Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Hexenwesen in England. – Jakob I. – Dr. Fian. – Hexenfinder – Wachfolter. – Schottische Tortur. – Amerika. – Schweden. – Ungarn und Siebenbürgen. – Agrippa von Nettesheim. – Johann Weier. – Cornelius Callidius Loos. – Nikolaus Remigius. – Martin Delrio. – Adam Tanner. – Paul Leymann. – Friedrich von Spee. – Hexenprozesse. – Tortur in Hexenprozessen. – Mahnung zur Umkehr.
So arg auch der Hexenwahn in England wütete, für die Geschichte der Tortur bietet das Inselreich ausser dem bereits Angeführten nur noch wenige Daten. Das Schlimmste ist aus Schottland unter Jakob VI., dem späteren König Jakob I. von England, zu melden, von dem bereits früher die Rede war. »Dieser König«, berichtet Soldan (II, 145), »schürte mit der reformierten Geistlichkeit das Feuer um die Wette; »Die Priester stellten den Grundsatz auf, dass die Römisch-Katholischen, als ihre Hauptfeinde, mit einander dem Teufel, der Messe und den Hexen zugetan wären, welche ihrer Meinung nach alle drei zu Unheilstiftern vergesellschaftet und natürliche Verbündete sein mussten.« Walter Scott. Briefe über Däm. er selbst bildete sich ein, um seines Religionseifers willen vom Teufel verfolgt zu werden, und sein Argwohn traf darum besonders die schottischen Katholiken als dessen Werkzeuge. – Bei seiner Rückkehr aus Dänemark (wo er sich vermählt hatte) war Jakob von gewaltigen Seestürmen bedrängt worden, die er den Zauberkünsten der Hexen zuschrieb. Daher ward dieser Sturm der Anlass zu einer ganz entsetzlichen Hexenverfolgung. Der Argwohn des Königs fiel hauptsächlich auf einen Dr. Fian, der den Sturm erregt haben sollte. Derselbe gestand dieses auch auf der Folter, nahm aber hernach sein Geständnis zurück. Daher wurde derselbe wiederholt allen nur irgend erdenklichen Martern unterworfen. Die Knochen der Beine wurden ihm in den spanischen Stiefeln in einzelne Stücke zerbrochen und schliesslich wurden dem Unglücklichen (auf Geheiss des Königs) an allen Fingern die Nägel gespalten, mit einer Kneipzange ausgerissen und an jeder wunden Stelle wurde ihm ein eiserner Nagel bis zum Kopfende ins Fleisch eingetrieben. Aber ›der Teufel war so tief in sein Herz gedrungen, dass er hartnäckig leugnete, was er vorher eingestanden hatte‹, weshalb er ohne Geständnis lebendig verbrannt wurde (vgl. Pitcairns Criminal trials of Scotland, vol. I, P. II, S. 213, 223). Wie in diesem Falle, so wohnte der König auch sonst den Verhören persönlich bei, liess sich mitunter von den Verhörten die Melodien vorspielen, mit welchen die Teufelsprozessionen begleitet werden, freute sich, wenn der Teufel französisch von ihm gesagt haben sollte: ›Il est un homme de Dieu‹, oder er sei der grösste Feind, welchen Satan in der Welt habe, und bedrohte die Geschworenen mit einer Anklage wegen vorsätzlichen Irrtums, wenn sie im Verurteilen nicht eifrig genug waren.«
Es ist leicht begreiflich, dass dieser verrückte König, nachdem er den Thron Alt-Englands bestiegen hatte, seinen tollen Wahn auch auf dieses Gebiet übertrug und hier einen ähnlichen Schrecken entfaltete, während sich Schottland durch seine Abwesenheit etwas beruhigen konnte. Noch schlimmer wurden diese Gräuel zur Zeit des Bürgerkrieges. Im Jahre 1645 durchzog Matthias Hopkins aus Essex, als Witch-Finder-General, als General-Hexenfinder, einen Teil Englands und bot sich den Ortsbehörden als untrüglicher Hexenfinder gegen Bezahlung an. Seine Dienste wurden auch an vielen Orten in Anspruch genommen und mehrere hundert Personen wurden durch die unheilvolle Tätigkeit dieses Menschen zum Tode verurteilt. Bei diesen Prozessen kam gewöhnlich die landesübliche Wachfolter (tortura insomniae) zur Anwendung, deren schon früher gedacht wurde. Die Beschäftigung eines Hexenfinders scheint damals in England recht einträglich gewesen zu sein, so dass sich viele zu diesem Beruf herandrängten. Freilich war er auch mit einiger Gefahr verbunden, denn Hopkins z. B. wurde selbst vom Volk der Wasserprobe ausgesetzt, als schuldig befunden – auch er schwamm und ging nicht unter – und getötet.
Entsetzlicher Art, berichtet Soldan nach Buckles »Geschichte der Zivilisation in England«, waren die eigentümlichen Torturmittel, die man im siebzehnten Jahrhundert in Schottland zur Anwendung brachte. »Um eine hartnäckige Hexe zu wecken, band man ihr einen eisernen Kappzaum oder Reif mit vier Zacken, die in den Mund eindrangen, um das Gesicht und dieser Kappzaum wurde hinten an der Mauer in einer solchen Weise befestigt, dass die Unglückliche sich nicht niederlegen konnte. In dieser Stellung musste dieselbe oft mehrere Tage und Nächte hindurch verbleiben, während deren sie von Zeit zu Zeit zu Geständnissen aufgefordert wurde. Gleichzeitig wurde an ihr mit der tief ins Fleisch eindringenden Nadel zur Ermittelung des Hexenmales experimentiert (Pitcairn, Criminal trials of Scotland, vol. I, P. II, S. 50). Ausserdem wurde die Qual noch dadurch gesteigert, dass man die Gefolterte den sich einstellenden Durst ertragen liess ohne ihr einen Schluck Wasser zu gewähren. Es soll vorgekommen sein, dass einzelne diese Marter – einschliesslich der tortura insomniae – fünf, sogar neun Tage und Nächte hindurch ertragen mussten.
