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II. Kapitel.

Frankreich. – Prinz von Condé. – Jacques Clement. – François Ravaillac. – Verurteilung Ravaillacs. – Folterung Ravaillacs. – Seine Hinrichtung. – Robert François Damiens. – Sein Schreiben an den König. – Sein Gefängnis – Seine Tortur. – Damiens vor Gericht. – Tortur. – Hinrichtung. – Seine Familie. – Pichegru.

So wichtig und unerlässlich auch das Thema Hexenverfolgung für die Geschichte der Tortur ist, so wenig dürfen wir ausser Acht lassen, dass dieses grausame Untersuchungsmittel auch bei andern wirklichen und vermeintlichen oder vorgeblichen Verbrechen zur Anwendung kam. Wie dies in Deutschland geschehen ist, erfahren wir grösstenteils aus der Bamberger H. G. O., der Carolina und andern Rechtsbüchern, von denen manches noch im Nachfolgenden angeführt werden soll. Nicht minder hart, oft sogar noch viel härter, wurde in Frankreich und anderen Ländern verfahren und besonders in den zahlreichen politischen Verbrechen und Verfolgungen. Friedrich Schiller schreibt in seinem Aufsatze »Geschichte der Unruhen in Frankreich, welche der Regierung Heinrichs IV. vorangingen, bis zum Tode Karls IX.« in Beziehung auf den Prinzen von Condé: »Auf die Undurchdringlichkeit seines Geheimnisses sich stützend, und überzeugt, dass die Tortur selbst seinen Anhängern nicht entreissen könnte, was sie nicht wussten, verlangte er Gehör bei dem Könige und drang darauf, sich förmlich und öffentlich rechtfertigen zu dürfen.«

Diese und die nachfolgende Periode ist auch sonst mit der Geschichte der Tortur eng verknüpft, da letztere an den Königsmördern kräftig angewandt wurde. Jacques Clement, der Mörder Heinrichs III. (1589), entging zwar dieser Peinigung durch den Tod, den er unmittelbar nach der Tat von den herbeigeeilten Edelleuten erlitt. Dieser fanatische junge Dominikaner, das Werkzeug der Liguisten, soll unter diesen Todesstössen ausgerufen haben: »Ich preise Gott, dass ich so sanft sterbe; denn ich dachte nicht auf diese Weise loszukommen und so wohlfeilen Kaufes.« Immerhin wurde noch gegen die Leiche der Prozess angestrengt und diese auch verurteilt, von vier Pferden zerrissen, dann verbrannt und die Asche in den Fluss gestreut zu werden.

Mit Heinrich III. endete in Frankreich die Herrschaft des Hauses Valois und das Haus Bourbon kam mit Heinrich IV. zur Regierung. Auch dieser König, der besten einer, die Frankreich je besessen, endete bekanntlich 1610 durch die Mörderhand des François Ravaillac, gleichfalls ein religiöser Fanatiker, dem aber keine Verbindung mit anderen nachgewiesen werden konnte. Nachdem er verhört worden war und dabei in Abrede gestellt hatte, Mitschuldige zu besitzen, erhob sich, wie im »Neuen Pitaval« mitgeteilt wird, der Präsident des Gerichtshofes und sprach feierlich:

»Der Gerichtshof wird jetzt nach Angoulême schicken, um Deinen Vater und Deine Mutter holen zu lassen. Man wird sie in Deiner Gegenwart grausam zu Tode martern, weil Du nichts bekennen willst. Die menschlichen und göttlichen Gesetze autorisieren zu einer solchen Härte, wo es sich um ein so entsetzliches Verbrechen, wie das Deine, handelt.«

Ravaillac erwiderte: Etwas dem ähnliches sei doch noch nicht vorgekommen. Er schien sehr bestürzt über die Drohung, machte aber auch keine Miene, etwas zu bekennen.

Der Jesuit, Pater d'Aubigny, dem Revaillac zuletzt gebeichtet hatte, ward ebenfalls verhört. Er beantwortete die ihm vorgelegten Fragen nur mit den Worten: ›Ich erinnere mich niemals dessen, was man mir in der Beichte gesagt hat.‹ Alle Anstrengungen, mehr von ihm zu erlangen, waren umsonst.

So musste man zur Folter schreiten.

Man beriet, welche Tortur die schmerzhafteste sei? Ein Scharfrichter schlug vor, ihn lebendig zu schinden. Unter den Richtern schlugen einige vor, dass man die Folterwerkzeuge und den Modus von Genf in Anwendung bringe, weil er der allerschärfste sei. Diesen entsetzlichen Qualen könne kein Verbrecher widerstehen. Einige Patrioten waren dagegen; man brauche nicht zu fremden Werkzeugen seine Zuflucht zu nehmen, auch Frankreich habe deren, um den Verbrechern den Mund zu öffnen.

Man schwankte. Da erhoben sich andere Räte zur Unterstützung der Opposition, doch aus ganz anderen Gründen: Sei es auch, dass die Folter von Genf die beste von der Welt wäre, so könne man sich doch christlicherweise ihrer nicht bedienen, weil sie von Ketzern herrühre.

Diese Ansicht gab den Ausschlag. Aber die französische Folter erpresste nichts aus ihm als die Versicherung, dass er nichts mehr zu sagen habe.

Man hat auch sonst nichts Positives über Mitwisser oder Urheber seines Verbrechens, weder vor noch nach seinem Tode ermittelt. Alles, was man darüber gesagt, beruht auf Vermutungen, die freilich nahe genug liegen, aber auch ebenso täuschen konnten. Der Meuchelmord stand im Katechismus der Zeit als ein letztes Mittel zur Erreichung politischer Zwecke, er ist oft in dem entsetzlichen Parteienkampfe des ausgehenden Mittelalters und zu Anfang der Neuzeit angewandt worden. Namentlich in Frankreich hielt der Fanatismus der liguistischen Partei ihn für erlaubt und geboten, um die Ketzerei auszurotten ...

Das furchtbare Erkenntnis der Grand'chambre des Parlaments von Paris ward Ravaillac am 27. Mai publiziert. Er musste es auf seinen Knieen anhören:

»Alles erwogen, so hat der Gerichtshof erklärt und erklärt hiermit besagten Ravaillac als mit Recht und Ordnung bezüchtigt und überführt des Verbrechens der Majestätsbeleidigung, so der menschlichen als göttlichen, begangen am Oberhaupt (au premier chef), von wegen des sehr niederträchtigen, sehr verabscheuungswürdigen und sehr verwerflichen Meuchelmordes, begangen an der Person des seligen Königs Heinrich IV., sehr guten und lobenswerten Gedächtnisses; zur Sühnung dessen er ihn verdammt hat und verdammt, eine Ehrenbusse zu tun vor dem Haupttor der Kirche Notre Dame zu Paris, wohin er in einer Armensünderkarre zu führen; – demnächst daselbst, nackt, im Hemde, eine brennende Kerze, zwei Pfund im Gewicht, in Händen haltend, zu sagen und zu erklären, dass er unglückseligerweise und verräterischerweise begangen besagten sehr niederträchtigen, sehr verabscheuungswürdigen und sehr verwerflichen Meuchelmord, und getötet den besagten König und Herrn mit zwei Messerstichen in seinen Körper, worüber er Reue empfindet und um Gnade bittet Gott, den König und die Justiz; – dass er von da geführt werde auf den Grèveplatz und auf ein Schafott, welches daselbst aufzurichten, und daselbst mit Zangen gekniffen an den Brustwarzen, Armen, Schenkeln und Waden; dass darauf seine rechte Hand, in der er das Messer halten muss, mit welchem er besagten Vatermord begangen, verbrannt werde in Schwefelfeuer, und auf die Stellen, wo er gezwickt worden, geschmolzenes Blei geträufelt werde, auch kochendes Oel und brennendes Pech, desgleichen Wachs und Schwefel zusammengerührt; – welchem nach sein Körper soll zerrissen und geteilt werden durch vier Pferde; seine Glieder und sein Leib aber vom Feuer verzehrt, zu Asche verbrannt und in die Winde verstreuet. – Erklärt demnächst alle seine Güter dem Könige verfallen. Verordnet auch, dass das Haus, in dem er geboren, der Erde gleich gemacht werde, nachdem der, dem es gehört, vorher entschädigt worden, dergestalt, dass auf dem Grund und Boden, wo es gestanden, niemals wieder ein Haus gebaut werden darf; – sowie dass, vierzehn Tage nach Publikation besagten Urteils, beim Schall der Trompeten und öffentlichem Ausruf in der Stadt Angoulême, sein Vater und seine Mutter auswandern und das Königreich verlassen, mit dem Verbot, jemals dahin zurückzukehren, widrigenfalls sie gehängt werden sollen und erdrosselt, ohne dass irgend vorher etwas von einem Prozesse wider sie anhängig gemacht würde. – Verbieten wir des weitern seinen Brüdern und Schwestern, seinen Oheimen, Basen und anderen von nun ab den Namen Ravaillac zu führen, und heissen wir sie, unter denselben Strafen, einen andern Namen anzunehmen; – und dem Substitut des Generalprokurators zu publizieren und zu exekutieren gegenwärtiges Erkenntnis, unter Verwarnung, dass wir uns an ihn halten werden; und vor der Exekution besagten Ravaillacs, dass derselbe von neuem auf die Folter gespannt werde, um von ihm seine Mitschuldigen zu erpressen.«

Mit diesem Musterstück einer barbarischen Henkerphantasie ward das Andenken des humansten Königs, den Frankreich hervorgebracht, geehrt!

