Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Tortur-Vorschriften der Theresiana. – Beiurteil. – In welchen Fällen die Tortur anzuwenden ist. – Anzeichen. – Mitschuldige. – Territion. – Ausnahmen. – Vollstreckung der Tortur. – Fragstücke. – Martergrube. – Peinigungsarten. – Daumstöcke. – Schnürung. – Aufspannung und Renkung. – Prager Tortur. – Wiener Tortur. – Anwesenheit der Richter bei der Tortur. – Protokoll. – Bekenntnis. – Widerruf. – Grade der Tortur. – Beschädigung des Torquierten. – Gerichtskosten – Grausamkeiten verboten. – Schadenersatz.
Ziehen wir nunmehr die Vornahme der Tortur nach den Vorschriften der Theresiana in Betracht. Schon Artikel XXV § 13 beschäftigt sich etwas näher mit diesem Punkt, indem er im Hinblick auf die Zeugenaussagen bemerkt: »Nachdem nun die Gegenstellung und Gegenverhörung ob erklärtermassen zur Hauptabsicht führet, damit man desto verlässlicher auf den Grund der Wahrheit gelange, so hat derselbe eben aus dieser Ursache in allen sowohl schweren, als geringen peinlichen Fragen statt; jedoch ist in jenen Fällen, wo es bei verstockten Leugnen auch auf die scharfe Frage ankommen kann, die Konfrontation vor der Tortur vorzunehmen. Es kann sich aber gleichwohl bewandten Umständen nach ergeben, dass auch je zuweilen erst nach der Tortur, oder nach gefällten Endurteil, wenn nämlich einer aus den geständigen Lastergespanen erst nach solcher Zeit sein vorheriges Bekenntnis widerruft, die Konfrontation neuerdings (jedoch allzeit vor dem besetzten Halsgericht, keinerdings aber auf dem Richtplatz) vorzunehmen nötig sein dürfte, in welcherlei Vorfall doch allemal auf die oben § 4 eingebundene Vorsicht und Behutsamkeit: ob nicht etwa die neue Gegenstellung vielmehr schädlich als nützlich sein dürfte, der sorgsamen Bedacht zu nehmen ist.«
Artikel XXXVI §3 lautet: »Und zumalen nicht allzeit zu einem endlichen Ausspruch mit Verurteilung zu der ordentlichen Strafe oder Ledigsprechung des Beschuldigten vorgeschritten werden kann, sondern jenen Falls, wenn derselbe die Missetat leugnet, anbei aber mit starken Inzichten beladen ist, gegen einen solchen beschwerten Inquisiten öfters die Tortur mittelst Vorbescheides oder Beiurteil erkennet werden muss, also wollen wir die erforderlichen Massregeln, aus was Ursachen die peinliche Frage anzustellen auch wie, wider was für Leute hiermit zu verfahren, im nächstfolgenden Artikel gesetzgebig vorschreiben.«
Diese Bestimmung fusst völlig auf dem Boden der Tortur-Anschauungen der Vergangenheit und überlässt den Beschuldigten gänzlich der Willkür des Richters, dem es schliesslich überlassen bleibt, zu entscheiden, was als mit »starken Inzichten beladen« zu gelten habe. Der erwähnte achtunddreissigste Artikel »von genügsamen Ursachen und Anzeigungen zur peinlichen Frage, auch wann, wider wen und wie selbe vorzunehmen sei,« behandelt ausführlich die Tortur in 32 Paragraphen, die hier vollständig wiedergegeben werden:
§ 1. Die peinliche Frage ist ein rechtliches Zwangsmittel, um einen leugnenden Übeltäter, welcher der verübten Tat halber stark beschwert ist, in Abgang eines vollständigen Beweises zur Bekenntnis zu bringen, oder allenfalls denselben von dem ihm zu Last fallenden Verdacht und Inzichten zu reinigen.
§ 2. Um aber zur peinlichen Frage vorschreiten zu können, ist erforderlich, dass vorher bei dem ordentlich besetzten Blutgericht hierüber durch Beiurteil erkannt und gesprochen werde: ob die Anzeigungen zur peinlichen Frage genug? Auf was für eine Weise und in welchem Grade der Tortur der Beinzichtigte gepeinigt, auch über was für eigentliche Fragstücke er in der Tortur gefragt werden soll? Und wenn dergleichen Erkenntnis nicht vorhergeht, kann ein Richter den Gefangenen mit der Tortur auch so gar nicht bedrohen, vielweniger ihm dieselbe wirklich antun. Wie Wir denn eine solche auf die scharfe Frage ausfallende Erkenntnis ihrer Wichtigkeit halber oben, Art. XXI §5 unter die ausgenommenen Fälle gesetzt haben.«
Dieser erwähnte Paragraph zählt nämlich die Malefizfälle auf, in welchen Urteil und Akten an das Obergericht zu weitere Erkenntnis übergeben werden mussten. Diese Fälle waren 1) »Gotteslästerung. 2) Ketzerei, wobei aber jederortige Landesverfassung in Acht zu nehmen, 3) alles was von angeschuldeten Zaubereien, Hexereien, Schatzgräberei, angeblicher Besitzung von Teufel und allerhand abergläubischen Unternehmungen vorkommt, 4) Falschmünzerei sowie auch die wissentliche Ausgabe, Beschneidung, Verringerung der Münze, Ausführung guter und Einschleppung verrufener Münzen, 5) Menschenraub, Ausführung von Landesbewohnern mit oder ohne deren Willen und Werbung für fremde Mächte, 6) Zusammrottung von Strassenräubern und Mordbrennern, 7) Vergiftung, bestellter Mord, Unkeuschheit wider die Natur, 8) Zweikampf, 9) wenn auf die scharfe Frage erkannt wurde, 10) wo auf Landesverweisung erkannt wird und 11) wenn bei zerteilter Meinung der Urteilsprecher die alleinige Schlussstimme der Erkenntnis den Ausschlag gegeben hätte; nicht minder auch jenen Falls, wenn einer begangenen Tat halber weder Geständnis noch Zeugen vorhanden. Der Bezichtigte jedoch aus untrüglichen und sonnenklaren Anzeichen als Täter erkannt und aus so gestalteter, unfehlbarer Gewissheit nach den hierunten Artikel 34 einkommenden Massregeln zu der im Gesetz ausgemessenen ordentlichen Strafe verurteilt wurde; oder wenn er aus blosser Bekenntnis und Besagung zweier oder mehrerer auf ihn gestorbener Mitschuldigen für überwiesen gehalten werden musste, und überhaupt in allen solchen Fällen, welche nicht allein den Rechtsprechern zweifelhaftig vorkommen, sondern auch an sich selbst nicht klar sind.« Nach dieser Aufklärung setzen wir die Wiedergabe des bemerkten Artikels fort.
