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»Lieber Teut!

Gottlob, daß Ihr Brief kam. Sie haben mich aus einer unsagbaren Angst befreit. Jetzt weiß ich, daß Sie am Leben und gesund sind; nun tritt alles übrige in den Hintergrund. Ich schreibe auch gleich, um Ihnen an den Tag zu legen, wie sehr meine Gedanken bei Ihnen sind.

Lassen Sie mich vorerst erzählen, wie es bei uns geht. Carlos' Zustand ist derselbe hilflose, aber er ist zeitweise heiterer und mitteilsamer. Ich war sehr gerührt, als er vorgestern die Kinder zu sich kommen ließ, sie liebkoste und sich mit ihnen beschäftigte. Das ist seit Jahr und Tag nicht mehr der Fall gewesen.

Sie glauben aber auch nicht, wie artig die kleine Schar ist und welche Fortschritte sie macht.

Ben und Fred gehen nun ins Gymnasium und stolzieren sehr wichtig mit ihren Schulranzen einher. Mit Fräulein Elise, der Gouvernante, geht es fortdauernd gut. Sie ist eine liebenswürdige, gutherzige Dame, und die Mädchen zeigen ihr auch täglich, wie lieb sie dieselbe haben.

Es wird Sie freuen, lieber, vortrefflicher Freund, daß Carlos jetzt auch nicht mehr so übertrieben sparsam ist. Seit Ihrem Fortgang hat er für den Haushalt zugelegt, und auch Tibet hat mehr zur Verfügung als in dem letzten halben Jahre. Ich hatte schreckliche, peinliche Verpflichtungen bei Handwerkern und in meiner Umgebung – schelten Sie nur nichts ich verstand es ja bisher so schlecht, lerne es aber gewiß noch einmal ganz gut – , die nun alle bezahlt sind. Welch ein köstliches Gefühl, keine Schulden zu haben!

Die Villa behalten wir einstweilen, da die Miete ermäßigt ist. Carlos stellte dem Besitzer die Alternative, abzulassen oder der Kündigung gewärtig zu sein.

Sehen Sie, so ist es bei uns. Wäre mein teurer Carlos nicht so krank, lebte Carlitos noch und wären Sie nicht fort, Sie mein lieber, treuer Teut, ich würde sagen, daß wir vollkommen glücklich sind!

Ich bekam neulich, auf Empfehlung von Fräulein Elise, die Briefe der Madame de Sévigné an ihre Tochter in die Hand. Welch ein Genuß! Jede Mutter sollte lesen, was diese weltkluge und feinfühlende Frau geschrieben hat, und suchen, es sich zu eigen zu machen.

Noch eins. Jorinde spielt jetzt wirklich allerliebst Klavier, und neulich hatte sie mit Fred ein kleines vierhändiges Stück zu Carlos' Geburtstag eingeübt, das großen Erfolg hatte. Elise war sehr stolz, und ich habe ihr – das werden Sie, Bärbeißiger, nun wieder höchst unvernünftig finden – eines meiner seidenen Kleider geschenkt.

Ich komme ja doch nicht mehr in die Gesellschaft, habe auch, ehrlich bekannt, wenig Verlangen danach.

Neulich hat Frau von Ink mir einen Besuch gemacht. Ich begegnete Fräulein Eva, der Braut, und nahm sie mit mir. Ich finde es doch sehr artig, daß sie sich persönlich bedankt hat. Ich weiß, Sie mögen die Dame nicht, gestehe aber, daß ich sie sehr liebenswürdig finde, und daß ich den Eindruck habe, sie meine es gut mit mir.

Nein! nein! höre ich Sie sprechen. Nun, wenn Sie kommen, können wir ja den Verkehr wieder einschlafen lassen.

Fred läßt Ihnen sagen, Sie möchten ihm einen französischen Tschako mitbringen. Werden Sie es nicht vergessen? Ange umarmt Sie zärtlich. Eben kommt sie herbeigelaufen und will Bonbons. Sie erhält aber keine. Onkel Axel möchte französische Bonbons schicken! meint sie.

Heute will ich meines Carlitos' Grab besuchen, Teut; ich lege auch in Ihrem Namen eine Blume darauf nieder.

Und nun leben Sie wohl, Sie Einziger, Bester, und schreiben Sie bald wieder und Gutes Ihrer Sie herzlich grüßenden und dankbaren

Ange von Clairefort.

Ach, wenn doch der schreckliche Krieg erst beendet wäre!«

Als Teut diese Zeilen empfangen hatte, schrieb er einen Feldpostbrief, welcher an seinen Banquier in Berlin gerichtet war. Dieser Brief, von dessen Inhalt Ange später Kenntnis erhielt, möge hier Platz finden.

»Geehrter Herr!

Kurz vor meiner Abreise von C. ersuchte ich Sie monatlich die Summe von tausend Mark an die Adresse des Bankhauses Danz u. Co. in C. abzuführen und demselben mitzuteilen, daß dieser Betrag gegen die eigenhändige Quittung des Grafen Carlos von Clairefort und die Gegenzeichnung des Empfangnehmenden Ernst Tibet auszufolgen sei.

Ich bitte, und zwar vom ersten des kommenden Monats ab, diesen Betrag um fünfhundert Mark zu erhöhen, also fortan fünfzehnhundert Mark zur Begleichung einer Schuld an den Herrn Grafen Clairefort zu zahlen. Wegen der an mich zu sendenden Monatsraten bleibt es bei den früheren Bestimmungen.

Ich ersuche Sie zugleich, sich umzusehen, ob die beiden großen Posten von je dreihunderttausend Mark nicht in Zukunft zu fünf Prozent in zweiten Hypotheken unterzubringen wären. Ich denke, es giebt dergleichen sichere Anlagen, und ich könnte meine Einnahmen erhöhen. Da ich in der Folge vom Zinsenkapital nicht mehr zurücklegen kann, muß ich mich etwas einzurichten suchen.

Dem dortigen Hilfskomitee für die Verwundeten wollen Sie unter A.v.E. gefälligst fünftausend Mark überweisen.

Ich sage Ihnen im voraus meinen Dank und erbitte Ihre baldigen Mitteilungen.

Baron von Teut-Eder,
Rittmeister und Eskadronchef.«



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