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IX. Kapitel.

Hexenprozesse im achtzehnten Jahrhundert. – Berlin. – Friedrich Wilhelm I. – Letzte Hexenprozesse in Preussen. – Peinliche Halsgerichtsordnung Josefs I. – Salzburg. – Coesfelder Prozess. – Maria Renata Sängerin. – Anna Göldi. – Hexenpater. – Letztes Todesurteil wider eine Hexe in Deutschland. – Schwägelin. – Hexenverbrennung in Polen. Letzte Hexenverbrennung in Europa. –

Das achtzehnte Jahrhundert zeigt uns bereits, was die Hexenverfolgungen betrifft, schon zu seinem Beginn eine erfreuliche Wendung, wenn auch die Tortur im Strafverfahren noch sonst mit voller Strenge waltete. Bei Beschuldigungen von Mord, Brandstiftung, Diebstahl und dergl. sehen wir sie fast überall zur Anwendung gelangen, sofern der Beschuldigte es nicht vorzog, ein uneingeschränktes Geständnis zu machen. Dass dieses zuweilen auch entgegen den Thatsachen, nur aus Furcht vor der Marter geschah, bekundet auch der im letzten Kapitel erwähnte Prozess zu Genf, der dort der Hauptgrund zur Aufhebung der Tortur wurde. In Deutschland kamen zu jener Zeit hauptsächlich folgende Foltermittel in angegebener Reihenfolge zur Anwendung: Daumschraube, Schnüren, Spanischer Stiefel, wozu sich gelegentlich und an manchem Ort Aufziehen oder Strecken als Viertes gesellte. Es wurde damit zumeist sehr hart verfahren, aber dennoch kam es nunmehr schon öfter vor, dass der Torquierte oder die Torquierte alle diese Martern überstand, ohne zu einem Geständnis gebracht werden zu können, wie aus zahlreichen in jener Zeit erschienenen Schriften zu ersehen ist. Ein von Pastor Schmid, Prediger zu St. Nikolai in Berlin verfasstes Schriftchen: »Das über vier Malefitz-Personen ergangene Justiz-Rad ... die alle vier allhier vor Berlin Anno 1725 den 21. Febr. damit vom Leben zum Tod gebracht wurden«, enthält auch die Abbildungen dieser vier »Malefiz-Personen« mit Versen. Unter dem Bildnis eines der Angeschuldigten, Christoph Kranichfelden, befinden sich die Verse:

Ein rechter Harlequin war dieser Hauptverbrecher,
Der auf der Folterbank noch immer Chosen trieb,
Und in der Bosheit Kraft fast bis ans Ende blieb,
Doch ward er noch zuletzt ein gut bekehrter Schächer.

Wie aus dem Text hervorgeht, benahm er sich in der Tat bei den Vorbereitungen zur Folter prahlerisch und grosssprecherisch, gab jedoch, als die Daumschrauben etwas fester angezogen wurden, bald klein bei und gestand schliesslich, ebenso wie seine Mitschuldigen, das Verbrechen. Schon kurz nach seiner Thronbesteigung erliess König Friedrich Wilhelm I. einen Befehl, in dem er von den Missständen spricht, die bei Kriminalprozessen, besonders bei Hexenprozessen hervortreten, und daher anordnet, dass alle Urteile in Hexensachen, die Todesstrafe oder vorherige Tortur aussprechen, ihm zur Bestätigung vorgelegt werden mussten. Es scheint dies auch bei sonstiger Vornahme der Tortur bald zur Anwendung gelangt zu sein, denn in dem eben erwähnten Prozesse erging auch ein Erlass des Königs, wonach die Folter angewandt werden könnte, ebenso auch bei anderen Prozessen. Als die beiden letzten Hexenprozesse in Preussen erwähnt sodann Soldan einen, der 1721 in Nauen, und einen, der 1728 in Berlin stattfand. Bei ersterem wurde eine Schustersfrau beschuldigt, Butter verkauft zu haben, die über Nacht Kuhdreck wurde, was nur im Wege der Hexerei geschehen sein konnte. Der Magistrat leitete den Prozess ein, das Kriminal-Kollegium erkannte jedoch die Indizien nicht ausreichend und meinte auch, jemand könnte aus Mutwillen heimlich eine Vertauschung vorgenommen haben. Der König schrieb unter dieses Erkenntnis: »Soll absolviert werden« und erteilte auch dem Magistrat einen Verweis, denn Hexenprozesse sollen nicht mehr vorkommen.

In dem zweiten, berliner Fall, scheint es sich um ein hysterisches Mädchen gehandelt zu haben, das sich selbst des Verkehrs mit dem Teufel bezichtigte. Das Kriminal-Kollegium schwankte hier zwischen gesunder Anschauung und Aberglauben, entschied aber schliesslich, dass das Mädchen ins Spinnhaus zu Spandau gesteckt werde, eine Sentenz, die der König bestätigte. Damit war der amtlich beglaubigte Hexenwahn in Preussen tot. Auch in den andern protestantischen Ländern Deutschlands wurde bald darauf oder auch noch früher den Hexenprozessen ein Ende gemacht.