Ausserdem wurde aber ganz besonders »Verstockten«, welche auf diesem Wege nicht zum Geständnis zu bringen waren, mit noch ganz anderen Torturmitteln zu Leibe gegangen. Hören wir, was Hartpole Lecky (nach Dalyell, Darker Superstitions of Scotland, 645 ff.) über dieselben berichtet: »Die drei vorzüglichsten, welche gewöhnlich zur Anwendung kamen, waren die Pennywinkis, die spanischen Stiefeln und die Caschielawis. Erstere war eine Art Daumenschraube, die zweite ein Gehäuse, in welches das Bein eingesenkt und darin durch Keile zerquetscht wurde, die man mit einem Hammer hineintrieb, die dritte eine eiserne Form, die von Zeit zu Zeit über eine Kohlenpfanne erhitzt und um den Leib gelegt wurde. Manchmal wurde der Körper des Opfers mit Schwefelfaden gebrannt. In einem gleichzeitigen Aktenstück lesen wir von einem Mann, der achtundvierzig Stunden unter der scharfen Tortur in den Caschielawis gehalten wurde und von einem anderen, der in derselben schrecklichen Maschine elf Tage und Nächte lang blieb, dem vierzehn Tage lang die Beine alltäglich in den spanischen Stiefeln gebrochen, und der so gegeisselt wurde, dass ihm die Haut vom Körper gerissen ward. – Wie viel Geständnisse durch diese Mittel erpresst wurden, lässt sich nicht mehr ermitteln. Zwar ist uns eine grosse Anzahl von Zeugenaussagen und Geständnissen aufbewahrt, allein diese stammen nur von einem einzigen Gericht her. Wir wissen, dass (hier) 1612 mehr als hundertfünfzig Personen der Hexerei angeklagt, und dass in diesem Jahre vierzehn Untersuchungskommissionen eingesetzt waren.« Wir sehen hier also ein Wüten, das den schlimmsten Grauen der spanischen Inquisition wenigstens gleichkommt, und es muss zugegeben werden, dass hierbei der Protestantismus dem Katholizismus nichts nachgab. Es spricht sogar für letzteren noch der Umstand, dass es sich bei diesem grösstenteils um Aufrechthaltung der Macht und erst in zweiter Reihe um Befriedigung fanatischen Aberglaubens handelte. Allerdings werden jene grauenhaften Vorgänge dadurch nicht besser und auch nicht im geringsten entschuldigt, aber sie werden wenigstens begreiflicher.
Der Hexenwahn zog von England aus auch über das Weltmeer und verbreitete im siebzehnten Jahrhundert auch in den englischen Besitzungen Amerikas seine Schrecken. Die überlieferten Mitteilungen hierüber melden zwar nichts von der Anwendung der Tortur bei diesen Prozessen, doch kann als zweifellos angenommen werden, dass hierbei auch diese schauderhaften Mittel zur Erzwingung von »Geständnissen« nicht fehlten, zumal wir auch sonst ähnliche und noch schlimmere Erscheinungen sehen wie im Mutterlande und die dort herrschende Sklaverei auch nicht geeignet war, den Wert von Menschenleben und Menschenwohl besonders hoch anzusetzen. Immerhin nahm aber der Hexenschrecken gegen Schluss des genannten Säkulums ein Ende, besonders als ein Angeklagter zu Boston auf den klugen und echt amerikanischen Einfall kam, sich rasch einen Verhaftsbefehl gegen seine Ankläger zu verscharren und einen Schadenersatz ob der ihm zugefügten Verleumdung von tausend Pfund Sterling zu beanspruchen.
Auch in Schweden sehen wir nach dem dreissigjährigen Kriege den Hexenwahn im Vereine mit der Tortur auftreten und erschreckliche Ernte halten. Berühmt oder vielmehr berüchtigt ist der Hexenprozess, der sich 1669 in den Kirchspielen Mora und Elfdale in Delecarlien abspielte und eine gewisse Verwandtschaft mit den Kinderkreuzzügen und andere Epidemien dieser Art aufweist. In den erwähnten Ortschaften kam es nämlich damals vor, dass Kinder in Ohnmächten und Krämpfen verfielen und dann, wieder mehr oder minder zu Bewusstsein gelangt, die sonderbare Mär von einem Hexensabbath zu erzählen wussten, der an einem mystischen Ort, Blakulta, stattgefunden, zu dem sie nächtlich von Hexen mitgenommen worden wären. Hier hätten sie zuweilen vom Teufel Prügel erhalten, was die Ursache ihrer Krankheit sei. Selbstverständlich erregten diese Mitteilungen grosses Aufsehen, das Volk wütete gegen die vermeintlichen Hexen und die Regierung ordnete eine Untersuchung an. Diese liess eine Menge Weiber verhaften und verhörte gegen dreihundert Kinder, welche die tollsten, teilweise auch sehr unzüchtigen Angaben machten. Die Eltern der Kinder erklärten allerdings, dass diese zu Hause ruhig in ihren Betten gelegen hätten in den Nächten, wo sie von den Hexen zu ihren Versammlungen mitgenommen worden sein wollten, doch dieses Faktum wussten sich die weisen Herren von der Gerichtskommission sehr leicht zu erklären: Die Kinder waren eben geistig entführt worden. Alles übrige bewirkte die Tortur. Viele gestanden, was man wollte, und es wurden schliesslich vierundachtzig Erwachsene und fünfzehn Kinder verbrannt, sechsunddreissig Kinder verurteilt, ein Jahr lang jede Woche einmal an den Kirchtüren ausgepeitscht zu werden und zwanzig Kinder an drei aufeinander folgenden Tagen ausgepeitscht. Siebenundvierzig Personen wurden von der Instanz entbunden. Natürlich enthalten die Geständnisse die Ausgeburten der tollsten Phantasie und König Karl XI. meinte später dem Herzog von Holstein gegenüber, er wäre nicht imstande zu entscheiden, ob die eingestandenen Handlungen wirklich Tatsachen oder nur die Wirkung zügelloser Einbildungskraft gewesen wären. Seltsam und rätselhaft bleibt es immerhin, wie es gekommen sein mag, dass einige hundert Kinder ziemlich übereinstimmende Aussagen machten, ein Rätsel, das sich vielleicht leicht durch die Annahme lösen lässt, dass den Kindern ihre Aussagen suggeriert wurden. Bei den Untersuchungen wirkten Juristen und Geistliche vereint, und wie an den meisten anderen Orten waren auch hier die letzteren das treibende Element der Vernichtung.
