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Teut saß in seinem Zimmer und arbeitete. Seit Stunden war er nicht vom Schreibtisch gewichen, und einige Male lehnte er sich zurück und blickte sinnend und verloren die Pinselstriche der flüchtigen Malerei zählend, zur Decke empor. Die letzten Vorgänge hatten einen tiefen Eindruck auf ihn gemacht. Er litt mit seiner geliebten Ange und verstand alles und sann, wie ihr zu helfen sei. Aber konnte er ihr die sorglose Fröhlichkeit zurückgeben? Konnte er sie wieder jung machen? Was sie innerlich litt, übertrug sich auf ihre Erscheinung. Schon begann sich etwas von dem holden Zauber zu lösen, der sie vor Jahren so unwiderstehlich gemacht hatte.

Und dann sagte er sich doch, daß nicht die veränderte Lebensweise schuld sein könne, sondern ganz andere Dinge Ange beschäftigen müßten. Ja, das war es! Sie war nicht glücklich in ihrer Ehe, und den Ersatz, welchen sie früher in ihren Kindern fand, entbehrte sie jetzt doppelt, da man sie ihr halb genommen hatte. Aber das letztere konnte doch wieder ins rechte Geleis gebracht werden. Ein Wechsel in der Persönlichkeit, die den Unterricht erteilte, war schnell zu bewerkstelligen. Es brauchte nicht alles wie bisher auf die Spitze getrieben zu werden: es gab auch freundliche Ermahnungen statt rücksichtslose Strenge, und es handelte sich nicht um Lernen und Wissen allein. Der gute Mittelweg war auch hier der richtige, und indem man diesen einschlug, würde wiederkehren, wonach Ange verlangte. Eines stand fest in Teut: auch jetzt mußte er eingreifen, da Clairefort zu keiner Initiative zu bewegen war.

Wie oft hatte Ange geklagt, daß sie nicht auszukommen vermöge, wie sehr sie sich einschränken müsse. Clairefort blieb bei alledem taub. Aus ihm war jetzt ein ängstlicher Sparer, ein Geizhals geworden.

»Kann ich Sie heute einmal ruhig sprechen? Sind Sie zu hören aufgelegt, liebe Ange?« fragte Teut an einem der nächsten Tage. Sie nickte und legte die Hände in den Schoß. Seltsam! Teut bemerkte, daß sie sich vernachlässigte, keinen sonderlichen Wert mehr auf ihr Äußeres legte: auf Blumen und Schmuck wie früher.

Auch heute sah sie unvorteilhaft aus. Das graue Hauskleid stand ihr nicht eben gut, und das wundervolle Haar saß versteckt unter einer Haube, die sie um viele Jahre älter machte.

»Ich wollte Ihnen nach unserem letzten Gespräch eine Bitte vorlegen,« fuhr Teut fort. »Ich habe viel über das nachgedacht, was Sie mir gesagt haben.«

Sie neigte das Haupt, ohne Ausdruck in ihrem stillen Gesicht.

»Ich höre, daß Carlos seinen Abschied nehmen will, daß er ihn nehmen muß –«

»Wie?« unterbrach ihn Ange ängstlich.

»Ja! Sein Zustand – sein hartnäckiges Nervenleiden macht ihm die Ausübung seiner militärischen Pflichten unmöglich. Besser denn, bei Zeiten die anstrengende Thätigkeit einstellen. Aber – dadurch wird sich – Ihre Einnahme noch mehr verkleinern, Ange –«

»Ja gewiß!« sagte sie tonlos.

»Da wollte ich denn –« – er zögerte, riß an seinem Schnurrbart und eine seltsame Röte trat auf seine starken Backenknochen – »Sie bitten, Ange. daß Sie mich wie einen Bruder ansehen mögen, daß Sie – ich weiß nicht, ob Sie mich verstehen, Ange – daß wenn Sie etwa einmal einen Wunsch haben – etwa für die Kinder einen Wunsch haben sollten – wenn – wenn – Sie hören nicht, Ange?«

»O, o!« hauchte die junge Frau. »Nicht weiter!« Ihre Stimme versagte vor Rührung; sie vermochte nicht zu sprechen, und sie trocknete die Thränen mit dem Tüchelchen, das sie hervorgezogen hatte.

»Doch, doch,« sagte Teut weich und ergriff ihre Hand, ihre kleine Hand, die so schmal und krank heute aussah. Aber weiter wagte er nicht zu sprechen; es trat eine längere Pause ein. Die Dinge ringsum erschienen noch ernster, stummer als sonst. Es wehte ein Hauch von trostloser Öde durch das Haus, in dem das Lachen erstorben war.

»Und die Gouvernante? die Gouvernante? Schicken wir sie fort?« flüsterte Ange zaghaft. Sie dachte nicht an sich: immer waren es die Kinder, mit denen sie sich in ihren Gedanken beschäftigte.

