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Pater Varmer weilte wieder in der Mission Avakubi. Sein Konfrater hatte sich wieder erholt, und so konnten beide die einzelnen Missionsposten im weiten Gebiet, das zu Avakubi gehörte, besuchen und überall das christliche Leben wieder auffrischen und vertiefen. So viel Unholdes er im Lande der Mobali erfahren hatte, soviel Trost und Freude empfand er unter den Christen und Katechumenen, deren Eifer alles Lob verdiente. Er hatte Land und Leute liebgewonnen und gedachte recht lange dort zu bleiben und am Heile der Seelen zu arbeiten. Er war deshalb nicht wenig erstaunt, als er eines Tages gebeten wurde, sein Bündel für eine Reise nach Panga zu schnüren. Dort war der Missionar plötzlich am Schwarzwasserfieber gestorben und eine gesunde Kraft war dort notwendig. Es wurde dem jungen Missionar nicht leicht, sich von Avakubi zu trennen, und doch reizte es ihn andrerseits, das Gebiet der Mongelima- und Popoy-Neger kennen zu lernen. Und dazu winkte ihm die Freude, die persönliche Bekanntschaft des Herrn Remy dort machen zu können und Neues über die Anyotos zu erfahren.
So machte er sich denn zuversichtlich auf den Weg. In zwei Tagen hatte er Bomili erreicht, wo er die Gelegenheit benutzte, sich einige Tage den dortigen Christen und Taufbewerbern zu widmen. Nachdem er alles geordnet hatte und die Station in der Obhut des treuen Katechisten Joseph wußte, reiste er weiter und hoffte in drei Tagen die Station Panga am mittleren Aruwimi zu erreichen. Die Reise war nicht angenehm, da sie in der Regenzeit stattfand und der Strom wegen der größeren Wasserfülle viel reißender geworden war. Auch wird der Strom auf dieser Strecke fast andauernd von Schnellen unterbrochen.
Es war am Nachmittage des ersten Reisetages. P. Varmer, der nur von seinem Boy Nogi begleitet war, saß im Einbaum unter seinem Blätterdach und betete seinen Rosenkranz, als das Fahrzeug auf einmal einen heftigen Stoß erhielt. Man war in einer Schnelle.
»Wir wollen lieber aussteigen und die Schnellen umgehen«, meinte Nogi. Doch P. Varmer, der auf die Geschicklichkeit der Ruderer baute, glaubte die Fahrt durch die Schnellen wagen zu dürfen. Aber Nogi war nicht so zuversichtlich, so daß der Pater ihn auslachte und der Ängstlichkeit bezichtigte.
»Aber, Mupe«, sagte der Bursche, »die Ruderer scheinen nicht sehr geschickt zu sein. Und sie schauen so finster drein. Ich glaube sogar, daß sie etwas im Schilde führen. Sie haben so oft etwas leise unter sich getuschelt, und ich sah soeben, wie sie sich bedeutungsvolle Blicke zuwarfen«.
