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Das Wunder bei der Messe ergötzt besonders wegen Einheit und Mannigfaltigkeit des Ausdrucks durch alle die verschiednen Gesichter, die meistens Porträte sind, und zeigt so recht Raffaels wunderbare Einbildungskraft. Es ist der lebendige Glaube. Der überführte Priester, mit den Augen kaum blinzend und voll Beschämung und Erstaunen in den Lippen, und Julius der Papst sind hohe Meisterstücke. Das Ganze ist am besten gemalt unter allen.
Petrus, befreit aus dem Gefängnisse, ist ein angenehmes Spiel von Licht und Schatten, wozu jedoch kein Raffael gehörte, und das Ganze gut entworfen, der erschrockne Soldat auf der Treppe meisterlich.
In diesem Zimmer merkt man schon, daß Raffael seine Schüler bei seinen Arbeiten brauchte; aber noch weit mehr in dem dritten, hintersten, wo das meiste von diesen ist.
Der Burgbrand ist hier das Vorzüglichste. Viele Gestalten sind darin vortrefflich, nur war die Szene selbst eher ein Vorwurf für den Tizian oder Correggio. Überhaupt aber sind Wunder eher für Poesie als bildende Kunst; sie täuschen das Auge selten, weil man natürlicherweise nichts so gesehn hat.
Die Dirne mit dem Krug auf dem Kopfe ist eine göttliche Figur, eine Amazone unter den modernen Weibern, voll Leben und Frischheit in ihren Formen und reizend in dem vom Wind angewehten Gewande. Die knienden Frauen sind gleichfalls trefflich und die Gruppe des Sohns, des Äneas, der seinen Vater rettet, mit dem Buben daneben Meisterwerk. Der Tumult der Weiber und Kinder, weinend und schreiend, flehend und erschrocken, ergreift die Phantasie, und es gibt da schöne Gestalten. Jedoch ist er am Nackenden gescheitert; dies muß gut koloriert sein, wenn es Wirkung hervorbringen soll. Der nackende Kerl, welcher herabspringt, ist ziegelfärbig und sieht aus wie geschunden.
Leo der Vierte, welcher auf das Evangelium schwört. Die Hauptfigur ist das Beste im Ganzen; man kann gutes Gewissen nicht trefflicher ausdrücken im großen, kräftigen, freien Charakter. Herrlicher Blick gen Himmel! Außerdem sind noch einige meisterhafte Köpfe darin; scharfer Verstand, Getrostheit, und Verwunderung und Aufmerksamkeit darum her, und die Menge mit verschiednen Empfindungen. Es ist reizend, überall den tiefen Seelenklang zu finden. Er war in der Tat ein klares stilles tiefes Wasser, worin sich die beste Natur rein abspiegelte.
In der Schlacht bei Ostia ist das Beste der geharnischte Soldat mit den grünen Hosen; ein christlicher Held. Das übrige in diesem Stücke ist unbedeutend; der Papst selbst hat eine fromme Schafsgestalt.
In der Krönung Karls des Großen macht Karl selbst eine einfältige Figur und paßt so gut zu dieser Szene, die mit viel Empfindung und Feinheit ausgeführt ist; er sieht wie ein alter Schweizerkorporal aus und kniet mit abgestutztem Haare vor dem Papst.
Es sind in diesem Gemälde ganz vortreffliche Köpfe, besonders unter den Bischöfen und geharnischten Schweizern. Die Gescheitesten sind am entferntesten von ihm und um die Handlung her, und zum Teil mit ernsthaftem und heiterm Nachdenken. Die Bischofsmützen sind sehr fatal für die Malerei; und ihr Weiß in doppelter gerader Reihe besonders im Vordergrunde grell. Die Einheit des Ganzen verbreitet sich bis auf die Sänger in der Ecke oben. Die Kerl, welche Geschenke tragen, silbernen Tisch und Gefäße, bringen Mannigfaltigkeit hinein. Es ist viel zusammengedrängte Pracht darin.
