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C.
Fichtesche Philosophie.

In der Kantischen Philosophie ist das Denken, das Unendliche, die Form des Objektiven das erste. Der absolute Gegensatz desselben gegen das Besondere, Endliche, das Sein ist im erkennenden Subjekt, aber bewußtlos oder nicht zugleich objektiv für dasselbe. Oder man kann auch sagen, die absolute Identität, in welcher der Gegensatz aufgehoben ist, ist rein objektiv, ein bloßer Gedanke; – beides ist gleichbedeutend, denn beides, diese Form absoluter Objektivität, das Jenseits der Identität für das Erkennen – und das Subjektive, das Erkennen, wohinein der absolute Gegensatz verlegt wird, kommen nicht zusammen. In der Jacobischen Philosophie ist das Bewußtsein über denselben das erste, und der Gegensatz, der im Erkennen ist, flieht ebenso, um ihn aufgelöst sich vorzustellen, zu seinem Gegenteil, einem Jenseits des Erkennens. Aber es ist eine Mitte zwischen diesem Übergang zu absolut Entgegengesetzten vorhanden, aber diese Mitte ist selbst ein Subjektives, ein Sehnen und ein Schmerz. Dieses Sehnen ist in der Fichteschen Philosophie mit der Kantischen Objektivität synthesiert, aber nicht daß die beiden entgegengesetzten Formen sich in einer Wahrhaften Identität und Indifferenz auslöschten und die absolute Mitte hervorträte, sondern jene Jacobische subjektive Vereinigung in der Lebendigkeit des Individuums ist selbst nur in objektive Form aufgenommen. In der Kantischen Philosophie zeigt sich wegen des Widerspruchs der leeren Allgemeinheit zur lebendigen Besonderheit nicht der mindeste Kummer; im Theoretischen wird er absolut behauptet, und im Praktischen, dessen Begriff es mit sich bringt, ihn aufzuheben, tritt ein Formalismus von Rechtswissenschaft und Moral ohne Lebendigkeit sowie ohne Wahrheit auf. Die Jacobische Philosophie hat das Identischsein des Allgemeinen und Besondern in der, aber subjektiven Individualität; eine solche Vereinigung kann deswegen nur ein Kummer und Sehnen, und die Besonderheit muß ein Permanentes, Geheiligtes und Absolutes sein. Bei Fichte ist diese Subjektivität des Sehnens selbst zum Unendlichen gemacht, ein Gedachtes, absolute Forderung, und die Forderung ist der Kulminationspunkt des Systems: Ich soll gleich Nicht-Ich sein; aber es ist kein Indifferenzpunkt in ihm zu erkennen.

Es ist oben erinnert worden, wie das System sich zur negativen Seite des Absoluten, der Unendlichkeit, Ich als absolutem Denken erhebt, und insofern ist es reiner Idealismus, der aber, weil jene negative Seite selbst als das absolut Positive gesetzt wird, formell wird und einen Realismus sich gegenüberstehen hat. Dadurch, daß er die Gegensätze nur im Unendlichen gleichzusetzen weiß, d. h. das abstrahierende Denken, die reine Tätigkeit dem Sein entgegengesetzt zum Absoluten macht, vernichtet er sie nicht wahrhaftig, sondern diese intellektuelle Anschauung ist etwas Formelles so wie der Idealismus, und dem Denken gegenüber tritt die Realität, jener Identität der intellektuellen Anschauung gegenüber der Gegensatz auf, und alle Identität ist die relative des Kausalzusammenhangs in einem Bestimmen des einen durch das andere.

Nach der Aufgabe der Philosophie, wie sie durch die Lockesche und Humesche Kultur bestimmt worden ist, soll vom Standpunkt des Subjekts die Welt berechnet und nunmehr erklärt werden; in diese zu erklärende Welt wird eben diese Entgegensetzung hineingetragen, die zwischen ihr und dem Subjekt stattfindet: sie trennt sich in eine ideelle und reelle Seite, so daß das Ideelle in dem relativen Gegensatz gegen das Reelle das eine Mal die reine, von der Realität abstrahierende Identität oder der Begriff wird, das andere Mal aber die auf die Realität bezogne, Raum, Zeit, Kategorien, die Idealität des Reellen ist. Das Objektive oder Allgemeine des Reellen besteht nun allein in demjenigen, was in der Scheidung der Welt die ideelle Seite ist, so daß der Idealismus, der auf die Erklärung der objektiven Welt ausgeht, unmittelbar, indem er Objektivität als das Ideelle erkannt hat, sie auch aus dem Prinzip des Ideellen, des Ich, des Allgemeinen, was im Gegensatz gegen die Welt überhaupt das Subjekt ist, abgeleitet und hiemit das an und für sich Sein des Objektiven aufgehoben hat.

Dieser kritische Idealismus, den Fichte in schärferem Umriß heraushob, ist, wie von selbst erhellt, etwas Formales: das Allgemeine der dem Subjekt entgegengesetzten Welt ist als Allgemeines, Ideelles, als Denken und damit als Ich gesetzt. Aber notwendig bleibt das Besondere zurück, und wenn nach der beliebten Stellung der Idee der Philosophie von Erklärung die Rede sein soll, so bleibt von der objektiven Welt die interessanteste Seite, die Seite ihrer Realität unerklärt. Daß das Reelle, als für die Empfindung, etwas Empirisches sei und unter diesem Titel geradezu Weggeworfen und der Betrachtung für unwürdig erklärt werde, wie Kant tut, ist so wenig befriedigend, als wenn Fichte zeigt, daß die Empfindung schlechthin etwas Subjektives ist, und daß rot usw. von der Hand des Subjekts erst auf die Fläche verbreitet werde und dadurch Objektivität erhalte. Denn es ist gerade nicht nach der Idealität, sondern nach der Realität die Frage, und es ist gleichgültig, ob die Realität eine unendliche Menge von Empfindungen oder von Beschaffenheiten der Dinge ist. In dem praktischen Teile der Wissenschaftslehre wird zwar die Miene gemacht, als ob die für die ideelle Seite absolute Realität, die Dinge, wie sie an sich sind, aus dem, wie wir sie machen sollen, hätten konstruiert werden sollen; allein es ist da nichts als eine Analyse des Begriffs des Strebens und des Triebs in einer Intelligenz und einige Reflexionsbegriffe für das Gefühl, daß die Gefühle verschieden sein müssen, abgeleitet, oder von der Aufgabe, das System der Dinge, wie sie sein sollen, zu konstruieren, ist nichts als der formelle Begriff des Sollens analysiert, aber außer diesem formalen Wesen das Gefühl selbst als reales System oder die Totalität des Sollens auch nicht im geringsten konstruiert. Denn schon an und für sich läßt das Sollen ganz und gar keine Totalität zu, sondern die Mannigfaltigkeit der Realität erscheint als eine unbegreifliche, ursprüngliche Bestimmtheit und empirische Notwendigkeit; die Besonderheit und Differenz als solche ist ein Absolutes. Der Standpunkt für diese Realität ist der empirische Standpunkt eines jeden Einzelnen, und für jeden Einzelnen ist seine Realität die unbegreifliche Sphäre gemeiner Wirklichkeit, in die er nun einmal eingeschlossen ist. Es braucht nicht erinnert zu werden, wie gleichgültig für diese Absolutheit des Empirischen jener formale Idealismus ist, welcher erweist, daß diese ganze empirische Realität nur ein Subjektives, ein Gefühl sei; denn diese Form verändert an der gemeinen und unbegreiflichen Notwendigkeit des empirischen Daseins nicht das mindeste, und es ist durchaus an keine wahre Idealität der Wirklichkeit und der reellen Seite, sie erscheinen nun als Beschaffenheit der Dinge oder als Empfindung, zu denken.

Der Formalismus des hier idealistisch genannten Wissens, der bei der Jacobischen Philosophie, welche das bestimmteste und offenste Bewußtsein darüber hat, entwickelt worden ist, bedarf eigentlich keiner weitern Erläuterungen bei der Fichteschen Philosophie, welche ihn mit den andern durch das Prinzip der Subjektivität, und daß die absolute Identität nicht für Erkennen und Wissen, sondern nur für den Glauben ist, gemein hat. Das Wesentliche desselben ist, daß der reine Begriff, das leere Denken zu einem Inhalt, einer Bestimmtheit des Begriffs, oder umgekehrt die Bestimmtheit zu der Unbestimmtheit auf eine unbegreifliche Weise hinzutritt. Ob nach dem Jacobischen Dogmatismus das Objektive, das Gegebene als das Erste genannt wird, zu welchem der Begriff später hinzukommt, oder ob Fichte das leere Wissen, Ich, zum Ersten macht, dessen Wesen dasselbe mit dem leeren Verstand des analysierenden Wissens, nämlich eine Identität ist, für welche bei Fichte die ihm fremde, aus ihm nicht zu begreifende Bestimmtheit als das Spätere erscheint, macht in der Sache nicht den mindesten Unterschied. –

Wenn nach dem Fichteschen Idealismus Ich nicht Dinge empfindet und anschaut, sondern nur sein Empfinden und sein Anschauen anschaut und nur von seinem Wissen weiß, so ist die reine leere Tätigkeit, das reinfreie Handeln das Erste und einzig Gewisse, und es ist schlechthin nichts als das reine Wissen und das reine Anschauen und das Empfinden: Ich = Ich. Wir werden nachher sehen wie durch den absoluten Willensakt die ganze vernichtete Sinnenwelt überhaupt Realität erhält; aber das Wissen um diese Realität, das Verhältnis der absoluten Leerheit und Unbestimmtheit des Wissens zu der Bestimmtheit und jener Realität ist das Unbegreifliche und eins dem andern, das Besondere dem Allgemeinen gleich fremd wie die empirisch gegebene Bestimmtheit Jacobis der Unbestimmtheit oder dem Begriffe des analysierenden Verstandes. Fichte's Weise, nur vom Wissen, nämlich nur von der leeren Identität zu wissen, bereitete sich aber durch ihren eigenen Formalismus einen Weg zum Besondern; es wird anerkannt, daß die einzige Wahrheit und Gewißheit, das reine Selbstbewußtsein und das reine Wissen, etwas Unvollständiges, durch etwas anderes Bedingtes, d. h. daß das Absolute des Systems nicht absolut sei und eben deswegen zu etwas anderem fortgegangen werden müsse. Diese erkannte Unvollständigkeit des absoluten Prinzips und die daraus erkannte Notwendigkeit eines Fortgehens zu einem andern ist das Prinzip der Deduktion der Sinnen weit; das völlig Leere, womit angefangen wird, hat durch seinen absoluten Mangel den Vorteil, in sich immanent die unmittelbare Notwendigkeit zu tragen, sich zu erfüllen, zu einem Andern, und von diesem Andern zu andern Andern in eine unendliche, objektive Welt fortgehen zu müssen. Gibt es nun eine höhere Apriorität eines Prinzips, als in welchem unmittelbar die Notwendigkeit des Ganzen liegt? – eine Notwendigkeit, die darauf beruht, daß das Prinzip schlechthin Teil und durch seine unendliche Armut die unendliche Möglichkeit des Reichtums ist. Das Prinzip spielt auf diese Art die gedoppelte Rolle, das eine Mal absolut, das andere Mal schlechthin endlich zu sein und in letzterer Qualität ein Anfangspunkt für die ganze empirische Unendlichkeit werden zu können.