Ravaillac ward demgemäss noch einmal auf das Folterbett gestreckt; doch liess man ihn vorher noch einmal schwören, die Wahrheit zu sagen. Dann ermahnte man ihn: noch könne er der Tortur vorbeugen, wenn er erkläre, wer ihn zur begangenen Gottlosigkeit verführt und mit wem er darüber gesprochen. So wahr Gott ihn verdammen möge, rief er, er habe zu keinem Manne, zu keiner Frau davon gesprochen, noch zu irgend wem.

Auf der Folterbank schrie er zu verschiedenen Malen auf:

»Mein Gott! mein Gott! Mitleid mit meiner Seele! Vergebung für mein Vergehen! – Aber vergieb mir nicht, wenn ich einen Mitschuldigen habe und ihn nicht angebe. – Bei meinem Eidschwur, bei allem, was ich Gott schuldig bin und der Gerechtigkeit, ich habe ja kein Wort gesagt von meinem Vorhaben, – nicht meinem Beichtvater – niemandem!«

Man schraubte schärfer. Sein Schreien war entsetzlich!

»Mein Gott! mein Gott! Das sind die Strafen um die grossen Sünden, die ich in dieser Welt beging! – Beim allerheiligsten Glauben, ich weiss ja nichts, als was ich bekannt. – Gnade! – Lasst mich nicht an meiner Seele verzweifeln!«

Der Scharfrichter führte ihn in die Kapelle, um ihn durch kräftige Speisen für die letzten Qualen zu stärken. Die Doktoren Filesac und Gamache strengten hier umsonst ihre Überredungskunst an, um ihn zu einem Geständnis zu vermögen. Er erwiderte:

»Ich bin nicht so unglücklich, um noch etwas, was hierher gehört, zu verbergen, da ich vollkommen davon überzeugt bin, dass mein Schweigen mich von der göttlichen Gnade ausschliessen würde, auf der allein meine Hoffnung ruht. Überdem würde ich ja auch, wenn ich meine Mitschuldigen angäbe, meine unerhörten Qualen abkürzen. Ich habe furchtbar gesündigt, indem ich der Versuchung verfiel, meinen Souverän zu töten. Ich flehe dafür um Gnade beim Könige, bei der Königin, bei der Justiz, bei aller Welt. Ich flehe sie an, bei Gott für mich zu bitten, dass mein Leib allein die Strafe meiner Seele ertrage, und ich bitte inständigst, dass man mein Geständnis drucke und bekannt mache.«

Beide genannte Doktoren erfüllten diesen Auftrag und publizierten späterhin sein vollständiges Bekenntnis.

Das Urteil ward pünktlich exekutiert. In einem Karren ward Ravaillac vor die Notre Dame gebracht zur Busserklärung, von da nach dem Grèveplatz. Der Zug langte hier gegen 4 Uhr an; aber nur mit der grössten Mühe gelang es, den Verdammten bis zum Schafott zu bringen, so gross war die Menschenmasse auf diesem Platze und in den angrenzenden Strassen.

Nach dem Herkommen hätte er eigentlich auf einer Schleife dahin gezogen werden müssen, aber man durfte es nicht wagen. Das wutkochende Volk hätte sich auf ihn gestürzt und ihn zerrissen.

Anderen Nachrichten zufolge wäre Ravaillac, als er die Wut des Volkes gegen seine Person gewahrte, erstaunt gewesen. Er hatte nicht geglaubt, dass sie mit solcher Liebe an dem Ketzerkönige hingen. Das erinnert an das Attentat eines anderen Königsmörders (Tschech), wo derselbe auch verwundert die Teilnahmebezeigungen des Volkes anstaunte.

Die Prinzen des Hauses Guise sahen aus den Fenstern des Stadthauses dem Schauspiel zu. Ausser den benötigten Truppen hatten sich noch mehrere Hundert Edelleute zu Pferde freiwillig eingefunden, um das Schafott zu umstellen.

Auch die beiden Beichtväter des Verurteilten hielten zu Pferde am Schafott und unterliessen keine Überredungskünste, um Ravaillac zur Nennung seiner Mitschuldigen zu veranlassen. Später stiegen sie selbst aufs Gerüst.

Trotz der unerhörten Leiden schien Ravaillac ruhig und gefasst. Als er auf der Plattform des Schafotts angekommen, verrichtete er ein kurzes Gebet und übergab sich seinen Henkern.

Diese legten ihn auf den Rücken und banden ihm den Leib zwischen zwei kleinen Pfosten; die Füsse und die Hände wurden schon jetzt an vier Pferde befestigt.

Einer der Priester intonierte das Salve Regina! Aber er ward augenblicklich vom Volke unterbrochen. Von allen Seiten erhob sich ein Geschrei: »Kein Gebet für einen Verdammten! ... Zur Hölle mit dem Judas!«

Die Zangen glühten schon rot auf einem Feuerbecken. Der Henker ergriff sie und zwickte damit den Stöhnenden an allen im Urteil bezeichneten Teilen seines Leibes. Darauf ward seine rechte Hand, in die man das Mordmesser presste, über das Feuer gehalten und langsam bis zur Handwurzel abgebrannt. Und in dem Maasse, als die Fleischteile sich verzehrten und die Knochen sich calcinierten, goss der Henker aus kleinen Hörnern immer neuen Schwefel auf das Feuer.

Erst als die Hand und ihre Wurzel vollkommen verzehrt waren, goss er in die Wunde, welche die Zangen gerissen, kochendes Öl, siedendes Pech und zusammengeschmolzenes Wachs und Schwefel.

Während dieser langen und grässlichen Marter ward Ravaillac Zug um Zug auch noch mit der Ermahnung geplagt, seine Mitschuldigen zu nennen.

Die Hoffnung, welche die Humanität schöpft, dass er von so vielen Qualen besinnungslos dagelegen haben müsse, fällt dahin. Die Protokolle sagen: er habe mit derselben Ruhe und Fassung fortwährend auf die Frage nach seinen Mitschuldigen geantwortet, dass er keine habe!

Wenn er nun unter den unerträglichen Schmerzen, aus Verzweiflungswut, seine Henker genannt, die Präsidenten des Gerichts, die Guise, die Königin Maria, oder gar den tugendhaften Minister Sully! Wäre das Parlament, ein Gericht betört, wahnsinnig genug gewesen, darauf eine Untersuchung einzuleiten? – Oder kannten die, die ihn peinigen liessen, den Stumpfsinn des Fanatikers so genau, dass sie im voraus wussten, auch die haarsträubendste Qual könne diesem Halbmenschen, Halbtier die Lippen nicht öffnen?

Jetzt peitschte man die Pferde an. Sei es, dass man schlecht gewählt, oder dass die Zähigkeit seines Leibes so stark war als die seiner Seele, sie konnten ihn nicht zerreissen. Man peitschte und peitschte, und eine Stunde ging vergeblich hin.

Und auch jetzt noch – es ist entsetzlich, die Feder sträubt sich, es niederzuschreiben – hatte Ravaillac sein Bewusstsein noch nicht verloren. Der halb Zerrissene und Verbrannte empfahl laut seine Seele Gott.

Da sprang einer der Edelleute, die aus Ehrensache Wache hielten, als er gewahrte, dass eines der Pferde seine Kraft völlig erschöpft und trotz der furchtbarsten Peitschenhiebe nicht mehr ziehen wollte, von seinem Ross, schirrte das ermattete Pferd los und spannte seines an. Er selbst trieb.

Auch dieser heroische Patriotismus half nicht. Der Henker musste endlich zu einem Hackemesser greifen, um den Körper völlig auseinander zu trennen.

Jetzt flogen die Pferde auseinander mit ihrer blutigen Beute. Aber das Volk liess sie ihnen nicht. Auch die Stücke noch riss es in Stücke und verschleppte die grässlichen Trophäen triumphierend in verschiedene Stadtteile. Aber man liess sie ihnen nicht. Nach wenigen Stunden waren sie wieder eingesammelt und bald darauf zu Asche verbrannt.

