Unbekannte Autoren
Tausend und eine Nacht. Band VII
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Wardân der Fleischer und die Frau mit dem Bären.

Ferner erzählt man, daß einst in der Zeit El-Hâkim bi-Amrillāhs in Kairo ein Fleischer Namens Wardân lebte, welcher in Schaffleisch handelte; und es pflegte Tag für Tag eine Frau zu ihm zu kommen und ihm einen Dinar zu geben, dessen Gewicht fast zweiundeinhalb ägyptische Dinare betrug, und zu sagen: »Gieb mir ein Lamm.« Sie hatte aber einen Lastträger mit einem Korbe bei sich, und wenn der Fleischer den Dinar nahm und ihr ein Lamm gab, so nahm es der Lastträger in den Korb und folgte ihr nach ihrer Wohnung. Am folgenden Tag kam sie dann zur Frühstückszeit wieder. Eine lange Zeit war in dieser Weise schon verstrichen, während welcher der Fleischer täglich einen Dinar 156 von ihr einnahm, bis er eines Tages sich über sie seine Gedanken machte und bei sich sprach: »Diese Frau kauft täglich bei mir für einen Dinar ein, zahlt bar und bleibt keinen Tag aus; das ist ein wunderbares Ding.« Alsdann fragte er einmal während ihrer Abwesenheit den Lastträger nach ihr aus, und der Lastträger erwiderte ihm: »Ich bin selber höchlichst verwundert über sie, denn Tag für Tag, nachdem sie das Lamm von dir gekauft und es mir zu tragen gegeben hat, kauft sie noch einmal für einen Dinar ihre Bedürfnisse an Speisen, sowie frische und getrocknete Früchte und Wachskerzen ein und läßt sich von einer gewissen Person, einem Nazarener, für einen dritten Dinar zwei Krüge Wein geben; dann ladet sie mir alles auf, und ich folge ihr bis zu den Gärten des Wesirs, wo sie mir die Augen verbindet, so daß ich nicht sehen kann, wohin ich meinen Fuß setze. Sie aber faßt mich nun an der Hand und führt mich weiter, ohne daß ich weiß wohin ich gehe, bis sie zu mir sagt: »Setz' deinen Korb hier ab.« Hierauf giebt sie mir einen leeren Korb, faßt mich bei der Hand und führt mich wieder zu der Stelle zurück, wo sie mir die Binde um die Augen legte, und nimmt sie mir ab, worauf sie mir zehn Dirhem giebt.« Da sagte der Fleischer Wardân: »Gott steh' ihr bei!« Doch machte er sich noch mehr Gedanken über sie, und seine Skrupel beunruhigten ihn so stark, daß er die Nacht schlaflos zubrachte. »Als sie nun,« so erzählt Wardân der Fleischer, »am nächsten Morgen wie gewöhnlich zu mir kam und für den Dinar das Lamm genommen und es dem Lastträger gegeben hatte und wieder fortging, da gab ich einem Jungen die Aufsicht über den Laden und folgte ihr, ohne daß sie mich sah, –

Dreihundertundvierundfünfzigste Nacht.

während ich sie fortwährend im Auge behielt, mich hinter ihr verbergend, bis ich zu den Gärten des Wesirs kam. Hier verbarg ich mich, während sie dem Lastträger die Augen 157 verband, und folgte ihr dann wieder von Ort zu Ort, bis sie zum Gebirge gelangte, woselbst sie an einer Stelle, an welcher ein großer Stein lag, anhielt und dem Lastträger den Korb abnahm. Ich wartete hier nun, bis sie den Lastträger zurückgeleitet hatte und wieder zurückgekehrt war, worauf sie alle Sachen aus dem Korb nahm und augenblicklich verschwand. Da ging ich zu dem Stein, nahm ihn fort und trat durch die Öffnung ein, hinter welcher ich eine geöffnete Fallthür aus Messing erblickte und eine Treppe, welche in den Boden hinunterführte. Schritt für Schritt stieg ich dann hinunter, bis ich in einen langen hell erleuchteten Flur gelangte, und schritt den Flur entlang, bis ich etwas wie eine Saalthür erblickte. Dann faßte ich die Winkel zu beiden Seiten der Thür ins Auge und entdeckte ein Gesims mit Treppenstiegen außerhalb der Saalthür; da stieg ich dieselben hinauf und fand eine kleine Nische mit einem Fenster, welches auf den Saal ging. Durch dasselbe in den Saal blickend, gewahrte ich nun die Frau, wie sie gerade die besten Stücke vom Lamm abschnitt und in einen Topf legte, während sie den Rest einem großen Bären von mächtigem Wuchse zuwarf, der alles ratzenkahl auffraß. Nachdem sie dann die Fleischstücke gekocht hatte, aß sie sich satt und trug das Obst, die getrockneten Früchte und den Wein auf; hierauf trank sie einen Becher Wein und gab dem Bären in einem goldenen Becken zu trinken, bis beide vom Wein berauscht waren und besinnungslos am Boden lagen. Da sprach ich bei mir: »Nun ist die Gelegenheit günstig,« und zog ein Messer hervor, das die Knochen vor dem Fleisch zerschnitt; dann stieg ich hinunter zu ihnen, die beide wie tot dalagen, stieß das Messer dem Bären in die Kehle und stemmte mich dagegen, bis ich mit ihm fertig war und ihm den Kopf abgeschnitten hatte; doch röchelte er hierbei so furchtbar als donnerte es, so daß die Frau erschrocken erwachte. Wie sie nun den Bären mit abgeschnittener Kehle daliegen und mich mit dem Messer in der Hand vor ihm stehen sah, stieß sie einen so 158 schrecklichen Schrei aus, daß ich glaubte, sie hätte den Geist aufgegeben. Dann aber sagte sie zu mir: »O Wardân, lohnst du so meine Güte?« Hierauf neigte sie ihr Haupt über den Bären und betrachtete ihn; als sie aber sah, daß ihm der Kopf vom Rumpfe getrennt war, sagte sie zu mir: »O Wardân, was ist dir lieber? Willst du meinem Worte gehorchen und hierdurch heil davonkommen –