Der Formalismus dieses Prinzips hat, für sich betrachtet, auch den großen Vorteil, daß es leicht begreiflich zu machen ist. Es ist allgemein über die schwere Forderung der intellektuellen Anschauung geklagt, es ist zu seiner Zeit erzählt worden, daß Menschen über dem Beginnen, den reinen Willensakt und die intellektuelle Anschauung zu produzieren in Wahnsinn verfallen seien; beides ist ohne Zweifel durch den Namen der Sache veranlaßt worden, welche Fichte als einfach und gemein genug beschreibt, und von der es wohl nur schwer hielt, sich zu überzeugen, daß sie wirklich nur dies Gemeine und Einfache sei. Irgendein Ding, etwas dem reinen Bewußtsein oder Ich, das im gemeinen Bewußtsein nach Fichte's Ausdruck gleichfalls gegeben ist, Fremdartiges anschauen, ist empirische Anschauung; aber von allem Fremdartigen im Bewußtsein abstrahieren und sich selbst denken, ist intellektuelle Anschauung. In irgendeinem Wissen von allem bestimmten Inhalt abstrahieren und nur das reine Wissen, das rein Formelle desselben wissen, ist reines absolutes Wissen; diese Abstraktion ist doch leicht zu machen, und jeder weiß auch was, an dem er die Abstraktion machen könne. Wegen desjenigen aber, wovon man abstrahiert hat, hat man sich auch nicht bange sein zu lassen, denn es geht nicht verloren, sondern tritt vielmehr fürs Wissen und fürs Handeln ohnedem in seiner ganzen empirischen Ausdehnung und Breite wieder ein; nur macht die Philosophie diese Zufälligkeit des gemeinen Bewußtseins methodisch, aber ohne ihm von seiner Zufälligkeit und Gemeinheit im geringsten etwas zu nehmen.

Das Methodische dieses Wissens oder die Philosophie über das gemeine Bewußtsein besteht darin, daß fürs erste von etwas schlechthin Wahrem und Gewissem ausgegangen wird, dem Ich, dem Wissen selbst in allem Wissen, dem reinen Bewußtsein. Aber da es unmittelbar sich als Prinzip der Deduktion nur dadurch erweist, daß es schlechthin unvollständig und rein endlich ist, so ist seine Wahrheit und Gewißheit von einer solchen Art, welche von der Philosophie verworfen wird; denn für diese ist die Wahrheit und Gewißheit allein in dem, was nicht unvollständig, noch eine Abstraktion, noch bedingt ist.

Daß aber die Leerheit des Wissens Prinzip des Fortgangs wird, dies findet sich eben darin, daß dasselbe ein schlechthin Mangelhaftes ist und also unmittelbar eines andern bedarf und der Anknüpfungspunkt für anderes, welches die Bedingung desselben ist, wird. Die Form, unter welcher die objektive Welt als ein Fremdes zu dem, was durch sie vervollständigt wird, nämlich zum reinen Wissen hinzutritt, ist das Schließen von dem Mangel eines Umstandes im Anknüpfungspunkte auf seine Notwendigkeit, von der Unvollständigkeit des Absoluten, das selbst ein Teil ist, auf einen andern Teil, der jenen vervollständigt. Daß aber in dem als absolut Gesetzten ein Mangel, daß es nur Teil ist, diese Einsicht ist allein möglich durch die Idee der Totalität oder überhaupt nur durch das Bewußtsein, daß zum Behuf der sogenannten intellektuellen Anschauung, des sich selbst Denkens und des reinen Wissens abstrahiert worden ist von anderm Fremdartigen, das nachher wieder aufgenommen wird. Warum nicht jene Idee der Totalität selbst, an welcher gemessen das reine Wissen sich als ein Unvollständiges zeigt, als das Absolute auftritt, sondern ein als Teil und mangelhaft Anerkanntes, davon ist für sich kein Grund abzusehen, als Weil dieser Teil empirische Gewißheit und Wahrheit hat, indem ja doch jeder weiß, daß er weiß; solcher empirischen Wahrheit wird der Vorzug vor der absoluten Wahrheit der Totalität gegeben. Das Fortschließen von dem Teil auf andere Teile aber ist nichts als ein Wiederaufnehmen dessen, wovon abstrahiert worden ist; oder da das, was durch die Abstraktion zustande gekommen ist, unmittelbar in negativer Beziehung mit dem steht, wovon abstrahiert wird, dasselbe in jenem, aber in negativer Form vorhanden ist, so ist die Deduktion nichts als eine Verwandlung der Zeichen, des minus in plus. Im reinen Wissen ist die Sinnenwelt als ein minus gesetzt, es ist von ihr abstrahiert, sie ist negiert worden; der Schluß auf sie besteht darin, daß sie nunmehr als ein plus, und dies plus als Bedingung des Selbstbewußtseins gesetzt wird. In der Freiheit des vernünftigen Wesens ist das Objektive, worauf sich seine Freiheit richtet, als ein minus gesetzt: die Deduktion der Sphäre für die Freiheit besteht also darin, daß es mit einem plus, als seiend gesetzt wird, so wie ein leerer Geldbeutel ein Beutel ist, in Beziehung auf welchen das Geld allerdings schon, aber mit dem Zeichen minus gesetzt ist und das Geld aus demselben unmittelbar deduziert werden kann, weil es in seinem Mangel unmittelbar gesetzt ist.

Ein Erkennen durch solche Deduktion ist an und für sich kein wahrhaftes Erkennen; denn dies fängt vom Absoluten an, das weder ein Teil, noch unvollständig, noch allein für Empirie Gewißheit und Wahrheit, noch durch Abstraktion, sondern durch wahrhafte intellektuelle Anschauung ist. Jenes Erkennen aus dem Mangel beruht im Grunde auf eben demselben Gegebensein der Objekte für das analysierende Denken, wie Jacobi, Köppen und andere in den geoffenbarten und geglaubten Tatsachen des Bewußtseins das Mannigfaltige und seine Verknüpfung vorfinden, – nur daß das Vorgefundene bei Jacobi und Köppen ein positives, bei Fichte hingegen ein negatives Zeichen hat; jene finden ebendasselbe als vorhanden, was Fichte als mangelnd findet. Dieser Idealismus ist daher die wahrhafte Umkehrung des formalen Wissens, – aber nicht wie Jacobi Werke, Bd. III, S. 11. gesagt hat, des Cubus des Spinozismus; denn der Cubus des Spinoza ist nicht umkehrbar, weil er im freien Äther schwebt und es an ihm kein Oben noch Unten; viel weniger irgendeine Kugel oder Schildkröte, worauf er gegründet wäre, gibt, sondern er seine Ruhe und seinen Grund in sich selbst hat, seine eigene Kugel und Schildkröte ist. Hingegen das regellose Polyeder des formalen Wissens liegt auf einer ihm fremden Erde, in der es seine Wurzel, und an der es seinen Träger hat; für dasselbe also gibt es ein Oben und Unten. Das gewöhnliche formelle Wissen hat die mannigfaltige Empirie als Grund, aber zieht aus demselben in die ideelle Atmosphäre mannigfaltige Spitzen von Begriffen. Das Fichtesche formelle Wissen ist eine Umkehrung von jenem; es fängt in der Atmosphäre, worin ein und dasselbe nur negativ und ideell vorgefunden wird, an, und der Idealität desselben sich bewußt, senkt es den negativ vorhandenen Inhalt mit positivem Zeichen als Realität nieder.

Was nun das Produkt eines solchen Erkennens, das vom gewissen Teile anfängt und nach und nach im Fortgang an den Teilen den Mangel als eine fürs Wissen gesetzte Totalität aussprechen will, betrifft, so scheint es, daß das Produkt die Totalität nicht nur sein könne, sondern auch sein müsse. Denn ihre Idee scheint das Vorausgesetzte zu sein, indem durch sie allein erkannt werden kann, daß jenes absolut gewisse Erste nur ein Teil ist. Weil sie also wahrhaft das Erste ist, so scheint der Fortgang der Entwicklung sie darstellen zu müssen; aber daß das Ganze dieses Fortgangs Totalität sei, ist eben dadurch, daß ein als Teil Erkanntes, Mangelhaftes, absolute Wahrheit und Gewißheit haben soll, unmöglich. Die reine Empirie, die nicht von einem Teile weiß, den Teil nicht durch Reflexion als ein schlechthin Wesen Habendes fixiert, vermag wohl von einem Teile anzufangen und durch ihren Fortgang an den Teilen den ganzen Kreis zu beschreiben und darzustellen; denn weil sie Empirie ist, steckt sie nicht in den Fußeisen der Reflexion, die den Teil zu einem Ansich, und so es unmöglich macht, zum Ganzen zu gelangen. Aber eine von der Empirie produzierte oder vielmehr gefundene Totalität ist, wenn sie auch der Vorstellung als solche gegeben wird, nicht für die Erkenntnis; denn für diese müssen die Teile schlechthin durchs Ganze bestimmt, das Ganze das Erste der Erkenntnis sein. Jene formale, das negativ Vorgefundene in Positives umwandelnde Erkenntnis, so wenig sie vom Ganzen anfängt, sondern vom Teile zu Teilen fortgeht, vermag aus ihrem Teilwesen weder für die Vorstellung überhaupt, noch für die Erkenntnis herauszukommen. Denn wenn ihr darin, daß sie das leere Wissen als etwas Unvollständiges erkennt, die absolute Idee vorzuschweben scheint, so bedeutet diese Idee unmittelbar nur selbst die Negativität eines andern, das nötig ist und das selbst wieder nur ein Endliches, ein Teil, ein Anderes ist, und so fort ins Unendliche; sie erweist sich als etwas schlechthin Formelles, weil der endliche Anknüpfungspunkt, also der Teil ein Ansich, ein Absolutes ist, wodurch alle wahre Idee der Totalität schlechthin zerstört wird. Was die Deduktion durch ihr Kunststück, das Negative in ein Positives umzusetzen, produziert, ist daher notwendig eben jene Masse gemeiner empirischer Realität, eine allenthalben endliche Natur, eine Sinnenwelt; durch die Abstraktion von dem Fremdartigen im Ich war von ihm nicht spekulativ abstrahiert, d. h. es war nicht vernichtet, sondern dieselbe Formel in eben demselben Zusammenhang und derselben gemeinen Wirklichkeit, nur mit negativem Zeichen in der Form eines Mangels gesetzt worden. Wie der Spiegel sie im gemeinen Empirismus empfangen und ideell in sich gesetzt hatte, so gibt er sie nachher wieder zurück, und dieses Zurückgeben, oder dasjenige nennen, was dem Mangel mangelt, heißt eine immanente, transzendentale Deduktion.

