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Die Jacobische Philosophie hat mit der Kantischen Philosophie das Gemeinschaftliche der absoluten Endlichkeit, derselben in ideeller Form als formalen Wissens, in reeller als eines absoluten Empirismus, – und des Integrierens beider durch den ein absolutes Jenseits setzenden Glauben. Sie bildet aber innerhalb dieser gemeinschaftlichen Sphäre den entgegengesetzten Pol zu der Kantischen Philosophie, in welcher Endlichkeit und Subjektivität eine objektive Form des Begriffs hat; die Jacobische macht dagegen die Subjektivität ganz subjektiv zur Individualität. Dies Subjektive des Subjektiven gewinnt als solches wieder ein inneres Leben und scheint damit der Schönheit der Empfindung fähig zu werden.
Wir betrachten zuerst die Subjektivität des Wissens, dessen formale Seite Jacobi unmittelbar mit Bewußtsein und in der Abstraktion erkennt und rein darstellt; so wie er positiv das Wissen in dieser Form allein behauptet und die Objektivität der Vernunft im Wissen leugnet, ebenso macht er, wo er polemisiert, dieses Wissen geltend und bestreitet die Wissenschaft der Vernunft durch dasselbe.
Daß Jacobi allenthalben nur von formalem Wissen weiß, von einer Verstandesidentität, deren Inhalt durch Empirie erfüllt wird, von einem Denken, zu welchem die Realität überhaupt auf eine unbegreifliche Weise hinzukommt, ist einer der wenigen, oder eigentlich der einzige Punkt, worüber die Jacobische Philosophie objektiv ist und der Wissenschaft angehört; und dieser Punkt ist in deutlichen Begriffen vorgestellt. Meine Philosophie, sagt Jacobi (Dav. Hume, Vorr. S. V.) Jacobis Werke, Bd. II, schränkt die Vernunft, für sich allein betrachtet, auf das bloße Vermögen, Verhältnisse deutlich wahrzunehmen, d. i. den Satz des Widerspruchs zu formieren und danach zu urteilen, ein; nun muß ich aber eingestehen, daß die Bejahung bloß identischer Sätze allein apodiktisch sei und eine absolute Gewißheit mit sich führe. Ebenso (Briefe über Spinoza, S. 215 f.) Jacobis Werke, Bd. IV, Abt. 1, S, 210.: Die Überzeugung aus Gründen ist eine Gewißheit aus der zweiten Hand (die erste Hand ist der Glaube, wovon nachher). Gründe sind nur Merkmale der Ähnlichkeit mit einem Dinge, dessen wir gewiß (nämlich durch Glauben) sind; die Überzeugung, welche sie hervorbringen, entspringt aus Vergleichung und kann nie recht sicher und vollkommen sein. Eine der fünf Thesen (ebenda S. 225) des Inbegriffs seiner Behauptungen ist: Wir können nur Ähnlichkeiten demonstrieren, – denn Demonstration ist Fortschritt in identischen Sätzen –, und jeder Erweis setzt etwas schon Erwiesenes zum voraus, wovon das Prinzip nur Offenbarung ist Ebendaselbst, S. 223.. Vgl. S. 421 Jacobis Werke, Bd. IV, Abt. 2, S. 150-151.: »Das Geschäfte der Vernunft überhaupt ist progressive Verknüpfung, und ihr spekulatives Geschäft Verknüpfung nach erkannten Gesetzen der Notwendigkeit. Die wesentliche Unbestimmtheit menschlicher Sprache und Bezeichnung und das Wandelbare sinnlicher Gestalten läßt aber fast durchgängig diese Sätze ein äußerliches Ansehen gewinnen, als sagten sie etwas mehr als das bloße: quidquid est, illud est, mehr als ein bloßes Faktum aus, welches wahrgenommen, beobachtet, verglichen, wieder erkannt und mit anderen Begriffen verknüpft wurde.« Siehe auch S. 238, auch Dav. Hume, S. 94.
Das notwendige Gegenstück zu dem Satze der Identität ist der Satz des Grundes, es werde nun darunter der Satz des Grundes überhaupt oder der Satz der Ursache und Wirkung oder einer Vereinigung von beiden nach den Jacobischen Unterscheidungen (Briefe über Spin. S. 415) Jacobis Werke, Bd. IV, Abt. 2, S. 144-147. verstanden; und in Ansehung der Materie werde er betrachtet, insofern von Begriffen zu Begriffen oder vom Begriff zu seiner Realität oder von objektiven Realitäten zu andern fortgegangen wird.
Die ältere philosophische Bildung hat in den Ausdruck des Satzes des Grundes das Zeugnis ihrer vernünftigen Bestrebungen niedergelegt, und sein Schwanken zwischen Vernunft und Reflexion sowie sein Übergang zur letztern bezeichnet sich sehr treffend in der Unterscheidung, welche Jacobi zwischen ihm als logischem Satze des Grundes und als Kausalverhältnis macht und an welcher er sowohl den Weg des Verständnisses als des Bekämpfens der Philosophie macht, dem wir nachgehen wollen. Jacobi erkennt im Satze des Grundes seine Bedeutung als Prinzip der vernünftigen Erkenntnis: totum parte prius esse necesse est (D. Hume, S. 94) Jacobis Werke, Bd. II, S. 193., oder das Einzelne ist nur im ganzen bestimmt; es hat seine Realität nur in der absoluten Identität, die, insofern Unterscheidbares in ihr gesetzt ist, absolute Totalität ist. In einer Beziehung, sagt Jacobi, sei das totum parte prius esse necesse est nichts anderes als idem est idem, in anderer aber nicht, und hievon, daß diese beiden Beziehungen wesentlich unterschieden, absolut auseinandergehalten werden sollen, fängt sogleich dieser Grund-Dogmatismus an. Jacobi begreift nämlich den Satz des Grundes als reinen Satz des Widerspruchs und nennt ihn in diesem Sinne logisch – als abstrakte Einheit, zu welcher es freilich notwendig ist, daß das Differente als ein Empirisches hinzutrete, und unterscheidet ein ursächliches Verhältnis, in welchem auf das Heterogene, das zur Identität des Begriffs hinzukommt und das ein empirisch Gegebenes ist, reflektiert wird, und behauptet das ursächliche Verhältnis nach dieser Eigentümlichkeit als einen Erfahrungsbegriff. Die Art, wie er dies dartut, D. Hume, S. 99 f. Jacobis Werke, Bd. II, S. 199 f., und worauf er sich, Briefe über Spin., S. 415, beruft, ist ein merkwürdiges Stück des Lockeschen und Humeschen Empirismus, in welchen ein ebenso grelles Stück von deutschem analysierendem Dogmatismus, schlimmer als nach Mendelssohnscher Art, hineingeknetet ist, von welcher befreit worden zu sein, die Welt den Göttern, nächst Kanten nicht genug danken kann. Im Satze des Grundes und in der Totalität nämlich vermißt Jacobi die Teile, und er hat sich diese noch außer dem Ganzen irgendwoher zu holen. Oder, wie er dies begreift, alle Teile sind zu einem Ganzen wirklich schon vereinigt und darin vorhanden; aber eine solche intuitive Erkenntnis der Teile aus dem Ganzen ist nur etwas Subjektives und Unvollständiges, denn es fehlt noch das objektive Werden und die Sukzession, und um dieser willen muß zu der Totalität noch das Kausalverhältnis hinzukommen. Man höre nun die Deduktion der, wie Jacobi es nennt, absoluten Notwendigkeit des Begriffs von Ursache und Wirkung und von Sukzession (D. Hume, S. 111.) Ebendaselbst, S. 208 f. in folgender Reihe von Sätzen:
»Zu unserem menschlichen Bewußtsein, und ich darf nur gleich hinzusetzen, zu dem Bewußtsein eines jeden endlichen Wesens, ist außer dem empfindenden Dinge noch ein wirkliches Ding, welches empfunden wird, notwendig.
Wo zwei erschaffene Wesen, die außereinander sind, in solchem Verhältnisse gegeneinander stehen, daß eins in das andere wirkt, da ist ein ausgedehntes Wesen.
Wir fühlen das Mannigfaltige unseres Wesens in einer reinen Einheit verknüpft, welche wir unser Ich nennen. Das Unzertrennliche in einem Wesen bestimmt seine Individualität oder macht es zu einem wirklichen Ganzen. Etwas der Individualität einigermaßen Analoges nehmen wir in der körperlichen Ausdehnung überhaupt wahr, indem das ausgedehnte Wesen als solches nie geteilt werden kann, sondern überall dieselbige Einheit, die eine Vielheit unzertrennlich in sich verknüpft, vor Augen stellt.
Wenn Individua auch das Vermögen haben, außer sich zu wirken, so müssen sie, wenn die Wirkung erfolgen soll, andere Wesen mittelbar oder unmittelbar berühren.
Die unmittelbare Folge der Undurchdringlichkeit bei der Berührung nennen wir den Widerstand. Wo also Berührung ist, da ist Undurchdringlichkeit von beiden Seiten, folglich auch Widerstand, Wirkung und Gegenwirkung; beides ist die Quelle des Sukzessiven und der Zeit, der Vorstellung desselben.« –
Aus der Voraussetzung also, daß einzelne, sich selbst offenbare Wesen, die in Gemeinschaft miteinander stehen, vorhanden sind, hat sich diese Deduktion der Begriffe von Ausdehnung, von Ursache und Wirkung und von Sukzession oder die Deduktion des Absolutseins der Endlichkeit ergeben, und zugleich ist damit herausgebracht, daß diese Begriffe allen endlichen, sich selbst offenbaren Wesen gemein sein müssen und auch in den Dingen an sich ihren vom Begriffe unabhängigen Gegenstand, folglich eine wahre objektive Bedeutung haben.
»Dergleichen Begriffe nämlich, die in jeder Erfahrung vollständig und dergestalt als das Erste gegeben sein müssen, daß ohne ihr Objektives kein Gegenstand eines Begriffs und ohne ihren Begriff überhaupt keine Erkenntnis möglich wäre, heißen schlechterdings allgemeine oder notwendige Begriffe und die aus ihnen entspringenden Urteile und Schlüsse Erkenntnisse a priori.« –
Wir sehen, daß diese Deduktion das Kausalverhältnis in seinem ganzen Umfang betreffen und hier etwas Bündigeres geliefert werden sollte als die Kantische Deduktion. Diese Jacobische Deduktion aber verdient so wenig den Namen einer Deduktion, daß sie nicht einmal eine gemeine Analyse des Vorausgesetzten, nämlich des Begriffs der Gemeinschaft einzelner Dinge genannt werden kann. Es ist schon etwas, wovor alle Spekulation erschrickt, nämlich das Absolutsein eines menschlichen Bewußtseins und eines empfindenden Dings und eines empfundenen Dings und ihrer Gemeinschaft geradezu aus dem gemeinsten Empirismus heraus vorausgesetzt; durch überflüssige Mittelbegriffe werden sie endlich zur Wirkung und Gegenwirkung zusammen analysiert, und dies ist – hier geht auch das Analysieren aus – die Quelle des Sukzessiven. Man sieht gar nicht, wozu solch hohes Kunststück nützlich sein soll; denn schon mit der unanalysierten absoluten Annahme eines empfindenden Dings und eines Dings, das empfunden wird, ist alle Philosophie aus dem Feld geschlagen. Merkwürdig ist der Unterschied der Voraussetzung und des Resultats von dem Resultat der Kantischen Deduktion der Kategorie: nach Kant sind alle diese Begriffe von Ursache und Wirkung Sukzession usw. schlechthin auf die Erscheinung eingeschränkt; die Dinge, in welchen diese Formen objektiv sind, sowohl als eine Erkenntnis dieser Objekte ist schlechthin nichts an sich. Das Ansich und die Vernunft werden schlechthin über diese Formen der Endlichkeit erhoben und von ihnen rein erhalten, – ein Resultat, womit Kanten, den Anfang einer Philosophie überhaupt gemacht zu haben, das unsterbliche Verdienst bleibt. Aber in diesem Nichts der Endlichkeit ist es gerade, worin Jacobi ein absolutes Ansich sieht und mit dem Traum dieser Waffe das Wachen des Spinoza bekämpft.
Wenn wir oben die Unvollkommenheit der Kantischen Annihilation des Verstandes darein setzten, daß er ihn mit seinen Formen zwar zu etwas Subjektivem, aber in dieser Gestalt doch zu etwas Positivem und Absolutem macht, so findet dagegen Jacobi, nachdem er Wirkung und Gegenwirkung, Sukzession, Zeit usw. so glücklich aus der Gemeinschaft endlicher Dinge herausgebracht hatte, daß man, »damit diese Grundbegriffe und Urteile von der Erfahrung unabhängig werden, sie nicht zu Vorurteilen des Verstandes zu machen brauche, von denen wir geheilt werden müssen, indem wir erkennen lernen, daß sie sich auf nichts an sich beziehen, folglich keine wahre objektive Bedeutung haben; denn die Grundbegriffe und Urteile verlieren weder von ihrer Allgemeinheit noch von ihrer Notwendigkeit, wenn sie aus dem, was allen Erfahrungen gemein sein und ihnen zum Grunde liegen muß, genommen sind. Sie gewinnen vielmehr einen weit höhern Grad von unbedingter« (hat das Unbedingte Grade?) »Allgemeinheit, wenn sie nicht bloß für den Menschen und seine eigentümliche Sinnlichkeit geltend, sondern aus dem Wesen und der Gemeinschaft einzelner Dinge überhaupt können hergeleitet werden. – Wenn aber unsere Sinne uns gar nichts von den Beschaffenheiten der Dinge lehren, nichts von ihren gegenseitigen Verhältnissen und Beziehungen, ja nicht einmal, daß sie im transzendentalen Verstande wirklich vorhanden sind, und wenn unser Verstand sich bloß auf eine solche gar nichts von den Dingen selbst darstellende, objektiv platterdings leere Sinnlichkeit bezieht, um durchaus subjektiven Anschauungen nach durchaus subjektiven Regeln durchaus subjektive Formen zu verschaffen, so bin ich alles, und außer mir im eigentlichen Verstande nichts. Und Ich, mein Alles, bin denn am Ende doch auch nur ein leeres Blendwerk von etwas, die Form einer Form, ein Gespenst. Ein solches System rottet alle Ansprüche an Erkenntnis der Wahrheit bis auf den Grund aus und läßt für die wichtigsten Gegenstände nur einen solchen blinden, ganz erkenntnisleeren Glauben übrig, wie man den Menschen bisher noch keinen zugemutet hat.« –
Es ist hier wohl zu unterscheiden, daß nur darin, daß Kant das Vernünftige als solches verkennt, sein erkenntnisleerer Glaube liegt, nicht aber in seiner großen Theorie, daß der Verstand nichts an sich erkennt. Dasjenige, womit hingegen Jacobi die menschliche Erkenntnis bereichert, sind solche Dinge wie das Absolutsein der endlichen Dinge und ihrer Gemeinschaft, der Zeit und der Sukzession und des Kausalzusammenhangs, die auch (Hume, S. 119) in den Dingen an sich ihren vom Begriffe unabhängigen Gegenstand haben. Aber daß solche Absoluta der objektiven Endlichkeit negiert und als nichts an sich erkannt und konsequenterweise ebenso die subjektive Endlichkeit, das sinnliche und reflektiertdenkende Ich, mein Alles, auch nur ein leeres Blendwerk von etwas an sich wäre, daß mein endliches Alles ebenso gut vor der Vernunft zugrunde geht als das Alles des objektiven Endlichen, das ist für Jacobi das Entsetzliche und Schauderhafte; die Verabscheuung der Vernichtung des Endlichen ist ebenso fixiert als das Korrespondierende, die absolute Gewißheit des Endlichen, und wird sich als den Grundcharakter der Jacobischen Philosophie durchaus erweisen. Man könnte es zunächst für eine Verbesserung der Kantischen Deduktion halten, daß Jacobi Sukzession und Kausalzusammenhang als Verhältnis überhaupt, nämlich als eine bloß relative, auf endliche Dinge eingeschränkte Beziehung begreift und in der Deduktion derselben, wenn das oben Angeführte anders eine Deduktion wäre, nicht bloß wie Kant von einem bewußten, sondern von einem bewußtlosen Verstande zugleich ausgeht; allein, nicht zu erwähnen, daß das Verhältnis subjektiv betrachtet oder der bewußte Verstand, und eben dasselbe objektiv betrachtet oder als Verstand und Verhältnis der Dinge, völlig unabhängig und dualistisch nebeneinander stehen und Kant das Verhältnis wenigstens schlechthin nur als eines, ohne einen Unterschied eines subjektiven Verstandes und eines besondern objektiven, und – wenn wir den Verstand bei Kant auch als ein Subjektives begreifen müssen – doch kein äußeres fremdes Verhältnis von Dingen und also nur einen Verstand, worin doch wenigstens das Formale der Philosophie ausgedrückt ist, hat, so ist das wichtigste Resultat Kants immer dies, daß diese Verhältnisse des Endlichen (es seien nun Verhältnisse des Subjektiven allein oder Verhältnisse zugleich der Dinge) nichts an sich, das Erkennen nach ihnen nur ein Erkennen von Erscheinungen ist, (obgleich über dieses nicht hinausgegangen werden soll und es daher absolut wird). Das Apriorische der Jacobischen Verhältnisse besteht hingegen darin, daß sie auch den Dingen an sich zukommen, das heißt, daß die endlichen Dinge, das empfindende Ding und außer diesem das wirkliche Ding, welches empfunden wird, Dinge an sich und die Verhältnisse solcher Dinge, die Sukzession, Kausalzusammenhang, Widerstand usw. wahrhafte Vernunftverhältnisse oder Ideen sind, so daß also die scheinbare Verbesserung, nach welcher die Verhältnisse nicht ein bloß Subjektives des bewußten Verstandes, sondern auch ein Objektives, Bewußtloses wären, in Wahrheit einen absoluten Dogmatismus und Erhebung des Endlichen zu einem Ansich konstituiert.