§ 3. Bei solcher Erkenntnis hat der Richter wohl in Acht zu nehmen:
Erstlich, ob nicht etwa der ganze Beweis schon anderwegs vorhanden sei. Denn wenn der Täter vorhin des Verbrechens schon geständig oder vollständig überwiesen wäre, würde die Verhängung der scharfen Frage überflüssig und widerrechtlich sein; und ist in solchem Falle ohne Anstand mit Schöpfung eines Endurteils auf die im Gesetze ausgesetzte ordentliche Strafe vorzugehen.
Andertens ist dahin zu sehen, ob die Tat, welcher wegen der Gefangene beschuldigt wird, wirklich geschehen sei, und ob also nach Unserer oben Art. XXVI. einkommenden Ausmessung auf das corpus delicti rechtsbehörig nachgeforscht und selbes ordentlich erhoben worden, bei dessen Ermanglung niemand mit peinlicher Frage angegriffen werden kann. Und drittens ist überhaupt zu erwägen, ob genügsame Ursachen und Anzeichen zur Vornehmung der peinlichen Frage vorhanden seien.
§ 4. Was nun die genügsamen Ursachen zur peinlichen Frage betrifft, ist alle zu beschreiben nicht wohl möglich, doch wollen Wir zu besseren Unterricht deren etliche gemeine hierorts beispielsweise anführen, und werden sodann in dem andern Teil bei jedwedem Verbrechen, die solche fällige sonderbare Vermutung ausdrücklich benannt werden. Unter den gemeinen Anzeichen zur Tortur befinden sich demnach folgende, als:
Erstlich ist eine genügsame Ursache zur peinlichen Frage, wenn die Tat mit einem untadelhaften Zeugen auf den Beschuldigten erwiesen ist; und nebst dem einzelnen Zeugen entweder noch ein anderweitig gegründete Inzicht, oder wenigstens dieses dazustosst, dass der Inquisit eine sonst verdächtige und übel verhaltene Person sei, zu der man sich der ihr zu Last kommenden Missetat gar wohl versehen könne.
Andertens, so jemand auf offenbarer Tat ergriffen wird, solche jedoch freventlich leugnet und anderwärtig nicht genugsam überwiesen werden kann, der soll peinlich darum gefragt werden.
Drittens, wenn ein Missetäter, der in seiner Tat Helfer, Ratgeber oder Mitgesellen gehabt, auf jemanden in der gütlichen oder peinlichen Frage ausgesagt, dass er ihm zu seiner verübten und wahr befundenen Missetat mit Rat oder Tat geholfen, oder Gesellschaft geleistet habe, so kann man einen solchen Besagten hierüber wohl peinlich befragen, doch anders nicht, als wenn sich die oben Art. XXXIV § 9 erwähnte Umstände und Erfordernisse dabei einfinden!«
Diese Erfordernisse und Umstände sind nämlich folgende: Die betreffende Person muss derart beschaffen sein, dass man sich der Tat von ihr wohl versehen könnte. Der Aussager muss sie genannt haben ohne dass auf sie besonders hingewiesen wurde. Ferner muss die Aussage klar und deutlich alle Umstände angeben, unter welchen dieser Beistand geleistet wurde, und keine dieser Angaben als unwahr befunden worden sein. Auch soll erforscht werden, ob etwa nicht der Aussager mit dem Angegebenen in Feindschaft gestanden habe und ermessen werden, ob der Aussager nicht eine Person wäre, von der man sich eine falsche Bezichtigung aus Bosheit zu versehen hätte. Endlich muss der Aussager bei seiner Angabe, sei diese ausser oder in der Marter erfolgt, bis zum Tode beständig bleiben und keinen Widerruf leisten. Zur grösseren Sicherheit ist er bei der Todesverkündung kurz zu befragen, ob er darauf sterbe, was er wider N. N. als Mitgehilfen und sonst ausgesagt habe. Und diese wiederholte Bestätigung soll die Wahrheit der Aussage mit seinem Tod bekräftigen.
»Viertens, wenn ernstlich bewiesen wird, dass sich jemand aussergerichtlich rühmte oder frei bekannte, er habe eine Missetat begangen und es eine solche Person ist, zu der man sich die Missetat versehen kann, soll das Halsgericht nachforschen lassen, ob sich die Tat an Ort und Ende solchergestalt wie er sich rühmte mit allen Umständen zugetragen habe. Findet es sich in allem also, so kann ein solcher, wenn er die Tat hernach wieder leugnet, wohl peinlich gefragt werden. Es sind auch
§ 5, vielerlei Anzeichen, deren jedwede allein zur peinlichen Frage nicht genugsam, doch wenn dergleichen etliche zusammenkommen, die Tortur darauf wohl vorgenommen werden kann, als zum Exempel:
Wenn der Verdächtigte eine solche verwegene und leichtfertige Person auch von bösem Leumund und Gerücht wäre, dass man sich der Missetat zu ihr versehen möge.
Oder aber, da derselbe dergleichen Missetat schon vormals geübt, oder auszuüben sich bestrebt hatte, oder derlei Missetat schon vorhin geziehen und derentwegen angeben worden wäre, doch dass solch übler Leumund und Angebung nicht von Feinden oder leichtfertigen, sondern von unparteiischen redlichen Leuten herkomme.
Wenn die verdächtigte Person an solchen gefährlichen Orten, die zu der Tat verdächtig wären, gefunden wird.
Wenn jemand zur Zeit der Tat, dieweil er auf dem Weg dazu oder davon gewesen in solcher Gestalt, Waffen, Kleidern, Pferd oder andern Sachen, gleich als wie der Täter beschrieben hat, gesehen worden.
Wenn einer in Ausübung der Tat etwas verliert, auch hinter sich liegen oder fallen lässt, als seinen Mantel, Degen, Hut, Schuhe und dergleichen. Oder wenn man auch aus der Spur im Schnee, Kot oder Staub hernachmals finden und ermessen mag, dass die Sachen unfehlbar des Täters und nächstens vor dem Verlust in seiner Gewalt, oder aber die Tritte des Täters seine eigene Fussstapfen gewesen seien.
Wenn der Verdachte eine zeither bei solchen Leuten Wohnung und Gesellschaft gehabt hat, die dergleichen Missetat ausüben.
Wenn eine solche verdachte Person aus Neid, Feindschaft, vorhergegangenen Bedrohungen oder um hoffenden Nutzens willen zu der Missetat Ursache genommen haben möchte. Sonderlich aber geben die Bedrohungen ein starkes und oftmal allein ein genügsames Anzeichen, wenn der Bedrohende ein solcher Mensch ist, der die Worte ins Werk setzen kann, der vor diesem jemanden gedroht und an ihm vollzogen hat. Wenn der Verletzte selbst aus gewissen Ursachen jemanden die Missetat zeihet, darauf stirbt, oder es bei seinem Eid beteuert.
Wenn jemand einer Missetat halber flüchtig wird und warum er geflohen keine vernünftige Ursache angeben kann.
Es kommt auch dazu die Veränderung der Gestalt, Wankelmütigkeit und Falschheit im Reden, die in währender Gefängnis geübte Praktiken ein heimlicher Vergleich über das angegebene Laster, die beständige Besagung eines Mitgehilfens, wenn auch die oben Art. XXXIV § 9 ausgemessenen Erfordernisse nicht eben alle einträfen, oder auch das Bekenntnis, welches einer vorher vor einem unrechtmässigen Richter oder sonst mangelhaft abgelegt hat, und dergleichen.
