Unbekannte Autoren
Tausend und eine Nacht. Band VII
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Abū Nowâs und Hārûn er-Raschîd.

Ferner erzählt man, daß der Chalife, der Fürst der Gläubigen Hārûn er-Raschîd, eines Nachts sehr unruhig war und, von trüben Gedanken gequält, keinen Schlaf finden konnte. Infolgedessen erhob er sich und durchwanderte seinen Palast, bis er zu einem Gemach kam, vor dessen Thür ein Vorhang herabgelassen war. Da hob er den Vorhang auf und gewahrte nun am gegenüberliegenden Ende des Zimmers ein Bett, auf welchem etwas Schwarzes lag, ähnlich einem schlafenden Menschen, auf dessen rechter und linker Hand eine Kerze brannte. Während er über diesen Anblick verwundert dastand, gewahrte er mit einem Male einen Krug voll alten Weines und den Becher darüber; da sprach der Chalife erstaunt bei sich: »Wie kommt dieser Schwarze zu 122 solch einem Weinservice?« Alsdann trat er ans Bett heran und sah, daß die Gestalt, die auf ihm schlief, ein Mädchen war, welches ihr Gesicht mit ihrem Haar bedeckt hatte. Wie er nun das Haar zurückstrich, sah er, daß sie dem Vollmond in der Nacht seiner Ründung glich, so daß er den Becher mit Wein füllte und ihn auf die Rosen ihrer Wangen trank. Dann küßte er, da seine Seele sich ihr zuneigte, ein Mal auf ihrem Gesicht, worauf sie aus dem Schlaf erwachte und rief: »Ach Gottes Getreuer,Mohammed. was giebt's?« Und der Chalife versetzte:

»Ein Gast ist's, der an eure Thür pocht,
Der Gastschaft heischt bis zum Morgengraun.«

Da erwiderte sie: »Dem Gast will ich dienen mit Auge und Ohr.« Darauf brachte sie den Wein und sie tranken selbander, worauf sie zur Laute griff, ihre Saiten stimmte und einundzwanzig Weisen spielte, bis sie wieder in die erste Weise fiel und folgende Verse in entzückender Weise sang:

Der Liebe Zunge redet aus meinen Herzen zu dir,
Sie giebt dir Kunde von mir, daß ich dich liebe.
Ich hab' einen Zeugen, der meine Leiden bezeugt,
Und ein wundes Herz, das wegen der Trennung von dir pocht.
Die Liebe, die mich foltert, kann ich nicht verbergen
Noch das wachsende Weh und die strömenden Thränen.
Bevor ich dich liebte, kannt' ich der Liebe Wesen nicht,
Doch Gottes Beschluß holt alle seine Geschöpfe ein.

Als sie ihr Lied beendet hatte, sagte sie: »Mir ist Unrecht geschehen, o Fürst der Gläubigen.«

Dreihundertundneununddreißigste Nacht.

Da fragte sie der Chalife: »Inwiefern? Und wer ist es, der dir Unrecht angethan hat?« Sie erwiderte: »Siehe, dein Sohn kaufte mich vor einiger Zeit für zehntausend Dirhem und wollte mich dir schenken. Da schickte ihm jedoch deine Base, die Herrin Subeide, den besagten Betrag und befahl 123 ihm mich vor dir in diesem Gemach verschlossen zu halten.« Als der Chalife dies vernahm, sagte er zu ihr: »Erbitte dir eine Gnade von mir.« Sie entgegnete: »Ich erbitte mir von dir die Gnade, daß du kommende Nacht bei mir zubringst.« Und der Chalife erwiderte: »So Gott will, der Erhabene.« Alsdann verließ er sie und ging fort.

