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Man erzählt, – doch Gott ist allwissend, – daß einst ein gewisser Mann, der ein Zauberer war, vom Schicksal von Stadt zu Stadt getrieben wurde, bis er auch nach Bagdad kam, wo er in einem der dortigen Châne abstieg und die Nacht daselbst zubrachte. Am nächsten Morgen erhob er sich in der Frühe und streifte durch die Straßen und Gassen und von Markt zu Markt, sich manch' einen Platz 94 beschauend, bis er auch zum langen Bazar gelangte, von wo er die ganze Stadt überschauen konnte. Bei näherem Zusehen fand er, daß es eine Residenz war ohne gleichen unter den Städten, durchströmt vom Tigris, mit dem der Euphrat seine Gewässer vermischt, und mit sieben Schiffsbrücken über dem vereinten Strom. Die Böte waren alle eins am andern befestigt, daß das Volk dieselben zum Zweck ihrer verschiedenen Geschäfte überschreiten konnte, speciell aber die Leute, die zu ihrem Vergnügen zu den Palmengärten und Parken gingen, welche überreiche Frucht trugen, während die Vögel in ihnen Gott, den Einigen, den Allbezwinger lobpreisten.
Wie dieser Zauberer sich nun in den Bazaren vergnügte, kam er auch an dem Laden eines Kochs vorbei, vor dem fertige Speisen allerlei Art und Farbe zum Verkauf standen; und, wie er den Koch anschaute, sah er, daß er ein Jüngling von vierzehn Jahren war und schön wie der Mond in der vierzehnten Nacht. Er war elegant und in einen Anzug gekleidet, der so sauber war und so gut saß, als wäre er eben aus der Hand des Schneiders gekommen, und die Gefäße schimmerten vor Sauberkeit wie Silber. Als aber der Zauberer das Gesicht dieses Kochs betrachtete und sah, daß seine Farbe blaß war wie die Färbung metallener Blätter, und daß seine Glieder abgemagert waren, stellte er sich ihm gegenüber auf und sprach zu ihm: »Der Frieden sei auf dir, mein Bruder!« worauf der andere ihm entgegnete: »Und auf dir sei der Frieden, die Barmherzigkeit Gottes und seine Segnungen! Willkommen, willkommen von Herzen, beehre mich, mein Herr, und laß mich dir mit dem Mittagsmahl dienen.« Hierauf trat der Zauberer in den Laden ein, und der Koch nahm zwei oder drei flache Schüsseln, weiß wie das weißeste Silber, die er, nachdem er auf jede ein anderes Gericht gelegt hatte, vor den Fremden setzte, welcher nun zu ihm sprach: »Setz' dich, mein Sohn.« Als der Koch nach seinen Worten gethan hatte, sagte der Zauberer: »Ich sehe 95 dich krank, und deine Farbe ist außerordentlich gelb; was ist dir zugestoßen, und was fehlt dir? Welches deiner Glieder schmerzt dich, und ist es schon lange her, daß du dich in solchem Zustand befindest?« Als der Koch diese Worte vernahm, stieß er einen Seufzer aus den Tiefen seines Herzens und den Sohlen seiner Füße hervor und versetzte weinend: »Um Gott, mein Herr, erinnere mich nicht an das, was mir widerfuhr!« Der andere entgegnete jedoch: »Sag' mir, welche Krankheit dir fehlt, und woran du leidest. Verbirg mir nicht deine Schmerzen, denn ich bin ein Arzt und durch Gottes Hilfe ein erfahrener; ich besitze ein Heilmittel für deine Krankheit.« Da hob der Jüngling an zu seufzen und stöhnen, worauf er versetzte: »Fürwahr, mein Herr, ich leide weder Schmerzen noch bin ich krank, ich bin nur ein Liebhaber.« Da fragte der Zauberer: »Bist du in der That ein Liebhaber?« Der Koch entgegnete: »Ja, nicht nur ein Liebhaber, sondern noch obendrein von der Geliebten getrennt.« Hierauf fragte der Zauberer: »An wem hängt dein Herz?« Der Jüngling erwiderte: »Laß mich für jetzt, bis ich mein Geschäft beendet habe, und kehre um die Nachmittagszeit wieder zurück, damit ich dir meine Geschichte mitteilen und dir erzählen kann, wie es mit mir steht.« Der Zauberer versetzte: »So geh' jetzt an die Arbeit, damit sie nicht durch Versäumnis schlecht gethan wird.« Nach diesen Worten aß er die Speisen, die er ihm vorgesetzt hatte, und ging fort, weiter durch die Bazare Bagdads zu streifen und sich durch Besichtigung der Stadt zu vergnügen. Als dann aber die Stunde des Nachmittagsgebets kam, kehrte er zum Koch zurück und fand, daß er inzwischen seine Arbeit beendet hatte. Sobald ihn der Jüngling erblickte, freute er sich über ihn und, aufgeheitert im Gemüt, sprach er bei sich: »Vielleicht wird mir durch die heilende Hand dieses Arztes Freude zu teil.« Alsdann verschloß er seinen Laden und begab sich mit seinem Besucher nach Hause.
