Karl Henckell
Weltmusik
Karl Henckell

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Bismarck

1 Dem Einiger

Aus dem Jugendgedicht »Deutschland«. Eine Vision. 1884

            . . . Gewölk flog hin. Doch wieder nah und fern
Ging auf am Himmel blinkend Stern an Stern.
Und wie ich folgte der Planeten Schar,
Ein seltsam Wunderzeichen nahm ich wahr.
Geschrieben stand ein Wort aus Sternenglut,
Das durch die Adern schwellend trieb mein Blut.
    »Alleinig« hieß die Flammenschrift da droben,
    Und mancher sah's, den gläubigen Blick erhoben.

In eines Kiefernwaldes Lichtung – wer
Im Jagdrock lehnte sinnend am Gewehr?
Welch wuchtige Stirn, welch zielgerader Blick!
»Zur Größe muß des Vaterlands Geschick
Gehämmert sein«, zuckt's durch die Erzgestalt,
»Und schweigt der Wille, donn're ich Gewalt.
    Daß Deutschlands schwanker Gliederbau erstarke,
    Sein faules Fleisch ausschneid' ich bis zum Marke.«

Und schon erschien dem Schauenden ein Bild
Des Völkerschicksals – Sedans Schlachtgefild.
Die Nebel wallten über Tal und Fluß,
Kanonendonner folgend Schuß auf Schuß.
Kolonne an Kolonne schloß den Ring,
Drin sich das schuldige Opfer ganz verfing.
    »Was treibst du noch zum Kampf, verfallner Kaiser?
    Dein Thron zerspliß wie morsche Fichtenreiser.«

Gebrochen stand mit hohlem Aug' er da,
Deß Fieberglut dem letzten Flackern nah.
Weil du der ränkevollen Ruhmgier Sohn,
Versank dein Stern in Nacht, Napoleon.
Doch zischte durch die Reihn kein geiler Spott,
Ernst klang's empor. »Nun danket alle Gott!«
    Und klar und feierlich von Mund zu Munde
    Stieg der Choral aus aller Herzensgrunde.

Wie der Gesang mir noch im Ohre rauscht!
Voll Kindesandacht hab' ich still gelauscht.
Ein neuer Hauch zog in die Seele ein:
Sei wert, des eignen Volkes Sohn zu sein!
Der giftige Wurm der Zwietracht ist gefällt,
Fest stehn wir da in Sturm und Streit der Welt,
    Der Besten Sehnsucht ist erfüllet worden:
    Eins vom Gebirg bis zu des Meeres Borden . . .

2 Dem allmächtigen Gegner

Während des Sozialistengesetzes 1888

        Dich tadeln? Nein! So lumpig sind wir nicht.
Du bist ein ganzer Reck und Torentstammer.
Nun senkst du mit zermalmendem Gewicht
Aufs eigne Volk den harten Eisenhammer.

Du bist ein urgewaltiger Stilist,
Und deine Reden gleichen Steinholzknorren.
So Dämon bist du, wie du Schöpfer bist,
Und läßt die Hand, die sich empört, verdorren.

Ja, großer Mann, dir zittert deine Zeit.
Des Zornes Glut raucht um Berserkerbrauen.
Du brandmarkst Deutsche, deren Sehnsucht schreit,
Ein Reich des neuen Menschenrechts zu bauen.

Gespenster huschen um dein dräuend Haupt,
Strafbüttel schmeicheln knechtisch deinen Spuren –
Du fluchst zu Gott und treibst, von Haß umschnaubt,
In Satans Krallen deine Kreaturen.

3 Dem Toten

1914

              Der Deutschland in den Sattel hob,
Ruht jenseits Tadel, jenseits Lob
In Sachsenwaldes grünem Haus
Vom Heldenkampf des Lebens aus.

Da zuckt mit Donnerkrach der Blitz!
Wer klopft ans Grab? Der Alte Fritz.
Auf! Beide machen sturmumgellt
Mobil die Tod- und Teufelswelt.

Hoch in gespenstergrauer Wehr
Ziehn sie voran dem wilden Heer,
Auf Wolkenrossen durch die Nacht
Hinwogend ob der Völkerschlacht.

»Und wer ist drunten mit dabei?
›Frei-Deutschland!‹ tönt ihr Feldgeschrei.
Kein Reichsfeind?! Nur ein Vaterland!
So steh, mein Volk, im Weltenbrand!« –

Wenn stark gesichert Deutschlands Glück,
Kehrt Bismarck in die Gruft zurück
Und ruht vom wilden Höllenstrauß
Im Sachsenwald für ewig aus.


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