In Österreich finden wir in »Der Römischen Kayserl. etc. etc. Majestät Josephi des Ersten Neue peinliche Halsgerichts-Ordnung vor das Königreich Böheim, Markgrafthumb Mähren und Herzogthumb Schlesien« im Jahre 1707 erlassenen gesetzlichen Verfügungen den Hexenwahn noch in voller Lebenskraft und »wahrhaffte Zauberei« mit dem Feuertod bedroht, während »Wahrsager, abergläubische Seegen-Sprecher und Bock-Reiter, welche, ohne ausdrückliche Verbündnis mit dem bösen Feind, dieses verüben,« mit dem Schwert hingerichtet oder zu noch gelinderen Strafen verurteilt werden sollen. Immerhin aber wird im Art. XIII, § 29, nötig gefunden, zu bestimmen, dass »auf die Aussagung der Complicum allein, sie seye beschaffen, wie es immer wolle, wegen so vielfältig unterlassenen Betrugs, und durch List des Satans angespunnenen Unwahrheit, nicht alsogleich, weder die Tortur vorzunehmen, weder zur Straffe zu schreiten, zulassen,« eine Bestimmung, die immerhin schon vom Geist einer neuen Zeit durchweht ist. Die Halsordnung Josephs blieb bis zur Regierung Maria Theresias und deren erneute Gesetzgebung in Kraft. Zahlreiche Hexen- und Zauberer-Prozesse kamen im siebzehnten Jahrhundert auch in Ungarn vor, mit obligater Tortur und zumeist auch mit scheusslichem Verbrennungs-Urteil. In dem unter der Herrschaft eines Erzbischofs gestandenen Salzburg wurde 1715-1717 ein Prozess gegen einen gewissen Perger geführt, der beschuldigt wurde, im Vereine mit anderen, die sich alle in Wölfe verwandelt haben sollten, viel Vieh und Wild niedergerissen zu haben. »Perger leugnete anfangs alles. Als er aber am 23. September 1717 auf die Folter gebracht, ans Seil gebunden, und an den Füssen mit einem fünfundzwanzigpfündigen Stein beschwert, in die Höhe gezogen ward, da bekannte er, dass er wie seine Mitschuldigen sich mit einer schwarzen Salbe angeschmiert, hierdurch zum Wolf geworden und als solcher das Vieh hin und wieder niedergerissen habe. Diese Salbe habe er vom bösen Feind auf der Haide bei Moosham erhalten. Der habe zu ihm und den andern gesagt: ›Was sollt ihr Hunger leiden? Hier habt ihr Salben, dass ihr zu Wölfen werdet und euch satt fresset, so oft und wie ihr wollt!‹ Darauf habe er sich dem Teufel mit Leib und Seele ergeben. In einem späteren Verhör nahm allerdings Perger sein Geständnis, welches ihm nur durch die Qual der Tortur abgepresst sei, zurück. Allein kurzer Hand wurde er vom Scharfrichter wieder auf den Folterstuhl niedergesetzt, auf die Leiter gespannt und eine halbe Stunde lang gemartert, was zur Folge hatte, dass er seine früheren Geständnisse bestätigte. Auch den Kameraden Pergers wurden dieselben Geständnisse abgemartert. Das Urteil der Richter lautete nun allerdings auf Verbrennung der Malefikanten, doch hielt man es für gut, dieselben der Gnade des Erzbischofs von Salzburg zu empfehlen. Derselbe liess auch Gnade für Recht ergehen. Am 20. August 1718 erliess daher das Stadtgericht zu Salzburg an das Untergericht die Weisung: ›Demnach wir mit Ihrer hochfürstlichen Gnaden gnädigstem Vorwissen – wie den allhier in puncto magiae et lycanthrophiae inliegenden – Perger auf ewig, den vulgo Schweblhans aber auf acht Jahre lang ad triremes condemniert haben, also wird Euch hiermit anbefohlen, dass ihr diese Delinquenten gewisse Religiosen (damit sie in geistlichen Sachen bis zu deren Auslieferung interim notdürftig unterwiesen werden und allenfalls a pacto diaboli liberieret werden) zugeben sollet.‹ – Am 12. September 1718 musste sodann Perger noch die übliche Urphede schwören.« So berichtet Soldan II, 274. Wir ersehen aus diesem Vorgang, der mit komischen Ernst die päpstliche Judicatur nachahmt, dass im achtzehnten Jahrhundert bei der Tortur noch immer galt, was Philotates einst den Kraterus auf der Folterbank zugerufen hatte: »Sprich, was willst Du, dass ich sagen soll.« (Sed post quam intumescens corpus ulceribus flagellorum ictus nudis ossibus incussos ferre non poterat, si tormentis adhibituri modum essent, dicturum se, quae scire exepterant, pollicetur impetrato Cratero inquit: die, quid me velis dicere!« Curt. L. VI C. II).