Nun besaß dieser junge Koch ein reiches Vermögen, das 96 er von seinen Eltern geerbt hatte; und, sobald sie seine Wohnung betreten hatten, trug er Speisen auf, worauf beide aßen und tranken und erfreut und gestärkt wurden. Hernach sprach der Gast zu seinem Wirt: »Nun erzähl' mir deine Geschichte und sag' an, was die Ursache deines Leidens ist.« Der Jüngling erwiderte: »O mein Herr, ich muß dir berichten, daß der Chalife El-Mutasîd billāh, der Fürst der Gläubigen, eine Tochter von schönem Gesicht und anmutigem Äußern hat; schön, entzückend, mit schlanker Taille und Seite ist sie ein Mädchen, das alle Zeichen und Eigenschaften der Lieblichkeit besitzt, wie es sich gar nicht beschreiben läßt. Kein Beschauer sah ihresgleichen und kein Erzähler erzählte von jemand ihr gleich an Wuchs, Schönheit und anmutiger Haupthaltung. Wiewohl nun eine Menge von Bewerbern, Große und Könige, um sie bei dem Chalifen anhielten, lehnte es ihr Vater jedoch ab sich von ihr zu trennen und wollte sie keinem von ihnen geben. Jeden Freitag aber, wenn die Leute zu den Moscheen gehen, um das Freitagsgebet zu beten, verlassen alle die Kaufleute, die Käufer und Verkäufer, Handwerker und wer sonst noch ihre Läden, Warenhäuser und Tavernen, dieselben unverriegelt und weit offen stehen lassend, um sich zum Gottesdienst zu begeben. Zu dieser Zeit steigt dann jenes einzige Mädchen aus ihrem Palast herab und vergnügt sich mit der Besichtigung der Bazare, worauf sie sich unverzüglich ins Bad begiebt, um daselbst zu baden und stracks wieder heimzukehren. Eines Freitags nun sprach ich bei mir: »Ich will nicht zur Moschee gehen, sondern nur einen einzigen Blick auf sie werfen;« und, als die Gebetszeit kam und das Volk zum Gottesdienst in die Moschee strömte, verbarg ich mich in meinem Laden. Mit einem Male erschien das erhabene Fräulein mit einem Geleit von vierzig Mädchen, alle gleich soeben aufgegangenen Vollmonden und die eine immer hübscher als die andere, während sie inmitten derselben wie die strahlende Sonne Licht über sie ausgoß; und die Sklavinnen drängten sich 97 rings um sie, um sie vor den Blicken zu schützen, und trugen ihre Säume mit goldenen und silbernen Haken. Ich warf nur einen einzigen Blick auf sie, als sich auch schon mein Herz in sie verliebte und wie Kohlen entbrannte, und aus meinen Augen entströmten Thränen; und seither quält mich noch dieselbe Sehnsucht, ach, was für eine Sehnsucht!« Bei diesen Worten stieß der Jüngling einen Schrei aus, daß die Seele seinem Leib fast entwichen wäre. Der Zauberer fragte ihn hierauf: »Steht es mit dir noch immer so?« Der Jüngling erwiderte: »Ja, mein Herr.« Nun fragte der Zauberer: »Und wenn ich dich mit ihr zusammenbringe, was willst du mir dann geben?« Der junge Koch versetzte: »Mein Geld und mein Leben sollen dir dann zur Verfügung stehen.« Da sagte der Arzt: »So steh' auf und bring' mir eine metallene Phiole, sieben Nadeln und ein Stück frische Aloe; außerdem ein Stückchen gekochtes Fleisch,Nach Steingaß wäre statt gekochtes Fleisch roter Ziegelstaub zu übersetzen. etwas Siegellack, das Schulterblatt eines Schafs und Filz und Zindel von siebenerlei Art.« Der Jüngling ging fort und that nach seinem Geheiß, worauf der Weise die Schulterblätter nahm und Koranverse und Beschwörungen darauf schrieb, die dem Herrn des Himmels gefallen haben würden; alsdann wickelte er sie in Filz und hüllte sie in den siebenfachen Seidenstoff ein. Dann nahm er die Phiole und steckte die sieben Nadeln in die grüne Aloe, worauf er sie in das gekochte Fleische steckte, das er mit dem Siegellack befestigte. Zum Schluß sprach er über diese Gegenstände folgende Zauberformel: »Ich habe gepocht, gepocht an die sieben Hallen der Erde zu rufen die Dschânn, und die Dschânn haben gepocht für die Dschânn wider den Satan. Da erschien mir der Sohn Al bin Imrâns mit einer Schlange und mit einem Basilisken um die Schulter geschlungen und rief: »Wer ist dieser Kaufmann und Sohn einer Sklavin, der heute Abend nach uns an die Erde gepocht hat?« Dann sprich, o Jüngling: »Ich bin ein 98 Liebhaber an Jahren jung und lieb' ein junges Fräulein; zu eurer Schwarzkunst nahm ich Zuflucht, ihr Leute der Großmut, Hochherzigkeit und meisterhaften Thaten. So arbeitet mit mir und bestätigt meine Sache und helft mir in dieser Angelegenheit. Seht ihr nicht, wie die und die, Tochter des und des, mich bedrückt und mir Unrecht angethan hat, und wie sie mich nicht liebt wie vordem?« Dann werden sie die Antwort geben: »Laß es sein und gedulde dich.« Setz' dann die Gegenstände auf das heißeste Feuer und sprich darüber: »Dies ist das Geschäft; und wäre die und die, Tochter des und des, im Brunnen von Kaschân oder in der Stadt Isfāhân oder in den Städten, wo Leute wohnen mit enggeknöpften Röcken und je bereit guten Ruf zu vernichten, laß sie hervorkommen und Vereinigung mit dem Geliebten suchen!« Dann wird sie antworten: »Du bist der Herr und ich die Sklavin.«