Ähnliches, wenn auch nicht so ausgedehnt wie in Schweden und ohne dass Kinder miteinbezogen wurden, fand auch in Ungarn statt und besonders im deutschen Teil Siebenbürgens, dem Sachsenlande, wo auch altdeutsche Bräuche und Gewohnheiten zur Anwendung gelangten. In diesen Gebieten kamen sogar Hexenprozesse mit obligater Tortur noch spät im achtzehnten Jahrhundert vor, doch ereignete sich hier nichts besonders Bemerkenswertes. Als Foltermitteln kamen die bekannten, hier bereits genugsam erörterten allgemein üblichen Mitteln zur Anwendung. Ebenso hatten hierbei die von den Römern überlieferten Regeln, später die der Karolina, Geltung. Was Italien und Spanien betrifft, so ist zu dem bereits früher bemerkten kaum etwas hinzuzufügen, was dort für die Anwendung der Folter im siebzehnten Jahrhundert von Belang wäre. Es wurde eben in der hergebrachten Weise forttorquiert.
Wie bereits früher bemerkt und durch Zitate dargelegt wurde, hatten Hexenwahn und Tortur ihre Verteidiger und auch ihre Gegner. Als Erster, der mit Entschiedenheit gegen diese Missbräuche von Recht und Vernunft auftrat, ist der General-Advokat von Metz, Cornelius Heinrich Agrippa von Nettesheim (1486-1535), einer der erleuchtetsten Geister seiner Zeit, dessen 1527 zu Köln erschienenes Buch »De incertitudine et vanitate scientiarum« eine scharfe Satire auf den damaligen Stand der Wissenschaften bildet. Gegen den Hexenwahn ist seine 1531 zu Paris erschienene Schrift »De occulta philosophia« gerichtet, die ihn allerdings selbst in den Verdacht der Teufelsbündelei brachte, was noch durch seine tüchtige Verteidigung einer Bäuerin, die der Inquisitor Savin verbrennen lassen wollte, verstärkt wurde.
Noch erfolgreicher in diesem Sinne wirkte Agrippas Schüler Johann Weier (1515-1588), auch Wierus und Piscinarius genannt, Leibarzt des Herzogs Wilhelm von Cleve. Er veröffentlichte 1563 seine fünf Bücher »De praestigiis daemonum et incantationibus ac veneficiis«, wozu später noch einige ähnliche Schriften kamen, die alle grosses Aufsehen erregten. Allerdings war auch er von dem Glauben an den Teufel und an bösen Geistern nicht frei, aber er trat immerhin gegen die scheusslichen Hexenprozesse auf und seinem leider nur nicht nachhaltigen Wirken ist manches Gute auf diesem Gebiete zuzuschreiben. Allerdings wurde auch er, als Herzog Wilhelm geisteskrank wurde, der Zauberei angeklagt und musste zu seiner Rettung fliehen.
Zu den Gegnern Weiers, zu den Verteidigern der Hexenprozesse zählte auch der zu seiner Zeit berühmte französische Philosoph Jean Bodin (1530-1596), dessen 1580 zu Paris erschienener »Traite de la démonomanie des sorciers« lange Zeit in ganz Europa autoritäre Geltung hatte. Ein anderer Franzose dagegen, der berühmte Philosoph Michel de Montaigne (1533-1592), bekundete auch in diesem Punkte jenen Geist der Aufgeklärtheit, der durch alle seine Essays leuchtet. Noch entschiedener gegen den Hexenwahn trat der Geistliche Pierre Charron (1541-1603), Hofprediger der Königin Margarethe, auf. Ein anderer katholischer Geistlicher, Cornelius Callidius auch Loseus, Canonicus in seiner Vaterstadt Gouda, Holland, der nach der Einführung der Reformation nach Trier flüchtete, wollte eine Schrift wider Hexenverfolgungen veröffentlichen, doch die Schrift wurde konfisziert und Loos eingesperrt und zum Widerruf genötigt. In diesem heisst es u. a., aus dem Lateinischen ins Deutsche übertragen:
Artikel I. Erstens widerrufe, verdamme, verwerfe und missbillige ich, was ich wiederholt schriftlich und mündlich von vielen Leuten behauptet und als Hauptregel meiner Schrift aufgestellt habe, dass nur Einbildung, eitler Aberglaube und Erfindung sei, was von der leiblichen Ausfahrt der Hexen mitgeteilt wird, sowohl weil dies völlig ketzerischer Bosheit gleicht, wie auch, weil diese Meinung Hand in Hand mit Empörung geht und daher als Majestätsverbrechen zu gelten hätte.
Artikel II. Zweitens widerrufe ich, was ich durch heimlich an gewisse Leute abgesandte Briefe wider die Behörden grundlos behauptet habe, dass die Hexenfahrt Einbildung und Unwahrheit sei, und dass die armen Weiber durch die Bitterkeit der Tortur gezwungen werden, zu gestehen, was sie nie getan haben, dass durch grausame Mordtaten unschuldig Blut vergossen werde, und dass mittels einer neuen Alchymie aus Menschenblut Gold und Silber gemacht werde ...« Loos hatte nämlich letzteres wörtlich behauptet, womit er jedoch gesagt haben wollte, dass diese Menschenopfer vielfach nur zu Zwecken der Bereicherung dienten. Später widerrief er seinen Widerruf und wurde wieder eingekerkert. Auf erneuten Widerruf entlassen, schien er abermals ins Schwanken zu geraten. Sein 1593 erfolgter Tod entzog ihn jedoch den Verfolgungen seiner geistlichen Vorgesetzten. Der Suffraganbischof von Trier, Peter Binsfeld, der gegen Loos und andere so streng auftrat, trat schriftstellerisch als Verteidiger der Hexenverfolgungen auf und seine Schrift genoss eine gewisse Autorität in massgebenden Kreisen. Mehr noch lässt sich dies von der » Dämonolatrie« des gleichzeitig in Lothringen als Oberrichter wirkenden Nikolaus Remigius sagen, der, wie schon früher bemerkt wurde, von sich rühmen konnte, in sechzehn Jahren achthundert Personen wegen Zauberei zu Tode verurteilt zu haben, und eine mindestens ebenso grosse Zahl bestand aus denen, die zu ihrem Glücke noch Gelegenheit fanden zu flüchten oder die trotz angewendeter Tortur nicht der Schuld überführt werden konnten.