»Gewiß, gewiß!« betätigte Teut lebhaft. »Noch heute spreche ich mit Carlos! Alles, alles soll sich nach Ihren Wünschen gestalten! Alles, was Sie, meine teure Ange, wieder fröhlich – und glücklich machen kann!«

»Ein Gott, kein Mensch sind Sie!« tönte es von Anges Lippen. Sie verbarg ihr Gesicht in den Händen und schluchzte.

Teut stand auf und trat ihr näher. Sie erhob den Blick – einen Blick, in dem der Abglanz ihrer Seele sich spiegelte, einen Blick, in dem der Mann alles fand, was er je zu hoffen gewünscht, und alles, was im Austausch Liebe gegen Liebe zu geben vermag!

Es war vorauszusehen, daß von dem, was sich im Laufe der Zeit in der Clairefortschen Familie zugetragen hatte, mancherlei hinausdrang, und daß die öffentliche Meinung sich begierig und mit wenig Wohlwollen eines Gegenstandes bemächtigte, der zu so verschiedenen Deutungen Anlaß gab.

In erster Linie ward das Verhältnis Teuts zu Frau Ange besprochen, und es fand kaum ein mündlicher Austausch in den C.schen Gesellschaftskreisen statt, ohne daß die holde Frau mit bösen Nachreden überschüttet ward. Wie der Sturm rücksichtslos über ein in seinem unschuldigen weißen Blütenschmuck stehendes Bäumchen dahinwütet, so zerpflückte man Anges Ehre und guten Ruf. Da der Graf, hieß es, ein bedauernswerter, durch sein Nervenleiden kaum mehr zurechnungsfähiger Mann wäre, sei es nicht zu verwundern, daß das empörende Treiben ungeahndet unter seinen Augen sich vollziehe. Auch könne man es einem lebenslustigen, unverheirateten Husarenrittmeister nicht verübeln, wenn er die süßen Früchte, welche eine so verführerische und gefallsüchtige Frau ihm darbiete, nicht zurückweise. Ärgererregend genug sei es, daß er nicht einmal die gewöhnlichen Rücksichten beobachte und das Verhältnis so offen zu Tage treten lasse; aber auch das werde durch ihr exzentrisches und leichtfertiges Wesen eher entschuldigt.

In dieser und ähnlicher Weise erging sich die Gesellschaft in ihrem Urteil und hielt es – selbst nur allzu erprobt in Dingen, die man jenen unterzuschieben sich unterfing – für unmöglich, daß Menschen etwas anderes verbinden könne als eine strafbare Leidenschaft.

Aber man blieb dabei nicht stehen. Die Vermögensverhältnisse Claireforts wurden gleichfalls einer Beurteilung unterzogen. Es sei nichts mit dem großen Reichtum! Nur der maßlosen Verschwendungssucht der Frau widerstandslos nachgebend, habe Clairefort die Villa in solcher luxuriösen Weise herrichten lassen und einen Aufwand gutgeheißen, der jeder Beschreibung spotte.

Nun sei der Rückschlag bereits eingetreten. Niemand wolle mehr Kredit geben; ja, man habe den Dienstboten, welche man entlassen mußte, kaum den Lohn zahlen können. Des Grafen schwermütiges Leiden sei auf diese mit täglicher Sorge verknüpften Verhältnisse zurückzuführen, und wenn von seinem Abschied die Rede, so sei dieser wohl kein freiwilliger.

Ah, und diese Kinder! Habe man jemals eine unverantwortlichere Erziehung erlebt? Wie die Affen wandelten sie einher und erregten Ärger bei alt und jung durch ihre Geziertheit und ihr hochmütiges Auftreten. Zuletzt gedachte man auch noch des geheimnisvollen Verhältnisses zwischen Tibet und dem Grafen und bezeichnete den Kammerdiener als einen gefährlichen Menschen, der im Trüben fische und das sonderbar erscheinende Vertrauen, das man ihm schenke, lediglich zu seinem Vorteil ausbeute.

Bisher war Teut nichts von allen diesen Dingen zu Ohren gekommen. Es lag auch in der Natur der Sache, daß man gegen ihn Verhältnisse nicht berührte, in denen er selbst eine so hervortretende Rolle spielte.

Inzwischen aber ereignete sich etwas, das ihm über die Anschauungen der Menge die Augen öffnete und was nicht ohne Rückwirkung auf ihn selbst blieb. Die Offiziere verkehrten häufig in der Familie eines Herrn von Ink, eines Gutsbesitzers, der vor längeren Jahren, bei Gelegenheit einer zweiten Heirat, seinen Besitz verkauft und eine Übersiedelung in die Stadt bewirkt hatte. Er war ein mehr als harmloser Mensch, der niemandem sonderlich gefiel, aber auch niemandem im Wege stand. Seine Gattin dagegen gehörte zu jenen Frauen, deren rücksichtsloser Egoismus und deren mit einem bedeutenden Verstand verbundene Thatkraft oftmals bedauern lassen, daß ihnen nicht eine andere Stellung und ein anderer Wirkungskreis in der Welt angewiesen ist.