Wenn nun von solchen im gegenwärtigen Absatz erwähnten gemeinen Vermutungen bei einem Inquisiten mehrere zusammentreffen, oder zu einer dergleichen Vermutung noch anderweitige absonderliche, aus der Tat selbst hervorkommende Wahrzeichen dazustossen, so kann nach Gestalt der Sache und nach vernünftigen Ermessen des Richters gar wohl auf die peinliche Frage erkannt werden.
§ 6. Es sind jedoch alle Anzeichen zur Tortur dahin zu verstehen, wenn der Beschuldigte wider dieselben nicht etwa solches einwendete, welches, wenn er es erwiese, die anderweite Aussage oder den Argwohn ableitete. Derenwegen soll man jederzeit die Entschuldigung anhören und ob sie sich also verhalte, vorher wohl nachforschen. Denn wo des Täters Entschuldigung mehr Grund und Wahrscheinlichkeit als die vorgekommenen Anzeichen auf sich tragen, soll die peinliche Frage vor Einholung und Aufbringung stärkerer Beweisgründe nicht vorgenommen werden. Nebenbei ist
§ 7. zu wissen, dass ein jedwedes Anzeichen, worauf die peinliche Frage zu erkennen ist, wenn sie widersprochen oder in Zweifel gezogen wird, gemeiniglich mit zwei Zeugen erwiesen sein müsste, auf Art und Weise, wie bereits oben Art. XXVII § 67 erklärt worden.«
An der bemerkten Stelle wird zwar gefordert, dass zwei gute, untadelhafte, geschworene Zeugen die Anzeichen glaubhaft machen, jedoch werden auch Fälle angeführt, wo nur ein Zeuge genügt: wenn der Verdächtigte übel beleumundet, der Zeuge sehr angesehen und glaubhaft ist und dgl. mehr. Allerdings sollte das nur gelten, wo es noch nicht auf die scharfe Frage oder das Endurteil ankam.
§ 8. Und damit die peinliche Frage nicht schwerer als die Strafe selbst ausfalle, so soll die wirkliche Tortur nur an jenen Missetaten, die eine Todesstrafe nach sich ziehen, bei den übrigen eine schwere Leibstrafe auf sich tragenden Verbrechen aber, wenn stark beschwerende Umstände unterlaufen, höchstens nur die Schreckung mit der Tortur, in den kleineren Verbrechen aber nicht einmal diese vorgenommen werden. Desgleichen soll auch wegen der blossen Verschärfung der Todesstrafe, wenn der Missetäter durch das Bekenntnis oder Überweisung um eines Verbrechens halber das Leben schon verwirkt hat nicht leicht um einer andern, auch verübt haben sollenden grösseren Missetat halber zur wirklichen Tortur, sondern höchstens zur Androhung derselben geschritten werden. Endlich soll auch in jenen Fällen, wo Zweifel vorfällt, ob das Verbrechen eine Todes- oder geringere Strafe nach sich ziehen dürfte, der Bezichtigte anstatt der wirklichen Tortur nur mit derselben geschreckt werde.
§ 9. Die Territion oder Schreckung mit der peinlichen Frage unterscheidet sich von der wirklichen Tortur, in dem, dass durch letztere des Inquisiten Leib gemartert wird, die erstere hingegen keinen Schmerz beibringt, sondern bei dem eingejagten Schrecken stille steht. Solche Territion geschieht aber mit blossen Drohworten, ohne, dass der Scharfrichter an den Inquisiten eine Hand anlegt, oder sie geschieht mit einiger des Scharfrichters Handanlegung. Sie ist demnach eine bloss wörtige, oder tätige Torturandrohung. Die erstere besteht in dem, dass stufenweis dem Verdächtigen anfänglich die Tortur bedrohet, sodann der Freimann vorgestellet, hierauf der Gefangene an den gewöhnlichen Reckort oder Martergrube geführt, und der Freimann allda dem Inquisiten das peinliche Werkzeug vorlegt und vorzeigt, ihn hart damit schreckt, und darauf so tut und sich anstellt, als ob er ihn wirklich zur Vornehmung der Tortur angreifen wollte. Die letztere geht noch weiter, dass der Scharfrichter den Inquisiten wirklich angreift, zu dem Marterbankel führt, endlich auch ihm ex. gr. die Daumschrauben oder die Schnur anlegt, aber nicht zuschraubt, nicht zuschnürt. Gleichwie nun die Veranlassung der Territion auf eine oder andere Art, nach Beschaffenheit der Umstände und der Person von dem Ermessen des Richters abhängt, so ist aber hierbei allemal sowohl in dem Beiurteil, wie weit mit vorbesagten Absätzen der Territion zu verfahren sei, deutlich vorzuschreiben, als auch bei dessen Vollstreckung von dem Richter allen Fleisses dahin zu sehen, damit selbe nicht weiter erstreckt werde, als das Erkenntnis ergangen ist. Wobei anzumerken, dass der Inquisit bei jedweden Territions-Absatz durch kurze und taugliche Fragstücke zur Bekenntnis der Wahrheit anzunehmen, sodann mit der Erinnerung, dass man ihm noch einige Zeit zum Bedenken geben wolle, an seinen vorherigen Ort der Haft zurückzuführen, den zweiten oder dritten Tag darauf aber ihm zur Bestätigung seiner Aussage das gehabte Examen vorzulesen, und ob er nichts mehr beisetzen wolle zu sagen sei.
§ 10. Gleichwie nun die Tortur an sich selbst eine Sache von äusserster Wichtigkeit und unersetzlichem Nachteil ist, und Wir Uns demnach sowohl überhaupt zu allen Blutrichtern, als sonderheitlich zu der Wachsamkeit der Obergerichte allerdings versehen, dass hierin falls mit grösster Behutsamkeit und Sorgfalt vorgegangen werde, damit niemand ohne redliche Ursachen an die Marter gezogen, weder bei Vornehmung der rechtlich zuerkannten Tortur das rechte Mass überschritten, und nicht etwa durch solches zur Ungebühr gebrauchtes Mittel ein Unschuldiger zur Bekenntnis einer Tat, so er nicht begangen, gebracht werde, so wollen Wir auch
§ 11. Von der peinlichen Frage hiermit ausdrücklich einige Personen, jedoch mit nachstehender Mässigung ausgenommen und befreit haben, und zwar:
Erstlich können unsinnige, aberwitzige, wie auch gar einfältige und blöde Menschen, item solche taubstumme, von welchen man die Wahrheit durch gewisse Zeichen nicht haben kann, gar nicht an die strenge Frage gelegt, weder hiermit bedroht werden.
Andertens: Kinder unter 14 Jahren können ausser der Bedrohung, oder endlich auch Antuung einiger Rutenstreiche schärfer nicht gefragt werden; es sei denn, dass die Bosheit das Alter übertreffe, welches zu des Richters vernünftigen Nachdenken und Erkenntnis anheim gestellt wird.