Da die Endlichkeit des Anfangspunkts, der absolut ist, unmöglich macht, daß die Geburt der Erkenntnis ein wahrhaftes Ganzes ist, – denn dieses ist allein dadurch möglich, daß kein Teil an sich ist, – so ist ein wahres Ideal, worin die Endlichkeit der empirischen Realität verschwände, die Affektion zur Natur würde, schlechthin unmöglich. Es gibt keine andere Fülle von Vorstellungen als von endlichen; die Natur ist schlechthin Sinnenwelt. Die Veränderung, welche mit dem gemeinen Empirismus vorgeht, ist, daß er deduziert worden ist, d. h. daß das System oder besser die Masse – denn an ein System ist nicht zu denken – der für das gemeine Bewußtsein notwendigen Vorstellungen zuerst als reiner Mangel gesetzt und an dasjenige, was das Subjekt dieses Mangels ist, nämlich das Ich, angeknüpft erscheint, und es ist beliebig, das eine Mal auf den reinen Mangel, das andere Mal auf die Masse des Mangelnden zu reflektieren, das eine Mal das reine Wissen und immer das reine Wissen, die Leerheit, das Nichts zu denken, das andere Mal aber den ganzen Inhalt dieses Nichts als eine Masse von subjektiven, aber nur subjektiven Affektionen. Beides, das reine minus und dasjenige, dessen das Ich ermangelt, damit es ein Mangel ist, ist unzertrennlich; denn die Abstraktion ist unmittelbar nur dadurch, daß sie mit dem in Beziehung steht, wovon abstrahiert wird, oder daß dieses mit negativem Zeichen gesetzt ist. Die theoretische Wissenschaft nun besteht in der Erkenntnis des Mangels und des Mannigfaltigen, dessen entbehrt wird; aber die eigentliche Realität, das wahrhafte plus, erhält es erst durch den reinen Willensakt. Aber eins ist nie ohne das andere, die Leerheit nicht ohne das, wovon sie leer ist, es sei, daß nun dieses ideell oder reell, subjektiv oder objektiv gesetzt sei.

Der Ich, der im zweiten Aufzuge der Bestimmung des Menschen, an welche Darstellung wir uns hier vorzüglich halten wollen, sich durch einen Geist in Freiheit setzen läßt, denkt, wenn er sich am Ende wirklich in Freiheit gesetzt glaubt, gar nicht an diese seine völlige Verbundenheit der empirischen Notwendigkeit und an die unbegreifliche Sphäre seiner gemeinen Realität im Gefühl; er gibt im Vorbeigehen, S. 88, auf die Frage des Geistes: »Du fühlst doch nie überhaupt?« – die Antwort: »Ich: Keineswegs. Jede Empfindung ist eine bestimmte. Es wird nie nur bloß gesehen oder gefühlt oder gehört, sondern immer etwas Bestimmtes, die rote, grüne, blaue Farbe, das Kalte, Warme, Glatte, Rauhe, der Schall der Violine, die Stimme des Menschen, und dergleichen« (dies: Dergleichen umfaßt wohl das Übrige der Natur, das Exquisite derselben aber wird in dem namentlich Aufgeführten, dem Grünen, Roten, dem Violinenschall genannt sein sollen; unter den Bestimmtheiten aber wären Beispiele bestimmter Formen interessanter und zweckdienlicher gewesen als jene Beispiele des Formlosen) »gesehen, gefühlt, gehört. Laß das unter uns abgemacht sein«. – Von allem diesem Bestimmten und der Bestimmtheit seiner empirischen Existenz überhaupt, meint sich der Ich ohne weiters dadurch befreit, daß er sich überzeugt, jene Bestimmtheiten seien in ihm und nur seine Affektionen, das Wissen davon ein unmittelbares Wissen von seinem Zustand und die ganze Kette der gemeinen Notwendigkeit nur einseitig, er frei also dadurch, daß das Subjekt für sich selbst durch Affektionen, nicht durch Dinge ein absolut empirisches Wesen ist, – ein Widerspruch, welcher unter die härtesten zu rechnen ist. Um der Überzeugung willen, daß das Bewußtsein eines Dinges außer uns absolut nichts weiter ist als das Produkt unseres eigenen Vorstellungsvermögens, erklärt der Geist den Ich für frei und auf ewig erlöset von der Furcht, die ihn erniedrigte und quälte, frei von einer Notwendigkeit, die nur in seinem Denken sei, und von der Wirklichkeit von Dingen, die außer ihm existieren, – als ob er nicht in einer und eben derselben Gefangenschaft seines Zustands, in einer und eben derselben Notwendigkeit wäre, die, ungeachtet sie nicht mehr in der Form seines Denkens als äußeres Objekt vorhanden ist, mit eben derselben Wirklichkeit, Willkürlichkeit und Zufälligkeit als eine Reihe von Affektionen und Zuständen existiert.

Da nun der Ich annoch mit einem und eben demselben Reichtum von den Realitäten als Empfindungen begabt ist, so ist nicht zu begreifen, wie er über die Façon von Dingheit, welche sein System von Affektionen verloren hat, in das Härmen hineingeraten kann, daß nunmehr nichts, absolut nichts als Vorstellungen, Bestimmungen eines Bewußtseins als bloßen Bewußtseins seien. Nicht über das, was er verlor, denn jene bloße Façon der Objektivität und Körperlichkeit des Süßen und Bittern ist nicht der Mühe wert, sondern darüber, daß er noch an seiner unverletzten Notwendigkeit in ihrer ganzen Länge und Breite des süßen und bittern und roten usw. Empfindens und des nackten Faktums der Anschauung (S. 169), zu denen erst durch das Denken das Ding hinzukommt, das ihm allein verloren gegangen ist, reich bleibt, – hatte er zu wehklagen; nicht über das, was der Geist nahm, sondern über die ganze Endlichkeit, die er ihm ließ, konnte der Ich ihn einen ruchlosen Geist nennen.

Das unmittelbare Produkt dieses formalen Idealismus, das uns entstanden ist, ergibt sich also in folgender Gestalt: ein Reich einheitsloser Empirie und rein zufälliger Mannigfaltigkeit steht einem leeren Denken gegenüber. Wenn das leere Denken als wirkende und reelle Kraft gesetzt wird, muß es wie die übrige Objektivität als ein Ideelles erkannt werden, oder um den Gegensatz gegen die empirische Notwendigkeit und Mannigfaltigkeit rein zu haben, muß es nicht als reelle wirkende Kraft, d. h. in Beziehung auf Realität, sondern rein für sich als leere Einheit, als von der Besonderheit ganz abgeschiedene Allgemeinheit gesetzt werden. Kants reine Vernunft ist eben dieses leere Denken, und Realität ebenso jener leeren Identität entgegengesetzt, und das nicht Zusammenstimmende beider ist es, was den jenseitigen Glauben notwendig macht. Aber die der Identität mit der praktischen Vernunft notwendig entbehrende Realität wird in der Kantischen Philosophie nicht bloß in der ganz bloß empirischen Beziehung, wie sie als Empfindung des empirischen Subjekts vorhanden ist und in dem Fichteschen Idealismus allein vorkommen kann, betrachtet, sondern Kant erkennt sie zugleich als eine höhere Realität, nämlich als organisches System und schöne Natur. Indem der Kantische Idealismus für die Reinheit der Abstraktion, – welche die Identität ganz aus der Differenz heraus- und ihr entgegensetzt als ein Glied des Gegensatzes und das andere als reine empirische Notwendigkeit und eine aller Identität ermangelnde Mannigfaltigkeit setzt, – verliert, gewinnt er gegen diesen Formalismus dadurch, daß an einer Stelle des Systems mehr die spekulative Idee hervortritt.

Auf diese Weise ist im Fichteschen Idealismus das System des Wissens ein Wissen von einem ganz leeren Wissen, welchem eine empirische Realität, – von der Einheit, welcher die Mannigfaltigkeit – absolut entgegengesetzt ist, und von einer relativen Identität beider. Einem solchen formalen Wissen, das es nicht weiter als bis zur relativen Identität bringen kann, und seinem absoluten Gegensatze, der bei Kant die populäre und weniger abstrakte Form von Glückseligkeit und Moralität hat, muß die wahre Identität als ein absolutes Jenseits gegenüberstehen. Weil Denken und Wissen schlechthin nur formal, nur im Gegensatze, nur relativ sind, so ist vernünftige Erkenntnis und spekulative Idee unmittelbar aufgehoben und unmöglich. Die höchste Anstrengung des formalen Denkens ist die Anerkennung seines Nichts und des Sollens; aber weil es sich nicht wahrhaft aufgibt, ist das Sollen perennierend: es ist ein bleibendes Wollen, das nichts kann, als nur bis zur Unendlichkeit und zum Nichts, aber nicht durch dasselbe hindurch zur positiven vernünftigen Erkenntnis durchbrechen.

Diese Form der Dreiheit: Setzen, Denken, Unendlichkeit, – alsdann Sein, Entgegensetzen, Endlichkeit, und eine, – indem die zwei ersten schlechthin verschiedene sind, – Beziehung beider fürs Wissen aufeinander, welche selbst eine gedoppelte ist, a) eine unvollkommene, die positive Beziehung fürs Wissen, b) absolute Identität beider, – und diese ist außer einem solchen Wissen und Erkennen, – diese Form der Dreiheit spricht das ganze System in allen seinen Darstellungen wie zuerst in der Wissenschaftslehre aus.

Die zwei ersten Teile oder der Gegensatz ist in ihren zwei ersten Grundsätzen enthalten, deren erster: Ich = Ich nichts als die formale Identität, die Unendlichkeit, welche eine Endlichkeit gegen sich hat, eben darum ist. Weil er noch einen zweiten, für ihn absoluten aus dem Ich = Ich nicht erkennbaren außer und nach sich notwendig hat; diese zweite Handlung soll der Materie nach bedingt sein: es ist ein Handeln in Beziehung auf ein anderes Handeln Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre, Joh. Fichte's sämtliche Werke, 1. Abt., 1. Bd., S. 103.; aber (S. 18 Wissenschaftslehre) die Bedingung, unter welcher das Gegenteil von Ich = Ich gesetzt wäre, kann aus Ich = Ich sich gar nicht ergeben, da die Form des Gegensetzens in der Form des Setzens so wenig enthalten wird, daß sie ihr vielmehr selbst entgegengesetzt ist. Daß das Setzen sowohl als das Entgegensetzen, beides ein Handeln des Ich selbst sind, – mit dieser Identität, welche dieselbe ist, die sich im vormaligen Subjekt, der einfachen Substanz der Seele, als dem gemeinschaftlichen Behälter für vielerlei entgegengesetzte Tätigkeiten fand, ist so wenig etwas gedient, daß sie vielmehr das Formellste und dasjenige ist, was diese Philosophie am allerhöchsten verschmähen muß. Und der Anfang mit dem Gegensatze ist teils ein vorläufiges, problematisches Philosophieren, welches mit Dingen, die nichts sind, mit leeren Abstraktionen sich umtreibt und erst in der nachfolgenden Synthese ihnen Realität verschafft, – wie Fichte anerkennt, daß dieses reine Ich und Nicht-Ich außer und vor der produktiven Einbildungskraft nur durch eine Täuschung der Einbildungskraft ein Bestehen für das Denken hat, – teils löst dieses problematische Philosophieren, welches das Unendliche, Denken, dem Entgegensetzen, dem Stoff schlechthin gegenüberstellt und den mannigfaltigen Stoff oder das Entgegensetzen zu dem Ersten hinzupostuliert und empirisch aufnimmt, da sich in dem Bewußtsein eines jeden ein solches Entgegensetzen finde, sich nicht in wahrhafter Identität auf.