Frau Olga konnte nur hassen oder lieben; richtiger gesagt: nur hassen oder die Menschen sich dienstbar machen, denn sie besaß neben einem übertriebenen Hochmut, wenig Herz und zertrat ohne Bedenken, was sich ihr hindernd in den Weg stellte. Es war indessen bei allen diesen Eigenschaften bezeichnend, daß sie gegen Menschen, die eine Stellung in der Gesellschaft einnahmen, sich von einer geschmeidigen Höflichkeit zeigte und nicht ruhte, bis es ihr gelang, in einen engeren Verkehr mit ihnen zu treten.

Ihr Hauswesen war musterhaft geordnet; man amüsierte sich gut in dem Inkschen Hause. Frau Olga befolgte eine weise Lehre, die so wenigen bekannt ist und jedenfalls selten befolgt wird. Sie betrachtete den Gast wie einen Vogel, der sich nach seiner Neigung hier oder dort unter den Baum flüchtet, nascht, zwitschert und nach Geschmack und Laune wieder davonfliegt.

Der Verkehr mit dem sprichwörtlich reichen Rittmeister Baron von Teut-Eder war seit Jahren für Frau Olga eine unerfüllte Hoffnung geblieben. Alle ihre Versuche, ihn heranzuziehen, scheiterten an seiner höflichen, aber entschiedenen Abwehr. Dies reizte Frau von Ink um so mehr, als Widerstand in solchen Fällen den Wert erhöht. Überdies besaß sie drei Töchter, von denen eine aus der ersten Ehe ihres Gatten stammte.

Klara von Ink, ein blasses, äußerst graziöses, aber nicht mehr ganz junges Mädchen, sah man häufig mit verweinten Augen. Zwei Menschen konnten sich nicht ehrlicher hassen als Mutter und Stieftochter, aber selten fand man auch zwei so verschiedene Charaktern.

Klara war eine offene, aufrichtige, allem Schein abgeneigte Natur, während die Tiefen der Seele einer Frau Olga noch niemand ergründet hatte. Natürlich wünschte Frau von Ink ihre beiden recht hübschen Kinder zu verheiraten, aber nicht minder lag ihr daran, sich endlich Klaras zu entledigen. Teut war eine überaus glänzende Partie. Beide paßten im Alter zusammen, und aus dieser Verbindung konnten sich ebensoviele Annehmlichkeiten entwickeln, wie jetzt Mißhelligkeiten an der Tagesordnung waren. Im übrigen würde Frau Olga auch ihrer Tochter gleichen Namens oder der hübschen Eva nichts in den Weg gestellt haben, obgleich der Rittmeister fast deren Vater hätte sein können.

Ink und Teut hatten sich neuerdings bei einem Pferdehandel berührt. Daraus entwickelte sich eine mehrfache Begegnung, die mit sich führte, daß Herr von Ink den Rittmeister eines Vormittags in sein Haus einzutreten und ihn an dem eben servierten Frühstück teil zu nehmen bat. Teut konnte sich dem nicht entziehen, und nun hatte die ehrsüchtige Frau endlich ihren Wunsch erreicht! Bevor der Gast Abschied nahm, mußte er wohl oder übel noch eine Einladung zu einem unmittelbar bevorstehenden Diner annehmen. Welch ein Triumph für Frau Olga, die sicher eine der gewohnheitsmäßigen Absagen im letzten Augenblick gefürchtet hatte, als der vielbesprochene Baron wirklich zu der festgesetzten Stunde eintraf und damit dauernd für das Inksche Haus gewonnen zu sein schien. Aber auch noch einen anderen längst verfolgten Plan hoffte Frau Olga durch die Annäherung an den Rittmeister zu erreichen. Auch Claireforts gehörten zu den Personen, mit denen es ihr nicht gelungen war, in nähere Berührung zu treten, und nun fand sie eine bequeme und, wie sie vermeinte, sichere Anknüpfung durch Teut. Die gräfliche Familie einmal bei sich zu sehen, einen Blick in das dortige Hauswesen werfen zu können oder gar mit Claireforts dauernd zu verkehren, gehörte zu jenen sehnsüchtigen Wünschen, deren Erfüllung sie kaum zu hoffen gewagt.

Schon bei dem Mittagessen – Teut hatte als letzter eingetretener Gast die Ehre, die Frau des Hauses zu führen – brachte Olga das Gespräch auf Claireforts, aber dieser wich geschickt aus. Er erzählte kurz und bedauernd, daß es seinem Freunde körperlich und geistig schlecht gehe, daß die Frau Gräfin sich infolgedessen mehr und mehr von aller Geselligkeit habe zurückziehen müssen und im übrigen die vollendetste Frau unter Gottes Sonne sei. Er ließ auch einiges über seine Person und seine Verhältnisse fallen und erwähnte, daß die Verwaltung seiner Besitztümer durch fremde Hand manche Unzuträglichkeiten mit sich führe. Er sei aber, wie er hinzufügte, ein Gewohnheitsmensch und zudem ein eingereichter Soldat, der nur sein Handwerk, seine Pferde und die Jagd liebe und dabei doch so bequem werde, daß er beispielsweise eine Einladung seines Vetters zu einem auf acht Tage berechneten Feste auf dessen Gütern ausgeschlagen habe.