Drittens: ein alter Mann von 60 Jahren und weiter, er wäre denn so frisch, dass er die Tortur ohne Verlust seiner Gesundheit ausstehen mag, so gleichfalls dem richterlichen Ermessen überlassen wird.
Viertens: ein gebrechlicher, gefährlich verwundeter oder sonst kranker Mensch, bei welchem zu besorgen, er möchte sterben, kann durch nichts Schärferes angestrengt werden, als was er ohne mehrere Verletzung ausstehen kann. Jedoch mögen dergleichen Personen, bei welchem ihrer Leibesbeschaffenheit halber die wirkliche Tortur allzu gefährlich wäre, als Unmündige, alte und zugleich oder sonst schwache und schadhafte Leute etc. bewandten Umständen nach mit der Tortur geschreckt werden.
Fünftens: ferner eine schwangere Weibsperson oder Kindbetterin. Nach dem Kindbette aber soll man dem Kind eine Amme zustellen, sodann kann man sie auch, doch etwas leichter peinlich fragen.
Sechstens: sollen die in Unseren Erblanden einverleibten höhere Standespersonen, dann diejenigen, so in hohen Ehren oder Würden stehen, wie auch unsere Räte, Doctores und geadelte Insassen, ausser im Laster der beleidigten göttlichen und Weltlichen Majestät, Landesverräterei und anderen überschweren Lastern, nicht torquiert werden.
§ 12. Wenn nun die Tortur gegen jemand rechtsbeständig erkennt worden, hat der Richter vor deren Vollstreckung nachfolgendes zu beachten:
Erstlich: wenn das Beiurteil nicht schon selbst gewisse Fragstücke, über welche der Inquisit ermittelst der Tortur eigentlich zu befragen sei, in sich haltet, sondern nur glatterdings dahin lautet, dass derselbe bis auf diesen oder jenen Grad zu torquieren sei, oder allenfalls nur überhaupt ausdrückt, dass der Inquisit bei jedweden Absatz der Tortur durch kurze zur Sache dienliche Fragstücke zur Bekenntnis der Wahrheit angehalten werden soll; solchen Falls soll der Richter, welcher die Tortur zu besagen hat, noch vorher die Tat selbst in gewisse kurze Fragstücke ab- und einteilen, das ist, derselbe soll vorher auf das Verbrechen (wie es die Anzeichen an die Hand geben) kurze, klare und wohlerwogene, nach der Ordnung auf einander gerichtete Fragstücke, deren Anzahl von seinem vernünftigen Ermessen abhängt, vorbereiten, und selbe sodann in der scharfen Frage an den Inquisiten stellen, damit der arme Mensch in der peinlichen Lage nicht deretwegen aufgehalten werde.
Zum Beispiel in einem Kindsmord, wo die Kindesmutter in der Inquisition immer darauf beharrt, dass sie das Kind schon tot zur Welt geboren habe, kommt es bei der mit ihr vorzunehmenden Tortur hauptsächlich auf folgende kurze Fragen an: 1mo. Hast du nicht das Kind lebendig zur Welt geboren? 2do. Wie hast du dasselbe um das Leben gebracht? 3tio. Wo hast du sodann das Kind hingetan? Weiteres Beispiel in einem von mehreren Personen beschehenen nächtlichen Diebstahl: 1mo. Hast du nicht zwischen den 11ten und 12ten Januar dieses Jahres in der Nacht den N. N. in seiner Behausung mittelst gewaltsamen Einbruch bestehlen geholfen? 2do. Was hast du für Diebesgespäne dabei gehabt? 3tio. Wer hat diesen Diebstahl vorläufig ausgespähet? 4to. Wie hast du und deine Gespäne solchen bewerkstelligt? 5to. Wo sind die entfremdeten Sachen hingekommen? Und was hast du zu deinem Teil bekommen? Vor allem ist demnach in dem gegebenen ersten Beispiel an die Inquisitin die erste Frage zu stellen und immerhin zu wiederholen, wo auch ermahnungsweise in dem Fortlauf beizusetzen, es seien gar zu grosse Anzeichen vorhanden, dass das Kind lebendig von ihr gekommen, soll also mit boshaftem Leugnen sich nicht aufhalten und sich vergeblich peinigen lassen; und was sonst etwa die Umstände und Beschaffenheit der Sache an Händen geben mag. So lang nun die Inquisitin auf die erste Frage im Leugnen verbleibt, würde ganz überflüssig und unschicksam sein zu den weiteren Fragen, ob und welchergestalten das lebendig geborene Kind ums Leben gekommen sei, vorzuschreiten. Nach welcher Anmerkung sich solchem nach durchgehends gestalteten Dingen nach allen Torturfällen zu achten ist.
Andertens: sollte die Verordnung der Tortur oder das diesfällige Beiurteil (es sei sodann selbes auf die blosse Territion, oder auf einen oder mehreren Graden der wirklichen Tortur, oder auf völlige Peinigung ausgefallen) dem Inquisiten niemals nach ihrem ganzen Inhalt angekündigt, weder in wie weit die Peinigung zu gehen habe, geoffenbart, sondern ganz in geheim gehalten, und denselben zur Zeit, da es auf den Vollzug der Verordnung ankommt, nur so viel, dass aus den ihm zur Last gehenden schweren Inzichten die scharfe Frage wider ihn erkennet worden, angezeigt, und er dabei ernstlich und nachdrücklich ermahnt werde, dass er also in der Güte bekennen, und es auf die wirkliche Vornahme der Tortur und Zermarterung seines Leibes nicht ankommen lassen soll. Wobei
Drittens: ferner zu merken, das 1mo. die Tortur nur mit den hierunter vorgeschriebenen peinlichen Werkzeugen, 2do. in der vorgeschriebenen Ordnung der unten ausgesetzten Grade oder Peinigungsstaffeln, 3tio. in einem solchen Masse vorgenommen werde, dass selbe mit der Leibesbeschaffenheit des Inquisiten übereinstimme, folgsam weder ein gar zu grosser Glimpf und Nachsicht, dass selbe nichts ausgebe, weder eine gar zu starke Schärfe gebraucht werde, damit nicht etwa dieselbe dem Inquisiten am Leib und Gesundheit einen unersetzlichen Schaden zufüge; 4to. nicht zu sehr verlängert; dann 5to. dieselbe meistens Vormittag und mit nüchternen Leuten angestellt werde. Wann es aber aus erheblichen Gründen Nachmittag sein musste, dem Täter ausser der Labung vorher nichts, oder doch gar wenig zu essen und zu trinken gegeben; dann 6to. die Tortur an einem Werktag vollzogen, und 7mo. gemeiniglich nacheinander an einem Tag, wenn der Inquisit forthin im Leugnen verharrt, vollbracht. Und endlich 8vo. allzeit ein Leib- und ein Wundarzt, und da es nicht sein könnte, wenigstens ein geschickter Wundarzt zur Beobachtung und Hilfeleistung des Gepeinigten zugezogen werden soll.