Der Jüngling stand verwundert über diese Zauberformeln da; nachdem der Zauberer ihm aber dreimal diese Worte wiederholt hatte, wendete er sich zu ihm und sprach: »Erhebe dich auf deine Füße, parfümiere und beräuchere dich, ziehe deine besten Sachen an und breite dein Bett aus, denn zu dieser Stunde noch sollst du deine Geliebte an deiner Seite sehen.« Mit diesen Worten warf der Weise die Schulterblätter aus der Hand und setzte die Phiole aufs Feuer. Alsdann erhob sich der Jüngling ohne Verzug und holte ein Paket der kostbarsten Kleider, das er auseinandernahm, worauf er sich in die Sachen kleidete und nach dem Geheiß des Zauberers that, wiewohl er nicht zu glauben vermochte, daß seine Geliebte erscheinen würde. Nach kurzer Zeit jedoch kam die junge Maid noch schlafend durch die Hausthür, strahlend und schön wie die Morgensonne, und trug ihr Bett mit sich. Als der junge Koch sie erblickte, ward er starr und rief, seiner Sinne beraubt: »Das ist fürwahr ein wundersames Ding!« Der Weise versetzte: »Es ist nichts andres als was du wünschest.« Da sagte der Koch: »Und du mein Herr, 99 gehörst zu den Heiligen Gottes,« und küßte ihm die Hand, ihm für seine gütige That dankend. Der Zauberer aber sagte nun: »Mach' dich auf und vergnüg' dich mit ihr;« worauf der Jüngling unter die Decke ins Bett kroch und seine Arme um die Schöne schlang, sie erst zwischen die Augen und dann auf den Mund küssend. Da verspürte sie ein Gefühl und öffnete, erwachend, ihre Augen, wobei sie gewahrte, daß sie in den Armen eines schönen Jünglings lag. Auf ihre Frage: »Wer bist du?« antwortete er: »Ein von deinen Augen Gefangener und von der Liebe zu dir Getöteter, der nur nach dir sich sehnt.« Da blickte sie ihn mit einem Blick an, der in ihrem Herzen der Liebe Sehnsucht entflammte, und fragte ihn von neuem: »O mein Geliebter, sag' mir, wer bist du, ein Mensch oder ein Dschinnī?« Er versetzte: »Ich bin ein Mensch und einer der ehrenwertesten.« Nun fragte sie: »Wer hat mich denn zu dir gebracht?« Er erwiderte: »Die Engel und die Geister, die Dschinn und die Dschânn.« Da sagte sie: »Alsdann beschwöre ich dich, befiehl' ihnen, mich jede Nacht hierher in deine Arme zu tragen;« worauf er entgegnete: »Ich höre und gehorche, meine Herrin; für mich ist dies ebenfalls das Ziel aller Wünsche.« Hierauf küßten sie einander und ruhten in gegenseitiger Umarmung bis zum Morgen.
Als der Morgen anbrach und es licht ward und tagte, erschien der Zauberer und rief den Jüngling, der zu ihm mit lächelndem Gesicht herauskam. Dann fragte er ihn: »Wie stand es mit deiner Seele heute Nacht?« Beide Liebenden riefen: »Wir waren im Garten des Paradieses zusammen mit den Huris und den Knaben Edens; Gott lohne es dir mit allem Guten an unserer Statt!« Alsdann gingen sie ins Bad, und der Jüngling sagte, nachdem sie sich gebadet hatten: »O mein Herr, was sollen wir mit dem jungen Fräulein anfangen, wie sollen wir sie nach Hause schaffen, und was soll aus mir ohne sie werden?« Der Zauberer versetzte: »Gräme dich nur nicht und sorge dich um nichts; 100 wie sie kam, so soll sie auch wieder gehen, und keines der Geschöpfe Gottes soll etwas von ihr wissen.« Hierauf schickte sie der Weise auf dieselbe Weise fort wie sie gekommen war, und von da an brachte sie jede Nacht ihr Bett mit sich und besuchte den Jüngling in aller Freude und Seligkeit. Als jedoch eine Reihe von Wochen verstrichen war, traf es sich, daß sich das junge Fräulein eines Tages auf dem Dach ihres Palastes mit ihrer Mutter befand, wobei sie ihren Rücken der Sonne zukehrte; und, als die Hitze sie zwischen die Schultern traf, schwoll ihr Leib an, so daß ihre Mutter sie fragte: »O meine Tochter, was fehlt dir, daß du in dieser Weise anschwillst?« Sie versetzte: »Ich weiß nichts davon.« Da streckte ihre Mutter die Hand zum Leib ihres Kindes aus und fand, daß sie schwanger war, worauf sie schrie und sich vors Gesicht schlug und fragte: »Woher geschah dir dies?« Die Dienerinnen, die ihr Geschrei hörten, kamen herbei gelaufen und fragten sie: »Was hat dich, o unsere Herrin, so aufgeregt?« Sie versetzte: »Ich wünsche den Chalifen zu sprechen.« Infolgedessen suchten ihn die Frauen auf und sprachen zu ihm: »O unser Herr, unsere Gebieterin verlangt nach dir.« Da entsprach er ihrem Befehl und begab sich zu seiner Gemahlin; beim ersten Blick erkannte er jedoch den Zustand seiner Tochter und fragte sie: »Was ist mit dir vorgefallen, und was hat dich in solches Unglück gestürzt?« Hierauf erzählte ihm die Prinzessin, wie es ihr ergangen war, und der Chalife rief, als er ihre Worte vernommen hatte: »O meine Tochter, ich bin der Chalife und der Fürst der Gläubigen, und die Könige der Erde allzumal haben bei mir um dich angehalten, während du sie abwiesest, und nun thust du mir so etwas an! Ich schwöre den allerverbindlichsten Eid und gelobe bei den Grüften meiner Väter und Ahnen, wenn du mir die Wahrheit sagst, so soll dir nichts geschehen; sagst du mir jedoch nicht die Wahrheit in betreff dessen, was dir widerfuhr, und von wem dir diese Sache zustieß, sowie die Beschaffenheit der Absicht jenes Mannes gegen dich, so 101 will ich dich hinrichten und die Erde zu deiner Wohnung machen!«