Ravaillacs Vater hat den Tod seines Sohnes überlebt, auch der ihn betreffende Teil des Urteils musste also vollstreckt werden.«

Etwa anderthalb Jahrhunderte später, 1757, sehen wir in Frankreich wieder einen »Königsmörder-Prozess« verhandeln, der trotz aller dabei zur Anwendung gelangten barbarischen Mittel einen possenhaften Charakter trägt. Der »vielgeliebte« König Ludwig XV. war von Robert François Damiens, gleichfalls aus religiösen, verworrenen Gründen, in Versailles angefallen und mit einem Messer verwundet worden. »Man hat mir einen furchtbaren Stoss versetzt«, rief Ludwig aus. »Dieser Mensch da hat mich gestochen. Man verhafte ihn, aber tue ihm nichts Böses an.« Sehr gütige Worte, die aber, wie wir gleich sehen werden, nicht befolgt wurden. Ludwig hielt sich schon für verloren, Ärzte und Geistliche wurden herbeigeholt, doch konnten erstere nur eine unbedeutende Hautritzung feststellen.

»Zuerst ergriffen von einem Diener des Königs«, berichtet der »Neue Pitaval«, »war Damiens in die Hände der Gardes du Corps überliefert. Diese führten ihn in ihren Saal. Man zog ihn nackend aus und fand das Messer. Es hatte zwei Klingen, die eine ziemlich breit, lang und scharf, wie bei einem gewöhnlichen Taschenmesser, die andere war ein Federmesser, vier bis fünf Zoll lang. Dieser letzteren hatte er sich bedient. Er musste Zeit gefunden haben, diese Klinge zu reinigen, denn sie war nicht mit Blut befleckt. In seinen Taschen fand man 36 Louisd'or, einiges Silbergeld und ein Buch, betitelt: »Instructions et prières chrétiennes« Er sagte, er habe es von seinem Bruder in Saint-Omer erhalten.

Sobald er sich in den Händen der Gardes du Corps sah und man verschiedene Fragen an ihn richtete, rief er mehrere Male aus: »Man bewache nur den Dauphin gut! Dass der Herr Dauphin heut nur ja nicht ausgehe!«

Man drängte ihn, seine Mitschuldigen zu nennen. Er erwiderte: »Sie sind weit von hier. Man würde sie nicht mehr finden. Wenn ich sie nennen wollte, so wäre alles zu Ende.«

Man hoffte durch den Schmerz ihn auf der Stelle zu mehreren Geständnissen zu bringen. Wo das Gesetz noch die grosse Tortur zuliess, glaubten die Gardes du Corps sich zu einer kleineren auf eigene Hand in ihrem Wachtlokal berechtigt. Man brachte ihn ans Kaminfeuer und kniff ihn mit den glühend gemachten Feuerzangen an den Füssen. Der Grandprévôt des Hauses, der hinzukam, entriss ihn dieser grausamen Marter und liess ihn ins Gefängnis bringen, wo er ordnungsmässig vernommen und die Instruktion gegen ihn eingeleitet ward.

Nach mehreren Verhören übergab er nach dem am 9. Januar abgehaltenen dem Grandprévôt folgenden Brief an den König:

»Sire!

Ich bin sehr betrübt, dass ich das Unglück gehabt, mich Ihnen zu nähern; aber wenn Sie nicht die Partei Ihres Volkes nehmen, dann, ehe einige Jahre vergehen, werden Sie und der Herr Dauphin, und einige andere noch, umkommen. Es wäre betrübt, wenn ein so guter Prinz wegen der grossen Güte, die er den Geistlichen erzeigt, denen er sein ganzes Vertrauen schenkt, seines Lebens nicht sicher wäre. Und wenn Sie nicht die Güte haben, hier eben Auskunft zu treffen, und zwar binnen kurzem, dann werden sehr grosse Unglücksfälle eintreten: Ihr Reich ist nicht mehr in Sicherheit. Das ist ein Unglück für Sie, dass Ihre Untertanen Ihnen Ihre Entlassung gegeben haben, indem die Angelegenheit nicht von Ihrer Seite ausging. Und wenn Sie nicht die Güte haben, für Ihr Volk, dass man ihm die Sakramente im Todesfalle verabreicht, was Sie verweigert haben seit Ihrem lit de justice, worauf der Châtelet die Möbel des Priesters verkaufen lassen, der sich gerettet hat, dann, wiederhole ich Ihnen, ist Ihr Leben nicht mehr in Sicherheit, auf die sehr richtige Warnung, die ich mir die Freiheit nehme, Ihnen zustellen zu lassen durch den Beamten, welcher gegenwärtiges Schreiben Ihnen überbringt und in den ich mein ganzes Vertrauen gesetzt. Der Erzbischof von Paris ist die Ursach aller Verwirrung von wegen der Sakramente, die er verweigern lassen. Nach dem grausamen Verbrechen, welches ich gegen Ihre geheiligte Person begangen habe, lässt mich das aufrichtige Bekenntnis, welches ich mir die Freiheit nehme, Ihnen zu machen, auf Euer Majestät Güte und Gnade hoffen.

Damiens.

Ich vergass, die Ehre zu haben, Euer Majestät vorzustellen, wie, trotz der von Ihnen gegebenen Befehle, als Sie sagten, dass man mir nichts Böses antun möchte, dies Monseigneur den Herrn Siegelbewahrer nicht abgehalten hat, zwei Feuerzangen im Saale der Garde du Corps glühend zu machen und, indem er mich selbst hielt, zweien Garde du Corps zu befehlen, dass sie mir die Beine verbrennten. Und das ward in der Art ausgeführt, dass er ihnen Belohnung versprach, indem er den beiden Garden sagte, sie sollten zwei Reisigbündel holen und sie ins Feuer werfen, um mich dann hineinzuwerfen, und dass ohne Herrn Leclerc, der ihr Vorhaben verhindert hat, ich nicht die Ehre gehabt haben würde, Sie von dem Obigen zu unterrichten.

Damiens

Aus diesem Briefe blickt doch schon hindurch, wes Geistes Kind der unglückselige Mensch war, dem man die Ehre und die Grausamkeit erwies, einen solchen Hochverratsprozess gegen ihn anzustellen ...

Der Prévôt des Hauses befahl die Arretierung von nicht weniger als folgenden Personen: einen Julien Guermays, mit dem Damiens in Arras gelebt und der sich zufällig in Paris befand; Damiens' Frau und Tochter; seinen Bruder Louis und dessen Frau; eine Demoiselle Maré, Kammermädchen der Dame Ripandelly, welche Damiens in Abwesenheit seiner Frau aufgenommen. Auch gegen Damiens' Vater, seinen Bruder Joseph Antoine, die Frau desselben und die Witwe Colet, seine Schwester, wurden Verhaftsbefehle nach Arras und Umgegend gesandt. Warum nicht gegen alle seine Vettern und Verwandten und deren Frauen, Kinder, Dienstleute? Bei wie vielen hatte er nicht die Nächte verbracht, welche dem Königsmorde vorangingen?

Am 15. Januar verordnete der König durch einen offenen Brief, dass die Instruktion des Prozesses von der grande chambre des Parlamentes zu Paris geführt werde; alle bisherigen Akte des Prévôt seines Hauses zu Versailles wurden als zu Recht bestehend erkannt. Zur Instruktionskommission wurden ernannt de Maupeou, erster Präsident, Molé, zweiter Präsident, und die Räte Severt und Denis-Louis Pasquier, Namen, welche, trotz der Verdammung aller Aristokratie und Erblichkeit, in der französischen Justiz immer wiederzukehren bestimmt scheinen.

Ein ganzes Garderegiment musste den Königsmörder (am 18. Januar) von Versailles nach Paris eskortieren; so war man besorgt, dass seine Tat kein vereinzeltes Wagestück eines Desparado, vielmehr der Akt einer grossen Verschwörung sein könne.

Die Vorsicht, mit welcher man diesen Menschen zu behüten suchte, damit nicht allein jeder Befreiungsversuch, sondern auch jeder Selbstmordversuch verhütet wurde, übersteigt alles bis da Vorgekommene. Von aussen umgab man die Conciergerie, wo Zugänge zu derselben waren, mit zwei Reihen Palissaden. Hundert Mann Garde hielten Tag und Nacht innerhalb derselben Wacht, ihre Posten verteilend. Sie wurden alle vierundzwanzig Stunden abgelöst. Auf jedem Treppenabsatz stand eine Schildwacht und die Patrouillen durchtrabten wie ein perpetuum mobile die Höfe, Gänge und Treppen der Conciergerie – um einen verkommenen Bedienten.

Im ersten Stockwerk des Turmes von Montgommery war die Kammer, in die man Damiens gesetzt. Sie war nur 12 Fuss im Durchmesser, 12 Fuss hoch und nur durch zwei Mauerlöcher, 3 Fuss hoch und 9 Zoll breit, erhellt. Ein doppeltes Gitter verschloss sie; statt des Glases hatten sie geöltes Papier. Im Rundzimmer war kein Kamin, es wurde indes genügend erwärmt durch den eisernen Ofen, der in dem Wachtzimmer darunter fortwährend glühte, sowie durch die grosse Zahl Lichter, welche Tag und Nacht in dem Gefängnis selbst brannten. Anfänglich hatte man Talglichter gebrannt; da diese aber, nach der Ansicht der Ärzte, Damiens' Gesundheit schaden könnten, wurden sie mit Wachskerzen vertauscht.

