns also recht gut hier.
Ich lese seit kurzem Barettis Briefe über Italien, und da habe ich noch öfter Gelegenheit an Sie zu denken. Sie sind trefflich geschrieben, und desto besser, da sie einen gewissen Engländer Sharp zu Grunde richten, der schlimm von Italien geschrieben. Der Italiener, der sie Englisch geschrieben und dieser Nation und Sprache sehr kundig, mordet mit einem doppelten Dolch seinen unwissenden Gegner, den sich selbst dünkenden Englischen Arzt und Kaufmann. Auch sind jetzt des Königs von Preußen Werke erschienen und beschäftigten wahrscheinlich den denkenden Teil von halb Europa. Ich habe erst seine Briefe an Voltaire und Argens gelesen und jetzt lese ich Histoire de mon temps. Dies ist ein Codex gesunder Vernunft in Geschäften, militärischer und politischer Politik. Es ist das einzige Buch seiner Art, mit unerhörter Freimütigkeit, männlichem Geist und Kraft geschrieben. Der Stil ist nachlässig schön und groß, selbst wo er witzig ist und häufige Anekdoten sagt, die ihm ganz ein eigenes Leben geben. So kann nur der schreiben, der selbst im Zentrum der Dinge sitzt und den das Seinige so sehr interessiert. Unsere Fürsten könnten nachahmen; aber was werden diese nachahmen, die nichts interessiert als Ausschweifung oder Torheit! Aber ihre Verachtungswürdigkeit und Inkonsequenz erhält auch in diesem Werke blutige Streiche, die gewiß vor den Augen der Nachwelt werden da stehn bleiben.
Ich lebe noch immer im alten Jena und fürchte mich nach Weimar zu gehn, obgleich, wie ich wohl weiß, viel Gutes da ist. Aber es baut und trägt nichts zusammen und kann wohl auch nicht, und das ist denn kein gutes menschliches Leben. Lassen Sie uns eine Kolonie aufrichten, Lieber, wenn Sie wieder zurückkommen! So klein die Mittel sind, so schmal der Boden, so wechselnd der Himmel, so soll es uns gewiß wohl sein, wo nur ein gemeinschaftliches Interesse ist. Hier ist es Landesverbrechen, ein gemeinschaftliches Interesse zu haben und ohne das wird es keinem Menschen wohl.
Goethe ist zuweilen bei mir. Letzt war er verschiedene Tage hier. Er ist nicht wohl fähig, eine andere Vorstellungsart aufzunehmen als die seinige, oder er macht jene zu der seinigen. Ich habe seinen dringenden Geist in allem, dessen sich seine Vorstellung bemeistern will, noch wahrer als sonst angestaunt. Die Kunst hat ihn ganz eingenommen; er sieht solche als das Ziel aller menschlichen Erhöhung. Ich kann solches in seiner Seele begreifen, wenn nämlich sinnliche Blüte für das höchste Dasein der Menschheit erkannt wird. Er ist geboren und gebildet zum Künstler, und nichts kann ihm weiter sonderliche Nahrung geben.
Adieu, mein Lieber! Nehmen Sie meinen Herzenskuß zum Zeichen des Andenkens! – Grüßen Sie und empfehlen Sie mich allen Freunden: der Herzogin, Dalberg, Einsiedel u. s. w. Sie sollten wohl ein gutes Leben unter sich führen können!
Rom, den 4.[/8.] Nov. 88.
Es ist jetzt 8. Tage, liebes Leben, daß ich nicht an Dich geschrieben, u. auch diesen Br. lasse ich bis zur Sonnabendpost warten, da ich gehört habe, daß es auf ihr sichrer sein soll. Deine Br. habe ich bisher alle u. zwar unaufgebrochen erhalten; den vom 22. Aug. nach Augsb. adressiert ausgenommen, worüber ich denn an Moriz Auftrag gegeben habe, ihn zu erhalten. In Parma hat auch einer, wie Einsiedel sagt, gelegen; ich weiß nicht, ob es derselbe ist: ich habe sogleich ans Postamt geschrieben, aber bisher noch nichts empfangen.
Deine Br. vom 12. u. 17. Okt. habe ich heut bekommen, u. mich freut herzl. Eure Gesundheit u. Euer Teilnehmen. Aber, liebes Weib, die Regeln aus Göthe's Munde schmecken mir nicht. Was sollen die Tadeleien, die Korrektionen, wo uns ja das Schicksal selbst scharf gnug korrigieret. Ist diese zärtliche Schonung meine Eigenheit: so kann ich nicht dafür; ich kann ohne sie nicht leben, u. will lieber untertreten werden, als untertreten. Du hast überhaupt gefehlt, daß Du ihm aus meinen Br. so viel mitgeteilt hast; ich schrieb für Dich, u. gewiß für keinen andern: ich bat Dich auch ausdrücklich, niemanden von dem allen, was hier zwischen uns vorging, zu sagen. Gutes kann daraus auf keine Weise erwachsen: denn sowohl von dem Beklagt- als Ausgelacht werden, welche beide Stücke im menschlichen Leben oft wechseln, halte ich nichts. Wie Göthe hier gelebt hat, habe ich Dir schon geschrieben, kann, mag u. will ich nicht leben; verzeihe mir den Kommentar hierüber, der sich eher sagen, als schreiben läßt. Bei meiner ganzen Reise habe ich mir keinen Fehler vorzuwerfen, als daß ich mit einem Menschen, wie D. ist, eine solche Reise aufs ungewisse unternommen hatte; mit diesem Fehler war Alles getan, u. in Augsb. war, das könnt Ihr mir glauben, nichts mehr zu ändern, als daß ich zurückgereiset wäre, welches denn offenbar mir ein Schimpf u. ihm höchst angenehm gewesen wäre. Also spart jetzt Eure Weisheit, lieben Leute, gebt mir Rat wie Ihr wollet; tadelt aber nicht, u. philosophiert nicht, weil das letzte, weiß Gott, auf nichts passet. Göthe spricht über Rom, wie ein Kind, u. hat auch wie ein Kind, freilich mit aller Eigenheit, hier gelebet; deshalb ers denn auch so sehr preiset. Ich bin nicht G., ich habe auf meinem Lebenswege nie nach seinen Maximen handeln können; also kann ichs auch in Rom nicht. Ich nehme aber, so viel ich kann, meine Vernunft zusammen, um so würdig, u. gut zu handeln, als sich unter einer gegebnen Reihe von Umständen handeln läßt. Das Alles ist bloß für Dich geschrieben, u. ich bitte Dich, mein Gebot diesmal nicht zu übertreten.
Von D. bin ich jetzt ganz los; ich ließ den Apfel so lang hangen, bis er abfiel, weil ich nach meinen Grundsätzen, die ich nun einmal befolgen muß, ihn mit Gewalt nicht abschlagen wollte. Eben als ich vor 8. Tagen den Br. an Dich u. an die Kinder geendigt hatte, ging ich zu Tisch, u. war ungewöhnlich still u. schweigend. Teils war ich nicht recht wohl, weil ich Halsweh hatte, teils war mir auch alles so sehr zu Halse gestiegen, daß ich kein Tischgespräch halten konnte, sprach aber nach Tisch mit ihm gut u. zart wie gewöhnlich; ging aber gleich weg, u. setzte meinen Kurs fort. In der Nacht drauf fiel mein Bett auseinander; ein Brett nach dem andern, u. ich sank mit den Betten zur Erde. Ich wunderte mich drüber, stand morgens auf, u. war eben auf der Straße, um nach der Villa Pamfili u. der Verklärung Raphaels mit Hirt zu gehen, als ich ein Billet von ihm, eines sonderbaren Inhalts, erhielt. Er beschwerte sich nämlich, über meine unerklärliche Art mit ihm zu exsistieren, wobei wir alle zu Grund gehen müßten u. f. Er sinne alle Augenblicke drauf, mir Freude zu machen (NB seit der Endigung oder vielmehr dem Abbrechen unsres elenden Kurses waren wir völlig getrennt, u. hingen bloß durch den jämmerlichen Tisch an einander: er fuhr mit der S. aus, u. war ihr Demonstrator; ohne mir je einen Antrag zu tun, mitzufahren.) Sobald der Banquier in die Stadt käme, fuhr er fort, wolle er mir die verlangte Summe Geldes auf einmal zustellen; u. f. (Ich bringe dies Billet, wie alle mit.) Nun war freilich meine Geduld zerrissen; ich setzte indessen meinen Gang fort u. schrieb ihm nach dem Essen ein kurzes gutmütiges, aber kräftiges Billet, das mich ekelt zu wiederholen. Der Inhalt war, er sollte die 1000 T. für meinen Aufenthalt in Rom u. Neapel, u. die 600 T. zur Rückreise schicken, sobald es ihm beliebte; bliebe davon etwas übrig, sollte ers in Manheim haben. Übrigens habe ich heut zum letztenmal mit ihm gegessen u. f. – Das war Donnerst, den 30. Okt. Mein Bett wurde gemacht u. ich schlief recht sanft. Freitags vor 8. Uhr kam er selbst zu mir, sagte, daß er es bei solcher Trennung nicht könne bewenden lassen, die Summe Geldes gebe er herzl. gern. Mich ärgerts, weiter zu reden, was Er u. was Ich sagten: kurz, er ging weg, u. ich, mit leichtem frohen Herzen, als ob mir ein Stein vom Halse sei, bestieg die Peterskirche, bis oben zum X., die ich Einem von den Kindern einmal beschreiben werde. Es war ein gar schöner Tag. Drauf ging ich mit Hirt u. Schütz, die beide oben gewesen waren, zur Villa Madama, wo Buri u. Rehberg nachkamen, wir hielten ein fröhliches Mittagsmahl. Ich kam nach Hause, fand ein Billet, daß ich durch die Herzogin, d. i. durch die S., die der G[öchhausen] Billet an sie ins Billet an mich gelegt hatte, zur Angelika eingeladen war; ging also müde u. matt noch dahin; die Herz. brachte mich nach Hause, u. ich ging froh zu Bett, u. beschloß den Okt. fröhlicher, als ich ihn angefangen hatte. Seitdem esse ich nun für 5. Pauls zu Hause, u. lebe wie ein König. Auch W[erner] befindet sich dabei sehr wohl u. trefflich. – –
Rom, den 8. Nov.
Soweit hatte ich Dienstags gleich nach Empfange Deines Br. geschrieben, als Ein Besuch nach dem andern ankam, u. ich zuletzt nach der Angelika ging, u. bei ihr mit ein paar angenehmen Stunden den Tag schloß. Den Mittwoch drauf, weil es ein sehr schöner Tag war, zog mich Hirt wohl auf 12. 13. Millien umher; Abends kamen wieder Besuche u. der Tag ging zu Ende. Donnerstag früh ging ich mit Zoega zu Borgia nach Velletri (siehe drauf nach der Charte) wo er seine Villeggiatur hält u. mich zu sich gebeten hatte. Er hat mir Höflichkeiten erwiesen; er hatte es bestellt u. eingerichtet, daß ich bei ihm, d. i. im Hause oder Pallazzo seines Bruders, eines Malteserritters wohnen mußte, wo ich die besten Zimmer bewohnt habe. Ich wollte gestern nach dem Mittagsessen weg, es kam aber Gesellschaft, das Essen ward verzögert, u. die Nacht brach an, daß ich noch dableiben mußte. Die 2. Tage sind Teils mit seinem Museum, u. mit 1000. Merkwürdigkeiten, die er aus aller Welt Ende hat, Teils mit Gesprächen vorbei gegangen: denn die Villeggiatur zu genießen, wollte das Wetter nicht gestatten. Hier habe ich nun zuerst im Hause eines Römischen Nobile gewohnet, u. die innere Lebensart bemerket. Die Frau hat 11. Kinder gehabt u. gehet mit dem 12.ten; 6. leben: es sind gute Kinder, u. scheint eine brave Familie. Der Monsignor ist gegen mich ein guter, sehr gefälliger Mann. Ich habe 1. Zechin Trinkgeld im Hause gegeben, und gegen die Leute des Monsignors will ich in der Stadt auch nicht knickerich sein: denn das öffnet die Türen. Nun wieder zur vorigen Geschichte.
Ich lese über, was ich geschrieben habe, u. bitte Dich, es nicht übel zu deuten. Gebet mir in Allem Euren Rat u. verhehlet ihn nicht; schont aber meiner: denn die Lage, in der ich bin, zeigt mich mir selbst gnugsam. Ich wiederhole es: mein erster Fehler war, die Reise zu tun u. in meinen Jahren sie unter solchen Umständen, so ungewiß zu tun; das übrige konnte alles folgen. Ich werfe es mir nicht vor, solange getragen zu haben, u. mich eher haben wegstoßen zu lassen, als daß ich mich mit Caprice getrennt, oder mit Absurdität aufgedrängt hätte; das letzte ist, um alles in der Welt, nicht in meinem Charakter. Mein geheimer Widerwille gegen Leute dieser Art hat sich in seiner Wahrheit gnugsam geoffenbaret: Du weißt, was ich von der Unzuverlässigkeit auch des Koadjutors immer gesagt, u. wir ja auch erfahren haben; vor der Welt behält man ohnedas immer Unrecht mit diesen Leuten. Also muß ich nur suchen, daß ich auf eine gute Art loskomme, u. meine Reise honett vollende; von Deiner Seite ists nötig, daß Du von dem ganzen Verhältnis u. Mißverhältnis schweigest. Göthen kannst Du den Vorfall sagen; etwa der reg[ierenden] Herz. auch, wenn sie Dich fragt; sonst aber muß es ein Geheimnis bleiben; man lacht entweder, oder zuckt die Achseln, u. beides ist abscheulich. Verdorben ist einmal meine Reise, u. ich hätte sie nie tun sollen; doch wer weiß, wozu auch sie gut ist. Mir gibt sie einen Ruck auf mein ganzes Leben, ob sie mir gleich nie eine angenehme Erinnerung sein wird. Auch von Göthes Gesellen habe ich eigentlich wenig: es sind junge Maler, mit denen am Ende doch nicht viel zu tun ist, geschweige daß ich mit ihnen Jahrelang leben sollte. Göthe wohnte unter ihnen, u. wußte sie zu brauchen, wie er sie auch durch Arbeiten, die er für die Herz. M[utter] bestellte u. machen ließ, zu belohnen wußte; das alles kann ich nun nicht. Sie sind alle gutwillige Leute, die aber von meinem Kreise zu fern abliegen; der einzige, der mir recht wesentliche Dienste getan hat, ist Rehberg, ein Bruder des Schriftstellers in Hannover: ein verständiger Mensch, u. ich möchte sagen, der verständigste unter ihnen, der mir bei Kleidern u. sonst sehr gute Dienste getan hat, u. dem ichs immer gedenken werde. Hirt ist ein nicht böser Mensch; aber ein gelehrter Pedant, mit dem nicht viel zu tun ist, u. der manchmal meine Geduld auf die Probe gesetzt hat. Der Zoega, mit dem ich bei Borgia war, ist ein Däne, der hier geheiratet hat u. katholisch worden; er ist eigensinnig u. seltsam, wie ein Mensch, der sich durch Einen Jugendschritt seine Bahn auf immer verrückt hat; das hat ihm aber eine Tiefe gegeben, in sich zu arbeiten, wirklich ein Philosoph zu werden u. was Tüchtiges aus sich zu machen. Es steckt eine Gelehrsamkeit in dem Menschen, die selten ist, u. die ich auf der Reise erst, da wir vertraulicher wurden, kennen gelernt habe; Hirt ist gegen ihn ein leerer Topf u. eine klingende Schelle. Leider aber, daß auch diese eigentliche Römische Gelehrsamkeit völlig von meiner Straße abliegt: denn auch zu ihr werden Jahre erfodert, die ich nicht anwenden kann, noch mag. Ich bin fleißig, ohne daß ich im mindsten den Effekt meiner Reise berechne; sie ist eine etwas unangenehme Spazierfahrt gewesen: denn auch unser Oktober ist so gar angenehm nicht gewesen, u. die kalten Regenmonate sind vor uns. Ich bin geduldig, u. hoffe, wo ich nicht sehe u. fühle. Die Herz. M. hat den Oktob. hingebracht, wie ich; nur ich kann mich noch des Fleißes über sie rühmen. Überdem habe ich noch Frescati, Tivoli, Velletri gesehen, da keiner der andern aus Rom gewesen ist. Der Kardinal Buoncompagni u. Herzan haben sie besucht: Bernis hat zu ihr geschickt u. sie oft komplimentieren lassen; da aber im Oktober weder Gesellschaften, noch Geschäfte u. Audienzen sind, so hat sie bloß ihren Kurs verfolget. Ein einziges Gastmahl ausgenommen, wovon ich Dir die drolligte Geschichte erzählen muß, ob ich sie gleich noch nicht ganz weiß. Heut vor 8 Tagen komme ich zu ihr u. finde sie eben in einem feinen Konzert, das sie, Dalb., sein Kammerdiener u. Einsiedel hatten; die S. u. G[öchhausen] waren Zuhörerinnen; ich war dazu nicht gebeten, wie mich denn die Herz. noch zu nichts gebeten oder geladen hat. Als ich eintrete, sagt sie, »wären Sie doch eine halbe Stunde früher gekommen; ich habe 2. Kardinäle hier gehabt; ich bin auch hübsch zu einem Diné auf künftigen Dienstag vom Kard. Staatssekr[etär] eingeladen; Dalberg auch.« Ich gratulierte ihr, ließ es bewenden, u. ging bald fort. Montag gehe ich zu Einsiedel u. erkundigte mich näher, weil mir doch dies Partiemachen wurmte; da erfahre ich, daß der Kard. sie beinah auf die Folter gebracht habe, Leute zu nennen, die sie mitbringen möchte, u. daß er gens de lettres ausdrücklich genannt habe. Sie aber wie ein Kind verlegen, macht immer nur Komplimente, bis Dalb. angemeldet wird, u. Er selbst diesen wenigstens vorschlägt. Dalb. kommt mit der S.; er bittet weder diese, noch jenen, u. schickt am Montage nur zu E[insiedel], daß D. doch mitkommen werde. D. nimmts natürlich nicht an, unter dem Vorwande, daß ihm der Kard. ja selbst nichts gesagt habe, (eigentlich aber, weil die S. nicht mitgeladen war.) u. so mußte die Herz. mit den Ihrigen allein wandern. Ich habe seitdem noch nicht mit ihr gesprochen, weil meine Reise nach Velletri zwischenkam; was ich aber bei dem ganzen Vorfall tun zu müssen glaubte, war, ihr u. der G[öchhausen] gerade zu sagen, daß es sich nicht schicke, daß sie mich hier desavouiere (d. i. verleugne). Jedermann wisse, wer ich sei, auch die Kardinäle; nur habe ich bisher dem K[ardinal] Staatssekr. nicht aufwarten können, weil ich keine Adresse an ihn hätte, Bernis auf dem Lande u. der Senator nicht hier sei. Sie möchte die Gnade haben, dem Kard. bei Gelegenheit zu melden, daß ich ihm aufwarten wolle; welches sie denn auch, (etwas beunruhigt) zu tun versprach; ob sies getan hat, weiß ich nicht; es ist aber auch nichts dran gelegen. Bernis kommt diese Woche in die Stadt, u. da will ich mein Heil versuchen. Bei den Kard. Staatssekr. ist mir auch schon von jemanden angetragen, mich zu ihm zu führen; es war aber einer, von dem ich mich nicht eben gern führen lassen wollte. Und in Rom kommt auf alle das viel an; es ist im Zeremoniell u. Anstande die hohe Schule. Gestern bin ich bei Borgia der Prinzessin von Albanien (nat[ürliche] Tochter des verst[orbenen] Prätendenten) vorgestellt worden, die sehr neugierig auf mich war u. sagte, daß beim Kard. Herzan viel von mir sei geredet worden. Ein Gleiches habe ich von der Tafel des Span. Ministers gehört; wir wollen sehen, u. nichts versäumen, ob dieses alles gleich, wie Du siehest, meine Welt nicht ist u. sein kann. Die 2. Monate in Rom werden wie ein Traum verschwinden: denn u. vielleicht noch eher gehts nach Neapel; ich komme wieder, u. gehe sobald ich kann, nach Florenz u. weiter; weil mich eigentlich ganz Italien, nicht Rom allein interessieret. Gebe Gott mir ein gutes Schicksal; ich flehe sehr darum, u. weiß, daß Du es auch tust u. tun wirst. Grüße die Kinder; ich schreibe heute nicht an sie, u. nimm ja diesen Br. nicht übel. Glaube auch nicht, daß ich etwas gegen Göthe habe: alles, was er sagt, ist wahr, u. ich habe ihn lieb, wie meinen Bruder. Lebe wohl!
Nochmals lebe wohl, meine liebe! u. gräme Dich nicht. Alles geht gut u. wird gut gehen; nach Leid kommt Freude. Was sprichst Du von grauen Haaren, die Dir die S. macht; sie ist nicht wert, daß Du an sie denkest. Lebe wohl.
Weimar, 9. 11. 1788
[ . . . ]
Herder schreibt so viel Zärtliches an seine Frau, daß ihm keine Zeit noch Raum übrig bleibt, an andere, die nicht seine Bettgenossen sind, zu denken. Sagen Sie ihm doch viel Schönes von mir [ . . . ].
Weimar, 10. 11. 1788
Der fröhliche August hat Auftrag, den zwei Weisen des Landes meinen ehrerbietigen Gruß zu überbringen u. Ihnen Heil u. Glück zu wünschen!
Der Herr SteuerRat Ludecus hat mir heute inliegende zwei Briefe zum Einschluß an Sie gegeben, da er hörte daß August mit dem Erbprinzen zu Ihnen fährt. Er hat mir von der Feier des 24. Oktobers in Rom erzählt u. sagte daß in Ihrem Brief die Abschrift des Gedichts läge. Wollen Sie mir sie mitteilen bester Freund, so sind Sie gar freundlich darum gebeten.
Ludecus hat auch Auftrag Glaubrisch Salz nach Rom zu schicken u. hat mir ein Plätzchen im Paket für etwas literarisches angeboten. Wissen Sie oder Goethe eine neuherausgekommene Schrift die meinen Mann dort intressieren könnte, so bitte ich, nennen Sie sie mir, oder senden Sie sie mir, da unser Buchladen hier so schlecht ist. Eine andere u. größere Gefälligkeit würden Sie mir erweisen, wenn Sie den Hofr. Starke fragen wollten, ob das Glauberische Salz für die Reisenden, (wie es mich dünkt) bestimmt ist, u. ob das Carlsbader Salz nicht besser sei? Im letzten Fall will ich meinem Mann Carlsbader schicken, von dem ich noch eine Schachtel Vorrat habe. Sie werden mich durch eine baldige Antwort hierüber, u. wenns möglich wäre, durch die Botenfrau morgen, sehr verbinden.
Ich empfehle Ihnen meinen kleinen HofKavaliere unter Ihren Schutz u. Schirm, von meinem Mann habe ich gestern keinen Brief erhalten.
Leben Sie mit Ihren Gästen aufs beste wohl!
C. H.
Montag Abend.
Weimar d. 11. Novembr. 1788.
Liebster Vater.
Es hat uns allen heute recht viel gefehlt, daß kein Brief von Ihnen gekommen ist, wir hoffen aber daß Sie doch wohl und vergnügt sind, und wir warten recht auf den nächsten Posttag.
Der Herr Pastor Liebeskind hat an mich den zweiten Teil von den Palmblättern geschickt, und hat einen recht artigen Brief dazu geschrieben, darinnen es unter andren heißet. »Empfehlen Sie mich Ihrer Frau Mutter, und sagen Sie Ihr, daß mein Geist noch täglich nach dem Ideale ringe, das ich mir durch Sehen und Hören in ihrem Hause geschaffen habe.« Die Mutter meint das Ideal wären Sie, lieber Vater. – Die Vorrede ist auch recht artig, er wünscht »daß auch dieser Band der Empfehlung wert sei, mit welcher der erste von einem der größten und besten Männer so großmütig und so liebreich unterstützt ward.« Ich lese der Mutter darinnen vor, es sind schon verschiedene schöne Stücke gekommen, einige sind aber sehr kurz, und hören manchmal auf, wo man es gar nicht erwartet. Die Mutter sagt, es fehle manchen ein gewisses Ganze, und eine eigentliche Gestalt.
Die kalten Tage verhindern nun mich und Herrn Schäfer, daß wir nicht mehr so oft in der Bibliothek sein können, wir hoffen aber doch noch fertig zu werden ehe Sie wieder kommen.
Wir haben im Hebräischen die Psalmen beim Herrn Schäfer angefangen, und ich will mich bestreben daß ich auch so viel hebräisch lerne als Sie, und überhaupt will ich alle Ihre Tugenden nachahmen, damit ich einst auch ein solcher Vater, als Sie sind, werden.
Leben Sie wohl; behalten Sie mich lieb und denken Sie oft an mich. Meine Gedanken hängen stets an Ihnen und an Rom. Bleiben Sie gesund, und schreiben Sie ja oft, auch an uns, damit wir auch Ihre liebe kindliche Stimme mit uns hören, vale, vale, Χαιρε.
Ihr gehorsamster und Sie zärtlichst liebender Sohn
Gottfried Herder.
Weimar den 14. Nov. 1788.
