Johann Gottfried Herder
Der Cid
Johann Gottfried Herder

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    Dankend Gott und San Jago
Für den Schutz, den sie ihm schenkten,
Für die Kraft, die sie ihm liehen,
Auszufechten solche Schlachten,
Zu bezwingen soviel Mauren,
Zu gewinnen Städt und Festen,
Wie kein andrer sie gewann –
Denn Gott und der Erzapostel
Hielten ob ihm ihre Hand –,

    Lebte Cid jetzt, hochgefürchtet,
Hochgefürchtet und verehrt,
In Valencia mit Ximenen
Und mit seinen beiden Töchtern,
Doña Sol und Doña Elvira,
Die er über alles liebt'.

    Ringsum in Kastilien gingen
Von ihm Wunderneuigkeiten,
Also daß zwei junge Grafen,
Reiche Grafen Carrion,
Vor den König Don Alfonso
Bittend traten, daß er beide
– Brüder waren sie – vermähle
Mit den edeln Töchtern Cids.

    Don Alfonso, kein Bedenken
Findend an der reichen Heirat,
Lud den Cid, ihn in Requeña
Zu besuchen, sprach mit ihm
Viel von seinen Wundertaten,
Von den Schlachten, von den Siegen;
Rechenschaft gab ihm der Cid.

    »Aber Ihr seid alt geworden,
Guter Cid«, sprach Don Alfonso.
»Großer König«, sprach der Feldherr,
»Soviel Sorg und Kriegesarbeit
Macht schon alt; kaum hatt ich Ruhe,
Kaum Erholung einen Tag.
Alles indes überstanden,
Ist Valencia, Euch gewonnen,
Voll Vermögen, voll von Gütern,
König, Euer Eigentum.«

    »Guter Cid, genießt das Eure!«
Sprach Alfonso; »mir genüget
Eurer Taten Ruhm, die Ehre
Eines Feldherrn und Vasallen,
Wie kein Christenreich ihn hat;
Gerne wünscht ich Euren Töchtern
Standesmäßige Gemahle;
Und da haben sich zwei Grafen,
Reiche Grafen Carrion,
Brüder, sie von mir erbeten;
Übel wäre nicht die Heirat,
Und ich steh für die Gefahr.«

    Sprach der Cid: »Sie sind die Eure,
Guter König, und Ximenens
Wille ist gewiß der meine;
Die ich über alles liebe,
Meine Töchter, schenk ich Euch.«

    Traten zu ihm beide Grafen,
Küsseten dem Cid die Hände;
Nach Kastilien zog der König,
Nach Valencia zog der Cid.


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