Am nächsten Morgen schickte er nach Abū Nowâs. Da ihn aber der Bote nicht fand, schickte er den Kämmerling aus, sich nach ihm zu erkundigen, welcher ihn dann auch schließlich in einer Weinkneipe fand, wo er für tausend Dirhem, die er für einen bartlosen Knaben schuldig war, festgehalten wurde. Von dem Kämmerling nach seiner Geschichte befragt, erzählte er ihm den Vorfall und die Geschichte mit dem hübschen Knaben, für den er die tausend Dirhem schuldete, worauf der Kämmerling zu ihm sagte: »Zeig' ihn mir; ist er soviel wert, so bist du zu entschuldigen.« Abū Nowâs erwiderte ihm: »Wart' ein wenig, du wirst ihn sogleich sehen.« Während sie noch miteinander redeten, kam mit einem Male der Knabe an und trat zu ihnen ein, in drei TobenPlaidartiges Kleidungsstück. gekleidet, eine weiße und darunter eine rote und unter dieser eine schwarze, so daß Abū Nowâs bei seinem Anblick außer sich vor Entzücken wurde. Der Kämmerling aber ging nun zum Chalifen zurück und berichtete ihm, in welcher Lage er Abū Nowâs angetroffen hatte, worauf der Chalife dem Kämmerling tausend Dirhem einhändigen ließ und ihm befahl Abū Nowâs damit auszulösen. Nachdem der Kämmerling den Befehl des Chalifen ausgerichtet und Abū Nowâs vor ihn gebracht hatte, sagte der Chalife zu ihm: »Mach' mir ein Gedicht, in welchem die Worte vorkommen: ›O Gottes Getreuer, was giebt's?‹« Da erwiderte er: »Ich höre und gehorche, o Fürst der Gläubigen.« 124

Dreihundertundvierzigste Nacht.

Alsdann sprach er die Verse:

»Lang war die Nacht in schlafloser Qual,
Schachmatt mein Leib und trüb die Gedanken all.
Da stand ich auf und wanderte durch den Palast
Und schritt durch des Harems verschlossenes Reich;
Hier schaute mein Aug' eine schwarze Gestalt,
Ein weißes Mädchen von schwarzen Haaren bedeckt,
Ach, wie der Vollmond in lichtestem Glanz,
Wie die Rute des Bân und von Scham verhüllt.
Da griff ich zum Becher und trank auf sie
Und nahte mich ihr und küßte ihr Mal.
Doch da schreckte sie auf und erbebte vor Furcht,
Wie das Reis beim Regen zittert und bebt.
Dann stand sie auf und sagte zu mir:
O Gottes Getreuer, was giebt's, was giebt's?
Ein Gast, so sprach ich, pocht an der Thür,
Der Gastschaft heischt bis zum Morgengraun.
Da sprach sie: Mit Freuden empfang' ich den Gast
Und will ihn bedienen mit Aug' und Ohr.«

Da rief der Chalife: »Gott verdamm' dich! Das ist ja so, als wärest du dabei gewesen.« Alsdann faßte ihn der Chalife bei der Hand und zog mit ihm zum Mädchen ab. Als Abū Nowâs das Mädchen erblickte, welches einen blauen Anzug und Schleier angelegt hatte, verwunderte er sich höchlichst und sprach den Vers:

Sprich zu der Schönen im blauen Schleier:
Ich flehe dich an, hab' Erbarmen mit mir!

Sie aber setzte dem Chalifen den Wein vor und griff dann zur Laute und spielte entzückend und sang dazu die Verse:

Willst du zu andern in deiner Liebe gerecht sein,
Und willst mich abschaffen und andern hold sein?
Hätten Liebende einen Richter, so verklagte ich dich bei ihm,
Daß er gerechtes Urteil mir spricht.
Versagst du mir auch an deiner Thür vorüberzugehn,
So will ich doch von fern dir meinen Salâm entbieten. 125

Nun ließ der Fürst der Gläubigen Abū Nowâs so lange trinken, bis er berauscht wurde und einschlief. Dann befahl er dem Mädchen ihm den Becher aus der Hand zu nehmen und ihn zu verstecken, und als sie es gethan hatte, zückte er sein Schwert, trat damit vor Abū Nowâs und piekte ihn mit der Spitze, worauf Abū Nowâs erwachte und beim Anblick des blanken Schwertes in der Hand des Chalifen sofort wieder klar im Kopfe wurde, während der Chalife zu ihm sagte: »Sag' mir in Versen, wo dein Becher hingekommen ist oder ich lasse dir den Kopf abschlagen.« Abū Nowâs lächelte jedoch und wußte ebenso gut den Versteck des Bechers zu erraten, wie er vorher des Chalifen Abenteuer mit dem Mädchen erraten und in gefällige Verse gebracht hatte, so daß der Fürst der Gläubigen rief: »Gott verdamm' dich! Woher hast du das gewußt? Jedoch nehmen wir deine Worte an.« Hierauf befahl er ihm ein Ehrenkleid und tausend Dinare zu schenken, und Abū Nowâs trollte sich vergnügt nach Hause.

 


 


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