P. Varmer konnte darauf nicht antworten. Das Fahrzeug fing gerade an, auf den Wogen zu tanzen, bald bäumte es sich auf, bald sauste es eine Schnelle hinunter. Mit beiden Händen mußte er sich festhalten. »Bete den Rosenkranz«, raunte er dem vor ihm kauernden Boy zu. Aber im selben Augenblick flog die Piroge gegen einen Felsen, der eben aus dem Wasser sichtbar wurde. Noch ehe der Pater wußte, was geschah, riß ein Strudel das Fahrzeug in eine Schnelle. Von der Seite gepackt kenterte es und alles lag urplötzlich im Wasser und wirbelte hinunter. Ein heftiger Stoß gegen den Kopf trübte P. Varmer einen Augenblick das Bewußtsein. Dann wurde er in ein Loch geschleudert, wo es ihm gelang, sich an einer Felsenkante festzuklammern. Da bot sich ihm ein furchtbares Schauspiel. Nogi war schon von einer Schnelle mithinuntergetrieben worden und suchte schreiend sich zu retten. Die Piroge lag kieloben zwischen zwei Felsen geklemmt. Von den Ruderern schwammen einige dem Ufer zu, die anderen saßen gemütlich auf den Felsblöcken. »Rettet den Nogi!« schrie der Missionar ihnen zu, »Feiglinge, hört ihr nicht, wie er um Hilfe ruft!«
»Atafika, er wird ans Ufer kommen«, antworteten sie ihm. Aber plötzlich hörte und sah er nichts mehr von seinem Gefährten. Da packte der Zorn den Weißen. Gerne wäre er selbst dem Knaben zu Hilfe geeilt, aber selbst hilflos in einem wilden Strudel hing er an den Felsen, und rings umher gurgelte und zischte die Brandung. »Vorwärts! Feiglinge! Bei der Strafe des Bula-Materi, sucht den Knaben, rettet die Piroge und fischet auf, was ihr noch an Kisten erblicket!«
»Mupe!« riefen sie da, »wir können nicht dafür. Ngila mubaja, die Schnelle war zu böse!« Doch langsam machten sie sich daran, die Piroge wieder flott zu machen. Auch einige Kisten wurden wieder herbeigeschafft. Mehrere Kisten, das Gewehr, das Brevier, die Kaffeekanne, einige Bücher und einige Ruder blieben verloren. P. Varmer rief den am Ufer Stehenden zu, Hilfe herbeizurufen. Aber es dauerte eine gute Weile, bis Leute aus einem nahen Dorfe herbeikamen, die dann die Piroge ans Ufer brachten. Der arme Missionar war trostlos über den Verlust seines treuen Gefährten und schimpfte, was er schimpfen konnte, denn nach allem, was er gesehen und erlebt hatte, waren die Ruderer wenigstens der gröbsten Fahrlässigkeit schuldig. Andere hätten sich ganz anders benommen. Jetzt aber spielten sie die Beleidigten und suchten alle Gründe, sich zu entschuldigen.
P. Varmer begab sich nun ins nächste Uferdorf, während die neuen Ruderer die Piroge sicher durch die Schnelle brachten. Ohne Bezahlung schickte er die Bomiliruderer zurück und versprach ihnen dazu noch eine kräftige Barua (Brief) an den Kommandanten. Zum Glück zeigte sich der Häuptling des Dorfes sehr entgegenkommend. Am nächsten Morgen stellte er dem Weißen eine kräftige Piroge und zwölf Ruderer zur Verfügung, gab ihm, da die Kiste mit den Lebensmitteln verloren gegangen war, genügend Nahrungsmittel für die Reise und wünschte ihm gute Fahrt. Und der Weiße versprach ihm, bei der ersten Gelegenheit sich erkenntlich zeigen zu wollen. Der Missionar war äußerst betrübt über das Schicksal Nogis. Dieser war ein braver Christ, ein treuer Diener gewesen. Dem Häuptling trug er deshalb vor der Abreise auf, nach der Leiche zu forschen und sie, falls sie gefunden würde, nach Bomili zum Katechisten Joseph zu einem christlichen Begräbnis zu überführen.
Dann fuhr er nach Panga weiter. An den beiden Reisetagen mußten noch vier Fälle umgangen werden, ohne die vielen Schnellen zu rechnen, durch welche das Fahrzeug geschickt hindurchgeleitet wurde.
Gegen Abend des dritten Tages vernahm man schon von Ferne das Rauschen des großen Wasserfalles, der wegen seines Gepolters von den Weißen die Fabrik von Panga genannt wird. Die Wasser fallen auf einer ganz kurzen Strecke zwölf bis fünfzehn Meter tief und stürzen über und durch Felsen in eine tiefe Schlucht. Endlich landete man oberhalb des Falles an dem hohen Ufer, auf dem zwischen Urwald und Negerdorf die Station Panga liegt.
P. Varmer wurde von den Christen und Heiden freudig empfangen und zur Mission geführt. Das ganze Ufer war voller Menschen. Von der Höhe droben (etwa 600 m hoch) ließ er sein Auge schweifen und wohl eine Stunde weit konnte er den mächtigen Spiegel des Stromes überschauen. Das Wohnhaus des Missionars diente zugleich als Kirche. Daneben lagen Küche, Hühnerstall und eine Hütte für den Katechisten und die Boys.