Der Klassiker unter den Verfechtern der Hexenprozesse war der von spanischen Eltern zu Antwerpen geborene Jurist Martin Delrio (1551-1608), dessen 1599 erschienene »Inquisitiones magicae« allgemein massgebend in Hexenprozessen wurde.
Merkwürdigerweise waren es drei Jesuiten, die in Deutschland gegen Hexenwahn und Tortur im siebzehnten Jahrhundert am entschiedensten und auch mit ziemlichem Erfolg auftraten: Adam Tanner, Paul Leymann und der auch als Dichter bekannte Friedrich von Spee. Adam Tanner (1572-1632) war auch Professor der Theologie in seiner Vaterstadt Innsbruck, ein gelehrter und erfahrener Mann, dessen Hauptwerk »Universa Theologia scholastica, speculativa, practica« sich mit den Hexenprozessen beschäftigt. Er erklärt hier, dass die mittels Tortur erpressten Geständnisse wertlos wären und die darauf beruhenden Urteile ungiltig. Er verwirft die damals geltende Ansicht, dass eine einfache Denunziation genüge, um die peinliche Frage vornehmen zu können, verlangt vielmehr bestimmte Indizien. Logisch schliesst er, dass den Denunziationen der der Zauberei angeklagten Personen überhaupt nicht zu trauen sei. Denn entweder stehen die Aussagenden wirklich im Bund mit dem Bösen, dann dürfte ihren lügnerischen und verderberischen Worten nicht vertraut werden, oder es ist überhaupt nicht wahr, dass sie Zauberer und Hexen wären, dann könnten sie auch zu diesem Treiben keine Mitschuldigen haben. Besonders betont er, dass das Gerichtsverfahren durch klare Bestimmungen der richterlichen Willkür entzogen werden sollte, bei der Tortur Mass gehalten werden müsste und alles vermieden, was das Schamgefühl zu verletzen geeignet wäre. Selbstverständlich – leider selbstverständlich! – wurde Tanner ob dieser vernünftigen Bemerkungen stark angefeindet und er hätte sie wahrscheinlich bitter büssen müssen, wenn ihn der Tod nicht allen Anfeindungen entzogen hätte. Erklärten doch zwei Inquisitoren nach dem Lesen seiner Schrift, sie würden ihn, wenn er in ihre Hände geriete, ohne Säumen der Folter unterziehen.
Paul Leymann, der zweite des würdigen Jesuiten-Trifoliums, ein Innsbrucker gleich Tanner, wurde 1575 geboren und starb, nachdem er in München und Dillingen Professor des kanonischen Rechts gewesen war, 1635 zu Konstanz an der Pest, wurde also auch genau so alt wie der Ersterwähnte. In seinem Hauptwerk »Theologia moralis« (1625) tritt auch er gegen Hexenprozesse und Tortur auf, doch fand seine Stimme wenig Beachtung, zumal sie bald übertönt wurde von den kraftvollen Worten des dritten im Bunde, Friedrich v. Spees, der 1592 zu Kaiserswerth geboren wurde und 1635 zu Trier starb. Im Jahre 1631 erschien dessen »Cautio criminalis«, ein Buch, das bald grosse Verbreitung fand, wiederholt aufgelegt und in andere Sprachen übertragen wurde. Vorsichtigerweise liess er es anonym erscheinen und erst später wurde durch Leibniz der Name des Verfassers bekannt. »Dieser grosse Mann,« schreibt der Verfasser der »Theodicee«, »verwaltete in Franken das Amt eines Beichtvaters, als im Bambergischen und Würzburgischen viele Personen wegen Zauberei verurteilt und verbrannt wurden. Johann Philipp von Schönborn, später Bischof von Würzburg und zuletzt Kurfürst von Mainz, lebte damals in Würzburg als junger Canonicus und hatte mit Spee eine vertraute Freundschaft geschlossen. Als nun einst der junge Mann fragte, warum wohl der ehrwürdige Vater ein graueres Haar habe, als seinen Jahren gemäss sei, antwortete dieser, das rühre von den Hexen her, die er zum Scheiterhaufen begleitet habe. Hierüber wunderte sich Schönborn und Spee löste ihm das Rätsel folgendermassen: Er habe durch alle Nachforschungen in seiner Stellung als Beichtvater bei keinem von denjenigen, die er zum Tode bereitet, etwas gefunden, woraus er sich hätte überzeugen können, dass ihnen das Verbrechen der Zauberei mit Recht wäre zur Last gelegt worden. Einfältige Leute hätten sich auf seine beichtväterlichen Fragen, aus Furcht vor wiederholter Tortur, anfänglich allerdings für Hexen ausgegeben, bald aber, als sie sich überzeugten, dass vom Beichtvater nichts zu besorgen sei, hätten sie Zutrauen gefasst und in ganz anderem Ton gesprochen. Unter Heulen und Schluchzen hätten alle die Unwissenheit oder Bosheit der Richter und ihr eigenes Elend bejammert und noch in ihren letzten Augenblicken Gott zum Zeugen ihrer Unschuld angerufen. Die häufige Wiederholung solcher Jammerszenen habe einen so tiefen Eindruck auf ihn gemacht, dass er vor der Zeit grau geworden.«
Zeit, Verhältnisse und Stand in Betracht gezogen, kann es uns nicht wundern, dass auch Spee, wie seine vorgenannten Berufsgenossen, die Existenz von Hexen annahm, »was von niemand ohne Leichtfertigkeit und groben Unverstand geleugnet werden könne«, trotzdem sich auch Stimmen katholischer Gelehrter gegen diese Annahme erhoben und trotzdem er selbst, in seiner Eigenschaft als beobachtender Beichtiger derartigen Zweifeln ausgesetzt war. Er will indes nicht glauben, dass es deren so viel je gegeben habe, als unter »dem Vorwand dieses Lasters in die Luft geflogen«, d. h. verbrannt wurden. Die von ihm selbst aufgestellte Frage, ob es in Deutschland mehr Zauberer, Hexen und Unholde gebe als anderwärts, beantwortet er dahin, dass er es nicht wisse, aber man sei allgemein dieser Ansicht, weil es in Deutschland an allen Orten rauche. Soldan führt (II, 193) einige Stellen seines erwähnten Werkes in einer alten deutschen Übersetzung an: »Ein anschauliches Gesamtbild des damaligen Hexenprozesses giebt Spee in der Einundfünfzigsten Frage: Nun sage mir die Summa und kurzen Inhalt des Prozesses im Zaubereilaster, wie derselbige zu dieser Zeit gemeiniglich geführt wird.