Ähnliches lässt sich fast von allen bei dem peinlichen Verfahren getroffenen Massregeln sagen. Immer und überall sehen wir unter dem Zwange von Drohungen oder unmenschlicher Marter die tollsten Selbstbezichtigungen und Bezichtigungen anderer in Erscheinung treten, die niedrigsten Leidenschaften und Begierden, der leidenschaftlichste Wahn und die törichste Beschränktheit »von Rechts wegen« das blutigste Unrecht ausüben. »Ein Torturprotokoll«, schreibt Oskar Wächter (a. a. O. S. 162 ff.), »vom 31. Oktober 1724, über den Prozess gegen die in Coesfeld, im ehemaligen Fürstbistum Münster gerichtete Enneke Fürstenees besagt –,dass der Untersuchungsrichter Dr. Gogravius, nachdem er die Angeschuldigte vergebens zum gütlichen Bekenntnis aufgefordert, ihr den Befehl der Tortur publiziren lassen. Der Nachrichter wurde hereingerufen. Derselbe zeigte ihr die Folterwerkzeuge und redete ihr scharf zu, während der Richter ihr die einzelnen Anklagepunkte vorlas. Darauf schritt der Richter zum zweiten Grad der Folterung. Die Angeklagte wurde in die Folterkammer geführt, entblösst und angebunden und über die Anklagepunkte befragt. Sie blieb beständig beim Leugnen. Bei der Anbindung hat Angeklagte beständig gerufen und um Gotteswillen begehrt, man möge sie loslassen. Sie wolle gern sterben und wolle gern Ja sagen, wenn die Herren es nur auf ihr Gewissen nehmen wollten. Und wie selbige beständig beim Leugnen verblieben, so ist zum dritten Grad geschritten und sind der Angeklagten die Daumschrauben angelegt worden. Weil sie unter der Tortur beständig gerufen, so ist ihr das Capistrum (eine Vorrichtung, welche das Schreien verhindert) in den Mund gelegt und mit Applizirung der Daumschrauben fortgefahren. Obgleich Angeklagte fünfzig Minuten in diesem Grade ausgehalten, ihr auch die Daumschrauben zu verschiedenen Malen versetzt und wieder angeschroben sind, hat sie doch nicht allein nicht bekannt, sondern auch während der peinlichen Frage keine Zähre fallen lassen, sondern nur gerufen: »Ich bin nicht schuldig. O Jesu, gehe mit mir in mein Leiden und stehe mir bei« Sodann: »Herr Richter, ich bitte euch, lasst mich nur unschuldig richten.« Ist also zum vierten Grad geschritten vermittelst Anlegung der spanischen Stiefeln. Als aber peinlich Befragte in diesem Grade über dreissig Minuten hartnäckig dem Bekenntnis widerstand, ungeachtet die spanischen Stiefeln zu verschiedenen Malen versetzt und aufs schärfste wieder angeschroben würden, auch keine einzige Zähre hat fallen lassen, so hat Dr. Gogravius besorgt, es möchte peinlich Befragte sich vielleicht per maleficium unempfindlich gegen die Schmerzen gemacht haben. Darum hat er dem Nachrichter befohlen, dieselbe nochmals entblössen und untersuchen zu lassen, ob vielleicht an verborgenen Stellen ihres Körpers etwas Verdächtiges sich vorfinde. Worauf der Nachrichter berichtete, dass er alles aufs genaueste habe untersuchen lassen, aber nichts gefunden sei. Ist also demselben befohlen abermals die spanischen Stiefeln anzulegen. Dieselbe aber hat die Tat beständig geleugnet und zu verschiedenen Malen gerufen: ›0 Jesu, ich hab es nicht getan; ich hab es nicht getan. Wenn ich es getan hätte, wollte ich gern bekennen. Herr Richter, lasst mich nur unschuldig richten. Ich will gern sterben. Ich bin unschuldig, unschuldig.‹ Als demnach peinlich Befragte die ihr zum zweitenmal angelegten spanischen Stiefeln abermals über dreissig Minuten hartnäckig überstanden, so zwar, dass sie während der Folterung weder die Farbe im Gesicht veränderte, noch eine einzige Zähre hat fallen lassen, auch nicht vermerkt werden konnte, dass sie an Kräften abgenommen oder die Strafe sie geschwächt oder verändert hätte, so fürchtete Dr. Gogravius, der vierte Grad möchte die Angeklagte nicht zum Geständnis bringen, und befahl, zum fünften Grad zu schreiten. Demgemäss wurde die Angeklagte vorwärts aufgezogen und mit zwei Ruten bis zu dreissig Streichen geschlagen. Als Angeklagte aber zuerst gebunden werden sollte, hat dieselbe begehrt, man möchte sie doch ferner nicht peinigen, mit dem Zusatz: ›sie wolle lieber sagen, dass sie es getan hätte, und sterben unschuldig, wenn sie nur keine Sünde daran täte.‹ Dieses wiederholte sie mehrmals; im Betreff der ihr vorgehaltenen Artikel aber beharrte sie beim Leugnen. Daher dem Nachrichter befohlen worden, peinlich Befragte rückwärts aufzuziehen. Mit der Aufziehung ist dergestalten verfahren, dass die Arme rückwärts gerade über dem Kopfe gestanden, beide Schulterknochen aus ihrer Verbindung gedreht und die Füsse eine Spanne weit von der Erde entfernt gewesen sind. Als die Angeklagte ungefähr sechs Minuten so aufgezogen gewesen, hat Dr. Gogravius befohlen, sie abermals mit dreissig Streichen zu hauen, was dann auch geschehen ist. Peinlich Befragte verharrte aber beim Leugnen. Auch als Dr. Gogravius zu zweien Malen, jedesmal zu ungefähr acht Schlägen, die Korden anschlagen liess, hat sie nur gerufen: ›Ich habe es nicht getan; ich habe es nicht getan.‹ Ferner auch, obwohl die Korden zum dritten Mal mit ungefähr zehn Schlägen angeschlagen und ihr ausserdem die bisherigen Folterwerkzeuge (die Daumschrauben und die spanischen Stiefeln) wieder angelegt sind, dergestalt, dass dieselben fast unerträglich geschienen, hat dieselbe doch über dreissig Minuten diesen fünften Grad ebenso unbeweglich, wie die vier vorhergegangenen überstanden, ohne zu bekennen.

Wie nun Dr. Gogravius dafür halten musste, dass die erkannte Tortur gehörig ausgeführt, gleichwie dann der Nachrichter mitteilte, dass nach seinem Dafürhalten peinlich Befragte die Folterung nicht länger werde ausstehen können, so hat Dr. Gogravius dieselbe wieder abnehmen und losbinden lassen und dem Scharfrichter befohlen, der Gefolterten die Glieder wieder einzusetzen und sie bis zu ihrer völligen Genesung zu verpflegen.‹