Gleich am folgenden Tage stattete P. Varmer Herrn Remy einen Besuch ab. Beide hatten voneinander gehört und freuten sich, persönlich sich kennen lernen zu dürfen. Kein Wunder, daß nach Austausch der üblichen Begrüßungs- und Höflichkeitsreden und Fragen über Bekannte und Freunde in diesem oder jenem Gebiet die Unterhaltung sich gleich den Leoparden zuwandte.
P. Varmer erwähnte auch sein kürzlich erlebtes Abenteuer auf dem Strom, erzählte ihm von den Mutmaßungen seines Boy, und Herr Remy glaubte darin einen sicheren Racheakt der Anyotos zu erblicken. Diese hätten wahrscheinlich irgend etwas über seine Nachforschungen erfahren. Vielleicht habe er zu offen mit Negern über diese Angelegenheit gesprochen, oder durch sein für die Sache bekundetes Interesse ihre Rache heraufbeschworen. Jedenfalls solle er die Sache nach Bomili melden und auf der Hut sein.
»Übrigens, Herr Pater«, fuhr der Beamte fort, »unsere Anklageakten habe ich schon seit zwei Wochen durch einen zuverlässigen Boten nach Stanleyville befördert. Der Herr Staatsanwalt hat jetzt das Wort.«
»Ich hörte schon«, entgegnete der Missionar, »daß Sie wertvolles Material in dieser Angelegenheit gesammelt haben. Wäre es unbescheiden von mir, etwas darüber zu hören? Ich habe zwar keine amtliche Befugnis, mich in diese Geschichte hineinzumischen, aber seitdem ich selbst die ersten Tatsachen entdeckte, interessiert mich diese Frage ungemein; denn auch das Wohl der Mission hängt von dem friedlichen Zustande des Landes ab«.
»Gewiß, Herr Pater. Viel schneller als ich erwartet hatte, haben wir etwas Licht in das Dunkel gebracht. Und von Ihnen, vom Kommandanten von Bomili und von meinem braven Leutnant Sander habe ich so viel Aktenmaterial erhalten, daß das meine dagegen in den Schatten tritt. Was ich hier in Panga erfahren habe? Hören Sie.
Schon längere Zeit wußten wir vom Bestehen dieser Schleichmörderbande, aber es war uns nicht gelungen, etwas über den Ursprung, die Ziele und die Organisation zu erfahren. Überall tappten wir im Dunkeln. Es war mir klar, daß wir vorsichtig zu Werke gehen mußten. Ich erlernte deshalb die Eingeborenen-Sprache. Keiner unserer Beamten spricht sie, da wir uns ja nicht sehr lange in den einzelnen Gebieten aufhalten. Wie oft hatte ich Gelegenheit, unbemerkt Mobalileute, die sich in ihrer Sprache erzählten, belauschen zu können. Wenn ich ihre Sprache verstände, sagte ich mir, müßte ein glücklicher Zufall mir doch erlauben, auch etwas über die Leopardengeschichte zu vernehmen, denn, daß dies öfters das Gespräch der Leute bildete, das war mir selbstverständlich. Da kamen mir die Aufzeichnungen des P. Wulfers zu gute, der lange in Avakubi und Bomili geweilt und ein reichliches Kibala-Wörterverzeichnis zusammengestellt hatte. Aus Vorsicht wollte ich mit keinem Neger davon sprechen. Die Schwarzen mußten weiter der festen Überzeugung sein, daß ich kein Wort von ihren Plaudereien verstände.
Wenn ich in Bomili manchmal auf meiner Barza beschäftigt war und ganz in meine Arbeit vertieft schien, horchte ich angestrengt, wie die Leute sich draußen ungeniert über die Tagesneuigkeiten unterhielten. Ich unterschied gut, ob sie Kingelima, Kipopoy oder Kibali (Ki-Sprache, Bali-Mobali) sprachen. Erst wenn es mir zu laut wurde oder das Gespräch mir nicht wichtig genug erschien, mich in der Arbeit zu stören, jagte ich die Leute fort.