§ 1. Das will ich tun, Du musst aber zum Eingange merken, dass uns Teutschen und insonderheit (dessen man sich billig schämen sollte) bei den Katholiken der Aberglaube, die Missgunst, Lästern, Afterreden, Schänden, Schmähen und hinterlistiges Ohrenblasen unglaublich tief eingewurzelt sei, welches weder von der Obrigkeit nach Gebühr gestraft, noch von der Kanzel der Notdurft nach widerlegt und die Leute davor gewarnt und abgemahnt werden; und eben daher entsteht der erste Verdacht der Zauberei, daher kommt's, dass alle Strafen Gottes, so er in seinem heiligen Worte den Ungehorsamen gedroht, von Zauberern und Hexen geschehen sein sollen, da muss weder Gott oder die Natur etwas mehr gelten, sondern die Hexen müssen alles getan haben.
§ 2. Daher erfolgt denn, dass jedermann mit Unvernunft ruft und schreit: die Obrigkeit soll auf die Zauberer und Hexen inquirieren (nämlich deren sie mit ihren Zungen so viel gemacht haben). Hierauf befiehlt die Obrigkeit ihren Richtern und Räten, dass sie gegen diese beschreite lasterhafte Personen prozedieren sollen. Dieselbigen wissen nun nicht, wo und wann sie anheben sollen, weil es ihnen an Anzeigen und Beweistum ermangelt und ihnen gleichwohl ihr Gewissen sagt, dass man hierinnen nicht unbedachtsam verfahren solle. Inmittelst kommt der zweite und dritte Befehl von der Obrigkeit, dass sie fortfahren sollen und darf sich Herr Omnes vernehmen lassen, es müsste nicht klar mit dem Beamten sein, dass sie nicht wollten, und dessen dürfen auch wohl die Obrigkeiten selbst sich von andern überreden lassen. Sollte man nun der Obrigkeit hierinnen in etwas widerstreben und nicht stracks zu Werke greifen, das würde vorab bei uns Teutschen sehr übel gedeutet werden, angesehen, dass fast männiglich, auch die Geistlichen, alles für recht und gut halten, was den Fürsten und der Herrschaft gefällt, da sie, die Geistlichen, doch nicht wissen, von was Leuten, Fürsten und Herren (ob sie sonst wohl von Natur sehr gut seien) oft angereizt werden. Also gehet dann der Herrschaft Wille vor, und macht man den Anfang des Werkes auf Geratewohl.
§ 3. Ziehet aber der Magistrat diese Sache als ein schwer und gefährlich Werk in Bedenken, so schickt die Obrigkeit einen Inquisitoren oder Commissarium; ob dann gleich derselbige aus Unverstand oder erhitztem Gemüte der Sachen etwas zu viel tut, so muss dennoch dasselbige nicht unrecht getan heissen, sondern dem giebt man den Namen eines gottseligen Eiferers zu der Gerechtigkeit, und derselbe gerechte Eifer wird durch die Hoffnung des guten Genusses oder Salarii so viel mehr entzündet und unterhalten, sonderlich wann der Commissarius bedürftig ist und ihm auf jedes Haupt eine gewisse Summe von Talern pro salario zugelegt wird und ihm ausserdem noch freistehet, von den Bauern ein und das andere Steuer zu fordern. Trägt sich's dann zu, dass etwa ein besessener oder wahnwitziger Mensch von einer armen Gaja ein verdächtiges Wort geredet, oder das heutige allzu gemeine lügenhaftige Gespräch auf sie fällt, so ist der Anfang gemacht und muss dieselbe herhalten.