Als die Prinzessin von dem Mund ihres Vaters diese Worte vernahm und den Schwur erwog, den er gethan hatte, versetzte sie: »O mein Herr, wiewohl Leugnen mir frommen mag, so ist doch förderlicher die Wahrheit zu bekennen. Fürwahr, mein Vater, seit einiger Zeit hebt mich mein Bett jede Nacht auf und trägt mich zu einem Hause, in dem ein Jüngling wohnt, die Schönheit und Anmut selber, der jedem Beschauer Sehnsucht einflößt; er bettet sich dann an meine Seite und schläft mit mir bis zum Morgengrauen, worauf mein Bett mich aufhebt und mich zum Palast zurückträgt; wie ich aber gehe und komme, die Art und Weise hiervon ist mir verborgen.«
Als der Chalife ihre Worte vernahm, verwunderte er sich über diese Geschichte aufs äußerste und staunte über die Maßen; indem er sich jedoch seines Wesirs erinnerte, eines Mannes von durchdringendem Verstand, voll Scharfsinn, Schlauheit und außerordentlicher Einsicht, befahl er ihn vor sich und teilte ihm sofort nach seinem Erscheinen diese Sache und den Fall seiner Tochter mit, wie sie in ihrem Bett fortgetragen würde, ohne zu wissen wohin oder sonst etwas. Nachdem der Wesir eine volle Stunde über die Sache nachgedacht hatte, versetzte er: »O Chalife der Zeit und des Jahrhunderts, ich habe einen Plan, vermittelst dessen ich meine, daß wir zur Stelle gelangen könnten, wohin die Prinzessin entführt wird.« Da fragte der Chalife: »Was hast du für einen Plan?« Der Wesir entgegnete: »Befiehl, daß man mir einen Sack bringt, den ich mit Hirse füllen lassen will.« Infolgedessen brachten sie ihm einen Sack, und er füllte ihn voll Hirse, worauf er ihn nahe an die Stelle, wo das Haupt des Mädchens ruhte, in ihr Bett legte, indem er die Öffnung aufließ, damit die Hirse, wenn ihr Bett zur Nachtzeit fortgetragen würde, beim Gehen und Kommen auf den Pfad geschüttet würde.« Der Chalife aber rief nun: »Gott segne 102 dich, o Wesir! Dieser dein Rat ist ausgezeichnet; welch eine schlaue List, wie keine schlauer, und welch eine gute Probe, wie keine trefflicher sein kann!«
Als nun der Abend hereinbrach, ward das Bett, wie allnächtlich, wieder fortgetragen, und das Korn ward in breitem Streifen wie ein Strom von dem Thor des Palastes bis zur Thür des jungen Kochs verstreut, woselbst die Prinzessin wie gewöhnlich die Nacht bis zur Dämmerung verbrachte. Als dann der Morgen anbrach, erschien der Weise und nahm den Jüngling mit sich ins Bad, wo er sich mit ihm zurückzog und zu ihm sagte: »O mein Sohn, wenn du mich nach etwas betreffs der Sippe und Verwandtschaft der Prinzessin frägst, so teile ich dir mit, daß sie in der That ihre Sache entdeckt und einen Plan wieder dich geschmiedet haben.« Da rief der Jüngling: »Fürwahr, wir sind Gottes, und zu Ihm kehren wir zurück! Was rätst du mir in dieser Sache? Wenn sie mich erschlagen, so bin ich ein Märtyrer in Gottes Sache. Nun aber geh' du deines Weges und rette dich, und mag dich der Allmächtige mit allem Wohlergehen belohnen! Denn durch dich erlangte ich jeden meiner Wünsche und hab' ich all mein Begehr erreicht; laß sie hernach mit mir thun nach ihrem Belieben.« Der Zauberer versetzte jedoch: »O mein Sohn, gräme dich nicht und fürchte nichts, dir soll nichts zuleide geschehen, denn ich beabsichtige dir Wunder und Wahrzeichen zu zeigen, die ich an ihnen wirken will.« Als der Jüngling diese Worte vernahm, wurde sein Gemüt wieder heiter, und in höchster Freude versetzte er: »Gott, der Erhabene, lohne es dir mit reichstem Wohlergehen an meiner Statt!« Alsdann verließen die beiden das Bad und begaben sich wieder nach Hause.
Als nun der Morgen anbrach, begab sich der Wesir zum Chalifen, worauf beide zur Prinzessin gingen und sie in ihrem Gemach fanden, während der Sack auf ihrem Bett ganz leer war, angesichts dessen der Wesir rief: »Jetzt in der That haben wir unsern Widersacher gefangen! Auf und zu 103 Pferd mit uns, o Chalife der Zeit und Summe und Substanz des Jahrhunderts und Äons, laß uns der Hirse folgen und ihrer Spur nachgehen!« Da erteilte der Chalife sofort Befehl aufzusitzen, worauf die beiden, gefolgt von ihrem Geleit, der Spur der Hirse folgten, bis sie nahe dem Haus kamen, als der Jüngling das Geklirr und Geklinge von herantrabenden Rossen und das Gelärm von Rufen menschlicher Stimmen vernahm. Sobald er dessen gewahr wurde, sagte er zum Zauberer: »O mein Herr, sie kommen heran, mich zu packen, was ist da zu thun.« Der Zauberer erwiderte: »Erheb' dich und fülle mir einen Eimer mit Wasser; steig' dann aufs Dach, gieße seinen Inhalt rings um das Haus und komm wieder herunter zu mir. Der Jüngling that nach seinem Geheiß und, als inzwischen der Chalife und der Wesir mit den Truppen das Haus erreicht hatten, siehe, da war die Stätte ein Eiland geworden inmitten einer wogenden und wellenbrandenden See.