Die Anwendung nun, welche Jacobi von dem Begründen des Absolutseins des Endlichen, welches durch die wichtige Unterscheidung des Satzes des Grundes und der Kausalität sich ergab, auf das System Spinozas macht, hat zweierlei Formen; einmal, daß der Begriff der Sukzession in ihm fehle, das andere Mal, daß er im Grunde doch vorhanden sei, aber in der Ungereimtheit einer ewigen Zeit.
Was das Fehlen der Zeit betrifft, so faßt Jacobi die Philosophie Spinozas auf, daß Spinoza eine natürliche Erklärung des Daseins endlicher und sukzessiver Dinge habe zustande bringen wollen. Aber indem er die Dinge dem Vernunftbegriffe nach als zugleich vorhanden, – denn im Vernunftbegriffe ist kein Vorher und Nachher, sondern alles notwendig und zugleich, – und das Universum auf ewige Weise erkannte, so habe er den Fehler begangen, den Satz des Grundes ganz allein logisch zu nehmen, und dadurch keine objektive und wirkliche, sondern nur eine subjektive und idealische Sukzession statuiert, die auch nicht einmal idealisch vorhanden sein könnte, wenn ihr nicht eine wirkliche Sukzession in dem Subjekt, welches sie in dem Gedanken erzeugt, zugrunde läge; in dem logischen Satze des Grundes sei die Sukzession selbst das Unbegreifliche Jacobis Werke, Bd. IV, Abt. 2, S. 135-145; Bd. II, S. 199.. –
Es ist nichts zu sagen über eine solche psychologische Erinnerung, daß eine subjektive und idealische Sukzession eine wirkliche Sukzession in dem Subjekt voraussetze; es ist damit teils gar nichts gesagt, teils etwas Falsches, da nämlich die idealische Sukzession sich auf die mathematischen Gleichnisse des Spinoza bezieht, wovon nachher die Rede sein wird, und ihrer Wahrheit nach nur darum etwas Reelles sein kann, daß sie das absolute Zugleich der Totalität und gar keine Sukzession ist. Dies absolute Zugleich aber der Totalität und die Erkenntnis der Dinge, wie sie auf eine nicht zeitliche, sondern ewige Weise sind, schreibt Jacobi dem Satze des Grundes und der Vernachlässigung des Kausalgesetzes, und zwar dasselbe so verstanden, daß Zeit in ihm gesetzt ist, zu. Und daß diese Kausalität und die Zeit nicht vernachlässigt werden dürfe, davon ist der absolute Grund darin, daß nach Jacobi die Zeit an sich und absolut ist; und der Satz des Grundes oder die Totalität heißt bei Jacobi darum logisch, weil in ihm Ursache und Wirkung zugleich und keine Zeit gesetzt ist. Vergißt man aber den Satz der Kausalität und seine Verschiedenheit vom Satze des Grundes nicht, so sitze man in der Zeit unbeweglich fest Jacobis Werke, Bd. IV, Abt. 2, S. 146-147.; und dies ist bei Jacobi absolute Forderung. Wenn Jacobi so angelegentlich seine Unterschiede nicht zu vergessen ermahnt, weil durch den Vernunftbegriff, in dem kein Vorher und Nachher, sondern alles notwendig und zugleich ist, das Unglück entstehe, daß in der höchsten Idee, in der Idee des Ewigen die Endlichkeit und Zeit und Sukzession verlorengehe, so gleicht wahrhaftig ein solches Abmahnen dem bekannten Winken der ehrlichen Reichsstadtwache, die dem anrückenden und Feuer gebenden Feinde zurief, nicht zu schießen, weil es Unglück geben könnte – als ob ein solches Unglück es nicht gerade wäre worauf man ausginge.
Jacobi hatte daraus, daß im Vernunftbegriff alles zugleich ist, den einfachen und richtigen Schluß gezogen, daß wir hiernach anzunehmen gezwungen seien, daß in der Natur alles zugleich, und was wir Sukzession nennen, eine bloße Erscheinung ist. Wie Jacobi sich auf das Finden dieses, wie er ihn nennt, paradoxen Satzes, von dem er verwundert ist, daß Mendelssohn der erste gewesen sei, der es unbedenklich gefunden habe, ihn zuzugeben, – (Folge und Dauer sind, sagt Mendelssohn Ebendaselbst, Bd. IV, Abt. 1, S. 109. sehr gut, notwendige Bestimmungen des eingeschränkten Denkens), – da Jacobi ihn hingegen gegen die andern Philosophen (!), denen er ihn vorlegte, zu verteidigen gehabt, – und den er nicht im Ernste, sondern nur als eine notwendige Folge des Satzes des Grundes vorgetragen habe Jacobis Werke, Bd. II, S. 196-197., – als auf seine Entdeckung etwas zugute tun konnte, als auf einen Satz, der nicht Spinoza angehöre, ist eigentlich unbegreiflich. Konnte denn Jacobi, Spinozas Kommentator, etwa von Spinoza meinen, dieser habe die Zeit in Gott gesetzt, und sie gehöre nach ihm auch nur zu der natura naturata! Wir werden wirklich sogleich sehen, daß, nachdem Jacobi gefolgert hatte, Spinoza müsse die Zeit eigentlich für bloße Erscheinung erklären, er doch die Zeit, und zwar in der Ungereimtheit einer ewigen Zeit in Spinoza findet. Wenn in den wenigen Stellen, wo er, z. B. im zweiten Buch der Ethik und in den Briefen, auf diese untergeordnete Form der Sukzession beiläufig zu sprechen kommt und die unendliche Reihe endlicher Dinge unter dieser Form der Abstraktion absondert, nicht denken, sondern imaginari von ihr gebraucht und sie bestimmt genug ein auxilium imaginationis nennt, so kannte doch Jacobi wohl den Spinozischen Unterschied von intellectus und imaginatio. Das absolute Zugleich, und daß Gott nicht die vorübergehende, sondern die ewige Ursache der Dinge ist, und sie außer Gott, also auch in der Zeit, und die Zeit selbst nichts an sich ist, – jede Zeile in Spinozas System macht den Satz, daß Zeit und Sukzession bloße Erscheinung ist, zu einer solchen Trivialität, daß nicht die mindeste Spur von Neuheit und Paradoxie darin zu sehen ist. Jacobi führt (Briefe über Spinoza, S. 409) Ebendaselbst, Bd. IV, Abt. 2, S. 141. an, daß es Spinozas Überzeugung war, es müsse alles nur secundum modum quo a rebus aeternis fluit betrachtet werden und Zeit, Maß und Zahl als von diesem modo abgesonderte Vorstellungsarten, folglich als Wesen der Einbildung. Wie soll denn doch dem Spinoza jener Satz nicht angehören? Für Jacobi ist jener Satz so paradox, daß er ihn nicht nur nicht im Ernste behauptete, sondern aus dieser endlichsten Form der Endlichkeit schlechterdings etwas Absolutes macht und die ganze Widerlegung Spinozas darauf gründet, daß dieser den Satz des Grundes nicht so gefaßt habe, daß die Zeit darin sei, und die Täuschung Spinozas über die Philosophie – daraus erklärt, so wie er selbst um dieser Endlichkeit willen das Unternehmen der Vernunft als unmöglich und zufällig erkennt.
Jacobi findet aber wirklich die Inkonsequenz bei Spinoza, daß er die Zeit als etwas an sich gesetzt habe; er findet in der unendlichen Reihe von einzelnen Dingen, deren eins nach (!) dem andern zur Wirklichkeit gekommen war, im Grunde (wo ist dieser Grund?) eine ewige Zeit, eine unendliche Endlichkeit, und diese ungereimte Behauptung lasse sich durch keine mathematische Figur auf die Seite räumen, sondern hier habe sich Spinoza durch seine Imagination betrügen lassen Jacobis Werke, Bd. IV, Abt. 2, S. 135-136..
Wir wollen zuerst Spinozas unendliche Reihe endlicher Dinge dann die ewige Zeit, welche Jacobi daraus macht, und die Unstatthaftigkeit der mathematischen Gleichnisse beleuchten.
Eben das infinitum actu, welches Spinoza im 29. Brief, auf den Jacobi auch Rücksicht nimmt, erläutert, und von welchem Spinoza sagt, daß diejenigen, welche die Dinge der Einbildungskraft, Zahl, Maß und Zeit mit den Dingen selbst vermischen, weil sie die wahre Natur der Dinge nicht kennen, es leugnen Ben. de Spinoza, ed. Paulus, T. I, p. 530., ist es, was Jacobi mit dem Unendlichen der Imagination vermischt. Das Unendliche definiert Spinoza (Eth. P. I. Pr. VIII. Sch. I.) als die absolute Affirmation der Existenz irgendeiner Natur, das Endliche im Gegenteil als eine teilweise Verneinung Ibid., T. II, p. 39.. Diese einfache Bestimmung macht also das Unendliche zum absoluten, sich selbst gleichen, unteilbaren wahrhaften Begriff, welcher das Besondere oder Endliche seinem Wesen nach zugleich in sich schließt und einzig und unteilbar ist, und diese Unendlichkeit, in welcher nichts verneint und bestimmt ist, nennt Spinoza die Unendlichkeit des Verstands; es ist die Unendlichkeit der Substanz, und ihr Erkennen die intellektuelle Anschauung, in welcher als der intuitiven Erkenntnis nicht wie im leeren Begriff und der Unendlichkeit der Abstraktion das Besondere und Endliche ausgeschlossen und entgegengesetzt ist, und dieses Unendliche ist die Idee selbst. Dagegen entsteht das Unendliche der Einbildungskraft auf eine ganz andere Weise, nämlich, wie Spinoza sich ausdrückt, die Existenz und Dauer der modorum können wir, wenn wir nicht auf die Ordnung der Natur selbst, sondern auf ihr besonderes Wesen, insofern ihr Begriff nicht der Begriff der Substanz selbst ist, sehen, nach Belieben bestimmen und teilen Ibid., T. I., p. 528., und wenn wir die Quantität von der Substanz, die Dauer aber von der Weise, nach welcher sie aus den ewigen Dingen fließt, abstrahiert begreifen, so entsteht uns Zeit und Maß Ibid., T. I, p. 529.. Oder durch das, was Spinoza Einbildungskraft nennt, oder überhaupt durch Reflexion ist erst Endliches gesetzt, wird zum Teil negiert, und dies zum Teil Negierte, für sich gesetzt und entgegengesetzt dem an sich nicht Negierten, schlechthin Affirmativen, macht dies Unendliche selbst zu einem zum Teil Negierten oder zu einer Abstraktion, zur Kantischen reinen Vernunft und Unendlichkeit, indem dasselbe in den Gegensatz gebracht wird, – und als die absolute Identität beider ist das Ewige zu setzen, in welchem dieses Unendliche und jenes Endliche nach ihrem Gegensatze wieder vernichtet sind. Ein anderes aber ist es, wenn das Abstrahierte, Endliche oder Unendliche bleiben, was es ist, und jedes in die Form des Entgegengesetzten aufgenommen werden soll; hier ist eins bestimmt als nicht seiend, was das andere ist, und jedes als gesetzt und nicht gesetzt, als dies Bestimmte seiend und als seiend ein anderes, und ein so Gesetztes läuft in die empirische Unendlichkeit hinaus. Die Dauer als allein durch Einbildung gesetzt, ist ein Zeitmoment, ein Endliches, und als solcher fixiert ein zum Teil Negiertes, an und für sich zugleich bestimmt als seiend ein anderer; dieser andere, der ebenso durch die Einbildung seine Wirklichkeit erhält, ist ebenso ein anderer. Diese Negation, die bleibt, was sie ist, durch die Einbildung positiv gemacht, gibt das empirisch Unendliche, das heißt einen absoluten, unaufgelösten Widerspruch.
Diese empirische Unendlichkeit, die nur gesetzt ist, insofern einzelne Dinge gesetzt werden (Eth. P. I. Pr. XXVIII.) – einzelne Dinge, welche hingegen Jacobi als ein empfindendes Ding und als ein Ding, das empfunden wird, oben in seiner Deduktion absolut setzte, aber sind an sich schlechthin nichts –, gibt Jacobi dem Spinoza ohne weiteres Schuld, da kein Philosoph entfernter war als er, so etwas anzunehmen; denn mit dem nicht Ansichsein der endlichen Dinge fällt unmittelbar solche empirische Unendlichkeit und die Zeit hinweg. Jacobi sagt, Spinoza versichere, es läge bloß an unserer Imagination, wenn wir uns eine unendliche Reihe aufeinanderfolgender, objektiv und wirklich auseinander entspringender einzelner Dinge als eine ewige Zeit vorstellen Jacobis Werke, Bd. IV, Abt. 2, S. 135-136.. Aber wie sollte denn Spinoza eine unendliche Reihe aufeinanderfolgender, objektiv und wirklich auseinander entspringender einzelner Dinge als etwas an sich Seiendes, und nach der Wahrheit betrachtet, haben gelten lassen? Der Fehler liegt schon an dieser Reihe einzelner und aufeinanderfolgender Dinge, welche Jacobi als ein Absolutes ansieht, und es ist Jacobi, der das Einzelne und die Zeit in die Unendlichkeit des Spinoza hineinträgt. Eine Idee ist, insofern sie von ihrer negativen Seite gegen die Einbildung oder die Reflexion betrachtet wird, darum Idee, weil sie von der Einbildung oder der Reflexion in eine Ungereimtheit verwandelt werden kann; dieser Verwandlungsprozeß ist der einfachste. Die Einbildung oder Reflexion geht allein auf einzelne Dinge oder auf Abstraktionen und Endliches, und diese gelten ihr als absolut; in der Idee aber wird diese Einzelheit und Endlichkeit dadurch vernichtet, daß das Entgegengesetzte der Reflexion oder der Einbildung, das ideell oder empirisch Entgegengesetzte, als eins gedacht wird. Soviel kann die Reflexion begreifen, daß hier Dinge, die sie als besondere setzt, als identisch gesetzt werden, aber nicht, daß sie damit zugleich vernichtet sind; denn eben indem sie nur tätig ist, sind ihre Produkte absolut. Indem sie also beides, die Identität dessen, was für sie nur ist, indem es getrennt ist, und das absolute Bestehen desselben in dieser Identität setzt, so hat sie glücklich eine Ungereimtheit gefunden. So setzt Jacobi das Abstraktum der Zeit und das Abstraktum eines einzelnen Dings, Produkte der Einbildung und der Reflexion als an sich seiend und findet, daß, wenn das absolute Zugleich der ewigen Substanz gesetzt wird, das einzelne Ding und die Zeit, die nur sind, insofern sie von ihr weggenommen waren, ebenfalls mitgesetzt werden, – aber reflektiert nicht darauf, daß, indem sie der ewigen Substanz, von der sie genommen sind, wieder gegeben werden, sie aufhören, das zu sein, was sie nur, von ihr abgerissen, sind; er behält also, in der Unendlichkeit und Ewigkeit selbst, Zeit und Einzelheit und Wirklichkeit.