Nur eins hätte ihn bestimmen können, seines Verwandten Aufforderung Folge zu leisten, und zwar der Wunsch, darauf hinzuwirken, daß dieser unverbesserliche Junggeselle nun endlich heirate.

»Ah, das sagen Sie?« rief Frau von Ink, von diesem Gespräch besonders gefesselt, »Sie, der Sie ja fast ein Weiberfeind sind, das heißt – mit einer Ausnahme,« fügte sie lächelnd hinzu.

»Ich bestreite dies entschieden, gnädige Frau,« erwiderte Teut, ohne den Schlußsatz zu beachten. »Ich verehre die Frauen wie alles Schöne auf der Welt, aber ich habe kein Glück und kein Geschick im Verkehr mit ihnen. Zudem – je älter man wird –«

»Sie sprechen von Alter!?«

Teut nickte. »Gewiß, wie hoch schätzen Sie mich, gnädige Frau?«

»Nun, jedenfalls sind Sie in dem besten – im Heiratsalter. Was, liebes Kind?« unterbrach sie sich entschuldigend, als plötzlich Eva hinter ihren Stuhl trat und eine Frage an sie richtete.

Teut schob sich artig zurück, während die Damen einige Worte austauschten, und zugleich beobachtete er Olgas Tochter genauer. Eva glich einer wilden Rose in ihrer Erscheinung: sie war in der That sehr hübsch, aber das Gesicht war geistlos.

»Ich bitte um Verzeihung!« wandte sich Frau Olga wieder zu ihrem Gast.

»Ein schönes junges Mädchen,« sagte Teut verbindlich und von einer gewissen Absicht beherrscht. »Sie haben hier gleich einen Beweis, daß es unmöglich ist, die Frauen nicht zu verehren.«

Frau Olga sah mit einem Anflug angenehmer Überraschung den Sprechenden an. Hatte sie recht gehört? Sie wußte von Teut, daß er wohl Derbheiten, aber selten Artigkeiten zu sagen pflegte.

»Ah, Sie Spötter!« erwiderte sie, in der Absicht, mehr zu hören. Teut aber lächelte und schwieg. Es gefiel ihm, sie in Zweifel zu lassen. Endlich sagte er:

»Ihre beiden Jüngsten – Zwillinge, wenn ich nicht irre? – sind gleich liebreizend. Das ist sehr schlimm.«

»Schlimm? Wie so? selbst unter der Voraussetzung der Richtigkeit Ihrer schmeichelhaften Behauptung.«

»Nun schlimm insofern, gnädige Frau! als doch niemand beide Damen zu heiraten vermag, und weil eine von ihnen zu wählen, neben der höchsten Befriedigung des Besitzes zugleich den höchsten Schmerz über einen sicheren Verlust hervorrufen würde.«

»Ich vermute, Sie wollen ein wenig Spott treiben,« sagte Frau Olga. »Überhaupt – und damit zugleich ein offenes Bekenntnis – , nachdem ich endlich das Glück habe, Sie näher kennen lernen zu dürfen, finde ich doch die Bestätigung dessen, was man mir so oft erzählt hat.«

»Nur eine Bestätigung?« scherzte Teut. »Ich hatte gehofft, daß meine Person die Beschreibung weit überträfe, denn ich bin überzeugt, Sie finden nur Gutes.«

»Wer weiß! Sie sind der erste Mann, der mir im Leben begegnet ist, vor dessen Sarkasmus ich mich fürchte.«

Dergleichen halbe Artigkeiten und halben Tadel enthaltende Äußerungen liebte Frau Olga. Sie hatte unzählige bereit, wenn sie jemanden fesseln wollte.

Zu ihrem Erstaunen sagte Teut ernst:

»Es liegt vielleicht etwas Berechtigtes darin, gnädige Frau. Ich bin ein so ehrlicher Hasser der gesellschaftlichen Lüge und Vergeltung, daß ich rücksichtslos meine Meinung, oft genug meinen Abscheu dagegen ausspreche. Und natürlich, jeder, der nicht mit Komödie spielt, wird naturgemäß gefürchtet.«

Frau Olga kam in eine etwas unbequeme Stimmung; es war ja fast undenkbar, daß ein Mann von so guter Erziehung wie Teut diese Bemerkung gegen sie persönlich zugespitzt hatte, aber andererseits konnte sie kaum anders, als diese auf sich beziehen.