Im vierten und letzten Zimmer, beim Eingang das erste und größte, ist alles bloß nach Raffaels Zeichnungen und Anlage, bis auf zwei Figuren, die er selbst in Öl ganz ausgemalt hat, nämlich die Gerechtigkeit und Gütigkeit, welche, obgleich nur allegorisch und wenig bedeutend, doch mit ihrer Wahrheit und Wirklichkeit alles von Julio Romano und Fattore niederschlagen. Es kömmt einem vor, als ob Raffaels warmes Leben kalt geworden wäre; er ist's, und ist's nicht mehr. Er selbst ist ganz lebendig: hier sind's nur seine Masken. Es fehlt die Bestimmtheit in allen Teilen, fehlen die feinen entscheidenden Züge, die nur von der schöpferischen Phantasie allein unmittelbar in die Hand quellen. Man muß sich zwingen, die Personen wirklich zu sehen; bei ihm kann man nicht anders.
Die Schlacht Konstantins gehört mit der Verklärung unter Raffaels größte Kompositionen; sie macht ein schönes Ganzes und ist vortrefflich angeordnet. Die Hauptfiguren gehen gut hervor. Konstantin drückt noch Zorn aus, und die Freude regt sich bei ihm über den Sieg; die Gruppe mit dem Reiter vor sich, dessen Pferd er verwundet, ist wohl ausgedacht. Der Kopf des Maxentius stellt einen schlechten, grausamen und elenden Tyrannen dar überhaupt, wohl meistens von Julio erfunden, und jetzt in Verzweiflung und gänzlicher Ohnmacht und der Gefahr, überall umzukommen. Sein Pferd und wie er sich beim Untersinken im Wasser daran hält, der Strom und die darin schwimmen, in die Barke steigen wollen und sie umwerfen, ist trefflich. Sonst sind die Haufen vielleicht zu voll, der Feind zu flüchtig, ohne allen Widerstand; es bleibt aber doch die erste Schlacht wegen Wahrheit der Gestalten. Die Gruppe, wo einer vom Pferde heruntergebohrt wird, und die des gefallnen Sohns mit der Fahne bei seinem Vater tun große Wirkung.
Die drei übrigen Gemälde in diesem Saale kommen nach den andern wenig in Betrachtung. Die Anrede Konstantins mit dem erscheinenden Kreuz in der Luft ist noch das beste; sie ist nach den Anreden Trajans auf Konstantins Triumphbogen. Einige Porträte nur ziehen das Auge an sich, als die zwei Jünglinge unter Konstantin.
In der Schenkung Konstantins sind im Vordergrunde auf beiden Seiten ein paar schöne Gruppen von Weibern, samt denen, die sich durch die Säulen drängen.
Vor den Stanzen sind die Logen, mit lauter kleinen Gemälden aus dem Alten Testamente und am Ende mit einigen wenigen aus dem Neuen verziert. Raffael selbst hat nur ein paar Erker etwa selbst flüchtig ausgemalt und hier und da Hand angelegt, alles andre ist von seinen Schülern nach seinen Zeichnungen. Und so die Arabesken. Alles voll schöner reizender Ideen. Ich betrachte diesen Gang als die Schule Raffaels im eigentlichen Verstande, den trefflichen Meister unter seinen großen und kleinen Schülern, und es freut mich zu sehen, wie sie die Schwingen versuchen.
Man kann nicht wohl umhin, unter den großen Meistern der neuern Zeit den Michelangelo und Raffael obenan zu stellen; jenen wegen Richtigkeit im Nackenden und Erhabenheit seiner Denkungsart; doch hat er wenig Gefühl für schöne Form gehabt und ein elendes Auge für Farbe, und war arm an Gestalt.