Dreihundertundfünfundfünfzigste Nacht.

und bis zum Ende deiner Tage in Reichtum leben oder mir widersprechen und dein Leben einbüßen?« Ich erwiderte: »Ich ziehe vor deinen Worten zu gehorchen; sag' mir daher, was du begehrst.« Da sagte sie: »Dann morde mich, wie du den Bären ermordet hast, nimm von diesem Schatz so viel als du bedarfst, und geh' deines Weges.« Ich entgegnete ihr hierauf: »Ich bin besser als dieser Bär, so kehre wieder zu Gott um, thue Buße, und ich will dich heiraten, worauf wir von diesem Schatz unser Leben lang leben wollen.« Sie erwiderte jedoch: »O Wardân, das sei ferne! Wie könnte ich ohne ihn wohl leben! Bei Gott, schlachtest du mich nicht, so bringe ich dich um. Sprich nicht mehr hiervon oder du bist verloren. Das ist's, was ich dir zu sagen habe, und Frieden sei auf dir!« Da packte ich sie bei den Haaren und schnitt ihr den Hals ab, so daß sie, von Gott, den Engeln und allen Menschen verflucht, in die Hölle fuhr. Als ich hierauf den Ort durchsuchte, fand ich Gold, Edelsteine und Perlen, wie sie kein König sich aufhäufen kann, und packte davon soviel in den Korb des Lastträgers als ich tragen konnte, worauf ich ihn mit den Sachen, die ich am Leibe trug, zudeckte. Dann lud ich den Schatz auf, stieg wieder hinauf und machte mich auf den Heimweg. Als ich jedoch am Thor von Kairo anlangte, kamen zehn von El-Hâkims Leuten an, von ihm selber gefolgt. Sobald er mich sah, rief er: »Heda, Wardân!« worauf ich entgegnete: »Zu Befehl, o König.« Da fragte er mich: »Hast du den Bären und das 159 Weib getötet?« Ich antwortete: »Jawohl.« Nun sagte er: »Nimm den Korb von deinem Kopf und sei guten Mutes, denn alle Schätze, die du bei dir hast, gehören dir, und niemand soll sie dir streitig machen.« Da setzte ich den Korb vor ihm nieder, und er deckte ihn auf und sagte zu mir, nachdem er ihn sich besehen hatte: »Erzähle mir den Vorfall, wenn ich ihn auch schon kenne, als wäre ich selber dabei gewesen.« Nachdem ich ihm alles erzählt hatte, sagte er zu mir: »Du hast die Wahrheit gesprochen; doch begleite mich jetzt zum Schatz.« Da begleitete ich ihn, und als wir die Fallthür verschlossen fanden, sagte er: »Hebe sie auf, Wardân; denn niemand außer dir kann den Schatz öffnen, da er auf deinen Namen und deine Natur verzaubert ist.« Ich erwiderte: »Bei Gott, ich vermag ihn nicht zu öffnen.« Nun sagte er: »Tritt nur heran im Vertrauen auf Gottes Segen.« Da trat ich heran, den Namen Gottes, des Erhabenen, anrufend, und streckte meine Hand nach der Fallthür aus, die nun sich wie das leichteste Ding heben ließ. Hierauf sagte El-Hâkim: »Steig' hinunter und hol' alles was unten ist, herauf; denn niemand als einer deines Namens und von deiner Gestalt und Beschaffenheit stieg hinunter, seitdem der Platz geschaffen wurde, und nur durch deine Hände konnte der Bär und das Weib erschlagen werden. Dies stand bei mir verzeichnet, und ich wartete, bis daß das Ereignis eintrat.« »So stieg ich denn herunter,« so erzählt Wardân, »und holte den gesamten Schatz herauf, worauf El-Hâkim Lasttiere kommen und die Sachen fortschaffen ließ, während er mir den Korb mit seinem Inhalt schenkte. Dann nahm ich ihn nach Hause und machte einen Laden im Bazar auf.« Jener Bazar aber ist noch heutigentages vorhanden und bekannt als Wardâns Bazar. 160

 


 


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