Die Beschreibung des Bettes, auf welchem Damiens lag – es war nicht sein schlimmstes Marterbette –, nimmt in allen Berichten über die Prozedur mehrere Seiten ein.

Das Kopfkissen lag vis-à-vis der Tür, 3 Fuss von der Mauer entfernt. Das Bette selbst war auf einer Estrade angebracht, die sich 6 Zoll über den Fliesen des Bodens erhob. Alles Holzwerk daran war mit Matratzen tapeziert, namentlich die 3 Fuss hohe Kopflehne, welche zu seiner Bequemlichkeit mittels einer gekerbten Eisenstange derart eingerichtet war, dass er den Kopf höher oder niedriger legen konnte.

In diesem Bette lag nun Damiens befestigt in einem netzförmigen Geschlinge von starken Riemen aus ungarischem Leder, deren jeder 2½ Zoll breit war. Zwei dieser Riemen, mit eisernen Ringen an dem Boden befestigt, hielten die Schultern fest, zwei andere die Arme, korrespondierend mit einem, der seinen Bauch umschlang, und auslaufend in zwei Handschlingen, dergestalt ihm freie Bewegung lassend, dass er mit der Hand den Mund erreichen konnte. Auch diese mit Eisenringen am Boden befestigt. Desgleichen schnallten ihm zwei solche Riemen die Schenkel fest, dergestalt, dass von jeder Seite des Bettes drei Riemen den Körper an den Fussboden ketteten. Vom Gurt, der seinen Leib umschloss, ging aber noch ein perpendikulärer zu seinen Füssen herab und war hier wieder durch einen Eisenring am Boden befestigt. Gleichermaassen ging von den Riemen, die seine Schultern fesselten, ein Gurt über die Kopflehne und war draussen an dem Boden mit einem Ringe befestigt. Sorgsamerweise hatte man aber alle diese Ringe und Riemen, wo an Armen und Händen eine Reibung und damit Entzündung hätte entstehen können, mit Rehleder ausgestopft, damit das Opfer kühl und gesund für die Qualen aufbewahrt werde, die man ihm im gesetzlichen Wege und mit aller Kunst präparierte.

Ausserdem hatte man aus der Garde zwölf der unterrichtetsten und gewitzigtsten Sergeanten gewählt, die Tag und Nacht bei ihm Wache halten mussten; immer je vier, die alle vier Stunden abgelöst wurden, unter Anführung eines Offiziers, der es jede Stunde wurde. Die übrigen acht verweilten während dessen in einem oberen Gemache, jeden Augenblick bereit, auf das geringste Geräusch hinunterzustürzen. Diese zwölf Sergeanten verliessen erst den Turm mit Damiens selbst. Sie allein waren es, die ihn sehen und sprechen durften. Doch war ihnen aufgetragen, ihn lieber sprechen zu lassen, als sich mit ihm zu unterhalten.

Die Brandwunden, welche man ihm durch die ungesetzliche Tortur in Versailles beigebracht, waren beträchtlicher, als es anfangs schien. Mehr als zwei Monate ward er schon durch ihre Nachfolgen gezwungen, still auf dem Bette zu liegen, das er dann nur um der nötigsten Bedürfnisse willen verliess. Ausser den zwölf Sergeanten hatte man ihm zur Pflege noch vier wohlunterrichtete Soldaten bestellt, die ihn keinen Augenblick ausser Acht liessen und während der ganzen Zeit mit niemand sonst, als den zwölf in Berührung kamen.

Auch zum Essen war ein eigener Beamter ihm bestellt, der, nach Vorschrift der Ärzte, die Speise zurichtete und sie ihm eingab. Vor jedem Speiseeinnehmen musste sie aber ein Chirurg kosten, der zu diesem besonderen Zwecke im Gefängnis schlief. Denn ausserdem besuchten ihn täglich dreimal die zu seiner Gesundheitspflege vom Parlament Bestellten: der Arzt Boyer und der Wundarzt Foubert. Der letztere verband seine Wunden. Beide mussten alle Morgen dem ersten Präsidenten Bericht abstatten über seinen Gesundheitszustand.

In diesem engen Käfig selbst, vielleicht in Gegenwart der vier bewachenden Sergeanten, wurden von den vier Kommissaren fünf Verhöre mit Damiens abgehalten, vom 22. Januar bis 17. März, deren einige bis sechs Stunden dauerten.

Am 22. Januar hatte man eine grosse Entdeckung zu machen geglaubt. Im Hause der Dame Ripandelly war beim Abkehren in der Küche ein Sack mit Metall vom Rauchfang gefallen, der bei näherer Untersuchung 1206 Livres in Louisd'ors enthielt. Man glaubte dabei zugleich mysteriöse Papiere zu finden, aber es stellte sich bald heraus, dass es nichts sei, als der Rest des dem Russen gestohlenen Geldes, welches Damiens, von seiner Frau in jenem Hause aufgenommen, unbewusst derselben, an jenem Orte verborgen hatte.

Die Geschichte des Prozesses vor dem grossen Parlamentshofe, dem auch die Prinzen beiwohnten, ist bis in seine Minutien uns aufbewahrt, jedoch ohne anderes Interesse, als was man schon aus dem Obigen weiss, dass man mit einer krankhaften Begierde aus der Maus einen Elefanten zu machen suchte. Auch die Angeberlust gesellte sich dazu. Ein verkümmerter Abbé, der längst durch Enthüllungen furchtbar drohender Verschwörungen sich wichtig zu machen gesucht, versuchte seine chimärischen Denunziationen auch auf Damiens' Tat zu beziehen und setzte mehrere vornehme Personen dadurch in Bewegung, indes war man so vernünftig, nicht darauf zu achten. Auch andere Verbrecher, Diebe, die in Untersuchungsarrest sassen, schnappten nach Rettung oder einem besseren Lose, indem sie denunzierten und von Verschwörungen sprachen, in die man sie einweihen wollte; die Spur verlor sich aber oder zeigte sich bald als eine rein fingierte. Ebensowenig führten die Konfrontationen mit allen Zeugen zu anderem Resultat als dem oben angegebenen.

Der Generalprokurator schloss seinen Klageakt mit dem Antrage, dass Damiens mit derselben Strafe belegt werde, welche den Königsmörder Ravaillac getroffen, und dass er zuvor, gleich diesem, zur Nennung seiner Mitschuldigen auf die Folter gebracht werde.

Bevor man das Urteil gegen Damiens aussprach, fand eine sehr gelehrte Sitzung und Beratung darüber statt, nicht ob man die Folter überhaupt, sondern welche Folter man in Anwendung zu bringen habe. Man übergab dem Generalprokurator alle Berichte und Schriften über diesen Gegenstand und zog auch die unterrichtetsten Ärzte zu Rat. Ihr Gutachten ging nun dahin, dass unter allen Torturarten, deren der menschliche Geist in den vergangenen Jahrhunderten eine so reiche und mannigfaltige Auswahl ins Leben gerufen, eine unbedingt den Vorzug verdiene, sowohl weil sie das Leben des Gefolterten am wenigsten gefährde, zufälligen Einwirkungen am mindesten ausgesetzt und zugleich die allerschmerzlichste sei. Dies wäre aber zugleich diejenige, deren sich das hohe Parlament schon immer und für gewöhnlich bedient habe. Sie führt den französischen Namen: Question des brodequins, deutsch: Spanische Stiefeln.

Die Spanischen Stiefeln wurden aber in doppelter Art angewandt. An einigen Orten fertigte man von Pergament eine Art Stiefeln oder Schuhe, die man anfeuchtete und dann dem Beine des Inquisiten anlegte. Alsdann ward das Bein ans Feuer gebracht, und das an der Wärme trocknende Pergament schrumpfte allmählig dermassen zusammen, dass der Schmerz nicht zu ertragen war.

Dies war die sanftere Art und minder im Gebrauch. Andern Ortes, und in der Regel, nahm man vier Eichenbretter, die mit starken Stricken umwickelt wurden. Zwei dieser Bretter wurden an die innere Seite der Beine des Verbrechers gelegt, die andern beiden an die äussere. Diese Bretter mit den Beinen dazwischen schnürte man fest zusammen, dergestalt, dass die inneren Bretter sich berührten, doch nicht so hermetisch geschlossen, dass man nicht von oben die Spitze eines Keils hätte dazwischen klemmen können. Auf diesen Keil ward gehämmert, bis entweder die Beine in eine unerträgliche Presse kamen, oder die Bretter zersprangen und mit ihnen die Knochen des Beins. Der Schmerz soll dem, welchen die zusammentrocknende Haut verursachte, nichts nachgegeben haben. Bei der Zuerkennung auf Tortur ward auch zugleich auf die Zahl der Keile, welche in die Spanischen Stiefeln zu treiben wären, erkannt. Eine gewöhnliche Folter bestand aus vier, eine ausserordentliche aus acht Keilen.

Die ehrenwerten Ärzte und Wundärzte hatten noch ihre eigenen Bemerkungen und Beobachtungen hinzugefügt: in welcher Art man die Schmerzen des Gefolterten verlängern und doch zugleich noch empfindlicher herstellen könne, ohne Gefahr zu laufen, dass der Gefolterte unterliege, oder auch nur auf dem Folterbett die Besinnung verliere.