Nach dem Protokoll vom folgenden Tag brachte sie der Scharfrichter zum »Geständnis«, vermutlich, indem er ihr beim Einrichten der durch die Folter aus ihren Gelenken gerissenen Glieder mit Erfolg noch mehr Schrecken vor dem noch kommenden einzuflössen wusste, so dass die arme Gemarterte es dennoch vorzog, mit einer Lüge auf den Lippen in den Tod zu gehen. Und das geschah in einem Jahrhundert, das sich mit Stolz und vielleicht auch nicht ganz unberechtigt, das »erleuchtete« nannte. Noch unzählige Beispiele derartiger Rechtsprechung Hessen sich zum Schmach ihrer Urheber und Vollstrecker anführen. Man hat die Opfer des Hexenwahns auf etwa eine Million Menschen berechnet, wovon ein grosser Teil Deutschland zuzurechnen ist. Freilich wollte man auch die Opfer der Ketzerverfolgungen hinzurechnen, so würde sich eine ganz ungeheuerliche Zahl ergeben, eine grössere vielleicht, als sämtliche Kriege in Europa seit unserer Zeitrechnung gekostet haben. Gesündigt wurde in dieser Beziehung, wie schon betont wurde, »intra et extra muros«, sowohl seitens des Katholizismus oder Papismus, wenn dieses manche lieber hören, und seitens des Reformismus. Selbst das Luthertum bekundete hierbei bisweilen eine Calvin und seinen Anhängern gleichkommende Härte, uneingedenk der Worte des Reformators: »Man soll ja einen jeden glauben lassen, was er wolle, glaubt er unrecht, so hat er genug Strafe am ewigen Feuer in der Hölle; warum will man sie denn zeitlich martern, so fern sie im Glauben irren, und nicht daneben aufrührisch oder sonst der Obrigkeit widerstreben. Es ist nicht Evangelisch noch Christlich, mit Verfolgung wider die Ketzer zu fechten.« Was speziell die Hexenprozesse betrifft, dürfte sogar durch die Reformirten mehr gesündigt worden sein, als durch die Katholiken. Als letzter deutscher Hexenprozess, der mit Verbrennung der Beschuldigten endete, gilt der 1749 zu Würzburg gegen die siebzigjährige Nonne Maria Renata Sängerin durchgeführte, und als letztes Opfer der Hexenhinrichtung innerhalb der deutschen Sprachgrenze 1782 gegen die Dienstmagd Anna Göldi zu Glarus in der Schweiz. Es dürfte am Platz sein, etwas mehr über diese beiden Prozesse mitzuteilen.

Soldan schreibt über diesen Prozess, unter Benutzung der Darstellung Scherr's in »Hammerschläge und Historien«.

»Zu Würzburg, in der fürstbischöflichen Residenzstadt, spielte sich um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts ein Drama ab – die Hinrichtung der hochbetagten Nonne Maria Renata im Jahre 1749 – das den Zorn der Kaiserin Maria Theresia erweckt hatte, weil es zu den Schandflecken in der Geschichte der deutschen Nation gehört. Man hat in Würzburg lange Zeit Abstand genommen, dem Wunsche derer, welche im Interesse der Geschichtswissenschaft die Prozessakten einzusehen wünschten, zu entsprechen; und auch die aktenmässige Darstellung des Vorfalls, welche im Laufe des Jahres 1878 veröffentlicht wurde (nämlich Scherr's Mitteilungen) ist unvollständig. Es muss angenommen werden, dass die Folter, deren auch in dieser aktenmässigen Berichterstattung keine Erwähnung geschieht, dennoch zur Anwendung gekommen ist. Aber selbst wenn diese Annahme unbegründet sein sollte, ist das, was im übrigen über den Vorfall nunmehr in glaubhaftester Weise bekannt geworden ist, so beschaffen, dass die Hinrichtung der Nonne Maria Renata zu Würzburg, in der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts, als eines der grausigsten und schandbarsten Ereignisse in der Geschichte der deutschen Nation jener Zeit sich kennzeichnet.

Die Nonne Maria Renata Sängerin von Mohan gehörte seit fünfzig Jahren dem Kloster Unterzell bei Würzburg an. Geistig nicht unbegabt, war sie in ihrem neunzehnten Lebensjahre durch den Machtspruch der Eltern ins Kloster verwiesen worden, wo sie allerdings später zur Würde einer Subpriorin erhoben ward, aber sich doch niemals recht heimisch fühlte, vielmehr in sich gekehrt und abgeschlossen lebte und darum in dem Schwesternkreis keine Sympathien fand. Sie war schon hochbetagt, als eine erkrankte alte Nonne dem Probste des Klosters auf dem Sterbebette erklärte, das tötliche Übel, an welchem sie leide, sei ihr angetan worden und zwar durch die Subpriorin Maria Renata, die schon seit langer Zeit zum grossen Nachteil der Schwestern allerlei teuflische Praktiken treibe. Der Probst suchte der Kranken diesen bösen Argwohn aus dem Sinn zu reden, jedoch ohne Erfolg. Pflichtschuldigst machte er daher von der ihm gewordenen Mitteilung Anzeige, infolgedessen ein Pater Siard und Genossen den Nonnen durch Exorzismen zu helfen sich bemühten. Dabei ergab es sich dann allerdings, dass einzelne Nonnen Teufel im Leibe hatten; und diese Teufel zeigten sich sehr ungebärdig.« Kurz, wie sehr auch diese Teufel wiederstrebten, sie mussten doch der Macht der Beschwörung weichen, die Leiber verlassen, was sie jedoch nicht taten ohne zuvor die Subpriorin mit ihren zauberischen Praktiken als die Verüberin anzugeben.