Da es gestern 8 Tage waren, da ich Deinen letzten Brief vom 15. Okt. erhalten hatte, so habe ich den Abend gewiß auf einen Brief gehofft, aber vergebens, u. ich ging traurig zu Bette, liebes Herz. Ich hoffe zu Gott nicht daß Dich etwas unangenehmes abgehalten hat; oder gar Krankheit. Dies letzte ist mir entsetzlich zu denken, u. ich darf durchaus meine Gedanken nicht darauf richten; eine Bangigkeit u. ein Zittern in den Gliedern überwältigt mich gleich. Auch traue ich Deiner guten Diät u. Vorsorge jetzt soviel zu; daß ich hoffe, daß keine Hauptkrankheit an Dich kommen wird. Der liebe Gott wird sich ja über Dich u. uns erbarmen u. unser Seufzen erhören. Vielleicht hast Du meinen Brief an Goethe adressiert, u. er ist jetzt gerade in Jena, u. hört bei Loder Collegia mit den Studenten. Er ist seit Sonnt. dort. August fuhr mit dem Erbprinzen u. Riedel den Dienst. nach; er erzählte mir, daß Goethe bei der Zergliederung eines Kopfs gewesen sei. Goethe hatte mirs längst gesagt daß er auf 6 Wochen nach Jena gehn wollte. Es sind dies lauter Vorbereitungen zum CharakterStudium des menschlichen Körpers. Er tut sehr wohl daran u. ich wollte daß er den ganzen Winter drüben bliebe. Sein Betragen ist gar sonderbar. Vorigen Sonnabend wurden wir endlich zur Ansicht der Zeichnungen zu ihm eingeladen, die Stein, Schardt, Imhof u. ich. Wir hofften auf diesen engen Zirkel, weil es das erstemal war. Aber siehe, die Fr. von Oertel ihr Mann u. alle Kinder waren dazu geladen, auch Voigt. Die Kalbin kam nicht, da er ihr noch nicht einmal einen Besuch gemacht hat. Es war uns allen höchst unwohl u. ein jedes ging vor 7 uhr mit Vergnügen weg. Die Schardt erzählte mir hernach daß er den Tag vorher auf dem tanzenden Picknick, mit keiner gescheiten Frau ein Wort beinah geredet, sondern den Fräuleins nach der Reihe die Hände geküßt, ihnen schöne Sachen gesagt u. viel getanzt hätte. Die Kalb. findt das nun abscheulich daß er die jungen Mädchen auf diese Weise reizt pp kurz, er will durchaus nichts mehr für seine Freunde sein; ich vermute daß er nach Weihnachten bald zu Euch kommt; u. dies wäre sehr gut. Für Weimar taugt er nicht mehr; im Gegenteil glaube ich, daß das Gelecke an den jungen Mädchen, dem Herzog, der dabei war, eben nicht die besten Eindrücke gibt. Der Herzog kam den Sonnab. auch zu Goethe, er frug nach Dir u. sagte, ich solle Dir von seinetwegen sagen, ob Du nichts anderes als zärtliche Briefe an Deine Frau zu schreiben wüßtest, ich entschuldigte Dich aufs beste; es schien aber nicht daß die Entschuldigung ihm genügte er war ganz freundlich. Seitdem habe ich niemand außer die Kalbin gesehen. Der Ludecus kam auch diese Woche, bot ein Plätzchen für etwas literarisches an, indem er glauberisch Salz u. ein Skelett an Huschke nach Rom zu senden habe. Ich bin in der gelehrten Welt aber ganz fremd seitdem Du weg bist. Eine halbe Schachtel Carlsbader Salz hatte ich noch vorrätig; die sende ich Dir durch diese Gelegenheit, auf Anraten des Hofr. Stark. Indessen hat auch Er bei den Arzneien die er an D. Huschke schickt, Rücksicht auf Dich genommen. Gott gebe daß Du sie nicht brauchst. Mein Gott, wie unteilnehmend hat doch Goethe in allem geraten! Die Arzneien sollen in Rom so enorm teuer sein. Ein Gedanke ist mir diese Woche eingefallen, der gewiß wahr ist, u. den wir noch vor Deiner Abreise hätten beherzigen sollen. In einem geistlichen Staat, gilt doch der Geistliche am meisten, wie in dem militärische der Soldat; nun denke ich, ists ein Vorteil für Dich, daß Du ein Geistlicher bist, u. ich hoffe daß Dir Dein Stand bei allen Gelegenheiten gute Dienste tun wird. Es war ein törichter Gedanke, daß Du dort nicht als Geistlicher erscheinen mögest. Mir ists lieb daß es nicht anderst angegangen ist, u. daß mein stiller Wunsch erfüllt wurde. Hätte ich damals gleich diesen Vorteil anführen können, so hätte ich Dir u. mir manche unangenehme Empfindung bisher erspart. Die Räder meines Verstandes gehn eben gar zu langsam, u. werden so gehen bis das ganze Rad abgelaufen ist. Ludecus erzählte mir auch, daß ihr den Geburtstag der Herzogin gefeiert habt. Die Göchhausen hatte das Gedicht an Knebel gesandt, u. ich habe es von ihm erhalten. Es ist gar hübsch. Besonders hat mir der zweite Vers u. der letzte sehr gefallen; u. Dein gutes Herz ist überall ein Kleinod. Ich habe diesen Tag sehr an Euch gedacht was Ihr beginnen werdet; darum hat Euch auch die Tramontane geweht; sage dies mit meiner Untertänigkeit, der Herzogin. Alles hofft u. wünscht, daß sie künftiges Jahr wiederkommen wird, weil es dort sehr teuer ist. Ich denke in einem Jahr hat man für die Menge Geld, Italien satt, wenn man kein Künstler ist. Goethe gedeiht am Besten in Rom. Sein ganzes Wesen ist mir noch ein Rätsel, ich weiß nicht wie ich ihn entziffern soll? Vor mehreren Wochen, sagte er mir einmal, er für seine Person hätte viel Glück, ja es strömte ihm von allen Seiten zu, aber nur für andre habe er kein Glück. ich fühlte diese Wahrheit sehr tief. Sogar s[ein] Petschaft, mit dem Du mir siegeltest, hat mir nichts Gutes gebracht. Hier ist ein Briefchen von der guten, Engelguten Frankenb. auch eins von Knebel. Er kommt diesen Winter nicht nach Weimar sondern bleibt in Jena. Der Herzog scheint nichts für ihn tun zu wollen u. er flieht daher seine Gegenwart. Goethe wirds auch wohler in Jena, er fühlt sich dort zu Hause u. hier fremd; das sagte er mir selbst.
Neues geschieht doch gar nichts. Den alten Direktor hat Dein Gruß so sehr erfreut daß ers in Prima gerühmt hat. [ . . . ]
Hier sagt man, daß die Seckend. in Rom nicht in Gesellschaft gehe, weil sie Wohlstandswegen nicht gehn kann. Ist es an dem? Du schriebst mir noch in keinem Brief daß Du mit Dalb. in eine Gesellschaft gegangen seist. Geht er nie mit Dir in Gesellschaft zu Kardinälen oder andere Vornehme oder Gelehrte?
Ich bitte, was ich Dich bitten kann, liebster Engel, reise nur nicht mit ihnen zurück. Sonst ist Deine Reise von Anfang bis Ende verloren u. verdorben. Ach lasse Dich ja nicht bereden. Sie werden alles anwenden, u. ihre Pfiffe werden aufs Höchste gehn; aber lasse Dich nicht berücken von dieser niederträchtigen eitlen Pfiffigen Seele. Nach Neapel gehe doch auch allein, liebes Herz; u. lasse Dich nicht wieder mitschleppen; er mags jetzt empfinden, wie er Dir manquiert hat.
Die Kinder sind Gottlob wohl, sie frugen heute gar oft, ob denn kein Brief gekommen sei? Das Schreiben will mir heute auch gar nicht rücken, ich bin halb verstimmt, gedrückt u. matt. Gott sei mit Dir Du Guter, u. erquicke Dich. Ich war heute oben in Deiner Stube. Wie leer ist es da! aber wie wird es Dir sein, wenn Du in dieser Leere u. Einöde wieder wohnen sollst. Und doch finde ichs nicht leer. Wie manche Stunde haben wir eigentüml[ich] da gelebt, in Freude u. Leid. Gott öffne uns immer mehr die Augen über das was er uns gegeben hat. Lebe wohl Lieber Einziger, Lebe wohl, gesund u. heiter. Sei glücklich u. gedenke mein:
Deine Treue.
ich träume fast alle Nacht von Dir, Du guter Engel; vielleicht gedenkst Du hier[her,] gedenkst Du meiner.
Weimar, 14. 11. 1788
Liebster Vater.
Nun schreibe ich wieder dem Leiter unsers Herzens, u unserm besten geliebtestem Vater. Ich habe Ihnen viel zu schreiben: Wir haben neue Kleider bekommen, die grün aussehn, u den Sonntag haben wir sie zum erstenmal beim Prinz angehabt. Den Dienstag bin ich als den 11 Novembr mit dem Prinz wieder in Jena gewesen, den Abend sind wir bei H. Professor Batsch gewesen, der hat uns lauter chymische Experimente gemacht. Den Mittwoch kam der Herzog auch hin, Nachmittag ist er mit H. Geh. v. Göethe in das Collegium von der Anatomie, welches H. Prof. Loder liest gegangen. Der H. Geh. v. Goethe ist schon den Sonntag nach Jena gereist, u bleibt noch 14 Tage dort, er geht alle Tage von 3-4 Uhr ins Collegium. Den Dienstag sagte er zu mir, wenn es appetitlicher wäre, so hätte er mich mit genommen. Den Mittwoch um 4 Uhr fuhren wir wieder fort. Nun habe ich erzählt was passiert ist, Von meinen Studien, will ich Ihnen nichts erzählen, bis sie selbst kommen, sehen u hören was ich gelernt habe. Leben Sie tausendmal wohl, u denken Sie oft an mich wie ich immer an Sie denke.
Ihr gehorsamer Sohn August Herder.
den 14 Novembr. 1788
Weimar, 14. 11. 1788 [?]
Lieber Vater.
Ich habe sie recht lange nicht geschrieben. Es ist was sehr Merkwürdiges in unserer Stadt; denn das Alte Schloß wird wieder Aufgebaut, aber es wird 10 Jahre dauern ehe es Aufgebaut ist. Denn es nimmt sehr viele Zeit weg. Mit unserer Römischen Geschichte geht es ganz gut. Der Herr Schäfer grieset Sie, und griesen Sie den Werner. Ich habe ihren Brief den sie an mir geschrieben haben der Frau von Frankenberch [gezeigt] denn sie hat einen Babakei, ein Rotkehlchen und einen Spitz, leben sie wohl
Ihr getzreier Sohn Adelbert Herder.
Weimar d. 14t. Novembr. 1788.
Lieber Werner
Ich danke Ihm recht sehr für seinen lieben Brief, den er noch mit kranker Hand an mich geschrieben hat. Ich habe ihn allen im Haus vorgelesen und seine Krankheit hat uns wieder aufs neue geschmerzt. Wir wünschen daß die nahrhaften Speisen ihn jetzt völlig wieder gesund gemacht haben. Die Mutter sagt, wenn er an statt den ölichten Speisen, die er mit Ekel und Ärger gegessen hat, nur lauter Obst genossen hätte, so wäre er nicht krank geworden. Schone er sich nur jetzund, und nehm er sich bei allem wohl in Acht, und folge er dem H. D. Huschke. Der Herr Hofkirchner Koch hat auch recht oft nach ihm gefragt, und läßt ihn grüßen. Wenn er wieder kommt, so will ihm die Mutter rechte nahrhaftige Speisen kochen lassen, denn er wird wohl wie ein Geist aussehen. Sorge er doch auch ja für unsern guten Vater; die Mutter läßt ihn recht sehr darum bitten. Auch möchte er doch nicht vergessen die schwarze Wäsche alle 8 Tage der Wäscherin zu geben, damit immer alles weiß ist. Der Brief an die Henriette ist nach Magdala geschickt worden. Sie braucht dort eine Kur und bekommt von der Mutter die Woche einen halben Taler Kostgeld. Seine Schwester ist vor einigen Tagen auch da gewesen, meine Mutter hat die Grüße an sie ausgerichtet, und selbst mit ihr gesprochen. Sie hat sich gefreut daß er wieder wohl ist, seine Mutter und Schwester grüßen ihn vieltausendmal. Weise läßt ihn auch grüßen, und ihm sagen, daß er ihn noch in gutem Andenken behalten solle. Folgendes Jahr wird das alte Schloß wieder gebauet, und die Kammer hineinverlegt. – Es ist jetzt die Hasenjagd, da müssen die Soldaten mit dem Herzog auf die Jagd, damit sie gut zielen lernen. Seine Stube ist jetzt das Quartier von einem Regimente gelber und grüner Kürbisse. Sonst ist gar nichts neues passiert.
Meine Geschwister, August, Willhelm, Adel, Luischen und Emil grüßen ihn alle.
Lebe er vielmals wohl, u. behalt er mich lieb. Söhne er sich wieder mit den Italienern aus, u. lasse er es sich jetzt in Rom recht wohl sein. vale.
Sein treuer Freund Gottfried Herder.
Weimar d. 14. Nov. 1788. Freitag
[ . . . ] Herder ist durch Dalberg häßlich zirkumveniert worden; ohne daß man ihn darum gefragt oder preveniert hätte, hat sich eine Dame eine Frau von Seckendorf, die Schwester des H. von Kalb bei der Partie gefunden, die die Reise nach Italien mitmachte und mit der Dalberg in Herzensangelegenheiten stehen mag. Herder fand erstaunlich viel unschickliches darin, mit einer schönen Witwe und einem Domherrn in der Welt herum zu ziehen, und in Rom hat er sich ganz von der Gesellschaft getrennt und man sagt, daß er auf Ostern die Konfirmation wieder in Weimar verrichten wolle. Er wird in Rom sehr gesucht und geschätzt; der Sekretär der Propaganda, Borgia hat ihn bei einem Souper einigen Kardinälen als den Erzbischof von Sachsen Weimar präsentiert.
[ . . . ]
Rom, den 15. Nov. [1788].
Tausendmal bitte ich Dich um Verzeihung, mein liebstes Leben, daß ich durch meinen unmutigen Brief, über den ich gestern Abend Antwort erhalten habe, Dir unangenehme Stunden veranlaßte. Wie sehr ich ihn seit der Zeit beklagt habe, wirst Du aus meinen seitdem empfangenen Briefen wahrgenommen haben. Damals indessen, als ich ihn schrieb, war mir kein andrer Ausdruck möglich. Ich hätte einen Posttag sollen vorübergehen lassen u. f. so hätte sich die Sache selbst geändert. Gottlob indessen daß sie geändert ist: u. so hat die Zeit selbst Linderung des Übels gemacht, unter dem ich damals auf dem höchsten Punkt litt, also daß wirs beide nur unsrer treuen Offenherzigkeit zuzuschreiben, die auch 200. Meilen hinaus spricht, als ob wir in Einem Zimmer wären, u. nicht bedenkt, daß, wenn ein solcher Br. ankommt, natürlich sich schon Alles verändert haben müsse. Es soll nicht mehr geschehen, u. Du wirst mir, da Du mir 1000. mal viel ärgern Unmut verziehen hast, auch diesen verziehen haben. Laß uns von der Sache nicht mehr sprechen, u. auch den Namen der, die an diesem allen durch Einen unvorsichtigen, nicht böse gemeinten Schritt schuld war, nicht mehr nennen. Ich müßte sehr irren, oder sie leidet selbst mehr darunter, als Du glaubst, u. ich habe für sie sofern nichts als Mitleiden übrig. Von etwas anderm.
Mit dieser Woche, da die Wintervergnügungen angegangen sind, bin ich denn endlich auch in die sogenannte große Welt eingetreten. Sonnabend, d. i. heut vor 8. Tagen schrieb ich Dir, da ich von Veletri kam. Sonntag drauf aß ich bei der Herzogin, u. da der Kardinal Staatssekr. sie gegen Abend besuchte, ward ich ihm vorgestellt. Er war außerordentlich höflich gegen mich; u. des folgenden Vormittags fuhr ich mit D. zu ihm. Gegen D. war er sehr artig, gegen mich möchte ich sagen mehr als das, recht einnehmend, zuvorkommend u. freundlich. Sobald wir ihm angemeldet waren, stellte er sich mit der Audienz, die er noch gab, so, daß er mich im Vorzimmer im Auge hatte u. sehr bemerkte. Er ließ uns zu seinen beiden Seiten sitzen, u. war sehr höflich. Dienstag fuhr ich zu Bernis u. gab den Brief ab, den ich hatte; er war bei dem Papst, hatte sich aber sogleich dieses Tages bei Einsiedel sehr nach mir erkundigt. Donnerstag fuhr ich mit D. zu ihm. Er ist ein sehr höflicher, guter Alter, der uns mit recht väterlicher Miene aufnahm, mir sehr artige Komplimenten machte, die er auch gegen die Herz, seitdem u. gegen andre wiederholt hat. Er bat uns auf den folgenden Tag zur Tafel u. zur Abendkonversation; bei jener hatte er viele Aufmerksamkeit für mich; bei dieser war ich allein, weil D. nicht wohl ward. Die Tafel war ungeheuer groß u. reich; die Konversation bei einem Konzert gedrängt von Menschen, weil das ganze brillante u. hohe Rom, 6. oder 7. Kardinäle, eine Menge Principe's u. Principessa's, Monsignor's, Fremde u. f. versammlet waren. Und so habe ich denn auch diesen Trupp gesehen. Freitag Vormittag war ich mit D. bei dem Spanischen Gesandten, einem gar verständigen, braven Mann, dessen Bekanntschaft ich vor allen, die ich in Rom gesehen habe, wünsche. Er zeigte uns 3. Stunden lang alle seine Schätze der Kunst, die mir eben so viel Vergnügen machten, als sein Charakter mir wahre Achtung einprägte; auch bei Bernis war er gegen mich sehr artig, so daß ich seine nähere Bekanntschaft wünsche. Heut bin ich, weil Reifenst. unpaß ist, mit der Herzogin ausgefahren gewesen u. habe mit ihr gegessen. Sie ist gegen mich sehr gut, hat mir auch eine Nemesis heut im Ringe geschenkt, mit der ich siegle. Sie grüßet Dich gar freundlich, u. ich fühle es, daß ihr meine Exsistenz hier wohl tut. Mir die ihrige auch: sie beträgt sich sehr verständig u. genießt in Rom Ehren, von denen jeder sagt, daß sie keine Fürstin genossen habe, auch nicht die Herzogin von Parma u. a. Den Römern gefällt die Art, daß sie sich nicht als Prinzessin affichierte, sondern als eine Liebhaberin der Künste beträgt; deswegen tun sie ihr, als einer Altezza Real aus dem Preuß. Hause so viel Ehre an, u. der alte Kardinal mit dem Kard. Staatssekr. beeifern sich gegen sie um die Wette. Diese Ehre kommt auch mir wohl zu statten, ob ich gleich nicht zu ihrer Suite gehöre; auch E[insiedel] u. die Göchhausen sind gegen mich sehr gut. Du weißt, wie argwöhnisch ich gegen diese immer gewesen bin; jetzt aber bin ichs nicht, weil wir Einerlei Zweck u. Interesse haben. Sie ist wirklich gut zu mir, u. läßt Dir auch viel, viel Gutes sagen. Heut habe ich auch ein ander Quartier gemietet, viel freundlicher als das Meine, in dem ich den Winter über erfroren wäre, u. dazu noch etwas wohlfeiler, dabei anständiger seiner Lage nach, u. ich hoffe in ihm, wenn der gute Gott hilft, vergnügtere Stunden zu haben, als ich in diesem Keller gehabt habe. Montag ziehe ich ein u. schreibe Dir denn die Adresse. Um meine Kleider laß Dir auch nicht bange sein. Ich habe ein schwarzes Kleid von unaufgeschnittnem Samt, das sehr wohl gemacht ist, einen Rock von einer anständigen dunkeln Farbe, Chapeau-bas, Schnallen, gehe übrigens rund frisiert, wie ich zu Hause gegangen bin. Jedermann weiß, wer ich bin u. ein paar haben mich schlechthin l'Eveque de Weimar genannt, dem gemäß will ich mich denn auch, sofern es angeht, halten. Über meine Hemde mache Dir auch keine Sorge; ich habe zu den Spitzen, die ich mitgebracht habe, noch eine Garnitur für 11. Scudi gekauft, mit denen ich durchzukommen gedenke, weil der Gesellschaften hier nicht so viel sind u. für mich nur wenige sein werden, wozu sie hinreichen. Einen neuen Überrock von Tuch habe ich mir auch angeschafft, u. lasse mir den Pelz mit Violett Seidenzeug überziehen. Werner ist auch ausstaffiert, u. so habe ich Manches vom Halse. Lebe wohl, liebes Leben, u. verzeihe mir diesen trocknen Brief, der Dich aber mehr beruhigen wird, als ob ich Dir viel süße Worte geschrieben hätte. Lebe wohl mit Deinen u. meinen lieben Kindern u. grüße alle, die mich lieben. Lebe wohl, mein liebes, einziges Leben, lebe wohl.
Ich habe es bisher vergessen gehabt, Dir die Verse auf der Herz. G[eburts]Tag zu schicken, die D. sehr artig komponiert hatte. Auch die Angelika hat sie bei der Herz. gesungen u. sie singt recht schön. Sie ist ein gar zartes Wesen, recht eine Seele von einer Frauen. Ich bin aber leider sehr wenig bei ihr, weil ich nicht dazu komme. Der Senator wird erst gegen die Mitte Dez. erwartet. Lebe wohl, mein Herz, meine liebe; lebt wohl, Ihr Kinder. Nochmals bitte ich Dich, verzeih die Unruhe die ich Dir gemacht habe, u. danke Gott für alles; Dein Dank ist das beste Gebet für mich, gute Seele. Ihm empfohlen!
NB Bald hätte ich ein Hauptstück vergessen, das ich heilig versprochen habe. Voriges Jahr ist in Göttingen ein Preis aufgegeben worden, de Geographia Homeri, über den 3. Schriften gedruckt sind. Eine hat der Direktor. Bitte doch den Hrn. Schäfer, daß er gleich zu ihm gehe u. aus dem Vorbericht oder sonst die Namen der beiden andern ersehe; kaufe sie sodenn in Weimar, Jena, Gotha, Erfurt, wo sie sich finden, u. schicke sie mit der ersten fahrenden Post alle drei. Siehe das Geld nicht an, das es kostet; ich tue hier einem Gelehrten damit einen ungeheuren Gefallen, von dem ich für mich viele, viele Gefälligkeit hoffe. Aber bald, bald, aufs eheste u. schnellste: presto, subito, adesso, adesso, subito, subito, schreien die Italiener, wenn es auch noch eine Stunde währet. Du wirst Dein subito mit größerem Eifer u. mit gutem Glück besorgen, liebe, treue Seele. Also laß Dir die Bitte sehr empfohlen sein, sonst kommt alles zu spät: u. kommen muß es, ich habe mein Wort gegeben. Vale, vale.
[Beilage:]
24. Okt.
Sei gegrüßet, schöne Sonne,
sei willkommen, Tag der Wonne
in der Musen Heiligtum.
Ihre Schwester kommt zu ihnen;
holde Musen, ihr zu dienen
schafft uns ein Elysium.
Fühl' ich nicht von jenen Höhen
heitre, schöne Lüfte wehen,
voll Gesundheit, voller Ruh.
Ach, die Wünsche ihrer Treuen,
die entfernt sich mit uns freuen,
wehn uns diese Lüfte zu.
Wir, die heute sie umschließen,
Die sie liebend näher grüßen,
gehn am Glücke jenen vor.
Helfet sie mit uns umschließen,
helfet sie mit uns begrüßen,
Musen werdet mit ein Chor!
Apollo, komm! Laß deine Locken fliegen
u. weih' ihr deinen jüngsten Kranz.
Wie Weste sich um ihre Göttin wiegen,
Umschwebe sie der Charitinnen Tanz.
Hygea schling' in ihre Tänze,
in ihren jugendlichen Reihn
den schönsten ihrer Kränze
den Kranz der Freuden ein.
Genieße diese Tage,
die lang' erwünschten Tage
im alten Heiligtum.
Auch im Andenken werde
Dir einst auf fremder Erde
Rom ein Elysium.
Rom, den 22. Nov. 88.
Zuvörderst danke ich Dir, l[iebes] W[eib], für den Wechsel von 100. Scudi. Er kam ehegestern unvermutet u. ist richtig gezahlt worden; laß Dir das Geld nicht leid tun. Was mein ist, ist Dein; was Dein ist ist mein; also ist hier nur die Rede von den Wechselspesen, welcher Verlust eine Kleinigkeit ist.
Zweitens für Deinen lieben Br., den ich eben heut, da ich von der Angelika kam, erhalten u. sehnlichst erwartet habe. Gottlob, die fatale Br. sind zu Ende: seit meiner Trennung scheints, als ob mir wieder das Glück wohlwollte, u. jede Unbequemlichkeit, die ich etwa noch zu tragen habe, rührt offenbar von jenem Assortiment her. Danke dem Göthe gar herzl. für seinen Br.; ich werde ihm nächstens schreiben u. drücke ihn an meine Brust.
Die vorige Woche ist vorübergegangen, ich weiß selbst nicht wie. Vorigen Montags bin ich schnell ausgezogen aus meinem vorigen Quartier u. wohne jetzt
dal. Sign. Sarmento, alla Piazza d'Espagna, accanto alla Piazza Magnanelli; u. wohne recht gut daselbst. Der Platz Magnanelli ist vor mir u. der Span. Platz weiter hin; ich habe die Morgen- u. Mittagsonne, u. in der Nacht große Stille. Vor meinem einen Fenster geht eine Treppe auf die Trinità de Monti herauf, fast bis unmittelbar vor Reifensteins u. der Angelika Haus; von der Herzogin bin ich auch so gar weit nicht, von D. etwas weiter. Die Propaganda kann ich aus meinem Fenster sehen, u. der Palast des Span. Ministers ist gerade vor mir. Auf einen Monat ist mein Aufenthalt also ziemlich leidlich, u. ich will diesen letzten Monat im Jahr 88. recht fleißig zu gebrauchen suchen. Meine Gesundheit ist Gottlob gut; ich danke Dir für Deine gute Ratschläge u. will davon Gebrauch machen, wo es not tut.
Daß Du schreibst, »ich habe Dich weniger lieb«, schmerzt mich; o daß Du mein Herz sehen könntest. Ich hätte Dir billig nichts von alle dem schreiben sollen; aber wie konnte ich das? Gnug, es ist vorüber. Und wenn ja künftig (welches ich nicht hoffe,) so etwas kommen sollte, so denke, es ist vorbei, wenn mein Br. ankommt. Ich wollte wahr sein u. auch in der Entfernung von Dir ungetrennt leben; darum schrieb ich Dir dies alles, darum habe ich Dich leider! unnütz geängstet u. beschweret.
Diese Woche bin ich denn wieder in der großen Welt gewesen, d. i. bei Bernis, der hier einzig große Welt gibt, wenn der Senator nicht da ist. Donnerstag speiste ich bei ihm; gestern Abend war Konzert u. Versammlung. Heut will ich der S[an]ta Croce aufwarten, wenn sie mich annimmt: ich bin ihr gestern vorgestellt worden; es war ihr erster Ausgang, bisher ist sie krank gewesen.
Hirt fängt künftige Woche mit einer Livländischen Familie, den Kurs an. Es ist mir lieb, u. ich habe ihn aufs beste empfohlen. Was ich noch zu sehen habe, sehe ich mit der Herzogin, oder allein mit einem Lehnbedienten. Sie ist sehr gut gegen mich, u. führt sich artig. Mit künftiger Woche nehme ich auch einen Abbate zur Übung im Italienischen, u. will die Vatikana besuchen, welche mir zu öffnen Msgor. Reggio endlich den Befehl erhalten. Diese Woche bin ich fleißig in der Minerva gewesen; das Resultat für mich ist aber noch nicht groß. Alles liegt hier so weit aus einander; u. man kommt, außer den Denkmalen der Kunst zu allem nur durch Zeitverlust, u. manche leere Mühe. Ein Fremder muß hier nur immer ein Vogel sein, der sieht, fliegt u. wegzieht; ich sammle mir Ideen, auch künftig Rom zu gebrauchen. Übrigens hat der Maler Kleß ganz u. heel Recht; er soll gelobt sein.
Mad. Angelika grüßet Dich. Werner ist wohlauf. Die Herz. u. Göchh. grüßen auch aufs beste; wir sind sehr wohl miteinander, ohne daß wir einander genieren. Grüße die gute Kalb; wenn ich an G[oethe] u. an den Herz, geschrieben habe, soll sie die erste sein, an die ich schreibe. Auch der Stein, Schardt, Bernst[orff] p kannst Du mich empfehlen; ich brauche Dirs nicht zu sagen, da Du eine verständige Frau bist. Bei Gelegenheit u. wenn ich dazu komme, will ich an jeden, wo es Not tut, die Schuld abtragen. An die Herz. habe ich schon geschrieben.
Morgen wird die Herz. dem Papst vorgestellt; er nimmt sie allein, wie Königl. Personen. Ich buhle um diese Ehre nicht: denn am Ende, was soll sie mir helfen? Meine Wünsche sind in Rom wunderbar beschränkt worden, u. ich bin durch diese meine Reise, zumal durch die große Welt, wie ich sie hier sehe, in vielem, vielem sehr genesen. Weiß Gott, wozu Alles gut ist: denn nichts ist doch in dieser Welt u. in meinem Leben vergebens gewesen. Wenn nichts weiter, so hat mich die Reise u. selbst die Not u. Verlegenheit aus einer Lethargie erweckt, die doch kein Glück war. Lebe wohl, meine Liebe, Einzige, Du mein Herz u. meine innigste Seele. Grüße u. küsse die Kinder zu 1000.malen; an 2. sind hier Br., Luischen u. Emil sollen auch die Ihrigen haben. Lebe wohl, mein Schutzgeist auf Erden; Gott u. alles Gute sei mit Dir! Amen!
P. S. Sei doch so gut, u. schreibe an Kn[ebel], daß Büttner »ein Verzeichnis der Worte schicke, die er in den fremden Sprachen der Propaganda will.« So wird das Ding eher u. Zweckmäßiger als wenn man da auf Geratewohl hinschreiben läßt.
Ich bin mit einigen Spaniern bekannt geworden, die mich fast mehr interessieren, als die Italienischen Gelehrten. Von den letzten sind mir vorigen Mittwoch ungeheuer viel in einem gelehrten Zirkel der Signora Pizzelli vorgestellt worden, die (Eia!) sogar den Homer in der Grundsprache lieset. Künftigen Mittwoch soll ein dies illa bei ihr gegeben werden, uns zu Ehren; da wird erst eine Gesellschaft von Abbaten sein! – Lebe wohl, liebe Elektra, sei eine Griechin, ohne Griechisch zu lernen. Lebe herzl. wohl.