Der dritte Grundsatz ist das Beziehen in der angegebenen gedoppelten Rücksicht, der einen des formalen Wissens und endlichen Beziehens durch Kausalzusammenhang, das ganz in der Differenz und in der Teilung ist, der andern für den Glauben, durch welchen die absolute Identität außer dem Erkennen ist; beide Seiten der Beziehung aber, die Form als Wissen und die Materie des Glaubens können schlechthin nicht eins werden. Das Herausheben des einen Glieds des Gegensatzes, nämlich der Unendlichkeit, die einseitige Reflexion auf den ersten Grundsatz macht den Idealismus aus, aber nicht anders, als wie die gemeinste Abstraktion ein Idealismus ist, als Negation der Besonderheit, positiv formale Identität.

Um dieser Form der Triplizität willen, in der das Wissen in der Differenz, das nicht differente aber nur entweder Unendlichkeit, formale Identität, oder jenseits des Erkennens ist, tritt das Fichtesche System nicht aus dem Prinzip des allgemeinen Menschenverstandes heraus, und nachdem das falsche Vorurteil sich verbreitet hatte, daß es nicht das System des gemeinen Menschenverstands, sondern ein spekulatives System sei, gibt es sich wie billig alle Mühe, in neuern Darstellungen dies Vorurteil auszureuten. Es ist nichts klarer, als daß Jacobi dies System mißverstanden hat, wenn er Jacobi's Werke, Bd. III, S. 19. in dem Brief an Fichte eine Philosophie aus einem Stück, ein wahrhaftes Vernunft-System auf die Fichtesche Weise hervorgebracht, ja sogar auf die Fichtesche Weise allein möglich glaubt. Jacobi setzt der Fichteschen Philosophie entgegen, daß er unter dem Wahren etwas verstehe, was vor und außer dem Wissen ist Ebendaselbst, S. 17.. Aber hierin kommt die Fichtesche Philosophie durchaus mit der Jacobischen überein; das Absolute ist ihr allein im Glauben, nicht im Erkennen. Fichte versündigt sich, wie Jacobi (Vorr. zu dem Briefe, S. VIII) sagt, so wenig an der Majestät des Orts, wo das Wahre außerhalb des Erkennens ist Ebendaselbst, S. 5-6., er will ihn so wenig in den Bezirk der Wissenschaft einschließen, daß vielmehr die absolute Identität für ihn schlechthin außer dem Wissen, das Wissen nur, wie Jacobi es verlangt, formell und in der Differenz ist, daß Ich nicht gleich Ich sein, daß das Absolute nicht gedacht, sondern nur Subjekt und Objekt, eins nach dem andern, eins bestimmend das andere, beide nur im Kausalzusammenhang gedacht werden können. Hierüber, daß man die absolute Identität des Denkens und Seins nicht denken könne, sagt Spinoza, princ. phil. Cart. P. I. prop. VI. schol.: Quidam sunt, qui negant, se ullam Bei – (d. i. wie Spinoza Gott definiert: des Wesens, in dessen Idee die Existenz notwendig ist, oder dessen Idee und Sein Eins ist) – ideam habere, quem tamen, ut ipsi ajunt, colunt et amant. Et quamvis ipsis Dei definitionem Deique attributa ob oculus ponas, nihil tamen proficies: non hercle magis quam si, virum a nativitate coecum colorum differentias, prout ipsos videmus, docere moliaris. Verum, nisi eos, tanquam pro novo animalium genere, medio scilicet inter homines et bruta, habere velimus, eorum verba parum curare debemus Spinoz. opera, T. I, p. 20-21..

Warum die Jacobische Philosophie den Nihilismus, den sie in der Fichteschen findet, so sehr verabscheue, ist vorhin gezeigt worden, aber was das Fichtesche System selbst hierüber betrifft, so liegt allerdings die Aufgabe des Nihilismus in dem reinen Denken; es ist aber nicht fähig, zu ihm zu gelangen, weil dies reine Denken schlechthin nur auf einer Seite stehen bleibt und also diese unendliche Möglichkeit eine unendliche Wirklichkeit sich gegenüber und zugleich mit sich hat. Und so ist das Ich schlechthin in die Unendlichkeit hinaus von einem Nicht-Ich affiziert, wie es sein muß, da die Unendlichkeit, Denken, das nur ein Glied des Gegensatzes ist, als an sich seiend gesetzt sein soll; aber darum kann sein correlatum schlechthin nicht vernichtet werden, sondern springt mit unüberwindlicher Elastizität hervor, denn beide sind durch das höchste Schicksal mit diamantenen Ketten zusammengeschmiedet. Das Erste der Philosophie aber ist, das absolute Nichts zu erkennen, wozu es die Fichtesche Philosophie so wenig bringt, so sehr die Jacobische sie darum verabscheut. Dagegen sind beide in dem der Philosophie entgegengesetzten Nichts: das Endliche, die Erscheinung hat für beide absolute Realität; das Absolute und Ewige ist beiden das Nichts für das Erkennen. Jacobi wirft dem Kantischen System vor, ein Gemische aus Idealismus und Empirismus, zu sein; von diesen beiden Ingredienzien ist es nicht der Empirismus welchen sein Vorwurf trifft, sondern das Idealistische oder die Seite der Unendlichkeit. Obschon sie nicht die Vollkommenheit des wahren Nichts gewinnen kann, so ist sie auch schon so das Unerträgliche für ihn, weil sie der Absolutheit des Empirischen Gefahr droht, und in ihr die Forderung der Vernichtung des Gegensatzes liegt. –

Jacobi sagt: »Gott ist und ist außer mir, ein lebendiges, für sich bestehendes Wesen, oder Ich bin Gott. Es gibt kein Drittes Jacobis Werke, Bd. III, S. 49.Es gibt ein Drittes, sagt dagegen die Philosophie, und es ist dadurch Philosophie, daß ein Drittes ist, – indem sie von Gott nicht bloß ein Sein, sondern auch Denken, d. h. Ich prädiziert und ihn als die absolute Identität von beidem erkennt, kein Außer für Gott und darum ebensowenig ihn als ein solches für sich bestehendes Wesen, was durch ein Außer ihm bestimmt, d. h. außer welchem noch anderes Bestehen wäre, sondern außer Gott gar kein Bestehen und nichts anerkennt, also das Entweder-Oder, was ein Prinzip aller formalen Logik und des der Vernunft entsagenden Verstandes ist, in der absoluten Mitte schlechthin vertilgt. Jener Jacobische Grundgedanke, worin sich seine Philosophie vollkommen ausspricht, – von dem man zugleich auch zeigen könnte, daß Jacobi nicht nur auf der vorhergehenden Seite, wo er ihn ausspricht, ihm widerspricht, indem er sagt, daß er behaupte: der Mensch findet Gott, weil er sich selbst nur in Gott finden kann, sondern auch an hundert andern Stellen, wo er die Vernunft göttlich usw. nennt, – wenn es nicht sonst genug gezeigt worden wäre, daß solche Anfänge von philosophischen Gedanken schlechthin nur etwas Geistreiches, nichts Philosophisches sein sollen, und er, wo er diese seine Einfälle von andern philosophisch aufgenommen und sie im Ernst als eine Wahrheit fürs Wissen dargestellt findet, Atheismus und so weiter nicht nur wittert, sondern dogmatisch behauptet, und wo er selbst über das Einfällehaben hinausgeht und ans Denken kommt, in einem absoluten Dualismus ist, – dieser Jacobische Grundsatz ist ebensosehr Fichtesches Prinzip. Die moralische Weltordnung, welche im Glauben ist, ist schlechthin auch außer Ich; das Ich kommt in sie, oder sie kommt nur ins Ich, erhält nur Realität für Ich im unendlichen Progreß. Für Ich können die Dinge schlechthin nicht werden, was sie sein sollen, weil eben damit das Nicht-Ich aufhörte zu sein und Ich würde, Ich = Ich als wahrhaft absolute Identität ohne einen zweiten Grundsatz wäre, das Ich etwas aufhöbe, was es selbst gesetzt hat, und selbst aufhörte, Ich zu sein. Es ist also im System dieses Wissens so wenig an ein Herauskommen aus dem Dualismus zu denken, als Jacobi nur verlangen kann. Die nicht dualistische Realität ist im Glauben, und es gibt im Fichteschen System ebensowenig dasjenige Dritte, welches wahrhaftig das Erste und Einzige ist, als auch die nicht dualistische Negativität, die Unendlichkeit, das Nichts rein sein kann. Sie soll rein sein, aber wird es nicht, sondern sie selbst wird wieder fixiert und dadurch absolute Subjektivität. Jacobi, welcher, indem er auf die eine Seite des Gegensatzes, die Unendlichkeit, die formale Identität reflektierte, meinte, dieser Nihilismus der Transzendental-Philosophie wolle ihm sein Herz aus dem Busen reißen, hatte nur auf die andere Seite des Gegensatzes, die ebenso absolut vorhanden, zu reflektieren, wo er alle die Affektionen und Gemüts-Zustände, alles geoffenbarte und geglaubte Empirische vor wie nach finden konnte.

Theoretische Wissenschaft dieses Idealismus heißt nun nichts anders als das Hervorbringen jenes Gegensatzes von Unendlichkeit und Endlichkeit: auf einer Seite der Abstraktion des reinen Wissens und Denkens als Wissens und Denkens, und auf der andern Seite der Abstraktion des Nichtwissens und Nichtdenkens oder des Nicht-Ichs. Beides ist nur im und fürs Wissen gesetzt, eins Abstraktion und Leerheit wie das andere. Die empirische Seite ist im Theoretischen überhaupt die Abstraktion des Mannigfaltigen, ein Nicht-Ich. Indem so das Reelle selbst ganz formell oder ideell gesetzt wird, ist das ganze Gerüste dieses theoretischen Idealismus nichts als die Konstruktion der logischen Formen, die von allem Inhalt abstrahieren. Der wissenschaftliche Weg, den dieser formelle oder logische Idealismus in seinem Übergang zur Realität, welchen er eine Deduktion derselben nennt, nimmt, ist oben bezeichnet worden; sein eigener Inhalt sind die relativen Identitäten zwischen dem leeren Denken und der Abstraktion der Mannigfaltigkeit, welche drei Glieder also selbst ganz innerhalb des leeren Wissens fallen. Wir haben nunmehr die Integration dieser Leerheit ihrem Inhalte nach zu betrachten. Im theoretischen Idealismus ist das Empirische eine Abstraktion, im praktischen aber tritt es als Wahrhafte, empirische sicht- und fühlbare Realität auf. Die Natur, welche dort nur ein Nicht-Ich, ein bloß Negatives, bestimmt als das Entgegengesetzte überhaupt, war, tritt hier aus der Abstraktion des Wissens in den Reichtum ihrer Realität und in die Pracht ihrer Lebensfülle, – nämlich ein Saures und Süßes und Bitteres, ein Blaues und Rotes zu sein, – heraus.