Raffael ist lauter Herz und Empfindung, und eine Quelle von Leben und Schönheit, wie je wenig Sterbliche. Edel und liebenswürdig, und bereit, von seiner Fülle mitzuteilen für jedermann, hat er die Gunst und Bewunderung von dem Kerne der Menschheit erhalten. Alles Nackende, was zu unsern Zeiten am Menschen sichtbar ist, besitzt er in seiner Gewalt. An Gestalt ist keiner reicher als er, und darin fühlt er einige Gattungen von Seelenschönheit aufs lebendigste. Die Farbe war ihm zu sehr Oberfläche; im Nackenden hat er aber doch oft ihren Reiz gefühlt und besonders bei Köpfen in höchster Vortrefflichkeit übergetragen. Die Zaubereien vom Hell-Dunkel sind ihm fremd. Sein Fehler ist seine Gefälligkeit überall, auch wo sie nicht sein soll. Es scheint, als ob er nie ein widerwärtig Gesicht recht habe ansehen können; in seinen Köpfen von Attila und Heliodor, und Mördern schier, ist Grazie und Gefälligkeit. Heldencharakter, welche für sich bestehen, einen Apollo, Herkules, Jupiter, und diesen Ähnliche unter Menschen hat er nie oder höchst selten durch bloße Kopie erreicht. Sein Nackendes in den Teilen, die man nach unsern Sitten nicht sieht, ist wie aller andern Neuern meist Abschrift eines Modells; doch freut einen darin seine feste Hand. Die Vollkommenheit unsrer besten Antiken kannt er nicht; und sein Vortrefflichstes ist wahrlich nicht das wenige, worin er sie nachgeahmt hat. Dies Nackende, wenn er sich auch noch so sehr plagte, tut wenig Wirkung; es ist nicht wieder andre Natur geworden wie bei den Griechen, ausgenommen Kinder, Arme, Beine, Brüste, Hände, Füße.
Übrigens sieht man recht im Vatikan, daß er mit den vorzüglichsten Personen seines Zeitalters umging und ihre Gestalten, Mienen und Gebärden, Stellungen und Bewegungen und den Reiz in den Gewändern seiner Kunst eigen machte. Welche Meisterstücke Archimed, Aristoteles, Plato, Pythagoras, seine Theologen und Kirchenlehrer! Um sie so wohl zu fassen, dazu gehört gewiß ein verliebter Umgang mit großen Männern. Sappho, Laura, die drei Musen neben dem Apollo im Parnaß, Pindar, Horaz, welche Gestalten! Und wieder welch ein unschuldiges unbehülfliches und doch unbesorgtes Wesen in seinen Kindern zum Beispiel im Burgbrande!
Die Schönheit von Ausdruck und Empfindung hat er verstanden wie keiner. Auch dem Gemeinsten hat er immer einen Anstrich von Empfindung gegeben, ihn wie in Seele getunkt. Er konnte fast nichts anders machen; und die gefühligen Gebärden von inniger Rührung sind bei ihm zuweilen für den scharfen Denker bloße Manier und finden sich, wo sie sich nicht hin schicken. Seine wahrhaftig schöne Seele hat sich von Kindheit an dazu gewöhnt.
Gefühlvolle Gestalten, die nicht sprechen, sind aber auch der eigentlichste Gegenstand der Malerei; wo diese nicht das Hauptwerk in einer historischen Komposition ausmachen, ergreift das andre wenig.
Die vorige Woche war eine Seligsprechung zu Sankt Johann im Lateran, und dabei wurden Raffaels Tapeten ausgehängt, das Fest zu schmücken. Sie machen die andre große Reihe von Gemälden aus, wenn man sie so nennen will, die sich von ihm hier befinden, und belaufen sich an die zwanzig Stücke. Es sind Bilder aus dem Leben Jesu und der Apostelgeschichte. Raffael malte die Kartons dazu, wenig Jahre vor seinem Tode, auf Verlangen Leo des Zehnten, und sie wurden in Flandern unter Aufsicht zwei seiner guten dortigen Schüler gewirkt.
Man trifft darunter Vorstellungen an von hoher Vortrefflichkeit und Schönheit: bei einigen aber gab er sich freilich nicht viel Mühe; doch erblickt man auch hierin einzelne Figuren, die entzücken. Er mußte sich darauf einschränken, was auf Tapeten Wirkung tut, und konnte nicht ins Feine gehen, in die zarten Züge, die oft soviel entscheiden. Deswegen hat man vermutlich auch aus einer schändlichen Nachlässigkeit die Originale zurückgelassen; und der Himmel weiß, wo sie in den Nebelländern hingeraten sind.
Der Kindermord, die Auferstehung, die Austeilung der Schlüssel, wo man dem Paulus opfern will, derselbe im Areopag, Petrus, der einen Gichtbrüchigen heilt, der blinde Zaubrer, der Fischzug gehören unter die besten. Es ist wunderbar, wie das Leben aus der groben Materie hervorbricht und die Herzen ergreift; und man wird selbst zum glücklichen, seligen Kinde, wann das Volk so daran vorbeizieht, da und dort stillesteht und sich dieses und jenes Schöne zeigt, sich dabei der Religion freut und fromm und gut nach Hause geht.