Rom, 22. 11. 1788
Lieber Wilhelm, Weil Du ein so wackrer Mensch bist u. mir so gute Briefe schreibest, auch mir die Hoffnung machst, daß ich bei meinem Wiederkommen schöne Arbeiten von Dir finden soll, will ich Dir auch einen ordentlichen Brief schreiben, von einigen schönen Sachen u. Gebäuden, deren es in Rom so viele gibt. Die schönste Kirche oder vielmehr der schönste Tempel nach meinem Sinn ist die Rotonda: wenn Du wirst zeichnen können, mußt Du dieselbe oft zeichnen. Wenn man alle Dächer u. Kuppolen in Rom von einer Höhe sieht, zeichnet sie sich eben sowohl von oben schön u. prächtig aus, als wenn man sie von vorn oder von innen betrachtet. Auch wenn der Mond sie bescheinet, ist sie gar schön, so wie alle Tempel, Paläste, Obelisken, Säulen und Ruinen, die im Mondschein was recht Zauberisches an sich haben. Ich habe die Säule Antonius u. das Kolisäum an schönen Mondabenden gesehen, und man kann nicht davon wegkommen; insonderheit im Colisäum wirds einem gar sonderbar zu Mut. Das ist nun wohl der größeste Bau, der in der Welt exsistiert, in dem nämlich alles so genau ausgerechnet, u. so schön geordnet ist. Du mußt dies auch einmal zeichnen lernen; ich bin darauf so weit gegangen u. geklettert, als man darauf gehen u. klettern kann: es ist ein großes Überbleibsel vom Kaiser Titus, von dem auch noch sein Triumphbogen, auch drei Bogen von seinem Friedenstempel, auch Reste von seinen Bädern da sind; allesamt große Werke. Wenn man vom Kapitol hinunter auf dem so genannten Campo Vaccino geht: so geht man zwischen Resten des Altertums, die an die größesten Dinge erinnern, u. alle liegen wenige Schritte von einander. Da stehen Säulen, prächtige Säulen von einem Tempel des Jupiter Fulgurator, u. wenige Schritte davon schöne Säulen vom Tempel der Concordia. Nicht weit davon ist der Triumphbogen des Kaisers Septimius Severus, aus welchem man erst die schöne Promenade antritt. Da stehn zur Rechten zwei hohe Säulen vom Tempel des Jupiter Stator; dicht daran war das Forum Romanum, und andre Fora, da hielt Cicero u. so viel andre große Männer ihre Reden; das Capitolium war gar nicht weit von ihnen. Da war der Platz, auf dem die Sabinerinnen sich ins Mittel schlugen u. zwischen den Römern u. ihrem Volk Frieden machten; die beiden Völker kamen von zweien Bergen, die gar nahe beisammen liegen. Hier war auch der Schlund, in welchen sich Curtius gestürzt haben soll; auch der Ort, wo Romulus u. Remus ausgesetzt waren, ist nicht weit davon; auch die Juturna, die erste Quelle der Römer, an welcher Castor u. Pollux ihre Pferde tränkten, da sie den Römern zu Hilfe kamen; auch die Cloaca maxima, die Tarquinius anlegte; auch der sogenannte Janustempel; alles liegt an Einem Ort, wenige Schritte von einander. Da sind die Gebäude recht zusammengedrängt gewesen, von denen aller Ruhm der Römer ausgegangen ist. Nun fängt sich zur Rechten der palatinische Berg an, auf welchem die Kaiserpaläste waren; sie nahmen mit der Zeit den ganzen großen Berg ein, u. das goldne Haus des Nero erstreckte sich auch zwischen den Bergen weit umher, so daß das Coliseum zu stehen kam, wo ein großer Teich im Garten dieses goldnen Hauses war. Du hast keinen Begriff, lieber Wilhelm, wie weit es die Kaiser in ihrer Pracht getrieben haben; Kaligula wollte sogar vom palatinischen bis zum Kapitolinischen Berge eine große Brücke führen lassen, die über das Forum Romanum u. viele Tempel wegginge; er ward aber, ehe das Werk zu Stande kam, ermordet. Auch der Brand, den Nero anlegte u. den er den Christen Schuld gab, war rings um diesen Berg: er wollte Raum zu seinem goldnen Hause haben u. ließ also Tempel, Häuser u. Gebäude wegbrennen. Es muß ein fürchterlicher Brand gewesen sein, den er oben vom Berge aus seinem Palast mit Freuden ansah, wie die Flamme sich soweit umher erstreckte, u. sang dazu seine Verse. Es sind rechte Ungeheuer gewesen, diese Kaiser, so große Gebäude haben sie aufführen lassen, u. alles in wenigen, wenigen Jahren. Wenn man die Bäder des Carakalla betrachtet, die an einem andern Ort liegen, so kann die Einbildungskraft kaum den Umfang ihrer Einrichtungen fassen; so groß ist er. So muß auch das goldne Haus des Nero gewesen sein, u. denke Dir einmal, wie ihm zu Mut war, da er sich in diesem ungeheuren Hause nun plötzlich von aller Welt verlassen fand u. er überall vergebens einen Sklaven suchte, indes das empörte Volk hinzudrang, ihn zu finden, zu geißeln u. wie einen Verbrecher zu bestrafen. Lerne hübsch die römische Historie, ich werde Euch, wenn ich zurückkomme, vieles erzählen, was vom Anblick Roms zu ihrer Erläuterung dienet. Zur linken des Berges der Kaiserpaläste sind eben so treffliche Denkmale. Ein schöner runder Tempel des Romulus, in den ich immer gehen muß, wenn ich hier vorbei wandre: schöne Säulen von einem Tempel des Antonins u. der Faustina: die Reste vom Friedenstempel des Titus, in welchen alle Beute zusammengebracht ward u. alle Kostbarkeiten der Welt waren; der Tempel der und des , die auch gar schön sind, u. von deren Einem man in den andern kommen konnte: denn sie stehen dicht neben einander. Dann geht man durch den Bogen des Titus, auf dem noch der Jüdische Leuchter abgebildet ist, weiter hin und kommt zum Colisäum, mit dessen Anblick sich der herrliche Spaziergang endigt. Ihm zur Seite ist der Bogen Constantins, der die vortrefflichen Basreliefs vom Bogen Trajans hat, von dem Constantin sie stahl; die kann man auch sehen, u. denn gehet man recht mit Vorstellungen beschwert, nach Hause. Wenn Du fleißig u. gut bist, wirst Du auch einmal vor dem Colisäum sitzen u. zeichnen, ob Du wohl deshalb eben kein bloßer Maler zu werden brauchst; Du mußt alles lernen, u. ein nützlicherer Mensch, als die meisten Maler sind, werden. Lebe wohl, lieber W. u. sei gut u. fleißig. Grüße den Hrn Schäfer u. danke ihm für die Mühe, die er sich mit meiner Bibliothek gegeben hat. Habe ihn lieb u. sei folgsam in allem, was er Dir sagt. Auch der Mutter wirst Du, wie Du es ja immer so gern tust, folgen, u. ein hübscher Mensch sein, wenn ich wiederkomme. Lebe wohl, braver W.; ich denke an Dich recht mit Freuden.
Rom, 22. 11. 1788
Dir, mein lieber Adelbert, will ich einen Brief von lauter Tieren schreiben; nicht damit Du immer von Ochsen u. Kühen sprechen sollst, sondern weil Du so gern davon sprichst; ich weiß doch, daß Du dabei auch andre Dinge gern siehest u. andre Sachen lernest.
Als ich nach Italien kam, u. sah, wie sich die Tiere veränderten, dachte ich manchmal, was würde Adelbert, wenn er hier wäre, sagen? Der würde schreien: »Vater, da ist eine ganze Herde schwarzer Schweine, u. exzellente kleine Schweinchen, so glatte Ferkel, als ob sie geputzt wären.« Oder: »ei sehen Sie doch, Vater, die weißen Ochsen, mit den kuriosen, großen Hörnern: die Hörner sehen so aus, wie ich auf den Kupfern die Leier Apolls gesehen habe.« Oder: »ach, da hat sich ein großer Ochs losgerissen; alle römischen Jungen laufen ihm nach; was das für die unnützen, müßigen, zerrissenen u. zerlumpten Buben für ein Fest ist.« Oder: »ei was die Schafe da für kuriose, lange, struppichte Wolle haben u. s. f.« Aber von diesem allen will ich Dich jetzt nicht unterhalten, sondern von ehernen, oder steinernen Tieren. Da sitzt oben auf dem Kapitol der Kaiser Antonin zu Pferde u. sieht nicht nur prächtig, sondern auch gütig aus. Er war ein sehr guter Kaiser, u. ich gehe nie seine Statue vorüber, ohne daß ich mich darüber freue, daß er dasteht und den Römern einmal wieder einen guten Kaiser Antonin wünsche. Unten an der Treppe, wo man aufs Kapitol steigt, stehn 2. prächtige Löwen, die Wasser speien; 2. noch prächtigere stehn bei der Fontana felice, u. sind alle aus Ägypten: denn die Ägypter haben gar prächtige Tiere gearbeitet. Auf dem Monte Cavallo, wo der Papst im Sommer wohnt, stehn auch 2. prächtige Männer mit ihren Pferden, die man Castor u. Pollux nennt: oben an der Treppe des Capitols gleichfalls; das sind brave Kerle, insonderheit die ersten, die ich nannte. – Im Museum des Vatikans ist ein ganzer großer Saal voll von Tieren. Da stehn 2. große Hunde an der Tür, die den, der hineingeht, anbellen; aber sie sind von Stein u. man <kann> sie nicht bellen hören. Gleich an der Tür ist ein vortrefflich Schwein, an dem die Jungen saugen, u. das sich sogern aussaugen läßt, daß man seine Freude im Stein recht siehet. Du würdest sagen: »das ist ein exzellentes Schwein!« Und würdest mich denn zu einem toten Lamm rufen, das auf einem Altar hängt. Der Kopf hängt so herunter, mit allen Gliedern, daß man glauben möchte; es sei ein wirkliches Lamm. So ist eine vortreffliche Kuh, die da blökt, von Erz; eine schöne Ziege, die ehemals ein Kind am Bart gefaßt hat; man siehet aber nur noch die Hand des Kindes: ein Hirsch, den 2. Hunde anfallen, und 2. Windhunde, die mit einander spielen: ein Storch, der eine Schlange frißt, u. ein Adler, der sich aufschwingt. Auch sonst noch viele, viele andre Tiere: Raubvögel, Rehe, Pfauen, eine Henne, eine Taube u. f. bis sogar ein Stachelschwein, u. ein roter, roter Krebs, alles aus Steinen. Dabei sind auch denn schöne Figuren, die mit den Tieren was zu tun haben: Ganymed z. E. den der Adler wegführet, die Jägerin Diana, ein gar schöner Meleager mit dem Jagdhunde (H. Schäfer wird Dir die Fabel von ihm erzählen) ein Amor, der auf dem Zentaur reitet, ein Zentaur, der ein Mädchen entfuhrt, das Mädchen schreit gewaltig: eine Katze, die ein Huhn geraubt hat, ein Fuchs raubt es ihr wieder: Amor auf einem Wagen von 2. wilden Schweinen gezogen, ein Bild dessen, daß die Liebe auch die wildesten Leute bändige. Vor allem aber liegen in diesem Saal 2. ungeheure große Flußgötter, der Nil u. die Tiber. Ich müßte Dir eine ganze Seite schreiben, wenn ich Dir diese beschreiben wollte. Um den Nil spielen 16. Kinder, sie klettern an ihm, herab u. herauf; einer kuckt aus seinem Füllhorn, die andren sind ihm auf Arm u. Beinen. Das wäre recht für Emil zu sehen, da könnte er auch klettern lernen. Die Wölfin, die den Romulus u. Remus gesäugt hat, siehet man in Rom sehr oft; auch viele, viele kleine schlafende Amors, einige schlafen sogar in Nesterchen u. liegen mit Arm u. Beinen gar hübsch übereinander. Die stehen denn in manchen Palästen auf den Tischen u. sind von weißem Marmor, als ob man sie aufessen sollte. Solche schöne Kinderspiele findet man aus der alten Kunst viel, u. wenn es auf schönen Marmor, auf prächtige Treppen u. Tische, auf Statuen u. Gemälde ankäme: so wären wohl keine glücklicheren Häuser in der Welt, als viele in Rom: denn es sind da gar schöne marmorne Treppen, Tische von Porphyr u. Marmor, Vasen von Alabaster, Säulen u: Statuen u. Gemälde die Menge. Aber siehe, lieber A., darauf kommt nicht Alles an. Da sitzen sie denn in einem engen Winkel u. lassen diese schöne Zimmer leer stehen, u. leben wohl gar schmutzig u. geizig; sie halten eine Menge Bedienten u. geben ihnen sehr wenig; auf manchen Kutschen stehn 4. hinten, u. einer auf einem hangenden Tritt, der die 4. an den Füßen hält; das sind lauter unnütze, müßige Leute. In ganz Rom ist alles voll Müßiggänger; die Familien, die Geld haben, haben Alles; die andern sind arm u. müssen sich nähren, wie sie können u. mögen. Die Häuser der Bürger u. gemeinen Leute sehen entsetzlich schmutzig aus; u. alle sorgen nur für den heutigen Tag. Das ganze Land um Rom herum ist unbebauet: da siehet man keine schöne Ochsen u. Kühe, keine Gärten u. Früchte; alles muß weithergebracht werden, auf Eselein gar eben, mit lauter klingenden Glöcklein u. man hat manchmal die Ehre, einige 100. Esel, die vom Markt wiederkommen, auf einmal zu begegnen. In den Römischen Gärten wachsen zwar Lorbeerbäume, Pinien, Zypressen, u. Zitronen; aber kein Obst u. keine Gemüse. Selbst die Zitronen sind in gewissen Monaten hier teurer, als bei Euch in Weimar; weil man sie nicht aufbewahret, sondern vom Baum her verkaufet. Siehe, mein Freund, das ist eine üble Wirtschaft; u. der Wein hier ist mit Respekt zu sagen, meistens widerlich oder schwer u. abscheulich. Dafür aber sind hier schöne Statuen u. Gemälde. Lebe wohl, lieber A. u. lerne fleißig u. schreibe mir bald einen artigen saubern Brief.
Rom, den 22ten Novembre 1788.
Liebster bester Geh. Rat
[ . . . ]
Herdern wirds alle Tage wohler, was er uns ist, können Sie sich vorstellen. Auch die Herzogin hat die Freude zu sehn wie ihre Gegenwart ihm Gedeien bringt.
Leben Sie wohl, bester lieber Geh. Rat, ich muß eilen, weil ich mit zurückgehender Post antworten wollte. Gedenken Sie Ihrer
L Goechhausen.
W[eimar,] d. 23. Nov. 1788.
Endlich habe ich nach 14 Tagen, Deinen lieben Brief vom 28. Okt. den 20. dieses erhalten. Ich habe mich über das Ausbleiben ziemlich geängstet; Gottlob daß es nur an der Post gelegen hat. Vielleicht hat ihn auch der, der ihn auf die Post zu tragen hatte 8 Tage lang bei sich herumgetragen; denn so sahe er gerade aus. Eine Beschäftigung hat mir die letzten 8 Tage meine Gedanken etwas zerstreut, u. das war mir heilsam. Diese Beschäftigung wird Dich gewiß freuen. Das liebe Emilchen hat unvergleichliche gute Blattern; er hat 22 im Gesicht u. vielleicht kaum 100 am ganzen Körper; er ist sehr munter dabei u. ich trage ihn den ganzen Nachmitt. herum. Gestern vor 8 Tagen klagte er Vormitt. Frost; ich machte ihm gleich ein Fußwasser u. ließ ihn im Bett sich erwärmen. er ward wieder munter, doch kam gegen Abend das Fieber wieder, ich blieb bei ihm bis 1 uhr, alsdenn stund die Schwarzin auf. Er hatte Hitze, aber weder Phantasie noch Zucken. Den Sonntag morgen war er wieder wohl, ich ließ indes den Hufl. rufen, er glaubte nicht daß es Blattern würden, weil er zu heiter war. Den Mont. bekam er eine gelinde Abführung; den Dienst, zeigten sich einzelne Fleckchen, den Mittwoch noch mehrere mit sehr gelindem Fieber. Den Donnerst, [lag] er in betäubendem Schlummer, der sich aber durch Brech- u. andre Mittel bald hob. Seitdem ist er heiter, singt, ißt, u. schläft u. mag nicht im Bette bleiben. Wie oft wir Deiner dabei gedenken Du lieber Vater, u. wie ich Gott danke daß er mir u. dem guten Kleinen diese ängstliche Krankheit so über allen Ausdruck erleichtert. Ach er will mir gewiß die mancherlei Leiden des vorigen Winters vergelten! u. Dir wird er in Rom gewiß auch Deine trüben Tage vergüten u. vergelten. Ich frug Emilchen was ich dem Vater schreiben soll? so sagte er: von den Blattern. Die Blattern stehn wie d[ie] Sterne am Himmel; auf dem linken Backen ist der große Bär, ganz deutl. zwischen den Augen ist ein [neues] Gestirn, drei schöne große Blattern wie ein Kleeblatt, die übrigen sind einzeln auf dem rechten Backen, an der Nase eine, an der Lippe eine, am Kinn zwei. Er braucht wenig Arznei. Die Blattern sind im völligen schwären u. der Hufl. ist mit seinem Befinden, eben so zufrieden als ich. Er empfiehlt sich Dir aufs beste, über diesen Brief ekle Dich nicht, ich räuchre ihn mit Essig ehe ich ihn zusiegle. Emilchens Bett ist neben meinem seit Sonntag, ich bin seitdem nicht aus der Stube gekommen. 3 mal hatte ich eine Wächterin dabei, aber es ist ganz unnötig; ich bin jetzt ganz allein mit ihm. Seine Augen sind so helle u. klar als ob ihm nichts fehle. Er hat, seitdem Du verreist bist, viel PockenPillen, auch Rhabarb. genommen; im August, Sept. u. Okt. wurden die Blattern hier sehr bösartig u. haben viele Kinder mitgenommen. Gottlob daß das glückliche Bübchen so gut durchkommt. Schreibe ihm ja ein Briefchen, wenn Du diesen Brief erhältst, ich nenne ihn allemal namentlich, wenn ich Deine Briefe lese, wenn er schon nicht genannt ist, er ist gar ehrgeizig u. hat Dich auch gar lieb.
Nun danke ich Dir für den Brief an die Herzogin herzl. ich habe ihn ihr den Freit. früh gleich geschickt mit ein paar Zeilen u. sie hat mir den Nachmitt. wieder geantwortet: ich lege das Billet bei. Das Ende davon rührt von dem letzten Besuch her; ich kann Dir aber nichts davon schreiben, es sind accouchement Sachen. Diese 2mal, als ich sie gesprochen, habe ich gesehen wie innig sie an Dir Teil nimmt. Es hat sie sehr gefreut als ich ihr sagte daß Du besonders wohnst. Alle die Dich ehren u. lieben haben nichts anderst vermutet oder gehofft. – Goethe u. Knebel sind gestern von Jena gekommen; sie haben mich besucht, jeder einzeln u. trafen sich zusammen. Goethe hat den ganzen menschlichen Körper durchgenommen bei Loder u. ist sehr heiter, er hat die Briefe an Gottf. über Tivoli u. an August über das Museum, gelesen u. sich sehr darüber gefreut; ich selbst habe sie wohl 6mal gelesen, u. ist mir innig wohl gewesen daß Du in Tivoli so glücklich warst, ich erinnre mich daß ich den 26. Okt. den ganzen Tag allein u. so innig vergnügt gewesen bin. Es ist freilich, wie Du mir schreibst, eine üble Sache mit der weiten Entfernung; wenn der andre antwortet so ist alles anderst u. ich sehe daß Dir mein Mitgefühl nicht einmal wohl tut. Verzeihe meine dummen Briefe hierüber. Das geschriebene Gefühl ist eine elende Sache u. besonders jetzt in Rom. Entziehe mir aber Deine Erzählungen nicht; das würde mich tödlich kränken. Verzeihe alles was ich geschrieben habe über Einrichtung, Geld u. den ganzen Quark. Es geschieht nie wieder.
[ . . . ]
Den 24. Abends. Unvermutet kam heute Dein Brief vom 4. u. 8. Nov. datiert u. ich erhielt ihn zum Morgengruß im Bette. Wir freueten uns alle daß Du wohl bist. Daß Du bei Monsg. Borgia in Velettri gewesen freuet mich tausendmal. Genieße den mannichfaltigen Reichtum nun ungestört u. Gott [gebe] auch mir Weisheit u. Verstand daß ich Dir keine dummen Briefe mehr schreibe. [ . . . ]
Weimar, 24. 11. 1788 [?]
Liebster Vater.
Dank, Dank für Ihre Briefe,
Dank, Dank für den an mich
Ach! welche schöne Briefe,
Hast du geschrieben auch an mich.
Ach! wie sehr freuen wir uns!
Wenn kommt ein Brief aus Rom,
Wenn kommt ein Brief von unserm besten Vater
Es ist, als redest Du mit uns,
Und wir mit Dir
Du zwar in Rom
Aber wir dahier
Ach das schadet nichts
Wir reden doch mit deinem Geist.
Lebewohl du bester Vater
Und denke auch an deinen
Gehorsamen Sohn August Herder
[Weimar,] den 24ten Novem. [1788]
Lieber Vater
Heute bin ich mit dem Herrn Schäfer nach Tertia gegangen, aber nicht ordentlich eingeführt, sondern nur weil von 9. bis 10. Griechisch ist, ud es ist sehr schön darinne. Ich zeigne noch immer fort, damit ich auch einmal nach Rom kann, ud dort kein Stummer will sein sondern ein redender, ud ich alle die großen Gebeide ud Gemälde abmalen kann, ud darnach Ihre ud ud der Mutter ihre Stube damit schmücken kann, da haben wir immer Rom vor den Augen damit wir immer sein können, als wenn wir in Rom leben. Leben Sie wohl ud behalten Sie lieb
Ihren gehorsamen Sohn Wilhelm Herder
den 24ten Novem. 1788
Weimar, 24. 11. 1788 [?]
Lieber Vater.
Sie haben sehr lange mir keinen Brief geschrieben. Sie haben Aber in der Mutter ihren Brief geschrieben das sie mir und Wilhelm einen Brief schreiben werden. Wenn sie wollen uns einen Brief schreiben. Ich und Wilhelm haben sehr lange Griechisch gelernt. Wir haben Winter und Sie haben Sommer.
Leben Sie wohl ihr Getreuer Sohn Adelbert Herder.
Weimar, 24. 11. 1788 [?]
Lieber Vater!
Wir haben uns über ihren brief recht sehr [von Caroline Herder ergänzt: gefreut]. Es regnet bei uns, und bei ihnen ist schönes Wetter. Wir schneiden Blümchen aus dem Bunten Papier u wenn ich ein schönes gemacht habe! so will ich ihnen eins schicken. die Andere Woche bekomme ich ein Spinnrädgen die Mutter u die Junfer Schwarzen Spinnt auch Leben Sie tausendmal wohl ich habe den Vers gelernt wenn ich schlafe wacht sein Sorgen. Leben Sie wohl guter lieber Vater. Ihre gehorsame Tochter.
Luise Emilie Theodore Herder. 1788.
Weimar, 28. 11. 1788
Ich kann Ihnen nicht sagen, wie angenehm mir Ihr Brief gewesen ist, wie sehr mich Ihr Andenken freut – und halten Sie dieses für Wahrheit und für kein Kompliment. Der Gedanke, Sie auf dem Wege nach Italien zu wissen, war mir lieb; ich habe aber seitdem oft mit dem Schicksal gezürnt, daß es die Reise so seltsam gelenkt hat. Nehmen Sie aber indessen das Gute mit, und vergessen Sie das übrige so gut sie können. Sie wünschen mir, den Anblick von Rom zu genießen, und wie oft und wie sehnlich hab' ich's gewünscht, zugleich mit Ihnen genießen zu können. Nun fühle ich aber, daß dieser Wunsch unbescheiden war; denn der Leichtsinn und die Torheit derjenigen, die größtenteils ganz ohne Kenntnis nach Italien reisen, hat mich in meinen Wünschen bescheiden gemacht; und nun vollends, da Sie sich dazu unvorbereitet finden wollen; wie wohl tut ein jedes, das nichts weiß und kann, wenn es ferne bleibt. Teilen Sie mir mit, wenn Sie wieder bei uns sind, was ich begreifen kann, und ich will froh sein und es mit Dank annehmen.
Der Herzog, der viel Anteil an Ihrer Reise nimmt, und Ihnen viel Gutes wünscht, ärgert sich mit allen Ihren Freunden über den mißratenen, schönen Traum. [ . . . ]
29. Nov. [1788] Rom
Heut schreib' ich nur Ein Wort, meine liebe, denn die Zeit ist nicht da, u. ich bin verhindert. Ich bin gesund u. fleißig, treibe Italienisch, sehe, betrachte, schreibe auf, lerne. Dienstag waren wir bei der S[an]ta Croce in Konversation, Mittwoch beim Kard. Staatssekretär zu Mittag. Morgen sind wir bei Bernis. Deinen lieben, lieben Br., samt dem Pack mit den Wäldern hab ich am Mittwoch erhalten, letzteres hat nicht viel gekostet. Ich danke Dir für alles, grüße auch die Kinder; ich will bald schreiben. Die Herzogin ist sehr gut gegen mich u. befindet sich wohl. Werner wollte gestern wieder krank werden; ist aber heut wieder besser. Lebe wohl, liebstes Leben, küsse die Kleinen u. Großen, grüße alle die sich mein mit Liebe erinnern. Auch Göthe sage für sein Briefchen den herzl. Dank, u. melde ihm, daß wenn Liebe zur Glückseligkeit in Rom gehört, ich leider noch nicht liebe. Die Angelika grüßt Dich sehr. Lebe wohl, liebe Seele, wohl, wohl. Gott mit Dir, wie er mit mir sei.
H.
Ich schicke den Br. des Herz. weil ich befürchte, daß er nicht da sein könnte, u. wenn ich diesen Zettel in den Seinen legte, Du ihn alsdenn spät erhieltest.
Vale
Rom, den 29. Nov. 88.
Euer Herzogl. Durchlaucht verzeihen gnädigst, daß ich erst nach einem Vierteiljahre, seit ich in Italien bin, ein Zeichen des Lebens von mir gebe; es ist dies etwas später, als die Kinder in Mutterleibe zu tun pflegen; aber ich bin ein altes Kind, u. hatte fürwahr längere Zeit nötig. Meine Reise in Deutschland war sehr angenehm, alles ging mir auf derselben nach Wunsch u. Hoffnung; nachher änderten sich manche Umstände; auch drängten sich so viele Gegenstände neu auf mich, daß Ein Monat nach dem andern verging, ehe ich zur Sprache kommen konnte. Endlich glaube ich weit gnug zu sein, um Euer Durchlaucht mit einiger Reife schreiben zu können, wie es hier ist: denn ein leerer Brief voll Höflichkeiten wäre sowenig der Erwartung E. D. als des Postgeldes wert gewesen.
Auf unsrer Reise in Italien haben wir den Weg über Verona, Ancona, Loretto, Terni u. f. genommen. Es sind weniger Merkwürdigkeiten auf dieser Straße, als auf der andern; indessen sind das Amphitheater u. Museum in Verona, das Ufer des Adriatischen Meers, an welchem unser Weg lange fortging, die Handelsplätze des päpstlichen Gebiets Sinigaglia u. Ancona, die reiche Toilette der H. Jungfrau zu Loretto, der prächtige u. in seiner Art einzige Wasserfall zu Terni, einige Altertümer u. Gemälde dieser Gegenden ungerechnet, unter denen auch 2. 3. Raphaels waren, nebst dem ganzen schönen Tal vor Spoleto, dem schönsten in den Apenninen, der Aufmerksamkeit wohl wert. Die andern Städte der Lombardei, Florenz u. Bologna, sind mir auf meine Rückreise aufgespart, zu welcher die Götter mir gute Vögel senden wollen u. wie ich hoffe, senden werden.