»Die Verdächtigte beging nun einen argen Fehler; sie behauptete nämlich, die angeblich durch sie in diabolische Besessenheit gebrachten Schwestern verstellten sich nur, oder wären von unglücklicher Einbildung geplagt, indem es Besessene, Zauberer und Hexen gar nicht gebe. Nach dem Hexenhammer war die Unglückliche hiermit als Ketzerin erwiesen, d. h. als eine Person, die recht wohl mit dem Teufel im Bund sein konnte, weshalb die gegen sie erhobenen Anschuldigungen jetzt um so grösseres Gewicht hatten. Die greise Subpriorin ward daher eines Tages, als sie gerade vom Chor der Kirche zur Klausur gehen wollte, verhaftet. Hierüber bestürzt, bat sie um Erlaubnis, in ihr Zimmer gehen zu dürfen. Da sie diese Bitte jedoch zweifelsohne nur in der Absicht aussprach, ›ihr darin sich befindliches Zauberwerk auf Seiten zu räumen,‹ so wurde darauf keine Rücksicht genommen. Hernach, als man ihr Zimmer durchsuchte, fand man auch ›ihren Schmierhafen, ihre Zauberwurzel und Zauberkräuter, sodann auch einen goldgelben Rock, in welchem sie zu ihrem gewöhnlichen Hexentanz auszufahren pflegte.‹ Auf fürstbischöflichen Befehl wurde nun die Verhaftete des geistlichen Habits entkleidet, auf dem Marienberg eingekerkert, und vor eine aus zwei geistlichen Räten und zwei Jesuitenpatres zusammengesetzte Inquisitionskomission gestellt. Die Prozedur begann und bald ward Maria Renata zur Ablegung eines Geständnisses gebracht. Auf welchem Wege dies erpresst wurde, weiss man freilich auch jetzt noch nicht, unzweifelhaft darum, weil es durch die Anwendung der Folter geschehen ist.« Wir übergehen den Inhalt dieses Geständnisses, das die tollsten Angaben enthält, wie sie eben nur durch das Kraftmittel der Tortur suggeriert worden sein konnten. Die geständige Hexe wurde zum Feuertode verurteilt, eine Strafe, die die »Gnade« des Bischofs dahin abänderte, dass sie erst enthauptet und dann ihr Leichnam verbrannt werden sollte, mit Rücksicht auf »die zarte Jugend, in welcher Maria Renata zur Hexerei verführt worden.« Nach ihrem sogenannten Geständnis nämlich, hatte sie sich schon in ihrer Kindheit dem Teufel ergeben. Zum Richtplatz wurde sie getragen, »weilens sie zu gehen unvermögend war,« das heisst, weil dem armen Opfer wahrscheinlich bei der peinlichen Frage sehr stark zugesetzt wurde. Dieser Vorfall brachte zahlreiche Streitschriften für und wider den Hexenwahn hervor, und es muss der Wahrheit gemäss bemerkt werden, dass eine Anzahl katholischer Theologen zu den entschiedensten Gegnern derartiger Prozesse gehörten.

Was den Prozess wider Anna Göldi betrifft, eine Dienstmagd, die beschuldigt wurde, durch Zauberei einem Kinde das Bein gelähmt und zum Erbrechen von Stecknadeln, Nägeln und anderen seltsamen Dingen veranlasst zu haben, lassen wir den Wortlaut folgen des »Malefiz-Prozess und Urteil über die zu Schwert verurteilte Anna Goldinn aus dem Sennwald, verurteilt den 6/17. Junii 1782, – Die hier vorgeführte, bereits 17 Wochen und 4 Tage im Arrest gesessene, die meiste Zeit mit Eisen und Banden gefesselte arme Übeltäterin mit Namen Anna Göldinn aus dem Sennwald, hat laut gütlich und peinlichem Untersuchen bekennet, dass sie am Freitag vor der letzten Külbi allhier zwischen 3 und 4 Uhr Nachmittags aus des Herrn D. Tschudis Haus hinter den Häusern durch und über den Giessen hinauf zu dem Schlosser Rudolf Steinmüller Der Genannte, als Mitschuldiger verhaftet, hatte im Gefängnis einen Selbstmord verübt, aus Scham über die ihm durch die Verhaftung zugefügte Schande., welcher letzthin in hochobrigkeitlichem Verhaft unglücklichhafter Weise sich selbst entleibet hat, expresse gegangen sei, um von selben zu begehren, dass er ihr etwas zum Schaden des Herrn Doktors und Fünfer Richters Tschudi Zweitältestem Töchterli Anna Maria, dem sie übel sei, geben möchte, in der bekannten, äusserst bösen Absicht das Kind elend zu machen, oder dass es zuletzt vielleicht daran sterben müsste, weil sie vorhin von dem unglücklichen Steinmüller vernommen gehabt habe, dass wann man mit den Leuten uneins werde, er etwas zum Verderben der Leute geben könne. Auf welches sie ein von dem unglücklichen Steinmüller zubereitetes und von ihm am Sonntag darauf, als an der Külbi selbst, überbrachtes verderbliches Leckerli, im Beisein des Steinmüllers auf Herrn D. Tschudis Mägdekammer zwischen 3 und 4 Uhr, als weder Herr D. Tschudi, noch dessen Frau, noch das älteste Töchterli zu Hause war, unter böswichtigen Beredungen, dass solches ein Leckerli sei, dem bemeldeten Töchterli Anna Maria beigebracht habe, wo ihr der Steinmüller bei gleich unglücklichem Anlass noch auf der Mägdekammer, zwaren da das Töchterlein das verderbliche Leckerli schon genossen gehabt, eröffnet habe, dass solches würken werden, nämlich es werde Gussen, Eisendrat, Häftli und dergleichen Zeugs von dem Kinde gehen, welches auch leider zum Erstaunen auf eine unbegreifliche Weise geschehen, wodurch das unschuldige Töchterlein fast 18 Wochen lang auf die jammervollste Weise zugerichtet lag. Bei solchem unter der betrüglichen Gestalt eines Leckerlis dem Töchterlein beigebrachten höchst verderblichen Gezeug liess es die hier stehende Übeltäterin nicht bewenden, sondern erfrechte sich aus selbsteigenem bösen Antrieb laut ebenfalls gütlich und peinlich abgelegtem Geständnis neuerdings in der letzten Woche, da sie noch bei Herrn D. Tschudi am Dienst stund, wo ihro nach ihrem Vorgeben damals das Töchterli in der Küchen die Kappe abgezerret habe, diesem Töchterli in sein mit Milch auf den Tisch gebrachtes Beckerli zu acht unterschiedlichen malen und noch über erfolgtes Warnen hin, jedesmal eine aus dem Brusttuch genommene Gusse, also zusammen acht Gussen zu legen, in der bekannten schändlichen Absicht, damit wann man die Gussen gewahr werde und mit der Zeit Gussen vom Kinde gehen möchten, man schliesse, dass das Töchterli solches aus eigener Unvorsichtigkeit geschluckt habe, und dadurch die erste im Beisein des Steinmüllers verübte Übeltat, wegen des beigebrachten Leckerlis verdeckt bleibe, von welchen Gussen zwaren das Töchterli keine empfangen hat, sondern solche allemal auf dem Tisch entdeckt worden sind. Laut der unterm 13ten lezt abgewichenen Christmonat aufgenommenen Besichtigung, da die Übeltäterin der Justiz noch nicht eingebracht worden war, ist das gedachte Töchterli elend, meistens ohne Verstand auf sein Lager gelegen, die Glieder waren starr, so dass weder die Arme noch Füsse, noch Kopf konnten gebogen werden, auch konnte es auf dem linken Füsslein nicht stehen, und hat in Gegenwart der zur Untersuchung verordneten Ehren-Kommission öfters gichtische Anfälle bekommen.