§ 4. Damit es aber nicht scheine, als ob man auf dies blosse Geschrei und ohne andere Indicia also prozediere, so ist alsbald ein unfehlbar Indicium vorhanden, und das aus diesem Fallstrick entweder Gaja hat ein böses, leichtfertiges, oder ein frommes, gottseliges Leben geführt. Ist jenes, so ist's ein grosses Indicium, denn wer böse ist, kann leicht böser und je länger, je weiter verführt werden; ist dieses, so ist's kein geringer Indicium, dann sagen sie: so pflegen sich die Hexen zu schmücken und wollen allezeit gerne für die Frömmsten gehalten sein. Da ist dann der Befehl, dass man mit der Gaja zu Loch solle. Und ist stracks wieder ein neues Indicium, abermals per dilemma, entweder die Gaja giebt durch die Anlass, Wort oder Werk zu verstehen, dass sie sich fürchte, oder gebärdet und erzeigt sich unerschrocken. Spürt man dann einige Furcht oder Schrecken bei ihr (denn wer wollte sich nicht entsetzen, der da weiss, wie jämmerlich sie dero Orts gemartert werden?), so ist's abermals ein Indicium; dann sagen sie, das böse Gewissen macht sie bang. Fürchtet sie sich nicht, sondern trauet ihrer Unschuld, so ist's wieder ein Indicium; dann geben sie vor, das pflegen die Hexen zu tun, dass sie die Unschuldigen sein wollen und der Teufel macht sie so mutig. Damit es aber an mehreren Indizien nicht mangele, so hat der Inquisitor oder Commissarius seine Jagdhunde zur Hand, oftmals gottlose, leichtfertige, beschreite Leute, die müssen dann auf der armen Gaja ganzes Leben, Handel und Wandel inquirieren, da es dann nicht wohl sein kann, dass man nicht etwas finden sollte, welches argwöhnische Leute nicht aufs Ärgste auslegen und auf Zauberei deuten möchten. Seien dann auch vielleicht etliche, so der Gaja vorhin nicht viel Gutes gegönnt haben, die tun sich alsdann hervor, bringen quid pro quo und ruft jedermann: Die Gaja hat gleichwohl schwere Indicia gegen sich. Darum muss die Gaja auf die Folterbank (wofern sie anders nicht selbigen Tages, da sie gefänglich angenommen, sobald ist gefoltert worden). Denn bei diesen Prozessen wird keinem Menschen ein Advocatus oder auch einige Defension, wie aufrichtig sie auch immer sein möchte, gestattet; denn da rufen sie, dies sei ein crimen expectum, ein solch Laster, das dem gerichtlichen Prozess nicht unterworfen sei; ja da eines darinnen sich als Advocatus wollte gebrauchen lassen, oder der Herrschaft einordnen und erinnern, dass sie vorsichtig verfahren wollte, der ist schon im Verdacht des Lasters und muss ein Patron und Schutzherr der Hexen heissen, also dass aller Mund verstummen und alle Schreibfedern stumpf sein, dass man weder reden noch schreiben darf. Insgemein haben gleichwohl die Inquisitores den Brauch, damit ihnen nicht nachgesagt werde, als ob sie der Gaja ihre Defension nicht zugelassen hätten, dass sie dieselbige vorstellen und sie über die Indicia axaminieren (soll man's anders examinieren heissen). Ob denn gleich die Gaja die gegen sie vorhandenen Indicia samt und sonders genugsam ablehnt, so passet man doch darauf nichts, ja man schreibt's auch wohl nicht einmal an, sondern die Indicia bleiben nichtsdestoweniger auf ihrem Valor und muss die obstinate Gaja wieder zu Loch und sich besser bedenken; denn weil sie sich wohl verantwortet, so ist's ein neu Indicium, denn, wenn diese keine Hexe wäre (sagen sie), so könnte sie so beredt nicht sein.
§ 6. Wenn sie sich nun über Nacht bedacht hat, stellt man sie des folgenden Morgens wieder vor, und da sie bei ihren gestrigen Antworten bleibt, so liest man ihr das decretum torturae vor, nicht anders, als ob sie gestern nicht geantwortet, noch die Indicia im geringsten widerlegt hätte. Ehe sie aber gefoltert wird, führt sie der Henker auf eine Seite und besieht sie allenthalben auf dem blossen Leib, ob sie sich etwa durch zauberische Kunst unempfindlich gemacht hätte. Damit ja nichts verborgen bleibe, schneiden und sengen sie ihr die Haare allenthalben auch an dem Ort, den man vor züchtigen Ohren nicht nennen darf, ab und begucken alles aufs genaueste, haben doch bisher dergleichen noch wenig gefunden. Und zwar sollen sie solches den Weibern nicht tun, da sie doch der geistlichen Priester hierinnen nicht schonen? Und zwar der geistlichen Bischöfe und Prälaten Inquisitores sein in diesem Falle die besten Meister, und achtet man die päpstliche Bullam Coenae, so Päpstliche Heiligkeit gegen die ausgelassen, welche ohne Ihrer Heiligkeit Spezialbefehl gegen die Geistlichen prozedieren, für Blitz ohne Donnerschläge, und damit ja fromme Fürsten und Herren dasselbe nicht erfahren, und also dergleichen Prozess einen Zaum anwerfen, wissen Inquisitores dasselbe fein zu verhehlen.
§ 7. Wenn nun die Gaja gesengt und enthaart ist, so wird sie gefoltert, dass sie die Wahrheit sage, d. i. sich schlecht für eine Zauberische bekennen soll. So mag anders sagen, was sie wolle, so ist es nicht wahr und kann nicht wahr sein. Man foltert sie aber erst auf die schlechteste Manier, welches Du also verstehen musst, als ob sie gleich zum Schärfsten torquiert wird, so heisst es doch die schlechteste Art in Respekt und Erwägung deren, die nachfolgen sollen. Bekennt nun die Gaja auf solche Manier, so geben sie vor, sie habe gutwillig und ohne Folter bekennet. Wie kann denn ein Fürst oder Herr vorüber, dass er diejenige Person nicht für eine Hexin halten sollte, die so gutwillig und ohne Tortur bekennet hat, dass sie eine sei? Und macht man sich demnach keine ferneren Gedanken oder Beschwerungen, sondern man führet sie zum Tode, wie man doch würde getan haben, wenn sie schon nichts bekennet hätte, sintemal, wenn der Anfang des Folterns gemacht ist, so ist das Spiel gewonnen, sie muss bekennen, sie muss sterben. Sie bekenne nun, oder bekenne nicht, so gilt es gleich. Bekennet sie, so ist die Sache klar und wird sie getötet, denn widerrufen gilt hier nichts; bekennet sie nicht, so torquiert man sie zum zweiten, dritten und vierten mal, denn bei diesem Prozesse gilt, was nur dem Commissario beliebt, da hat man in diesem exceptio crimine nicht zu sehen, wie lang, wie scharf, wie oftmalig die Folter gebraucht werde, hier meint niemand, dass man etwas verbrechen könne, davon man hiernächst Rechnung geben müsse. Verwendet nun etwa die Gaja in der Folter vor Schmerzen die Augen, oder starrt mit offenen Augen, so sind das neue Indicia; denn verwendet sie dieselben, so sprechen sie: Seht, wie schaut sie nach ihrem Buhlen um. Starret sie dann, so hat sie ihn ersehen. Wird sie dann härter gefoltert und will doch nicht bekennen, verstellt ihre Gebärden wegen der grossen Marter, oder kommt gar in Ohnmacht, so rufen sie: Die lacht und schläft auf der Folter, die hat etwas gebraucht, dass sie nicht schwatzen kann, die soll man lebendig verbrennen, wie dem unlängst etlichen widerfahren. Und da sagt männiglich und auch die Geistlichen und Beichtväter, die habe keine Reue gehabt, habe sich nicht bekehrt, noch ihren Buhlen verlassen, sondern demselben Glauben halten wollen. Begiebt sich's dann, dass eine oder die andere auf der Folter stirbt, so sagt man, der Teufel habe ihr den Hals gebrochen. Derohalben, so ist dann Meister Hans Knüpfauf her, schleppt das Aas hinaus und begräbt es unter dem Galgen.