Nun waren wir also in der alten Hauptstadt der Welt, u. wohl verdient sie diesen Namen mit allen Resten, die der Seele immer neue Fäden der Erinnerung knüpfen, zu deren Entwickelung lange Zeit gehöret. Der Anblick dessen, was die Stadt selbst war, wo sich der Römische Staat entspann, u. wo jene Wölfin die beiden Findlinge säugte, alle die Plätze, wo Schlachten geliefert, geredet, beratschlagt, geurteilt, gewütet, gemordet, gespielt, gebadet, u. tausend andres tolles Zeug getrieben wurde, das denn insonderheit die Herrn Kaiser auf die unverschämtste Weise trieben, geben der Seele wo nicht neue, so doch frische u. wahrere Bilder, über alles was man von ihnen gelesen u. gehört hat. Ich wollte, ich hätte Rom gesehen, ehe ich den 3.ten Teil meiner Ideen schrieb; indessen auch jetzt ist von allen diesen Eindrücken u. Rektifikationen nichts, wie ich hoffe, für mich zu spät, u. ich habe auf manchem Spaziergange von ein paar Stunden mehr gelernt, als ich durch das Lesen von hundert Büchern je würde gelernt haben. Auch Tivoli (das alte Tibur), Fraskati, Velletri habe ich gesehen, u. hoffe die ersten mit dem Anfange des Frühlinges wieder sehen zu können, wodurch sich denn Horaz u. manche andre Stellen der Römischen Geschichte recht verklären.
Den schönsten Anblick indessen von dem, was das alte Rom zeigt, gewähren die Denkmale, die diese Räuber der Welt zusammengeschleppt hatten, soviel deren nämlich die alte Mutter Erde in ihrem Schoß verborgen uns aufbewahrt hat: denn der größeste Teil ist wohl zerstört oder liegt noch unter der Erde, oder im Schlamm der Tiber. Da muß ich denn nun E. D. bekennen, daß die Schätze der Kunstwerke im Clementino, auf dem Capitol, in der Villa Borghese, Albani, Giustiniani u. s. f. für mich gerade das Reizendste sind, was Rom hat, alle Zeichen u. Wunder Raphaels selbst nicht ausgenommen. Die Seele bekommt unter diesen Denkmalen Formen der Wahrheit u. Schönheit, des Anstandes und der Bildung allgemeiner Begriffe, die sie vorher nicht hatte u. sonst nirgend in der Welt erlangen kann. Verleihe mir die Muse auch einige derselben; sie aber in Worten wiederzugeben ist äußerst schwer, ja oft unmöglich.
Da ferner alle Bildung christlicher Institute u. Formen, die fast 2000. Jahr hin Europa beherrscht haben, von Rom ausgegangen ist, so ist auch dies ein sehr reicher, obgleich nicht so angenehmer Gegenstand, der sich hier in tausend Erinnerungen darbeut. Hier stehen noch die ältesten christlichen Kirchen von Constantins Zeiten an, hier sieht man den Cultus in seiner alten Gestalt, wie ihn Rom allmählich ausdachte, da alle andre Länder ihn nur in verdorbnen Abdrücken zeigen; hundert Sachen der Kirchen- u. Ketzergeschichte erklären sich von selbst, sobald man Rom u. das Oberhaupt desselben, samt seinen Mithelfern u. dem Volk, auf welches sie am nächsten zu wirken hatten, kennet. Und da die Geschichte der neueren schönsten Kunst durch Raphael, Michael-Angelo u. f. fast ganz aus Rom ausgegangen, u. diese Stadt so glücklich gewesen ist, die besten Werke fast aller großen Künstler entweder zu besitzen, oder sich doch viele Meister mit einem Teil ihrer Arbeiten zuzueignen, wenn jene ihr auch nicht gehörten; so wird die Seele von selbst dahingezogen, hier u. in Florenz die Wiege der neuern schönen Kunst zu finden, u. zu untersuchen, woher dies Knäblein oder Mägdlein nicht zur Vollkommenheit u. Schönheit ihrer alten unsterblichen Mutter gelangt ist. Zu dieser Untersuchung ist indessen auch Florenz, Bologna, Venedig, Parma, Mailand nötig, u. sie fodert mehr Kunstsinn, Muße u. Bequemlichkeit, als ich habe oder in meinem Alter u. unter meinen Umständen genießen kann. Mit der Geschichte vieler Wissenschaften, die aus Italien gekommen sind, ists ein Gleiches.
Endlich ist das Theater der Römischen Welt an sich schon auf eine Zeit das Sehenswürdigste, was sich denken läßt; es ist der Hof eines Klosters, in welches Fäden aus der ganzen christlichen Welt gehen u. das sich noch auf dem Felsen dünkt, den die Pforten der Hölle nie überwältigen sollen. Jeder nähere Anblick dieser Maschine u. ihrer Werkzeuge ist lehrend, u. was auch immer das Resultat sein mag, es ist gut, das Alles gesehen zu haben, ob ich gleich nicht darein verflochten zu sein wünschte. Selbst das Römische Theater mit seinen kastrierten Donne gehört zu dieser Klosterzucht u. wird deshalb in seiner Art einzig – auf eine Zeit.
Dies, gnädigster Herr, ist der Abgrund, in den ich mich, seit ich in Rom bin, gesenkt fühle; was für Resultate aus diesen Eindrücken erwachsen, weiß ich noch selbst nicht; gnug, ich sehe u. lerne kennen, wozu sich mir die Gelegenheit darbeut. Seit dem November, da die Villeggiatur aufgehört hat, gehört auch die Römische große Welt dazu, in der ich gar, bloß um der Kürze der Formel willen, für den Vescovo di Weimar gelte; E. D. können mir also künftig keinen geringern Titel geben, als den mir die Hauptstadt der christlichen Welt mit tausend Komplimenten gibt: denn ich passiere hier für einen sehr großen Gelehrten. Ich bescheide mich indessen gern, daß es nur ein erborgtes Licht ist, das mir bloß die Gegenwart Ihrer Frau Mutter gegeben hat u. gibt; ich bin also in meinem Leben nie demütiger gewesen, als ich in Rom bin u. wünsche, daß ich schon in Neapel oder Florenz wäre.
Ihre D. die Herzogin Mutter genießt hier alle ausgezeichnete u. ich möchte sagen, königl. Ehre. Sie ist vorigen Sonntag dem Papst vorgestellt worden, u. ist mit der Aufnahme sehr zufrieden; der Kardinal Bernis u. der Kard. Staatssekretär wetteifern, ihr den Aufenthalt teils anständig, teils so ruhig zu machen, als es der Zweck ihrer Reise fodert, u. mit der nächsten Woche, hoffe ich, sollen manche beschwerliche Zeremonien zu Ende sein. Ihre Gesundheit ist sehr gut, u. die Sachen in Rom siehet sie mit einem Interesse u. einer Richtigkeit, wie ichs, die Wahrheit zu sagen, nicht geglaubt hätte. Geht alles so gut, wie bisher: so wird sie sich ihrer Reise angenehm u. mit Nutzen erinnern.
Und nun, gnädigster Herr, da eben das Papier zu Ende geht, möchte ich den Brief noch anfangen u. E. D. nicht nur für die gnädige Erlaubnis zur Reise, sondern auch für Ihre innere Teilnehmung an derselben aufs beste danken. Körperliches Vergnügen, weiche Bequemlichkeit u. Anmut hat bisher für mich diese Reise wenig oder nichts gehabt; vielmehr habe ich in meinem ganzen Leben nie unbequemer u. unwohllüstiger gelebt, als ich hier lebe; selbst das geistige Vergnügen muß in Rom u. in Italien mit mehr Mühe erkauft werden, als manches derselben wert ist. Noch weniger mag ich an meine Jahre, u. an die Umstände denken, die mich dort wieder erwarten; ich bin indessen einmal darin, u. habe gefunden, daß sich aus allem Gewinn ziehen läßt, wenn es auch nur der wäre, daß man den Kreis, zu dem man gehört, um so lieber gewinnen lernt, u. nachdem man alle Herrlichkeiten der Welt gesehen hat, zufrieden in seine Hütte zurückkehret. Sehr oft denke ich unter diesen Empfindungen an E. D. zurück u. küsse Sie in Gedanken. Leben Sie wohl u. gesund, gn[ädigster] H[err] u. erhalten mir Ihr Wohlwollen u. Ihre mir innigstschätzbare Gnade. Ihrer Frau Gemahlin wünsche ich ein Gleiches, u. empfehle mich untertänigst, in treuer Liebe u. Ehrerbietung beharrend
Euer Herzogl. Durchlaucht untertänigster Herder.
Rom, den 29. Nov. 1788.
Fast möchte ich mich vor mir selbst schämen, daß ich Ihnen, holde gütige Frau, nach so vielen Erweisen Ihrer Teilnehmung u. Liebe, noch nicht aus Italien Einmal geschrieben habe. Sie kennen ja aber Italien, Sie kennen Rom, u. wenn Sie noch so manches dazu wüßten, das mir eine Zeitlang die Stimme versagt hat: so würden Sie sich in meinem Namen selbst u. also schöner, als ichs tun kann, die Entschuldigung hierüber sagen. Vergessen waren Sie gewiß meiner Seele u. meinem Herzen nie, u. es ist kein Ort, keine Stelle, kein Gegenstand, an dem ich mit einiger Rührung u. Teilnehmung verweilte, wo sich nicht das Andenken an Sie gleichsam unwillkürlich u. von selbst mit der Frage einschlich, was Sie hier wohl gedacht, gesagt, empfunden haben. Wie oft sich dazu der Wunsch gesellet habe, daß Sie hier wären, oder daß ich so glücklich gewesen wäre, mit Ihnen Rom zu sehen, mag u. will ich nicht sagen: u. doch hätte es – Aber was das Schicksal tut, ist immer das Beste; ich sollte einmal nur mit dem Andenken an Sie in Rom vorliebnehmen u. gleichsam nur auf den Tritten Ihnen nachgehn. Und auch so ist ja das Bild Ihrer Güte u. Freundschaft mir ein wahrer Schutzgeist, ein Genius, der mich erfreut u. belebet. So oft an Sie gedacht u. von Ihnen gesprochen wird (in Rom wird dies oft) fühle ich es; u. als ich bei dem alten Reifenst. zum erstenmal Ihr Bild sah; so wenig es mir getroffen schien, so war mirs in dem Augenblicke, als ob ich zu Ihnen hingerissen würde u. mit der innigsten Seele Ihre Hand hätte küssen mögen. Nie bin ich bei ihm, daß dies Bild nicht mein Hauptaugenmerk wird, dem ich gegenübersitze, oder zu dem ich promeniere. Der Alte spricht von Ihnen nach seiner Weise mit der größesten Achtung u. mit einer süßen Erinnerung der Zeiten, da Sie, holde, hier waren, u. auch ihn zuweilen Abends besuchten. Er hat jetzt einige Wochen her seine alte Rheumatische Winterkrankheit (eine Krankheit zur Gesundheit) gehabt, da ich ihn denn zuweilen besucht habe; sonst ist er gesund u. stark wie ein Löwe. Er hebt die Fackel das Clementinum zu erleuchten, wie ein Jüngling, u. lief in Fraskati den hohen Berg hinan, wie ein Läufer in den alten Spielen. Er empfiehlt sich Ihnen u. dem Hrn. G[eheimen] R[at] aufs beste und schönste. Wir sind sehr gut mit einander: denn überdem ist er mein Landsmann, ein Preuße, in dem ich noch meine ganze Landesart u. Landessprache sehe u. höre, da ich ihr leider abtrünnig worden bin.
Doch zu uns selbst zu kommen: so danke ich Ihnen, beste gn[ädige] Fr[au], aufs schönste u. wenn ichs tun könnte, würde ich Ihnen aufs zierlichste für die Empfehlungen danken, mit denen Sie mich weit über, ja ohne alles mein Verdienst nach Italien so gütig beglaubigt haben. Den Br. nach Verona habe ich noch bei mir; weil Pindemonte jetzt Podestà in Vicenza ist, wohin wir diesmal auf unsrer Reise nicht gelanget sind (mein Br. aus Vicenza mußte also auch ausbleiben). Die Adresse nach Bologna habe ich auch noch bei mir, weil wir durch Bologna in der Nacht durchfuhren; dieser schöne Ort, Einer meiner kleinern Zwecke in Italien, bleibt also auch meiner Rückreise aufbehalten. In Rom ist der Senator leider noch nicht hier, u. wird erst in Mitte des Dezemb. erwartet, welches für mich sehr unangenehm ist. Aber der Br. an Bernis hat seine gute Wirkung gehabt, u. der alte gute Mann, der noch immer wie ein Jüngling ist, hat mich aufs gütigste empfangen u. fährt mit seiner Güte fort. Ich gab den Br. nur ab, da seine Villeggiatur zu Ende war, also in der Mitte des Nov., weil ich zuerst den Kurs in der alten Welt machen wollte; seitdem habe ich öfter bei ihm gegessen, wie ich auch morgen bei einem Dinèr, das er der Herzog. gibt, sein soll; u. bin in seiner Konzertkonversation. Der Alte Mann gefällt mir ausnehmend; insonderheit höre ich ihn so gern erzählen aus alten Zeiten. Beim Kard. Staatssekr. habe ich mit der Herz. vorigen Mittwoch gegessen: er ist auch gar artig gegen mich u. hat auf der Vaticana befohlen, daß man mir alles, was ich verlangte, zeigen sollte – Das Alles habe ich nun Ihrer Güte, ja ich möchte sagen, der Fülle Ihrer Güte, obwohl unwürdiger Weise zu danken. D'Agincourt ist auch gut nach seiner Weise; nur ich weiß nicht, er zieht sich immer so seitwärts, daher ich noch nicht recht weiß, wie ich mit ihm dran bin. Sie können leicht denken, l[iebe] g[nädige] Fr[au], daß ich bei dem Kreise, den Sie mir geöffnet haben, bei Bernis, der P[rincipessa] d[ella] S[an]ta Croce, dem K[ardinal] Staatssekretär u. f. viele u. auch sehr interessante Bekanntschaften gemacht habe. Sie sind indes alle noch jung, u. ich lasse sie daher, wie edle Früchte, erst reifen. Sobald der Senator kommt, auf welchen sich Alles freuet, schreibe ich wieder.
Aber was soll ich Ihnen von der alten Welt auf u. hinter dem c[ampo] vaccino u. sonst überall, im clementino, dem Kapitol, der V[illa] Borghese, Albani, Giustiniani u. f., oder von dem schönen Erdwinkel Tivoli, von den Aussichten in Fraskati (Albano habe ich noch nicht genossen, ich bin kaum durchgefahren nach Velletri) sagen? Am besten, ich sage Nichts, u. verspare alles bis ich zurückkomme u. meinen Weg über Zieg[enberg] nehme. Denn ist auch dies Obst meiner Gedanken reif: denn so lange, hoffe ich, wird es sich halten, u. nicht verwesen. So viel ist gewiß, daß je länger man in Rom ist u. je mehr mans kennen lernet, desto mehr siehet man, was drin zu lernen sei. Dazu gehören Jahre; u. ich schätze Sie glücklich, edle seltene Frau, daß Sie u. zwar mit Bequemlichkeit Jahre darauf haben wenden können, u. mit so viel Verstand u. Wahl den Aufenthalt geteilt genossen haben. Die Früchte davon müssen Ihnen bleiben, u. auch ich hoffe meines Teils, daß wo nicht Früchte, mir wenigstens Blätter des Andenkens bleiben werden. Den Palmbaum habe ich von Ihnen freundlich gegrüßt, auch den Kopf des Ajax u. was Sie mir sonst genannt haben – o Sie sollten hier sein, große, liebe Frau! Hier wollten wir mehr mit einander sein, sprechen u. leben, als in W[eimar] bei den erzwungenen Spaziergängen u. den müßigen Kreisen. Mir ist oft, als ob ich Sie, wenn ich an Sie gedenke, bei manchen Gegenständen umarmen müßte, voll heiligem KunstEnthusiasmus.
Leben Sie wohl, tausendmal wohl, edle Seele; mit meinem Briefe fliege auch mein Geist zu Ihnen, Sie manchmal freundschaftlich zu stören. Empfehlen Sie mich dem Hrn. G[eheimen] R[at], den ich seit seinem letzten Aufenthalt in W[eimar] noch einmal so lieb habe, so sehr ich ihn immer schätzte. Aber Eins muß ich in heiligem Amtseifer hinzufügen, der Ramdohr mit seiner Beschreibung ist ein – Asino oder Somaro, oder wie Sie den Strich supplieren wollen. Es gesellt sich, unter manchen guten Urteilen, die zum Unglück verführen, soviel Schlechtes, halb- u. ganz Unwahres, Falsches, ja gar Unsinniges zu dem was er gutes sagt, u. das zwar mit einer so unausstehlichen Prätension und einer öftern Auslassung des Besten, daß man nicht weiß, was man aus dem Gecken machen soll, u. ich ihn jedesmal wenn ich hineinsehe, mit Unwillen aus der Hand werfe. Ich wohne bei meinen Göttern u. Göttinnen, bei meinen Helden, Musen u. Grazien sittsamer u. bescheidner; auch fangen Sie mir an so hold zu werden, daß ich, völlig vergessend der lebenden großen Welt, schon von ihnen träume. Leben Sie wohl, holde Muse, ich küsse ehrerbietig Ihre Hand, wie ich letztens die hohe Melpomene des Museums wirklich im Betrachten ihres schönen Antlitzes küßte, addio, Signora, addio.
Rom, d 29ten Novembre 88.
[ . . . ]
Bei der Angelica habe ich schon zweimal gesessen es wird ein sehr schönes Tableau wo ich mit prangen kann, als ich das letztemal saß las Herder Ihre Gedichte uns vor; die gute Angelica wurde so begeistert daß das Bild immer schöner wurde. Der alte Herder wird immer besser es gefällt ihm mehr, seine Gesundheit ist gut, er ist lustig und guter Dinge er hat sich von seiner Gesellschaft getrennt, die meiste zeit ist er bei mir, er wird hier der Archeveque genannt, und man gratulieret mir so einen Mann bei mir zu haben er gefällt sehr, sogar bei den Damen, doch hat seine liebe Frau nichts zu befürchten, denn er bleibt ihr treu wie ein General Superendent.
Weimar, 29. 11. 1788
[ . . . ] Letztern [d. i. Herder] kann ich mir recht deutlich vorstellen; denn ob er gleich in Deutschland neuerlich so viele Ideen ausschüttete, daß ein anderer sich ganz ausgegeben fühlen würde, wenn er deren so viel ans Licht gebracht hätte, so erstickt jetzt Herder in Ideen, die durch das Neuere gewaltsam herfürgetrieben werden und die er selbst vielleicht in seinen Vorrat von Keimen nicht kannte.
[ . . . ] Haben Sie nun die Gnade, etwas zu besorgen, welches mir lieb zu erhalten sein würde, nämlich Göthens und Herders Büste im schönsten Marmor gehauen bei Trippeln für meine Rechnung zu bestellen und den Rat Reiffenstein zu bitten, daß er solche, wenn sie fertig sind, mir zur See nach Hamburg schicke, aber mich benachrichtige, wenn sie abgehn. [ . . . ]
Weimar, den 30. November 1788.
Unter diesem fortwährend düstern Schneehimmel möchte ich Blick und Gedanken irgend auf ein Glück heute hinwenden, und ich weiß es nirgends besser zu finden als bei Ihnen, Lieber, dessen Liebe, Freundschaft und Umgang mir schon so viel gute und glückliche Stunden gegeben hat. Gottfried brachte mir diesen Morgen Ihren Brief an ihn, und das war mir schon ein gutes Zeichen; denn ich mochte gern durch denselben in das Land des Horaz mit hineinblicken. Nur glaube ich, daß, um dasselbe so zu genießen, wie es Horaz genossen hat, ein gewisser Vorrat von Lebensglück vorausgesetzt wird, sonst bleibt es doch nur immer sentimentalische Spekulation. Dies sieht man den Oden des Horaz zu deutlich an; er sang aus Überfluß, malte aus Froheit und zuweilen Mutwill des Geistes und Sinnes; wir singen, um uns hören zu lassen, um unsere Pension nicht umsonst zu verdienen oder Beiträge in die Journale zu liefern. So geht es dem guten Ramler, der wahrlich seine arundinem jetzt so dünn schneidet, daß kaum ein Ton mehr zu hören ist – und doch müssen sie auf das prächtige Papier der Akademie der Künste zu Berlin abgedruckt werden. Wir andern in Norden müssen auf das schöne sinnliche Dasein, die Mutter aller Künste, zumalen aber der bildenden, schon etwas Verzicht tun, und wenn uns ein höherer Sinn (wie wir denn das Reich der Metaphysik besonders dazu ausersehen haben) nicht anderswohin leitet, so dürfen wir nicht träumen, den Alten in ihren Kunstwerken nachzukommen. Vielleicht ists auch nicht mehr Zeit dazu, und die Menschheit müßte in ihre Jugend zurückkehren.
[ . . . ]
W[eimar,] den 30. Nov.[/1. 12.] 1788.
Aus meinem letzten Brief, vom 24t wirst Du gesehen haben, lieber Engel, daß Emilchen so glücklich die Blattern hat. Seit Dienstag ist er den ganzen Tag angekleidet außer dem Bette, ist fröhlich u. wohl, u. man wüßte nicht daß er die Blattern hätte, wenn man nicht hie u. da eine bemerkte. Vorgestern hat er was Abführendes genommen, in einigen Tagen geschieht es noch einmal zum Beschluß der ganzen Krankheit, die schöner u. glücklicher gewesen ist, als irgend eine Inokulation. Er wacht alle Morgen mit Gesang auf u. ist meine kleine HimmelsLerche im Winter. Dem lieben Gott sei tausend Dank gebracht, für diese guten u. glücklichen Tage. Doppelt angenehm ist mirs daß die Blattern jetzt in Deiner Abwesenheit gekommen sind! Ein gütiger Genius begleitet das liebe Bübchen – möge er ihn so glücklich sein ganzes Leben begleiten!
Emil grüßt den lieben Vater gar fröhlich, er hofft auf ein Briefchen von ihm u. hat heute schon etliche mal das Briefchen aus Nürnb. das ich ihm geben mußte, gelesen. Er ist sehr guten Humors, der denn freilich auch daher gekommen ist daß ich mich immer mit ihm abgegeben habe; ich trug ihn die meiste Zeit selbst, u. seitdem er angekleidet ist, war ich auch gar sein Pferd u. er mein Reuter. Ich sehe daraus daß man wohl heitre u. fröhliche Kinder haben könnte, wenn man selbst mit ihnen fröhlich wäre. Wie gern wollte ichs sein, wenn mir das gute Schicksal meine alte Fröhlichkeit wieder geben wollte.
Lieber Engel, auf Deinen letzten Brief werde u. mag ich Dir nicht antworten. Der Weg nach Rom ist zu lang u. bringt Dir meine Antwort nicht rein hin. Ich habe die sonderbare Bemerkung gemacht daß meine Briefe gerade das Gegenteil bei Dir wirken. Was ich als Lob schreibe, nimmst Du für Tadel auf. Ich drücke mich freilich im schreiben sowohl als im reden verwirrt aus. Gott gebe mir doch einmal Verstand, wenn mein armes Gehirn u. meine Jahre noch dazu taugen. Höre nicht auf, liebes Herz, mir zu verzeihen. Entziehe mir Deine Güte nicht immer; ich habe sie nötig, u. werde sie täglich nötiger haben. An meinem guten Willen soll es nie fehlen; aber auch diese frommen Wünsche achte ich nicht mehr hoch, wenn der Nachdruck, die Ausübung fehlt.
Dulde mich u. verzeihe daß ich Dich auch in Rom kränke durch meine Dummheit; es schmerzt mich mehr als Du weißt.
[ . . . ]
Gottfried hat mir die Oden von Horaz mündlich übersetzt u. ich höre u. lese mit süßem Vergnügen Deinen Brief an ihn von Tivoli, ob ich gleich das Ende davon überschlage. Mögen Dir vom guten Schicksal mehr dergl. ähnliche glückliche Tage beschert werden! und sie werden Dir gewiß beschert! Warum mußtest Du auf eine so sonderbare Weise nach Rom entrückt werden! Gott erhalte Dich nur gesund u. sorge für Dich. Das ist mein tägl. stiller Seufzer. Lege er doch alles Ungemach auf mich hier u. entferne alle Übel von Dir.
Die Kinder sind alle wohl u. ich auch. Der Winter ist mit gewaltigem Schnee u. Kälte bei uns eingetreten; die Kinder freuen sich darüber u. ich sehe ruhig die Schneeflocken schweben. Von der guten Schmidtin, die noch in Frankfurt ist, habe ich ein klein Briefchen erhalten. Sie grüßt Dich u. bittet um Dein Andenken. Kein vertraulich Wörtchen stund im Brief. Ich lobe ihre Klugheit.
Kapellmeist. Wolf hat eine KirchenKantate für Lübeck komponiert. Sie ist vorigen Sonnt, in der StadtKirche aufgeführt worden. Rudolph lobt sie sehr. Die kleine Jagemann hat dabei gesungen u. soll nach Rudolfs Urteil, eine große Sängerin werden, wenn sie nämlich nach Berlin in guten Unterricht gebracht werden könnte.
Hier ist ein Brief von der Henriette an Werner. Sie macht ihm eine Nachricht kund, die er noch nicht weiß; sie ist im 4ten Monat schwanger von ihm. Seit 4 Wochen habe ich sie nach Magdala geschickt um sich wegen dem Magenkrampf dort zu pflegen, ich hörte in dieser Zeit daß es nicht richtig mit ihr wäre. Gestern kam sie unvermutet wieder; u. da sie mir bisher nichts davon entdeckt hatte, sondern mich noch gar für 1 Louisd'or Wunder Essen aus Hamburg hat kommen machen die sie auch gebraucht hatte; so ließ ich die Lieberin gleich kommen. Sie fand daß sie 4 Monat schwanger sein müßte, die Henriette wollte aber nicht gleich gestehn, bis nach langem hin u. her reden. Sie stattet jetzt dem Werner Bericht ab. Glaubst Du daß es seine Gesundheit nicht erträgt so halte den Brief noch etwas zurück. Wissen muß ers indes bald, da es die Hofbedienten Weiber ihren Männern nach Rom schreiben werden. Werner hat der Henriette die Ehe versprochen u. wünscht ein Hofbedienter zu werden. Ob er sein Wort halten wird, wird die Rückkehr entscheiden. Vielleicht kann er sich unter der Hand der Herzogin Mutter empfehlen, wenn sie ihn leiden kann. Vielleicht hat seine Krankheit ihm auch schon einiges Intresse gegeben. Ich hoffe nicht daß Dich dieser Vorfall ärgern wird; er ist menschlich, mich hat er weder verwundert noch befremdet; ich mag u. will mit meiner Empfindung an diesen Menschen keinen so nahen Teil mehr nehmen. Sie haben mir zuviel unangenehme Stunden gemacht, dadurch daß ich mich ihnen zu sehr genähert habe. Auch ist die Henriette ganz ruhig u. vergnügt. Ich will diesen Winter im stillen für sie sorgen daß sie nicht Mangel leiden soll, sie will sich hier bei einer Frau aufhalten. Das Einzige bitte ich Dich. Versiegle meine Briefe oder verbrenne sie gleich. Werner wird jetzt eine eigene Neugierde darnach haben u. glauben ich schriebe über diese Sache etwas. ich mag nicht daß er meine Briefe lese.
Gute Nacht Lieber.
Den 1. Dez.