Als der Fürst der Gläubigen dieses Meer gewahrte, ward er über die Maßen betroffen, und fragte den Wesir: »Zu welcher Zeit erschien dieses große Wasser an dieser Stätte?« Der Wesir versetzte: »Ich wußte nie, daß hier irgend ein Strom war, wiewohl ich weiß, daß der Tigris mitten durch die Stadt strömt; dies ist jedoch ein magischer Strom.« Mit diesen Worten befahl er den Truppen ihre Rosse furchtlos ins Wasser zu treiben, und jeder that es, wie er es geheißen hatte, bis alle, die ins Wasser gesetzt waren, ihr Leben verloren hatten und eine große Menge ertrunken war. Da rief der Fürst der Gläubigen: »O Wesir, wir sind drauf und dran unser Heer zu vernichten und mit ihm dahinzufahren.« Der Wesir entgegnete: »Was sollen wir thun, o Chalife der Zeit? Vielleicht ist es unser erster und bester Weg, die Leute im Hause um Hilfe anzugehen und ihnen Gnade zu gewähren, während sie mit uns Worte wechseln, auf daß wir alsbald sehen, was aus der Sache wird.« Der Fürst der Gläubigen erwiderte: »Thue, wie dir beliebt.« Da befahl 104 der Wesir seinen Leuten laut nach den Bewohnern des Hauses zu rufen, worauf sie geraume Zeit um Hilfe schrieen, bis der Weise auf ihr Rufen hin zum Jüngling sagte: »Erheb' dich, steig' aufs Dach und sprich zum Chalifen: Du bist in Sicherheit; kehre deine Schritte von hier, und alsbald wollen wir deine Hoheit wohl und munter besuchen; andernfalls soll deine Tochter verloren sein, und dein Heer soll vernichtet werden, worauf du, o Fürst der Gläubigen, fortziehen und wie ein Vertriebener heimkehren sollst. Zieh' deines Weges, denn dies ist nicht die Weise, uns zu begegnen, und in solcher Art ist kein Benehmen.« Der Koch that wie ihm geheißen war, und, als die beiden seine Worte vernahmen, sagte der Wesir zum Chalifen: »Fürwahr, dies sind nichts anderes als Magier, oder sie müßten zu den gemeinsten der Dschânn gehören, denn niemals in der That hörten oder sahen wir so etwas.« Hierauf kehrte der Fürst der Gläubigen kummervoll, beklommen um die Brust und entmutigt ihnen den Rücken und kehrte zum Palast zurück, wo er eine geschlagene Stunde saß, als mit einem Male der Zauberer und der Koch vor ihm erschienen. Sobald sie jedoch vor dem Chalifen standen, rief dieser: »Schwertmeister, hol' mir das Haupt jenes jungen Burschen herunter.« Da trat der Scharfrichter vor und riß ein Stück vom Saum des Gewandes des Jüngling ab, ihm damit die Augen verbindend; alsdann umschritt er ihn dreimal, sein Schwert über das Haupt des Opfers schwingend und rief: »O Chalife der Zeit, soll ich diesen Jüngling beiseite schaffen?« Der Chalife versetzte: »Ja, nachdem du ihm den Kopf abgeschlagen hast.« Sobald der Scharfrichter dies vernahm, erhob er seine Hand und schlug zu, als seine Hand plötzlich rückwärts gegen einen seiner Gefährten, der neben ihm stand, geführt wurde und auf seinen Nacken mit solcher Gewalt niederfuhr, daß sein Haupt abflog und dem Chalifen vor die Füße fiel. Der König und der Wesir wurden hierüber bestürzt, und der König rief: »Was ist dies? Bist du blind geworden, du Bendschfresser, daß dein 105 Streich das Ziel verfehlte und du deinen Gefährten nicht von dem jungen Burschen, der vor dir kniet, unterscheiden konntest? Schlag' ohne Säumen zu!« Hierauf erhob der Scharfrichter von neuem seine Hand, seinem Herrn zu gehorchen, aber der Streich fuhr auf den Nacken seines Schergen, daß ihm der Kopf abflog und dem Chalifen und seinem ersten Ratgeber vor die Füße rollte. Bei diesem zweiten Unfall verwirrten sich die Sinne aller Anwesenden, und der König rief: »Was ist das für eine Sache, o Wesir?« worauf dieser versetzte: »O Chalife der Zeit und Kleinod des Jahrhunderts und Äons, was kannst du mit Leuten wie diesen thun? Wer imstande ist des Nachts deine Tochter aus ihrem Bett fortzutragen und um sein Haus ein Meer auszubreiten, der hat auch Macht das Königreich deiner Hand zu entreißen, ja, sogar etwas wider dein Leben auszurichten. Es ist daher mein Rat, daß du dich erhebst die Hand dieses Weisen zu küssen und um seinen Schutz nachzusuchen, damit er uns nichts Schlimmeres als dies anthut. Glaub' mir, mein Herr, es ist besser für dich, zu thun, wie ich es dich heiße, und so wird es uns dienlicher sein, als daß wir uns als Gegner dieses Mannes erheben.« Als der König diese Worte von seinem Minister vernahm, befahl er den Leuten, den Jüngling vom Blutleder zu führen und ihm die Binde von den Augen zu nehmen, worauf er sich auf seine Füße erhob und, dem Zauberer die Hand küssend, sprach: »Fürwahr, wir kannten dich nicht, noch hatten wir eine Ahnung von dem Maß deiner Vortrefflichkeit. Jedoch, o Lehrer der Zeit und Summe und Substanz der kreisenden Tage, warum hast du mir dies in Sachen meiner Tochter angethan und meine Diener und Krieger vernichtet?« Der Weise versetzte: »O Chalife Gottes auf seiner Erde, ich bin ein Fremder und schloß mit diesem Jüngling Freundschaft, nachdem ich Brot und Salz mit ihm gegessen hatte; als ich dann seinen traurigen Zustand und seine wundersame Lage sah, wie er von Krankheit befallen war, erfaßte mich Mitleid mit ihm, und 106 ich beschloß, euch alles, was ich bin, und was Gott, der Erhabene, mich von der Schwarzkunst gelehrt hat, zu zeigen. Bisher ist alles gut abgelaufen, und nunmehr erbitte ich von deiner Huld, daß du deine Tochter diesem Jüngling, meinem Freund, zur Frau giebst, da sie für keinen andern als ihn paßt.