Einmal saß ich abends wieder an meinem Tische, da hörte ich, wie einige Schwarzen, die sich in Kingala unterhalten hatten, plötzlich Kibali sprachen. Sie sprachen von einem Mord. Die einen sagten, ein Leopard habe das Opfer getötet, ein anderer, Atembuko mit Namen aber sagte: ›Das hat kein Leopard getan, ihr Dummköpfe. Das hat ein Anyoto getan, des bin ich sicher. Aber ich habe nichts gesagt und will von der Sache nichts wissen. Mein Leben ist mir dafür zu teuer.‹
Als die Leute sich verzogen hatten, ließ ich Atembuko zu mir rufen und nahm ihn in ein strenges Verhör. Zuerst leugnete er alles. Als ich ihn aber der Mittäterschaft verantwortlich machte, als ich ihm versprach, daß er gnädig bestraft werden sollte, im Falle er schuldig sei und sogar belohnt würde, wenn er seine Unschuld bewies, bequemte er sich zu einem Geständnis. In Gegenwart meines Adjutanten, der alles zu Papier brachte, erzählte er:
›Ich gehöre nicht zu den Anyotos und bin aus Badi zu Haus, nicht weit von Bomili. Eines Tages ging ich in den Wald, um ein kleines Wild zu erlegen. Auf einmal hörte ich ein Geräusch. Ich stockte, hielt den Atem an und bemerkte, wie sich hinter einem Gebüsch etwas bewegte. Wie eine Katze schlich ich mich heran und sah zu meinem Schrecken, wie vier Männer damit beschäftigt waren, einen Leichnam zu zerstückeln. Ich sah, daß sie sich zu einem Fleischmahl vorbereiteten. Als ich mich langsam wieder fortschleichen wollte, knickte ein Zweig unter meinen Füßen und ehe ich wußte, was geschah, sah ich mich von vier Männern umzingelt und zu Boden geworfen. Es waren Badileute, die ich kannte: Asasoa, Balago, Maduali und Dumba. Zuerst wollten sie mich töten. Aber da sie wußten, daß ich mit unserem Häuptling Nbopia befreundet war, banden sie mich an einen Baum und steckten mir einen Grasknebel in den Mund. Dann sah ich wie sie die Leiche brieten und verzehrten und den Rest vergruben. Nachts wurde ich dann zum Häuptling geführt, der bei meinem Anblick sehr erstaunt war. Dieser ließ mich in eine Hütte sperren. Nach vier Tagen gelang es mir, die Lianenfesseln zu zerreißen, indem ich sie beständig gegeneinander rieb, und ich konnte aus der Hütte entfliehen. So flüchtete ich denn nach Bomili und trat in den Dienst des Bula-Matari, weil ich mich so am sichersten fühlte vor der Rache.‹
Auf meine Frage, weshalb er denn keine Anzeige erstattet habe, sagte er, er habe geschwiegen, um vor der Rache der Anyotos sicher zu sein. ›Auch dachte ich, sie ließen so meine Familie in Ruhe. Erst später habe ich heimlich meine Familie nach Bomili kommen lassen. Der habe ich nichts von der Geschichte erzählt. Nur hörte ich, daß Baiago seit dem Tage meines Abenteuers verschwunden war. Er ist also wahrscheinlich das Opfer der vier Mörder gewesen. Mehr weiß ich nicht, Weißer.‹
›Aber ihr sprächet da von einem anderen Mord. Was ist damit?‹ forschte ich weiter. Atembuko aber zuckte die Achseln und sagte: ›Ich weiß nichts darüber. Ich hörte bloß, man habe im Walde die Leiche eines Schwarzen gefunden und da habe ich die Meinung ausgesprochen, daß die Mörder von damals auch hier die Hand im Spiele haben könnten.‹
›Hast du Gründe, Atembuko,‹ fragte ich nun, ›anzunehmen, daß Leute hier von der Militärstation irgend etwas über die Anyoto-Geschichte wissen?‹
›Nein, Weißer,‹ gab er offen zur Antwort, ›keiner weiß soviel wie ich. Sie halten bestimmt den Leoparden für den Mörder und wollen nicht glauben, daß es Leopardenmenschen geben soll. Sie halten mich, weil ich meine Meinung so fest vertrat, für einen Prahlhans.‹