Da ich gestern Abend Eben zu Bett wollte, kam Dein lieber Brief vom 15. Nov. u. brachte mir u. Gottfr. u. August viel Freude, Du Lieber! Er hätte mit keinem schönerm Symbol gesiegelt werden können als der Nemesis! sie sei u. bleibe bei Dir! Dies Geschenk mit Seele u. Geist, freut mich von der Herzogin sehr. Danke auch für mich; denn was Du empfängst, empfängt Dein Schatte hier auch! empfehle mich ehrerbietig, u. der Göchh. freundlich.
Es war endlich doch gut daß alle die Dissonanzen sich harmonisch aufgelöst haben. Auch die Göchh. hat an die Steinin einen guten Brief hierüber geschrieben den mir die St. mitgeteilt hat. Es freut mich daß sie endlich fühlen, was sie an Dir haben. Genieße der guten glücklichen Stunden jetzt ununterbrochen, bis Du wieder zu uns in die Enge kommst. Alles genieße ich mit Dir. Alles, Alles. Und wie froh macht mich der heutige Brief. Laß uns für Alles, für das Böse u. Gute dem Schicksal danken. Es geht alles vorüber; aus dem ersten lernt man das zweite schätzen u. genießen.
Ich habe sogleich diesen Morgen nach den gelehrten Schriften geschickt. Zwei waren hier im Buchladen, das dritte wird heute von Erfurt verschrieben, u. soll diese Woche alles noch abgehn subito. Mich intressiert der spanische Gesandte wie Dich, ob ich ihn gleich kenne. Welch ein Glück ists, unter einer edeln Nation geboren zu sein!
Ich träumte diese Nacht sehr lebhaft daß Du angekommen seist, indem ich geschlafen habe, u. da ich aufstand u. Dich bewillkommen wollte, warst Du sehr kalt gegen mich, ich wünsche nicht daß es eintreffen möge. Lieber wollt' ich daß Du jetzt kalt u. hernach warm wärest.
Emilchen hat durchaus heute an Dich schreiben wollen, er weinte da ichs ihm abgeschlagen hatte; ich gab ihm zur Befriedigung während als ich schrieb ein Blättchen u. er schrieb ganz allein, ein so artiges Briefchen das ich Dir schicken muß. Er hat an den Händen keine Blattern mehr; indessen räuchre ichs stark mit Essig, so wie die Übrigen Blätter, daß Du nichts Böses von uns erhalten sollst.
Lebe wohl liebstes Herz. Gott sei überall bei Dir.
Verzeihe eine Frage.
Wenn Du nach Neapel gehst, wirst Du wohl nicht lauter bares Geld sondern Wechsel mitnehmen, damit es Dir nicht abgenommen werden kann. An Huschke hast Du auch wohl ein Präsent von 6–8 Dukaten wegen Werner gegeben? Dies wird doch nötig sein.
Verzeihe, u. antworte nicht auf die Fragen, wenn sie Dir unangenehm sind.
Lebe wohl mein Guter Einziger auf dieser Welt. Gott sei bei Dir u. belohne Dir Alles.
Gottfried u. Aug. grüßen den guten Vater. Sie scheuen sich gewaltig auf Deine herrlichen Briefe zu antworten, die guten Schelme, sie meinen, sie müßten Dir gerade auch so schreiben, adieu, adieu.
Weimar, 1. 12. 1788 [?]
lieber Vater
Ich hätte Sie ein Blümigen geschick, aber wie ich eins hatte so ging es entzwei und ich konnte nicht wieder daran kommen kommen Sie bald wieder ich kann ohne sie nicht leben wenn ich wieder eins gemacht habe so will ich sie eins schicken. Ihre Gehorsame
Tochter Luise Herder
1788
Weimar, 1. 12. 1788 [?]
lieber Vater!
ich kriege auch wieder ein neises Kleid krins Gegchen ich bin Vellig wieder gesund, ich habe nicht genubbert. die Mutter hat mir auf dem Glafir [von Caroline Herder ergänzt: gelernt:] Rosen auf den weg gestreit, und des Harms vergessen!
ihr getreider bruder
Emil Herder 1788.
Rom den 3. Dez. 88.
Endlich ists wohl Zeit an Dich zu schreiben, mein günstiger H[err] u. Freund, u. Du hast es, wie durch Deine vielfache Güte u. Teilnehmung an mir, so auch dadurch verdient, daß Du mein Stillschweigen so wohl erklärt hast, u. nicht müde geworden bist, mir einige stärkende Worte, die nie verloren gewesen sind, zu sagen. Ich bin jetzt solange in Rom, um darüber ein Wort sprechen zu können, u. doch ists nichts, gegen das, was mir bevorstehet u. ich zu genießen u. zu erforschen wünsche. Wenn ich bloß die Statuen nehme, die im Grunde mein liebstes u. wahres Heiligtum sind, so vergesse ich jedesmal <a>lles andere darüber, u. ich gehe von meiner Schreibe<rei> über sie vor ihrem Antlitz, allemal unwillig nach Haus<e>. So einen andern Weg ich in diesem u. andern Dingen gehen möge, als Du, Tausendkünstler, dabei gegangen bist: so finden wir uns am Ende doch zusammen, u. wir werden, hoffe ich, manche angenehme Stunde in einer gemeinsamen Erinnerung haben, wenn sie uns das Schicksal bescheret. Einzelnes kann ich Dir nichts schreiben, so wie auch nichts von meinen andern Zerstreuungen hie u. dorthin; dafür schreibe Du mir öfters, lieber G., ich bringe Dir, was ich in mich sammeln kann, als ein Verstummter (wie Du es selbst voraussagtest) mit. Auch mit den Zypressen, Pinien pp habe ich mich zu versöhnen angefangen, so wie mit dem Römischen Himmel u. allem, was durch Ungezogenheit u. Faulheit der Menschen davon abhangt. Auch fange ich an, die Ital. Sprache zu lieben, u. sehe mir so manche Quellen eines neuen künftigen Vergnügens geöffnet, daß ich selbst, obzwar sehr bescheiden, glaube, daß die Reise nach Italien für mich in Manchem gut sein werde. Deine hiesigen Freunde lieben Dich alle unbeschreiblich, u. Du lebst noch bei Ihnen. Bei Büri sind nie die Tränen weit, wenn ich mit einiger Innigkeit von Dir rede. Ich habe mit ihm die Paläste Colonna u. Borghese gesehen, das Einzige was ich außer Rondanini, wo ich mit Hirt war, von Gemäldegalerien gesehen habe. Sie jagen mich immer zu meinen geliebten Statuen zurück, von denen ich schon sogar träume.
Die Angelika ist eine liebe Madonna; nur in sich gescheucht u. verblühet auf ihrem einzelnen schwachen Zweige. So ein ehrlicher Preuße Reifenst., u. so ein guter Venezia<ne>r ihr Zucchi sein mag: so stehet sie doch allein da ohne <Stü>tze u. Haltung; daher ich allemal mit betrübtem Herzen von ihr scheide. Du hast ihr sehr wohlgetan, u. sie findet an mir nichts von dem wieder, was sie an Dir verloren.
Hirt hat Dir, wie er mir einmal gesagt hat, geschrieben, daß er einen Br. an Dich richten wollte. Laß es ihn tun: der Mensch bessert sich gewaltig u. er hat mir einige Sachen, z. E. über Drouet u. F. . . (nun wie heißt der alte Maler, dessen Bild in der Minerva an der Einen Tür stehet?) geschrieben, die recht brav sind. Es wird ein nützlicher Mensch in der historischen Kunststatistik aus ihm werden. Ich treibe u. hobele ihn gewaltig, u. er hat viel von mir zu leiden, welches er alles aber recht gut aufnimmt. Er hat mir viele Gefälligkeiten erwiesen, u. Du stehest bei ihm hoch droben. Er führt jetzt eine Livländerin mit ihrer Familie, u. ich sehe ihn also wenig.
Sonst kann ich nicht leugnen, daß mir die Menschen hier viel Zuvorkommendes, Liebes u. Gutes erweisen; indessen sind sie doch immer am artigsten, wenn man sie nicht brauchet. An Bekanntschaften fehlt es mir nicht, u. ich fange an abzulehnen, wiefern es sich tun läßt. Die Herzogin ist sehr gut gegen mich: so auch die G[öchhausen] u. E[insiedel]; wir leben sehr gut mit einander, u. die Herzog. beträgt sich überhaupt sehr gut. Ich werde wahrscheinlich mit ihnen nach Napel gehen, von woaus mir schon Tischbein seine guten Dienste hat anbieten lassen. Auch das bin ich Dir schuldig.
Am meisten aber habe ich Dir Dank, lieber G., daß Du Dich meiner Frauen so brüderlich annimmst; nie werde ich Dirs vergessen können: denn ich fühle es leider stark gnug, wie töricht es gewesen sei, daß ich ih<r> <aus> 100. von Meilen meine Unbehaglichkeiten u. mein<en> <Kum>mer mitgeteilt habe. Ich war aber unter der Gew<alt> <der> fremden Lage, u. konnte nicht anders. Hilf ihr fer<ner,> lieber Bruder, wo u. so gut Du kannst; Du weißt ja <doch> ohne mich, daß in Manchem wir uns allein verstehen u. uns einander auch helfen müssen, soweit es angeht. Die Erinnerung des Überstandnen wird für uns alle süß u. Fruchtreich werden.
Lebe wohl, Lieber, u. gehe Deinen Studien nach, ohne dabei lebendige gute Menschen zu verabsäumen. Empfiehl mich dem Herz. u. der Herz. u. sprich sonst das Beste für mich, wo Du kannst: denn viele wird gewiß meine Reise ärgern, u. es müssen notwendig schiefe Urteile gefällt werden. Sie kümmern mich indessen nicht: denn in Rom lebt man nur für das Gegenwärtige u. für heute.
Lebewohl u. empfiehl mich der Fr. v. Stein aufs schönste u. beste. Angelika u. <a>lle grüßen Dich, mit denen Du hier gelebt hast; so gar ein Sonett, das man auf Dich in der Arkadia vorgelesen hat, habe ich ehegestern mir vordeklamieren hören. Valeto.
W[eimar,] d. 5. Dez. 1788.
Ich erscheine heute schon wieder bei Dir lieber Engel; die Herzogin schickte mir inliegenden Brief den ich nicht aufhalten will, auch ist von Fr. v. Fr[ankenberg] ein Brief gekommen der beiliegt; u. 3tens ist Moriz vorgestern angekommen! Da Goethe in Gotha war so kam er gleich zu mir. ich wollte eben meinen Nachmittags Caffèe trinken als er kam; Du kannst leicht denken wie mir mein Herz schlug. Er machte es gar hübsch; gab nach gewissen Pausen eins nach dem andern seiner Kreditive heraus. Den Brief u. das Liedchen an mich zuerst – denn die allerliebste Eventaille für Luisgen, die sie mit stiller Freude angenommen hat. Das Konfekt wurde auch nicht vergessen u. es schmeckte ihnen wirklich als obs aus Rom gekommen sei. Die Kinder waren bei Schäfer, wie sie nun versammelt u. ihn angestaunt hatten, kamen die Italienischen Früchte (die sie zwar erfreuten, aber doch lieber gegessen hätten) dann die Möglichen Bilder alle, die hernach durchs Los verteilt wurden, wovon Wilhelm der Maler das große Los erhielt: nämlich Goethens Büste mit der Melpomene nebst der Kleinern. Er hatte sichs in seinem Herzen gewünscht u. mit großer Freude erhalten. Moriz blieb einige Stunden bei mir, u. ich war so bekannt mit ihm als ob ich ihn lange kennte. Das meiste ward von Dir u. Rom gesprochen. Nun ging er weg um auszuruhen u. spazieren zu gehn. ich lud ihn auf den andern Tag zum Mittagessen; er kam gar gern. Knebel sollte auch dabei sein, er war aber zur Herzogin gebeten; es war auch so besser. Nun ging beim Essen bald die Erzählung von dem alten Rom auch mitunter von den Päpstlichen Zerimonien an. Alles horchte. Ihn muß man nur erzählen hören. Er ist ein gar trefflicher u. verständiger Mensch. Vom Monsig. Borgia u. der Propaganda gab er mir auch einen Begriff. Ich hatte einen so köstlichen Mittag. Wir waren seine Gäste u. er der Wirt. Nach dem Essen, las er beim Caffèe, aus Rehbergs Brief den er hier erhalten hat, Stellen, die Eure LustReise in Tivoli betrafen; Gottfried gab den seinigen u. wir bekamen ein vollkommenes Bild von Tivoli, durch seine mündliche Erläuterung hierüber; selbst Francesco der Sybillenwirt, wurde nicht vergessen. Zugleich hörte ich auch von dem freundschaftl. Streit zwischen Dir u. Rehberg, vom nützlichen u. angenehmen in der Kunst. Wir hattens hier auf der Stelle gleich so entschieden; daß wenn das angenehme uns unangenehme Stunden verhindert oder erheitert, das angenehme dadurch für unser Gemüt nützlich wird; u. also das angenehme u. nützliche für uns Ephemeren, dicht beisammen steht; dies war die Augenblickliche Entscheidung; wie ich aber allein war, so dachte ich nach, daß man aus manch angenehmen Eindrücken manchmal lange unangenehme Wirkungen empfinde – diese angenehmen Eindrücke sind uns also nicht nützlich u. sind zu vermeiden. In wiefern dies mit dem angenehmen u. nützlichen in der Kunst zu vergleichen sei – wirst Du am besten zergliedern. Mich freuts daß Du Rehberg hast – aus den Stellen seines Briefs, die Moriz gelesen, zu urteilen, hat er einen festen Charakter. Moriz u. er leben für u. miteinander, wie es mir scheint. Es ist ein schönes Gefühl um eine edle männliche Freundschaft! aber aber, die Natur hat doch ein süßeres u. unwandelbareres Band gewußt. Jetzt, in unsrer Zeit, sind alle männliche Freundschaften doch nur auf gleiche Meinungen über diese u. jene Sache, u. nicht auf Zweck oder Tat gebaut – u. wie leicht verändert man Meinungen! Verzeihe diese weibliche Abweichung. Moriz zeigte noch eine Zeichnung von einem durch Hirt neuentdeckten Gemälde, vom Pat. Franz. di Fiescoli, das mir ganz außerordentlich gefällt. Die Weiber sitzen so charakteristisch schön vor ihm, daß mich dünkt nichts wahreres gesehen zu haben. Wenn unser Wilhelm ein solcher Maler wird, dann glaube ich, hat er den menschlichen Gipfel in dieser Kunst erreicht. Von Anton Reiser sprachen wir auch noch. Mit dem untern Teil des Gesichts gleicht Moriz ganz einem Schwärmer; sein gutes Schicksal u. Verstand hat ihn noch gerettet. In seinen tiefliegenden Augen ist ein fester Blick. Nach 4 uhr kam Knebel von Hof bei dem er Vormittags gewesen, u. holte ihn zur Frau von Kalb ab, die ihn zu sehen wünschte. Sie waren kaum eine Viertelstunde weg, so ließ Goethe seine Rückkunft von Gotha sagen; er logiert bei ihm u. wird vermutlich einige Zeit hier bleiben, er achtet u. ehrt Dich recht hoch.
Vorgestern erhielt ich von der Luise Stolberg die unvermutete Nachricht daß die gute Agnes nach einer 8tägigen Krankheit in Koppenhagen den 15. Nov. gestorben sei. Nachdem der Arzt sie besser glaubte u. ihr Mann an ihrem Bette für den ruhigen Schlaf Gott dankte, wachte sie nicht wieder auf. Sie hinterläßt 4 Kinder u. war 27 Jahr alt. Der Graf Christian ist sogleich nach Koppenh. u holt den Bruder mit den 4 Kindern zu sich nach Tremsbüttel. Die Gräfin Luise hat mir aufgetragen es Dir zu schreiben. [ . . . ] Sage mir doch, hast Du mir einen Brief an den Herzog geschickt? erhalten habe ich noch keinen. Oder hast Du ihm unter seiner Adresse geschrieben? ich bin begierig es zu wissen, da die Fr. von Fr[ankenberg] mir heute schreibt daß Du an den Pr. August geschrieben hast. Unser Herzog ist da gerade in Gotha gewesen. Von Elisa Gore habe aus Berlin einen gar hübschen Brief wieder erhalten, sie wünscht Dir viel Gutes u. empfiehlt sich Deinem Andenken. Das dritte lateinische gelehrte Buch erwarte ich nächsten Posttag von Gotha, wenn sies haben, wo nicht so gehn die 2 einsweilen allein ab, mit der fahrenden MontagsPost.
Emil hat gestern, da Moriz mit aß, zum erstenmal Fleisch gegessen, es war also ein vollkommener Festtag. Er hätte es nicht verdauen können daß Luischen ein so schönes Gemälde von Dir erhalten hat, u. er nicht; die andern hatten das nämliche Gefühl behieltens aber verschwiegen im Herzen. Ich habe 2mal meine Zuflucht zu Deinem Brief genommen u. die Stelle laut u. mit Nachdruck vorgelesen »den Buben bring ich selbst aus Rom mit«. Solang ichs las wars gut; wenn aber der Brief wieder in der Tasche war, empfanden sie doch etwas unrechtes oder ungerechtes.
Nun Lebe wohl liebstes Herz, ich habe Dich heute, wie immer mit nichts unterhalten. Nimm vorlieb, u. höre nicht auf mir gut zu sein. Meine Gedanken sind nur bei Dir, u. Du bist mein Alles, mein Verstand u. mein Herz. Nichts gleicht Dir, Du Einziger. Gott gebe Dir Freude u. Gesundheit u. sei überall bei Dir.
Das schöne Liedchen habe ich den ersten Abend bis nach 11 uhr gesprochen u. singe es Dir u. mir vor. Sei fröhlich u. glücklich wo Du das Glück findest, u. wenn Dich mein Andenken daran hindert, so vergesse mich. Dich selbst verliere ich nie aus meinem Herzen,
lebe tausendmal wohl. C. H.
Auch diese Briefe sind noch mit Essig geräuchert, um Dir nicht Böses zu senden.
Weimar, 5. 12. 1788 [?]
Liebster Vater.
Welche Freude hat uns Herr Moritz gemacht, da er uns von Ihnen und Rom erzählte, u. uns so schöne Sachen mitbrachte. Ich danke Ihnen recht herzlich für alles, für die schönen italienischen Früchte und für die Bilder. Es ist darum gelost worden, u. da habe ich denn wie alle einen Socrates, den Herrn Voltair im Schlafrock, den Geistl. mit der vortreffl. Perücke und der Glorie um den Kopf und noch schöne andere bekommen. Ich und wir alle haben den Herrn Moritz recht lieb, er hat uns den Brief den Sie an mich von Tibur geschrieben haben erklärt und prächtige Sachen erzählt, von der schönen Quelle Aquoria, dem alten Rom, Pantheon, von den Zitronen, Feigen und Kastanien, von dem Papst und vielen andern Dingen die uns außerordentl. gefreut haben, und beim Weggehn sagte er, daß er noch lange nicht fertig sei. O könnte ich doch Ihnen auch etwas schicken, wir sind aber so arm, daß ich nichts als Liebe, Gehorsam, Dank und inniges Andenken an Sie schreiben kann. Leben Sie wohl und denken Sie auch oft an mich. Ich soll auch viel Grüße vom Herrn Direktor, Konrektor und Herrn Schäfer an Sie sagen. – Es ist jetzt sehr schöne Schlittschuhzeit, und ich fahre recht oft mit meinen Brüdern. Haben Sie mich so lieb, wie ich Sie, bleiben Sie gesund und vergnügt und vergessen Sie nicht
Ihren gehorsamsten und Sie zärtlichst liebenden Sohn
Gottfried Herder.
Grüßen Sie Werner von mir vielmal.
Weimar, 5. 12. 1788
Liebster Vater.
Der H. Moriz ist vor gestern hier angekommen, u hat uns gar viel erzählt, auch von Ihnen. Ich danke Ihnen auch für die schönen Bilder u Früchte die Sie uns geschickt haben. Wie der H Moriz die Früchte austeilte, so freuten wir uns schon, aber hernach griffen wir sie an, da sahen wir daß sie von Stein waren. Die Bilder sind verlost worden, u ich habe den Sokrates, einen alten Helden, den ich aber nicht kenne u noch 4 leer bekommen. In Tertia geht es recht gut, u der H Subkonrektor ist recht höflich gegen mich er läßt Sie auch grüßen. Auf dem Eis bin ich jetzt auch noch fleißig. Leben Sie wohl u vergessen Sie nicht
Ihren gehorsamen Sohn August Herder.
Grüßen Sie Wernern.
d. 5 Dezember am Buß tag 1788.
[Weimar,] den 5ten Dezem. 1788
Lieber Vater
Ich danke Ihnen recht sehr für die lieben Bilder die Sie uns geschenkt haben. Der Herr Moritz ist ein sehr guter Mensch. Er hat uns auch viel von Rohm erzahlt. Wir waren gerade alle in der Schule als Gottfried nicht, es war den 3ten Dezember Vormittag um 3 Uhr. Nun brachte er die früchte her aber sie waren eingewickelt, er ließ zum Unglück eine fallen, aber er entschuldigte sich gleich ud sagte es war ein futteral darüber. Nun wickelte er sie alle heraus. Wir glaubte Anfangs Alle daß es ordentliche wären, aber die Mutter griff eine an, ud wir sahen daß es steinerne waren, nun fingen wir alle sehr an zu lachen. Die Bilder wurden Alle verloset? Ich bekam die Inschrift von dem Herrn Geheimerat Göthe. Ich hatte mir es gewünscht? ud siehe, das Glück bescherte mir es. Ich danke Ihnen nochmals für Ihre liebe Güte die Sie uns zu getan haben. Leben Sie wohl ud grüßen Sie den Werner, behalten Sie lieb
Ihren gehorsamen Sohn Wilhelm Herder
Weimar, 5. 12. 1788 [?]
Lieber Vater.
Ich danke sie gar sehr für die Liebe die sie uns getan. Der Herr Moriß ist Vorgester angekommen um zwei uhr. Der Herr Moriß ist ein rechter guter Mann er hat den Donnerstag bei uns gegessen ich dank sie für ihre Bilder und früchte wie der Herr Moriß die früchte herausgezogen hat so freuten wir uns; aber als er es aufmachte so waren es Steinerne früchte, ich habe Sechs Bilder im Los gekrieg den Alten Sokrates und daß Wappen Möglich und die Arbeit mit dem Ruhm, und zwei Leere. Auf den Eis gehet es recht gut. Griesen sie den Werner.
Leben sie wohr ihr getreuer Sohn Adelbert Herder.
[Nachschrift von Caroline Herder.]
eine Neuigkeit muß ich noch melden: der H. von Werther heuratet die 2te Tochter vom H. von Ziegesar in Gotha.
Weimar, 5. 12. 1788 [?]
lieber Vater
Ich danke sie recht sehr für den Fächer und die Bilder hier schicke ich sie jetz blumen. Ich habe einen Brief von dem Herrn Günter gekriegt da stand darin wie gehts in ihrer schönen Stadt. Emil war betrübt wie er sah das ich ein Fächer hatte und er nichts.
Ihre Gehorsame Tochter Luise Herder. 1788.
Ich habe die Mutter mit den Kind
Weimar, 5. 12. 1788
lieber Vater
der Herr Moriz hat uns von Rom erzählt und hat uns auch von die golden quelle erzählt er hat mir auch von sie paar bilder gebracht Sokrades ein Herzog und den ersten Juni ein kleiner Emil der aus einem Horn Rosen aus gießt, ich darrnke ihn dafür lieber Vater, ihr getreuer Sohn, Emil Herder
den 5 desemmer 1788.
Rom 6. Dez. [1788].
Ich schreibe Dir heut nur wieder einige Reihen, liebster Engel; gnug, wenn Du erfährst, daß ich wohl bin. Man kommt in Rom zu nichts, u. man wird seiner Zeit nicht froh, so gehts hin u. wieder. Morgens habe ich eine Sprachstunde: denn gehts zu sehen; nachmittag oft zu hören, da kommen Besuche: denn bin ich auch jetzt sehr fleißig im Aufschreiben für mich, dabei mir die Sinne recht aufgehn: so kommt Mitternacht heran u. eine Woche ist vergangen, ohne daß man sie gewahr wird. Diese Woche bin ich viel mit u. bei der Herz. gewesen; sie ist gar gut. Sonntags waren wir bei Bernis u. Abends ich mit D. in einem Orator[ium]. Donnerstag waren wir alle in der Arkadia: sie ist zum Mitglied aufgenommen unter dem Namen Palmirena Atticense; mir ists diesmal glücklich vorübergegangen, u. ich will mich wohl hüten, die heilige Schwelle wieder zu betreten. Sie führt sich aber bei allem, was ihr geschieht, sehr wohl auf. Wahrscheinlich werde ich mit ihr nach Napel gehen, gleich nach Weihnacht; die andre Reise tue ich allein. Sage doch in Deinen Br. was Schönes über sie, daß ichs vorlesen kann; es gefällt ihr hier gut, doch läßt sie die Vernunft über sich gebieten. Sonst kann ich Dir wenig Neues hier schreiben; das wird alles zur Rückkunft aufgesparet.
Mich dauerts, daß Du Eine Woche ohne Br. von mir gewesen bist: sie müssen kommen, u. Du wirst durch die Folge sehen, ob einer verloren gegangen ist. Ich hoffe es nicht. Knebels Br. hat mich sehr gefreut; ich will ihm nächstens schreiben. An die Fr. v. Dieden habe ich auch geschrieben; der Br. geht mit diesem ab. Den Kindern danke ich gar sehr für ihre guten Br. u. Nachrichten. Moritz wird nun wohl schon bei Euch gewesen sein, das hoffe ich denn im nächsten Br. zu hören. Wenn dieser Br. ankommt, seid Ihr dem H[eiligen] Christ nahe; ich werde bei Euch in Gedanken sein: bereitet mir auch ein Eckchen im Winkel: Euch meiner zu erinnern. Dem Emil beschere doch auch etwas an unsres lieben Alfreds Stelle, daß er Uns statt 2er werde. Er ist ein gutes Knäbchen: seine Br. freuen mich sehr. Es wird mir sonderbar sein, Euch alle u. insonderheit die Kleinen wieder zu sehen: die sind in der Zeit andre Menschen geworden, indes wir stille stehn oder abnehmen. Desto fester u. treuer wollen wir an uns halten u. der Zeit genießen, solange wir hier sind.
Von der S[eckendorff] schreibe ich nicht gern. Sie ist aus Caprice eingeblieben, bis vor 14. Tagen, u. gab eine Krankheit vor, wahrscheinlich weil sie den Senator erwartete, u. sich in ihr Köpfchen gesetzt hatte, nicht durch die Herz., sondern als selbstständige hohe Dame zu erscheinen. Endlich hat sie nachgeben müssen, u. ist mit der G[öchhausen] herumgefahren, um Visiten zu machen, seitdem sie denn auch in der Gesellschaft erscheinet. Ich wünsche ihr alles Gute, ob sie mir gleich natürlich Spinnenfeind sein mag in ihrer Seele. Den D[alberg] hat sie auch ganz u. gar gegen mich erkältet, u. ich wünsche, daß ich ihren Namen nie mehr höre. Er will mir auch gar nicht von der Zunge, u. ich muß mich immer bedenken, wie sie heißt.
Sonst bin ich noch in keine nähere Bekanntschaft getreten, wozu auch Alles in Rom zu weitläuftig ist: man wird mit Zerimonien überladen u. die Besuche aus Höflichkeit werden unendlich, sobald man sich einläßt. Wozu diese Mühe auf eine so kurze Zeit? Dafür lebe ich mit den Statuen u. Kunstwerken, die mir eine ganz andre Welt aufschließen u. die schönste Philosophie gewähren. Ich vergesse bei ihnen Zeit u. Stunde, wie ein Verliebter. Lebe wohl, liebes Weib, Du meine Göttin u. Griechische Muse: ich umarme u. küsse Dich herzlich; o wenn Du es jedesmal empfändest, wenn ich Dein gedenke. Ich segne u. küsse die Kinder zum H. Christ. Lebe wohl, Liebe, Du mein Engel in weiblicher Bildung. Adieu, Adieu, Adieu, remember mi!!!