Viertens: dass die scharfe Frage (wie schon oben Art. XX § 3. von allen peinlichen Gerichtshandlungen überhaupt angeordnet worden), nicht durch den Richter, Landgerichtsverwalter, Syndicum oder wie er immer heisse, allein, sondern mit Zuziehung zweier Beisitzer und des Gerichtsschreibers, oder Actuarii, somit rechtsbehörig vorgenommen werde. Und endlich
Fünftens: Wenn ein Mann und ein Weib, oder ein Schwacher und ein Starker um des nämlichen Verbrechens willen peinlich zu fragen sind, soll man allzeit von dem Weibe oder dem Schwächern, oder welcher aller Vermutung nach die Wahrheit eher bekennen und dadurch sein Mittäter etwa ohne Pein überwiesen werden dürfte, den Anfang machen.
Es ist
§ 13. Erst vorgehends angeordnet worden, dass die Tortur insgemein nacheinander in einem Tag zu vollführen sei. Nachdem aber sich öfter ereignet, dass einige schon vorher in andern Übeltaten torquierte, oder von absonderlich starker Leibesbeschaffenheit befundene Leute, am meisten aber die zum verstockten Leugnen angewöhnte Juden, oder andere in allerhand Untaten lang geübte Bösewichter, wenn die Tortur nacheinander veranlasst wird, gleichsam unempfindlich und, ohne dass man aus ihnen die Wahrheit herauszubringen vermöchte die Peinigung überstehen, also mag bei solchen verbosten Leuten bewandten Umständen nach auf Ermesssn des Obergerichts, wohin ohnedem die Torturerkenntnis als ein ausgenommener Fall zu gelangen hat, die Tortur wohl in 2 auch 3 Tagen verteilt, somit abgesondert angelegt werden.
§ 14. Wenn nun nach alledem mit dem wirklichen Vollzug der Tortur vorzugehen ist, so hat der Richter im Beisein der zwei Beisitzer und des Gerichtsschreibers, somit bei besetztem Inquisitionsgericht den Beschuldigten vorher nochmals, und zwar annoch vor Ueberbringung in die Martergruben mit ernstlichen doch bescheidenen Worten zuzusprechen und zu erinnern, es seien die wider ihn streitenden Inzichten allzuheftig, er solle also die unverfälschte Wahrheit der Tat lieber in der Güte bekennen und zur bevorstehenden scharfen Frage nicht Ursache geben.
§ 15. Wenn er dann gutwillig alles bekennt, ist man der peinlichen Frage überhoben und kann solche, wenn er beständig darauf beharrt, weiter nicht vorgenommen werden. Wollte sich aber der Verdächtige zur Bekenntnis der Wahrheit nicht bequemen, so ist anfänglich all dasjenige, was oben § 9 von der Territion gemeldet worden, mit Vorstellung des Freimanns, mit Entkleidung des Täters und dessen Überbringung in die Martergruben, dann Verweisung des peinlichen Werkzeuges, und dessen Ergreifung, auch Niedersetzung auf dem Marterort vorzunehmen und endlich ein Grad der Tortur nach dem andern an ihm zu vollziehen.
§ 16. Vor allem aber sind bei Anlangung in den Martergruben oder gewöhnlichen Torturort, nachdem die Lichter daselbst angezündet und alles in Bereitschaft gesetzt worden, dem Inquisiten anfangs die wider ihn streitenden Vermutungen wiederholt vorzuhalten und ihm sowohl vor, als nach vorgezeigtem peinlichem Werkzeug beweglich zuzureden, das er es auf die Marterung seines Leibes nicht ankommen lassen, sondern in der Güte die Wahrheit aussagen soll. Wo sodann, wenn mit der Peinigung der Anfang gemacht worden, derselbe, wie oben § 12 vers. 1 gemeldet worden, mit kurzen, zur Sache dienlichen, entweder bei Erkenntnis der Tortur schon festgestellten, oder sonst vorbereiteten Fragstücken immerfort zur Bekenntnis der Wahrheit anzumahnen ist.
§ 17. Was nun die Peinigungsarten und diesfällige Absätze oder Gradus Torturae anbelangt, da wollen Wir, mit Hintanhaltung aller willkürlichen oder fremden Torquierungsarten, hiermit gesetzgebig geordnet haben, dass die Tortur in Unseren königlichen Böhmischen Erblanden auf Art und Weise wie selbe derzeit in Unserer Hauptstadt Prag üblich und wovon die Beschreibung sub Nro. 3tio. beigerückt ist; in Unseren Österreichischen Erblanden aber auf Art und Weise, wie solche in Unserer Residenzstadt Wien in Übung ist, und sub Nro 4to. sich beigefügt befindet, für allgemein gebraucht werden soll.
Aus besagter Beschreibung und Schilderung sub Nro. 3tio. et 4to. ist nun abzunehmen, dass in Unseren Böhmischen Landen die Tortur 1mo. den Daumstöcken oder Daumschrauben mit oder ohne Schlagung an den Daumstock; 2do. in der Bindung oder Schnürung von vorwärts; 3do. in der Folterung mit Aufspannung und Reckung des Körpers auf der Leiter, 4to. in Anwendung des Feuers gegen den auf der Leiter aufgespannten Körper. Dahingegen in Unseren Österreichischen Landen: 1mo. in den Daumschrauben, mit oder ohne Anklopfung, 2do. in der Bindung oder Schnürung von rückwärts mit einem, mit mehreren, höchstens drei abgesetzten Banden; 3tio. in der Folterung, oder trockenen Aufzug in der Luft mit einem, mehreren, höchstens drei Absätzen, dann Anhängung des Gewichtes bei dem änderten und dritten Absatze zu bestehen habe. Wobei Wir ernstgemessen befehlen, dass jenenfalls, da jemand durch alle Grade der Tortur zu peinigen ist, über erstbemeldete Marterarten nicht solle, noch könne weiter geschritten werden.