Wenn damit, daß die Zeit nichts an sich ist, und daß sie in der Ewigkeit verlorengeht, die beliebte Tendenz des Erklärens nicht zufrieden ist und Jacobi dem Spinoza zumutet, daß er mit seiner Philosophie eine natürliche Erklärung des Daseins endlicher und sukzessiver Dinge habe zustande bringen wollen, so ergibt sich aus dem obigen, was eigentlich eine Erklärung der Zeit ist, nämlich eine Abstraktion, die in einer ewigen Idee gemacht wird. Die Abstraktion der Zeit konnte also Jacobi unmittelbar an der Totalität oder dem Satze des Grundes machen und sie auf diese Weise aus ihm begreifen; aber die Abstraktion als solche und in dieser Form in der Totalität zu finden, dies hebt sich unmittelbar auf. Wir erhalten die Abstraktion der Zeit, wenn wir von den Attributen das Denken isolieren und es nicht als Attribut der absoluten Substanz, als welches es diese selbst ausdrückt, begreifen, sondern es, abstrahiert von ihr, als leeres Denken, subjektive Unendlichkeit fixieren und diese Abstraktion in relative Beziehung auf die Einzelheit des Seins setzen. Durch diese Abstraktion wird dann die Zeit wahrhaft aus der Ewigkeit erkannt und, wenn man will, erklärt; ihre Deduktion aber aus einer Gemeinschaft einzelner Dinge wird eine natürlichere Erklärung geben, indem das Vorausgesetzte, die einzelnen Dinge ja schon etwas Natürliches sind. Unter der Natürlichkeit, durch welche die Philosophie ihre Erklärungsweise zustande bringen wollte, ist durchgehends ersichtlich, daß Jacobi nichts anders versteht als das formale Wissen und reflektierte Denken und Erkennen nach der Einbildung; es gehören hieher die oben angeführten Stellen über Jacobis Begriff vom Wissen. Auf eine solche natürliche Weise ist freilich kein philosophisches Begreifen möglich, und in Spinoza möchten wohl wenige Zeilen von dieser Natürlichkeit zu finden sein; sondern da Jacobi unter natürlichem Erklären das Erkennen nach der Einbildung versteht, so ist wohl alles übernatürlich in Spinoza, und so konnte die Behauptung Jacobi's, daß die Welt sich nicht natürlich erklären lasse Jacobis Werke, Bd. IV, Abt. 2, S. 147., am allermeisten ihre Bestätigung in Spinoza, welcher sie nicht nur aufgestellt, sondern ausgeführt hat, finden. Aber dadurch fällt alle sogenannte Natürlichkeit überhaupt weg, und damit selbst auch jene Übernatürlichkeit, weil sie nur ist, insofern ein Natürliches ihr gegenüber ist, und es ist weder darum zu tun, daß die Vernunft, wie Jacobi (Br. über Spin. S. 419) sagt, das Außernatürliche oder Übernatürliche in ein Natürliches, noch auch, daß sie das Natürliche in ein Übernatürliches zu verwandeln sucht Ebendaselbst, S. 148-149.; sondern jene Natürlichkeit, d. h. der Mechanismus und Kausalzusammenhang und die Zeit so wie das Wissen, das an der reinen Identität fortgeht und Tatsachen analysiert, ist für sie gar nicht vorhanden.
Was endlich die mathematischen Gleichnisse eines actu Unendlichen betrifft, welche Spinoza dem Betrug der Imagination entgegensetzte und mit welchen er durch seine Imagination sich, nach Jacobi, habe sollen täuschen lassen, so ist Spinoza seiner Sache so gewiß, daß er sagt: Wie erbärmlich diejenigen, welche das actu Unendliche für eine Ungereimtheit halten, raisonniert haben, darüber mögen die Mathematiker urteilen, die durch Argumente von solchem Schrot sich nicht aufhalten ließen in klar und deutlich erkannten Dingen Spinoz. Op., T. I, p. 530.. Das Beispiel Spinozas ist der Raum, der zwischen zwei Kreisen eingeschlossen ist, welche nicht einen gemeinschaftlichen Mittelpunkt haben, nach der Figur, die er auch als sein echtes Symbol vor seine Prinzipien der Kartesianischen Philosophie setzen ließ, indem er durch dieses Beispiel die empirische Unendlichkeit aus dem endlosen Hinaustreiben des Einbildens zurückgeholt und sie vor sich hingebannt hat. Die Mathematiker schließen, daß die Ungleichheiten, welche in diesem Raume möglich, unendlich sind, nicht aus der unendlichen Menge der Teile, denn seine Größe ist bestimmt und begrenzt, und ich kann größere und kleinere Räume – also größere und kleinere Unendlichkeiten – setzen, sondern weil die Natur der Sache jede Bestimmtheit der Zahl übertrifft Spinoz. Op., T. I, p. 531.; es ist in diesem begrenzten Raume ein wirkliches Unendliches, ein actu Unendliches. Wir sehen in diesem Beispiel nämlich das Unendliche, das oben als die absolute Affirmation oder der absolute Begriff bestimmt worden ist, zugleich für die Anschauung, also im Besondern dargestellt, und der absolute Begriff ist actu die Identität Entgegengesetzter; werden diese Teile auseinander gehalten und als solche identisch gesetzt, ist dies Besondere, als solches wirklich gesetzt, in Zahlen ausgedrückt und soll es in seiner Inkommensurabilität nach dem Begriff identisch gesetzt werden, so entspringt die empirische Unendlichkeit in den unendlichen Reihen der Mathematiker. Die Inkommensurabilität aber besteht darin, daß das Besondere von der Subsumtion unter den Begriff entbunden, in Teile zerlegt wird und diese absolut bestimmte und absolut gegeneinander ungleiche sind und, wenn sie, vorhin im intuitiven Begriff gleichgesetzt, jetzt einander verglichen werden, nicht mehr in der Identität, sondern nur im Verhältnisse sind. Mit einem Worte, es ist dies nichts als die Umwandlung der Geometrie in Analysis oder bestimmter – des Pythagoreischen Lehrsatzes, welcher allein alle wahrhafte Geometrie ist, in die Reihen der Funktionen krummer Linien.
Es ergibt sich hieraus der wahre Charakter des Denkens, der Unendlichkeit ist; indem nämlich der absolute Begriff Unendlichkeit – an sich absolute Affirmation, aber gegen das Entgegengesetzte und Endliche gekehrt ist als ihre Identität, so ist es absolute Negation, und diese Negation als seiend, reell gesetzt, ist das Setzen Entgegengesetzter: + A – A = 0. Das Nichts existiert als + A – A, und ist seinem Wesen nach Unendlichkeit, Denken, absoluter Begriff, absolute reine Affirmation. Diese abstrahierte Unendlichkeit der absoluten Substanz ist dasjenige, was Fichte als Ich oder reines Selbstbewußtsein, reines Denken, nämlich als das ewige Tun oder Produzieren der Differenz, welche das reflektierte Denken immer nur als Produkt kennt, unserer neuen subjektiven Kultur nähergebracht hat. Das in der Erscheinung Außereinandergehaltene, Inkommensurable, die Differenz als Produkt ist sich in dem letzten Verhältnisse, in der Unendlichkeit, d. h. worin die Entgegengesetzten zugleich wegfallen, gleich, und die Identität in Beziehung auf die als für sich seiend (in Zahlen) gesetzten Inkommensurablen ist eine unendliche, ein Nichts. Aber die Inkommensurabeln nicht als diese Abstraktionen für sich seiend (in Zahlen), noch als ohne das Ganze bestehende Teile, sondern nach dem, was sie an sich sind, nämlich sie nur im Ganzen gesetzt, so ist der wahrhafte Begriff, die wahrhafte Gleichheit des Ganzen und der Teile und die affirmative Unendlichkeit, das actu Unendliche, für intuitive oder geometrische Erkenntnis vorhanden. Diese Idee des Unendlichen ist eine der allerwichtigsten im Spinozistischen System, und in einer Darstellung desselben müßte sie eine größere Figur spielen als, wie in den Jacobischen Sätzen, nur immer ein müßiges Prädikat zu Denken, Ausdehnung usw. abgeben. Es liegt in ihr gerade das Wichtigste, nämlich die Erkenntnis des Vereinigungspunktes der Attribute; aber ohne diese Idee sind die höchsten Ideen Spinozas auf eine formelle, historische Weise dargestellt, wie in der 14. These die Attribute und Mode zu der absoluten Substanz in der gemeinen Reflexionsform von Eigenschaften hinzukommen Jacobis Werke, Bd. IV, Abt. 1, S. 183..
Wir stellen die Formen der Unendlichkeit kurz zusammen. Das wahrhafte Unendliche ist die absolute Idee, Identität des Allgemeinen und Besondern oder Identität des Unendlichen und Endlichen selbst, nämlich des Unendlichen, insofern es einem Endlichen entgegengesetzt ist. Und dieses Unendliche ist reines Denken; gesetzt als diese Abstraktion, ist es reine absolut-formale Identität, reiner Begriff, Kantische Vernunft, Fichte'sches Ich. Aber gegen dieses Endliche gestellt, ist es ebendeswegen absolutes Nichts desselben: + A – A = 0; es ist die negative Seite der absoluten Idee. Dieses Nichts als Realität gesetzt, die Unendlichkeit selbst nicht als Subjekt oder Produzieren, als welches sie reine Identität sowohl als Nichts ist, sondern als Objekt oder Produkt, ist sie das + A – A, das Setzen Entgegengesetzter. Aber keine von diesen Formen der Unendlichkeiten ist noch die Unendlichkeit der Einbildung oder die empirische. Die erste Unendlichkeit ist die der absoluten Vernunft; die Unendlichkeit der reinen Identität oder Negativität ist die der formalen oder negativen Vernunft. Das Unendliche aber in seiner Realität als + A – A, wovon das eine selbst als Unendliches, das andere als Endliches bestimmt wird, oder die Endlichkeit überhaupt, ist das der Reflexion und der Einbildung, wozu das oben angezeigte gehört, wenn ein Endliches als absolut, d. h. zugleich als ein anderes gesetzt werden soll. Bei Jacobi findet sich Unendlichkeit entweder als etwas Müßiges oder als die empirische der Einbildung, und dies verleitet ihn zu meinen, Spinoza habe in seinem mathematischen Beispiel (Jacobi spricht von mehrern, aber im 29. Br. ist nur eins, und Eth. P. I. Prop. XV. Schol. ist es nicht Spinoza, der das dortige Beispiel gebraucht, sondern er führt es von den Gegnern an) eine empirische Unendlichkeit als actu existierend darstellen wollen, und ist durch das mathematische Beispiel insofern befriedigt, daß er zwar keine objektive und wirkliche, aber doch eine subjektive und idealische darin findet.
Wo wir eine Verknüpfung von Grund und Folge (D. Hume, S. 94) wahrnehmen, werden wir uns des Mannigfaltigen in einer Vorstellung bewußt, und dies geschieht in der Zeit, und diese idealische Sukzession ist selbst eine wirkliche in dem Subjekt, das sie erzeugt Jacobis Werke, Bd. II; S. 193-195.. – Spinoza hat auf diese Weise mehr geleistet, als er im Sinne hatte; denn er dachte bei seinem Beispiele gar nicht an Sukzession, und sie ist auch nicht darin zu sehen. Jacobi findet aber doch wenigstens eine subjektive darin: das Beispiel hat bei ihm also statt der philosophischen eine psychologische und empirische Bedeutung; nur findet er noch nicht genug Empirisches, nämlich außer der psychologischen nicht auch noch eine objektive wirkliche Sukzession darin, obschon auch die idealische selbst eine wirkliche Sukzession im Subjekt ist.
Die Natur dieses polemischen Verfahrens besteht also darin, daß Jacobi die Sukzession und Endlichkeit entweder vermißt und sie in der Spekulation schlechthin fordert oder sie hineinerklärt und dann Ungereimtheiten findet. Die positive Seite dieses Fixiertseins im Endlichen nach der ideellen Form, nämlich in bezug aufs Wissen haben wir oben gesehen, welches als am Faden der Ähnlichkeit und Identität fortgehend und eines Faktums bedürftig begriffen wird, das ihm gegeben sein muß als ein Fremdes, das + B, zu welchem die Identität des Begriffes hinzutretend vorgestellt wird. Von dieser Empirie nun überhaupt und von der Individualität des Sinnes, welche den Umfang und die Schönheit dieser Empirie bestimmt, und daß durch die Vernunft die Empirie des Menschen einen anderen Charakter hat als die Empirie des Tiers, wie auch von der empirischen Darstellung subjektiver Individualität oder des Sinnes hat Jacobi zuweilen geist- und sinnreiche Ausdrücke. Solche Sachen von der Beziehung der Empirie auf das Wissen wie (Reinholds Beitr., 3. Heft, S. 92): daß Raum und Zeit Tatsachen sind, weil Bewegung eine Tatsache ist; ein Mensch, der sich nie bewegt hätte, könnte sich keinen Raum vorstellen; wer sich nie verändert hätte, kennte keinen Begriff der Zeit; a priori möchten wir so wenig zu derselben gelangen, wie wir zur reinen Mannigfaltigkeit, zur verbindenden Verbindung, zur produzierenden Spontaneität des Verstandes gelangen Ebendaselbst, Bd. III, S. 172., – können vielleicht dem Verarbeiter Köppen, und nicht Jacobi zugehören.
Geistreich sind die Ausdrücke der Empirie und über die Empirie, weil sie auf spekulative Ideen anspielen, und das Interesse der Jacobischen Schriften beruht auf dieser Musik des Anklingens und Widerklingens spekulativer Ideen, die aber, indem die Ideen sich in dem Medium des Absolutseins der Reflexion brechen, nur ein Klingen bleibt und nicht zu dem, was, wo die Sache Wissenschaft betrifft, erwartet wird, zu dem artikulierten wissenschaftlichen Worte (Logos) gedeihen soll. Wenn dieses Klingen von Ideen als etwas Objektives, was es nicht sein soll, in den Begriff aufgenommen, als Gemeingut des Denkens ergriffen und festgehalten werden dürfte, so würde man, wenn man den Sinn solcher Ausdrücke allein betrachtet, eine Darstellung der Vernunft in ihnen nicht verkennen können. Z. B. unmittelbar nachdem Jacobi (Briefe über Spinoza in dem oben angeführten) der Vernunft nur das Vermögen, ein Faktum zu analysieren und nach der reinen Identität zu verknüpfen, zuerkannt hatte, erzählt er S. 423 seinen Grundgedanken: daß er den Menschen nehme, ohne ihn zu teilen, und daß er finde, daß sein Bewußtsein aus zwei ursprünglichen Vorstellungen, der Vorstellung des Bedingten und des Unbedingten zusammengesetzt sei, welche unzertrennlich verknüpft sind Jacobis Werke, Bd. IV, Abt. 2, S. 152.. Ist denn aber dies keine Teilung, welche das Bewußtsein aus zwei nach Jacobi absolut entgegengesetzten Vorstellungen zusammengesetzt sein läßt? Nach der folgenden Seite bleiben wir, solange wir begreifen, in einer Kette bedingter Bedingungen und in der begreiflichen Natur, aber dieser Zusammenhang des Begreifens und der Natur hört auf, und absolut jenseits, also ohne Zusammenhang, steht ein Übernatürliches, Unbegreifliches und Unbedingtes Ebendaselbst, S. 154.. Wie kann also Jacobi sagen, daß er den Menschen nicht teile, da er sein Bewußtsein aus absolut Entgegengesetzten bestehen läßt? Oder vielmehr, er nimmt ihn schon geteilt, indem er ihn nach der Erscheinung des Bewußtseins betrachtet. – Sollen wir aber wirklich den Menschen und sein Bewußtsein und dessen Zusammensetzung als etwas Ungeteiltes, wie Jacobi es geben will, nehmen, so müssen wir dasjenige, was Jacobi Prinzip der Erkenntnis und Vernunft nennt, begreifen als die ungeteilte Identität des Bedingten und Unbedingten, und da nach Jacobi das Natürliche jenes, das Übernatürliche dieses ist, als Identität des Natürlichen und Übernatürlichen, und in dieser bedingten Unbedingtheit oder unbedingten Bedingtheit hätten wir dieselbe Ungereimtheit der endlichen Unendlichkeit, die Jacobi in Spinoza findet, und wenigstens die Vernichtung der Gegensätze des Natürlichen und Übernatürlichen, des Endlichen und Unendlichen, also wenigstens die Befreiung von der Reflexion, welche die Entgegensetzung absolut und die Entgegengesetzten zu etwas an sich macht.
So könnte man (überfl. Taschenb., 1802, S. 30) die Anmerkung: Wo Sinn ist, da ist Anfang und Ende, da ist Trennung und Verbindung, da ist eines und ein anderes, und der Sinn ist das Dritte Jacobis Werke, Bd. III, S. 225, Anm., sehr wohl als eine spekulative Idee auffassen, und (Reinh. Beitr., 3. Heft, S. 70): »Das Merkmal eines Sinnes überhaupt ist das Zweiendige, und das in der Mitte stehen zwischen Subjekt und Objekt Ebendaselbst, Bd. III, S. 143-144., noch mehr ebenda, S. 95: Die Sinnlichkeit bestimmt nicht, auch nicht der Verstand; das Prinzip des Individuierens liegt außer ihnen. In diesem Prinzip ist gegeben das Geheimnis des Mannigfaltigen und Einen in unzertrennlicher Verbindung, das Sein, die Realität, die Substanz. Unsere Begriffe darüber sind lauter Wechselbegriffe: Einheit setzt Allheit, Allheit Vielheit, Vielheit Einheit zum voraus; Einheit ist daher Anfang und Ende dieses ewigen Zirkels und heißt – Individualität, Organismus, Objekt-Subjektivität Ebendaselbst, S. 176..« Die Mitte aber dieses Zirkels, welche Mittelpunkt und Peripherie zugleich ist und den Wechsel festhält, nicht eins verschwinden läßt, sowie das andere auftritt, würde die Idee der Vernunft, der absoluten und doch zweiendigen Identität des Einen und Vielen sein; eine solche Idee ist aber ein ganz anderes Wissen und Erkennen, als das nur gegebene Tatsachen analysiert und an der Ähnlichkeit fortgeht.