Weimar, 10. 12. 1788
[ . . . ]
Haben Sie doch die Gnade, mir etwas über Herders Verhältnis mit Dalbergs und seinen weiblichen Überflusse zu schreiben; recht brillant mag es nicht damit gehn.
[ . . . ]
[Weimar,] den 11. Dezem. 1788.
Lieber Vater
Ich habe mich sehr gefreut, daß Sie das Tiboli, oder Tibor gesehen haben, ich wollte daß ich auch dabei gewesen wäre. Wir haben bei den Herrn Schäfer ich den Cornelius den Phocion angefangen und er ist ein sehr heldenmütiger Feldherr. Mit den Zeichen sagte der Herr Waitz ging es immer besser, er läßt Sie grüßen. Nehmen Sie es nicht übel daß ich heute so wenig schreibe, weil nicht viel bei uns ist vorgegangen. Leben Sie wohl und behalen Sie lieb.
Ihren gehorsamen Sohn Wilhelm Herder.
W[eimar,] den 12. Dez. 1788.
Ich habe Deinen lieben Brief vom 22. Nov. Montag den 8. dieses, erhalten liebes Herz u. Du hast mir u. den Kindern abermals große Freude gemacht. Wilhelm u. Adelbert waren über ihre Briefe hocherfreut. Gottlob daß Du immer wohl bist u. ein so schönes Logis bewohnst. Goethe kam den Abend ein wenig zu mir um zu hören, was ich Gutes von Dir hätte. Er nahm an allem Teil, u. besonders daß die Herzogin so artig gegen Dich ist. Die Göchhausen schrieb an die Stein u. die Kalb viel Gutes von Dir; so wie sie an die Steinin von Deinem Mißverhältnis mit der S. ein Wort fallen ließ; u. an andere vielleicht schon mehr darüber geschrieben. Kurz, Goethe erzählte mir daß der Herzog ihn darüber befragt u. daß er nicht umhin gekonnt hätte, ihm die Wahrheit zu sagen. Darauf habe der Herz. gesagt: wenn Herder was braucht, so will ichs ihm geben. Goethe lehnte es aber ab u. sagte: für diesmal muß D. zahlen u. ist hierüber alles in Richtigkeit, wenn sie aber zu einer andern Zeit etwas für ihn tun wollen, so tun sies.
Mich dünkt diese Antwort war von Goethe ganz verständig u. gut. ich hoffe nicht, daß Du darüber ungehalten wirst. Jedermann weiß hier, daß Du nicht bei D. wohnst u. nicht mehr bei ihm issest; u. es würde sonderbar lassen wenn man gegen die Wenigen, mit denen wir umgehn, ein Geheimnis daraus machen wollte. Goethe grüßt Dich herzl. Moritzens Gegenwart tut ihm sehr gut, u. er muß solange hier bei ihm bleiben bis Tasso fertig ist; ich habe Moriz seitdem ich Dir geschrieben, den Sonntag Abend bei Fr. v. Stein u. den Dienstag da er mich besuchte u. wir Caffeé zusammen tranken, gesehen. Er ist unerschöpflich in seinen Erzählungen, u. beschreibt alles so genau, daß man die Sache von der intressantesten u. richtigsten Seite weiß. Gottfr. u. ich saßen recht aufmerksam bei ihm (die andern waren nicht zu Hause.) endlich kam die Schardt noch dazu; das Gespräch wurde unvermerkt metaphysisch: über das Glück der Beschränktheit unsres Daseins. Man hört ihn recht gern. Knebel wohnt hier, ich habe ihm ein Billet über den Auftrag an Büttner geschrieben; er war guter Laune den Tag u. hat einen tollen Brief an Büttner geschrieben, erstl. daß die Herzogin Mutter ihn grüße u. wünsche daß er bei ihr in Rom wäre, zweitens daß Dich schon verschiedene Kardinäle selbst besucht haben, u. daß Dir auf Befehl des Papsts die Vaticana geöffnet sei. Kneb. erzählte mirs mit großem Gaudium, wie Du ihn kennst, u. glaubt daß Büttner es nach Gött. schreiben wird; wie bald er aber die Wörter die er aus der Propaganda will, schicken wird, darauf wirst Du wohl bis Ostern warten müssen.
[ . . . ] Eins verspreche mir aber lieber Einziger. Laß Dich nicht von D. Güte noch der Herz. Artigkeit bewegen, des einen oder der andern Reisegefährte zu werden; sondern bleibe frei u. unabhängig in Deinem eignen Wagen. Daß Du Dich mit der Herzogin auf der Rückreise in einigen Städten Italiens begegnen mögtest, wünsche ich beinah; vorzüglich wegen dem Arzt, wenn Dir allenfalls was zustoßen sollte. Doch ist das nur ein Wunsch – u. die Umstände werden alles arrangieren. Lasse Dich nur nicht zu Dalberg wieder bereden, außer wenn die S. nicht dabei wäre. Das ich aber nicht glaube. [ . . . ]
Sei so gut lieber Engel u. schreibe mir die Datum meiner Briefe wie Du sie jedesmal erhaltest. Besonders nenne mir die Inlagen der Briefe, ob sie darinnen sind; ich habe Dir gegen Mitte des Oktobers einen Brief von der Kalb, an Einsiedel gesandt; u. Du hast mir bisher den Empfang nicht gemeldet. Als Dein Brief an Prinz August kam, stand gerade Goethe bei ihm u. bat ihn, unserm Herzog nichts davon zu sagen, weil er noch keinen von Dir erhalten hat. [ . . . ]
Abends 8 uhr.
Ich bin diesen Nachmitt. zu Fr. v. Stein eingeladen worden, weil Moriz bei ihr war. Goethe blieb nur eine Stunde noch da – wir waren heiter; die Kalbin kam auch, u. die Gelegenheit gabs daß Moriz über die dramatische Kunst, gar hübsche Sachen sagte; u. ich komme so eben vergnügt zurück. Alles grüßt Dich u. liebt Dich herzlich. Gottfr. August u. Luisgen grüßen den Vater, sie haben heute nicht geschrieben. Die andern haben in meiner Abwesenheit geschrieben. Sie können meistens nichts antworten wenn Du Ihnen so prächtige Briefe schreibst. Es geht ihnen wie der armen Mutter. Lebe wohl liebstes Herz. Lebe wohl. Lebe wohl. Gott sei mit Dir Du Bester.
C. H.
Ach wie ich Dich manchmal suche in Deinen kalten Zimmern!
[Weimar,] den 12ten Dezemb [1788]
Lieber Vater
Ich danke Ihnen für den lieben Brief, den Sie mir geschrieben haben. Ich freue mich daß Sie an einen so schönen Ort gekommen sind, wenn ich auch einmal nach Rom komme will ich auch da wohnen, wo sie jetz wohnen. Der Herr Waitz ist heute bei uns gewesen, er hat gesagt daß er auch nach Rom wollte reisen. Daher hab ich die Freude, daß ich und mein Lehrer zusammen reise. Nehmen Sie es nicht übel, daß ich Sie heut so wenig schreibe Leben Sie wohl und behalten Sie lieb
Ihren gehorsamen Sohn Wilhelm Herder 1788.
Weimar, 12. 12. 1788 [?]
Lieber Vater.
Ich danke sie über ihren Schönen Brief ich will die Sachen tun, der Herr Schäfer hat die geschichte erzählt, ich und Wilhelm und August haben den Pocion angefangen ist ist ein rechter guter Mann gewesen aber er ist in einen großen haß gekommen. Ich danke über ihren Brief, es ist eine rechte Schöne geschichte, ich kriege was rechtes hiepsches zum Weihnachten ein Reißzeig und ein Gesangbuch und ein Paiser und ein griesches Testament. Der Herr Schäffer grieset sie recht sehr griesen sie den Werner. Leben sie wohl, ihr getreuer Sohn.
Adelbert Herder.
[Nachschrift von Caroline Herder:]
Der Diaconus Münzel in Buttelstädt ist vor 8 Tagen am Schlag gestorben.
Weimar, 12. 12. 1788 [?]
lieber Vater!
An Sonntage bin ich zu erstenmal wieder in der borgseise beidi Freilen Volsted gewesen! [von Caroline Herder eingefügt: ich habe mein] weißes Kleid [von Caroline Herder eingefügt: angehabt, ich bekomme] Soldaten zum Weinadden, bibelhistdoie Gaukelmann kerl.
ihr gedreirer sohn. Emil Herder
Rom, den 13. Dez. [1788].
Tausend Glück wünsche ich Dir, liebe holde, zu der, wie ich hoffe, glücklich überstandnen Blatternkrankheit unsres kleinen Bacchus-Emils. Küsse ihn in meinem Namen vielmals, den lieben glücklichen Kleinen; u. Dich küsse ich dankbar im Geist, liebe gute Mutter des lieben Engels für die Sorge, die Du auf ihn gewandt hast. Da die Blattern im Menschen eine neue Periode hervorbringen: so wird er sich auch jetzt fortan hübsch entwickeln u. ich freue mich, ihn wiederzusehen. Ich will selbst, da die Periode ohnedem jetzt ihn u. das Luischen trifft, an ihn schreiben.
Moritz wird jetzt auch endlich bei Euch gewesen sein: er hat sich, wie seine Art ist, zu schlendern, lange in Venedig, Mantua u. f. aufgehalten; es ist gut, daß er aus Rom weg ist, u. ich habe ihn stark angespornt, es zu verlassen. Rom erschlafft die Geister, wie man selbst an den meisten hiesigen Künstlern siehet; vielmehr einen bloßen Gelehrten; es ist ein Grabmal des Altertums, in welchem man sich gar zu bald an ruhige Träume u. an den lieben Müßiggang gewöhnet.
Auf mich hat es nun zwar die Wirkung nicht, da ich soleicht keinen Tag vorbeistreichen lasse, ohne was gesehen, oder mich um etwas bemühet zu haben; es bleibt indessen auch für mich ein Grabmal, aus dem ich mich allmählich herauswünsche. Man fühlet sich darin wie in einer Tiefe, in der man nicht viel weiter kommt, je mehr man mit Händen u. Füßen strebet. Das Altertum, als Studium betrachtet, ist unendlich an Tiefe u. Weite; die Fäden, die sich aus Rom in alle Geschichte schlingen, sind so vielartig, u. die Mittel, sie zu verfolgen, werden hier so erschweret, daß es besser ist, zu guter Zeit sie aus den Händen zu lassen u. nur den Knäuel in seinem Gemüt zu behalten. Aus dem Vatican werde ich nicht viel bringen; er liegt mir zu weit ab, mir fehlt Zeit, einen freien Gebrauch der Katalogen habe ich nicht erhalten können, noch weniger eine freie Ansicht der Schränke. Ich muß fodern, so wird mir, obwohl mit Mühe der ungeschickten Sucher, gewährt, was ich fodre, kann aber nichts mitnehmen; u. so gehen Stunden u. halbe Tage hin, ohne daß man was erbeutet. Das Glück müßte mir sehr wohl wollen, wenn ich noch einen Fund täte; ich wills hoffen u. wünschen, kanns aber noch nicht glauben. O wie manches ist Anders in der Wirklichkeit, als in der Idee u. Hoffnung. Desto fleißiger bin ich nun nach meiner Art in der Kunst; obwohl auch hier die kurzen, oft sehr oft regnichten Tage, die weiten Wege u. f. die Zeit, die man in Rom zubringt, von der, da man Rom gebraucht, sehr unterscheiden. Indessen bin ich gesund, gesunder als jemals: das Klima bekommt mir wohl: u. jedermann sagt, daß ich eine Farbe habe, wie ich sie in Deutschland nie gehabt habe. Das macht, man lebt unter dem schönen Himmel (wenn es nicht regnet, alsdenn ists ein Jammer u. Elend) ein bloß sinnliches Leben; das Denken u. die Mühe verlernt man ganz u. gar, weil sich immer der Gedanke zuerst aufdringt: wozu die Mühe? wozu das Denken? Dabei aber, glaube ich, gewinnt, wenn ein solches Leben nicht zu lange anhält, die innere Elastizität des Geistes u. Körpers. Ich bin von guter Laune u. eine gewisse sinnliche Gleichgültigkeit ist die einzige Göttin, die mich regieret, weil doch Alles ein Traum ist u. für mich in Kurzem sein wird.
Die Herz. ist sehr gut gegen mich, so auch die G[öchhausen] u. E[insiedel], wir leben, wie in Einer Familie. Gestern waren wir beim Kard. Zelada zum Dejeuné oder vielmehr den Teil des Museums zu sehen, der nur in Gegenwart des Kardinals gezeigt wird. Das endigte mit den Merkwürdigkeiten der Vatikana, die vorgezeigt werden. NachMittage besahen wir die Villa, die die Herz. wahrscheinlich nehmen wird, wenn sie aus Napel zurückkommt. Sie liegt auf Trinita del' Monte, u. der Garten stößt dicht an den Garten der Angelika: sie liegt in der höchsten Gegend von Rom, hat unbändig viel Gelaß, u. ich werde wahrscheinlich auch in ihr mein Plätzchen finden. Die Herz. hat mir angetragen, mit ihr nach Napel zu gehen, welches ich sehr gern annehme, weil Reifenst. auch mitgeht, der gegen mich so gut, honett u. freundschaftlich ist, als es irgend ein Landsmann sein kann. Morgen esse ich mit ihm bei der Angelika zum erstenmal, bisher sind immer Hinderungen gewesen: sie ist eine gar zarte, jungfräuliche Seele, wie eine Madonna, oder wie ein Täubchen. In kleiner Gesellschaft zwischen 2. u. 3. ist sie gar lieblich; sie lebt aber sehr eingezogen, ich möchte sagen, in einer malerischen Ideenwelt, in der das Vögelchen auch nur alle Früchte u. Blumen mit dem Schnäbelchen berühret. Ihr alter Zucchi ist ein braver Mann in seiner Art; er kommt mir aber immer wie ein Venezianischer Alter in der Komödie vor, u. im Grunde wird mir hier alles ein Schauspiel. Die große Welt, die Kardinäle, Monsignori, Principi u. Principesse fangen mich auch an zu ennuyieren; es ist indessen auch gut, dies Schauspiel gesehen zu haben, an etwas Ernsthafteres ist hier nicht Zeit zu denken. An Liebe vollends hier gar nicht; sie scheint in diesem Lande gar nicht Sentiment, sondern sinnlicher Genuß zu sein; das andre ist ein train von Seelenlosen Konversationen und Observanzen, die zu viel Zeit u. Geld kosten, als daß sie der Mühe wert wären. Ich bin auch in ein paar Kreise vom sogenannten 2ten Adel eingeführt worden, wo unbeschreiblich viel Geist und Liebenswürdigkeit wohnen sollte; es ist viel Gutes, mehr Geist u. Genuß darin, als im Gewühl des ersten Ranges, für mich aber, der ich der Sprache bis zu den Feinheiten des Witzes nicht kundig bin, ist nicht viel mehr auch darin, als Musik, Gesang u. hie u. da eine feine Italienische Seele. Ich kehre also wahrscheinlich, ob ich gleich sehr höflich bin u. die Damen es gegen mich auch sind, mit sehr unbefangenem Herzen wieder.
Da habe ich Dir nun ein großes Glaubensbekenntnis abgelegt, liebe treue Seele; u. nun muß ich Dich noch 1000.mal um Vergebung bitten, daß ich Dich mit Einem meiner Br. beleidigt zu haben scheine. Basta, es soll nicht mehr geschehen; es waren Zeiten des Drucks, der auf mir lag, u. sie sind jetzt hoffentlich vorüber. Entziehe mir Deinen guten Rat nicht, ich bitte Dich, um Alles; in Dir wohnt ein guter, heiliger Geist, ich spüre es immer mehr, von Tage zu Tage. Denke z. E. auch darin hast Du recht gehabt, daß Du mich die Uhr nicht mitnehmen ließest: seit 3. Tagen ist die meinige weg, verloren, gestohlen, ich weiß nicht, verschwunden. Alle Mühe, die ich mir deswegen gab, ist bisher vergebens gewesen. Du kannst nicht glauben, wie mich der Verlust derselben, insonderheit auch der Siegel dauert: ich kanns noch nicht verschmerzen, oder begreifen. Abscheulich! – D. ist seit gestern früh mit der S. nach Napel. Sie hielten die Reise bis aufs letzte geheim, u. Montag, da ich ihn in seiner vorgegebnen oder wahren Krankheit besuchte (sie waren immer beide zusammen krank) sagte er mir kein Wort davon. Mittwoch Abend finde ich die S. bei der Herz. (d'Agincourt war da u. erklärte seine Kupfer) wie er weggeht, nimmt sie die Herz. in ein andres Zimmer u. bittet sie, es mir zu sagen, daß sie übermorgen früh der Gesundheit halben nach Napel gingen. Wie ich nach Hause kam, finde ich ein Billet von ihm, worin er dasselbe sagt u. auch Familienangelegenheiten vorwendet. Den folgenden Tag kam er zu mir, u. wiederholte dasselbe. Ich habe herzl. Abschied von ihm genommen: denn er ist, wenn man mit ihm allein ist, eine liebe Seele; aber ganz u. gar unter der Frauen. Ihr Aufenthalt in Rom ist auf die höchste Weise albern gewesen, u. sie hat ihm auch den Seinigen ganz u. gar verdorben. Erst ruinierte sie uns unsern Kurs, nachher ward sie krank, weil sie durchaus nicht in der Suite der Herz. in der großen Welt erscheinen wollte, u. saß über einen Monat zu Hause, wo er denn ihr zu Gefallen auch meistens mitbleiben mußte, unter dem Vorwande der Gesundheit. Wahrscheinlich verließ sie sich darauf, daß der Senator kommen sollte, an den sie einen Brief hat; da er aber zu lange ausblieb, mußte sie sich bequemen, mit der G[öchhausen] die Visiten umherzumachen. Sie erschien bei Bernis, hat beim Staatssekr. u. bei Bernis einmal mit uns gegessen; u. sie hat alle Ehre genossen, die sie fordern kann, da sie mit der Herz. kam. Vorigen Sonntag, da wir beim Span. Minister aßen, war sie schon wieder krank u. der gute D. mit ihr; so blieben sie, bis sie sich gestern eklipsierten. D. ist den Tag vor seiner Abreise bei einge Kardinäle umhergefahren; dem Papst selbst ist er aber noch nicht vorgestellt worden, weil der Kard. Herzan krank ist, u. er, um nicht knien zu dörfen, ohne ihn keine Audienz nehmen wollte. In Napel rechnet sie nun wahrscheinlich durch seine Bekannten, die er dort von Deutschland her hat, eine große Rolle zu spielen, u. vielleicht der H[erzogin], die sich dort ganz stille halten will, auf eine alberne Weise zu trotzen, daß jetzt sie in der großen Welt glänze. Es möge ihr gelingen! ich gönne es ihr, weil sie sonst in der Welt nichts anders hat, u. wünsche dem guten D. gute Gesundheit. O was bin ich für ein Tor gegen die Weiber, daß ich ihnen auf ihre glatte Haut viel mehr Gutes zutraue, als sie nur zu haben begehren. Doch auch hievon gnug u. zuviel; wir sind geschieden, u. jetzt scheiden uns schon Meilen u. Tagereisen, wie vorher Straßen von einander.
Lebe wohl, liebe Gute, Du Einzige Deiner Art, die ich von Tage zu Tage mehr als solche erkenne u. für Dich Gott im Himmel preise. Grüße die Kinder u. danke Gottfr., Aug. u. Wilh. für Ihre lieben Briefchen. An Luischen u. Emil will ich selbst schreiben. Dank Dir auch für das Salz, das gestern angekommen ist, u. für die Nachrichten, die Du mir gibst, auch für das Madagask. Liedchen. Verzeihe mir, daß ich die Uhr verloren habe: der Verlust kränkt mich, wie er Dich nicht kränken kann, u. ich schäme mich bei dem Verdrusse; sage aber davon Niemanden. Ich habe heut von dem überschickten Salz genommen u. bin deshalb zu Hause geblieben; gewinne ich Zeit, so will ich an Knebel auch schreiben. Was ist das für eine Kirchenmusik, die in der Stadtkirche von Wolf aufgeführt worden? wer hat den Text dazu gemacht? u. wenn ward sie gegeben? Sobald Göthens Lieder heraus sind, überschicke sie mir doch; Du darfst sie mir nur unter Buris Adresse senden. Lebe wohl, Holde, Liebe.
H.
Vielleicht kommt dieser Br. auf den H[eiligen] Christ zu Euch, wenigstens kommt er nach demselben u. noch vor dem N[euen] J[ahr]. Zu beidem wünsche ich Euch allen tausendmal Glück; wünschet es mir auch, meine Lieben. O Du sonderbare Zahl
789.
was trägst du in deinem Schoße? Du bist der Übergang zu einer so runden 90 und hast so eine arithmetische Progression in dir. Bringe uns gutes, heiliges, liebes Jahr, wir wollen uns bestreben, es zu verdienen. Lebe wohl, Herz, ich küsse Dir Deine lieben Hände. – Den Br. an Kn[ebel] lege in einen Zettel u. schicke ihm denselben versiegelt zu; ich habe ihn offen geschickt, um ein Couvert zu ersparen.
Rom, den 13. Dez. 88.
Ihre beiden Br., l[ieber] K[nebel] u. Ihre kleinen Denkverse sind mir höchst erfreulich gewesen, ob ich sie gleich so lange nicht beantwortet habe. Sie wissen aber, der Br. an einen Freund ist wie eine Rechenschaft, zu der man ehe das Caput geschlossen ist, ungern gehet; im Gewühl endlich u. in der Menge solcher Gegenstände, als Rom enthält, läßt sich eigentlich gar nicht schreiben. Desto fleißiger habe ich an Sie gedacht, u. bin oft mit Ihnen meine große Stube durchwandelt.
Wahrlich, l. K., Götter u. Genien wandeln u. spielen mit unserm Schicksal, obgleich zuletzt Alles von natürlichen Ursachen, von den Leidenschaften u. Phantasien, der Vernunft u. Unvernunft der Menschen ppp abhängt. So bin ich nach Italien gekommen: so lebe ich drin; so werde ich zurückkehren; und das Beste, das man allenthalben davon bringt, ist oder sind wir selbst. Gleichviel, ob man wie der H. Bartholom[äus] in Angelo's j[üngstem] Gericht seine geschundene Haut, oder wie die Venus den schönen Hintern vorweiset. Allenfalls ists gut, wenn man sich auf beides gefaßt macht, u. das Beste in sich selbst verwahret.
Ich lebe in Rom fort, gesund u. seit ich in meiner Freiheit bin, ziemlich glücklich, wenigstens so beschäftigt, daß ich nicht weiß, wie Tage u. Wochen entfliehen, ob ich sie gleich nicht immer nach barem Gewinst berechnen kann. Im Vatikan z. E. ists mir noch nicht geglückt, etwas zu finden; ich kann aber auch nicht sagen, daß ich darin hätte suchen mögen, auf die Art, wie es mir daselbst zu suchen vergönnt ist. Man hat Befehl, mir vorzulegen, was ich begehre; den Katalog aber habe ich nicht in meiner Gewalt, er soll auch sehr unvollständig sein u. da läßt sich nicht viel begehren. Man verliert Zeit; u. wo nähme ich Zeit her, auch nur gehörig abzuschreiben, wenn ich was fände? Aus dem Vatikan wird kein Mskr. verabfolgt, u. der Vatikan ist eine halbe D[eutsche] Meile von mir. Also, wenn das Glück mich nicht zu guter letzt sonderbar heimsucht, werde ich diese meine Hoffnung, die vielleicht auch eine kleine Eitelkeit war, wohl aufgeben u. andern Glücklichern überlassen müssen. Ja, wenn ich 2. 3. Jahr hier bliebe; da ließe sich was suchen u. finden.
In der Kunstbetrachtung bin ich nach meiner Weise fleißiger, u. ich gebe Göthen in Allem recht, was Er darüber saget. Das Einzige Schlimme dabei ist – aber ich will nicht einreden. Ich studiere, so oft ich kann, täglich 3. Stunden an diesen Gestalten der alten Welt, u. betrachte sie als einen Kodex der Humanität in den reinsten, ausgesuchtsten, harmonischen Formen. Mir verschwindet dabei Raum u. Zeit; ich habe die Idee, aus der Alles ward, aber ich habe keine Sprache, sie herzustammeln. Sie läßt sich, wie Alles in der Welt, nur durch Tat, durch Schöpfung zeigen; in meiner Seele indes soll sie bleiben. – Ich lese jetzt ein Spanisches Mskr. vom Ideal-Schönen, u. sehe, was es mit dem Schreiben für ein elendes Ding ist.
Die lebendige, große, mittlere u. kleine Welt in Rom, die ich gnug zu sehen Gelegenheit habe, ist auch ein Bild, das ich nicht so leicht vergessen werde. Auch hierin ist Rom einzig in seiner Art, ein sonderbares Wesen: man kann u. muß in ihm, wenn mans recht sehen will, sich durch alle Zeiten durchleben. Man sieht in ihm Aegypten, Griechenland, den A[lten] Römischen Staat, das Juden- u. endlich das päpstl. Christentum durch alle Zeiten. Wer nur Augen u. Zeit hätte, alles zu finden, alles zu erfassen u. zu ordnen. Ich bin aber ein armer Wicht; meine Augen reichen nicht weit u. mein Glas ist dunkel.
D[alberg] grüßet Sie sehr: er ist gestern früh mit der S[eckendorff] nach Napel gereiset, u. hat Rom wenig, ich will nicht sagen, genießen, sondern auch nur sehen können u. dörfen. Das kleine Köpfchen war immer krank oder mißlaunig, u. da mußte Er, der fröhlichste, beste Mensch, es ihr zu Gefallen, meistens mitsein. Gehe es Ihnen recht wohl in Napel, u. möge die Frau da finden, was ihre Seele begehret. Gnug, mir hat sie die Reise verdorben, u. meine verdammte Gutmütigkeit hat mir mehr fatale u. unnütze Tage gemacht, als ich mir durchaus hätte sollen machen lassen. Indessen habe ich mir jetzt um so weniger vorzuwerfen; u. auch das ist, obwohl ein elender Trost. Ich lebe jetzt viel mit der Herzogin u. wir sind alle sehr gut mit einander. Die Herz. ist sehr vergnügt, u. hat es jeden Augenblick auch sein können, weil es ihr in Allem sehr wohl u. glücklich gehet. Ich gehe mit ihr nach Napel; meine Rückreise über Florenz mache ich Allein; gebe Gott mit gutem Glück, helfen Sie es mir auch erbitten u. wünschen.
Ihrer Schwester sagen Sie doch unendlich viel Liebes u. Gutes: ihr Bild steht oder vielmehr sitzt mir oft wie ein heiliges Klosterbild vor, insonderheit sehe ich sie in ihrem eigenen Zimmer sitzen am Garten, wo ich ein paar Augenblicke war. Von Neapel am Meer will ich an sie schreiben; auch an andre, die meiner vielleicht im Guten gedenken. Grüßen Sie doch auch Max. aufs beste, die gute, gute, brave Seele. Er hat mir mehr als einmal aufs innigste das Herz beweget; das kommt mir immer bei seinem Andenken u. Bilde zurück. Grüßen Sie ihn aufs beste u. wenn ich sagen kann, recht wie ein Bruder. Und wie gehts Ihnen, Lieber, mit Ihren Studien? mit Ihrer Philosophie u. f. O wenn Sie mich einmal mit einem oder einigen Aufsätzen der Art erfreuten! Sie versprachen es mir, haben mir aber nicht Wort gehalten. Wüßten Sie, wie unphilosophisch man hier lebet, wie abgeschnitten man hier auch sogar von allen Büchern der Art sei, u. wie schön sich doch hier unter dem blauen Himmel, bei Sonnen- u. Mondlicht philosophieren ließe; gewiß, Sie besuchten mich wie ein stiller Geist mit Ihren Phantasien, die mir immer so wert waren. Leben Sie wohl, liebe Seele, u. vor allen Dingen, alter Philosoph, lebe heiter. Heiterkeit ist das höchste Gut des Lebens, u. nur Gleichmütig- u. Gleichgültigkeit vermögen uns sie zu geben. Nur ein Hirtenknabe teilt den Apfel der Schönheit aus, u. die nackteste Göttin empfängt ihn. Lebe wohl, Lieber, ein gutes Xkindlein u. glücklich 1789. zum N[euen] J[ahr] – Der Br. ist zu weit beschrieben; er muß offen bleiben, was schadets auch? Meine Frau darf ihn zwar, aber sie wird ihn nicht lesen. Vale.