Man nahm diesen loyalen Eifer der Wissenschaft um das Königtum mit Dank an.

Desgleichen ging man, des ausserordentlichen Falles wegen, von der Regel ab, die einem Verbrecher seiner Art einen Beichtvater erst dann gewährt, wenn er zum Tode abgeführt werden soll. Nein, man schickte ihm sofort einen solchen in der Person des Dr. Gueret von der Sorbonne, Pfarrer in Paris, der ihn vor der gerichtlichen Folter moralisch foltern sollte, seine Complicen zu nennen. Die Religion ist in allen Zeiten vom Absolutismus für gut erachtet worden, ihm Polizeidienste zu leisten.

Sonnabend am 26. März erschien Damiens zum ersten und auch zum letzten Male vor dem Gericht des Parlamentshauses. Auf seinem Armensünderstuhl sass er ziemlich unbefangen der hochansehnlichen Versammlung gegenüber; er erkannte mehrere seiner Richter, es sollen sogar leichte Scherze über seine Lippen gekommen sein. Von 8 Uhr morgens bis gegen Abend dauerte die Sitzung. Noch einmal ward er über alle Hauptpunkte vernommen. Um 7 Uhr abends ward folgendes Urteil vom Pariser Parlamente publiziert:

»Der Hof, die Prinzen und die gegenwärtigen Pairs ... zu Recht erkennend über die Anklage wider besagten Robert François Damiens, erklären besagten Robert François Damiens von Rechts wegen bezüchtigt und überführt des Verbrechens der beleidigten Majestät, so der göttlichen als menschlichen, begangen am Oberhaupt, von wegen des sehr niederträchtigen, sehr verabscheuungswürdigen und sehr verwerflichen Meuchelmordes, begangen an der Person des Königs; wes zur Sühne sie ihn verdammen, eine Ehrenbusse zu tun vor dem Haupttor der Hauptkirche zu Paris, wohin er zu bringen und zu führen in einem Armensünderkarren, nackt, im Hemde, eine brennende Kerze, zwei Pfund im Gewicht, in Händen; und dort, auf seinen Knieen, soll er sagen und erklären, dass er schändlicher- und verräterischerweise begangen hat besagten sehr niederträchtigen, sehr verabscheuungswürdigen und sehr verwerflichen Meuchelmord, und verwundet den König mit einem Messerstich in die rechte Seite, worüber er Reue empfinde und um Gnade bitte Gott, den König und die Justiz; – dass er von da geführt werde auf den Grèveplatz, und auf ein Schafott, welches daselbst aufzurichten, und daselbst mit Zangen gekniffen an den Brustwarzen, Armen, Schenkeln und Waden; – dass darauf seine rechte Hand, in der er das Messer halten muss, mit welchem er besagten Vatermord begangen, verbrannt werde in Schwefelfeuer, und auf die Stellen, wo er gezwickt worden, geschmolzenes Blei geträufelt werde, auch kochendes Öl und brennendes Pech, desgleichen Wachs und Schwefel zusammengerührt; – welchem nach sein Körper soll zerrissen und geteilt werden durch vier Pferde, seine Glieder und sein Leib aber vom Feuer verzehrt, zu Asche verbrannt und in die Winde verstreut. – Erklären demnächst alle seine Güter, fahrende Habe und Immobilien, an welchem Orte sie auch seien, dem Könige verfallen. – Verordnen auch, vor besagter Exekution, dass besagter Damiens auf die ordentliche und ausserordentliche Folter gebracht werde, um seine Complicen zu nennen. – Verordnen auch, dass das Haus, in dem er geboren, der Erde gleichgemacht werde, nachdem der, dem es gehört, vorher entschädigt worden, dergestalt, dass auf dem Grund und Boden, wo es gestanden, nie wieder ein Haus gebaut werden darf ... Gegeben im Parlament, in der versammelten Grande chambre, am 26. März 1757.

Richard

Das Urteil ist uns bekannt; es ist fast Wort für Wort abgeschrieben dem Parlamentsurteil gegen Ravaillac. Was man 1610 hinnahm ohne Schaudern, weil es das Produkt einer noch barbarischen Sitte war, wie nahm man es 1757 hin? In hundertsiebenundvierzig Jahren war die Sitte eine andere geworden!

Und Ravaillac hatte seine Tat vollbracht, Damiens nur ein Attentat!

Den Lump Damiens dem Fanatiker Ravaillac an die Seite zu stellen, war den Richtern schon eine schwere Aufgabe; in ihrem Loyalitätseifer hatten sie vergessen, dass man damit das Mass des vierten Heinrich auch an den fünfzehnten Ludwig legen könne. Schwerer konnten sie sich nicht gegen ihren König versündigen.

Montag am 28. März ward Damiens, morgens 6 Uhr, in die Folterkammer gebracht. Seine militärische Wache übergab ihn fortan dem Leutnant des Chatelet.

Der Greffier Lebreton las ihm hier sein Urteil noch einmal vor. Er hörte es aufmerksam und unerschrocken an und sagte nur: »Das wird heute ein heisser Tag werden.«

Von diesem Lebreton hat man eine Broschüre, welche aufs umständlichste alle Begebenheiten dieses Prozesses mit samt allen Momenten der Tortur berichtet. Einige wörtliche Auszüge aus dem Protokoll über letztern mögen hier folgen:

»Im Jahre 1757, Montag den 28. März, 6 Uhr morgens, sind wir Alexander André Lebreton, Advokat des Gerichtshofes u. s. w., begleitet von u. s. w., in die Folterkammer gestiegen, allwo seiend wir aus den Gefängnissen der Conciergerie des Palastes entnehmen und vor uns führen lassen François Robert Damiens, Angeschuldigten, und haben selbigem, auf den Knien liegend, vorlesen lassen das am 26. gegenwärtigen Monats gegen ihn ergangene Erkenntnis, lautend ... Und ist augenblicks darauf der Verurteilte ergriffen und vom Exekutor gebunden worden. Als worauf wir, unterzeichneter Greffier, gegangen sind, um Rechenschaft abzustatten den kommittierten Herren Präsidenten und Räten des Hofes, auf welche Nachricht wir, René Charles de Maupeou und Mathieu François Molé, Ritter, Mitglieder des Staatsrates, erster und zweiter Präsident des Parlamentshofes, Aimé Jean Jacques Savert und Denis Louis Pasquier, Rapporteure, Jean Baptiste Cerentin Lambelin und Pierre Barthelemi Rolland, Räte des Königs in seinem Parlamentshofe, der Grande chambre, ernannte Kommissare in dieser Sache, hinaufgestiegen sind in die Folterkammer, begleitet von bemeldetem Lebreton, allwo seiend wir vor uns kommen liessen besagten Robert François Damiens, Verurteilten, welcher, auf den Knien liegend, geschworen, dass er die Wahrheit sagen will, die Hand auf dem Evangelium und gesetzt auf den Schemel ...

Aufgefordert, zu erklären, in welchem Momente er das Vorhaben gefasst, vatermörderische Hand anzulegen an den König, hat er gesagt, es sei die böse Aufführung des Herrn Erzbischofs der Anlass, und dass er schon vor drei Jahren den Gedanken gefasst.

Befragt, ob der Entschluss ihm von jemand anderm eingegeben worden, hat er gesagt, ihm sei es eingegeben von aller Welt, die er darüber sprechen gehört ...

Befragt, ob er nicht zu Playoust gesagt, am Orte Poperingue, dass er sich dem Lande nicht accomodieren könne, dass er nach Frankreich zurück müsse, und ob er nicht auch gesagt: »Ja, ich werde dahin zurückkehren, ich werde daselbst sterben und der Grösste wird auch sterben«, hat er erwidert, dass er diese Worte gesprochen.

Befragt, was er sich dabei gedacht, hat er erwidert, dass das Bezug gehabt auf sein Vorhaben und dass ihm dasselbe nicht mehr aus dem Kopfe fortgewollt.

Befragt, was ihn denn von Arras nach Paris zurückgeführt, da er doch gewusst, dass er bei der Justiz angegeben worden, von wegen seines Diebstahls, verübt am Sieur Michel, und ob es nicht gewesen, um sein Verbrechen zu begehen, hat er geantwortet, er sei gekommen, um sein Verbrechen auszuführen, da er es schon lange im Sinne gehabt.

Befragt, ob kein weltlicher oder kein Ordensgeistlicher ihm den Gedanken eingegeben, hat er gesagt, dass ihm niemand den Gedanken eingegeben, dass er aber viele der geistlichen Herren übel habe reden hören.

Befragt, worin denn das Böse bestanden, was diese Geistlichen gesprochen, hat er geantwortet, er habe von ihnen gehört, dass der König grosse Gefahr laufe, wenn er nicht der bösen Aufführung des Herrn Erzbischofs Einhalt tue.