« Der Chalife entgegnete: »Ich sehe diese Maßnahme als die beste an, und es ziemt uns deinem Geheiß Folge zu leisten.« Alsdann kleidete er den Jüngling in ein kostbares Ehrenkleid, das eines Königreiches Wert hatte, und befahl ihm, neben ihm zu sitzen, während er dem Weisen einen Stuhl aus Ebenholz anwies. Während sie aber miteinander sprachen, blickte der Zauberer um sich und gewahrte hinter dem Chalifen einen Vorhang aus Zindel, auf dem die Bildnisse zweier Löwen waren. Da winkte er mit seiner Hand nach den Bildern, die von gewaltiger Leibesgröße waren und grausig anzuschauen, und siehe, mit einem Male reckte jeder der Löwen seine Pranke wider den andern und beide brüllten, daß es wie ohrenzerreißender Donner erschallte. Alle Anwesenden waren starr und aufs äußerste verwundert hierüber, insbesondere aber der Fürst der Gläubigen, der rief: »O Wesir, was sagst du zu dieser Sache?« Der Wesir entgegnete: »O Chalife der Zeit, fürwahr, Gott, der Erhabene, hat diesen Weisen entsandt, daß er dir solche Wunder wie diese zeigt.« Alsdann wies der Weise mit seiner Hand von neuem wider die Löwen, worauf dieselben zu Katzen zusammenschrumpften, die den Kampf weiter fortsetzten; und beide, der Fürst der Gläubigen und der Wesir, verwunderten sich höchlichst darüber. Hierauf sagte der König zum Wesir: »Fordere den Weisen auf, uns noch mehr von seinen Wundern zu zeigen.« Der Wesir gehorchte dem Befehl seines Herrn, und der Zauberer versetzte: »Ich höre und gehorche,« und sprach: »Bringt mir einen Kessel voll Wasser.« Als derselbe gebracht wurde, fragte er die Höflinge: »Wer von euch will sich vergnügen?« Der Wesir erwiderte: »Ich;« worauf der Weise sagte: »So erheb' dich auf deine Füße, 107 leg' deine Kleider ab und gürte dich mit einem Gurt.« Da sagte der Wesir: »Bringt mir eine Leibbinde,« und that nach des Weisen Vorschrift, als man ihm die Binde brachte. Alsdann sagte der Zauberer: »Setz' dich nunmehr mitten in den Kessel.« Der Wesir stieg darauf ins Wasser, als er sich jedoch mitten in dasselbe setzen wollte, sah er, daß er in ein wogendes und brandendes Meer gestiegen war, in dem, wer hineingeht, verloren und wer herauskommt, neugeboren ist; und so begann er von einer Seite zur andern zu schwimmen, um herauszukommen, während die Wogen ihn nicht an den Strand gelangen ließen. Mit einem Male warf ihn eine Woge aus dem Meer an den Strand und er stand auf trockenem Boden; als er jetzt aber seine Person betrachtete, gewahrte er, daß er ein Weib mit Weibesbrüsten geworden war und mit langem schwarzem Haar, das wie das Haar eines Weibes bis auf seine Sohlen niederhing. Da sprach er bei sich: »O über das unselige Vergnügen, daß ich dieses Wunder aller Wunder schauen mußte, nur um ein Weib zu werden! Fürwahr, wir sind Gottes, und zu Ihm kehren wir zurück! Es giebt keine Macht und keine Kraft als allein bei Gott, dem Hohen und Erhabenen!« Mit einem Male näherte sich ihm ein Fischer der, als er ein hübsches Mädchen sah, sprach: »Das ist ein gesegneter Tag, an dem uns Gott als Beute ein hübsches Mädchen verlieh; zweifellos gehört es zu den Töchtern der Tiefe, die Gott, der Erhabene, zu uns geschickt hat, damit ich sie mit meinem Sohn verheiraten kann.« Als der Verwandelte diese Worte vernahm, sprach er bei sich: »Nachdem ich Wesir gewesen war, bin ich ein Weib geworden, und der Kerl da vor mir will mich verheiraten; wer soll nun dem Chalifen und für das Königreich und das Land Ratgeber sein?« Der Fischer jedoch, der in seiner Freude keine Lust hatte, seinem Geschäft weiter nachzugehen, wie es sonst seine Gewohnheit war, machte sich sofort mit der Tochter der Tiefe auf und führte sie nach Hause, wo er beim Eintreten in die Thür laut seinem Weib 108 entgegenrief: »Dieser Tag ist für meine Fischerei glücklich gewesen; während all dieser Jahre hatte ich nie das Glück auf ein Seeweibchen zu stoßen als gerade an dem heutigen gesegnetsten aller Tage. Wo ist dein Sohn, dem Gott diese Seejungfer geschickt hat, und die er zu seinem Teil gemacht und ihm zu seiner Bedienung beschert hat? Denn es ist meine Absicht beide miteinander zu verheiraten.« Die Frau versetzte: »Er hat das Rind genommen es zu weiden und mit ihm zu pflügen; doch wird er sehr bald wieder hier sein.« Während sie in dieser Weise miteinander sprachen, kam auch schon ihr Sohn zu ihnen, bei dessen Anblick der Wesir stöhnte und schrie: »Weh mir! Heute Nacht werde ich dieses Burschen Braut werden und bei ihm ruhen. Wenn ich auch zu ihnen spräche: »Was habt ihr vor? Ihr lebt in Elend und Armut, während ich des Chalifen Wesir bin,« so würden sie mir doch nicht glauben, da ich in ein Weib verwandelt bin und alles, was ihm eigentümlich ist, nun an mir habe. Weh über das, was ich mir selber anthat! Was hatte ich aber auch mit solchem Vergnügen zu schaffen?« Hierauf sprach der Fischer zu seinem Sohn: »O mein Sohn, mach' dich sofort auf, nimm diese Seejungfer und heirate sie; sei gesegnet mit ihr und erfreue dich ihrer alle Tage deines Lebens. Zweifellos, o mein Kind, bist du ein Glückspilz, da solch ein Glück keinem vor dir widerfuhr und keinem nach dir widerfahren wird.«