W[eimar,] den 19. Dez. 1788.
Ohnerachtet ich heute beinahe nichts zu schreiben weiß, so muß ich Dir doch schreiben lieber Engel, damit Dir die wenigen Zeilen sagen mögen daß es uns wohl gehet. Ich habe vorigen Posttag vergebens auf einen Brief von Dir gewartet; auch heute kam keiner. Warum Du nicht geschrieben hast liebes Herz, getraue ich mir kaum zu sagen. Denn daß der Brief wieder solange unterwegs bleibe als das vorigemal, glaube ich nicht, weil sich keine Sache so dicht aufeinander ähnlich ist. Indessen bin ich ruhiger als das vorigemal beim Ausbleiben. Gott ist ja überall bei Dir u. wird Dich auch unsertwegen behüten. Ja das wird der gute Gott tun. – Ich wachte heute aus einem sehr lebhaften Traum wo ich Dich entkleidet sahe da Du eben einer FeuersGefahr entronnen bist. O Lieber Engel wenn es Dir irgend möglich ist, so schreibe mir doch alle 8 Tage u. wenns nur 6 Reihen wären; ich glaube daß meine Besorgnis um Dich, mir dergleichen Träume erschafft. Sehe doch auch darauf daß die Briefe zu ordentlicher Zeit auf die Post getragen werden, u. wenn etwas an einem Brief gelegen ist, so wäre es gut ihn durch Einsiedel in Ludecusens Brief einzuschließen; weil dieser die Briefe sehr richtig u. schnell bekommt. Er ist diesen Morgen bei mir gewesen, u. erzählte mir von der Herzogin Audienz beim Papst, die ihm Einsiedel beschrieben hat; indessen so gut u. hübsch Alles dort für die Herzogin geht, so wünscht Einsied. doch daß die Herz. Künftiges Jahr vor Eintritt der Hitze an die Rückreise denken möchte u. fürchtet nur die Göchh. die den Aufenthalt zu verlängern sucht. Er lobt Dich sehr u. sagt daß die Herz. auf Deinen Rat höre.
In diesen letzten 8 Tagen ist nichts bemerkenswertes vorgefallen. Goethe war vorigen Sonnab. eine Stunde bei mir; es waren aber die Volgst. gerade da. Von Moriz wurde viel gesprochen, u. ich freue mich recht an seinem metaphysischen Kopf. Er hat uns letzthin mit einer ganz eignen Deutlichkeit u. Innigkeit gesagt, nur der sei ein Dichter, Künstler, Schöpfer, der seinem Werk eine vollständige Form, u. lebendige Gestalt geben könne, in welcher Sache als es auch sei. Nie müsse ein Dichter auf Effekte arbeiten; nur das Ganze u. nicht zerstückte Geschöpf, das er jetzt hervorbringen will, muß seine Seele erfüllen. Er hat es so bildlich schön gesagt daß ich kein Wort von ihm wiederhole; auch sagte er zu unsrer Freude daß er eine Abhandlung darüber geschrieben habe. Er selbst scheint kein erfinderischer Geist zu sein, was ihm aber vorkommt oder was ihn intressiert (welches vorzüglich die Kunst ist.) weiß sein Geist auf solche deutliche u. anschauliche Grundregeln zu bringen, daß es eine Lust ist ihm zuzuhören. [ . . . ] Alles was Moriz gesagt hat, habe ich durch Dich längst gewußt, ja ich hätte es aus jeder Deiner Schrift wissen können; aber unser einer muß mit der Nase drauf gestoßen werden. Jetzt weiß ich deutlich von einer Seite, warum mir Deine Arbeit so ganz gefällt; von der andern Seite habe ich sie längst durch u. durch empfunden.
[ . . . ]
Ludecus ließ heute auch ein Wort von der Rückreise der Herz. fallen, daß sie nämlich vielleicht durch das südliche Frankreich gehen möchte, welches ihr in allem Betracht gesunder wäre als in Italien die Hitze auszuhalten. Ich vermute daß dies Einsied. Wunsch ist, u. es wäre so übel nicht sie dazu zu bereden, ehe etwas ungeschicktes in Rom noch vorfiele. Nach dieser Königl. Audienz beim Papst sind wohl aller Augen auf sie gerichtet u. sie hat sich sehr zusammen zu nehmen.
Lebe wohl liebstes Herz, erfreue mich bald mit einem guten Brief – wie koste ich jedes Wörtchen das Du schreibst.
Lebe wohl mein Einzig u. ewigteurer; Gott nehme Dich in seinen heiligen Schutz u. wende alle Übel ab.
Lebewohl. Die Kinder sind alle gesund u. grüßen Dich tausendmal. Emil ist diese Woche beim Erbprinz gewesen. Es ist Besuch so eben bei den Kleinen, darum schreibt Luise u. Emil nicht.
Grüße auch den Werner wieder einmal, ich hoffe daß er noch immer seine Sache gutmacht; seinetwegen allein gebe ich der Henriette wöchentl. etwas, ich hoffe er wird das durch Aufmerksamkeit u. Treue an Dir erkennen.
Lebe wohl lieber Pilgrim.
C. H.
[Weimar,] d. 19t. Dezembr. 1788.
Liebster Vater.
Es freut mich außerordentlich, daß es Ihnen jetzt in Rom so vergnügt geht, daß Sie so viele Ehren von den Kardinälen genießen, und daß Sie die Vaticana sehn; manchen schönen Schatz werden Sie darinnen finden, und manche vergnügte Stunden haben.
Noch Tausend, tausendmal danke ich Ihnen für den schönen, lieben Brief aus Tivoli, ich kann mich nicht satt daran lesen, immer finde etwas neues, das ich vorher noch nicht so bemerkt habe. O schreiben Sie mir bald wieder, und zwar von der Vaticana, denn damit kann man mich am meisten vergnügen. – Es sind ohnlängst Prämien in Secunda ausgeteilt worden, und da habe ich des Xenophon memorabilia Socratis bekommen, die ich auch bald mit Herrn Schäfer anfangen will zu lesen. Wir haben schon seit 14 Tagen keinen Brief von Ihnen bekommen, und die Mutter war recht traurig. Der Herr Geheimderat Göthe heiterte uns aber wieder auf, da er uns einen Brief von der Herzogin Mutter aus Rom zu lesen schickte, worin sie gar viel Gutes von Ihnen sagt, unter andern: daß man Sie überall gar gern hätte, und auch bei den römischen Damen beliebt wären; sie schrieb aber auch, die Mutter sollte sich darüber keinen Kummer machen, denn Sie blieben ihr so treu wie ein General-Superintendent. Da habe ich denn auch den Herrn Bajozzo im Bilde, mit einem römischen Soldaten exerzieren sehn.
Bringen Sie doch einige Gemälde aus Tivoli mit, ich bitte Sie recht sehr darum, daß wir alles in natura sehen können.
O wie sehnlich sehen wir jetzt der Rückkehr entgegen, uns um Ihren Hals zu schlingen, unsern besten Vater wieder an unsern Busen zu drücken, u. von so schönen Sachen erzählen zu hören. Immer näher rückt sich diese Zeit, und die Hälfte ist so schnell schon dahingeflossen, daß die andere eben so schnell verstreichen wird.
Übrigens wünsche ich Ihnen viel 1000,0000 Glück zum neuangetretnem Jahre, lassen Sie uns ferner Ihre Huld so genießen, als im vorigen Jahre, und 1000,000 Dank für alles so vieles Gute, das ich's Ihren Händen empfing.
Leben Sie wohl, liebster Vater, Lieben Sie mich und denken Sie oft an mich. Der H. Konrektor, Professor Kästner und H. Schäfer lassen Sie vielmals grüßen. Bleiben Sie gesund, u. vergessen Sie nicht Ihren gehorsamsten u. Sie zärtl. liebend. Sohn
Gottfried Herder.
Weimar, 19. 12. 1788
Carissime pater.
Nos jam post decem dies nullas epistolas accepimus, qua e re valde tristis sum. Ego et Guielmus apud pueros Danzelmanos edimus et ei mihi placent propter integritatem eorum, et bis cum eis in glaciem ivimus. Ego etiam aegrotus fui et quidem doloribus capitis et vomitione vexatus sum, sed nunc rursus sanus factus sum. Mens meum spe in sanctum Christum impleta est. Vale, faveque obedientissimo filio tuo
Augusto Herdero.
die XIX Decembr. 1788.
Rom, den 20. Dez. 88.
Dank Dir tausendmal, meine Liebe, für Deine 2. lieben guten Br.; der erste auf den Meinigen, der mir viel Unruhe machte, daß er Dich ohne Not u. wider meinen Willen kränken würde, hat mich durch die Sanftmut u. den verhülleten Schmerz, der darin herrschet, aufs innigste verwundet. Gott weiß, ich habe Dir nichts übles schreiben wollen; alles war damals unangenehmer Druck meiner Seele. Was in der Welt könnte ich haben u. wollen, um Dich zu kränken? Dich, die mein Alles ist, u. an der meine Seele, wie diese an ihrem Körper hänget. Du leidest, duldest, schaffst, sorgest dort, indessen ich mich, Gott weiß wozu? umhertreibe, u. auch die Wahrheit zu sagen, nicht viel gewinne. Vergib mir diesen Br., er soll der u. das letzte sein, das Du mir vergibest; u. vor allen Dingen entziehe mir Deine treue Meinung u. Deinen guten Rat nicht. Er ist mir wahrlich wie die Stimme eines Engels, möge ich auch darüber, was ich wolle, sagen. Was in der Welt wäre u. würde es, wenn wir einander unsre Gedanken verschleierten u. zurückhielten? Da wäre mein letztes Glück des Lebens, mein Schutzgeist u. Orakel, verstummt, verloren u. verschwunden. Ich zittre, daran zu gedenken, u. bitte Dich um nichts als um Licht, Liebe u. Leben, wie mein altes Petschaft saget.
Für die Sorge, die Du auf den lieben Kleinen gewandt hast, sage ich Dir 1000.mal Dank: ich schreibe an ihn, u. werde sehr in Gedanken bei Euch sein, wenn Ihr Euren H[eiligen] Christ feiert. Wie werde ich ihn feiern? Küsse den lieben Jungen, u. alle seine Geschwister, auch das liebe Luischen für ihren angenehmen Br. Ich schreibe bald wieder an sie alle, nach der Reihe.
Mir gehets hier so gut, wie es gehen kann. Das Wetter ist schlecht u. der Winter diesmal sehr regenhaft; da ist denn nicht gut sein. Indessen bin ich gesund, u. was will ich mehr? Auch sehe ich, wozu sich Gelegenheit darbeut; an arbeiten, denken pp ist bei der Witterung kein Gedanke. Bleibts, wie es beschlossen ist, so gehen wir mit dem n[euen] Jahr nach Napel, worauf ich mich freue: denn mit allem ist Rom doch ein Grab. Bleiben wir aber auch noch hier, so ists mir auch recht; ich habe, was ich nützen, versuchen, u. tun kann. Am Ende kommts auf Eins heraus, wenn man hier oder dort sei; die Zeit hat im Ganzen doch ihren Umriß.
Ehegestern ist der Senator wiedergekommen; gestern Abend ist er zuerst erschienen, wo ich ihn denn bei der Herz., bei Bernis u. Borghese gesehen habe. Heute habe ich nicht zu ihm kommen können, um meinen Br. abzugeben; das soll morgen, so Gott will, geschehen. Er scheint ein gar hübscher, feiner, u. ist ein sehr ansehnlicher Mann. Ich wollte indessen, daß er für Rom früher gekommen wäre; jetzt ist die Zeit vorüber, u. eine große Gleichgültigkeit, oder Gleichmütigkeit hat sich meiner bemächtigt, die ich eben nicht für Weisheit ausgeben will, weil sie Natur der Dinge ist. Ich wollte, ich hätte meinen Lauf geendigt. Der Herzog hat bei Trippel meine Buste in Marmor bestellen lassen; es ist Ehre für mich, ich kann aber auch nicht sagen, daß ich große Freude dran hätte. Die Kunst, u. die Unsterblichkeit in ihr wird mir auch gleichgültig; indes ists für den Künstler mir nicht zuwider. – Der Herz. Antw[ort] auf meinen Br. sehe ich zwar voraus, u. doch erwarte ich sie sehr.
Nun ein andres Blatt. Und da zuvörderst Werners dummen Streich. Ich habe ihm den Br. gegeben, sogleich da ich das Couvert erbrach; nachher habe ich ihm nur 3. Worte gesagt, worüber er denn sehr anfing zu weinen. Weiter mag ich mich mit ihm nicht ausreden; es ist u. bleibt dumm. Tue Du dort, was Du tun kannst; ich wills hier tun, es ist ein Flegelstreich, insonderheit vor der Abreise.
Übrigens bin ich Deiner Meinung: man muß sich der Menschen u. zwar solcher Menschen nicht zu sehr annehmen mit Sorgen u. Gedanken. Gnug darüber. Tue für sie, was Du kannst; im Ganzen ist sie doch – – –
Ach, liebe Seele, über alles das mag ich Dir jetzt ordentlich mein Herz nicht eröffnen. Je mehr man die Menschen kennen lernt, desto weniger lernt man sie schätzen; desto mehr aber hält man an dem, was man kostbares hat. Sorge nicht, daß ich kalt gegen Dich zurückkomme, die Entfernung hat mich tausendfach an Dich gebunden, u. ich bin Dein mit Herz u. Seele. Der Traum hat Dir das Gegenteil bedeutet, wie Tr[äume] zu tun pflegen.
Lebe wohl, Liebe. Die Herz. grüßt Dich gar sehr, auch die Göchhausen. Die Herz. ist gar gut gegen mich, ich wollte, daß ich ihr auch was sein könnte. Lebe wohl, Beste, Einzige; lebt wohl, Ihr Kinder. Noch Einmal schreibe ich Euch in diesem Jahre, u. will mit Euch Weihnachten feiren. Lebt wohl, wohl!
H.
Grüße Göthe u. Knebel; danke dem letzten für seinen Brief, auf den ich bald antworten werde. Ich wünsche, daß ich für Ihn mehr tun könnte, als Br. schreiben. Lebewohl Engel.
Rom, 20. 12. 1788
[ . . . ] Jeder Vormittag, sehr wenige ausgenommen, sind der Kunst gewidmet, wir sahen noch jeden etwas neues, ich nehme das Museum und noch einge Dinge, als das Pantheon, die PetersKirche etc. aus, wohin wir oft wiederholte Wallfahrten machen. Bei diesen Vormittägigen Wanderungen begleitet uns Herder und Reifenstein. Wir fahren gegen 10 Uhr aus und kommen um 2 wieder zurück. Beide Herrn essen bei uns, zuweilen auch noch einer oder der andere unserer hiesigen Bekannten, und da werden denn oft Tischreden gehalten – denen auch Sie bester Freund, mit Vergnügen beiwohnen würden, und zu welchen, so oft, mein Herz Sie sehnlich wünscht. Einige Zeit nach Tisch begibt sich jedes in sein Kämmerlein, oder, wenn der Nachmittag sehr schön ist werden Spazierfahrten in irgend eine merkwürdige Gegend in und um Rom veranstallt und der Abend versammelt alles um den TeeTisch, um welchen sich denn verschiedene der hiesigen Bekannten mit einfinden. Da jetzt kein Theater ist, werden auch zuweilen kleine Konzerte veranstaltet. Dies ist unser gewöhnliches Leben; da aber die Herzogin auch genötigt ist einige Tage der Woche der großen Welt darzubringen, so leidet dieser Gang alsdann kleine Abänderungen. Außer Haus ißt die Herzogin bei niemanden zu Mittag (da sie ihrer Gesundheit wegen alle große und Ministerial Dinérs verbeten hat) als bei'm Kardinal Staats Sekretär Boncompagni, den Kardinal Bernis, und den Spanischen Gesandten Cevallier Azara, der nämliche der Mengsens Werke herausgegeben. Diese Dinérs sind meist sehr interessant, weil nur wenige aber vorzügliche Personen dazu eingeladen werden, und diese 3 Männer schon für sich zu den besten und ausgezeichnesten gehören. Der Kardinal Bernis kommt beinahe einen Abend um den andern zur Herzogin und ohngeachtet seines beinahe 70 Jährigen Alters ist er von der besten Gesellschaft die sich denken läßt; er hat bei viel Verstand, Welt und Menschenkenntnis, alles gute was seine Nation vorzüglich für die Sozietät auszeichnet. Er lebte mit den besten Köpfen aus den Zeitalter Louis XIV, Voltaire Fontenelle und so viel andern großen sowohl Weltleuten als Gelehrten, und erzählt gern und gut von diesen Zeiten. Da die Herzogin nur wenig Personen zu ihrer Abendgesellschaft aufgenommen, weil sie sonst genötiget gewesen wär alle Abend für halb Rom zu Hause zu sein; so bringt der Kardinal nur einige der besten und interessantesten mit sich, die denn von 7 Uhr Abends freien Zutritt haben, und ich darf wohl behaupten daß man nicht leicht in besserer Gesellschaft sich befinden kann. In die sogenannten großen Konversationen wo, wie man sich hier ausdrückt, ganz Rom versammelt ist und die aus 2 bis 300 und noch mehr, Menschen bestehn, geht die Herzogin nur zuweilen, höchstens die Woche einmal. Ich gestehe daß auch diese, der Neuheit wegen mich sehr unterhalten haben. Die Schönheit der Paläste, der Illumination und die Unzahl und Verschiedenheit der Menschen die alle so bequem und lustig einherwandeln, da der ungeheuren Säle wegen an kein Gedränge zu denken ist, gibt ein sehr unterhaltendes Schauspiel. Bei diesen Konversationen ist entweder Konzert oder es wird gespielt. Die Herzogin spielt Wist den Fisch 1 Dukaten, auch meine Wenigkeit, aber dito etwas geringer zu 1 Konvent. Tr., welches, wenn ich Unglück hätte, noch immer hoch genug wäre, bis jetzt gings aber ganz gut. Da man sich einer ganz außerordentlichen, und ich darf wohl sagen, für die Römer ungewöhnlichen Höflichkeit gegen die Herzogin befleißiget, so kommt par contre Coup auch viel davon auf mich, und ich kann mit Wahrheit sagen daß mirs in meinem Leben so wohl noch nicht gegangen ist. [ . . . ]
W[eimar], den 24. Dezember 1788.
Ihren Brief vom 29. November, lieber Freund, erhielt ich am 21. dieses. So sehr man sich hier zu Lande in die Genüsse zu versetzen mag, welche Sie umgeben, so wenig kann man sich gewiß bei Ihnen den leidenden Ungenuß sinnlich fühlbar machen, der uns der schönsten Rechte der Menschheit beraubt. Der Winter ist nämlich mit der Hälfte vorigen Monats so wütend eingetreten, daß bloß Notwendigkeit einen Einwohner unsers vernachlässigten Himmelsstrichs es konnte erdulden heißen, was er beim Gebrauche der freien Luft aushalten mußte. Ein unmäßiger Schnee nahm vollends der Landschaft, die sonsten bei dürrem Froste Reize behält, alle Mannigfaltigkeit. Endlich gesellt sich noch zu allen diesen Unformen ein Tauwetter hinzu, welches diese Nacht mit abscheulicher Gewaltsamkeit eintrat und uns in ein Meer von Kot und zerflossenen Salzen taucht. Die Natur behandelt uns gewaltig ins Ganze; wenig einzelne Sorgfalt zeigt sich, welche sie zu unserer Erhaltung anwendet. Von allen Teilen des menschlichen Körpers, welche zur Bildung eines Kunststücks anwendbar sind, hat uns in unserm kunstlosen Lande das Schicksal bloß die Zunge gelöst; denn die Produktionen der Hände und Finger fallen täglich ärmlicher aus. Das Organ der Sprache ist auch das einzige, durch welches wir uns Trost mitteilen und welches unsere Existenz von der der Bäume und Pflanzen unterscheidet, die duldend ihre Keime in die Schale und Rinde verschließen.
Ein Gast, den wir seit einiger Zeit hier besitzen, der Professor Moritz, trägt das Seinige bei; sein scharfes Spähen und die seltsame und eigene Art, seine Entdeckungen einzuwickeln, um sie wieder zu zerlegen, erweckt neue Gedanken und gibt Belustigung. Knebel hat das Glück, das Ungemach der Jahreszeit über den Zorn zu vergessen, welchen bei ihm die Heirat des Kammerherrn von Werther mit dem mittelsten Fräulein von Ziegesar erweckt. Goethe lebt von den Renten seines großen Kapitals, welches so sicher zu stehen scheint, daß keine äußeren Zufälle oder Mängel ihm Furcht für Schwächung derselben einflößen können. Meine Frau ist in ihrem Zustande wohler und vergnügter, als ich sie je in einer solchen Lage kannte; die Kinder wachsen einfach und ohne Übel heran. Die Ihrigen spielen treulich mit meinem Sohne die Existenz hinweg.
Leicht kann ich mir es vorstellen, wie es ohnmöglich scheinen muß, irgend ein passendes Wort und eine viel einschließende Silbe zu artikulieren, welche irgend einen Begriff deutlich ausdrücken soll, den die Gegenwart irgend einer Bildung des Altertums so lichtschnell in die Seele drückt. Ich glaube, daß man die Sprache jener Kunstwerke ohne Wörterbuch mit einer Leichtigkeit verstehen kann, daß es einen dünkt, man habe den Gedanken selbst geschaffen; mit verhältnismäßiger Langsamkeit kann aber auch dieser gefühlte Eindruck zum lautenden Worte werden; vielleicht erstickt er gar in der Geburt. Deswegen kömmt mir das Stummsein dererjenigen, welche in der Nähe der wiederkehrenden Göttergeschlechter sind, so natürlich vor. Ich freue mich darauf zu erfahren, welches Sie für die Ursachen halten, die es denen jetzt lebenden Geschlechtern verbieten, die Muster der Kunst auch nur zu kopieren. Die Erscheinung ist doch wunderbar, weniger aber das Nichtimponieren der Römisch-kirchlichen Gebräuche auf Ihren Geist. Ich dächte, diese müßten einem an Wahrheit gewöhnten und gereiften Manne ekelhaft und ärgerlich werden. Ihr sehr grau beleuchtetes Vescovato hat sich sehr aufgeheitert, da neulich unter andern Moritz einem der Schulkollegen hier (Schwaben) erzählte, Sie hätten der hiesigen Schulen in Rom gegen ihn erwähnt. Es ist rührend zu sehen, wie jetzt bei verschiedenen Gelegenheiten die Liebe und das Vertrauen Ihrer Untergebenen sich öffentlich zeigt und ausdrückt.
Die politische Lage der Staaten, obgleich sie kraus genug aussieht, läßt doch denenjenigen, die die inneren Zusammenhänge etwas genauer als der gemeine Haufen kennen, hoffen, daß wir Ruhe behalten und keinen alles unterbrechenden Krieg bekommen werden. Das Glück ersetzt, was oft die Vorsicht und genaue Berechnung unterläßt. Bei Ihrer Rückkunft erwartet Sie die Geschichte der Regierung des verstorbenen Königs in Preußen, von ihm selbst beschrieben; dieses Buch gewährt Ihnen gewiß große Zufriedenheit.
Leben Sie wohl, lieber Freund, und erinnern sich der Zurückgelassenen eben so gerne, als wie diese Ihrer mit Liebe und treuer Anhänglichkeit gedenken.
C. A. H. z. S.
W[eimar,] den 25. Dezemb. 1788.
Dein Brief vom 29. Nov. mit der Inlage an den Herzog ist endlich vorgestern Abend angekommen, u. die Inlage sogleich an den Herz. durch Gottfried hinaufgesandt worden, der den Br. dem Kammerdiener gegeben, welcher ihn sogleich hinein getragen hat. Wie angenehm mir der Brief endlich erschienen ist, kann ich nicht genug sagen; ich saß eben u. nähte noch an 2 Brieftaschen für Adelbert u. Emil als dieser Brief zu einer ungewohnten Zeit u. Stunde ankam. Den Sonntag hatte ich den vom 6. Dez. erhalten, u. vermutete daß einer noch dazwischen geschrieben sein mußte. Gottlob daß er nicht verloren ging; er ist auf die fahrende Post gegeben worden. Ich wünschte daß Werner in dieser Sache doch sehr akkurat wäre.
Nun lieber Engel haben wir gestern Abend den h. Christ das erstemal ohne Dich gefeiert – u. da wars denn freilich als fehlte Geist u. Seele. ich rüstete alles mit beklommenem Herzen, u. da der Baum brannte u. die ganze Szene mit ziemlich stummer Freude vorüber ging, konnte ich mich auch nicht länger halten u. weinte mich recht satt aus. Dein u. Alfreds Andenken, durfte ich mir durch kein äußerliches Zeichen lebhaft machen; ich weiß was ich in diesen Tagen in mir getragen habe, u. noch liegts wie ein schwerer Stein in mir. Aber Gott hilft mir tragen.
Die Kinder werden Dir schreiben, was beschert worden ist. Wilhelm war am fröhlichsten wegen seinem Farbenkasten. er bescherte mir zwei Zeichnungen. Ein Genius mit einer Schale voll Rosen u. Früchte; u. ein Priester der eben Weihrauch auf dem Altar opfert. Gottfried legte in das Schatzkästchen, das immer auf meinem Arbeitstischgen liegt, den Hirschdukaten, als ein Scherflein zum heil. Christ, weil ich etwas unwillig war, daß er mir höher gekommen ist, als ich mirs vorgesetzt hatte, ich nahm aber den Dukaten nicht, wie Du leicht denken kannst. Sein Gemüt ist so zart u. weich; Gott erhalte es ihm. Luisgen wird Dir im nächsten Br. schreiben; sie hat zuviel Pfefferkuchen gegessen u. den Magen verdorben, ich lasse sie daher heute nicht schreiben. Da alles weggeräumt war, setzten wir uns um den Tisch, ein jedes nahm sein beschertes Buch u. nun wurde gelesen. Adelbert übersetzte einen Vers aus dem Griechischen Testament u. las hernach mit Luisgen u. Emil in der Bibl. Historie; er wählte Elias Himmelfahrt, Luisgen die Geschichte Samuel wie ihn der Herr im Tempel gerufen hatte, u. Emil wollte das lesen: wie die Israel. Kinder durchs Meer gegangen sind, u. Mose ins Meer mit dem Stock geschlagen hat. Die 2 ersten wurden gelesen; Emil war voll Feuer die seinige auch zu lesen, u. es ging bis zur Hälfte ziemlich, da ihm die Mutter die schweren u. 2silbigen Worte vorsagte; die einsilbigen gehen gut. August übersetzte eine Griechische Fabel: vom Fuchs als er den Löwen zum erstenmal sah. pp
Den Montag war die Stein, die Kalb u. Moriz zum Caffèe bei mir, gegen Abend kam Goethe u. Knebel. Wenn wir Frauen mit Moriz allein sind, da geht es gar hübsch; er ist alsdann unser Prophet u. unsre Kenntnisse nehmen jedesmal zu. So war er 2 Tage vorher zum Caffèe allein bei mir; Wir kamen auf Goethens Werke zu sprechen: da sagte er mir, wie er durch das Studium der Perspektive darauf gekommen sei, den Mittelpunkt in einem Stück aufzusuchen; oder um ein Stück zu beurteilen müsse man den Mittelpunkt aufsuchen. Den müsse man nun nicht am Ende des Stücks sondern in der Mitte suchen, so wie alle Radien vom Mittelpunkt ausgehn u. sich in den Anfang u. Ende verlieren. So ist in Egmont der Mittelpunkt die Szene, da Clärchen vor Egmont kniet u. frägt: bist du der Egmont pp u. er antwortete: nein der Egmont bin ich nicht dem das Volk anhangt pp Dein Egmont bin ich. u. Clärchen: so laß mich sterben, die Welt hat keine Freuden auf diese. Hier sei der höchste Punkt des Stücks. Er u. Klärchen. Politik ist ihm nichts, gegen dieses Verhältnis – an dieser Szene hängt nun sein Tod u. Clärchens freiwilliger Tod. Moriz hat noch vieles u. manches auseinander gesetzt, das hier zu weitläuftig ist. Mich dünkt, es sei eine gute u. leichte Art die Sache, worauf es ankommt, zu suchen. Er selbst hat hier nur erst den glücklichen Fund durch das Studium der Perspektive getan; u. ist selbst darüber in seiner gehaltenen Gemütsart sehr zufrieden, weil Goethe ihm recht gibt. In Werther setzt er den Mittelpunkt in den Brief »hätte ich Fittige eines Kranichs pp kurz Werthers Geist u. Gemütsart ist zu groß für seine Menschheit gewesen, er hat sich sozusagen überwachsen, u. der geringste Anlaß seis Liebe oder etwas anderes brachte ihn an sein Ende.
