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Mr. Sol P. Thunderstorm saß in seinem elegant möblierten Kontor in Clark Street in Chikago. Seine Hände waren über seinem ziemlich runden Bauch gefaltet. Der Rauch einer frischen Havanna stieg zum Himmel auf, gleich dem Rauch eines Dankopfers. Und es war ein Dankopfer, denn Mr. Sol P. Thunderstorm lauschte dem Jahresbericht über die Geschäftstätigkeit der A. S. Sol P. Thunderstorms Schweineschlächtereien, und dieser Rechenschaftsbericht war überaus befriedigend: Viermalhunderttausend Schweine hatten kreischend die Ställe der Schlächtereien verlassen, waren mit den Hinterbeinen an einem automatisch laufenden Lederriemen aufgehängt, kreischend von besagtem Riemen weiterbefördert worden, hatten einen Schnitt durch den Hals von einem Manne bekommen, der durch fünfzehn Jahre keine andere Geste gemacht hatte, hatten ihr Leben gelassen und waren in Gestalt von Schinken, Wurst und Schmalz in die Welt hinausgewandert. Dies bedeutete für die A. S. Sol P. Thunderstorms Schlächtereien ein Nettoeinkommen von zehn Millionen Dollar. Die Aktionäre konnten zufrieden sein. Und die Aktionäre, das war in der Hauptsache Sol P. Thunderstorm selbst.
Er winkte mit der gepolsterten Hand dem Sekretär, mit der Lektüre aufzuhören, zündete eine neue Havanna an und versank in Träume, die blauer waren als der Rauch der Havanna. Im nächsten Jahre konnte man bei einigem guten Willen auf fünfhunderttausend Schweine kommen und im übernächsten Jahre auf sechshunderttausend. In drei, vier Jahren mußte die Million erreicht sein. Ja, die Zukunft lag hell vor Sol P. Thunderstorms Schlächtereien, das Leben lächelte ihnen. In diesem Augenblick öffnete sich die Tür und ein unbekanntes männliches Individuum trat ein. Mr. Thunderstorm runzelte leicht die Brauen, denn er war es nicht gewöhnt, Besuch von unbekannten Leuten zu empfangen. Seine Besucher pflegten ihre Karten hereinzuschicken, eine Stunde zu warten, um dann von dem Sekretär eingeführt zu werden. Der Fremde sah seinen Gesichtsausdruck und deutete ihn sofort richtig.
»Sie haben ganz recht, Mr. Thunderstorm, ich komme illegalerweise herein. Ich habe mich an Ihrem Portier vorbeigeschlichen, Ihren Officeboy bestochen, Ihren Sekretär überlistet, und hier bin ich. Warum ich dies getan habe? Weil Sie mich nicht kennen, weil ich keine Empfehlungen habe und weil das, was ich auf dem Herzen habe, uns beide auf das lebhafteste interessiert.«
Je länger der Fremde sprach, desto mehr erhellte sich das Antlitz Mr. Thunderstorms. Das war die Art Konversation, die er liebte, gerade zur Sache und mit einem ökonomischen Unterton.
»Sprechen Sie weiter!« sagte er zu dem Unbekannten. »Ich gebe Ihnen zehn Minuten, um Ihr Anliegen vorzubringen!«
»Fünf genügen«, sagte der Fremdling. »Im vorigen Jahre, Mr. Thunderstorm, schlachteten Sie vierhunderttausend Exemplare der Spezies Sus Scrofa. Sie haben ihr Fleisch zu Schinken und Würsten, ihr Fett zu Schmalz, ihre Klauen zu Kämmen und Knöpfen, ihre Haare zu Borsten, ihre inneren Drüsen zu medizinischen Präparaten und Zahnpasten verwendet. Sie finden zweifellos, daß das ein befriedigendes Ergebnis von einem geschlachteten Schwein ist. Sie sagen sich selbst, daß Sie nichts von dem Tier zugrunde gehen lassen. Aber Sie sind im Irrtum. Es gibt etwas, was Sie zugrunde gehen lassen, Sie, gerade so wie alle Ihre Konkurrenten in der Schlächterbranche. Sie wissen selbst, was ich meine!«
»Ich weiß es«, sagte Mr. Thunderstorm mit einem Lächeln, das zugleich geringschätzig und gereizt war. »Der Witz ist so alt wie Chikago! Die Schweineschlächter in Chikago verwenden alles vom Schwein bis auf den Todesschrei! Glauben Sie, ich habe das nicht gehört? Aber was wollen Sie in der Sache tun? Haben Sie vielleicht eine Idee?«
»Allerdings«, sagte der Fremde gelassen. »Eine epochemachende Idee, die vielleicht nicht so große Summen einbringen wird, aber verwirklicht werden muß, weil die Schweineschlächterei in Chikago, die der Vollkommenheit so nahesteht, sonst nie ganz vollkommen werden kann, und weil der Menschengeist sich nun einmal nicht mit etwas begnügt, das nicht ganz vollkommen ist! Auf! Mr. Thunderstorm, verwirklichen Sie meine Idee, setzen Sie ihrem Lebenswerk die Krone der Vollkommenheit auf und schreiben Sie Ihren Namen mit Feuerschrift in die Geschichte der Menschheit!«
Während er so sprach, drückte Mr. Thunderstorms Antlitz die wechselndsten Stimmungen aus. Es wurde dunkel wie Gewitterwolken, als der Fremde unverhohlen zugab, daß seine Idee keine größeren Summen einbringen würde. Aber als er seine letzten ermahnenden Worte hinausschleuderte, flammte ein immer stärker werdendes Feuer in den Augen des Schlächtereidirektors auf, und kaum hatte er geendet, als Mr. Thunderstorm von seinem Sitz aufsprang und mit blitzenden Augen rief:
»Sagen Sie mir Ihre Idee! Ich bin bereit, sie zu verwirklichen! Wie oft hat mich selbst der Gedanke gequält, den Sie eben in so klare Worte gekleidet haben: daß es in unserer Branche etwas gibt, das nicht vollendet ist, daß es uns doch nicht gelungen ist, alles vom Schwein zu verwerten. Rasch, sagen Sie mir Ihre Idee, und ich bin der Mann, der sie verwirklichen wird!«
»Meine Idee«, sagte der Fremdling ernst, »ist sehr einfach. – Lassen Sie das Todesgeheul Ihrer vierhunderttausend Schweine im Rundfunk aufnehmen, lassen Sie es vom Radio weiter durch den Äther schleudern und lassen Sie es, durch Lautsprecher verstärkt, für die Sirenen an den Küsten des Landes zur Verwendung bringen! Auf diese Weise wird das Schwein, nicht genug damit, daß es den Menschen mit Wurst, Schinken, Schmalz, Kämmen, Bürsten, Knöpfchen und Zahnpasten versorgt, noch mit seinem letzten Atemzug auf Erden dem Herrn der Schöpfung das Leben retten, wenn er in Gefahr ist. Kann es ein schöneres Los erstreben? Antworten Sie mir, Mr. Thunderstorm, ist meine Idee wert, verwirklicht zu werden oder nicht?«
Mr. Sol P. Thunderstorm war das Opfer einer Erregung, die ihn zu überwältigen drohte. Seine Augen waren feucht, als er die Hand des Fremdlings drückte und mit schwankender Stimme murmelte:
»Mein Freund – lassen Sie mich Sie so nennen – Sie sind ein Genie! Sie haben das Problem bis ins letzte Detail gelöst!«