»Da Atembuko mir als zuverlässiger Mann bekannt war und seine Erklärungen den Stempel der Aufrichtigkeit trugen, beruhigte ich ihn; er solle weiter schweigen. Ich wolle einstweilen auch nichts in der Sache unternehmen. Aber ich versicherte ihm, er stände unter meinem Schutz, und es sollte ihm kein Haar gekrümmt werden. Nur aus Vorsicht dürfe er die Station nicht verlassen. Kurz darauf wurde ich nach Panga versetzt und übergab die weiteren Erkundigungen dem Herrn Vanhagen. Schon nach einigen Wochen sandte er mir einige Anhaltspunkte in dieser Angelegenheit. Um sicherer zu gehen, gab ich meinem Adjutanten, Herrn Leutnant Sander, den Auftrag, in Badi Material zu sammeln, sagte ihm aber nichts von den mir bekannten Tatsachen, in der Hoffnung, er würde selbst die Spur der Mörder finden. Und merkwürdig, ganz unabhängig davon hat er das vorhandene Material so vervollständigt, daß das Gericht jetzt nur zuzupacken braucht.«
»Das freut mich zu hören, Herr Kommandant,« sagte P. Varmer, »daß alles so gut gelungen ist. Aber dürfte ich fragen, ob Sie auch hier in Panga irgend etwas entdeckt haben?«
»O, auch hier bin ich auf eine wichtige Spur gestoßen, Herr Pater,« versetzte der Beamte stolz. »Hier kam ich dahinter, daß zwei Untertanen des Häuptlings Mongudu eine Frau Alela ermordet haben. Die Tote war eingetragen worden: »von einem Leoparden getötet.« Zufällig hörte ich davon und ging selbst hin, um einiges darüber auszuforschen. Ein Verwandter dieser Frau war mir von seinem Aufenthalt auf der Station bekannt. Er hieß Likangu. Ich ließ ihn kommen und fragte ihn vertraulich, ob er glaube, daß Alela von einem gewöhnlichen Leoparden zerrissen worden sei. Er wandte sich verlegen zur Seite und schaute mich dann mit großen Augen an, in denen die Furcht stand. Jetzt wußte ich es bereits, er hatte mir etwas zu erzählen. Ich versprach ihm meinen Schutz, sein Name solle nicht genannt, er selbst nicht als Zeuge erwähnt werden. Er möge nur frei erzählen, was er von dem Morde wisse. Was er da erzählte, ist kurz folgendes:
›Kalongo, der Mann der Alela, kam eines Abends nach Hause und fand seine Frau tot in ihrer Hütte liegen. Die Kinder und Nachbarn hatten sich schon in der Hütte versammelt und ihr Jammergeschrei begonnen. Als er entsetzt eintrat und den leblosen Körper voll Wunden und Messerstiche sah, wurde er wütend vor Schmerz. Und er lief hinaus und lehnte sich an einen Baum in der Nähe und weinte. Da schlich sich eine alte Negerin aus der Nachbarschaft mitleidig an ihn heran und sagte: »Kalongo, ich habe dir etwas Wichtiges zu sagen. Ich weiß, wer deine Frau ermordet hat. Vor etwa einer Stunde sah ich zufällig durch die offene Tür meiner Hütte, und da sah ich zwei Männer aus Alelas Hütte kommen. Ich sah, wie sie sich vorsichtig umschauten und dann eiligst verschwanden. Aber, es wird dir nichts nützen, ihre Namen zu kennen, denn es sind die besten Freunde des Häuptlings.« – »Badangi?« fragte Kalongo. »Und Zekakisia,« fügte die Alte hinzu. »Aber halt den Mund, sonst wirst du mit ins Unglück gezogen.« Kalongo fluchte und schimpfte, allein es wurde ihm doch klar, daß er gegen die beiden nichts anfangen konnte, und so schwieg er, doch im Herzen bewahrte er das Verlangen, sich gelegentlich zu rächen. Nur mir, seinem Freunde, hat er davon erzählt, und ich habe ihm auch gesagt, er möge einstweilen schweigen. – So erzählte mir Likangu. Jetzt natürlich sitzen die beiden Mörder hinter Schloß und Riegel und werden sich wundern, daß der Weiße hinter ihre Geheimnisse gekommen ist.