Diese Gestalt, in welcher Jacobi die Reflexion nur auf eine geistreiche Weise über sich erhebt, ist der notwendige Ausweg, welcher sich für das Aussprechen der Vernunft ergibt, wenn die Endlichkeit und Subjektivität zu etwas Absolutem gemacht ist; als geistreiche Darstellung hütet sich die Vernunft, sich in das Unendliche des Begriffs aufzunehmen und Gemeingut und Wissenschaftlichkeit zu werden, sondern bleibt von der Subjektivität affiziert, ein Eigentümliches und Besonderes. An dem Ring, dem Symbol der Vernunft, den sie darbietet, hängt ein Stück Haut von der Hand, die ihn reicht, das man entbehren will, Wenn die Vernunft wissenschaftliche Beziehung und mit Begriffen zu tun hat, – eine Geistreichigkeit, welche nach der Weise der Ungereimtheit einer endlichen Unendlichkeit, eines Etwas, das Anfang und Ende zugleich ist, einer Zusammensetzung des Bedingten und Unbedingten usw. mehr einem Formalismus der Vernunft wieder sich nähert, der sehr wohlfeil zu haben ist. So subjektiv die Form dieses Philosophierens ist, ebenso subjektiv und endlich muß auch der Gegenstand dieses Philosophierens sein; denn die Endlichkeit ist etwas an sich. Das Darstellen und Philosophieren geht zunächst an und über den Menschen: daß wir uns auf die Erde gesetzt finden, und wie da unsere Handlungen werden, so wird auch unser Erkenntnis; wie unsere moralische Beschaffenheit gerät, so gerät auch unsere Einsicht in alle Dinge, Welche sich darauf beziehen, usw. Diesem perennierenden Angedenken an den Menschen und dem Loben und Erzählen von seinem vernünftigen Instinkt und seinem Sinne – entgegen spricht Epiktet, den Menschen vergessend, in der Stelle, die Jacobi (überfl. Taschenb., S. 22) anführt: Da ich aber ein vernünftiges Wesen bin, so ist mein Geschäft, (nicht den Menschen) Gott zu loben; es ist mein Beruf, ich will ihn erfüllen. –
Von der Eigenheit, das Absolute nicht in der Form für vernünftige Erkenntnis, sondern nur im Spiel mit Reflexions-Begriffen oder in einzelnen Aufrufungen, welche, wie Kant mit der Idee im praktischen Glauben endigt, das Philosophieren, indem sie es anzufangen scheinen, unmittelbar auch schließen, oder das Vernünftige nur als schöne Empfindung, Instinkt, Individualität ertragen zu können, ist das Herdersche Philosophieren nur eine geringe Modifikation; nur daß die Herderische Form sogar den Vorzug hat, noch etwas Objektiveres zu sein. Der Schaum von Spinozismus und das vernunft- und sprachverwirrende Predigen, wie Jacobi Jacobis Werke, Bd. IV, Abt. 2, S. 79. das Herdersche Philosophieren nennt, entspringt gerade daher, daß, wie Jacobi an die Stelle des vernünftigen Denkens den Ausdruck des Empfindens, Subjektivität des Instinkts usw. setzt, so Herder an die Stelle des vernünftig Gedachten etwas, worin das Vernünftige gleichfalls verhüllt wird, nämlich einen Reflexions-Begriff. Der Begriff von Macht, wie der Begriff der Materie und des Denkens, sagt Herder (Gott; 2. Ausg., S. 126), entwickelt (d. h. eingewickelt) fallen alle drei, dem Spinozistischen System selbst zufolge, ineinander, d. i. in den Begriff einer Urkraft; – die ewige Urkraft, die Kraft aller Kräfte, ist nur eine Herders Werke: Zur Phil, und Gesch., T. IX, S. 175. (Stuttgart und Tübingen, 1828.) usw., S. 169. Der reelle Begriff, in welchem alle Kräfte nicht nur gegründet sind, sondern den sie auch allesamt nicht erschöpfen, dieses unendlich Vortreffliche ist: Wirklichkeit, Realität, tätiges Dasein; es ist der Hauptbegriff bei Spinoza Ebendaselbst, S. 200.; – und die Natur (S. 245 ff.) ist ein Reich lebendiger Kräfte und unzähliger Organisationen, deren jede in ihrer Art nicht nur weise, gut und schön, sondern ein Vollkommnes, das ist, ein Abdruck der Weisheit, Güte und Schönheit selbst ist usw. Das verwelkte Haar, der verworfene Nagel tritt wieder in eine andere Region des Zusammenhangs der Welt, in welchem er abermals nicht anders als seiner jetzigen Naturstellung nach wirkt oder leidet Ebendaselbst, S. 244-245. usw.
Heißt das nicht, wie Jacobi Jacobis Werke, Bd. IV, Abt. 1, S. 72. sagt, das größeste Verdienst des Forschers erwerben, Dasein enthüllen und offenbaren? Nur nicht, so wenig als Jacobi, für philosophische Erkenntnis, sondern im Gegenteil mit dem beiden gleichen Bemühen, da, wo für vernünftiges Erkennen wissenschaftliche Form vorhanden ist, sie wegzuschaffen. Herder hat ein vollkommenes Bewußtsein über die Weise, wie er den Mittelpunkt des Spinozistischen Systems darstellt: »Ich wüßte nicht (Gott; 2. Ausg., S. 77) unter welches Haupt wort die wirklichen und wirksamen Tätigkeiten, der Gedanke der Geisterwelt und die Bewegung der Körperwelt, beide sich so ungezwungen fassen ließen, als unter den Begriff von Kraft, Macht, Organ. Mit dem Wort: organische Kräfte bezeichnet man das Innen und Außen, das Geistige und Körperhafte zugleich. Es ist indessen auch nur Ausdruck; denn wir verstehen nicht, Was Kraft ist, wollen auch das Wort Körper damit nicht erklärt haben Herders Werke: Zur Phil, und Gesch., T. IX, S. 146..« Gerade dies ist das Geschäfte Jacobis, an die Stelle philosophischer Ideen Ausdrücke und Wörter zu setzen, die nicht gewußt noch verstanden werden sollen; sie könnten wohl auch einen philosophischen Sinn haben, aber die Jacobische Polemik geht gerade gegen die Philosophien, worin Ernst damit gemacht und ihre philosophische Bedeutung ausgesprochen ist. Am besten sagt Köppen in der Schluß-Deklamation zu Jacobi über den Kritizismus (Reinh. Beitr., 3. Heft), um was es zu tun ist: Freies, unsterbliches Wesen, Mensch, Bruder, voll hoher Andacht, Hingebung, Liebe, wie kann der Buchstabe deiner philosophierenden Vernunft dich stärker lehren, was du im Allerheiligsten deiner Seele lebendiger glaubst, hoffest und weißt: Walten des Unendlichen über dir, Tugend aus Freiheit, und ewiges Leben Jacobis Werke, Bd. III, S. 194-195! usw. Solch frostiges und schales Herzergießen, das aus der Vernunft als Instinkt kommt, woran Jacobi immer verweist, meint wohl mehr zu sein als ein Satz der philosophierenden Vernunft, die es entbehren will.
Ein auf gleichem Grund, wie das gegen Spinoza, beruhendes Stück Polemik: Über das Unternehmen des Kritizismus, die Vernunft zu Verstande zu bringen und der Philosophie überhaupt eine neue Absicht zu geben (Reinh. Beitr., 3. Heft), gegen die Kantische Philosophie haben wir hier zu berühren. Jacobis Instinkt gegen das vernünftige Erkennen hat sich gerade an den Punkt der Kantischen Philosophie geheftet, wo sie spekulativ ist, und die an sich nicht klare, sondern durch die vom reflektierenden Denken sich angeeignete, dadurch für die philosophische Vernunft unbrauchbar gewordene Terminologie einer vergangenen Bildung gehinderte und sich von der spekulativen Seite ins Produkt verlierende Darstellung Kants benutzt, um mit desto leichterer Mühe sie zu galimatisieren und durch und für die unspekulative Reflexion zum Unsinn zu machen. Der Charakter der Reflexionsphilosophie spricht in dieser Polemik seine Prinzipien in sehr bestimmten Zügen aus.
Eine eigentliche Kritik dieses Aufsatzes müßte auch das leere Schreien und das bissige, gehässige und durch Verdrehungen bis zum Hämischen fortgehende Wesen desselben darstellen; zu dem letztern rechnen wir Beispiele, wie in dem Vorbericht Ebendaselbst, Bd. III, S. 77 f. eins vorkommt, wo an der Kantischen Darstellung der Formen der Anschauung ein Exempel von der Uneinigkeit des Systems mit sich selbst und der Vermischung des Empirismus und Idealismus gegeben werden soll und zu diesem Behuf zuerst aktenmäßig dokumentiert, daß Raum und Zeit bloße Formen seien, daß sie nie Gegenstände werden können, und dazu Kr. d. r. Vern., S. 347 zitiert wird, wo es heißt: »Die bloße Form der Anschauung ohne Substanz ist an sich kein Gegenstand, – der reine Raum und die reine Zeit, die zwar etwas sind, als Formen anzuschauen, aber selbst keine Gegenstände sind, die angeschaut werden,« wo kein Wort davon steht, daß sie nicht Gegenstände (in welchem Sinne werden wir gleich sehen) werden können. »Sie lassen sich nicht anschauen, noch wahrnehmen,« fährt Jacobi fort, wozu Kritik der reinen Vernunft, S. 207, zitiert ist, wo vom sich nicht anschauen Lassen gar nichts steht, und vom Wahrnehmen, daß sie an sich gar nicht wahrgenommen werden, weil sie reine formale Anschauungen, nicht Erscheinungen (d. h. Identitäten der Anschauung und der Empfindung), nicht Gegenstände der Wahrnehmung sind. Und dennoch, sagt nun Jacobi, sind diese nämlichen, nicht objektiven Formen der Anschauung nach andern Äußerungen auch Gegenstände, wozu Kr. d. r. Vern., S. 160 zitiert wird, wo es heißt (in der Anm., im Text steht nichts vom Gegenstand): Raum als Gegenstand (ist bei Kant selbst unterstrichen) betrachtet, wie man es in der Geometrie wirklich bedarf, enthält mehr als bloße Form der Anschauung; – wo Kant formale Anschauung als Einheit der anschaulichen Vorstellung und Form der Anschauung, als welche in Beziehung auf den Verstandesbegriff als eine bloße Mannigfaltigkeit erscheint, aber in sich selbst eine Einheit hat, unterscheidet, und, wie auch § 24 ausdrücklich bemerkt, daß der Verstand als transzendentale Synthesis der Einbildungskraft selbst die Einheit des Raums und der Zeit ist und diese selbst erst möglich macht, – einer der vortrefflichen Punkte dessen, was Kant über die Sinnlichkeit und Apriorität sagt. Welcher Widerspruch liegt nun darin, daß die Form der Anschauung als dem Verstandesbegriff entgegengesetzte rein abstrahierte Form nicht Gegenstand sei, aber wie in der Geometrie zum Gegenstand gemacht werden könne wegen seiner innern, apriorischen, in ihm aber als bloßer Form der Anschauung nicht hervortretenden Einheit. – Endlich soll mit dem Vorgehenden ein Widerspruch darin liegen, daß Raum und Zeit nicht bloße Formen der Anschauung, sondern Anschauungen selbst, und als solche sogar einzelne Vorstellungen sind. [Kr. d. r. V., S. 136 In der Kantausgabe der Phil. Bibl. sind die Seitenzahlen der 2. Aufl. der Kr. d. r. V. angegeben..] Einzelne, individuelle (dem Begriff entgegengesetzte) Vorstellungen sind Kant gleichbedeutend mit Anschauung, und man kann diesen Begriff Kants nicht anders als vortrefflich und einen seiner reinsten und tiefsten nennen. – Auch ganz unabhängig von der Wahrheit oder Falschheit des Begriffs, wo ist zwischen dem Obigen und dem, was Jacobi als widersprechend aufführt, ein anderer Widerspruch zu finden, als den Jacobi durch falsches Zitieren hineinbringt? –
Auf der folgenden Seite Jacobis Werke, Bd. 3, S. 79. sagt Jacobi: Fichte, dem es unbegreiflich schien, wie das Ich seine Realität und Substanzialität von der Materie borge usw. Zu dieser vortrefflichen, so im Vorbeigehen, wie auch Fichte auf eine ebenso vorbeigehende Weise abgetan ist, gemachten Darstellung des Kantischen Systems, daß vermöge desselben das Ich seine Realität und Substanzialität von der Materie borge, ist zitiert Kr. d. r. Vern., S. 277 ff. S. 276 heißt der Periode, der auf S. 277 herübergeht: »Allein hier (von Kant gegen den Idealismus) wird bewiesen, daß äußere Erfahrung eigentlich unmittelbar sei, daß nur vermittelst ihrer, zwar nicht das Bewußtsein unserer eigenen Existenz, aber doch die Bestimmung derselben in der Zeit, d. i. innere Erfahrung möglich sei. Freilich ist die Vorstellung: Ich bin, die das Bewußtsein ausdrückt, welches alles Denken begleiten kann, das, was unmittelbar die Existenz eines Subjekts in sich schließt, aber noch keine Erkenntnis desselben, mithin auch nicht empirische, d. i. Erfahrung; denn dazu gehört, außer dem Gedanken von etwas Existierendem, noch Anschauung, hier innere, die selbst nur mittelbar und nur durch äußere möglich ist. Anm. 2. Hiemit stimmt auch aller Erfahrungsgebrauch unsers Erkenntnisvermögens in Bestimmung der Zeit vollkommen überein. Nicht allein, daß wir alle Zeitbestimmung nur durch Wechsel in äußern Verhältnissen in Beziehung auf das Beharrliche im Raum (z. B. Sonnenbewegung) wahrnehmen können, so haben wir sogar nichts Beharrliches, was wir dem Begriffe einer Substanz als Anschauung unterlegen könnten als bloß die Materie, und selbst diese Beharrlichkeit wird nicht aus äußerer Erfahrung geschöpft, sondern a priori als notwendige Bedingung aller Zeitbestimmung, mithin auch als Bestimmung des innern Sinnes in Ansehung unseres eigenen Daseins durch die Existenz äußerer Dinge vorausgesetzt. Das Bewußtsein meiner selbst in der Vorstellung Ich ist gar keine Anschauung, sondern eine bloß intellektuelle Vorstellung der Selbsttätigkeit eines denkenden Subjekts. Daher hat dieses Ich auch nicht das mindeste Prädikat der Anschauung, welches, als beharrlich, der Zeitbestimmung im innern Sinne zum Korrelat dienen könnte: wie etwa Undurchdringlichkeit an der Materie als empirischer Anschauung ist.« – Wir haben diese Stelle ganz abgeschrieben, damit durch die unmittelbare Ansicht erhelle, wie hämisch die so blank und bloß gemachte Darstellung, daß Ich seine Realität und Substanzialität von der Materie borge, sei. Zur Erfahrung erfordert Kant etwas, an dem sich der Wechsel der Zeit als an etwas Beharrlichem bestimme, und dies Beharrliche ist die Materie und zwar als ein Apriorisches, und Substanzialität ist diese in Beziehung auf Erfahrung bestimmte Beharrlichkeit in der Zeit, – von Welchen auf die Erfahrung sich beziehenden Prädikamenten Kant das »Ich bin« und sogar die Existenz des Subjekts ausdrücklich ausschließt, so daß dasjenige, Was Kant sagt, toto coelo verschieden von dem ist, was so ohne alle Erklärung über Realität, Substanzialität und Materie bei Jacobi steht und für Realität und Substanzialität und Materie sowie für Ich eine ganz andere Bedeutung gibt, als wenn so im allgemeinen gesagt ist: Ich borge seine Substanzialität von der Materie. Heißt nicht, Kant so zu zitieren und behandeln, mit ihm schlechter als mit einem toten Hunde umgehen?