Vor seinem Kindermorde muß jeder andre Künstler die Segel streichen. Ich habe manches schöne Weib davor Tränen vergießen sehen, so rührend ist die Mutterliebe und die Unschuld der Kinder auf mancherlei Art ausgedrückt. Die Mutter, welche mit ausgebreiteten Armen und flatternden Haaren im Schrecken flieht; welche sitzt und über ihr totes Kind weint; welche den Mörder wütend fortstößt, indes das Kind sich an sie festklammert: sind göttliche Gestalten. Es ist ein unendlicher Reiz von Leben, Bewegung und Schönheit in diesem Stücke, das aus drei großen Tapeten besteht.
Wie Petrus den Gichtbrüchigen heilt, ist ein gleiches Meisterstück und hat die trefflichsten Naturgestalten zur Begebenheit und macht noch ein vollkommner Ganzes. Ein gleiches, wo dem Paulus geopfert wird und wo Petrus die Schlüssel empfängt.
Wie Christus aufersteht, ist äußerst sinnlich erfunden. Die Wache erschrickt und flieht davon, wie vor einem Gespenste. Der Hauptmann mit dem Spieße, der im Entsetzen noch tapfer aushalten will, und der Soldat, der sich vor Furcht an ihn schmiegt, und ein andrer mit Schild und Armen über dem Kopfe, und der, welcher ausreißt, sind Meisterwerk. Die drei Marien in der Ferne vollenden die Heiterkeit des Ganzen.
Es läßt sich wenig darüber sagen, wenn man nicht selbst davorsteht und auf die Schönheiten hindeuten kann. Auch muß man vieles aus einer nähern Bekanntschaft mit Raffaelen nur ahnden.
Unter allen seinen theologischen Werken behält aber doch immer den Preis sein letztes, die Verklärung, weil es gewissermaßen die Quintessenz aller seiner heiligen Gefühle in sich hält, den Zuschauer in den Mittelpunkt der christlichen Religion zaubert und die Vollkommenheit seiner Kunst ist. Schade nur, daß das Gemälde die Haltung verloren hat, die Schatten alle schwarz geworden, die feinen Tinten verschwunden sind und die Luft keine gute Wirkung tut. Inzwischen müssen die Gestalten der hohen Menschen, die hier versammelt sind, schon an und für sich ergreifen. Jeder von den untern Aposteln möchte gern voll Gutherzigkeit helfen, aber kann nicht. Auch die Notleidenden sind edle Seelen, und die kniende Jungfrau mit dem königlichen Profil erhebt besonders die Szene. Der beseßne Bube ist ein gutes Kind; der Kopf hat in der Tat den Ausdruck, als ob ihm ein böser Geist etwas angetan hätte, und sein Arm ist ein Meisterstück von Wut der Qual. Der Kopf des Weibes, welches ihn mit der Hand hält, voll Angst und blasser Melancholie, rührt bis zur Bangigkeit.
Oben auf dem Berge wird der göttliche Jüngling, der das menschliche Geschlecht von seinem Elende befreit und auf welchen die untern Gefährten zeigen, in Verzückung emporgehoben vom Boden, und ihn umschweben die größten Geister der Vorwelt herab vom Himmel. Die eingeschlummerten Begleiter erwachen auf der Anhöhe von der Glut der Begeisterung.
Jede Gestalt ist äußerst rein und bestimmt, individuell, voll Physiognomie und Schönheit in großen Formen. Dabei sind die Köpfe doch fast alle Natur aus der römischen Welt und täuschen deswegen so sehr. Ein Fremder kann es nicht so genießen wie einer, der diese kennt.
Mit einem Wort, es ist, was es sein soll: eine wahre Verherrlichung und Verklärung; die Doppelszene, so vereinigt, füllt den Moment so mächtig, als die Malerei nur leisten kann; und was leere Kritiker tadeln, entzückte gerade den Meister bei der Erfindung und macht den Triumph der Kunst für den Menschen von Gefühl aus.