§ 18. Und obschon in Unseren Erblanden auch die Beinschrauben oder spanische Stiefel gewöhnlich, auch fernerhin zur Peinigung beizubehalten sind, so sollen jedoch solche Schraubstiefeln nicht als ein besonderer Grad, sondern nur an Platz eines andern Marterinstruments (da nämlich bei den Mannsbildern entweder der Daumstock, oder die Schnürung, oder die Folter, gestalteten Dingen nach mit dem Inquisiten nicht wohl vorzunehmen wäre) nach Befund des Richters gebraucht werden. Auf was für Art und Weise aber alle diese Peinigungsarten werktätig vorzunehmen seien, diesfalls ist der behörige Unterricht teil in den sub Nro 3tio. et 4to. einkommenden Beilagen und teils in der Unseren Obergerichten zur weiteren Belehrung den ihnen nachgesetzten Halsgerichte besonders zustellenden Instruktionen enthalten. Die betreffenden Abbildungen nebst Text, sind, soweit es nötig ist, in diesem Band wiedergegeben. Wobei jedoch
§ 19. Nachfolgende Musterregeln wohl in Acht zu nehmen, dass
Erstlich: Die gesammte Gradus Torturae nur dazumalen zu verhängen seien, wenn es um gar greuliche und allerschwerste Missetaten, anbei um gar verstockte Bösewichte zu tun ist, ansonst aber
Andertens: bei Zuerkenntnis einer schärferen oder gelinderen Tortur allemal ein billiges Mass zu halten sei, damit der Sache weder zu wenig, weder zu viel getan werde. Und gleichwie überhaupt die Bestimmung der Peinigungsart allzeit nach der Eigenschaft des geringeren oder schwereren Verbrechens, nach den mehr oder minderen Kräften des Täters und nach verschiedener Beschaffenheit der Umstände abzumessen ist, also folgt von selbst, dass sich diesfalls nichts gewisses vorschreiben lasse, sondern von dem vernünftigen Ermessen des Richters abhänge, wie, auf was für Art der Inquisit gestalteten Sachen nach zu peinigen sei, somit ob selber
1mo. mit der Tortur allein geschreckt werden und mit wie viel Territions-Gradibus vorzugehen, oder ob
2do. folgends die Daumstöcke mit oder ohne Daraufklopfen zu gebrauchen und hierbei sodann stillzustehen, oder ob
3tio. ohne vorhergehende Däumlung oder nach schon gebrauchten Daumschrauben die Bindung und Schnürung, und zwar in Österreichischen Landen mit ein, zwei oder drei abgesetzten Banden, oder weiters auch
4to. die Folterung, und zwar jene auf der Leiter, mit oder ohne Schnellung, jene aber in der Luft mit ein, zwei oder drei Absätzen, dann mit oder ohne Schnellung oder Anschlagung des Seils vorzunehmen, oder
5to. da entweder die Daumstöcke oder die Folter bewandten Umständen nach nicht könnte angewendet werden, ob derselbe nach der Bindung oder Schnürung sogleich mit den Beinschrauben oder spanischen Stiefeln, oder
6to. überhaupt mit allen Graden der Tortur zu belegen sei, wobei jedoch
7mo. zu bemerken, dass gegen die Weibsbilder nicht weiter als mit Anlegung der Daumstöcke und nachfolglich mit der Bindung oder Schnürung, oder allenfalls mit alleiniger Anlegung der Daumschrauben, oder bewandten Umständen nach mit alleiniger Bindung und Schnürung könne vorgegangen werden. Bei welcher der richterlichen Willkür überlassenen Ausmessung der Peinigungsakt es demnach
Drittens: ganz leicht fallen wird bei Zuerkennung der Tortur gestatteten Dingen nach in Sachen ein billiges Mass zu treffen, wo annebst den Gerichtspersonen, so die Vornehmung der Tortur zu besorgen haben, noch weiteres eingebunden wird, dass jenen falls, wenn der erkannte Tortur-Gradus ohne augenscheinliche Gefahr des Lebens, oder eine harte Leibesbeschädigung nicht vollführt werden könnte, dieselben die Tortur einstweilen einstellen, den Vorfall an das Urteil sprechende Gericht zu berichten, und diesfalls die weitere Verordnung abzuwarten verbunden sein sollen. Und zumalen es also
Viertens: lediglich auf die Erkenntnis des Richters beruht, inwieweit die Tortur vorzunehmen sei, so versteht sich von selbst, dass in dem Beiurteil deutlich ausgedrückt sein muss, mit wie viel und was für Gradibus der Tortur der Inquisit anzugreifen sei, damit die Gerichtspersonen, welchen die Aufsicht auf den genauen Vollzug der Tortur obliegte, sich hiernach richten und hierüber dem Freimann den nötigen Unterricht erteilen mögen.
§ 20. Während der Tortur sollen die dazu abgeordneten Gerichtspersonen sich von dem Peinigungsort nicht hinwegbegeben, weder inzwischen etwas anderes tun und vornehmen, sondern dieselben haben den Inquisiten unablässlich auf das Genaueste zu beobachten; denn falls derselbe ohne Lebens- oder schwere Schadensgefahr die angefangene Tortur nicht ausstehen könnte, oder ausser sich käme, oder etwa einen ungefähren Schaden, als einen Bruch oder Zersprengung etc. leidete, so ist alsogleich mit der Marter innezuhalten, demselben genügsame Labung und Gelegenheit zu seiner Erholung und Genesung zu verschaffen, und nach Gestalt der Sache die Tortur entweder bis auf weitere Verordnung zu verschieben, oder aber, da er (zum Gleichnis aus einer schlechten Ohnmacht) wieder zu sich kommt, und ausser Lebens- oder schwerer Schadensgefahr sich befindet, dieselbe hierauf wieder fortzusetzen.
§ 21. Annebst ist dem Gericht oblegen die nötige Vorsehung dahin zu treffen, womit von dem Gerichtsschreiber oder dem, der das Protokoll führt, alle des Inquisiten Reden, Zeichen, Unmut, Entsetzen, so viel möglich klar und deutlich aufgezeichnet, wie nicht minder der ganze Torturvorgang, was Inquisit zur Vorstellung des peinlichen Werkzeuges, zum Binden und sofort bei jedem Absatz gesagt, wie er ausgesehen, sich entsetzt etc., wie lang ein Grad gedauert, wie derselbe vollbracht und der andere angefangen worden, was inzwischen vorbeigegangen, wie alles vollendet sei, wie auch die von dem Gepeinigten mehr oder minder gezeigte Schmerzempfindlichkeit, etc. vermerkt, und hauptsächlich alle desselben Antworten und Aussagen aufs fleissigste aufgeschrieben und weder aus Gefährde, weder aus Nachlässigkeit das geringste Wort ausgelassen oder zugesetzt worden.
§ 22. Sobald aber der Inquisit die Wahrheit zu bekennen anfängt, so soll allsogleich mit der Marter innegehalten werden, und ihm genügsame Freiheit, ohne wirkliche Schmerzerregung über die vorgehaltene Fragstücke zu antworten gelassen, sofort auf weiteres über die Umstände der Tat gefragt werden. Es soll demnach die Aussage und das Bekenntnis des Gepeinigten, so er in der wirklichen Marter abgelegt, nicht angenommen, sondern dasjenige, was er aussagt, wenn er von der Marter abgelassen ist, allererst von neuen aufgeschrieben und für gültig gehalten werden.