Es lag auch in ihrer Art, dergleichen nicht zu übergehen, denn ihre Klugheit verließ sie nur allzu häufig, wenn ihre Empfindlichkeit oder ihre Eitelkeit verletzt wurden. Sie entgegnete deshalb in einem recht schroffen Tone:

»Nein, meine Furcht stützt sich auf etwas anderes, Herr Rittmeister. Was Sie hervorheben, könnte ja in unserem Verkehr überhaupt keinen Anlaß zu einer solchen geben!«

»Natürlich,« sagte Teut ernsthaft, ließ aber einen infam ironischen Zug um seine Mundwinkel spielen. »Und bitte, weiter, meine Gnädige?«

Frau Olga hob in einiger Erregung das Glas empor, das Teut eben gefüllt hatte, trank es hastig aus und erwiderte, mühsam ihren Unmut versteckend:

»Ich liebe die Gradheit und Offenheit wie Sie. Diese kann mich nur mit Respekt erfüllen und wird mir nie Unbehagen einflößen. Aber Ihre –« Sie stockte.

»Nun, gnädige Frau?«

»Ah, gleichviel!« machte Olga und zuckte die Achseln.

»Wie, meine gnädige Frau,« sagte Teut in einem verbindlichen Tone und doch mit demselben teuflischen Lächeln, »Sie laden mich in Ihr sonst so unvergleichliches Haus und wollen mich auf die Folter spannen? Ist das christlich? Ich bitte – wenn nicht etwas Bedenkliches für mich die Folge sein soll –«

»Ja, ja! Das ist es! Sie sind boshaft! Sie sind's auch jetzt! Das ist eine Eigenschaft, die mir allerdings Furcht einflößt, ja, die ich hasse, denn es giebt gegen diese keine Waffen.«

In diesem Augenblick schlug Herr von Ink ans Glas und brachte eine seiner gewöhnlichen geistlosen Gesundheiten aus.

Auch das reizte Frau Olga.

»Sehr, sehr hübsch!« warf Teut hin und bewegte den Kopf.

Frau Olga hätte ihn mit dem silbernen Fischmesser töten können.

Nach dem Diner ging man in den Garten und nahm den Kaffee. Sodann wurde ein Ausflug zu Pferde und Wagen geplant.

Vor dem Inkschen Hause hielten bereits die Stallknechte mit den Reitpferden, und die Kutscher warteten auf dem Bock.

Teut, der meistens in einem zierlich gebauten, für zwei Personen berechneten Wagen kutschierte und dessen langgeschweifte, dunkelschwarze Renner ihm allseitig beneidet wurden, bot Frau Olga den Platz in seinem Wagen an. Sie war sehr glücklich über diese Auszeichnung, um so mehr, als bisher nur Frau Ange Clairefort eine solche genossen, freilich so oft genossen hatte, daß der verleumdungssüchtige Mund der Stadt dies Fuhrwerk schon mit einem Spottnamen belegt hatte.

Der Nachmittag war herrlich. Man hatte mit Rücksicht auf den Ausflug früher gespeist, und es winkten angenehme Stunden.

Als alles sich passend zusammengefunden hatte, gab Rittmeister von Zirp, der häufigste Gast des Hauses, ein nicht ganz übler, aber wegen seiner unbedachtsamen Schwätzereien Teut nicht allzu sympathischer Kamerad, das Zeichen zum Aufbruch, und die lustige Kavalkade setzte sich in Bewegung.

Schon bei der Abfahrt hatte sich viel Volk zusammengefunden, das die Kutscher in ihren bunten Livreen und die prächtigen Reitpferde anstaunte. Allen voran fuhr Teut mit Frau Olga. Seine Renner flogen dahin, und in der That war es begreiflich, daß die Augen der Einwohner sich besonders auf dieses Gefährt richteten. War man doch gewohnt, nur Ange an der Seite des Rittmeisters zu sehen, während jetzt die nicht minder viel besprochene Frau von Ink neben dem bizarren Rittmeister dahinkutschierte.

Mit einer großen Spannung sah Olga dem Augenblick entgegen, wo sie an der Clairefortschen Villa vorbeifahren würden. Ob Teut wohl hinüberschauen, ob wohl zufällig die Gräfin auf dem Balkon oder im Garten sein werde? Olgas Triumph über die viel beneidete Frau wäre ein vollendeter gewesen! Aber als sie die Villa erreichten, lag das Haus inmitten seines herrlichen Parkes wie ausgestorben. Nicht einmal eins der Kinder, auch niemand von der Dienerschaft war sichtbar.

Plötzlich machten die Pferde – gewohnt, hier zu halten – eine rasche Seitenbewegung, und Olga ergriff unwillkürlich Teuts Arm, indem sie einen leisen Schrei ausstieß.

»Was ist, meine Gnädige?« fragte Teut kurz und wandte den Blick in raschem Wechsel von der Villa zu den Tieren und von diesen zu ihr.

Olga erklärte entschuldigend, und der Wagen eilte weiter.

»Sie scheinen etwas ängstlich zu sein! Wünschen Sie, daß ich langsamer fahre?« fuhr er fort und zog die Zügel an.

Olga verneinte, obgleich das Gegenteil der Fall war.