Hat man ihm vorgestellt, dass man solche gefährliche Reden (!) nicht vor Leuten führe, die man nicht kenne, dass er also Verbindungen mit ihnen gehabt haben müsse, und er solle sie nur nennen, hat er geantwortet, dass er keine andern Verbindungen mit ihnen gehabt, ausser dass er sie alle Tage im Palais gesehen, und übrigens wisse er nicht ihre Namen ...

Befragt, was er denn unter den in seinem Briefe an den König gebrauchten Worten verstehe: ›Das ist ein Unglück für Sie, dass Ihre Untertanen Ihnen ihre Entlassung gegeben haben, indem die Angelegenheit nicht von Ihrer Seite ausging‹, hat er geantwortet, dass die Angelegenheit nicht vom Parlamente kommen konnte, sondern von Seiten des Erzbischofs, der angefangen habe, indem er die Sakramente verweigert und Billets in die Sakristeien geschickt ...

Hat man ihm vorgestellt, wie das, was von Seiten des Herrn Erzbischofs geschehen, niemals einen Menschen seines Schlages bestimmen könne, sein Verbrechen zu begehen; hat er darauf gesagt, dass er nichts anderes zu sagen wisse, ausser dass, wenn er die Sakramente nicht verweigert hätte, das auch nicht geschehen wäre ...

Befragt, ob ihm selbst etwa das Sakrament verweigert worden wäre, oder einem seiner Verwandten und Freunde, hat er nein geantwortet, er habe sich garnicht darum gestellt ...

Und wurde nun der Verurteilte auf dem Schemel festgebunden.«

Dieses Verhör hatte schon eine und eine halbe Stunde gedauert. Damiens' Festigkeit war keinen Augenblick gewichen. Jetzt klemmte man seine Beine in die Stiefelbretter und schnürte die Stricke so fest zu, wie es bisher nie geschehen war. Diese Pressung war vielleicht schon der schmerzhafteste Augenblick der Tortur. Damiens stiess entsetzliche Schmerzenslaute aus. Er schien in Ohnmacht zu fallen; aber Arzt und Wundarzt erklärten, es sei keine wirkliche Ohnmacht. Damiens forderte zu trinken. Man gab ihm Wasser. Er wünschte es mit Wein vermischt: »Ich brauche hier Kraft.« – Wir fahren im Protokoll fort:

»Und nachdem er den Eid geleistet und befragt worden, wer ihm sein Verbrechen eingegeben, hat er gesagt, dass es der Erzbischof sei, durch alle seine schlimmen Praktiken, und hat gerufen: ›Herr, ich flehe um deine Gnade!‹

Befragt, wer seine Complicen seien, hat er gesagt, er sei es allein ...

Hat man ihm vorgestellt, wie dies nur der Anfang seiner Schmerzen wäre, dass er sie lindern könne, wenn er seine Complicen nenne, und hat er aufgeschrien: ›Dieser Schuft von Erzbischof!‹«

Diese Vortortur hatte etwa eine halbe Stunde gedauert, bis man zur Einhämmerung des ersten Keiles schritt. Auch diese Verzögerung war nicht ohne wissenschaftliche Berechnung. Das Fleisch der Beine sollte inzwischen durch die Pressung schwellen und sich inflammieren, damit es desto empfindlicher werde für den nachfolgenden Schmerz. Als der erste Keil nun wirklich hineinschmetterte, stiess der Gefolterte zwar einen entsetzlichen Schmerzenslaut aus, es geschah aber ohne den Ingrimm, dem er bei den früheren Aussagen Luft gemacht. Das Protokoll fährt fort:

»Befragt, wer ihn denn bewogen, sein Verbrechen zu begehen, hat er gesagt, dass jedermann davon gesprochen, und dass man ihm gesagt: den König umbringen, damit wäre alles zu Ende; und dass ein gewisser Gautier, ein Geschäftsmann, wohnhaft bei Monsieur de Ferrières, rue des Maçons, solche Reden in der Zeit da geführt ...

Befragt, wo er denselben gesprochen, hat er gesagt, dass er denselben in der rue des Maçons gesprochen, in Gegenwart des Sieur de Ferrières, seines Herrn ...«

Dies war das erste Mal, dass er beide Männer nannte. Augenblicklich wurden Kommissare ausgesandt, um beide Männer herbeizuführen. Inzwischen ward die Tortur fortgesetzt.

Beim vierten Keile schrie er auf: »O Herr des Himmels! Meine Herren!« – Weiter nichts. Es ward der fünfte Keil, der erste der ausserordentlichen Folter, hineingetrieben.

»Aufgefordert, seine Complicen zu nennen, hat er gesagt: wie er des Glaubens gewesen, ein dem Himmel wohlgefälliges Werk zu verrichten, und alle Priester, die er im Palais gehört, hätten dasselbe gesagt ...

Aufgefordert, die Namen dieser Priester zu nennen, hat er gesagt, dass er sie nicht kenne ...«

Es kam der sechste Keil an die Reihe.

»Hat man ihm vorgestellt, dass seine allgemeinen Ausrufungen zu nichts dienten, und dass er persönlich seine Complicen zu nennen habe, hat er gesagt: er habe keine.«

Der achte und letzte Keil.

»Befragt, wer denn von seiner Schwäche des Geistes Nutzen gezogen und ihn gereizt, das Verbrechen zu begehen, hat er gesagt, dass er es allein sei.

Hat man ihm vorgestellt, dass das garnicht sein könne; da hat er mehrmals aufgeschrien: ›Herr, mein Gott!‹

Und auf den Rat, den uns die Ärzte und Chirurgen dieses Hofes gegeben, dass der Verurteilte itzo in Gefahr für sein Leben sei, sintemalen die Folter schon ein und eine halbe Stunde angedauert, ist er losgebunden und auf die Matratze gelegt worden ...

Aufgefordert nochmals, die Namen derer zu erklären, welche ihn zu der Tat gereizt, hat er gesagt, dass es der benannte Gautier sei, rue des Maçons, und die Anderen, die er im Palais reden gehört ...

Nachdem ihm nun dieses Protokoll vorgelesen worden, hat er bei allem, ernstlich ermahnt, dabei beharrt, dass es der Wahrheit gemäss sei, und hat nichts hinzufügen wollen, und hat erklärt, dass er nicht lesen und schreiben könne.«

Gautier ward herbeigeführt. Man las ihm Damiens' Erklärung vor, und er zeigte ein ausserordentliches Erstaunen und leugnete alles entschieden. Da aber Damiens ebenso auf seiner Erklärung bestand, dekretierte die Untersuchungskommission sofort seine Verhaftung. –

Bald darauf ward auch Lemaistre de Ferrière dem Gericht gestellt. Dieser leugnete ebenso bestimmt, bei einem Gespräche gegenwärtig gewesen zu sein, das Gautier mit Damiens gehalten haben wollte. Da Damiens in Bezug auf diesen schwankender zu sein schien, liessen die Kommissare de Ferrières wieder los.

Noch hoffte man durch geistlichen Zuspruch von dem Zermarterten etwas zu erpressen. Der Pfarrer von Saint-Paul ward ihm zugeführt und Damiens blieb mit ihm in der Folterkammer beinahe eine Stunde allein. Alsdann ward er in die Kapelle der Conciergerie hinuntergeschafft und der Bearbeitung des Doktors der Sorbonne de Marcilly übergeben. Nach einer Stunde kam auch noch der Pfarrer von Saint-Paul zum zweiten Mal hinzu, um die geistliche Folter fortzusetzen. Hierauf heisst es im Protokoll:

»Und besagten Tages, ein Uhr nachmittags, sind wir, unten benannter Greffier, in Beistand bemeldeter Huissiers des Hofes, in die Kapelle der Conciergerie hinabgestiegen; und nachdem wir uns bemeldetem Verurteilten genähert, haben wir ihn gefragt, ob er keine Deklarationen weiter zu machen habe, und gesagt, dass bemeldete Kommissare bereit seien, dieselben entgegenzunehmen. Hat derselbe Verurteilte nur darauf erwidert, dass er keine Erklärungen weiter zu machen habe, als wovon ich dem Herrn Präsidenten und den Kommissaren Notiz zukommen lassen. Und nachdem ich darauf in die Conciergerie zurückgekehrt bin, um die Anordnungen zur Exekution zu erteilen, auch die Bitten gesungen und die Benediktion des heiligen Sakramentes in besagter Kapelle gegeben worden, ward der Verurteilte an das Tor der Conciergerie geführt, allwo ich ihm vorlesen liess das Urteil des Gerichtshofes, in Gegenwart des Volkes, nachdem der Exekutor vorher mit lauter Stimme Achtung geboten. Von da ist er geführt worden in einem Karren vor das Haupttor der Kirche von Paris, und nachdem er angekommen und abgestiegen, hat er die Ehrenbusse getan und die Worte gesprochen, wie das Urteil sie festsetzt. Nachdem er dann wieder in den Karren gestiegen, ist er auf den Grèveplatz geführt, allwo ich das Urteil in Gegenwart des Volkes verlesen liess. Und nachdem ich mich nochmals besagtem Verurteilten genähert, habe ich ihm gesagt, dass es jetzt Zeit sei, zu zeigen, dass er von den heilsamen Ratschlägen Vorteil gezogen, welche die weisen Pfarrer und Doktoren dort in der Kapelle der Conciergerie ihm erteilt, indem sie ihm in seinen letzten Momenten beistanden; – dass für ihn, Verurteilten, der seine blutigen und vatermörderischen Hände gelegt an den Gesalbten des Herrn, auf den besten der Könige (!), die grausamen Martern, deren Werkzeuge er jetzt vor sich sähe, kaum ausreichten, um der menschlichen Gerechtigkeit genug zu tun; – dass die göttliche Gerechtigkeit ihm ganz andere grössere und ewige Martern aufspare, wenn er in seiner obstinaten Weigerung verharre, seine Complicen anzugeben; – dass er endlich gestehen möge, um sein Gewissen zu entlasten, um Busse zu tun vor der Gerechtigkeit und der Wahrheit, und die Ruhe und den Frieden im Staate herzustellen, dessen Heil in der geheiligten Erhaltung Seiner Majestät bestehe. – Und habe ich ihm zu verstehen gegeben, dass der Herr Präsident und die Herren Kommissare sich in das Stadthaus begeben, um seine Erklärungen entgegenzunehmen. Und da Verurteilter mir nun erklärt, dass er mit den Herren Präsidenten und Kommissaren zu sprechen habe, habe ich ihn vor sie führen lassen.«