Infolgedessen machte sich der Jüngling auf und heiratete sie, in seiner Freude kaum an seinen Gewinn glauben könnend; und er ruhte bei ihr und nahm ihr die Mädchenschaft, und noch in derselbigen Nacht ward sie schwanger von ihm. Nach neun Monaten beschenkte sie ihn mit einem Kind, und das Paar lebte in dieser Weise fort, bis sie Mutter von sieben Kindern geworden war. In der übermäßigen Drangsal aber und den Wehen, die der Wesir erduldete, sprach er bei sich: »Wie lange noch soll diese Foltersqual dauern, die mein Herz verwundet, und obendrein durch eigene Schuld? 109 Ich will mich aufmachen, will an jenes Meer gehen und mich hineinstürzen; mag dann mit mir geschehen, was da will; vielleicht finde ich Ruhe von diesen Qualen, in die ich gestürzt bin.« Und alsbald stand er auf und suchte den Strand auf, wo er seine Absicht ausführte, als plötzlich eine Woge über ihm zusammenschlug und ihn in die tiefsten Tiefen warf, daß er nahe am Ertrinken war, bis sein Haupt mit einem Male aus dem Kessel herauskam und er dasaß wie zuvor, ehe er in derselben getaucht war. Er sah den Chalifen im Staat dasitzen mit dem Weisen an seiner Seite und all den Herren des Landes und den Vornehmen, die das Ende seines Abenteuers erwarteten; er blickte sie deshalb lächelnd an und lachte laut, worauf ihn der Fürst der Gläubigen fragte: »Was hast du gesehen, o Wesir?« Da erzählte er dem König alles, was er gesehen hatte und was auf sein Haupt niedergekommen war, indem er hinzufügte: »O Chalife der Zeit und Summe und Substanz des Jahrhunderts und Äons, was sind das für Wunder, die dieser Weise wirkt! Fürwahr, ich habe die Gärten des Paradieses mit den Huris und den Knaben Edens gesehen, samt Wundern viel, wie sie nie und nimmer von Menschen erschaut wurden. Wenn es dir jedoch beliebt, o Fürst der Gläubigen, diese seltenen Schauspiele und wunderbaren Sachen mit deinen eigenen Augen zu schauen, so geruhe ins Wasser hineinzusteigen; du wirst dich dann an merkwürdigen Dingen und wundersamen Sachen ergötzen.«
Der Sultan erhob sich, erfreut über diesen Rat, und legte seine Sachen ab, worauf er, einen Gurt um seine Lenden bindend, in den Kessel stieg, als ihm der Weise zurief: »O mein Herr, setz' dich nieder und ducke dein Haupt.« Sobald der Chalife dies jedoch gethan hatte, befand er sich in einem grundlosen weit ausgedehnten und ruhelosen Meer, so daß er darin zu schwimmen begann, als ihn eine gewaltige Woge an den Strand warf, worauf er bis auf seinen Gurt splitternackt am Gestade einherging, indem er bei sich sprach: 110 »Ich will doch sehen, was der Weise und der Wesir mir angethan haben, die mich an diesen Platz geworfen haben; vielleicht haben sie nun meine Tochter mit dem Jüngling verheiratet und mir das Königreich gestohlen, dessen Sultan der Weise an meiner Statt geworden ist. Und nun frage ich mich: Was hatte ich mit solchem verwünschten Vergnügen wie diesem zu schaffen?« Wie er aber diesen und ähnlichen Gedanken nachhing, kam mit einem Male eine Schar Mädchen an, ihre Krüge an einer Quelle und einem Teich süßen Wassers, nahe bei dem Meer gelegen, zu füllen. Als diese ihn erblickten, fragten sie ihn: »Wer bist du? Sprich die Wahrheit, gehörst du zur Menschenart oder zu den Dschinn?« Er erwiderte: »Ich bin ein Mensch und einer der Edelstgeborenen; jedoch bin ich ein Fremder und weiß nicht, wohin ich meinen Weg nehmen soll.« Nun fragten sie: »Woher bist du?« Er erwiderte: »Aus Bagdad.« Da sagte eines der Mädchen: »Mach' dich auf zu jenem Hügel und steig' nach der andern Seite hinunter in die Ebene, wo du eine Stadt, Namens Omân, sehen wirst; geh' dort hinein.« Der Chalife that nach ihrem Geheiß und, sobald das Volk ihn nackend sah, sprach einer zum andern: »Dies ist ein Kaufmann der Schiffbruch gelitten hat,« und gaben ihm als Almosen ein zerrissenes und zerfetztes Obergewand, seine Scham zu verhüllen. Nachdem er dies gethan hatte, machte er sich daran die Stadt zum Vergnügen zu durchstreifen und gelangte hierbei auch in einen Bazar, auf dem er einen Koch gewahrte, vor dem er nun mit offenem Mund stehen blieb, da er vor Hunger dünn geworden war; und er dachte nach, was er thun sollte, ohne Mittel und Wege zu finden. Der Koch war jedoch bei seinem ersten Blick überzeugt, daß er ein Fremder und jedenfalls ein schiffbrüchiger Seemann war, weshalb er zu ihm sprach: »O mein Bruder, weshalb kommst du nicht herein und setzest dich, da du doch ein Fremder bist und mittellos? In Gottes Wegen möchte ich deine Dienste in Anspruch nehmen und dir täglich zwei Dirhem zahlen, 111 um dich mit Speise und Trank zu versorgen.« Der Chalife erwiderte: »Ich höre und gehorche;« alsdann blieb er bei dem Koch und diente ihm geraume Zeit, indem er währenddem bei sich sprach: »Dies für das ist Wurst wider Wurst! Nach dem Chalifat und Befehl und nach Glück und Ehren muß ich heute die Schüsseln auslecken. Was hatte ich auch mit solch einem Vergnügen zu schaffen! Jedoch ist es schöner als jedes Schauspiel, das irgend jemand, selbst mein Wesir, jemals sah, daß ich, einstmals der Chalife der Zeit und das Kleinod des Jahrhunderts und Äons, jetzt eines Koch Mietling geworden bin. Wüßte ich nur, welche Sünde dies über mich gebracht hat?«