Die allgemeine gehässige Behandlung aber, daß, wenn Kant in der Erfahrung sowohl das Moment der Empfindung als der Anschauung und der Kategorie als nur Erscheinung produzierend und keine Erkenntnis des Ansich und des Ewigen gebend mit Recht vorstellt, Jacobi dies »als ein Vertilgen aller Ansprüche an Erkenntnis der Wahrheit bis auf den Grund und als Übriglassen eines solchen blinden, ganz und gar erkenntnisleeren Glaubens, wie man den Menschen bisher noch keinen zugemutet hat«, begreift, – ist aus seinem schon aufgezeigten Prinzip begreiflich, daß das Endliche und die Erscheinung für ihn absolut ist. So hat die Jacobische Philosophie auch die Ausdrücke Wahrheit und Glauben zur Bedeutung der gemeinsten und empirischen Wirklichkeit herabgewürdigt, von welchen Worten die Wahrheit es im philosophischen Verkehr verdient gebraucht zu werden und der Glaube sonst auch wirklich allgemein gebraucht worden ist, nur von der Gewißheit des Ewigen und nicht empirisch Wirklichen. Über die Vernichtung solcher empirischen Wahrheit und des Glaubens an das sinnliche Erkennen schmäht Jacobi als über ein Vergreifen an dem Heiligen, als über einen Kirchenraub.
Zum falschen Zitieren und Schmähen kommt ein drittes Ingrediens der polemisierenden Darstellung, nämlich das Galimathisieren. Die Kunst desselben ist sehr einfach; sie ist nämlich das Auffassen des Vernünftigen mit Reflexion und die Verwandlung desselben in Verständiges, wodurch es an und für sich selbst eine Ungereimtheit wird, wie wir gesehen haben, daß in Spinoza's Ewigkeit und Unendlichkeit die Zeit hinein galimathisiert worden ist. Um von solchen Verkehrungen nicht zu sprechen, wie wenn Kant die Synthesis eine Handlung nennt und dann wieder von ihr in Beziehung auf Einbildungskraft sagt, daß sie eine Wirkung derselben sei, daß Jacobi hieraus sich die Frage nimmt: dies Vermögen ist eine Wirkung? Jacobis Werke, Bd. III, S. 128-129. was der Fortsetzer auch treufleißig S. 85 wiederholt und Kant recht gibt, daß er sie die bloße Wirkung der blinden Einbildungskraft nenne Ebendaselbst, S. 162., – noch Beispiele am einzelnen anzuführen, denn der ganze Aufsatz geht in einem galimathisierenden und sich in der Bereitung von Unsinnigkeit gefallenden Tone fort, – so stellen wir die Hauptsache auf, das Verhältnis der sogenannten Vermögen, wie es Jacobi begreift. Es ist bei der Darstellung der Kantischen Philosophie gezeigt worden, wie Kant innerhalb dieser Sphäre auf eine vortreffliche Weise das Apriorische der Sinnlichkeit in die ursprüngliche Identität der Einheit und Mannigfaltigkeit, und zwar in der Potenz des Versenktseins der Einheit in die Mannigfaltigkeit als transzendentale Einbildungskraft setzt, den Verstand aber darein setzt, daß die apriorische synthetische Einheit der Sinnlichkeit in die Allgemeinheit erhoben wird, und also diese Identität in relativen Gegensatz mit der Sinnlichkeit tritt, die Vernunft wieder als die höhere Potenz des vorigen relativen Gegensatzes, aber so, daß diese Allgemeinheit und Unendlichkeit nur die formelle reine Unendlichkeit und als solche fixiert ist. Diese echt vernünftige Konstruktion, durch welche nur der schlechte Name Vermögen bleibt, in Wahrheit aber eine Identität aller gesetzt ist, verwandelt nun Jacobi in ein Beruhen der Vermögen aufeinander. »Die Vernunft beruht bei euch auf dem Verstande, der Verstand auf der Einbildungskraft, die Einbildungskraft auf der Sinnlichkeit, die Sinnlichkeit dann wieder auf der Einbildungskraft als einem Vermögen der Anschauungen a priori, diese Einbildungskraft endlich – worauf? Offenbar auf nichts! Sie ist die wahrhafte Schildkröte, der absolute Grund, das Wesende in allen Wesen. Aus sich rein produziert sie sich selbst und, als die Möglichkeit selbst von allem Möglichen, nicht nur was möglich, sondern auch was – vielleicht! – unmöglich ist Jacobis Werke, Bd. III, S. 115-116..« In solche schöne Verbindung bringt Jacobi die Vermögen, und daß etwas, freilich nicht die Einbildungskraft als abgetrennt von der Totalität, auf sich selbst ruhe, ist für Jacobi nicht nur so unphilosophisch wie das Bild der dummen Indier, Welche die Welt von einem Wesen, das auf sich selbst ruhe, tragen lassen, sondern auch frevelhaft. Und weil jeder aus seiner Jugend und der Psychologie weiß, daß die Einbildungskraft ist ein Vermögen, zu erdichten, so will nach Jacobi die Philosophie durch eine solche Einbildungskraft den Menschen bereden, daß der ganze Mensch wirklich sei ein Gewebe ohne Anfang und Ende, aus lauter Trug und Täuschung, aus Wahngesichten, aus Traum, daß der Mensch sich eine Religion und Sprache erfunden und erdichtet habe usw., wie darüber endlos im Taschenbuch gezankt und apostrophiert wird. Kurz, Jacobi versteht eine solche Einbildungskraft sowie eine sich selbst erzeugende Vernunft als etwas Willkürliches und Subjektives und die sinnliche Erfahrung als ewige Wahrheit.
Wegen jener galimatisierenden Darstellung der Kantischen Konstruktion des erkennenden Geistes bezeugt Jacobi sich S. 52, daß ihr sehet, wie er eure Sache übrigens gut genug gefaßt habe, und will so großmütig sein, euch nicht vorzuwerfen, daß ihr wissentlich betrügt Ebendaselbst, S. 121.. – Der Herausgeber Reinhold beanmerkt jene wahrhaftige Darstellung damit, daß »die hier beschriebenen Funktionen die Kantische Philosophie, so ferne sie auch nur den Schein der Konsequenz behalten will, als die ihr stillschweigend vorausgesetzten Prinzipien ihrer Theorie des Erkenntnisvermögens anerkennen müsse; die Fichtische hingegen stellt die besagten Funktionen ausdrücklich, und zwar mit einem Anschauen, Denken und Wollen aller derselben auf.«
Die Hauptfrage, die Jacobi tut, ist: Wie kommt die Kantische Philosophie a priori zu einem Urteil, wie bringt sie das Absolute zur Geburt der Endlichkeit, die reine Zeit zu Zeiten, den reinen Raum zu Räumen? Das ewige Dilemma der Reflexion ist dieses: erkennt die Philosophie einen Übergang aus dem Ewigen ins Zeitliche, so ist leicht zu zeigen, daß sie das Zeitliche ins Ewige selbst setzt und also das Ewige zeitlich macht; erkennt sie diesen Übergang nicht, setzt sie das absolute Zugleich der Totalität für intuitive Erkenntnis, so daß das Differente nicht in der Form von Teilen und zeitlichem Wesen vorhanden ist, so ist sie mangelhaft, denn sie soll das Zeitliche, Bestimmte und Einzelne auch haben und erklären. – Das letztere ist der gemeine Reflexionsgedanke, an dem Jacobi eine Schraube zu besitzen meint, der auch die Kantische Philosophie nicht widerstehen könne. Er begreift glücklicherweise, wie das nicht fehlen kann, die Totalität der intellektuellen Anschauung oder apriorischen Synthesis, welche die Differenz schlechthin in sich schließt, als eine abstrakte Einheit und hat also die Teile nicht im Ganzen, sondern neben der abstrakten Einheit, zu welcher er das Ganze macht, und findet notwendig, daß wenn eine Synthesis a priori erklärt (!) werden sollte, so hätte man zugleich eine reine Antithesis erklären müssen; es finde sich aber nicht die leiseste Ahnung dieses Bedürfnisses. Das Mannigfaltige für die Synthesis werde von Kant empirisch vorausgesetzt und sollte dennoch bleiben, wenn man von allem Empirischen abstrahierte, als ob die ursprüngliche Synthesis nicht eine Identität des Differenten wäre. Aber freilich ist das Differente nicht als ein rein Endliches, Antithetisches, wie es Jacobi sehen will, darin. Ursprüngliches Synthesieren würde nach Jacobi ein ursprüngliches Bestimmen, ein ursprüngliches Bestimmen aber ein Erschaffen aus nichts sein. Es ist schon oben erinnert worden, daß für die Reflexion das Nichts da anfängt, wo keine absolute, isolierte, von der absoluten Substanz abstrahierte Endlichkeit, und daß die dem Nichts der Reflexion entgegengesetzte Realität der Reflexion, das Etwas der Reflexion schlechthin nur diese absolute Entgegensetzung und absolute Endlichkeit ist. Daß die Synthesis eine reine Einheit und also keine Differenz in ihr ist, ist der einzige und einfache Gedanke, in ein endloses, in Unsinnigkeiten sich hinein arbeitendes Gepolter und ganz ungebärdig tuendes Gepoche und Gezänke ausgedehnt. Die Idee der Synthesis, sowie der ganzen Kantischen Philosophie schöpft Jacobi aus einzelnen Stellen, und wenn da Kant einmal unter anderem die Synthesis die Handlung nennt, verschiedene Vorstellungen zueinander hinzutun und ihre Mannigfaltigkeit in einer Erkenntnis zu begreifen, was ist da klarer, als daß er die Antithesis zu seiner Identität schon voraussetzt? Jacobi vermischt gehörig alles Organische der Kantischen Konstruktion und macht sich Zeit, Raum, transzendentale Einbildungskraft beliebig klar und rein, alle zu reinen gediegenen Einheiten, die nichts miteinander zu schaffen haben. Er macht sich selbst zur absoluten Gediegenheit des unendlichen Raums und fragt nun: Wie könnt ihr in meine Gediegenheit einbrechen und nur einen distinkten Punkt in mir entstehen lassen? Wie können Zeit, Raum, Einheit des Bewußtseins ineinander einbrechen? – ohne zu bedenken, daß die Reinheit der Zeit, des Raums und der transzendentalen Einbildungskraft ebenso Erdichtungen sind als das, daß er diese gezänke- und wolkenlose Anschauung der unendlichen Gediegenheit des Raums ist. Mit der Zeit ist Jacobi etwas besser zufrieden; nämlich er findet sie als eine Brücke zwischen Realem und Idealem, Intellektualem und Materialem und kann sie für einen Sinn nehmen: sie ist zweiendig und irgendwo in einer Mitte, und also ein Sinn, – der ja überhaupt dieses Zweiendige und In-der-Mitte-Stehen zwischen Objekt und Subjekt ist. Aber wenn schon die Einbildungskraft eine Anfang, Mitte und Ende in sich habende Zeit erzeugt, so weiß sie nicht zu bedeuten, wie groß oder klein diese erzeugten Eier sind. Dies muß sie am Raum bestimmen, in den Jacobi übergeht, und sich als seine unendliche reine, ungetrübte Identität und Kontinuität setzt und in dieser Einheit festsitzend behauptet, daß in alle Ewigkeit eine reine und leere Einbildungskraft, wenn sie allein mit dem Raume wäre, keinen Punkt erzeugen könnte. Soll eine Verendlichung in dem reinen Raum begriffen werden, so erzählt Jacobi sehr gut, so muß dies Verendlichung (besser Realität) Setzende etwas sein, das über beides, über die reine Anschauung wie über den reinen Begriff, über den reinen Begriff wie über die reine Anschauung auf gleiche Weise erhaben sei, das weder unter eine (sinnliche) Anschauung, noch unter einen Begriff falle. Dies läuft für Jacobi in die teils wahre, teils schiefe Bestimmung: es schaue selbst nicht an und begreife selbst keine Begriffe; es sei ein gleiches allerreinstes Tun von beiden und heiße als solches synthetische Einheit der transzendentalen Apperception Jacobis Werke, Bd. III, S. 112-158, passim..
Mit diesem Worte, also an dem Punkte, wo zu allererst vielleicht von der Sache selbst die Rede hätte werden können, endigt sich die eigentliche Ausarbeitung Jacobis. An dem Punkte, wo das bisherige gedankenleere Gepolter und Gezanke ein Interesse erhalten zu können schien, weil bisher von nichts als leeren Einheiten und nur von galimatisiertem Verstande, Einbildungskraft und Vernunft die Rede war, bricht Jacobi ab, was er durch das Bulletin seiner Gesundheit in dem Vorbericht begreiflich macht, und zugleich eine etwaige Hoffnung, daß er selbst noch mit Besserem nachgekommen sein würde, dadurch ganz aufhebt, daß er (Vorher. S. 5) keine von den eigentlich gefährlichen Stellen mehr vor sich sieht, nur eine kleine etwas unwegsame, doch schon mehr als halbgebahnte Strecke Ebendaselbst, S. 65.. Verständlicher, wenn es durchs Vorhergehende nicht schon verständlich genug wäre, wird dies besonders durch S. 61, wo gesagt ist, daß ihr unter euren reinen qualitativen Einheiten und Kontinuitäten umsonst einen Unterschied einzuführen sucht, indem ihr einer den Namen einer synthetischen beilegt (die Sache liegt also bloß im Namen). Ich sage, die eine vermag so wenig als die andere zu dividieren und zu summieren; die Synthesis geschieht schlechterdings nicht durch sie, denn da müßte sie auch den Grund von der Antithesis in sich haben: hoc opus, hic labor; aber der leere Raum und die leere Zeit, und das Bewußtsein haben den Ursprung der Antithesis unmöglich in sich Ebendaselbst, S. 132-134.. – Kurz, der Verlauf der Sache ist: die absolute synthetische Einheit, die Totalität schließt alle Teile und Differenz in sich; – aber Ich, Jacobi sage: das ist nur ein Name; sie ist eine abstrakte Einheit, eine leere Einheit. Wie kann sie also der Grund selbst der Teilbarkeit und Antithesis sein?
Ganz verständlich wird der Begriff der Identität und der transzendentalen Einheit durch die herzliche Freundschaft des Fortsetzers. Bei diesem sieht die Stelle der transzendentalen Einheit ebensowenig gefährlich und mehr als halbgebahnt aus; dieser meint, der 81 Seiten (den Vorber. abgerechnet) hindurch einförmige Gedanke, daß die reine Einheit, wie Jacobi Raum usw. begreift, kein Mannigfaltiges sei, bedürfe vielleicht noch einiger Erläuterungen. In dem aus dem Poltern und Zanken ins Matte versinkenden Strome ist über die apriorische Synthesis, bei der Jacobi abbrach, folgendes zu finden: »Gesetzt, es gäbe ein reines Mannigfaltiges, wodurch würde alsdann die Verbindung möglich? Offenbar dadurch, daß sie in einem Dritten stattfände!« Köppen macht diesen klaren Gedanken auf folgende Weise klar: »Gesetzt, wir haben ein Verschiedenes im Raume, so besteht seine Verbindung eben darin, daß es sich im Raume befindet.« Noch klarer: »Gesetzt, wir haben ein Verschiedenes im Bewußtsein, so besteht die Verbindung darin, daß es im Bewußtsein vorhanden ist.« Mehr Klarheit: » Was verbindet nun die beiden räumlichen Gegenstände? Der Raum. Was verbindet die Mannigfaltigkeit des Bewußtseins? Das Bewußtsein. Die ganze Synthesis entdeckt uns nichts weiter als eine Identität.« Dieses Bisherige wird durch folgende Erläuterung begreiflicher gemacht: » Insofern zwei Gegenstände sich im Raume befinden, sind sie sich, als räumlich, vollkommen gleich; insofern sie sich im Bewußtsein befinden, sind sie, als im Bewußtsein vorhanden, vollkommen dieselben. Wozu bedarf es hier noch einer besondern Handlung des Verbindens? Ist denn durch den Raum und das Bewußtsein als passive Rezeptivitäten nicht schon die ganze Synthesis vollständig? Der Verstand tut also nichts als Gleichsetzen, und damit dies möglich sei, wird Gleich finden und Ungleich finden vorausgesetzt. Jedes Urteil ist ein Ausdruck einer solchen gefundenen Identität; was sonst noch außer dem nicht zu Unterscheidenden in einem Urteile angetroffen werden mag, gehört zum Materialen desselben und nimmt daher im Verstande nicht seinen Ursprung. Und dieses Geschäft des Verstandes, dieses Aufmerken, Begreifen einer vorhandenen Identität, zu deren Behuf die Einbildungskraft alles Besondere zerstören, alles Verschiedene aufheben muß, hieße Synthesis? (?) Es wird ja vielmehr alle Synthesis dadurch aufgehoben Jacobis Werke, Bd. III, S. 161-162.!«
Dies Köppen über die transzendentale Einheit der transzendentalen Apperzeption oder der produktiven Einbildungskraft. Es ist sehr verständlich Jacobi's Begriff vom Wissen ausgesprochen, daß wir Menschen die Dinge durch den Sinn und die übernatürliche Offenbarung des Sehens, Wahrnehmens und Empfindens als Tatsachen empfangen, daß das so aus der Erfahrung Genommene (welche der besser organisierte und besser gesinnte Mensch besser macht als die schlechtere Organisation und der schlechtere Sinn) schon und allbereits synthesiert ist, von uns nicht erst synthesiert zu werden braucht, noch auch synthesiert werden kann; denn unsere Tätigkeit auf dieses synthetisch Gegebene ist das Gegenteil eines Synthesierens, es ist ein Analysieren desselben, und diese analytische Einheit, die wir im Objekt finden, ist so wenig ein Synthesieren, ein Verknüpfen des Mannigfaltigen, daß vielmehr das Mannigfaltige, das Materiale durch die analytische Einheit in die Abschnitzel fällt. Raum, Bewußtsein usw., die objektive Welt, die Natur können wir nur nach analytischen Einheiten begreifen und sie nur zergliedern, es ist (Br. über Spin., S. 424), damit unserer Nachforschung ein unabsehliches (d. h. end- und totalitätsloses) Feld eröffnet, welches wir schon um unserer physischen Erhaltung willen zu bearbeiten genötigt sind; diejenigen Dinge, deren Mechanismus wir entdeckt haben, die können wir, wenn die Mittel selbst in unsern Händen sind, auch hervorbringen. Was wir auf diese Weise wenigstens in der Vorstellung konstruieren können, das begreifen wir, und was wir nicht konstruieren können, das begreifen wir auch nicht Ebendaselbst, Bd. IV, Abt. 2, S. 153.. Das Erkennen des Verstandes ist ein unaufhörliches Gleichsetzen, welches wir Verknüpfen nennen, und das nur ein fortgesetztes Vermindern und Vereinfachen des Mannigfaltigen ist, – wenn es möglich wäre, bis zu seiner gänzlichen Wegräumung und Vernichtung (Taschenbuch S. 32) Ebendaselbst, Bd. III, S. 227.. –
Wir sagen dagegen, daß transzendentale Einbildungskraft und Vernunfterkenntnis etwas ganz anderes ist, als Jacobi begreift, daß sie weder die Natur analysiert, noch Gegebenes in analytische Einheit und Mannigfaltigkeit auseinanderreißt, sondern, selbst organisch und lebendig und Totalität, die Idee der Totalität erschafft und konstruiert als absolute ursprüngliche Identität des Allgemeinen und Besondern, welche Identität Kant synthetische genannt hat, nicht als ob ein Mannigfaltiges vor ihr läge, sondern weil sie selbst in sich differenziert, zweiendig ist, so daß die Einheit und Mannigfaltigkeit in ihr nicht zueinander hinzutreten, sondern in ihr sich abscheiden und mit Gewalt, wie Plato sagt, von der Mitte zusammengehalten werden. Für den Sinn gibt Jacobi wohl eine Zweiendigkeit zu, weil bei diesem eigentlich gar nicht die Rede davon sein zu können scheint, daß er nicht mit einem gegebenen Objekte zu tun habe und seiner eigenen Zweiendigkeit ungeachtet nicht bloße Passivität und Rezeptivität sei, – als ob in seiner Zweiendigkeit und Mitte nicht selbst schon die Enden wären.