In der Jacobischen Philosophie ist diese Integration unmittelbar durch ihren ursprünglichen Empirismus und die nicht abstrahierte Besonderheit des Subjekts schon vorhanden. In der Kantischen Philosophie wird das Besondere, dessen die Allgemeinheit der Vernunft bedarf, welche, insofern sie dieses Bedürfnis hat, praktische Vernunft heißt, gleichfalls empirischer- und sorgloserweise angenommen; das Vorhandensein des Besondern, der Neigungen und Leidenschaften, des Pathologischen überhaupt, welches von der Vernunft zu bekämpfen, die Natur, welche von ihr zu bearbeiten und dem Vernunftzweck – denn er ist in ihr jetzt noch nicht realisiert – zu unterwerfen ist, werden als gegeben und der Inhalt des Vernunftzwecks selbst, das höchste Gut, Glückseligkeit nach Verdienst, – und jeder soll das Verdienst haben, also allgemeine Glückseligkeit überhaupt, – ist nach dem, worin denn diese Glückseligkeit bestehe, gleichfalls-empirisch vorausgesetzt. Die Fichtesche Integration der Idealität durch die Realität geschieht a priori, nämlich durch den Glauben, welcher das Prinzip des Übergangs vom Mangel in die Fülle überhaupt oder die reine Form der Umwandlung des minus in plus und der Verknüpfung beider in gegenseitigem Einwirken aufeinander ist, aber auch nur die Form, – denn die Materie selbst, von der im minus der Idealität abstrahiert worden ist, ist, wie notwendig, ebenso empirisch und ohne Totalität wie in den vorhergehenden Systemen.

Das alles beherrschende Grundprinzip der Integration des Ideellen durch das Reelle, des Zusammentreffens des leeren Denkens oder der Vernunft mit der, wie die Natur hier erscheint, ihr gegenüberstehenden Sinnenwelt besteht darin, daß schlechthin eins nicht ist, was das andere ist, und daß in allem Verknüpfen derselben keine wahrhafte Identität herauskommt. Die wahrhafte Identität und Ewigkeit ist wie fürs Wissen im Jenseits des Glaubens, so im Praktischen und Reellen ebenfalls jenseits, nämlich im unendlichen Progreß. Wie dort das leere Denken als reines Wissen oder theoretische Vernunft, so ist es hier als reiner Wille oder als praktische Vernunft absolut, und so ist auch sein Entgegengesetztes eine absolute empirische Sinnenwelt. Die praktischen relativen Identitäten, welche Kant weniger ausgeführt hat, werden sich in ihren verschiedenen Zweigen ergeben.

Das Erste bei der Integration vor allem aber muß dieses sein, die Realität beider Glieder des Gegensatzes gegeneinander wieder einzuführen oder die theoretische Abstraktion aufzuheben und den Glauben nach seinem Produkt zu konstituieren. Das Theoretische besteht in der Idealität oder in der Reflexion auf die Unendlichkeit, welche sowohl Unendlichkeit als solche, leeres Wissen, reines Denken, als auch absolute Entgegensetzung 0 = + 1 – 1 ist, und jedes bestimmt, daß eins nicht ist, was das andere ist. Eins ist nur, insofern das andere eintritt, und wie das andere eintritt, ist es nicht; die Realität der Unendlichkeit oder des leeren Denkens besteht in dem + 1 – 1, und das Bestehen dieses Gegensatzes gibt den Inhalt des Idealismus oder die logischen Formen. Zugleich sind sie aber ideell = 0, und ihre wahre Wahrheit ist in der Unendlichkeit oder darin, daß sie Nichts sind.

Diese Idealität ist nun im Praktischen aufzuheben; das + 1 und – 1 soll nicht gleich Null sein, und die Realität, die sie erhalten, ist, daß die Unendlichkeit, das leere Denken, welches die Mitte + 1, 0, – 1 ist, worin sie untergehen, aus der Mitte auf die Seite tritt, und ihr gegenüber die Sinnenwelt, das Reich endlicher Existenz. Dies Konstituieren beider als Realitäten heißt der reine Willensakt, welcher das Nichts des + 1 und – 1 zum absoluten Etwas dekretiert. Hierein fallen alle die Popularitäten: daß du zum Handeln da bist, und daß dein Handeln deinen Wert bestimmt, die Absolutheit der praktischen Vernunft, die absolute Freiheit usw.

Nachdem aber diese Nichtse der absoluten Entgegensetzung schlechthin zu Realitäten dekretiert worden sind, so hängt alles Folgende formaliter am Glauben, welcher der Ausdruck der geforderten Identität beider ist. Aber er ist für die Erkenntnis und Konstruktion des Praktischen ganz formell, denn er drückt nichts als diese Forderung aus, die reine Linie eines Fadens, der schlechthin keine Erfüllung, keine Tiefe, noch Länge und Breite haben kann und nur relative Identitäten, die immer noch die Forderung hinter sich haben, zuläßt. Die Subjektivität, Ich, reiner Wille, entgegengesetzt der Objektivität, ist in absolutem Gegensatz, und die Aufgabe der Identität und Integration schlechthin nicht zu lösen.

Der reine Wille soll reell werden durch Handeln; die Realität, die ihm durch Handeln entspringt, soll aus ihm kommen, sein Eigenes sein: sie muß also vorerst in ihm, ideell vorhanden sein als Absicht und Zweck des Subjekts. Das Ich soll schlechthin frei den Begriff entwerfen aus absoluter Machtvollkommenheit seiner selbst als Intelligenz, und der Wille soll durch keine andre Realität affiziert werden, die er sich als irgendwoher gegeben zum Zweck machte, sondern als reiner Wille nur den von ihm frei entworfnen Zweck haben. Indem der Mensch sich zum Handeln bestimmt, entsteht ihm der Begriff eines Zukünftigen, das aus seinem Handeln folgen werde, und dies ist das Formelle des Zweckbegriffs. Aber der Wille ist reine Identität ohne allen Inhalt und nur insofern rein, als er ein durchaus Formales, Inhaltloses ist. Es ist an sich unmöglich, daß sein Zweckbegriff aus ihm einen Inhalt habe, und es bleibt durchaus nichts als dieser formale Idealismus des Glaubens, der das leere Subjektive des Zwecks ebenso leer objektiv setzt, ohne im mindesten dem Zweck eine innere Realität oder Inhalt geben zu können oder zu dürfen; denn sonst ist der reine Wille nicht mehr das Bestimmende. Und es bleibt nichts als die hohle Deklamation, daß das Gesetz um des Gesetzes willen, die Pflicht um der Pflicht willen erfüllt werden müsse, und wie das Ich sich über das Sinnliche und Übersinnliche erhebe, über den Trümmern der Welten schwebe usw.

Diese erhabene Hohlheit und einzig konsequente Leerheit muß denn so viel nachgeben, auf Realität Rücksicht zu nehmen, und wenn der Inhalt als ein System der Pflichten und Gesetze zu wissenschaftlichem Behuf aufgestellt werden soll, wird entweder die ideale Realität oder der Inhalt der Gesetze, Pflichten und Tugenden empirisch aufgerafft, wie Kant es vorzüglich tut, oder von einem endlichen Anfangspunkt aus, fortlaufend an Endlichkeiten, wie Fichte willkürlicherweise von einem Vernunftwesen, und einem solchen, das keinen Leib hat usw., anfängt, deduziert. Auf Welche Art aber das System aufgestellt werde, entsteht, weil die Realität nur eine Mannigfaltigkeit sein kann, da sie in Entgegensetzung gegen die Idealität bleibt, eine und zwar unendliche Menge von Pflichten, Gesetzen oder Tugenden, die eben deswegen an und für sich weder zur Totalität noch zur äußern Vollständigkeit eines Systems gelangen, als auch sich in ihrer Bestimmtheit notwendig widersprechen und keiner Einschränkung durcheinander oder eines Vorzugs und Unterordnung untereinander fähig sind, weil jede in die ideelle Form gesetzt ist und also mit der Prätension der Absolutheit auftritt. Die Fichteschen und Kantischen moralischen Wissenschaften sind die empirischen Belege hierzu.

So steht auf einer Seite die reine Vernunft integriert. Wenn sie als reiner Wille sich behauptet, ist sie in ihrer Behauptung eine hohle Deklamation. Gibt sie sich einen Inhalt, so muß sie ihn empirisch aufnehmen, und wenn sie ihm die Form praktischer Idealität gegeben oder ihn zum Gesetz und Pflicht gemacht hat, so ist ein absoluter, alle Wissenschaft aufhebender, totalitätloser Widerstreit dieses Inhalts gesetzt.

Auf der andern Seite aber steht die durch den reinen Willensakt absolut und zur empirischen Realität gemachte Natur. Was die idealistische Seite vernichtete, muß, weil sie selbst sich absolut dekretiert, ebenso wieder hervortreten. Wäre die empirische Realität oder die Sinnenwelt nicht in der ganzen Stärke ihrer Entgegensetzung, so hörte Ich auf, Ich zu sein; es könnte nicht handeln, seine hohe Bestimmung wäre dahin. Die übersinnliche Welt ist nur die Flucht aus der sinnlichen; ist nichts mehr, vor welchem geflohen wird, so ist die Flucht und Freiheit und übersinnliche Welt nicht mehr gesetzt, und diese empirische Realität ist so sehr an sich als Ich. Zugleich bestimmt das Verhältnis, das sie im Willensakt erhält, die Art, wie sie sein muß. Nämlich das Wesen des Ich besteht im Handeln: das absolute leere Denken soll sich selbst setzen; es ist nicht gesetzt, es kommt ihm kein Sein zu. Aber die objektive Welt ist das Sein desselben, und es kann zu seinem wahren Wesen nur dadurch gelangen, daß es dieses Sein vernichtet; und die Natur ist somit bestimmt als bloße Sinnenwelt, als ein zu Vernichtendes, und muß als ein solches erkannt werden. Wenn dagegen sich das Ich so wie das Objektive als seiend erkennt, so erkennt es sich als schlechthin abhängig von der Welt und in einer absoluten Notwendigkeit befangen; es muß sich nur als Negation der Sinnenwelt erkennen und die Sinnenwelt also als ein zu Negierendes oder als ein absolut Schlechtes.

Jene erste Erkenntnis der Welt als eines Realen, welche vor dem reinen Willensakt vorhergeht, in welchem die Welt auch wieder absolute Realität erhält, aber eine solche, welche vernichtet werden muß, d. h. die denkbar schlechteste, – stellt der erste Aufzug in der Bestimmung des Menschen vor, worin der Ich sich als »eine durch das Universum bestimmte Äußerung einer durch sich selbst bestimmten Naturkraft erkennt, und daß die Natur in ihm handle, daß er unter den ewigen Gesetzen der Natur und einer strengen Notwendigkeit stehe, daß es das Beruhigendste sein Werde, seine Wünsche ihr zu unterwerfen, da ja sein Sein ihr völlig unterworfen ist«. Diesen vernünftigen Gedanken aber »widerstreben seine Wünsche. Warum sollte er sich die Wehmut, den Abscheu, das Entsetzen verhehlen, welche über einen solchen Schluß sein Innerstes ergreifen Fichte: Bestimmung des Menschen, sämtliche Werke, I. Abt., 2. Bd., S. 189 f.