[ . . . ]
Er hat mir eine gar schöne glückliche Stunde durch diese Aufklärung gemacht; u. wir haben Deiner gar sehr gedacht; er sagte mir auch daß Du seinen Aufsatz über die Kunst gelesen hättest. Den Montag war nun wieder die Rede davon u. wir frugen nach dem Mittelpunkt in Götz von Berlichingen; den sollten wir aber selbst aufsuchen, sagte er. er hätte ihn auch gefunden, u. es Goethe gesagt; da hätten sie zusammen sehr gelacht. – Goethe war über Deinen Brief an ihn vergnügt; er dankt Dir u. grüßt Dich, auch Knebel, Fr. v. Stein, u. Kalb. Sonst sehe ich niemand. Wir freuen uns alle daß Du so wohl u. heiter bist. Inssonderheit aber freut u. rührt mich die Güte der besten Herzogin gegen Dich. Auch in Briefen hierher äußert sie Gutes u. das Beste von Dir u. es ist mir beinahe als ob die [ersten] guten Zeiten wiederkommen wollten, da sie so zuvorkommend liebreich gegen uns gewesen ist. Nun der römische Himmel verjünge Dein Leben u. verjünge das Ihrige u. bringe die alten guten Zeiten wieder für Dich. Empfehle mich der Durchl. Palmirena untertänigst u. sage Ihr daß ich mit Zärtlichkeit an Sie dächte, u. Ihr für jedes liebreiche Andenken die Hand küsse, ich danke Ihr oft in Gedanken für die Reise nach Italien – u. halte Sie beinah wie Deine Schutzheilige, ich will Ihr gewiß einen Altar aufrichten. Wie sonderbar muß sich doch alles treffen. [ . . . ]
Nun lebe für heute wohl liebes Herz. Gott sei bei Dir, erhalte Dich Gesund u. gebe Dir Freude. Die Kinder sind alle wohl, ich hoffe u. wünsche, daß sie an Seele u. Körper gewachsen sein mögen, wenn Du sie wiedersiehest, ich tue nicht viel dabei; ich fürchte mich immer daß ich etwas schlimmes tue u. da mögen denn die Bäumchen so wachsen. Sie sind bisher gesund gewesen; der Appetit wächst immer mehr u. der Cacao Caffee den sie des Morgens trinken bekommt ihnen auch wohl. Kann leider auch nicht rühmen daß ich viel erspare, ich mag es anfangen wie ich will, u. ich werde nicht mit Ehren vor Dir bestehen. Der heil. Christ hat ein tüchtiges Loch gemacht; u. alle Woche kommt etwas unerwartetes u. ungerechnetes.
Es ist spät Abend, Schlafewohl liebes Herz.
Weimar, 26. 12. 1788 [?]
Liebster Vater.
O wie sehr haben wir Sie vermißt, bester Vater, da uns am heiligen Christ bescheret wurde; unsere Freude war nur halb, weil Sie nicht da waren, ob wir doch gleich so schöne Sachen bekommen. Ich bekam von der lieben Mutter einen sehr schönen, feinen Hut, ein Uhrband, Bröders lateinische Grammatik, die der Herr Konrektor sehr angepriesen hat, und bald auch einen Suetonium, aus dem ich übersetzen will. Wie sehr wir an Sie gedacht haben, können Sie kaum glauben, es fehlte uns etwas.
Ich hätte mich jetzt nach Rom gewünscht die prächtigen Feierlichkeiten in der Peterskirche zu sehen, um desto begieriger bin ich nun, sie von Ihnen zu hören. Leben Sie wohl, liebster Vater, gedenken Sie meiner. Bringen Sie mir doch auch hübsche Abdrücke von Gemmen mit. Viel Grüße vom Herrn Schäfer und der Fräulein von Volgstädt. vale. Behalten Sie mich lieb, wie ich Sie. O wie sehr freue ich mich auf den glücklichen Augenblick des Wiedersehns. χαιρε. und vergessen Sie nicht
Ihren gehorsamsten u. Sie zärtlichst liebenden Sohn
Gottfried Herder.
Grüßen Sie Werner von mir
Weimar, 26. 12. 1788
Liebster Vater.
Nun bester Vater habe ich Ihnen viel zu erzählen u zwar vom h. Christ, u dem was mir beschert worden ist. Wie wir nun in die Stube gerufen wurden, So fand ich: einen Hut, ein Halstuch, Esopi griechische Fabeln, welche ich nun übersetze, Papier, Federn, Bleistift, Pfeffer kuchen, u Schüttchen. Gottfried hat mir ein allerliebstes Quotlibet u Petschaft beschert, u ich ihm eine Brieftasche. Wir freuten uns alle sehr, aber doch würden wir uns mehr gefreut haben, wenn unser liebster Vater zugegen gewesen wäre. Ich beschere Ihnen nichts als wie mein treues Herz. Sie werden gewiß viel Schnitzer in meinem vorhergehenden lateinischen Brief gefunden haben, denn ich habe ihn in Eil verfertigt, den folgenden will ich besser machen. Leben Sie wohl u vergessen Sie nicht
Ihren Sie liebenden Sohn August Herder.
Grüßen Sie Wernern von mir.
Weimar, den 26ten Dezember. 1788.
[Weimar,] den 26ten Dez. 1788
Liebster Vater
Gestern ist nun der liebe h. Christ gewesen, und meine liebe Mutter hat mir sehr schone Sachen gegeben. 1) Einen herrlichen Farben Kasten, mit sechs Pinsel eine Reißfeder ein Bleistift, und in den Farben Kasten waren 18 Muscheln von Porzellan. 2) Auch ein paar Bogen Papier wo der Bogen 1 g. kost, wo ich mit den Farben daraufmalen soll. 3) Die Mutter hat mir einen Schein gegeben, daß ich noch ein Reißzeig und Baser bekommen soll, und hat nach Nürnberg geschrieben. Aber den Baser kaufet August in Tertia. Der Zucker Baum hat auch recht schön gebrannt aber es war nicht so viel Freude da, wie sonst, denn Sie haben gefehlt, und wenn Sie nicht dasind da ist auch keine Freude, aber wir haben doch Freude gehabt. Auch noch was vom Gottfried habe ich zum Weihnachten bekommen, und zwar daß was ich am liebsten hab, nämlich ein sehr schönes Bild. Der Herr Schäfer läßt Sie auch grüßen, er hat gester nachmittag gepredigt. Leben Sie wohl und behalten Sie lieb
Ihren gehorsamen Sohn Wilhelm Herder.
Weimar, 26. 12. 1788 [?]
Lieber Vater.
Ich habe einen Römischen Solltaten gesehen mit der Flinte und auch einen Zwerg mit barfußen Beinen. Ich habe an Weihnachten eine Brieftasche gekriecht auch das griesche Testament Papier und eine Feder und Bleistift ich kriege noch ein Gesangbuch ein Reichzeig, und ein Baser. Kommen sie bald wieder. Grießen sie den Werner. Leben sie wohl.
Ihr getreuer Sohn Adelbert Herder.
Weimar, 26. 12. 1788
Lieber Vater,
ich habe eine neue Pappe zum helliger Geist gekreist eine Biwelhistdorie Soldaten und eine schreibtafel schreiben Sie Mir Viele Briefe daß ich Sie hinein tun kann der Baun hatte schübsch gebrend und über den Engel war ein Stern Meine Ferfer Kugen habe ich Alle aufgegessen und die Mutter hat mir einen Schüttcher und 4 Täpfel aufgehomen Wir warennich lustig als Sie dagewesen wären leben Sie wohl
lieber Vater, ihr gedreirer Sohn Emi Herder
Rom, den 27. Dez. 88.
Endlich geht das 88. Jahr zu Ende, liebes treues Weib, u. dies ist wahrscheinlich der letzte Brief, den ich Dir jetzt aus Rom schreibe: mit dem neuen Jahre gehts nach Napel, von da ich Dir denn mehr u. freier schreiben werde, weil wieder ein Schritt weiter getan ist. Den 24. Dez., da der H. Christ beschert wird, war ich mit Herz u. Seele in Eurer Mitte; ich saß vor meinem Kamin zur Stunde der Bescherung, allein, u. an Euch denkend, u. segnete Euch alle meine Lieben. Nun geht das Jahr zu Ende; o welch ein Jahr! Ich weiß noch, wie ichs, mit dem Zusammenkramen meiner Br. angefangen habe; ein prophetisches Kennzeichen, daß auch in meiner Lebensrechnung viel zusammengekramt werden sollte. Auch weißt Du, in welchen Troubeln ich damals mit dem Konsistor[ium] lebte. Ich schrieb den 4. T[eil] der Ideen; unser Alfred starb; u. nun kam alles, was Du weißt, leere Hoffnung, Zerstreuung, Betäubung u. f. Wohlan, auch das Alles ist gut gewesen, wenn es nur gut ausgeht; denn o Gott u. Herr, um wie Manches hat mich die Reise klüger gemacht, wie viel Seiten meines Wesens hat sie leise u. unleise berührt, die ich sonst kaum kannte. Das weiß ich gewiß; sie hat mir die Augen über die Menschen tausendfach geöffnet, u. mich recht gezwungen, den wahren Wert des Lebens finden u. insonderheit Treue u. Liebe schätzen zu lernen, weil es ihrer in der Welt so wenig gibt. Wie ein getäuschter, einzelner Mensch sich unter Fremde gestoßen zu sehen, deren Sprache man nicht weiß, das größte Gut des Lebens, an dem ich vielleicht zu viel hing, Unabhängigkeit, sich entrissen zu fühlen, ohne daß einmal etwas an die Stelle träte, das im mindesten der Mühe wert wäre u. s. f., wenn das nicht die Augen öffnete, was sollte sie denn öffnen? Italien u. in Specie Rom ist also freilich für mich eine hohe Schule gewesen, nicht sowohl aber der Kunst, als des Lebens. Ernster wirst Du mich gewiß finden, wenn ich wieder komme; aber fürchte meinen Ernst nicht; er knüpft mich an Dich u. die Meinigen mit neuen unauflöslichen Banden. O wenn ich wieder Dein liebes Antlitz schaue! u. Du mir Deine treue Hand reichst! Ich kann mir den Augenblick nicht denken, ohne daß all mein Schreiben ein Ende hat. Gebe Gott ihn mir! gebe Gott ihn mir zur glücklichen Stunde! Er mache das 89. Jahr für Dich u. mich gut, u. für unsre liebe Herde! Er wirds, er wirds. Amen! –
Moritz ist also endlich bei Euch gewesen; u. alles, was Du von ihm schreibst, ist wahr. Die Empfindung der Buben ist sehr natürlich; aber nicht ich bin daran schuld, sondern die hiesigen Hrn. Maler, mit denen auf dieser Welt wenig anzufangen ist. Ich hätte ihnen nur einige Pasten schicken dörfen; so hätten sie doch etwas gehabt, daran aber dachte keiner. Kupferstiche war das Einzige, was sie kannten, u. was sollten ihnen die, da sie für mich hier teuer waren. Also nahm ich zusammen, was im Kasten lag, u. schämte mich selbst. Überhaupt werde ich sehr arm bei Euch erscheinen; ich habe weder Göthens Talente, noch sein Glück, um Kunstwerke zusammenzubringen; noch endlich auch, ein sehr notwendiges Ding, Geld. Wenn ich indessen mich nur gesund wiederbringe: so müßt Ihr Euch zufriedengeben.
Der Herzogin Br. ist gar gut gegen mich; eine kleine Picque auf die Herz. ist dabei sehr sichtbar. Der Herzog, der jetzt meinen Br. lange haben muß, wird mir wahrscheinlich auch einen guten Br. schreiben; ich schätze Alles sehr, nur wäre es mir noch lieber, wenn Einer von ihnen den Gedanken hätte, mir zur Reise einen hübschen Beitrag zu machen. Da sie einmal verunglückt, u. nicht durch meine Schuld verunglückt ist, wäre es so artig u. edel, hieran zu denken; daran denkt aber keiner! Auch das ist gut; noch brauche ich nichts, wenn ich aber noch vor meiner Abreise Dich um eine Remesse bitten sollte, so säume damit nicht. Da ich allein zurückreisen muß, so ists gar beschwerlich, sich winden u. drehen zu müssen u. immer zu sorgen, daß man nicht ausreiche. Auch bitte ich Dich um einen Abdruck meines verlornen Siegels, (mit dem Namen nämlich) es wird wohl noch an einem meiner Br. hangen, oder sich sonst finden. Ich muß es mir hier stechen lassen, damit ichs wieder habe.
Die Herzogin ist hier recht glücklich: sie hat ein Präsent vom Papst erhalten, ein vortreffliches Mosaik, worüber sie sehr erfreuet sein soll. Der Bogen Constantins soll drauf sein mit der Aussicht aufs Coliseum: in einem prächtgen bronzenen Rahmen. Ich habe es noch nicht gesehen, weil ich gestern (den ersten Tag auf meiner ganzen Reise) ganz im Bett zubrachte. Ich wachte nämlich mit einem starken Katarrh auf u. glaubte mich schonen zu müssen; heut ist mir ziemlich besser u. ich will ausfahren. Indessen ists mit dem Klima hier eine hundische Sache: Kälte u. Regen wechseln so schnell mit einander, daß der Körper zu gar keiner Bestandheit kommt; u. da man sich gegen keins von beiden schützen kann, so wird man des Lebens nicht froh. Es ist ein unangenehmer Aufenthalt im Ganzen, u. man muß sich das Gute auf der andern Seite recht herräsonieren, um das mannichfaltig-widrige Gefühl zu unterdrücken. Wir haben einen abscheulichen, traurigen Winter; mein guter Körper hält aber sehr aus.
Werner hat sich 8. Tage Zeit genommen, zu antworten, er war sehr betroffen, beschämt, u. verwirrt. Was ist indessen zu tun? Er hat mich weinend gebeten, daß ich ihn nicht verstoßen möchte; dies habe ich ihm auch versprochen. Das Glück mag weiter vor ihn sorgen. Der arme Mensch hat wenig Freude in Italien, u. wird von jetzt an noch weniger haben.
Du tust wohl, wenn Du Deine Br. jetzt wieder an Buri adressierst; so wie ich ihm auch Kommission geben werde, die jetztkommenden an mich zu spedieren. Ich wollte, daß wie jetzt nach Napel, ich schon an die Rückreise zu denken hätte; das hiesige Wetter macht ganz unlustig, etwas zu sehen u. zu hören.
Grüße Göthe, ich schreibe vielleicht selbst an ihn; Kn[ebel] danke für seinen Br., ich will ihn aus Napel beantworten, so wie auch von dortaus an mehrere schreiben. Der Herz. empfiehl mich, wenn Du Gelegenheit hast u. danke ihr für ihren guten Br.; an die Fr. v. Fr[ankenberg] schreibe ich selbst. Sonst kann ich Dir von hier aus gar nichts neues schreiben; es ist ein altes Rom für mich, u. die große Zerimonie des Papsts am Weihnachtsfeste hat mich nicht im mindsten gerühret. Es ist indessen gut, sie auch gesehen zu haben.
Und nun lebe wohl, herzige Liebe, lebt wohl, Ihr Kinder, Gott gebe Euch ein gutes Neujahr, denkt meiner u. betet für mich. Dir, liebes Luischen danke ich gar sehr für Dein Blümchen; es kam mir zum H. Christ aus Deiner lieben Hand. Auch Dir, guter Emil, Adelbert u. Wilhelm danke ich für Eure Briefchen; Ihr werdet jetzt die meinigen an Euch längst haben. Ich küsse Euch alle, lebt wohl, Ihr Lieben. Lebe wohl, Herzensliebe, wohl, wohl.
H.
P. S. An die Fr. v. D[iede] habe ich Einmal geschrieben, u. schreibe heut wieder. Der Br. hatte einen Umweg genommen, weil sie in Regensb[urg] ist, wie ich vom Senator höre. An Fritz Stolb[erg] will ich aus Napel schreiben; es muß ihm übel zu mut sein: denn auch mich hat der Tod recht gerühret. Das Schmetterlingchen ist entflohen; wo ist sie?
Rom, den 27. Dez. 88.
Ich kann das alte krumme Jahr 88. nicht beschließen, ohne daß ich Dir noch von Rom aus ein Lebenszeichen gebe, mein Lieber. Wir haben hier dummes Wetter u. einen erbärmlichen Winter; das macht nun jeden unmutig u. unlustig, der nicht daran gewohnt ist, die Herzogin ausgenommen, die immer gesund, vergnügt, u. guter Laune ist, wie es ihr denn auch in Allem recht wohl gehet. Gestern hat ihr der Papst ein Präsent gemacht, das sie denn wohl selbst beschreiben wird; weil ichs, da ich gestern den ganzen Tag im Bett zubrachte, selbst noch nicht gesehen habe, kann ich nichts davon sagen, als daß es jedermann lobt u. daß sie darüber sehr vergnügt sein soll. Außerdem beschäftigt sie sich sehr mit der Musik, wie ihr denn auch schöne, u. ich möchte sagen, die trefflichsten Sachen gegeben werden, die Italien besitzet. Außer dem Konzert bei Bernis, wo zu viel Geräusch ist, sind 4. Konzerte bei Ruspoli gegeben worden, in denen man die ausgesucht-schönsten Sachen hörte, von denen sie denn auch das Beste sammlet. Dies bringt mich auf einen Gedanken, oder vielmehr ich sage ihn nur nach meiner Weise und Einsiedel hat mich eigentlich darauf gebracht. Du weißt, wie es einem ist, der aus Italien soll, u. Du kannst denken wie es ihr sein wird, die in Weimar nichts Lockendes vor sich findet. Könnte ihr nicht ein Reiz dadurch verschafft werden, wenn man ihr vorstellte, daß sie diese Stücke dort wieder aufführen könnte, u. sie eine Art von Intendanz über Musik u. Theater bekäme? E[insiedel] meint, daß ihr dies sehr schmeicheln u. sie dort amüsieren wird, damit sie ihre Reise nach Italien dort einigermaßen anzuwenden hätte. Da Klinkowström nicht da ist u. entweder gar nicht, oder sobald nicht wiederkommen wird, steht diesem Kompliment keiner im Wege; der Herzog macht sich ja auch nichts daraus u. weiß an sich selbst am besten, wie es einem zu Mut ist, der wieder in die Enge nach Hause soll. Im Ganzen will ja auch jeder etwas haben, was ihn reize; und wenn ihr dies Kompliment schön u. unvermerkt gesagt würde, könnte es zur rechten Zeit gesagt, ihr nicht anders als schmeicheln. Überlege das, Lieber, u. tue das Beste; sonst fürchte ich, wird ihr die Abreise im Frühlinge schwer werden: denn es geht ihr hier zu wohl u. sie hat in Weimar nichts, das sie hiegegen auf die Waage lege.
Mir ist nun freilich nicht ganz so, u. ich kann mich, in dem was ich suchte u. erwartete, des guten Glückes nicht so ganz rühmen. Da aber in der Natur der Dinge nichts vergebens ist, so wird auch dies übelgeratne Impromtu meiner Reise nicht ganz vergebens sein, wenigstens dadurch, daß es mich vor jedem ähnlichen bewahre. Ich will nur dagegen kämpfen, daß ich nicht in Deine Fußtapfen trete, u. eine »Gleichgültigkeit gegen die Menschen« nach Hause mitbringe, die mir übler bekommen würde, als Dir, weil ich keine Kunstwelt, wie Du, an die Stelle des Erloschenen zu setzen wüßte. Fast möchte ich sagen, daß ich von der Kunst nie kühler gedacht habe, als hier, da ich sie in ihrem Werden, Tun u. Wirken dem ganzen Umfange nach vor mir sehe; einst wars eine schöne Blüte des menschlichen Bestrebens, jetzt aber ists eine Blumenfabrik wie unsrer Freunde Krause u. Bertuchs. Auch sonst läßt die römische Welt meine Seele entsetzlich leer, wozu Du Dir die Ursachen wohl ausfinden wirst. Nicht der geringsten ist diese Eine, daß den armen Tom hier entsetzlich friert, u. wenn man friert, mag man weder sprechen, noch denken, noch empfinden, kaum sehen u. hören; u. am wenigsten von Allem, sprechen lernen.
Mit Dir wars in Allem anders, weil Du ein artifex bist, u. mich freuets, daß Du Deinem Beruf treu bleibst u. dort Dein Werk fortsetzest. Wenn ich aus Italien komme, will ich mir von Dir erzählen lassen, was Du gesehen hast u. ich hätte sehend sehen sollen u. meinen Mund dazu nicht auftun. Denn wollen <wir> Dich in den Wagen setzen u. wieder nach Rom senden. Ich fürchte, ich fürchte, Du taugst nicht mehr für Deutschland; ich aber bin nach Rom gereist, um ein echter Deutscher zu werden, u. wenn ich könnte, würde ich eine neue Irruption germanischer Völker in dies Land, zumal nach Rom veranlassen. Die Italiener sollten mir dienen, u. in Rom wollte ich insonderheit werben. Wenn ich nach Hause komme u. wieder warm werde, will ich einen Aufsatz schreiben, wie Rom im Jahr Christi 1800. aussehen wird, u. ich wollte, daß ich Hand anlegen könnte, diesen Plan der trefflich ausgedacht ist, zu realisieren. So lange lebe wohl, Lieber, denn ich kann für Kälte nicht mehr schreiben; mein Herz ist ganz zugefroren, u. auf meiner Seele tauet nur Glatteis. Lebe wohl u. grüße Alle, den Herz., die Herz. u. wer sich sonst meiner noch etwa erinnert.
Lebewohl, Lieber.
H.
Weimar, 27. 12. 1788
Ich bin mit dir, teils im Geiste teils durch deine Briefe an deine Frau, immer in Unterhaltung geblieben. Ich danke dir, daß du auch ein Wörtchen aus der Stadt an mich richtest. Ich habe herzlich mit dir gelitten, dagegen freue ich mich jetzt, daß alles gut geht.
Daß meine Römischen Freunde an mich denken, ist sehr billig; auch ich kann eine leidenschaftliche Erinnerung an jene Zeiten nicht aus meinem Herzen tilgen. Mit welcher Rührung ich des Ovids Verse oft wiederhole, kann ich dir nicht sagen:
Cum subit illius tristissima noctis imago,
Quae mihi supremum tempus in urbe fuit.
Ich fühle nur zu sehr, was ich verloren habe, seit ich mich aus jenem Elemente wieder hieher versetzt sehe; ich suche mir es nicht zu verbergen, aber mich so viel als möglich auch hier wieder einzurichten. Ich fahre in meinen Studien fort, und hoffe dir in manchem entgegen zu arbeiten.
Es ist ganz natürlich, daß du dich gleichsam ausschließlich an die Statuen hältst. Sie sind uns ja allein von den besseren Zeiten der Kunst übrig. Bei Gemälden muß man schon, wie Spinozas Gott zum Irrtume, noch etwas hinzudenken, anstatt daß jene uns mit einem vollkommenen Begriff schon entgegen kommen.
In physiognomischen Entdeckungen, die sich auf die Bildung idealer Charktere beziehen, bin ich sehr glücklich gewesen. Ich bin noch immer gegen jedermann darüber geheimnisvoll, und werde mich um so mehr beeifern, etwas zu tun, weil ich dich, noch wenn du von Rom kommst, in Verwunderung setzen möchte, das viel unternommen ist.
Tasso ist noch immer nicht fertig. Bald darf ich nicht mehr davon reden, der achte Band ist bald gedruckt; ich schicke das erste Exemplar gleich an Angelika, damit Ihr es bald habet. Moritz ist nun schon 3 Wochen hier und tut uns allen sehr wohl, besonders haben ihn die Frauen sehr in Affektion genommen, denen er allerlei Lichter aufsteckt. Es ist ein grundguter Mensch, und sein Aufenthalt hier wird ihm viel nutzen.
Ich freue mich, daß du Hirten auf den Grad wohl willst, um ihn gelegentlich zu rüffeln, welches ihm sehr nötig ist. Es ist wirklich ein guter und brauchbarer Mensch. Er mag den Brief immer an mich richten, wenn es ihm Spaß macht. Gib ihm nur die Erlaubnis dazu.
Wahrscheinlich wird dir dieser Brief nach Neapel folgen; möge er dich recht froh unter dem schönen Himmel finden!
Mit der Herzogin Mutter geht ja alles recht schön und gut. Wenn der Rückzug dem Eintritt gleich ist, wird es ihr so viel Ehre als Freude machen.
Deine Frau seh' ich von Zeit zu Zeit und öfter, wenn der geistliche Arzt nötig sein will. Ich habe manche Dose moralischen Cremor tartari gebraucht, um die Schwingungen ihrer Elektraischen Anfälle zu bändigen. Jetzt ist sie sehr vergnügt. Daß Emil so glücklich durch die Blattern gekommen ist, ohne an seiner Gestalt oder seinem Humor etwas zu verlieren, ist gar schön. Wenn ich nur deiner Frau, wie auch der Frau von Stein, die verwünschte Aufmerksamkeit auf Träume wegnehmen könnte. Es ist doch immer das Traumreich wie ein falscher Lostopf, wo unzählige Nieten und höchstens kleine Gewinstchen unter einander gemischt sind. Man wird selbst zum Traum, zur Niete, wenn man sich ernstlich mit diesen Phantomen beschäftigt.
Lebe wohl und vollende glücklich deinen Lauf! Grüße alles. Gedenke mein!
G.
W. den 27. Dezember 88.
Wir haben tiefen Schnee und große anhaltende Kälte, mitunter entsetzlichen Sturm. Ich habe mich in meinem Stübchen ganz eingepackt, indessen du in der freien schönen Welt herumwandelst. Jeder muß an die Reihe kommen.
Übrigens sei nur ruhig! Die guten Menschen gönnen dir alle die Reise, und wer wollte nach den andern fragen?
Rom, den 27 Decembre [1788]
Ich kann nicht aus Rom gehn ohne von Ihnen liebster Geh. Rat Abschied zu nehmen. ich glaube die Kälte treibt uns fort da seit 8 Tagen man sich von der Seite beinahe Illusion machen könnte man sei in Teutschland. Zum Herumlaufen wenigstens ists jetzt keine Zeit und da will die Herzogin nach Neapel sich an den Vesuv zu wärmen der ganz unbändig sein soll, und sich was vor singen zu lassen. Die Oper soll dort dieses Jahr cosa maravigliosa sein und hier gibts außer Rubinelli nicht viel. Zu Ende des Carnavals sind wir wieder hier. Reifenstein freut sich wie ein altes Kind auf diese Reise, Herder geht wie Sie wissen auch mit. Seine edle Reisegesellschaft ist schon seit einen Monat weg ohne Notiz von ihm zu nehmen, doch gilt dies bloß von dem weiblichen Teil, Dalberg ist ein guter Mensch aber verliebt und daher ein armer Wurm. [ . . . ]