Wie er nun bei dem Koch weilte, geschah es, daß er eines Tages in den Bazar der Juweliere ging; denn um jene Stadt zog sich ein Seegestade hin, wo die Taucher ins Meer tauchten und Perlen, Korallen und Edelsteine heraufbrachten. Und, wie er hier auf dem Bazar stand, sprach er bei sich: »Ich will auf diesem Bazar ein Makler werden und so Ruhe finden von dem Stöhnen bei meiner Arbeit und dem Auslecken der Schüsseln.« Am nächsten Morgen führte er seinen Entschluß aus, als plötzlich ein Kaufmann an ihn herantrat, der in der Hand ein kostbares Juwel hielt, dessen Licht wie eine Lampe oder vielmehr wie ein Sonnenstrahl leuchtete und den Tribut von Syrien und Ägypten wert war. Der Chalife staunte über dieses Juwel über die Maßen und fragte den Händler: »Willst du es verkaufen?« Als der Händler es bejahte, nahm der Sultan das Juwel ihm ab und begab sich damit unter die Kaufleute, die sich, als sie es sahen und betrachteten, höchlichst über seine Schönheit verwunderten. Sie boten ihm fünfzigtausend Dinare dafür, jedoch hörte der königliche Makler nicht auf, es von einem zum andern zu tragen, und die Käufer überboten einander, bis ihr Gebot auf hunderttausend Dinare gestiegen war.« Hierauf kehrte der Chalife zum Eigentümer des Juwels zurück und fragte ihn: »Willst du es für die genannte Summe 112 verkaufen?« Als der Kaufmann es bejahte, versetzte er: »Ich will jetzt fortgehen und den Preis in Empfang nehmen, um ihn dir dann zu bringen.« Alsdann begab sich der Makler zum Käufer und sagte: »Bring' das Geld hierher und leg' es in meine Hand.« Der Käufer fragte: »Wo ist der Eigentümer?« Der Chalife erwiderte: »Der Eigentümer hat mich beauftragt, das Geld dafür in Empfang zu nehmen, worauf er kommen will, um es von mir abzuholen.« Der Käufer versetzte jedoch: »Das ist nicht schicklich und ist auch nicht gemäß dem heiligen Gesetz. Bring' mir den Eigentümer her und komm dann und laß ihn den Preis einstecken, denn er ist der Verkäufer und du bist nur unser Unterhändler.« Da ging der Chalife fort, den Eigentümer zu suchen, und wanderte eine lange Weile umher, ohne ihn finden zu können, worauf er wieder zurückkehrte und zum Käufer sagte: »Ich bin der rechtmäßige Eigentümer; leg' das Geld in meine Hand.« Da erhob sich der Käufer seine Schuld zu bezahlen; zuvor betrachtete er jedoch das Juwel noch einmal und fand, daß es ein Stück schwarzer Sanderach war. Aufs äußerste bestürzt hierüber, schrie er den Chalifen an: »O du Satan, willst du einem falsche Ware anschmieren, wo der Bazar der Kaufleute unter dem Befehl des Sultans steht?« Als die Händler diese Worte vernahmen, scharten sie sich um den angeblichen Makler und packten ihn, worauf sie ihm die Arme auf dem Rücken fesselten und ihn so vor den Sultan der Stadt schleiften, der angesichts des Gefangenen fragte: »Was ist dieses Mannes Schuld?« Sie versetzten: »O unser geehrter Herr, dieser Kerl bringt falsche Waren unters Volk und beschwindelt die Händler im Königsbazar.« Da befahl der König ihnen, ihn zu hängen, worauf sie, seinen Nacken mit Ketten belastend und sein Haupt entblößend, dem Herold anzukündigen befahlen: »Dies ist sein Lohn, und der geringste Lohn für den, der Fälschungen macht und die Kaufleute auf dem Bazar des Sultans beschwindelt.« Hierbei sprach der Chalife bei sich: »Ich war nicht mit dem 113 Schüsselauslecken zufrieden, das mir jetzt als äußerst angenehmer Beruf vorkommt, sondern mußte ein Makler werden und am Galgen sterben. Das ist aus dem Regen in die Traufe gekommen; jedoch will ich die Zeit, die dies über mich gebracht hat, nicht zu sehr tadeln.« Wie sie ihn nun zum Richtplatz führten und ihm den Strick um den Hals warfen und ihn emporzogen, öffneten sich hierbei seine Augen, und er gewahrte nun, daß er aus dem Kessel emportauchte, während der Wesir, der Weise und der Jüngling dasaßen und ihn betrachteten. Sobald aber der Wesir seinen Herrn erblickte, sprang er auf seine Füße und lachte laut, während er die Erde vor ihm küßte, so daß ihn der Fürst der Gläubigen fragte: »Was soll dies Gelächter?« Der Wesir versetzte: »O Fürst der Gläubigen und von Gott behüteter Herrscher, mein Lachen und meine Freude ist über mich selber, daß ich meine Identität wieder erlangt habe, nachdem ich ein Weib geworden und mit einem Pflüger, der den Boden ackerte, verheiratet worden war und ihm sieben Kinder geboren hatte.« Da rief der Chalife: »Wehe dir, du Hund und Hundesohn, du warst verheiratet und erfreutest dich der Kinder, während ich soeben vom Galgenplatz herunterkomme.« Alsdann erzählten der König und der Wesir einander alle ihre Erlebnisse, die die Anwesenden aus vollem Halse belachten, während sie sich über die Worte des Zauberers und seine Tüchtigkeit in der Schwarzkunst verwunderten. Hierauf wurden der Kadi und die Zeugen mit ihrem Schreibzeug herbefohlen und geheißen den Ehekontrakt zwischen dem jungen Koch und der Tochter des Chalifen aufzusetzen, und von da an lebte der Weise bei dem Fürsten der Gläubigen im höchsten Rang und ehrenvollstem Ansehen, und sie aßen und tranken und führten das angenehmste und herrlichste Leben in aller Freude und Fröhlichkeit, bis der Zerstörer der Freuden und der Trenner der Vereinigungen sie heimsuchte und sie allesamt starben. 114