Schon seit mehreren Tagen hatte man zu dem grossen Augenblick, wo man seit hundertundfünfzig Jahren wieder einen Königsmörder in Paris zu Tode martern konnte, die Vorbereitungen getroffen. Auf dem Grèveplatz war ein Raum von hundert Fuss im Geviert mit Pallisaden abgesteckt worden. Er hatte nur zwei Eingänge, einen im Winkel, durch welchen das Opfer hineingebracht werden sollte; der andere, gleichfalls pallisadiert, ging in das Stadthaus. Von innen und aussen war dies Quarré stark mit Soldaten besetzt. Auf allen Zugängen zum Grèveplatz standen an den Ecken Pikets der Garde; eben desgleichen auf dem ganzen Wege von der Conciergerie nach der Notre-Dame. Überhaupt waren alle Plätze in Paris militärisch besetzt, um einem möglichen Aufstande vorzubeugen, der sich zu Gunsten des Mörders des besten aller Könige erheben könnte.

Im Stadthause sassen schon gegen 3 Uhr nachmittags die Untersuchungskommissare mit den erwähnten Geistlichen. Sie ermahnten nun noch einmal den armen Sünder, den letzten Augenblick zu benutzen, um alles zu erklären, was er wisse. Ununterbrochen reichten ihm dabei die Doktoren der Sorbonne das Kruzifix, und er küsste es jedesmal mit Respekt.

»Und nachdem ihm nun der Eid abgenommen (zum wievielten Male?), dass er die Wahrheit sagen wolle, hat er gesagt, dass, um sein Gewissen zu entlasten, er sich verpflichtet halte, zu erklären, dass – er den Herrn Erzbischof beleidigt habe, dass es ihm leid tue, und dass er ihn deshalb um Verzeihung bitte; dass er uns seine Familie empfehle, die ganz unschuldig sei, während er doch hartnäckig dabei verharrte, zu erklären, dass es weder ein Komplott gebe, noch dass er Complicen habe. Und das ist alles, was er gesagt, dass er uns zu erklären hatte.«

Und aller Wahrscheinlichkeit nach hatte er auch nichts mehr zu erklären. Hatte man doch das letzte dem unseligen Zerquetschten und Zermarterten ausgepresst, was sich nicht im Winkel seines Herzens, sondern seiner Angst fand, eine Abbitte gegen den Erzbischof, wahrscheinlich das milde Werk der gelehrten Doktoren der Sorbonne, die ihm einen Wink hinwarfen, wie er seine Blutsauger befriedigen könne, zugleich für ihren Herrn und Gebieter dabei Sorge tragend.

Psychologisch bleibt hier wohl kein Rätsel. Ganz Frankreich verwünschte den fünfzehnten Ludwig; der Wunsch, dass er zur Hölle fahre, mag tausendfältig in den Spelunken, in den Bürgerhäusern und in den Palästen den Lippen entschlüpft sein. Aber welcher vernünftige Mensch hätte sich, abgesehen von Religion und Moralität, in ein Komplott einlassen können, um einen solchen Lumpenkönig aus der Welt zu schaffen! Damiens war kein vernünftiger Mensch in diesem Sinne. Ein verlaufener Bedienter, von Jugend auf bösartigen Sinnes, schwarzen Blutes, von dunklen melancholischen Bildern verfolgt, die in seinem Müssiggang, in seinem Herumtreiben Nahrung fanden, ohne irgend ein Gegengewicht durch sittliche Eindrücke oder Kenntnisse begeht er einen grossen Diebstahl, vielleicht ein erstes wirkliches Verbrechen, dessen Grösse so auf ihm lastet, dass er von da ab unfähig erscheint, irgend etwas vorzunehmen und einen Lebensplan, selbst den eines Verbrechers, zu ergreifen. Wie oft kommt es vor, dass nichtswürdige Menschen dieser Art sich für vom Schicksal bestimmt halten, ein Verbrechen zu begehen, weil sie der Kraft ermangeln, sich zu Besserm aufzurütteln. Sie sehen überall Schickungen, Weisungen, weil es bequem ist und sie vor dem Nachdenken schützt, was sie vor sich selbst vernichten würde. Da hört er jene tausendfältigen Stossseufzer des elenden Landes, ohne den Grund zu begreifen, er hört die Klagen, die all das Elend auf einzelne unbedeutende Ereignisse in der miserablen Tagesgeschichte jener Zeit zurückverweisen, auf den Streit der Parlamente mit dem König, auf den Hader des Erzbischofs mit dem Parlament und dem Klerus, auf die Sakramentsverweigerung, alles kleinliche Ereignisse, die fast so untergegangen sind im Strome der Zeit, dass wir Mühe haben, uns ihrer zu entsinnen. Das schnappt sein unklarer Geist auf, ohne alle Kenntnisse der Verhältnisse, und in jenem düstern Drange sich schneller an den Abgrund des Verderbens zu rollen, wohin er doch über kurz oder lang muss, schiesst es ihm durch den Sinn, dass er in dem Verlorengehen noch eine heroische Rolle spielen könne. Wie verwirrt seine Begriffe waren, davon gibt sein Brief an den König die deutlichste Auskunft; auch alle seine Antworten vor Gericht. Er ist unfähig, sich selbst darüber Rechenschaft zu geben, alle Folterqualen bringen ihn auch zu keiner Aufklärung, da es chaotisch-simpel in seinem erbärmlichen Innern aussieht. Dabei aber sei nicht gesagt, dass er verrückt und so unzurechnungsfähig gewesen, um aller Strafe zu entgehen, denn selbst in dieser, seiner Versessenheit kommen ihm lichte Blicke, und er fühlt, dass er vielleicht etwas tun könne, um sich freizumachen, und in Verbindung mit der Furcht vor sich selbst, verlangt er wiederholt Aderlässe. Es ist garnicht unmöglich, dass, wenn man ihm am 4. Januar in Versailles einen Aderlass gegeben, er am 5. dem Könige nicht aufgelauert und Frankreich die Schande seines Prozesses und seiner Hinrichtung erspart worden wäre.

Nachdem die Kommissare der Überzeugung geworden, dass sie nichts mehr erpressen konnten, sandten sie ihr Opfer auf den Grèveplatz. Trotz aller Folterqualen war es durch die vorangängige und sie begleitende diätetische Behandlung so wohl konserviert, dass sie dem Henker zu den neuen Qualen ein menschliches Wesen überlieferten, welches leiblich und geistig vollkommen empfänglich für dieselben war. Das hatte der Scharfsinn der Wissenschaft bewirkt, zu Frommen und Ehren der Legitimität, im philosophischen neunzehnten Jahrhundert!

In einzelnen Schriften findet sich die Angabe, dass man Damiens beim Hinuntersteigen vom Stadthause einen Becher auf das Treppengeländer gestellt mit schnell wirkendem Gifte. Wer die Wohltäter gewesen, wird nicht gesagt. Die Firma war: ein letzter Labetrunk vor dem letzten Gange. Er verstand den Liebesdienst nicht und ging vorüber. In den aktenmässigen Mitteilungen findet sich nichts davon.

Damiens musste am Fusse des Schafotts noch eine geraume Zeit warten. Der Scharfrichter war mit allen Vorbereitungen noch nicht fertig. Es kostete ihm einige Tage Gefängnis!

Das Schafott selbst war 8-9 Fuss lang und breit, etwa 3½ Fuss über der Erde in der Mitte des Platzes erbaut.

Als man den Delinquenten entkleidete, will man bemerkt haben, dass er alle seine Glieder mit Aufmerksamkeit betrachtete. Festen Blickes sah er sich um nach den Massen Volkes, welche den Platz, die Fenster und die Häuser bedeckten.