»Neben einem so vollendeten Pferdelenker kann man keine Furcht empfinden,« sagte sie, in ihren schmeichelnden Ton zurückfallend; aber sie bereite, gerade dieses Wort gebraucht zu haben, denn Teut fiel ein und rief lachend:

»Ah, also auf dem Bock bin ich nicht gefährlich, gnädige Frau? Wenn Sie sich nur nicht täuschen werden!«

Nach einigen Zwischengesprächen brachte Olga nochmals die Rede auf Ange. Sie wollte durchaus etwas Näheres über sie aus seinem Munde hören.

»Frau von Clairefort ist wohl eine treffliche Reiterin und soll, wie ich höre, selbst mit Vieren erstaunlich sicher fahren?«

»Allerdings, sie sucht ihresgleichen!« erwiderte Teut, kurz abbrechend, machte Olga – mit der Peitsche in die Ferne weisend – auf einen hübschen Punkt aufmerksam und erging sich über diesen und die Umgegend in lebhafte Lobeserhebungen.

Olga verstand. Er wollte nicht von Claireforts sprechen. Es ärgerte sie, daß er diese Menschen gleichsam wie seine Domäne betrachtete und durch Sein Ausweichen den Abstand andeuten zu wollen schien, der zwischen ihr und Ange lag.

Sie beschloß aber doch noch einen Versuch zu machen. Vielleicht stand sie auch nur unter einem Vorurteil! Sie nahm letzteres an, weil sie es wünschte.

»Es interessiert mich sehr, etwas über Frau von Clairefort zu erfahren,« begann sie. »Ich erinnere mich nicht, jemals einer so schönen und interessanten Frau begegnet zu sein, und würde es als eine Bevorzugung ansehen, ihr einmal persönlich näher treten zu dürfen. Sie soll neuerdings sehr ernst geworden sein und sich fast ausschließlich der Erziehung ihrer Kinder widmen? Übrigens, welch eine Schar von entzückenden Geschöpfen!«

Teut fiel bei diesen Worten Anges Trauer und alles das wieder ein, was ihn so lebhaft beschäftigte. Auch reizte ihn die etwas zudringliche Art Olgas, nachdem er hinlänglich an den Tag gelegt hatte, daß er über seine Freunde nicht sprechen wollte. Er sagte deshalb, ganz entsprechend seiner Art:

»Meine Freunde haben ihren Umgang aus vorher schon erwähnten Gründen wesentlich eingeschränkt und leben sehr zurückgezogen. Ich würde sonst mit Vergnügen bereit sein, der Frau Gräfin Ihre Wünsche zu übermitteln, gnädige Frau, und bin überzeugt, daß Sie bestätigt finden würden, was ich Ihnen bereits bei Tisch über die Familie mitteilte. Überdies ist es möglich, daß uns Claireforts verlassen werden, sobald der Graf seinen Abschied genommen hat.«

»Nimmt er seinen Abschied?« fragte Olga, zugleich durch eine Bewegung ihren Dank für Teuts Bereitwilligkeit ausdrückend. »Ich denke, man giebt ihn dem Herrn Grafen.«

»Wer sagt das?« fuhr Teut auf und lenkte mit rascher Biegung in einen Seitenpfad.

»Nun, ich hörte so, Herr Rittmeister. Ich bin indes durch den Ton Ihrer Frage belehrt und bitte um Verzeihung. Übrigens zirkulieren über die Clairefortsche Familie so viele widersprechende Nachrichten und sie bildet so oft den Gegenstand des Gespräches, daß es schwer ist, sich ein einigermaßen zutreffendes Bild von derselben zu entwerfen.«

Teut horchte gespannt auf. Beide Hände waren beschäftigt; nur allzu gern hätte er seinen Schnurrbart gedreht. »Wie? Meine ruhig lebenden, liebenswürdigen Freunde werden so viel besprochen? Es ist das erste Mal, daß ich dies höre. Nun, ich denke, man kann nur Gutes von ihnen sagen, gnädige Frau,« entgegnete er mit gezwungener Sorglosigkeit.

Olga schwieg. Da sie ihre Pläne vereitelt sah, wollte sie wenigstens ihre kleine Frauenrache.

Teut ließ die Pferde im Schritt gehen, sah mit einem nicht mißzuverstehenden Blick seine Begleiterin an und sagte:

»Sie schweigen, meine gnädige Frau. Ich bitte da Sie selbst das Thema berührten.«

Nun gut! dachte Olga und fuhr laut fort: »Setzt es Sie in Verwunderung, daß man über eine Dame spricht, die so abweichende Gewohnheiten hat wie Frau von Clairefort, die reitet und selbst auf dem Bock sitzt, die so schön und so lebhaft ist, deren Mann sich vor der Welt mit seinem geheimnisvollen Kammerdiener verschließt, und der mit einem so ungewöhnlichen Aufwande sein Hauswesen einrichtete, um plötzlich man sagt so – eine fast ängstliche Sparsamkeit einzuführen?«

Olga brach ab. Was sie sagte, war nicht verletzend, aber sie wußte, daß jedes Wort Teut kränken mußte.