§ 23. Da sich auch öfters ergiebt, dass die Inquisiten bald bekennen, bald wiederum leugnen, und ihr Bekenntnis teils in, teils nach geendeter Tortur widerrufen, so wollen Wir diesfalls zum Unterricht des Richters und dessen genauen Sachverhalt folgende Massregel vorgeschrieben haben, und zwar:
§ 24. Wenn ein Inquisit gleich bei angefangenem oder noch nicht gar vollbrachtem Torturgrad etwas bekennt, so bald er aber von der Marter abgetan wird, solches wiederum leugnet, so ist in solchem Falle ungeachtet des Inquisitens wiederholendes Bekenntnis der nicht vollendete Grad an ihm völlig, jedoch ohne Verschärfung (das ist, dass man nicht stärker schraube oder anziehe etc.) zu vollziehen, und sodann erst das Bekenntnis aufzunehmen; im Weigerungsfalle aber derselbe annoch weiter zu peinigen. Zum Gleichnis
Erstlich: Der Inquisit ist zur Tortur verurteilt. Da nun der Scharfrichter ihm ex. gr. die Daumstöcke anlegt und nun anfängt zuzuziehen, so bekennt er. Da man aber die Daumstöcke wegnimmt und selben nicht ferner peinigt, so widerruft und leugnet er alles entweder gleich, oder aber dann, wenn er ausser der Marterkammer nachgehends in der gewöhnlichen Gerichtsstube wieder befragt wird. In solchem Fall nun wird das Gericht allsogleich nach getaner Widerrufung den Inquisiten, da er dabei beharrt, von neuem mit eben den Daumstöcken angreifen, und ungeachtet, dass er hernach, als er neuerdings an den Marterort überbracht worden, zu bekennen und nicht mehr zu widerrufen verspräche, oder auch wirklich bekennt, an ihm das gewöhnliche Mass der Daumstöcke, welche von der vorgeschriebenen Zeit des Grades noch abgängig ist, jedoch (wie schon oben gesagt) ohne Verschärfung derselben vollbringen lassen, und alsdann erst, ohne dass man zu dem nachfolgenden Grad vorschreite, Aussage und Bekenntnis hier glaubhaft annehmen. Da aber
Andertens: Der Inquisit einen oder andern Grad der Tortur schon überstanden, und erst nachgehends bei dem folgenden Grad die Tat bekennt, und abermals, entweder in der Marterkammer, oder nachgehends an dem gewöhnlichen Gerichtsort widerruft, so fängt man zwar nicht mehr von dem schon vollbrachten, sondern von dem nächstfolgenden Grad, ex. gr. von der Schnürung oder der Folterung an, und hört ungeachtet seines neuen Bekenntnisses nicht auf, bis derselbe Grad im gewöhnlichen Masse, wie er unweit bevor erklärt worden, vollendet ist; welches auch, wenn er in einem weiteren Grad der Tortur widerruft, auf gleicher Weise zu halten ist. Es versteht sich aber von selbst, dass, wenn der Inquisit entweder immer leugnet, oder fort und fort bei jedem Grad allemal widerruft, oder ganz ungereimte Antworten von sich gäbe, oder auch zur Hintertreibung der Tortur blos allein andere Verbrechen, worüber die scharfe Frage nicht angeordnet ist, auf sich bekennte, in solchen Fällen die ganze Tortur angeordneter massen ohne neues Beiurteil mit ihm zu vollführen sei.
§ 25. Gleichwie nun dem Richter von Amtswegen ohnedem obliegt auf alle die Umstände, welche in dies während der Tortur abgelegten Bekenntnis vorkommen, (wenn sie nicht ohnedem schon rechtlich erhoben worden und allbereits gerichtskundig sind) allsogleich und ohne Verschub genauest nachzuforschen, ob selbe in der Wahrheit gegründet und also der Aussage Glauben beizumessen sei, so ist ein Gegenspiel jenes Falls, wenn der Inquisit zur Abbrechnung und Vereitlung der Tortur zwar die Missethat bekennt, jedoch einige sowohl die Tat, als die Strafe ändernde Hauptumstände, welche sodann bei der Erkundigung ganz falsch befunden werden, unwahrhaft angegeben hätte, auf gleiche Weise, als ob er die Tat gar nicht eingestanden, nach vorläufig ihm geschehender nachdrücklicher Erinnerung, dass von ihm boshafter Weise die Hauptumstände der Missetat ganz fälschlich angegeben worden: mit der Tortur fortzusetzen, und wenn er bei solchen unwahren Ausflüchten verbleibt, dieselbe an ihm (wie erst vorgemeldet) gänzlich zu vollführen.
§ 26. Wäre aber die Tortur auf Art und Weise, wie dieselbe angeordnet worden, gänzlich an ihm vollbracht und er widerruft alsogleich oder bald darauf sein Bekenntnis, so kann der Richter ohne weitere Erkenntnis und neues Beiurteil nicht mit nochmaliger Tortur vorgehen, sondern ist schuldig den ganzen Torturprozess samt den vorherigen Inquisitionsakten an das besetzte urteilsprechende Blutgericht neuerdings abzugeben und dasselbe hat hierauf zu erkennen, anbei die Bestätigung von dem Obergericht einzuholen, ob der Inquisit, der nach vollendeter Tortur sein Bekenntnis widerrufen hat, nochmals und welcher Gestalt mit der Tortur zu belegen sei.
§ 27. Um aber auch diesfalls eine verlässliche Richtschnur vorzuschreiben, so ordnen Wir, dass, wenn jemand die zuerkannte Tortur entweder im beharrlichen Leugnen, oder vorbemeldetermassen unter abwechselndem Bekennen im Leugnen vollständig überstanden und zuletzt sein etwa getanes Bekenntnis widerrufen hat, derselbe insgemein über einerlei Anzeichen nicht mehr als einmal peinlich befragt werden soll. Es leidet demnach diese Regel den alleinigen Abfall, wenn nach der ausgestandenen ersten Pein ganz neue, erhebliche und zur Verhängung der Tortur für sich selbst hinreichende Anzeichen hervorkommen. Was aber insbesondere diejenigen betrifft, die nach ganz überstandener Tortur das zuletzt getane Bekenntnis widerrufen, da ist ein Unterschied zu machen, ob der Widerrufende einige wahrscheinliche Ursachen eines irrigen und unwahrhaften Bekenntnisses vorgebracht, oder ob er nur schlechterdings unter dem allgemeinen Vorgeben aus Schmerzen, oder aus Furcht der weiteren Peinigung bekannt zu haben, und ohne alle andere wahrscheinliche Ursache das irrige Bekenntnis widerrufen habe. Der erstere Fall gehört unter die Eingangs gesetzte Regel, dass keine weitere Tortur mit demselben vorzunehmen sei. In dem andern Fall ist eine unwahrscheinliche und freventliche Widerrufung ebenfalls für ein hinlängliches Anzeichen zur Wiederholung der Tortur anzusehen. Es kann also ein solcher Widerrufender nach vernünftigen Ermessen des Richters zum andertenmal, und gestalteten Sachen nach, besonders in überschweren Lastertaten sogar zum drittenmal, gleich demjenigen, wider welchen andere neue Tortural-Inzichten hervorbrechen, zur scharfen Frage gezogen werden. Wobei aber überhaupt zu merken, dass, wenn der Inquisit die durch das erste Beiurteil zuerkannte Tortur ganz überstanden, zur Vornehmung der zweiten und dritten Tortur allemal ein neues Beiurteil erforderlich sei.