Nach laut der neuerdings unterm 10. März dieses Jahres bei dem bemeldeten Töchterli aufgenommenen Besichtigung da damalen die arme Übeltäterin schon im Verhaft gelegen war, hatte das Töchterlein wiederum in Anwesenheit der Ehren-Kommission öfters kaum zwei Minuten dauernde Anfälle von gichterische Verlierungen der Sinne angewandelt, und das linke Füsslein war unveränderlich mit gebogenem Knie ganz kontrakt gegen den Leib gezogen, dergestalten, dass solches auch mit Gewalt nicht konnte ausgestreckt werden, auch beim geringsten Berühren sich schmerzhaft zeigte. Was in so langer Zeit das elende Töchterli seinen geliebten Eltern für Mühe, Kosten, Kreuz und Kummer verursacht hat, ist zum Erstaunen gross, indem laut eidlichen Zeugnis der Eltern und anderer dabei gewesenen Ehrenleute in etlichen Tagen 100 Gussen von ungleicher Gattung, 3 Stückli krummen Eisendrat, 2 gelbe Heftli und 2 Eisennägel aus dem Munde des Töchterleins unbegreiflicher Weise gegangen sind. Nachdem dieser armen Übeltäterin die jammervollen Umstände des Töchterleins zu Gemüt geführt worden, hatte sie sich endlich nach vorläufig dreimal auf dem Rathause nächtlicher Zeit, als den 11., 12. und 14. März vergeblich gewagten Versuchen erklärt, dass sie das Kind an dem Ort, wo sie solches verderbt, wiederum bessern wolle; wo also gleich, den 15. März, nächtlicher Zeit man bemeldete Übeltäterin in H. D. Tschudis Haus in die Küche, dahin sie zu gehen begehrte, führen liess, welche durch ihr in dem Untersuch beschriebenes Betasten, Drücken und Strecken von dem linken verkrümmten und kontrakten Füssli des Kindes, welches einige Zoll kürzer, als das rechte Füssli war, und darauf es weder gehen noch stehen konnte, mit ihren blossen Händen so viel bewirkte, dass das Töchterli in Zeit von 10 Minuten wieder auf das verderbte Füssli stehen und damit allein und auch mit Führen hin und her gehen konnte, wie dann diese Übeltäterin das Töchterli an denen noch nachgefolgten zwei Nächten vermittelst ihrer auch im Untersuch ausführlich beschriebenen Bemühung wiedrum nach allen Teilen zum grössten Erstaunen auf eine unbegreifliche Weise gesund hergestellt, so dass nach eidlichem Zeugnis nach der Hand zwei Gussen mit sich von dem Töchterli gegangen sind, welches nun die wesentliche Beschreibung des Verbrechens samt der Krankheit und Besserung des Töchterleins ausmachet.

Wenn nun hochgedachte M. G. H. und Obere vorbemeldetes schwere Verbrechen nach seiner Wichtigkeit in sorgfältige Erwägung gezogen und betrachtet die grosse Untreue und Bosheit, so die gegenwärtige Übeltäterin als Dienstmagd gegen ihres Herrn unschuldiges Töchterlein verübet, betrachtet die fast 18 Wochen lange unbeschreiblich fürchterliche unerhörte Krankheit und vorbemeldt beschriebene elende Umstände, welche das Töchterli zu allgemeinen grössten Erstaunen ausgestanden hat, nebst der von eben dieser Übeltäterin bezeigten ausserordentlichen und unbegreiflichen Kunstkraft mit der einsmaligen zwar zum Besten des Töchterleins gelungenen plötzlichen Kurirung desselben, und auch betrachtet ihren vorhin geführten üblen Lebenswandel, darüber zwaren sie, wegen eines in Unehren heimlich geborenen und unter der Decke versteckten Kinde schon in ihrem Heimat von ihrer rechtmässigen Obrigkeit aus Gnaden durch die Hand des Scharfrichters gezüchtigt worden, und hiermit solche in keine weitere Beurteilung fallet, wohl aber in traurige Beherzigung gezogen worden, wie dass anstatt diese arme Delinquentin, wegen ihrer grossen Versündigung gegen ihr Fleisch und Blut sich hätte bessern und bekehren sollen, sich wiederum eine solche Greueltat gegen das Töchterli des H. D. Tschudis ausgeübt hat; derowegen von hochgemeldeten M. G. H. auf ihren Eid abgeurteilt wurde: dass diese arme Übeltäterin als eine Vergifterin zu verdienter Bestrafung ihres Verbrechens und andern zum eindrückenden Exempel dem Scharfrichter übergeben, auf die gewohnte Richtstatt geführt, durch das Schwert vom Leben zum Tod hingerichtet und ihr Körper unter dem Galgen begraben werde, auch ihr in hier habendes Vermögen confisciert sein solle. Ob dann jemand wäre, der jetzt oder hernach des armen Menschen Tod änzte, äferte oder zu rächen unterstünde, und jemand darum bächte, hassete oder schmähte, der oder die solches täten, sollen laut unserer Malefiz-Gerichts-Ordnung in des armen Menschen Urthel und Fussstapfen erkannt sein, und gleichergestalten über sie gerichtet werden. Actum 6/17. Juni 1782, Landschreiber Kubli.«