Das Gepoltere und Gezanke des Aufsatzes der Beiträge hat Jacobi in dem überflüssigen Taschenbuch 1802 auch für das unphilosophische Publikum und den Gaumen des philosophischen Dilettantismus zubereitet und zu diesem Behuf der Bitterkeit noch empfindsame Jean-Paulsche Beisätze zugemischt, unvorteilhafterweise aber an sinnvolle humoristische Einfälle Lichtenbergs seine empfindsamen, bissigen Edikte angeknüpft; denn Lichtenbergs tiefe und gutmütige launigte Laune erhöht durch den Kontrast unmittelbar den Eindruck einer untiefen, bittern launischen Laune. Wie weit diese zu keinem Unterricht dienenden verschreienden Verunglimpfungen des Kritizismus für die Wirkung, der so etwas allein fähig sein kann, das unphilosophische Volk mit greulichem Entsetzen und Abscheu vor einem solchen Gespenst, wie die Kantische Philosophie ist, durch eine tüchtige Kapuzinade zu erfüllen, gut ausgeführt seien und wie weit solche Gnomen und Sentimentalitäten, wie: » Der Trieb eines jeden lebendigen Wesens ist das Licht dieses Wesens, sein Recht und seine Kraft. Nur in diesem Lichte kann er wandeln, wirken nur in dieser Kraft. – Kein endliches Wesen hat sein Leben in ihm selbst, und so auch nicht von ihm selbst – seines Lichtes Flamme, seines Herzens Gewalt. – Mannigfaltig ist die Gabe des Lebens, mannigfaltig das Erwachen in dasselbe, mannigfaltig seine Führung, sein Gebrauch. Gleich dem Tiere erwacht auch der Mensch zuerst als ein sinnliches Geschöpf an der bloß sinnlichen Natur. – Siehe da den Lächelnden, den Lallenden Jacobis Werke, Bd. III, S. 203-204. usw.« – inwiefern alles dies ungemeine Geistreichigkeiten und Erbaulichkeiten seien, gehört in ein anderes Fach der Kritik.
Wie der philosophische Aufsatz in den Reinhold. Beiträgen, so enthält auch der populäre Aufsatz Stellen, welche dem unbefangenen äußern Ansehen nach eine philosophische Bedeutung haben könnten, z. B. S. 40, Anm. (das Unterstrichene findet sich im Taschenbuche so unterstrichen): Empfindung, Gedächtnis und Einbildung setzen ein Erstes und Ursprüngliches des Bewußtseins und der Tätigkeit, ein Prinzip des Lebens und der Erkenntnis, ein in sich Seiendes zum Voraus, das, als solches, weder Eigenschaft noch Wirkung, auf keine Art und Weise ein in der Zeit Entstandenes sein kann, sondern Selbst-Wesen, Selbst-Ursache (nach den Br. üb. Spin., S. 416 Ebendaselbst, Bd. IV, Abt. 2, S. 146.) hat aber die causa sui ihren Ursprung im Vergessen des wesentlichen Unterschiedes zwischen dem Satze des Grundes und der Kausalität), ein Außerzeitliches sein muß und in dieser Eigenschaft auch im Besitz eines außerzeitlichen, bloß inwendigen Bewußtseins. Dieses außerzeitliche, bloß inwendige, von dem auswendigen und zeitlichen auf das klarste sich unterscheidende Bewußtsein ist das Bewußtsein der Person, welche zwar in die Zeit tritt, aber keineswegs in der Zeit entsteht als ein bloß zeitliches Wesen. Dem zeitlichen Wesen gehört der Verstand; dem außerzeitlichen die Vernunft. –
Man könnte denken, daß Jacobi jetzt für die Vernunft den Satz des Grundes und des principii compositionis der altern Metaphysik für befriedigender halte, weil er das, was er an ihm vermißte, die Sukzession hier selbst aus der Vernunft als dem Außerzeitlichen ausschließt, – so auch, daß die blinde Einbildungskraft Kants ihrem Prinzip nach zugleich in dieser Vernunft, Welche ein inwohnendes und außerzeitliches Bewußtsein ist, enthalten sei, welches sich von dem zeitlichen und auswendigen Bewußtsein klar unterscheidet; denn das, was man Sehen nennt, ist allein im auswendigen und zeitlichen Bewußtsein. Oder wenn Jacobi fortfährt: Der Verstand isoliert, ist materialistisch und unvernünftig; er leugnet den Geist und Gott. Die Vernunft isoliert, ist idealistisch und unverständig; sie leugnet die Natur und macht sich selbst zum Gott. Der ganze, unzerstückte, wirkliche und Wahrhafte Mensch ist zugleich (das heißt wohl nicht nebeneinander, sonst wären es zwei Stücke und Teile) Vernunft und Verstand, glaubet ungeteilt und mit einerlei Zuversicht – an Gott, an die Natur und an den eigenen Geist, – so müßten wir den ungeteilten Glauben begreifen als eine Identität der Vernunft und des Verstandes, d. h. als ein Zugleich des Leugnens Gottes und des sich selbst zum Gott-Machens, der Identität des Zeitlichen und Außerzeitlichen, d. h. einer ewigen Zeit usw., ohne daß man die Jacobische Philosophie im geringsten galimathisierte, wie sie bei Spinoza und Kant tat, indem sie das, was das Charakteristische des Isolierten, insofern es isoliert gehalten wird, ist, in das Ungeteilte hineinträgt Jacobi schließt diese Anmerkung so: »Dieser dreieinige, allgemein unphilosophische Glaube muß auch im strengsten Sinn philosophischer, in der Reflexion bestätigter Glaube (durch die Bestätigung in der Reflexion, wenn hierin anders ein Sinn liegt, fällt aber die Form des Glaubens weg) werden können. Und ich bin kühn genug, zu sagen, daß ich weiß, er kann es werden, daß ich den Rückweg sehe, auf dem ein verirrtes Nachdenken (Reinhold hat sich mit diesem Prädikat bezeichnet, und Jacobi hält also Reinholds jetzige Periode für eine Verirrung und glaubt an eine nochmalige Verwandlung, ein Auskriechen desselben als Sylphide einer unsterblichen Philosophie, deren Prinzip das Gottleugnen und das sich selbst zum Gott Machen, den Verstand und die Vernunft verbindet und den Menschen ganz läßt, wie er ist) hier wieder ankommen und dann erst eine wahre Philosophie, eine den ganzen Menschen erleuchtende Wissenschaft und Weisheit hervorbringen wird.« Diese den philosophischen Dilettanten gegebene Notiz kann das philosophische Publikum bis zur Erscheinung jener Verwandlung ignorieren., – sowie auf der andern Seite diesen ungeteilten Glauben, als ein ungeteiltes, ein reines, reines, reines, wellenloses Eins, Anfang- Mittel- und Endlose Ein-Fach-Heit, ohne Derheit, Dieheit, Dasheit usw. (S. Aufs, in Reinh. Beitr. 3. H. passim).
Wer Lust und Gefallen daran hätte, sich an einer Schnur von Unsinnigkeiten und Galimathias fortschwatzen zu lassen, fände in diesen Jacobischen Aufsätzen die beste Gelegenheit an der Ungeteiltheit des Außerzeitlichen und des Zeitlichen, der Selbstwesenheit und des Empirischen usw. Diese Zusammensetzungen sind nämlich nicht so zu verstehen, daß das Zeitliche in dem Außerzeitlichen, das empirische Bewußtsein in Vernunftanschauung zugrunde ginge, alle Endlichkeit sich im Unendlichen versenkte und nur eine Totalität als das Ansich, das weder isolierter Verstand noch isolierte Vernunft ist, erkannt würde. Denn da würde das Fürchterliche erfolgen, daß das endliche Sein der Dinge sich vernichtete und die endlichen Dinge zu Erscheinungen und Gespenstern würden; wenn die Vernunft das Endliche als nicht absolut, als nicht ewig erkennt, so kann der Mensch nur (Taschenb. S. 36) Jacobis Werke, Bd. III, S. 230-231. Dasein haben durch Phantasie, nur Vernichtung durch Vernunft, und doch ist dem Menschen Vernunftberaubung das Ärgste, und dann ist das eröffnete Menschenlos ein Los der grauenvollsten Verzweiflung; – nein, nach diesem grellsten aller Synkretismen soll die Vernunft als die Erkenntnis des Außerzeitlichen und des Selbstwesens auch dem Verstand als dem Zeitlichen und Unwesentlichen sein Recht lassen und, wenn sie der Gottheit einen Tempel erbaut, so human sein, auch dem Teufel seine Kapelle daneben zu lassen.
Aus dem ganzen Bisherigen, sowohl dem Positiven als Polemischen des Wissens der Jacobischen Philosophie ist der Charakter dieses Wissens hervorgegangen, daß die Vernunft Tatsachen analysieren, das Allgemeine vom Besondern trennen und an leerer Identität fortgehen kann, und wo eine Philosophie eine absolute Identität des Allgemeinen und Besondern aufstellt, da wird diese Identität schlechthin wieder zu einer vom Besondern herausgetrennten Allgemeinheit gemacht und die Notwendigkeit ihr erwiesen, daß zu ihrem Allgemeinen Besonderes erst hinzukommen müsse oder daß sie zu dem gegebenen Besondern nur hinzutrete. Wo Jacobi selbst eine Zweiendigkeit, eine Subjekt-Objektivität anerkennt, muß sie in Form eines Sinnes, eines Dinges, eines Erfahrnen sein, das seinen Charakter eines Gegebenen, einer unverrückten Entgegensetzung gegen das denkende Subjekt nicht verlieren, noch als freie Vernunftidee und Gemeingut der Wissenschaftlichkeit, sondern nur als etwas subjektiv Geistreiches ausgesprochen werden darf, und Denken und Sein, das Allgemeine, welches formale Identität, und das Besondere, welches ein Gegebenes bleibt, die geistreiche Subjektivität und die Objektivität des Wissens kommen im Erkennen nicht zusammen; die gegebene Tatsache und die sie denkende Subjektivität, eins ist wie das andere ein Absolutes. –
Wir haben nunmehr den Punkt zu betrachten, wie die absolute Identität, die nicht im Erkennen ist, – und doch muß sie schlechthin zugleich für die sich absolut setzende Subjektivität sein, – für eine solche ist. Dies Verhältnis nun einer absoluten Endlichkeit zum wahrhaft Absoluten ist der Glaube, in welchem die Subjektivität sich zwar vor dem Ewigen als Endlichkeit und Nichts anerkennt, aber selbst dies Anerkennen so einrichtet, daß sie sich als ein an sich außer dem Absoluten Seiendes rettet und erhält. Dem vom Besondern abgetrennten Allgemeinen ist aber nicht nur das absolute Identische beider, sondern auch das Besondere entgegengesetzt, und auch auf das Wissen von dem Besondern außer dem Begriff, auf die empirische unmittelbare Vorstellung der gemeinen Objektivität hat Jacobi den Glauben ausgedehnt, indem er diese Bedeutung von den Ur- und Grundempirikern Hume und Locke aufnahm, welche es vorzüglich sind, die das Philosophieren in diese Endlichkeit und Subjektivität versenkt, dies Begründen der Erkenntnis und Kritisieren der menschlichen Gemütskräfte an die Stelle des Erkennens, das Besondere als solches als das Absolute gesetzt, durch Analyse sinnlicher Erfahrung die Metaphysik vertrieben haben, und deren Reflexionswesen, auf deutschem Grund und Boden weitläufiger und systematischer ausgesponnen, deutsche, d. h. Kantische, Jacobische und Fichtesche Philosophie genannt wird. Abgesehen von der Beziehung des Glaubens auf Philosophie, so ließ Mendelssohn und andere sich nicht träumen, da noch eine Tradition von dem, was Gegenstand philosophischer Erkenntnis sei, da war, daß Jacobi auf die Gewißheit des gemeinen Objektiven den Namen Glauben ausdehnte und dadurch der Gewißheit der gemeinen Objektivität von seiner Seite eben die Wichtigkeit gab, welche Hume, Kant und Fichte ihr auf eine andre Weise gaben, eine Wichtigkeit, die, da Jacobi durch Behauptung derselben, und Hume, Kant und Fichte durch Verneinung derselben, beide Teile gleicherweise ein und ebendieselbe Beschränktheit und Endlichkeit absolut machen, für beide ganz dieselbe wird, indem es völlig gleichgültig ist, ob die Endlichkeit etwas Objektives (im gemeinen Sinne) oder Subjektives sei, wenn sie absolut ist. Mendelssohn dachte beim Jacobischen Glauben nicht an Gewißheit von zeitlichen Dingen, sondern an die durch Vernunft nicht erkannte Gewißheit des gemeinen Bewußtseins von Ewigem und Außerzeitlichem, indem er (Br. über Spin., S. 92) sich ausdrückt: Meine Religion kennet keine Pflicht, dergleichen Zweifel anders als durch Vernunftgründe zu heben, befiehlt keinen Glauben an ewige Wahrheiten Jacobis Werke, Bd. IV, Abt. 1, S. 116.; – indem er von ewigen Wahrheiten als dem Gegenstande der Philosophie spricht, so hatte er die Idee, daß die Philosophie sich nicht mit der Gewißheit empirischer Wirklichkeit beschäftige, und daß auch Jacobi bei seinem Glauben nicht den Humeschen Glauben an sinnliche Wahrnehmung im Sinn habe.