»Sie sprachen noch nicht von mir. Ich gehöre doch auch zu den Gegenständen dieser sehr überflüssigen Betrachtungen des verehrlichen Publikums. Wollen Sie nicht die Güte haben, nun auch die Ansichten über mich beizufügen,« erwiderte Teut, ohne eine Miene zu verziehen.

»Ich glaube nur die Thatsachen, aus denen Urteile und Ansichten sich folgern, wiedergegeben zu haben, Herr Rittmeister.«

»Ganz recht, meine Gnädige. Und die Thatsachen, die sich auf mich beziehen?«

»Sie sind täglicher Gast im Hause und erscheinen öffentlich stets neben Frau von Clairefort –«

»Allerdings, und weiter, wenn ich bitten darf?«

»Nun, deshalb glaubt das Publikum ein Recht zu haben, Bemerkungen zu machen, die freilich und natürlich jeder Unbefangene verdammt.«

»Ah, vortrefflich! Und zu diesen Unbefangenen gehören auch Sie, gnädige Frau, und der Intimus Ihres Hauses, Herr von Zirp?«

Der Ton, in dem Teut diese Worte sprach, war allerdings impertinent, ja beleidigend; aber der Blick, mit dem Olga erwiderte, gab nichts nach.

Das Gespräch verstummte, und unter einer recht peinlichen Stimmung legten beide den übrigen Teil des Weges zurück. Vor Teut war ein Vorhang zurückgezogen, dessen Hintergrund ihn erschreckte. Er biß sich auf die Lippen und knirschte mit den Zähnen. Diesen Engel hatte man zu verdächtigen gewagt, und eine Frau wie seine Begleiterin fand eine boshafte Freude an der Wiedergabe solchen Geschwätzes.

Teut durchschaute Olga nur zu gut. Da er ihr die Aussicht genommen, mit Ange in Berührung zu treten, ließ sie die Maske fallen und zeigte ihr wahres Gesicht –

Ärger und Reue wühlten in ihr. Sie fühlte, daß sie durch dieses Gespräch alles verloren hatte. Ihr entging vielleicht sogar das, was sie mit etwas mehr Selbstbeherrschung sich hätte erhalten können: der künftige Umgang mit dem für sie doch allzu interessanten Rittmeister.

Und diese Einsicht, aber auch die Hoffnung, daß er vielleicht vergessen könne, veranlaßte sie, zuerst wieder das Wort zu ergreifen und in möglichst unbefangener Weise gleichgültige Gesprächsgegenstände zu berühren. Es ward ihr dies erleichtert, da man inzwischen nahe dem Ziele war, und einige Herren, darunter mehrere von Teuts Kameraden, herangaloppierend, sich dem Wagen näherten.

»Wir fürchteten schon, daß Herr Rittmeister von Teut Sie zu entführen gedenke, gnädige Frau!« rief einer von ihnen, ein junger Assessor. »Sie waren uns gänzlich entrückt, und wir haben Mühe gehabt, Sie einzuholen. Aber da kommen auch die übrigen,« fuhr er fort, und in der That stob eine Wolke auf, in deren grauem Staubnebel man Pferdeköpfe, blitzende Knöpfe und blanke Uniformen erkannte.

Teut, der an alles dachte, hatte seinen Reitknecht vorausgesandt. Als man am Bestimmungsort eintraf, stand dieser schon wartend da und nahm das Gefährt in Empfang.

Während Teut Olga vom Wagen hob, drückte sie ihm leicht die Hand und flüsterte: »Sie sind verstimmt, Herr Rittmeister. Unsere gute, eben begonnene Freundschaft hat doch keinen Stoß erlitten? Ich hoffe es nicht.«

Teut aber sagte: »Sie hatten doch recht mit Ihrer Befürchtung, meine gnädige Frau. Ich nehme den halben Zweifel, den ich bei Tisch aussprach, jetzt ganz zurück.«

Nach diesen Worten verbeugte er sich artig und ließ Olga betroffen und nach einer Deutung seiner Worte suchend, stehen.

Wie sehr deren Laune durch diesen Zwischenfall gelitten hatte, davon erhielt Klara einen nachdrücklichen Beweis, die, einer guten Regung folgend, auf sie zugeeilt kam, und sich nach ihrem Befinden erkundigte. Ohne ihr darauf zu antworten oder gar zu danken, herrschte Olga sie an:

»Mein Gott, wie Dir nur wieder der Hut sitzt und wie Du Dein Kleid zugerichtet hast! Sieh nur! Wie ein Harfenmädchen siehst Du aus! Geh und ordne Deine Toilette!«

Und unmittelbar nach diesen in einem empörenden Ton gesprochenen Worten wandte sie sich mit ihrem liebenswürdigen Lächeln zu einem der Herren, der an sie herantrat und ihr den Arm bot.

Klara stand einen Augenblick leichenblaß. Ihre Augen füllten sich mit Thränen des Zorns, und ihr Gesicht glühte vor Erregung.