Dieser ungeheure Hochmut, dieser Wahnsinn des Dünkels dieses Ich, sich vor dem Gedanken zu entsetzen, ihn zu verabscheuen, Wehmütig zu werden darüber, daß er eins sei mit dem Universum, daß die ewige Natur in ihm handle, – seinen Vorsatz, sich den ewigen Gesetzen der Natur und ihrer heiligen und strengen Notwendigkeit zu unterwerfen, zu verabscheuen, sich darüber zu entsetzen und wehmütig zu werden, in Verzweiflung zu geraten, wenn er nicht frei sei, frei von den ewigen Gesetzen der Natur und ihrer strengen Notwendigkeit, sich unbeschreiblich elend durch jenen Gehorsam zu machen zu glauben – setzt überhaupt schon eine von aller Vernunft entblößte allergemeinste Ansicht der Natur und des Verhältnisses der Einzelheit zu ihr voraus, eine Ansicht, welcher die absolute Identität des Subjekts und Objekts durchaus fremde und deren Prinzip die absolute Nichtidentität ist, welche also die Natur auch schlechthin nur unter Form absoluter Entgegensetzung, also als reines Objekt begreifen kann, von dem es nur möglich ist abhängig zu sein oder es von sich abhängig zu machen, die sich überhaupt im Kausalzusammenhang befindet, eine Ansicht der Natur als eines Dinges, worin (Best, des Menschen, S. 106) sich »Unterschiede von grün, süß, roth, glatt, bitter, Wohlgeruch, rauh, Violinschall, Übelgeruch, Klang der Trompete,« vorfinden. Was mögen außer solchen Qualitäten, – und welche andere teleologische Qualitäten Fichte auch noch von der Natur kennt, werden wir unten sehen, – ferner die Gesetze der Natur sein, von denen öfters wiederholt wird, daß: »in ihr Innres kein erschaffener Geist dringe?« Als ob sie etwas ganz anderes wären als vernünftige Gesetze, Gesetze, denen der Ich sich schämt, sich zu unterwerfen, denen zu gehorchen ihn unbeschreiblich elend machen, welchen unterworfen zu sein ihn in Verzweiflung bringen würde?

Nachdem der Ich im zweiten Aufzug seiner Bestimmung diese Natur, vor der er sich so sehr entsetzt, durch Wissen, wie wir oben gesehen haben, zu verlieren meint und über ihren Verlust wieder ebenso trostlos wird und in Verzweiflung gerät als über ihr Sein, so stellt er sie sich durch seine Bestimmung, das Handeln und den reinen Willensakt her – als eine Natur, welche vernichtet werden müsse. Diese Anschauung der Natur als etwas, das nichts an sich, sondern reine Erscheinung sei, also keine Wahrheit, noch Schönheit in sich hat, gründet denn eine Teleologie der Natur und eine Physikotheologie, welche der altern dem Inhalt nach geradezu entgegengesetzt, aber der Form nach in gleichem Prinzip gegründet ist. Jene ältere Teleologie nämlich bezog die Natur im einzelnen auf Zwecke, die außer diesem einzelnen liegen, so daß jedes nur um eines andern willen gesetzt wäre, – im ganzen aber bilde sie ein System, das den Quell seines Lebens zwar auch außer sich hätte, aber ein Abglanz ewiger Schönheit, Vernunft, wäre und die höchste und seligste Wahrheit, das vollkommene Gesetz der höchsten Weisheit in sich trüge. Die Fichtesche Teleologie stellt dasjenige, was als Natur erscheint, gleichfalls als um eines andern willen Vorhandenes hin, nämlich um den freien Wesen eine Sphäre und Spielraum zu bilden und um zu Trümmern werden zu können, über denen sie sich erhöben und so ihre Bestimmung erreichten. Dies gemeine teleologische Prinzip, daß die Natur nichts an sich, sondern nur in Beziehung auf ein anderes, ein absolut Unheiliges und Totes ist, hat die Fichtesche Philosophie mit aller Teleologie, besonders des Eudämonismus gemeinschaftlich; aber was die Natur durch und für das Andere ist, darin ist die Fichtesche Teleologie den andern entgegengesetzt.

Wie die Natur in der Physikotheologie der Ausdruck ewiger Wahrheit ist, so ist sie in der Kantischen und Fichteschen Moraltheologie ein zu Vernichtendes, an dem der Vernunftzweck ewig erst zu realisieren ist, von Wahrheit entblößt, das Gesetz der Häßlichkeit und Vernunftwidrigkeit an sich tragend; es brechen hier die gemeinsten Litaneien über das Übel in der Welt ein, deren Pessimismus Kant an die Stelle des Optimismus gesetzt hat, indem Kant und ihm nach Fichte dasjenige, was Voltaire dem von der Frömmelei in die Empirie des gemeinen Lebens herabgezogenen Optimismus, sich auf eben den Standpunkt der Empirie stellend und also ganz konsequent ad hominem entgegensetzte, in philosophische Form brachten und systematisch erwiesen, wodurch denn jene Konsequenz ganz und gar verlorengeht und die relative Wahrheit des Empirischen gegen Empirisches zu einer absoluten werden soll. Das Voltairische Verfahren ist ein Beispiel von echtem gesundem Menschenverstand, den dieser Mensch in so hohem Grade besessen hat und von dem andere so viel schwatzen, um ihre Ungesundheiten für Menschenverstand zu verkaufen. Da eine philosophische Idee in die Erscheinung herabgezogen und mit den Prinzipien der Empirie verbunden, unmittelbar eine Einseitigkeit wird, so stellt der Wahrhafte gesunde Menschenverstand ihr die andere Einseitigkeit, die sich ebenso in der Erscheinung findet, entgegen und zeigt damit die Unwahrheit und Lächerlichkeit der ersten, indem für jene erste sich auf die Erscheinung und Erfahrung berufen wird, er aber in eben dieser Erfahrung und Erscheinung das Gegenteil aufzeigt. Weiter aber geht der Gebrauch und die Wahrheit der zweiten Einseitigkeit für sich nicht, und der echte gesunde Menschenverstand mutet ihr auch nicht mehr zu. Die Schulpedanterei macht sich hingegen gegen den gesunden Menschenverstand wieder auf dieselbe Weise lächerlich, daß sie das, wovon er nur diesen relativen Gebrauch ad hominem machte, absolut aufnimmt und es ernsthafterweise in philosophische Form gießt. Dieses Verdienst hat die Kantische und Fichtesche Philosophie sich um die Voltaire'sche Argumentation erworben, ein Verdienst, dessen sich die Deutschen allgemein rühmen, einen französischen Einfall auszubilden und ihn verbessert, in sein gehöriges Licht gestellt und gründlichermaßen ausgeführt und wissenschaftlich gemacht zurückzugeben, d. h. ihm gerade noch die relative Wahrheit, die er hat, zu nehmen dadurch, daß ihm allgemeingültige Wahrheit, deren er nicht fähig ist, erteilt werden sollte.

Durch die absolute Subjektivität der Vernunft und ihre Entgegensetzung gegen die Realität ist nunmehr die Welt der Vernunft absolut entgegengesetzt, dadurch absolute vernunftlose Endlichkeit und unorganische Sinnenwelt, die im unendlichen Progreß gleich Ich werden soll, d. h. absolut ist und bleibt. Also als etwas Vernunftwidriges zeigt sich schon die physische Natur (Best. d. Menschen, S. 221 ff.): sie widerstrebt, unserem Geschlecht seinen Unterhalt zu gewähren, also daß » unsterbliche Geister genötigt sind, alles ihr Dichten und Trachten und ihre ganze Anstrengung auf den Boden zu heften, der ihre Nahrung trägt. Noch jetzt ereignet sich oft, daß eine feindselige Witterung zerstört, was jahrelange Arbeit erforderte, und den fleißigen und sorgfältigen Mann, unverschuldet (doch wohl auch oft mit Schulden), dem Hunger und dem Elend preisgibt; Wasserfluten, Sturmwinde, Vulkane, Erdbeben; Krankheiten, welche noch in diesem laufenden Jahre die Menschen wegraffen, in der Blüte ihrer Kräfte, und Kinder, deren Dasein ohne Frucht und Folge vorübergeht; annoch Seuchen usw. So kann es aber nicht immerdar bleiben sollen«. Jedoch hat diese bewußtlose Natur immer noch viel mehr Verstand als die Art, wie das Menschengeschlecht existiert, von dem annoch Horden Wilde ungeheure Wüsteneien durchirren, die, wenn sie sich begegnen, einander festlich auffressen; auch Heere, wenn sie einander erblicken, bringen einander um. So ausgerüstet mit dem Höchsten, was der menschliche Verstand ersonnen, ziehen Kriegsflotten durch den Sturm und die Wellen die Meere, um einander umzubringen. Diese verkehrten Menschen, wovon ein Teil den anderen als Sklaven hält, obwohl unter sich in ewigem Kampfe, treten doch sogleich gegen das Gute, das schon für sich immer das Schwächere ist, sobald es sich blicken läßt, miteinander in Verbindung, – was sie gar nicht nötig hätten, da außer dem, daß das Gute schon für sich das Schwächere ist, auch die Guten an ihrem Teil ihre Sache ebenso schlecht machen. Denn bei Beförderung des Vernunftzweckes, für dessen unfehlbare Erreichung die Vernunft bürgt, betragen sich die Guten, in deren Tun das Ziel der Menschheit und auf deren Tun in der moralischen Weltordnung gerechnet ist, – diese Guten betragen sich wie einfältige Spießbürger: die Guten haben oft eine geheime Eigenliebe, tadeln und beschuldigen einander; jeder solcher Guten hält die Verbesserung, die er machen will, gerade für die wichtigste und beste und klagt die andern Guten, denen die seinige nicht so wichtig ist, der Verräterei der guten Sache an; usf., wie das in der Bestimmung des Menschen S. 226-230. selbst ausführlicher zu lesen steht. Kurz eine moralische Empfindelei, wenn sie nur nach der Seite des Häßlichen und Unnützen hingeht wie sonst die Frömmelei nach der Seite des Guten und Nützlichen, wird zur vernünftigen Ansicht der Welt, und die Philosophie hat sich selbst in die gemeine Ansicht der Subjektivität gestellt, welche, selbst eine Zufälligkeit und Willkür, d. h. ein Übel, auch objektiv das Übel, d. h. Zufälligkeit und Willkür erblickt und ihrer eigenen Erhebung, – sowie der Erhebung ihrer Ansicht der Welt aus der Ansicht einer empirischen Notwendigkeit, welche eins ist mit der Zufälligkeit, in die Ansicht einer ewigen Notwendigkeit, welche eins ist mit der Freiheit, der Notwendigkeit der als Weltlauf existierenden Weisheit – und das, was Plato von der Welt sagt, daß die Vernunft Gottes sie als einen seligen Gott geboren habe, zu erkennen, sich völlig begeben hat.