§ 28. Über dreimal aber soll keiner torquiert, sondern derselbe, der die Pein dreimal aussteht und entweder gar nichts eingestanden oder das Eingestandene hernach allemal widerrufen hat, insgemein los und ledig gesprochen werden, weil er sich von den vorigen Inzichten durch die ausgestandene Tortur genugsam gereinigt hat. Doch kann der Gepeinigte nicht sagen, dass ihm Unrecht geschehen sei, weil der Richter die Anzeichen für sich hat, und derentwegen muss der Gepeinigte jenen Falls, wo er zu den wider ihn entstandenen Inzichten durch seine Schuld Anlass und Ursache gegeben hat, auch die Atzung und Gerichtsunkosten, wenn er vermag, bezahlen; und kann überhaupt nicht so leicht geschehen, dass jemand widerrechtlich gepeinigt werde, immassen nach Unserem gegenwärtigen Recht die auf Tortur ausfallende Urteile als ein ausgenommener Fall zur obergerichtlichen höheren Erkenntnis abzugeben sind.
§ 29. Es kann aber gleichwohl nicht nur ein stets Leugnender, der die Tortur in Ansehen der Hauptmissetat mit beharrlichem Verneinen überstanden hat, jenen Falls, wenn er andere Verbrechen, oder in Ansehen des Hauptverbrechens einige sträfliche Umstände und Vergehungen eingestanden, oder deren reehtsbehörig überwiesen worden, sondern auch ein bekennender und nach vollendeter Tortur wiederum leugnender Inquisit jenen Falls, wenn seine Widerrufung ganz unwahrscheinlich und boshaft befunden wird, zu einer ausserordentlichen Bestrafung verurteilt, oder bewandten Umständen nach, da selber eine gar verdächtige und gefährliche Person wäre, aus dem betreffenden Bezirk abgeschafft, oder wohl gar, da er ein Ausländer wäre, auch ungeachtet, dass er nicht geständig oder überwiesen gewesen, jedoch als ein landesgefährlicher Mensch aus Unseren gesammten Erblanden verwiesen worden.
§ 30. Wenn der Inquisit durch die ausgestandene Marter, wie öfter geschieht, einen Schaden an seinen Gliedern erlitten, so sind ihm solche durch den Wundarzt oder Bader ungesäumt wohl einzurichten und ihm alle nötige Hilfe, Ruhe und Verpflegung zu verschaffen. Wie Wir denn bereits oben § 12, vers. drittens etc. angeordnet haben und hiermit für allgemein anbefehlen, dass die Halsgerichte bei Vornehmung der Tortur allemal einen geschickten Wundarzt oder Bader bestellen und denselben an der Hand haben sollen, damit dem Gepeinigten, wenn etwa ein unglücklicher Zufall sich ergäbe, ganz unverlangt mit der nötigen Hilfe beigesprungen werden möge.
§ 31. Die Bestätigung des Bekenntnisses nach der Pein betreffend, da ordnen Wir, dass, wenn die peinliche Frage der Ordnung nach vorgegangen, und hierüber die Aussage fleissig und deutlich beschrieben ist, auch die Schmerzen bei dem Gepeinigten sich gesetzt haben, der Richter zwei oder drei Tage nach der Tortur (so es sein kann) den Gefangenen aus dem Gefängnis an den gewöhnlichen Gerichtsort führen, ihm in Beisein derjenigen, so der Tortur beigewohnt, sein Bekenntnis durch den Gerichtsschreiber ablesen lassen und darüber bescheidentlich fragen soll, ob dieses Bekenntnis in allem wahr sei und ob er darauf leben und sterben könne. Bekennt sich nun der Täter freiwillig dazu, oder erinnert ungefragt noch etwas dabei, so soll man es fleissig zu der Aussage verzeichnen und soll hernach, wenn in der Hauptsache nichts Neues vorkommt, zur endlichen Erkenntniss behöriger Ordnung nach vorgeschritten werden. Würde er aber sein in der Tortur getanes Bekenntnis widerrufen, so ist den erst hieroben § 23 bis 28 gegebenen Massregeln nachzugehen, und auch solchen Falls, wenn keine weitere Tortur statt hat, die Sache zur Fällung des Endurteils einzuleiten.
§ 32. Endlich aber ist zu merken, dass dem Freimann und seinen Knechten höchstens verboten sei, bei der Peinigung abergläubische Dinge zu gebrauchen, um damit oder durch übermässige Grausamkeit das Bekenntnis der Wahrheit zu erzwingen, allermassen der Freimann in seiner Verrichtung lediglich nach dem Unterricht und der Anordnung des Richters, welcher die Tortur besorgt und ihm, Freimann, die erkannten Torturgrade vorläufig deutlich sagen und allenfalls vorlesen muss, sich zu halten und ohne dessen Befehl nichts vorzunehmen hat. Sofern aber jn der Peinigung das rechte Mass überschritten würde, soll die in selber getane Aussage dem Gepeinigten unnachteilig sein, und jene Gerichtspersonen, welche die Peinigung beigewohnt und selbe zu leiten gehabt, und sonderheitlich jene, welchen das rechtswidrige Verfahren zur Last fällt, ihres Amtes entsetzt und nebstbei zur Genugtuung mit einer zu Nutzen des Gepeinigten gereichenden Geldstrafe belegt werden.«
Im nachfolgenden Artikel von dem peinlichen Urteil wird § 7 bemerkt, dass wenn ein begründetes Bedenken vorläge, ob die Beschuldigungen zur Verhängung der Tortur hinreichend seien, so wäre auf Einstellung der Inquisition und Haftentlassung, oder, wenn die Inzichten doch zu schwerwiegend wären, eher auf eine ausserordentliche Bestrafung zu erkennen, als auf das harte Zwangsmittel der Tortur anzutragen. Sollten jedoch die Beschuldigungen auch zu diesem nicht ausreichen, jedoch immerhin ausreichend genug sein, um den Verdacht nicht ganz zu beseitigen, so wäre der Beschuldigte nicht einfach freizusprechen, sondern die Untersuchung nur einzustellen und der Inquisit auf freiem Fuss zu setzen, bis etwa stärkere Anzeichen sich einstellen (§ 9). Auch konnte in solchen Fällen der Reinigungseid aufgetragen werden, und die verweigerte Eidesleistung galt als Geständnis der Tat (§ 12). Eine Appellation fand in peinlichen Sachen nicht statt (XLII 1); doch konnte der Verurteilte einen Rekurs an die Fürstin richten, der jedoch nur bei Verurteilung zur Todesstrafe, Staupenschlag und Brandmarkung eine aufschiebende Wirkung hatte (§ 6), sofern der Rekurs binnen zwei Tagen bei dem Obergericht eingereicht wurde, das darüber zu bestimmen hatte, ob dieser Rekurs von vornherein abschlägig zu erledigen sei, oder ob er der fürstlichen Gnade empfohlen werden könne. Das war im Grunde genommen also nichts anderes als eine in Bitteform gekleidete Appellation, die das Obergericht abweisen konnte, ohne dabei juristische Bedenken obwalten lassen zu müssen.