Die Gesellschaft nahm nach einem kurzen Spaziergang, dessen Ziel ein hübsches Wäldchen gewesen war, das Abendessen auf einer Terrasse ein, welche einen zu dem Wirtshause gehörenden Garten begrenzte. Links- und rechtsseitig von derselben zog sich die Landstraße hin, und geradezu schaute man auf den Fluß.

Es war in der That ein außerordentlich schöner Punkt. Langsam zogen, von der Abenddämmerung schon halb verschlungen, große Segelfahrzeuge vorüber, die, aus der Flut geheimnisvoll auftauchend, einem Traumbilde anzugehören, nicht aber die Vermittler harten Tagewerkes zu sein schienen.

Aber drüben sah man auf der stahlgrauen, vom zarten, rötlichen Abendsonnenschein umrahmten Wasserfläche die größeren Segelfahrzeuge wie abgelöst von der spiegelstillen Flut, und die zwischen ihnen hin- und herirrenden kleineren Böte erhöhten durch den Gegensatz die majestätische Ruhe ihrer Erscheinung.

Im Nachtschlaf ruhten schon die Wälder, von drüben erscholl friedlicher Gesang, mitunter ertönte auch ein helles Hallo über das Wasser; und vom jenseitigen Ufer, an dem die glitzernden Lichter der Wirtshäuser aufblitzten, drang einmal leise Militärmusik herüber.

Und über all diesem: über der silbernen Stahlflut, über den stummen Gebüschen, über den traumselig dahingleitenden Fahrzeugen, über den Menschen mit ihren ernsten oder sorglosen Gedanken, schwamm der Mond am blaudunklen Himmel und sandte sein weltdurchleuchtendes, geisterhaftes Licht herab.

Im ganzen weiten Umkreis eine einzige gewaltige, schneeweiße Wolke mit Riesenfangarmen und Flügeln, unmittelbar über der Mondscheibe schwebend, gebannt, unbeweglich, gleichsam im Schönheitszauber erstarrt.

Teut stand an dem Rande der Brüstung und überschaute die Landschaft. Auch die übrigen hatten sich erhoben, denn nun rasselte es über der nahen Brücke, und in überschnellem Lauf flog ein Wagen dahin. Deutlich waren Menschen und Dinge noch erkennbar.

Und dann plötzlich erscholl aus Kindermund der laute und jubelnde Ruf: »Onkel Axel! Onkel Axel!« und aus dem vorübereilenden Wagen winkten Händchen, und eine schöne junge Frau, die den Wagen lenkte, nickte lebhaft, und neigte, die Gesellschaft bemerkend, mit verlegener Artigkeit das Haupt. Es war Ange, die, von einem ihrer Ausflüge heimkehrend, jetzt rasch nach Hause drängte.

Wie sie so dasaß mit dem vornehmen, auf den feinen Schultern ruhenden Kopf, umweht von dem weißen Schleier, der in die Abendluft hinausflatterte, so leicht und graziös in der Erscheinung und doch so fest und sicher die Zügel der raschen und ungeduldigen Pferde regierend, mußte sie die Blicke der Menschen fesseln. In wenigen Sekunden jedoch war sie den Nachschauenden entschwunden, und unwillkürlich wandten sich aller Augen auf Teut.

Es gab wohl niemanden in der Gesellschaft, den nicht der gleiche Gedanke beherrschte, und einer von ihnen gab diesem auch Ausdruck. Es war der Assessor, der mit zudringlicher Vertraulichkeit an Teut herantrat und leicht hinwarf:

»Da war ja Ihre kleine, entzückende Gräfin, Herr Rittmeister –«

Aber er sprach nicht aus, denn Teut wandte sich mit seinem starkknochigen Gnugesicht zu ihm, und indem er den Sprechenden mit einem Blicke musterte, vor dem jener unwillkürlich den seinigen zu Boden senkte, sagte er mit schneidender Zurückweisung:

»Da war die Frau Gräfin Ange von Clairefort, mein Herr! Der von Ihnen beliebte Ausdruck war respektwidrig und äußerst unpassend! Sie werden die Güte haben, sich dies für kommende Fälle zu merken!«

Und dann drehte er dem gemaßregelten Assessor den Rücken und ging auf Klara von Ink zu, mit der er sich, ohne die übrige Gesellschaft für den Rest des Abends sonderlich zu beachten, ausschließlich beschäftigte.

Auch bot er, den Augenblick erspähend, wo Olga einen Platz neben Baron von Zirp wählte, jener seinen Wagen an und kutschierte, seinen Reitknecht hinter sich, eilend in die Stadt zurück. Seine Verabschiedung von Inks war überaus höflich, aber förmlich. Auch lehnte es Teut ab, an diesem Abend der Aufforderung seiner Kameraden zum weiteren Beisammenbleiben zu folgen.

Als der Wächter die Morgenstunde abrief, saß er, die Hand an die Stirn gestützt, noch immer grübeln in seinem juchtenduftenden Arbeitszimmer. Ein wilder Kampf von Empfindungen, der in seiner Brust tobte, raubte ihm Ruhe und Schlaf.



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