Die Religion teilt mit dieser Philosophie der absoluten Subjektivität so wenig ihre Ansicht, daß, indem diese das Übel nur als Zufälligkeit und Willkür der schon an sich endlichen Natur begreift, sie vielmehr das Böse als Notwendigkeit der endlichen Natur, als eins mit dem Begriff derselben darstellt, aber für diese Notwendigkeit zugleich eine ewige, d. h. nicht eine in den unendlichen Progreß hinaus verschobene und nie zu realisierende, sondern wahrhaft reale und vorhandene Erlösung darstellt und der Natur, insofern sie als endliche und einzelne betrachtet wird, eine mögliche Versöhnung darbietet, deren ursprüngliche Möglichkeit, – das Subjektive im ursprünglichen Abbilde Gottes, – ihr Objektives aber, die Wirklichkeit in seiner ewigen Menschwerdung, – die Identität jener Möglichkeit und dieser Wirklichkeit aber durch den Geist als das Einssein des Subjektiven mit dem Mensch gewordenen Gotte, – also die Welt an sich rekonstruiert, erlöst und auf eine ganz andere Weise geheiligt ist, als daß in dem Ideal der moralischen Weltordnung die Vulkane usw. nicht immerdar so bleiben, wie sie annoch sind, daß jene nach und nach ausbrennen, die Orkane zahmer, die Krankheiten Weniger schmerzhaft, der Dunstkreis der Wälder und Sümpfe verbessert werde usw. Und weil in der Religion die Welt ihrem Wesen nach geheiligt ist, so wird sie nur für die Beschränktheit des Erkennens, die empirische Anschauung und das eigene Zwecksetzen als ungeheiligt, die vollkommene Anschauung und die ewige Seligkeit aber ausdrücklich jenseits der Beschränktheit gesetzt, der Beschränktheit, welche in der moralischen Weltordnung immanent sein und zu deren Behuf sogar die Vulkane ausbrennen, die Erdbeben zahmer werden usw., die Völker einander nicht mehr mit Krieg überziehen, noch ausplündern sollen usw., und die schlechthin bleiben soll. In dieser Philosophie ist hingegen die Welt weder ursprünglich Natur und göttlich, noch nach ihrer sittlichen Seite versöhnt, sondern an sich etwas Schlechtes; für die Endlichkeit aber ist das Böse doch nur ein Zufälliges und Willkürliches. Wenn aber die physische und sittliche Welt an sich mehr als schlechte Sinnenwelt und die Schlechtigkeit nicht absolut wäre, so fiele auch das andere Absolute, die Freiheit, dieser reine Wille, der eine Welt braucht, in der die Vernunft erst zu realisieren ist, und so der ganze Wert des Menschen hinweg, weil diese Freiheit nur ist, indem sie negiert, und nur negieren kann, solange das ist, was sie negiert.

So wenig nun das Ursprüngliche als Natur, die absolute Vernunft als an sich seiend und nicht erst im unendlichen Progreß werdend wahrhaft erkannt ist, ebensowenig ist auch das Differenzverhältnis nach seiner Wahrheit erkannt; denn dieses ist als Ansich begriffen und deswegen nicht aufzuheben. Für dasselbe soll das Übel ein Zufälliges sein, da es doch selbst allein das Übel ist. Jenes Übel aber, das sich für das Differenzverhältnis und Absondern von dem Ewigen noch besonders finden soll, kann nicht anders bestimmt werden, als daß es das jener absoluten Absonderung Entgegengesetzte ist. Das der Absonderung Entgegengesetzte aber ist nichts als das Einssein mit dem Ewigen, und dieses müßte das Übel sein, wie wir oben gesehen haben, daß das Einssein mit dem Universum, daß das Universum in mir lebt und wirkt, der Gehorsam gegen das ewige Gesetz der Natur und der heiligen Notwendigkeit das Entsetzlichste und Wehmütigste für den Ich ist. So wenig die Differenz oder das Übel richtig begriffen ist, ebensowenig kann auch die Rekonstruktion echter Art sein, weil das Unendliche dem Endlichen, das Ideelle, die reine Vernunft dem Reellen, der Existenz als ursprünglich unvereint und unvereinbar gesetzt ist.

Diese Rekonstruktion müßte das Wesen des Geistes enthüllen und ihn darstellen, wie in ihm als frei die Natur sich reflektiert, die sich in sich zurücknimmt und ihre ursprüngliche, ungeborgte, reelle Schönheit in das Ideelle oder die Möglichkeit und somit sich als Geist erhebt, welcher Moment, insofern die Identität als Ursprünglichkeit mit der Totalität verglichen wird, dadurch allein als Bewegung und Zertrümmerung der Identität und als Rekonstruktion erscheint, – und wie das Wesen der Natur, in der Form der Möglichkeit oder als Geist, seiner selbst als ein lebendiges Ideal in anschaubarer und tätiger Realität genießt und als sittliche Natur seine Wirklichkeit hat, in welcher das sittlich Unendliche oder der Begriff, und das sittlich Endliche oder die Individualität schlechthin eins sind.

Aber da in diesem Formalismus einmal der Geist als Indifferenz absolut gegen das Differente fixiert ist, kann keine wahre Realität des Sittlichen, kein Einssein des Begriffs desselben und seiner Wirklichkeit stattfinden. Das praktisch Ideale, der durch den reinen Willen gesetzte Zweckbegriff ist jene reine Indifferenz und Leerheit, der Inhalt aber das Besondere der Individualität oder das Empirische des Wohlseins, und beide unfähig, in einer sittlichen Totalität eins zu sein. Die absolute Mannigfaltigkeit dieser Empirie, formell aufgenommen in die Indifferenz oder in den Begriff, gibt eine Mannigfaltigkeit von Rechten, sowie die formelle Totalität derselben und ihr Reellwerden die Rechtsverfassung und den Staat. Nach dem Prinzip des Systems, daß der Begriff in dieser unverrückten Form der Entgegensetzung absolut sei, ist das Rechtliche und die Konstruktion des Rechtlichen als eines Staats ein für sich Seiendes und der Lebendigkeit und Individualität absolut Entgegengesetztes. Es ist nicht das Lebendige selbst, das sich in dem Gesetz zugleich allgemein setzt und in dem Volke wahrhaft objektiv wird, sondern ihm tritt das Allgemeine, für sich fixiert, als ein Gesetz schlechthin gegenüber, und die Individualität befindet sich unter absoluter Tyrannei. Das Recht soll geschehen, aber nicht als innere, sondern als äußere Freiheit der Individuen, die ein Subsumiertwerden derselben unter den ihnen fremden Begriff ist. Der Begriff wird hier zum schlechthin Objektiven und zur Gestalt eines absoluten Dings, von welchem abhängig zu sein die Vernichtung aller Freiheit ist.

Was aber die andere Seite betrifft, nämlich daß der vom reinen Willen produzierte Zweckbegriff, wenn von ihm wirklich etwas mehr als Formelles produziert werden könnte, subjektiv sei und als Sittlichkeit der einzelnen oder als Moralität sich darstelle, so ist hier der Inhalt des Begriffs, die in ideeller Form als Zweck und Absicht gesetzte Realität irgendein empirisch Gegebenes, und nur die leere Form das Apriorische. Es ist aber nicht der materielle Teil des Zwecks, sondern seine formelle Seite, der reine Wille, dasjenige, was mein ist; Ich ist selbst der reine Wille. Aber an eine wahre Sittlichkeit, nämlich eine wahre Identität des Allgemeinen und Besondern, der Materie und der Form ist hier ebensowenig zu denken; weil die Leerheit des reinen Willens und des Allgemeinen das wahrhaft Apriorische ist, so ist das Besondere ein schlechthin Empirisches. Was denn an und für sich Recht und Pflicht ist, – eine Bestimmung hievon zu geben, wäre widersprechend; denn der Inhalt hebt sogleich den reinen Willen, die Pflicht um der Pflicht willen auf und macht die Pflicht zu etwas Materialem. Die Leerheit des reinen Pflichtgefühls und der Inhalt kommen einander beständig in die Quere. Und da die Moralität, damit sie rein sei, in nichts anderm als in der leeren Form des Bewußtseins gesetzt werden darf, daß ich weiß, daß ich pflichtmäßig handle, so muß eine Sittlichkeit, die sonst für sich rein ist, sich den Inhalt ihres Tuns aus ihrer höhern, wahrhaft sittlichen Natur schöpfen, und der Zusatz dieses Bewußtseins, worin schlechthin das Moralische bestehen soll, dient zu nichts, als sie zu legieren und zu verunreinigen. Wenn in der wahren Sittlichkeit die Subjektivität aufgehoben ist, so wird dagegen durch jenes moralische Bewußtsein das Vernichten der Subjektivität gewußt und damit die Subjektivität in ihrem Vernichten selbst festgehalten und gerettet, und Tugend, indem sie sich in Moralität verwandelt, zum notwendigen Wissen um ihre Tugend, d. h. zum Pharisäismus.

Wird aber nicht wahre Sittlichkeit vorausgesetzt, so steht es frei, indem die Moralität in der Form besteht, alle moralischen Zufälligkeiten in die Form des Begriffs zu erheben und der Unsittlichkeit eine Rechtfertigung und ein gutes Gewissen zu verschaffen. Die Pflichten und Gesetze, da sie in dem Systeme, wie oben gezeigt, eine unendliche, auseinandergeworfene Mannigfaltigkeit, jede von gleicher Absolutheit sind, machen eine Wahl notwendig, welche Wahl schlechthin das Subjektive ist, denn das Objektive, die Form der Allgemeinheit, ist das Gemeinschaftliche aller. Nun kann kein wirklicher Fall einer Handlung erdacht Werden, der nicht mehrere Seiten hätte, von welchen, indem andere Pflichten übertreten, andern gehorcht, indem andern Pflichten gehorcht, andere übertreten werden, – in welchem nicht Seiten sind, die als Pflichten gelten müssen; denn jede Anschauung eines wirklichen Falls ist unendlich durch den Begriff bestimmbar. Bestimmt der eigne zufällige, schlechte Sinn diese Wahl, so ist er eine Unsittlichkeit, die sich aber durch das Bewußtsein der Seite der Handlung, von der sie Pflicht ist, vor sich selbst rechtfertigt und sich ein gutes Gewissen gibt. Ist aber das Gemüt sonst für sich redlich genug, objektiv handeln zu wollen, so steht ihm die Zufälligkeit der Pflichten, weil ihrer eine Menge sind, in der Menge aber das Einzelne ein Zufälliges wird, gegenüber, und es muß in jene traurige Unschlüssigkeit und in Schwäche verfallen, welche darin besteht, daß für das Individuum nur Zufälligkeit vorhanden ist und es sich aus sich selbst keine Notwendigkeit erschaffen kann, noch darf. Entscheidet es sich aber für irgendeine der vielen Pflichten, so hat eine Entscheidung ihre Möglichkeit in der Bewußtlosigkeit über die unendliche Menge der Pflichten, in welche als in unendliche Qualitäten wie jedes Wirkliche so der wirkliche Fall des Handelns aufgelöst werden kann und aus Pflicht aufgelöst werden muß. Das Wissen dieser Qualitäten, welche die Pflichtbegriffe abgeben, ist, weil sie empirisch unendlich sind, unmöglich und doch als Pflicht schlechthin gefordert. Indem auf diese Weise die Bewußtlosigkeit über den ganzen Umfang der Rücksichten bei der Handlung und Mangel an der erforderten Einsicht schlechthin notwendig wird, so muß das Bewußtsein dieser Zufälligkeit des Handelns vorhanden sein, was gleich ist dem Bewußtsein der Immoralität. Echte Sittlichkeit wird also durch den Zusatz dieser Art von Bewußtsein seiner Pflichtmäßigkeit verunreinigt und durch diese Moralität womöglich unsittlich gemacht, der Unsittlichkeit selbst durch das Bewußtsein irgendeiner Pflicht, das ihr nach dem Begriff der Sache nicht fehlen kann, die Rechtfertigung des Unsittlichen, strebenden, redlichen Gemütern aber das Bewußtsein notwendiger Unsittlichkeit, nämlich die Sittlichkeit überhaupt unter der Gestalt der Zufälligkeit der Einsicht gegeben, welche sie schlechthin nicht haben soll. Und darum hat diese Vorstellung der Sittlichkeit als Moralität, indem das wahrhaft Sittliche durch sie in Niederträchtigkeit, die Kraft in Schwäche umgewandelt, die Niederträchtigkeit aber als Moralität gerechtfertigt wird, so leicht aus der Philosophie als Wissenschaft in das allgemeine Publikum übergehen und sich so beliebt machen können.