Jacobi aber hatte nicht ewige Wahrheiten, sondern die Wahrheit gemeiner Wirklichkeit im Sinne; auf diese geht unmittelbar die erste Jacobische Erklärung gegen Mendelssohn (Br. über Spin., S. 215): Lieber Mendelssohn, wir alle werden im Glauben geboren und müssen im Glauben bleiben … Durch den Glauben wissen wir, daß wir einen Körper haben und daß außer uns andere Körper und andere denkende Wesen vorhanden sind. Eine wahrhafte, wunderbare Offenbarung! Denn wir empfinden doch nur unseren Körper, so oder anders beschaffen, und indem wir ihn so oder anders beschaffen fühlen, werden wir nicht allein seine Veränderungen, sondern noch etwas davon ganz Verschiedenes, das weder bloß Empfindung, noch Gedanke ist, andere wirkliche Dinge (ist von Jacobi selbst unterstrichen) gewahr, und zwar mit eben der Gewißheit, mit der wir uns gewahr werden; denn ohne Du ist das Ich unmöglich. Wir erhalten also, bloß durch Beschaffenheiten, die wir annehmen, alle Vorstellungen, und es gibt keinen andern Weg reeller Erkenntnis; denn die Vernunft, wenn sie Gegenstände gebiert, so sind es Hirngespinste. So haben wir denn eine Offenbarung der Natur, welche nicht allein befiehlt, sondern alle und jede Menschen zwingt, zu glauben und durch den Glauben ewige Wahrheiten anzunehmen Ebendaselbst, S. 210-211.. – Es ist hier das Wissen von gemeiner Wirklichkeit, die sinnliche Wahrnehmung nicht nur in den Glauben eingeschlossen, sondern auf sie ganz allein der Glaube und die ewigen Wahrheiten eingeschränkt. – Jacobi fährt fort: »einen andern Glauben lehrt die Religion der Christen, – sie befiehlt ihn nicht, einen Glauben, der nicht ewige Wahrheiten, sondern die endliche zufällige Natur des Menschen zum Gegenstande hat.« – Also jene ewigen Wahrheiten vom Haben eines Körpers und andern Körpern und dem Dasein außer uns anderer Körper und wirklicher Dinge beträfen nicht die zufällige, endliche Natur des Menschen? Und welch eine schlechte Natur müßte vollends diejenige sein, welche im Verhältnis zu jener ersten selbst noch endlich und zufällig ist, und welch eine Religion die christliche, welche diese noch niedrigere, noch endlichere und zufälligere Natur zum Gegenstande hätte!
Da Jacobi in dieser Erklärung, die durch die besondern Umstände ihrer Veranlassung und ihrer dadurch bewirkten Absichtlichkeit noch mehr Gewicht erhält, den Glauben und ewige Wahrheiten auf das Zeitliche und Körperliche ausdrücklich einschränkt, so ist ganz consequent, die Kantische und Fichtesche Philosophie zu verabscheuen, welche darauf gehen, daß im Endlichen und Zeitlichen keine Wahrheit sei, und welche vorzüglich in der Negativität groß sind, in welcher sie erwiesen, was endlich und Erscheinung und Nichts ist. Die Kantische und Fichtesche Philosophie, indem sie einen unverrückten Gegensatz zwischen Erkennen und Glauben festhalten, setzen unmittelbar die Entgegensetzung und damit die Endlichkeit als solche selbst absolut, aber mit dem Unterschiede, daß diese Endlichkeit eine leere und nichts als der reine, unendliche Begriff der Endlichkeit, welche dadurch der Unendlichkeit gleich wird, jeder Inhalt aber und Erfüllung, den sich diese Endlichkeit gibt und geben muß, eine Nichtigkeit sein soll. Jacobi aber verlangt dieses Nichtige in seiner ganzen Länge und Breite und erhebt ein ungebärdiges Zetergeschrei über die Vernichtung dieser Nichtigkeit. Es ist ferner hierüber, daß die Kantische und Fichtesche Philosophie die unmittelbare Gewißheit des Übersinnlichen als Glauben statuieren, nicht das mindeste Mißverständnis möglich, ebensowenig darüber, daß, wenn Kant den Ideen alle Realität von Seiten der theoretischen Vernunft abspricht, ihm die theoretische Erkenntnis eine Bestimmung durch die Kategorien ist, die ihre Realität allein in der Sinnenwelt und in der Erfahrung haben, oder die überhaupt nur ein verständiges, nicht ein vernünftiges Erkennen möglich machen. Wenn nun Kant den Vernunftbegriffen in dem Sinne alle Realität abspricht, daß sie in einer sinnlichen Wahrnehmung und einer durch Verstandesbegriffe vermittelten Erfahrung nicht gegeben werden können und im Felde der Erfahrung nur regulative Prinzipien für den Verstandesgebrauch seien, so sieht Jacobi darin, daß ein zeitliches und körperliches Dasein von ihnen geleugnet wird, die Vernichtung dieser Ideen selbst und »fragt (S. 36 Reinh. 3. Heft) jeden Redlichen auf sein Gewissen, ob er wohl, nachdem er einmal deutlich eingesehen hat, daß die Idee für das körperliche und zeitliche Wissen und Erfahren und sinnliche Wahrnehmen nur problematisch sei, zu jenen nun ein für allemal ausgemacht objektiv – wohlgemerkt in welchem Sinne – grundlosen, je aus irgendeiner Ursache als zu objektiv wahren und realen Vorstellungen werde zurückkehren und ein aufrichtiges, herzliches Vertrauen in sie setzen können? Ich sage, es ist unmöglich Jacobis Werke, Bd. III, S. 102-103.!« – Man muß vielmehr sagen, ganz allein nach Vernichtung jener Art von Realität ist es möglich, zu den Ideen ein Zutrauen zu fassen; hingegen im Bestehen des Dogmatismus der absoluten Endlichkeit und Subjektivität, der die ewigen Wahrheiten in die Körper und andere wirkliche Dinge setzt, ist es unmöglich.
Es kann als Beispiel, bis zu welchen hämischen Verdrehungen dieser blinde Haß gegen das Vernichten der Zeitlichkeit und der heilige Eifer für die gute Sache der wirklichen Dinge treibt, – eine bei dieser Gelegenheit vorkommende Zitation nicht vorbeigegangen werden, (es ist damit nicht gesagt, als ob diese mit den obenangeführten Zitationen die einzigen der Art wären, sondern es sind nur die einzigen, die wir bei Kant nachgeschlagen haben). S. 99 f., Reinh. 5. Heft sagt Jacobi oder Köppen: Weit konsequenter wäre es daher, wenn wir bei allen Vorstellungen von Gott und Unsterblichkeit an gar keine Objektivität dächten und mit dem Verfasser der Vernunftkritik sagten: Alles, was Religion und Freiheit betrifft, ist bloße Vernunftidee, bloße heuristische Fiction und, abgesehen von seiner Brauchbarkeit als leitendes Prinzip des Verstandes, ein bloßes Gedankending von unerweislicher Möglichkeit Ebendaselbst, S. 181.. Dazu ist zitiert Kr. d. r. V. S. 799; da heißt es: Die Vernunftbegriffe sind bloße Ideen und haben freilich keinen Gegenstand in irgendeiner Erfahrung; sie sind bloß problematisch gedacht usw. Aus den Vernunftbegriffen, von denen hier ganz allein in theoretischer Beziehung die Rede ist, wird von Jacobi oder Köppen, ganz unbedingt und uneingeschränkt gemacht: alles, was Religion und Freiheit betrifft, und dies sei bloße Fiktion, – und was Kant von ihrer theoretischen Realität sagt, ist von ihrer Realität überhaupt ausgesprochen.
Neben dem, daß Jacobi den Glauben in die Wirklichkeit und sinnliche Erfahrung herabgezogen hat und von diesem allein gegen Mendelssohn spricht, hat er aber auch noch einen Glauben nicht an die Endlichkeit, sondern an das Ewige, und wir müssen sehen, ob dieser Glaube, der das Ewige als absolutes Objekt, und von ihm getrennt und unvereinigt das Erkennen setzt und vernünftiges Erkennen dadurch, daß das Erkennen nur als etwas Subjektives und formales Wissen anerkannt ist, ausschließt, durch die Versetzung in das Verhältnis zur Reflexion auch als Glaube nicht verunreinigt worden ist. Der Glaube des nicht zu abstrakter Reflexion sich erhebenden Menschen hat die Unbefangenheit, daß er nicht der Reflexion entgegengesetzt ist; er ist sowohl ohne die Reflexion, daß die Beziehung auf das Ewige in Form des Glaubens als einer unmittelbaren Gewißheit, die nicht durch Denken objektiv und in die Form des Begriffes aufgenommen worden ist, der vernünftigen Erkenntnis, ohne ihr notwendig zu widerstreiten, gegenübersteht, als auch ohne Beziehung auf eine Entgegensetzung überhaupt, – eine reine rücksichtlose Position, nicht eine Negation, weder eines andern Glaubens an etwas anders, noch einer andern Form für den Inhalt dieses Glaubens. Inwieferne die Unbefangenheit des Glaubens durch jene Rücksicht affiziert werden könne, gehört nicht hieher; die Rücksicht allein gehört hieher: wenn der Glaube als solcher mit Bewußtsein über sich selbst verbunden ist und wenn er das formale, endliche Wissen negiert, inwiefern er mit dieser Rücksicht auf das endliche Wissen, da kein vernünftiges Wissen zustande kommen soll, sich in Wahrheit über die Subjektivität und Endlichkeit zu erheben fähig sei. In dieser negierenden, bewußten Gestalt tritt der Glaube bei Kant, Jacobi und Fichte auf. Die ganze Sphäre der Endlichkeit, des selbst etwas Seins, der Sinnlichkeit versinkt im wahrhaften Glauben vor dem Denken und Schauen des Ewigen, was hier eins wird; alle Mücken der Subjektivität verbrennen in diesem verzehrenden Feuer, und selbst das Bewußtsein dieses Hingebens und Vernichtens ist vernichtet. Auch unter den religiösen Handlungen, in welchen der Glaube, Gefühl und Schauen ist, gibt es mehr und weniger reine und objektive, wie im Gesang das Bewußtsein und die Subjektivität sich mehr in die allgemeine objektive Harmonie verschmilzt, als sie im stillen Gebet sich aufhebt.
Aber Glaube in die Philosophie eingeführt, verliert völlig jene reine Unbefangenheit; denn jetzt ist es die Vernunft, die zu ihm aus der Reflexion flüchtet, um die Endlichkeit zu vernichten und die Subjektivität aufzuheben, – aber von dieser vorhandenen Opposition gegen die Reflexion und Subjektivität wird eben darum der Glaube selber affiziert. Es bleibt in ihm, denn er hat hier zugleich die Bedeutung dieses Negierens, die Reflexion auf die Vernichtung der Reflexion und die Subjektivität des Bewußtseins der Vernichtung der Subjektivität, und die Subjektivität hat sich so in ihrer Vernichtung selbst gerettet. Weil in dem auf seinen Glauben nicht reflektierenden Bewußtsein endliches Denken und Glauben auseinander liegt, ist wegen dieses Auseinanderliegens ein solches Bewußtsein ein nichtphilosophisches Bewußtsein. Das endliche Tun und Treiben und die sinnliche Wahrnehmung, – und auf der andern Seite der Gottesdienst wechseln miteinander ab, und wenn dem religiösen Menschen alles endliche Objektive zugleich unter einer Gestalt der Ewigkeit sich darbietet und sein Tun gleichfalls eine solche Gestalt ausdrückt, so ist diese Gestalt der Ewigkeit dabei etwas Subjektives; es ist die sittliche einzelne Schönheit, die sich darstellt. Die wahrhafte Objektivität und Allgemeinheit erhält diese Schönheit in der Kunst und Philosophie, in welchen der aufs Absolute sich beziehende Gegensatz von Glauben und Reflexion verschwindet, sowohl insofern er im gemeinen Bewußtsein unbewußt, als insofern er in Reflexionsphilosophien bewußt vorhanden ist. Indem er im gemeinen Bewußtsein unbewußt vorhanden ist, vermag der Glaube und das, was aus dem Glauben kommt, rein zu sein; denn die Subjektivität und Endlichkeit liegt völlig jenseits, ohne Berührung und Beziehung darauf. So bleibt aber der in die Philosophie eingeführte Glaube nicht; denn hier hat er eine Rücksicht und Bedeutung des Negierens, und in diesem Negieren berührt und dadurch erhält er die Subjektivität. Er ist von dem Gegensatz selbst affiziert, sowie dasjenige, was seinen Inhalt macht, als Übersinnliches eine unverrückte Sinnlichkeit, das Unendliche eine unverrückte Endlichkeit gegen sich hat, und weil in ihm beides, vernichtete und gerettete Subjektivität ist, so ist diese gerechtfertigt; denn sie beruft sich auf ihr Vernichtetsein, da sie im gemeinen rücksichtslosen Glauben hingegen wahrhaft verschwunden und vor ihm etwas Unheiliges ist.
Diese Verunreinigung des Glaubens und diese Heiligung der Subjektivität muß uns noch kürzlich auf die praktische Philosophie Jacobis führen. Kants praktische Vernunft oder der leere Begriff in seiner unverrückten Entgegensetzung gegen die Natur kann nichts anderes als ein System der Tyrannei und des Zerreißens der Sittlichkeit und Schönheit produzieren oder, wie die Kantische Moral, sich an nichts bestimmende, formelle, sogenannte Pflichten halten, deren Aufzählung und Darstellung in wissenschaftlicher Inkonsequenz der Konsequenz der Natur nachgibt; und diese Seite allein, indem sie in der Möglichkeit einer Kasuistik die wissenschaftliche Nichtigkeit zugleich gesteht, macht das Bestreben sittlicher Ideen sichtbar. Aber in der Rechtslehre muß bestimmt werden: hier geht es nicht, die Bestimmtheit wieder ins Unbestimmte gehen zu lassen, und diese Wissenschaft hat denn notwendig die sittliche Natur mit den grellsten Schändlichkeiten besudeln müssen. Der allgemeine Haß der Jacobischen Philosophie gegen den Begriff verschmäht notwendig seine objektive Form der Sittlichkeit, Gesetz, und vollends das reine Gesetz als formales Sittenprinzip, und unter andern vortrefflichen Stellen hierüber ist die im Brief an Fichte S. 32 schön und ganz rein: Ja, ich bin der Atheist und Gottlose, der, dem Willen, der nichts will, zuwider – lügen will, wie Desdemona sterbend log, lügen und betrügen will wie der für Orest sich darstellende Pylades, morden will wie Timoleon, Gesetz und Eid brechen wie Epaminondas, wie Johann de Witt, Selbstmord beschließen wie Otho, Tempelraub begehen wie David, – ja, Ähren ausraufen am Sabbath, auch nur darum, weil mich hungert und das Gesetz um des Menschen willen gemacht ist, nicht der Mensch um des Gesetzes willen. – Denn mit der heiligsten Gewißheit, die ich in mir habe, weiß ich – daß das privilegium aggratiandi wegen solcher Verbrechen wider den reinen Buchstaben des absolut allgemeinen Vernunftgesetzes, das eigentliche Majestätsrecht des Menschen, das Siegel seiner Würde, seiner göttlichen Natur ist Jacobis Werke, Bd. III, S. 37-38..
Wir haben diese Stelle Jacobis ganz rein genannt, insoferne – denn das Sprechen in der ersten Person: Ich bin und Ich will, kann ihrer Objektivität nicht schaden – der Ausdruck, daß das Gesetz um des Menschen willen, nicht der Mensch um des Gesetzes willen gemacht ist, ohne Rücksicht auf die Bedeutung, die dieser Ausdruck da hat, wo er hergenommen ist, auch in diesem Zusammenhang zwar eine allgemeinere Bedeutung gewinnt, aber seine wahre behält. – Der sittlichen Schönheit kann keine von beiden Seiten fehlen, weder ihre Lebendigkeit als Individualität, daß sie nicht dem toten Begriffe gehorcht, noch die Form des Begriffs und des Gesetzes, die Allgemeinheit und Objektivität, – die Seite, welche Kant durch die absolute Abstraktion allein gesetzt und der er die Lebendigkeit durchaus unterworfen und sie getötet hat. Die angeführte Stelle über die Seite der Lebendigkeit und Freiheit der Sittlichkeit schließt ihre Objektivität nicht, aber drückt sie auch nicht aus, und über ihre Notwendigkeit und Objektivität müssen wir uns nach andern Daten umsehen.