Wie es heisst, soll auf die Vorstellungen von Zürich her davon abgesehen worden sein hier von Zauberei und Hexerei zu reden und dafür die Sache lieber als eine Art Vergiftung darzustellen. Indes, obgleich der Vorfall einem Hexenprozess auffallend ähnlich sieht, anzunehmen ist, dass die arme Dienstmagd nur durch die Kraft der peinlichen Befragung dahingebracht werden konnte zuzugeben, dass sie die Tat verübte und sich bereit fand die »Kurirung« vorzunehmen – immerhin kann dieser Prozess nicht, wie es allgemein geschieht, als der letzte Hexenprozess mit Todesurteil auf deutschem Sprachgebiet gelten. Er stellt sich uns, trotz alledem und alledem, als ein Giftprozess dar, bei dem, durch Aberglaube und Beschränktheit, ein Justizmord verübt worden zu sein scheint, ein trauriger Vorfall, der jedoch auch noch in späteren Zeiten seines Gleichen gefunden haben mag. Auch nach diesem Datum hat die Geschichte noch eine Anzahl von Hexenprozessen zu verzeichnen, die jedoch mit Freisprechung oder gelinden Strafen endigten. Der Strahl der Aufklärung war eben selbst in die dunkelsten Schädelkammern gedrungen und schon aus Furcht sich vor der Welt blosszustellen, trug man Scheu ein schweres Urteil in Hexenprozessen zu fällen, die bald aus der Gerichtspraxis überhaupt verschwinden sollten, ohne jedoch auch die in ihrem Gefolge unvermeidliche Tortur mit sich zu nehmen.

In Baiern, wo noch gegen Ende des achtzehnten Jahrhunderts jedes Kloster seinen »Hexenpater« hatte, bei dem sich das Volk Rat und Hilfe gegen die bösen Hexen holte, dürfte der letzte Hexenprozess in Deutschland, der mit einem Todesurteil endigte, stattgefunden haben, und zwar der 1775 im Stift Kempten gegen die Taglöhnerin Schwägelin geführte. In seinem »Die Hexenprozesse« schreibt C. Haas darüber: »Eine arme Söldners- und Tagwerkstochter, Anna Maria Schwägelin von Lachen, hatte frühe ihre Eltern verloren und musste sich ihr Brot mit Dienen erwerben. Im Dienste eines protestantischen Hauses knüpfte der Kutscher des Herrn ein Verhältnis mit ihr an und verspricht ihr die Ehe unter der Bedingung, dass sie den katholischen Glauben verlasse und lutherisch werde. Dieses letztere vollzog die Schwägelin in Memmingen in einem Alter von etwa 30-36 Jahren (sie wusste im Verhör über ihr Alter nur zu sagen, dass sie in die Dreissig oder nahezu vierzig Jahre alt sei). Nichtsdestoweniger liess sie der Kutscher sitzen und heiratete eine Wirtstochter von Beckheim. Hierüber erregt und zugleich in ihrem Gewissen beunruhigt, beichtete sie die Sache einem Augustiner-Mönche in Memmingen, der ihr gesagt haben soll: es sei nunmehr genug, dass sie es gebeichtet und dass sie eine wahre Reue dagegen bezeuge, und sie habe nicht nötig, dass sie wiederum neuerdings ein Glaubensbekenntnis ablege, wenn sie nur bei ihrem Vorsatz beharre. Bei ihrer Conversion in der Martinskirche zu Memmingen habe sie die Schwurfinger aufheben und sagen müssen, dass sie auf dem lutherischen Glauben beharren wolle, und dass die Mutter Gottes und die Heiligen ihr nicht helfen können. Die Mutter Gottes sei nur eine Kindelnäscherin und als ein anderes Weibsbild gewesen. Die Bilder von denen Heiligen seien nichts als zum Gedächtniss, keineswegs aber, dass man diese verehren solle. Gott allein könne ihr helfen, sonst niemand. Da aber obengemeldeter Augustiner in Memmingen wenige Tage nach der Beichte der Schwägelin apostasierte, so ward sie wieder unruhig und meinte, sie sei wohl von diesem Geistlichen nicht richtig absolviert. Sie will daher hierauf die Sache einem Kaplan gebeichtet haben, der ihr jedoch die Absolution mit dem Bemerken verweigerte, der Fall müsse nach Rom berichtet werden. Alsbald aber sei der Kaplan auf einen andern Dienst gekommen und die Sache sei liegen geblieben.