Die Realität des Idealen, die wir bisher betrachteten, war der Inhalt, den das leere Ideelle des reinen Willens erhielt. Außer diesem immer noch Innern ist noch die äußere Seite des Zweckbegriffs, welche, wir haben gesehen wie, nunmehr einen Inhalt hat, übrig: nämlich die Seite des formalen Idealismus, nach welcher sich die bisherige praktische Übersinnlichkeit zugleich als Erscheinung darstellt. Diese Erscheinung ist das Ganze der Handlung, teils angeschaut in der empirischen Form, auseinandergezogen als Veränderung und Wirkungen in der Zeit, teils aber soll die Realität des übersinnlichen Zweckbegriffs auch eine folgereiche Fortsetzung der Handlung in der übersinnlichen Welt selbst sein, Prinzip einer Reihe von geistigen Wirkungen, – welches Letztere nichts ausdrückt als die in das Geistige selbst hineingetragene Empirie und Zeitlichkeit, wodurch das Geistige ein Geisterreich wird. Denn im wahrhaft Geistigen und in der Idee ist keine Reihe noch Folge; nur wenn die Idee vors erste dadurch verendlicht ist, daß sie einer sinnlichen Sphäre entgegen und als geistige gesetzt und dann diese geistige Sphäre selbst wieder in eine unendliche Menge von geistigen Atomen, Subjektivitäten als Bürgern eines Dings, das Geisterreich heißt, qualitativ zersplittert ist, kann von geistigen Folgen die Rede sein. Das Spekulative, was darin liegt, daß die Idee, die übrigens selbst nur empirisch als Zweck eines Handelns und als ein von Subjektivität Affiziertes vorkommt, das Ewige ist desjenigen, was in der Sinnenwelt als eine Reihe von Veränderungen erscheint, verliert sich so zum Überflusse noch vollends durch die Form einer absoluten geistigen Sphäre, in welcher Folgen sind, und ihren Gegensatz, den sie gegen eine noch außer ihr vorhandene sinnliche Welt hat, wenn jenes Übersinnliche nicht schon selbst sinnlich genug wäre. Die Konstruktion der sittlichen Idee, hier des Vernunftzwecks, der in der moralischen Weltordnung realisiert werden soll, geht, statt sich in dem philosophischen Standpunkte zu halten, in empirisch geschichtliche Rücksichten und die Ewigkeit der sittlichen Idee in einen empirisch-unendlichen Progreß ein. Von Spekulativem ist nichts zu sehen als die Idee des Glaubens, durch Welchen die Identität des Subjektiven und Objektiven, des Idealen und Realen gesetzt ist, – eine Idee, die aber etwas schlechthin Formelles bleibt; sie dient nur, um von dem leeren reinen Willen auf das Empirische hinüberzuspringen. Was zum Grunde liegen bleibt, ist die absolute Endlichkeit eines Subjekts und eines Handelns und ihm gegenüber eine zu vernichtende, vernunftlose Sinnenwelt und dann eine in die Unendlichkeit intellektueller Einzelheiten auseinander geworfene und der sinnlichen absolut entgegengesetzte übersinnliche Welt, deren wahrhafte und inhaltreiche Identität, da alle diese Endlichkeiten absolut sind, ein Jenseits und in allem Bisherigen, was wir von der Sittlichkeit betrachtet haben, nirgends aufgetreten ist. Und daß auf diese Weise, da nach dem System das Ich als das Absolute sich im Theoretischen mit einem Nicht-Ich affiziert bekennt, aber im Praktischen diese Zeitlichkeit aufzulösen vorgibt, die Vernunft-Idee der Identität des Subjektiven und Objektiven etwas für die Wissenschaft rein Formelles und bloß Vorgegebenes ist, konnte so nur erwiesen werden, daß an jenem Praktischen gezeigt wurde, wie diese Idee in demselben nicht konstruiert, sondern durchgehends abwesend und vielmehr nicht ein gesunder, sondern ein von aller Gesundheit abgekommener, in Reflexions-Aberglauben verhärteter und in formeller Wissenschaft, welche er seine Deduktion nennt, steckender Verstand herrschend ist, von welchem wir die untergeordnete Sphäre, worin Spekulation zu finden ist, nämlich die Idee der transzendentalen Einbildungskraft, bei der Kantischen Philosophie beleuchtet haben und welchem wir in dem, was ihm Ideale, moralische Weltordnung, Vernunftzweck sind, in seinen praktischen Realitäten, um die Abwesenheit der Idee an ihnen selbst zu zeigen, denn auch haben folgen müssen.

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Nachdem auf diese Weise durch die Totalität der betrachteten Philosophien der Dogmatismus des Seins in den Dogmatismus des Denkens, die Metaphysik der Objektivität in die Metaphysik der Subjektivität umgeschmolzen worden ist und also der alte Dogmatismus und Reflexionsmetaphysik durch diese ganze Revolution der Philosophie zunächst nur die Farbe des Innern oder der neuen und modischen Kultur angezogen, die Seele als Ding in Ich, als praktische Vernunft in Absolutheit der Persönlichkeit und der Einzelheit des Subjekts, – die Welt aber als Ding in das System von Erscheinungen oder von Affektionen des Subjekts und geglaubten Wirklichkeiten, – das Absolute aber als ein Gegenstand und absolutes Objekt der Vernunft in ein absolutes Jenseits des vernünftigen Erkennens sich umgewandelt und diese Metaphysik der Subjektivität, während andere Gestalten derselben auch selbst in dieser Sphäre nicht zählen, den vollständigen Zyklus ihrer Formen in der Kantischen, Jacobischen und Fichteschen Philosophie durchlaufen und also dasjenige, was zur Seite der Bildung zu rechnen ist, nämlich das Absolutsetzen der einzelnen Dimensionen der Totalität und das Ausarbeiten einer jeden derselben zum System vollständig dargestellt und damit das Bilden beendigt hat, so ist hierin unmittelbar die äußere Möglichkeit gesetzt, daß die wahre Philosophie, aus dieser Bildung erstehend und die Absolutheit der Endlichkeiten derselben vernichtend, mit ihrem ganzen, der Totalität unterworfenen Reichtum sich als vollendete Erscheinung zugleich darstellt. Denn, wie die Vollendung der schönen Kunst durch die Vollendung der mechanischen Geschicklichkeit, so ist auch die reiche Erscheinung der Philosophie durch die Vollständigkeit der Bildung bedingt, und diese Vollständigkeit ist durchlaufen.

Der unmittelbare Zusammenhang aber dieser philosophischen Bildungen mit der Philosophie, – ein Zusammenhang, dessen die Jacobische Philosophie am meisten entbehrt, – und ihre positive, wahrhafte, aber untergeordnete Stelle in derselben erhellt aus demjenigen, was sich bei Gelegenheit dieser Philosophien über die Unendlichkeit, die ihr zum Absoluten gemachtes und dadurch mit der Entgegensetzung gegen die Endlichkeit behaftetes Prinzip ist, ergeben hat; indem in denselben das Denken als Unendlichkeit und negative Seite des Absoluten, – welche die reine Vernichtung des Gegensatzes oder der Endlichkeit, aber zugleich auch der Quell der ewigen Bewegung oder der Endlichkeit ist, die unendlich ist, d. h., die sich ewig vernichtet, aus welchem Nichts und reinen Nacht der Unendlichkeit die Wahrheit als aus dem geheimen Abgrund, der ihre Geburtsstätte ist, sich emporhebt, – erkannt wird.

Da für die Erkenntnis diese negative Bedeutung des Absoluten oder die Unendlichkeit durch die positive Idee, daß das Sein schlechthin nicht außer dem Unendlichen, Ich, Denken, sondern beide eins sind, bedingt ist, so war von diesen Reflexionsphilosophien teils nichts abzuhalten, als daß die Unendlichkeit, Ich, nicht wieder, wie in ihnen geschah, statt unmittelbar ins Positive der absoluten Idee überzuschlagen, auf diesem Punkt sich fixierte und zur Subjektivität wurde, wodurch sie wieder in den alten Gegensatz und in die ganze Endlichkeit der Reflexion herunterfiel, die sie selbst vorher vernichtete; teils aber ist die Unendlichkeit und das Denken, das sich als Ich und Subjekt fixiert und das Objekt oder das Endliche so gegen sich über erhält, also von dieser Seite auf gleicher Stufe mit ihm steht, auf der andern Seite, weil sein innerer Charakter Negation, Indifferenz ist, dem Absoluten näher als das Endliche, so auch die Philosophie der Unendlichkeit der Philosophie des Absoluten näher als die des Endlichen.

Der reine Begriff aber oder die Unendlichkeit als der Abgrund des Nichts, worin alles Sein versinkt, muß den unendlichen Schmerz, – der vorher nur in der Bildung geschichtlich und als das Gefühl war, worauf die Religion der neuen Zeit beruht, das Gefühl: Gott selbst ist tot (dasjenige, was gleichsam nur empirisch ausgesprochen war mit Pascals Ausdrücken: la nature est teile qu'elle marque partout un Dieu perdu et dans Phomme et hors de l'homme), – rein als Moment, aber auch nicht als mehr denn als Moment der höchsten Idee bezeichnen und so dem, was etwa auch entweder moralische Vorschrift einer Aufopferung des empirischen Wesens oder der Begriff formeller Abstraktion war, eine philosophische Existenz geben und also der Philosophie die Idee der absoluten Freiheit und damit das absolute Leiden oder den spekulativen Charfreitag, der sonst historisch war, und ihn selbst in der ganzen Wahrheit und Härte seiner Gottlosigkeit wiederherstellen, aus welcher Härte allein, – Weil das Heitre, Ungründlichere und Einzelnere der dogmatischen Philosophieen sowie der Naturreligionen verschwinden muß –, die höchste Totalität in ihrem ganzen Ernst und aus ihrem tiefsten Grunde, zugleich allumfassend und in die heiterste Freiheit ihrer Gestalt auferstehen kann und muß.


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