§ 8. Kommt aber die Gaja auf der Folter davon und ist etwa der Richter so nachdenklich, dass er sie ohne neue Indicia nicht weiter torquieren, auch nicht unbekennet hinrichten lassen darf, so lässt man sie dennoch nicht los, sondern legt sie in ein härteres Gefängnis, da sie denn wohl ein ganzes Jahr liegen und gleichsam einbeizen muss, bis sie mürbe werde. Denn hier gilt kein Purgierens durch die ausgestandene Tortur, wie zwar die Rechte wollen, sondern sie muss des Lasters einen Weg, wie den andern schuldig bleiben; denn das wäre den Inquisitoren eine Schande, dass sie eine Person, so sie einmal zur Haft gebracht hätten, loslassen sollten. Welchen sie einmal ins Gefängnis gebracht, der muss schuldig sein, es geschehe mit Recht oder Unrecht. Inmittelst schickt man ungestüme Priester zu der Gefangenen, welche ihr oft verdriesslicher sind, als der Henker selbst. Die plagen dann das arme Mensch so lang und viel, bis sie bekennen muss, Gott gebe, sie sei eine Hexe oder nicht, rufen und schreien, dass wenn sie nicht bekennen werde, so könne sie nicht selig oder der heiligen Sakramente teilhaftig werden. Und darum hüten sich die Herren Inquisitores mit allem Fleiss, dass sie keine solchen Priester bei diesen Sachen und Prozess gebrauchen, die etwa sittsam seien, Verstand im Herzen und Zähne im Munde haben, wie ingleichen, damit ja niemand bei das Gefängnis komme, der diesen Gefangenen guten Rat mitteile, oder den Fürsten von dem Handel unterrichte. Denn ihnen ist vor nichts mehr bange, als dass etwa ihre Unschuld auf eine oder andere Weise zu Tage kommen möchte.
§ 9. Mittlerweile also die Gaja im Stankloch sitzt und von denen, die sie trösten sollten, gequält wird, so haben hurtige und geschwinde Richter schöne Griffe und Fundament, wie sie auf sie neue Indicia zuwege bringen, und womit sie sie dermassen ins Gesicht überweisen (verstehe hinter sich), dass sie auch durch der Juristen-Fakultäten Responsum lebendig verbrannt zu werden schuldig erkannt werden muss. Etliche lassen die Gajam beschwören und bannen und setzen sie demnach in ein anderes Gefängnis und lassen sie also nochmals torquieren, ob man auf solches Exorcisieren und Veränderung des Orts den stummen Teufel (wie sie meinen) von ihr bringen möchte. Bekennt sie alsdann noch nicht, so muss sie lebendig verbrannt werden. Nun möchte ich (weiss Gott!) gerne wissen, weil sowohl die, so nicht bekennet, als auch welche bekennet, Hexen sind und sterben müssen, wie doch ein Mensch, er sei so unschuldig, wie er immer wolle, sich allhier retten könne oder wolle? O, Du elende Gaja! Worauf hast Du noch gehofft? Warum hast Du nicht, so bald Du das Gefängnis betreten, gesagt, Du wärest des Lasters schuldig? O, Du törichtes Weib! Warum willst Du so oft sterben, da Du's anfangs mit einem Tode hättest bezahlen können? Folge meinem Rat und sage stracks zu, Du seiest eine Hexe und stirb; denn vergebens hoffst Du los zu werden, solches lässt der Eifer der Gerechtigkeit bei uns Teutschen nicht zu.
§ 10. So nun eine aus Unleidsamkeit der Marter fälschlich über sich bekennet, so geht das Elend erst an, sintemal hier ist insgemein kein Mittel sich loszuwirken, sondern die Gaja muss andern, ob sie schon von ihnen nichts Böses weiss, anzeigen, und oftmals die, welche ihr von den Inquisitoren oder Schergen in den Mund gegeben werden, oder wovon sie wissen, dass sie vorhin ein böses Geschrei haben, oder vorhin besagt oder im Gefängnis gewesen und dessen wiederum entlassen seien. Werden dann diese auch gefoltert, so müssen sie wieder andere besagen, und die aber andere, und ist hier also kein Ende oder Aufhören. Und kommt's auf solche Manier so weit, dass die Richter entweder den Prozess fallen lassen und ihre Kunst begeben, oder aber die Ihrigen, ja sich selbst und alle Leute verbrennen müssen. Denn da fehlt's nicht, die falschen Besagungen werden sie endlich alle miteinander treffen, und werden sie auch, wenn's nur zum Foltern mit ihnen kommt, alle schuldig machen. Da kommen dann deren viele mit ins Spiel, die anfangs so hart gerufen und getrieben, dass man brennen und brühen sollte, und haben die guten Herren im Anfang sich nicht besinnen können, dass die Reihe auch an sie kommen würde, und die haben dann ihren gerechten Lohn von Gott, weil sie uns mit ihren giftigen Zungen so viel Zauberer gemacht, und so viel unschuldige Menschen dem Feuer hingegeben haben. Doch tun sich nunmehr etliche Verständigere und Gelehrtere hervor, die, gleichsam aus dem tiefen Schlafe erwachend, ihre Augen auftun, den Sachen besser nachdenken und nicht so unbesonnen ins Tausendste hinein toben.