Seitdem irrte die Schwägelin von Dienst zu Dienst und wurde schliesslich als vagierende und wahrscheinlich körperlich und geistig leidende Person in das Kempten'sche Zuchtschloss Langenegg (zwischen Kempten und Immenstadt) gebracht. Dort ward sie einer notorisch geisteskranken Person, namens Anna Maria Kuhstaller für wöchentlich 42 Kr. in Pflege und Aufsicht gegeben. Ihrer Aussage nach wurde sie von derselben sehr schlecht gehalten, elend genährt, oft Tage lang gar nichts, und dabei vielfach geschlagen und sonst misshandelt. Soviel steht wenigstens fest, dass sie schliesslich nicht mehr stehen und gehen und keine Hand mehr erheben konnte ... In ihrem Unmute sagte die Schwägelin sie wollte lieber beim Teufel als in solcher Pflege sein. Das benutzte die Kuhstaller, um alsbald bei Gericht anzuzeigen, die Schwägelin habe ihr einbekannt, dass sie mit dem Teufel Unzucht getrieben und Gott und allen Heiligen habe absagen und auf jene Weise und Art sich verschwören müssen, wie es ihr der Teufel vorgehalten habe. Auch habe sie die Schwägelin manchmal laut lachen und mit jemandem sprechen hören, während doch niemand bei ihr gewesen sei.«

Das Weib wurde verhaftet und im Gefängnis von dem Eisenmeister überwacht, der einige alberne Verdachtmomente wahrgenommen haben wollte. Die Angeschuldigte gab zu, der Kuhstaller, von der sie überaus schlecht behandelt wurde, aus Furcht vor Prügel gesagt zu haben, dass sie Gott und den Heiligen abgeschworen und mit dem Teufel Unzucht getrieben habe. Trotzdem wurde aber diese Aussage als Geständnis angesehen und Inquisitin mit Fragen aller Art so bestürmt, dass sie verwirrt endlich auf die Suggestion selbst einging und die lächerliche Aussage mehr und mehr ausspann oder vielmehr sie ausspinnen liess. Sie bekennt nach vielem und wiederholten Drängen endlich auch mit dem Teufel Unzucht getrieben zu haben. »Endlich dahin gebracht, dass sie bekennt der Teufel habe in jeder Nacht mit ihr Unzucht getrieben, geht sie nun auf alle Fragen, die sie vorher mit innerem Erbeben gehört hatte, ein – so toll sie auch waren – und beantwortet sie ganz nach Wunsch des Verhörrichters mit einfachem Ja. Zumeist betrafen die Fragen schon früher verhandelte Dinge. Plötzlich aber wird im Verhör von etwas ganz Neuem, nämlich von einem Pakte mit dem Teufel gesprochen, den die Angeklagte eingestandener Massen eingegangen habe. Dieses geschah in der zweihunderteinundzwanzigsten Frage, in welcher der Richter dabei auf Frage hundertsechsundsechzig Bezug nahm. Die Frage 166 lautete aber: »Wie lange es angestanden, dass, nachdem sie lutherisch geworden, sie hernach Gott und alle Heiligen verleugnet und sich dem Teufel zugeeignet?« an welche nun die Suggestivfrage 221 angeschlossen ward: »Sie habe ad interrog. 166 gesagt, dass sie erst in zwei Jahren danach, wie sie lutherisch geworden diesen Pakt mit dem Teufel gemacht habe.« Nun folgt noch eine lange Reihe von Fragen über die mit dem Teufel getriebene Unzucht (wobei die Angeklagte auf Befragen angiebt, dass derselbe bald als Jäger, bald als halberwachsener Bauersknecht zu ihr gekommen war) bis man endlich am 30. März 1775 das crimen laesae majestatis divinae als konstatiert ansehen und das Urteil gefällt werden konnte, welches auf ›Tod durch das Schwert‹ lautete. Das Urteil ist unterschrieben von Treichlinger, Hofrat und Landrichter (der die Untersuchung geführt hatte), Feiger, Hofrat und Hofrat Leiner. Die Bestätigung des Urteils ist mit den Worten beigeschrieben: »Fiat iustitia! Honorius, Fürstbischof.« Ein nachgetragenes Beiurteil lautet: »Auch ist zu Recht erkannt worden, dass wer der armen Sünderin Tod rächen oder hindern würde, in dessen Fusstapfen gestellt werden solle.« Letzteres, das wir schon oben bei dem schweizer Urteil ersehen haben, scheint eine damals übliche Formel gewesen zu sein. Der Bericht vermeldet nichts von einer dabei ausgeübten Tortur, doch dürfte die wohl zur Anwendung gelangt sein, denn es ist kaum anzunehmen, dass das arme Weib, obgleich sie nicht bei vollen Verstandskräften gewesen sein mag, diese Aussagen ohne kräftige Zwangsmittel gemacht hatte.

Die letzte von »amtswegen« in Europa vorgenommene Hexenverbrennung dürfte 1793 in Polen vorgekommen sein. In seiner Schrift über den Glauben an Zauberei (Breslau 1830) berichtet Scholtz darüber: »Im Jahre 1801 fielen einer Gerichtsperson Es handelt sich hier um die Besitznahme Posens durch Preussen. bei Gelegenheit einer Grenzkommission in der Nähe eines kleinen polnischen Städtchens die Reste einiger abgebrannten, in der Erde steckenden Pfähle in die Augen. Auf Befragen wurde von einem dicht anwohnenden glaubhaften Manne darüber zur Auskunft gegeben: dass im Jahre 1793 als sich eine königliche Kommission zur Besitznahme des ehemaligen Südpreussens für den neuen Landesherrn in Posen befand, der polnische Magistrat jenes Städtchens auf erfolgter Anklage zwei Weiber als Hexen zum Feuertod verurteilt habe, weil sie rote, entzündete Augen gehabt und das Vieh ihres Nachbars beständig krank gewesen sei. Die Kommission in Posen habe auf erhaltene Kunde davon sofort ein Verbot gegen die Vollstreckung des Urteils erlassen. Selbiges sei aber zu spät angelangt, indem die Weiber inmittelst bereits verbrannt worden.« Das dürfte also die letzte Hexenverbrennung in Europa gewesen sein, wenn auch nicht die letzte Hexenverfolgung. Dass in dem laut gerühmten neunzehnten Jahrhundert noch Hexenprozesse vorkamen, Hexenverfolgungen noch vorkommen, dass ausserhalb Europas in dieser Zeit sogar noch Hexenbrände loderten, soll in einem der folgenden Kapiteln dargelegt werden.


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