Noch eine andere Geschichte habe ich aufgeklärt: daß drei Kerle, Edindeli, Mane und Komondo ein Kind aus den Armen der Mutter geraubt, getötet und aufgefressen haben.«
P. Varmer fuhr entsetzt zusammen und atmete erleichtert auf, als Herr Remy erklärte, die Hallunken seien auch bereits dingfest gemacht worden.
»Beim Appell für die Kautschuklieferung fehlten einmal zwei Leute aus dem Dorfe Mongudus. Keiner wußte mir zu sagen, wo sie geblieben waren. Beim nächsten Appell aber waren sie dabei, und ich ließ sie zur Strafe an die Kette legen. Nun fragte ich jeden einzeln nach dem Grunde des damaligen Fernbleibens Alingisi sagte, er sei krank gewesen, Menzeki aber behauptete, er sei wegen eines kleinen Diebstahls von Mongudu gefangen gehalten worden. Doch wußte ich, daß auf .einen solchen Fehler höchstens eine Prügelstrafe und eine Sachleistung stand, und ich sagte ihm auf den Kopf: ›Du hast gelogen. Und deshalb wirst du jetzt um so schwerer bestraft. Sag mir die ganze Wahrheit, und dann verspreche ich dir, daß du gnädig davonkommst.‹ Da bequemte er sich zu einem Geständnis, indem er mich flehentlich bat, nichts von ihm zu erwähnen, da er die Rache der Beteiligten fürchte.
Nun erzählte er mir, er sei einmal mit seinem Freunde Alingisi abends aus dem Walde heimgekehrt. Im Halbdunkel hätten sie zufällig gesehen, wie Edindeli, Mane und Komondo gerade in des letzteren Hütte schlichen. Einer von ihnen trug ein in Bananenblättern gewickeltes Päckchen. Dann hätten sie im Dorfe gehört, drei Leopardenmenschen hätten das Kind Kambuso aus den Armen ihrer Mutter geraubt und seien damit verschwunden. Während die Leute die unglückliche Mutter beklagten und sie trösteten, habe er Alingisi seinen Verdacht mitgeteilt, und beide hätten sich leise an die Hütte Komondos herangeschlichen. Es sei ihnen der Geruch von gebratenem Fleisch aus der Hütte entgegengeweht. Sie wollten noch mehr erspähen, aber da seien sie plötzlich von den drei Kerlen niedergeschlagen und geknebelt worden. Kurze Zeit darauf sei der Häuptling selbst erschienen und habe sie in eine Hütte einsperren lassen.
Nach diesem Geständnis war es mir leicht, aus dem Munde Alingisis die Bestätigung dieses Sachverhaltes zu hören. Sie erzählten mir weiter, wie der Häuptling sie einige Tage später in Freiheit gesetzt, ihnen aber die Todesstrafe angedroht habe, wenn sie irgendwie etwas von dem Erlebten verlauten ließen. Da die beiden Leute mir schuldlos erschienen, ließ ich sie frei, doch sollten sie zu ihrem eigenen Schutz auf der Station bleiben, bis ich die Schuldigen hinter Schloß und Riegel hätte. Drei Tage später saßen die vier Beteiligten im Gefängnis. Alingisi und Menzeki aber sandte ich in ihr Dorf zurück, indem ich ihnen tödliches Stillschweigen auferlegte. Sie sehen, Herr Pater,« schloß Herr Remy seine Mitteilungen, »wir haben gut gearbeitet.«
Der Missionar bestätigte ihm gern dieses Lob und verabschiedete sich, um an seine Missionsarbeit zurückzukehren.
Vor seiner Barza saßen die Christen und Katechumenen nach dem Abendgebet noch lange und plauderten über die christliche Lehre, über das, was der Missionar ihnen gerade im Unterricht erzählt und erklärt hatte. Die früheren Soldaten sprachen von ihren Heldentaten im Kampfe Dhanis gegen die rebellischen Araber von Kisangani (Stanleyville). Und schließlich erzählten sie, man habe überall Schwarze verhaftet und nach Kisangani geführt. Es sollen Anyotos sein. P. Varmer ermahnte sie, sich zur Ruhe zu begeben. Er selbst aber war äußerst gespannt auf das Urteil des Gerichtes. Auch er war in Panga als Zeuge vernommen worden. Nun hoffte er, das Land der Mobali würde bald zur Ruhe kommen.