Mit Eisenringen an Armen und Schenkeln ward er an das Schafott befestigt.

Noch einmal musste der Scharfrichter Achtung laut ausschreien, worauf dem Volke noch einmal das Urteil verlesen ward.

Als ihm die Hand in der vorgeschriebenen Weise abgebrannt wurde, stiess Damiens einen so fürchterlichen Schrei aus, dass man ihn in den entferntesten Gassen hörte. Einen Augenblick darauf hob er den Kopf auf und betrachtete die brennende Hand eine Weile, ohne doch seinen Schrei zu erneuern, auch ohne Verwünschungen oder Bitten.

Es heisst ferner im Protokoll:

»Da haben wir uns dem Verurteilten genähert und haben ihn von neuem ermahnt, seine Complicen anzugeben, und haben ihm zu verstehen gegeben, dass die Herren Präsidenten und Kommissare des Hofes sich gern hergeben würden, um seine Erklärungen entgegenzunehmen, wenn er deren zu machen hätte. Welcher Verurteilte uns aber erklärt, dass er keine Complicen habe, auch keine weiteren Erklärungen zu machen. Im selben Augenblicke wurde besagter Verurteilter gezwickt an den Brustwarzen, Armen, Schenkeln und Waden, und auf die bezeichneten Stellen demnächst geträufelt geschmolzen Blei, kochendes Öl, brennendes Pech, Wachs und Schwefel zusammengeschmolzen, während welcher Leiden der Verurteilte zu mehren Malen geschrien hat: ›Mein Gott! Kraft, Kraft! – Herr, mein Gott, habe Mitleid mit mir! – Herr, mein Gott, was ich leide! – Herr, mein Gott, schenke mir Geduld!‹

Bei jedem Zuschnappen der Zange stiess er einen entsetzlichen Schmerzensschrei aus; aber wie er es beim Verbrennen der Hand getan, betrachtete er darauf jedesmal die Wunde und der Schrei hörte auf, sobald die Zange zurückgezogen war.

Endlich schritt man dazu, die Arme, Beine und Schenkel an die Pferde zu befestigen. Diese Präparation dauerte lange. Da die notwendigerweise festgeschnürten Stricke die frischen Wunden berührten, entlockte ihm das neue Schmerzenslaute. Dennoch hinderte dies den Unglücklichen nicht, sich immer mit derselben Neugierde zu betrachten.

Die angepeitschten Pferde rissen. Es war der entsetzlichste Schrei, den man aus dem Munde des Opfers gehört. Die Glieder wurden zu einer unglaublichen Länge gedehnt; aber sie rissen nicht. Die Tiere waren jung und stark, eigens dazu ausgesucht, aber der Körper wollte nicht auseinander. Der Akt dauerte schon eine Stunde und es war noch kein Ende abzusehen.

Da traten Ärzte und Wundärzte zusammen und erklärten, die Vierpferdekraft möchte die Glieder ins Unendliche und Unförmliche recken und dehnen, ohne dass sie doch stark genug wäre, dieselben wirklich auseinander zu reissen, insofern man sich nicht entschliesse, die Hauptnerven zu durchschneiden.

Da traten Präsident und Kommissare zusammen und ratschlagten. Das Gutachten der Ärzte war nicht zu widerlegen. Zudem ward es schon dunkel. Es war ein Schauspiel, das jeder sehen sollte, zur Abschreckung und Warnung; in der Nacht hätte man es nicht gesehen. Sie erteilten also den Befehl, mit scharfem Stahl die Amputation zu erleichtern. Darauf zerschnitt man die Sehnen unter den Armen und an den Hüften.

Damiens war noch nicht tot. Seine gläsernen Augen stierten noch auf die neue Operation. Er behielt noch das Bewusstsein, wird uns berichtet, bis die beiden Schenkel und ein Armgelenk durchschnitten waren. Zum Schmerzensschrei scheint ihm die Lungenkraft ausgegangen zu sein. Erst bei der Trennung des zweiten Armes vom Rumpfe verschied er. Man spannte die Pferde an, und zuerst löste sich ein Schenkel, dann ein Arm.«

Das Protokoll schliesst:

»Zogen darauf die vier Pferde, und nachdem sie mehrmals angespornt, ist er zerrissen worden, und nachdem seine Glieder und der tote Rumpf auf den Scheiterhaufen geworfen worden, haben wir davon Rechenschaft abgestattet den Herren Präsidenten und Kommissaren und sind geblieben auf besagtem Grèveplatz bis zur vollkommenen Vollstreckung des Urteils. Und dieses ist das Protokoll, von uns aufgenommen über besagte Hinrichtung. Geschehen am Tage und Jahre wie oben, und von uns unterzeichnet.

Lebreton

So musste Robert François Damiens sterben, weil er einen König mit einem Federmesser geritzt hatte, am 28. März 1757!

In der Nachwelt hat sich niemand gefunden, der Damiens verteidigt hätte; aber auch kaum einer, der für Ludwig XV. das Wort geführt. König und Königsmörder auf eine Sünderwage getan, wer wog schwerer?

Wie das Urteil und seine Vollstreckung auf die Nation nachgewirkt, davon spricht die Geschichte.

Vor Nachtanbruch war das Schauspiel zu Ende. Die Zuschauer konnten noch ins Theater gehen. Was am Abend des 28. März 1757 im Théâtre français gegeben ward, ist uns nicht berichtet.

Am Morgen des nächsten Tages, 9 Uhr, sah man die Richter wieder in der Grande chambre versammelt. Der Greffier las ihnen das Folter- und Exekutionsprotokoll vor.

Darauf ward das Urteil gefällt, bezüglich der Familienmitglieder Damiens'.

Sein alter Vater, seine Frau und seine Tochter wurden auf ewig aus dem Königreiche verbannt, unter Androhung der Todesstrafe, wenn sie sich je wieder blicken liessen. Der alte Vater um den verlorenen Sohn, das Weib um den Mann, der sie verlassen, die Tochter um den Vater, den sie kaum gekannt, verdammt, am Bettelstabe über die Grenze zu wandern.

Seine Brüder und seine Schwestern mussten ihre Namen ändern; das Haus, wo er geboren, ward niedergerissen.

Dann beschäftigte man sich mit Gautier, dem Geschäftsmann, welchen Damiens auf der Folter genannt. Durch ein Arrêt vom 23. April ward beschlossen, dass ein Jahr hindurch gegen ihn inquirirt werden solle. Während dessen sollte er im Gefängnis bleiben.

Ein Geschichtschreiber, Dampmartin, sagt: »Diese traurige Angelegenheit machte im Lande nur einen massigen Eindruck. Der König, tief gekränkt über eine Gleichgültigkeit, die so sehr abstach gegen die Liebe, von der er früher so rührende Beweise erhalten, bekam einen Widerwillen gegen seine Untertanen, die er des Leichtsinnes anklagte; aber der Schlag war geschehen, er liess sich nicht rückgängig machen.«

Ein anderer Geschichtschreiber sagt: »Ueberall fragte man nach Neuigkeiten über den Monarchen, man wollte gern alle kleinen Umstände dieser unglaublichen Katastrophe kennen lernen; aber es war nur Neugierde, kein Interesse. Man war mehr betroffen als betrübt. Das Herz nahm keinen Anteil an der Geschichte; die Tränen flössen nicht, die Kirchen waren leer. Welche Lehre für Ludwig XV., wäre er ihrer fähig gewesen, wenn die Schmeichelei nicht sein Ohr vor den wahren Gefühlen seines Volkes verschlossen hätte?«

Vom Messer eines Damiens nicht getroffen, musste er, angesteckt von einem jungen Mädchen im Hirschpark, an den Pocken sterben. Das schien ein würdigeres Ende eines solchen Lebens.«

Es war dies, wie kaum erst hervorgehoben zu werden braucht, nicht das letzte Attentat auf fürstliche Persönlichkeiten und nicht der letzte Königsmörderprozess in Frankreich. Die nachfolgende Zeit hatte, bis zu dem 1870 erfolgten Ende der Fürstenmacht in Frankreich, eine stattliche Reihe solcher Vorkommnisse zu verzeichnen. Ob und in welcher Weise auch bei diesen die Tortur zur Erzwingung von Geständnissen angewandt wurde, ist freilich unbekannt geblieben. Von der Hand zu weisen sind aber derlei Vermutungen nicht. Der Tod Pichegrus z. B., der sich 1803 mit Cadoudal zur Ermordung Napoleons verbunden hatte und, verhaftet, am 28. Februar 1804 im Gefängnis erdrosselt aufgefunden wurde, lässt annehmen, dass selbst nach der vielgepriesenen grossen Revolution von den Machthabern in Frankreich keine Mittel gescheut wurden, die geeignet schienen, gefährliche Feinde zu beseitigen oder von Verdächtigen oder Beschuldigten die Nennung ihrer Mitschuldigen und noch andere Angaben zu erzwingen.


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