§11. Und obwohl die Richter und Commissarii insgesamt leugnen, dass sie nicht auf die blosse Besagung gehen, so ist's doch nicht's damit, und ist's droben im Traktat erwiesen, dass sie damit nur ihren Fürsten und Herren einen blauen Dunst vor die Nase machen. Denn die Fama oder das böse Gerücht, so sie gemeiniglich bei die Besagung ziehen, ist allzeit unkräftig und nichtig, weil derselbe nimmermehr zu Recht erwiesen wird, und verwundert mich's, dass es noch von keinem Richter in Acht genommen worden, dass dasjenige, was viele von den zauberischen Zeichen plaudern, gemeiniglich ein Betrug der Henker sei. Unterdessen aber und inmittelst, dass die Hexenprozesse noch mit Ernst fortgetrieben und diejenigen, welche gefoltert werden, aus Unleidsamkeit der Pein auf andere und diese wieder auf andere bekennen müssen, da kommt's stracks aus, dass diese oder jene besagt seien (denn so heimlich pflegen's die zu halten, die bei der Folter adhibiert und gebraucht werden) und das nicht ohne ihren Vorteil, denn daraus können sie stracks Indicia ergreifen. Und das abermals durch diese zweifache Falltür: denn diejenigen, welche es vernehmen, dass sie besagt seien (wie es dann stracks ein offenes Gerücht wird), die nehmen entweder die Flucht zur Hand, oder halten Fuss beim Male und warten des Ihrigen Fliehen sie, so hat sie ihr böses Gewissen fortgetrieben; bleiben sie aber, so hält sie der Teufel, des sie nicht können wegkommen. Gehet aber einer zu den Inquisitoren und fragt, ob's wahr sei, dass er beschwätzt sei, damit er sich bei Zeiten mit seiner rechtmässigen Defension verantworten möge, so ist's abermals ein Indicium, denn er weiss sich nicht sicher und fürchtet sich vor seinem eigenen Schatten. Er mache es nun, wie er es wolle, so hat er eine Klette davon, und lässt er dieses also stille hingehen, so ist's über ein Jahr ein gemein Geschrei, welches alt und stark genug ist, wenn nur etliche Besagungen dazu kommen, dass man ihn deswegen zur Folter erkenne, da doch dieses Geschrei erst aus der neulichen Besagung entsprossen ist.
§ 12. Auf eben die Manier geht's denen, welche etwa von einem leichtfertigen Buben oder einer leichtfertigen Pletzen Zauberer oder Zaubersche gescholten werden. Denn entweder er verteidigt sich mit Recht oder lässt es anstehen. Verteidigt er sich nicht, so ist er des Lasters schuldig, sonst würde er nicht stille schweigen. Verteidigt er sich mit Recht, so kommt die Sache je länger je mehr und weiter aus, und kitzelt sich hier einer, dort ein anderer damit und tragt's also weiter fort, bis es endlich allenthalben auskommen. Und das ist dann ein böses Gerücht, das nimmermehr wieder ausgetilgt werden kann. Und was ist denn leichter, als diejenigen, welche hierzwischen torquiert und auf ihre Complices gefragt werden, eben diese anzeigen? Erfolgt demnach schliesslich dieses (welches man billig mit roter Tinte anzeichnen sollte), dass, wenn dieser Prozess bei jetziger Zeit fortgetrieben werden sollte, kein Mensch, wes Geschlechts, Vermögen, Stands, Amts und Würden er immer sein möge, von diesem Laster oder Verdacht desselben sicher sein und bleiben würde, wenn er nur so viel Feinds hat, der ihn in der Zauberei bezichtigen oder ihn dafür schelten dürfte. Wennmehro ich, ich wende mich auch, wohin ich immer wolle, einen armseligen Zustand um mich her sehe, wenn diesem Wesen nicht in andre Wege sollte vorgebaut werden. Ich hab's droben gesagt und sage es nochmals mit einem Worte, dass dieses Übel oder Laster der Zauberei mit Feuer nicht, sondern auf andere Weise, ohne Blutvergiessen, ganz kräftig ausgetilgt werden könne. Aber wer ist's, der solches zu wissen begehrt? Ob ich zwar willens gewesen, ein Mehreres hiervon zu schreiben und die Summa oder Auszug aus dem Grunde auszuführen, so kann ich's vor Herzeleid nicht tun. Vielleicht möchten sich andere finden, welche aus Liebe des Vaterlandes solche Mühe auf sich nehmen. Dieses will ich endlich alle und jede gelehrte, gottesfürchtige, verständige und billigmässige Urteiles und Richter (denn nach den anderen frage ich nicht viel) um des jüngsten Gerichts willen gebeten haben, dass sie dieses, was in diesem Traktat geschrieben ist, mit sonderbarem Fleisse lesen und aber lesen und wohl erwägen wollen. In Wahrheit, alle Obrigkeiten, Fürsten und Herren stehen in grosser Gefahr ihrer Seligkeit, wofern sie nicht sehr fleissig Aufsicht bei diesem Handel anwenden. Sie wollen sich auch nicht verwundern, wenn ich hierinnen bisweilen etwas hitzig gewesen und mich bisweilen der Kühnheit gebraucht, sie zu warnen! Denn es gebührt mir, nicht unter derjenigen Zahl gefunden zu werden, welche der Prophet verwirft, dass sie stumme Hunde seien, so nicht bellen können. Sie mögen nun wohl acht haben auf sich und ihre Herde, welche Gott der Allmächtige dermaleinst von ihrer Hand wieder fordern wird.« Diese klugen und lobenswerten Äusserungen fanden zwar grosse Beachtung, doch es kann nicht gesagt werden, dass sie unmittelbar auch von grosser Wirkung waren. Erst einer späteren Zeit sollte es vorbehalten bleiben, die Wahrheit dieser Worte zu erkennen und ihre Lehre in die Praxis umzusetzen. Bemerkt sei übrigens noch, dass auch protestantische Theologen gegen Hexenwahn und Torturmissbrauch auftraten, allerdings ebenfalls ohne nennenswerten Erfolg für ihre Zeit.