Schon dasjenige, was an Beispielen von sittlichen Charakteren, woran Jacobi seine Idee der Sittlichkeit klarmachen will, herausgehoben wird, zeigt die Vernachlässigung der gesetzlichen und objektiven Seite. Bei den Spartanern Spertias und Bulis (Briefe über Spin., S. 240) ist es ihre Erfahrung, was ihre Sittlichkeit bestimmt; sie sagen nicht, merkt Jacobi an, zu Hydarnes, der sie bereden wollte, Freunde des Königs zu werden: du bist ein Tor; sie gestanden vielmehr, daß er weise sei in seinem Maße, einsehend und gut. Sie versuchten es auch nicht, ihm ihre Wahrheit beizubringen, sie beriefen sich nicht auf ihren Verstand, auf ihr feines Urteil, sondern nur auf Dinge, und auf ihre Neigung zu diesen Dingen. Sie rühmten sich auch keiner Tugend, und hatten auch keine Philosophie; sie bekannten nur ihres Herzens Sinn, ihren Affekt, und bei Xerxes seien sie nicht deutlicher geworden als bei Hydarnes, dem sie ihre Erfahrung nannten. Zu Xerxes sagten sie nämlich: »Wie könnten wir hier leben, unser Land, unsere Gesetze verlassen und solche Menschen, daß wir, um für sie zu sterben, freiwillig eine so weite Reise unternommen haben? Jacobis Werke, Bd. IV, Abt. 1, S. 232-234.« Kann es aber eine größere Deutlichkeit des Sittlichen geben? Ist hier nur Subjektivität der Erfahrung, des Sinnes, einer Neigung sichtbar? Dem Satrapen bewiesen sie gerade ihre Verachtung, daß sie ihm von seiner und ihrer Erfahrung und Neigung sprachen und seiner Subjektivität ihr Wesen in der Form einer Subjektivität entgegensetzen; der Majestät des Monarchen aber bewiesen sie ihre Ehrfurcht, daß sie vor ihm ganz deutlich wurden und das Objektivste und für ihn ebenso Heilige als für sie, nämlich Land, Volk und Gesetze nennen. Aber Jacobi nennt, was das Lebendigste ist, Vaterland, Volk und Gesetze, Dinge, an die sie gewöhnt seien, wie man an Dinge gewöhnt ist; er begreift sie nicht als heilige Dinge, sondern als gemeine: denn gegen heilige Dinge ist nicht ein Verhältnis des Gewohntseins und der Abhängigkeit. Er begreift als eine Zufälligkeit und Abhängigkeit, worin die höchste Notwendigkeit und die höchste Energie sittlicher Freiheit ist, den Gesetzen eines Volkes, und noch dazu des Spartanischen gemäß zu leben, – als etwas gemein Empirisches, was das Vernünftigste ist. Die Erbärmlichkeit der Subjektivität aber, sich auf feines Urteil und Verstand zu berufen oder sich einer Tugend zu rühmen, war ihnen ohnehin nicht zuzumuten, und das Nichtvorhandensein einer solchen Erbärmlichkeit ist etwas zu Schlechtes, um an ihnen als Tugend ausgezeichnet werden zu können. – Noch weniger ist an das Herausheben der Objektivität bei Kleomenes in Woldemar zu denken, da dieser Spartaner hier eingeführt ist, nicht in den Verhältnissen mit seinem Vaterland und in der Kraft seiner wahrhaften Tugend, sondern in der Individualität seines Untergangs, und um wen zu erbauen? – affektierte oder unbedeutende Weiber und empfindsame Bürger.
Sonst aber kann man, da Jacobi für sittliche Schönheit dem Begriffe und der Objektivität zuwider ist, sich darüber allein an Gestalten halten, in denen er seine Idee der sittlichen Schönheit klarmachen wollte. Der Grundton aber dieser Gestalten ist dieser bewußte Mangel an Objektivität, diese an sich selbst festhängende Subjektivität, die beständige, nicht Besonnenheit, sondern Reflexion auf seine Persönlichkeit, diese ewig auf das Subjekt zurückgehende Betrachtung, welche an die Stelle sittlicher Freiheit höchste Peinlichkeit, sehnsüchtigen Egoismus und sittliche Siechheit setzt, ein Betrachten seiner selbst, welches mit schöner Individualität eben die Verwandlung vornimmt, die mit dem Glauben vorging, nämlich durch dies Bewußtsein individueller Schönheit sich das Bewußtsein der aufgehobenen Subjektivität und des vernichteten Egoismus zu geben, aber durch dies Bewußtsein gerade die höchste Subjektivität und innern Götzendienst gesetzt und sie zugleich gerechtfertigt zu haben. Wie wir bei den Dichtern, welche erkennen, was ewig, und was endlich und verdammt ist, bei den Alten, Dante, und an dem schon in seinem Leben eine Zeitlang der Hölle hingegebenen Orest bei Goethe die Verdammnis der Hölle ausgesprochen finden, nämlich als das ewige Verbundensein mit der subjektiven Tat, das Alleinsein mit seinem eigenen, sich selbst Angehörigen und die unsterbliche Betrachtung dieses Eigentums, so sehen wir an den Helden Allwill und Woldemar eben diese Qual der ewigen Beschauung ihrer selbst nicht einmal in einer Tat, sondern in der noch größern Langeweile und Kraftlosigkeit des leeren Seins, und diese Unzucht mit sich selbst als den Grund der Katastrophe ihrer unromanhaften Begebenheiten dargestellt, aber zugleich in der Auflösung dies Prinzip nicht aufgehoben und auch die unkatastrophierende Tugend der ganzen Umgebung von Charakteren wesentlich mit einem Mehr oder Weniger jener Hölle tingiert.
Wenn also bei Jacobi die protestantische Subjektivität aus der Kantischen Begriffsform zu ihrer wahren Gestalt, einer subjektiven Schönheit der Empfindung und der Lyrik himmlischer Sehnsucht zurückzukehren scheint, so ist doch der Glaube und die individuelle Schönheit durch das wesentliche Ingrediens der Reflexion und des Bewußtseins über diese subjektive Schönheit aus der Unbefangenheit und Rücksichtslosigkeit herausgeworfen, wodurch sie allein fähig ist, schön und fromm und religiös zu sein.
Es ergibt sich also aus dem Bisherigen, daß die Kantische Philosophie der Jacobischen entgegengesetzt ist, insofern innerhalb der Sphäre, die ihnen gemeinschaftlich ist, die Kantische absolute Subjektivität und Endlichkeit in reiner Abstraktion setzt und dadurch die Objektivität und die Unendlichkeit des Begriffs gewinnt, die Jacobische aber die Endlichkeit selbst nicht in den Begriff aufnimmt, sondern sie als endliche Endlichkeit, als empirische Zufälligkeit und Bewußtsein dieser Subjektivität zum Prinzip macht. Die gemeinschaftliche Sphäre beider Philosophien ist das Absolutsein des Gegensatzes von Endlichkeit, Natürlichem, Wissen, aber eben deswegen einem formalen, – und von Übernatürlichem, Übersinnlichkeit und Unendlichkeit; für beide also ist das wahrhaft Absolute ein absolutes Jenseits im Glauben oder im Gefühl und nichts für die erkennende Vernunft. In beiden kommt die spekulative Idee vor: in der Kantischen Philosophie tritt sie in die Deduktion der Kategorien rein ein, um sogleich aber eine reine Identität, eine Verstandeseinheit zu werden, und sonst als ein bloß möglicher Gedanke, der im Denken keine Realität gewinnen kann, weil die Reflexion schlechthin das Herrschende sein soll; bei Jacobi ist sie ebenso in subjektiver Form als etwas Partikuläres, Geistreiches, das ebensowenig in die Allgemeinheit aufgenommen, als die Vernunft aus dem Instinkt und subjektiver Individualität sehend, nämlich etwas fürs Denken werden darf.
Weil diese Seite des überwiegenden Subjektiven und Endlichen, welche, wenn einmal die Philosophie ihre Richtung nach der Form der Reflexion hin genommen hat, notwendig ist, von andern philosophischen Bestrebungen zwar gleichfalls, aber teils schwächer, teils nicht mit dieser Prätension ausgedrückt wird, so konnte sie an der Jacobischen Form, welche die theoretische und praktische Subjektivität, sowie das Jenseits des Glaubens am klarsten ausspricht, als an der Repräsentantin ihrer Gattung vorzugsweise dargestellt werden. Zugleich aber ist zu bemerken, daß diese Seite selbst in einer höhern und edlern Gestalt kann aufgefaßt werden.
Es ist schon erinnert worden, daß das Prinzip des Jacobischen Philosophierens, indem es das Individuelle und Besondere über den Begriff erhebt und die subjektive Lebendigkeit geltend macht, sich einerseits der subjektiven Schönheit des Protestantismus nähert, welcher den Umgang mit Gott und das Bewußtsein des Göttlichen nicht in der sättigenden Objektivität eines Kultus und dem in sich klaren und gegenwärtigen Anschauen und Genuß dieser Natur und dieses Universums erkennt, sondern jenen Umgang und Bewußtsein als ein inneres, das die fixe Form eines Innern behält, und als eine Sehnsucht nach einem Jenseits und einer Zukunft bestimmt, eine Sehnsucht, die obschon sie mit ihrem ewigen Objekt sich nicht vereinigen kann, darin, daß ihr Objekt wahrhaft und ohne im Hinterhalte etwas Eigenes für sich behalten zu wollen, das Ewige ist, ihre Schönheit und ihren unendlichen Genuß hat; andererseits aber wird durch das Jacobische Prinzip die Schönheit der Individualität und ihre Form der Empfindung und Liebe und Glaube dadurch getrübt, daß der Glaube insofern er auf das Ewige geht, eine polemische Rücksicht und damit den unüberwindlichen Reflex der Subjektivität hat und auch als absolute Gewißheit auf das Zeitliche und Wirkliche ausgedehnt wird, so daß das Zeugnis der Sinne für eine Offenbarung von Wahrheit gilt und Gefühl und Instinkt die Regel der Sittlichkeit enthalten, und daß durch die Reflexion auf die Persönlichkeit und darauf, daß der Mensch überhaupt, und die besondere Person das Subjekt solcher schönen Empfindung und Liebe ist, die Sehnsucht ein Wärmen an seiner Subjektivität, seinen schönen Gedanken und Empfindungen wird. Die Wahrheit aber, die in der Natur ist, vermag in der Form der Wirklichkeit und Zeitlichkeit, und das Bewußtsein seiner absoluten Persönlichkeit im Menschen nicht den Schmerz der religiösen Sehnsucht zu versöhnen, noch ihn aus seinem Jenseits zurückzurufen. Denn die Natur als Zeitliches und das Individuum als ein in seiner Einzelheit Absolutes ist nicht die Natur als Universum, in dessen Schauen als einem diesseitigen die Sehnsucht ihren Frieden finden könnte, noch die Absolutheit des Subjekts in seiner persönlichen Einzelheit und permanenten Entgegensetzung gegen das Ewige eine Vernunft, welche sehend, eine Liebe, welche rein, ein Glaube, der lebendig wäre; sondern wenn das Zeitliche, Subjektive und Empirische für die Sehnsucht Wahrheit und Gewißheit erhält, ist die Schönheit ihrer subjektiven Natur, ihr Glaube, ihre Liebe und ihr Fühlen überhaupt durch eine solche Versöhnung nur verunreinigt worden.
Wenn also in dem Jacobischen Prinzip der Schmerz und die Sehnsucht des Protestantismus zu einer Versöhnung fortgeht, aber nach Art des Eudämonismus überhaupt durch Endliches, zunächst durch die Reflexion und das Bewußtsein des Empfindens und der Sehnsucht, welche Reflexion und Bewußtsein das Subjekt desselben als solches zu etwas macht, – und wenn diese Sehnsucht das Diesseits in sich selbst findet, indem sie sich mit sich selbst befleckt und die gemeine Wirklichkeit und Zeitlichkeit für Offenbarung hält, so konnte sie so in sich reflektiert eine höhere Potenz finden, als Jacobi darstellte, der Vergötterung des Subjekts ein höherer Gegenstand an ihm erschaffen und die Empfindung sowie das Anschauen seiner selbst und der Welt idealischer aufgefaßt werden, was denn auf der andern Seite ebensoviel ist, als die höchste Anschauung selbst zu etwas Subjektivem und eigentümlich Bleibendem zu machen. Wenn das Diesseits, was Wahrheit hat, statt die Wirklichkeit zu sein, das Universum, und die Versöhnung mit der Natur Identität mit dem Universum, als Empfindung unendliche Liebe, als Anschauung aber Religion ist, aber so, daß diese Identität selbst, es sei mehr als Passivität des Auffassens und innern Nachbildens oder mehr als Virtuosität, etwas schlechthin Subjektives und Besonderes bleiben, ihre Äußerung nicht befestigen, noch ihre Lebendigkeit der Objektivität anvertrauen und hiemit eben die vorige Reflexion der Sehnsucht auf das Subjekt behalten soll, so hat das Jacobische Prinzip die höchste Potenzierung erreicht, deren es fähig ist, und der Protestantismus, der im Diesseits Versöhnung sucht, hat sich auf das höchste getrieben, ohne aus seinem Charakter der Subjektivität herauszutreten.
In den Reden über die Religion ist diese Potenzierung geschehen. Da in der Jacobischen Philosophie die Vernunft nur als Instinkt und Gefühl, und Sittlichkeit nur in der empirischen Zufälligkeit und als Abhängigkeit von Dingen, wie sie die Erfahrung und Neigung und des Herzens Sinn gibt, das Wissen aber nur als ein Bewußtsein von Besonderheiten und Eigentümlichkeit, es sei äußerer oder innerer, begriffen wird, so ist in diesen Reden hingegen die Natur als eine Sammlung von endlichen Wirklichkeiten vertilgt und als Universum anerkannt, dadurch die Sehnsucht aus ihrem über Wirklichkeit Hinausfliehen nach einem ewigen Jenseits zurückgeholt, die Scheidewand zwischen dem Subjekt oder dem Erkennen und dem absoluten unerreichbaren Objekte niedergerissen, der Schmerz im Genuß versöhnt, das endlose Streben aber im Schauen befriedigt.
Aber indem so das Individuum seine Subjektivität von sich wirft und der Dogmatismus der Sehnsucht seinen Gegensatz in Idealismus auflöst, so soll diese Subjekt-Objektivität der Anschauung des Universums doch wieder ein Besonderes und Subjektives bleiben; die Virtuosität des religiösen Künstlers soll in den tragischen Ernst der Religion ihre Subjektivität einmischen dürfen, und statt diese Individualität entweder unter dem Leib einer objektiven Darstellung großer Gestalten und ihrer Bewegung untereinander, der Bewegung des Universums aber in ihnen, zu verhüllen, – wie sie in der triumphierenden Kirche der Natur das Genie in Epopöen und Tragödien erbaute, – oder anstatt dem lyrischen Ausdruck sein Subjektives dadurch zu nehmen, daß er zugleich im Gedächtnis vorhanden sei und als allgemeine Rede auftrete, soll dieses Subjektive in der Barstellung der eignen Anschauung des Universums, sowie in der Produktion derselben in andern die wesentliche Lebendigkeit und Wahrheit ausmachen, die Kunst ohne Kunstwerk perennieren und die Freiheit der höchsten Anschauung in der Einzelheit und in dem für sich etwas Besonderes Haben bestehen. Wenn der Priester nur ein Werkzeug und Diener sein kann, das die Gemeinde, und das sich ihr und sich opfert, um das Begrenzende und Objektive der religiösen Anschauung zu tun, und dem alle Macht und Kraft vor der mündigen Gemeinde nur als einem Repräsentanten zukommen kann, – soll sie, sich unmündig stellend, den Zweck und die Absicht haben, das Innere der Anschauung von ihm als einem Virtuosen des Erbauens und der Begeisterung in sich bewirken zu lassen; es soll einer subjektiven Eigenheit der Anschauung (Idiot heißt einer, insofern Eigenheit in ihm ist), statt sie zu vertilgen und wenigstens nicht anzuerkennen, so viel nachgegeben werden, daß sie das Prinzip einer eigenen Gemeinde bilde, und daß auf diese Weise die Gemeindchen und Besonderheiten ins Unendliche sich geltend machen und vervielfältigen, nach Zufälligkeit auseinander schwimmen und zusammen sich suchen und alle Augenblicke wie die Figuren eines dem Spiel der Winde preisgegebenen Sandmeeres die Gruppierungen ändern, deren jeder zugleich, wie billig, die Besonderheit ihrer Ansicht und ihre Eigenart etwas so Müßiges und sogar Ungeachtetes sei, daß sie gleichgültig gegen die Anerkennung derselben auf Objektivität Verzicht tun und in einer allgemeinen Atomistik alle ruhig nebeneinander bleiben können, wozu freilich die aufgeklärte Trennung der Kirche und des Staats sehr gut paßt, und in welcher Idee eine Anschauung des Universums nicht eine Anschauung desselben als Geistes sein kann, weil das, was Geist ist, im Zustande der Atomen nicht als ein Universum vorhanden ist und überhaupt die Katholizität der Religion nur in Negativität und der Allgemeinheit des Einzelnseins besteht. Wenn also schon die Subjektivität des Sehnens in die Objektivität des Schauens sich emporgehoben hat und die Versöhnung nicht mit der Wirklichkeit, sondern mit dem Lebendigen, nicht mit der Einzelheit, sondern mit dem Universum geschieht, so ist selbst dieses Anschauen des Universums wieder zur Subjektivität gemacht, indem es teils Virtuosität oder nicht einmal ein Sehnen, sondern nur das Suchen eines Sehnens ist, teils es sich nicht organisch konstituieren, noch die wahrhafte Virtuosität in Gesetzen, und in dem Körper eines Volkes und einer allgemeinen Kirche ihre Objektivität und Realität erhalten, sondern die Äußerung ein schlechthin Inneres, unmittelbarer Ausbruch oder Nachfolge einzelner und besonderer Begeisterung, und nicht die wahrhafte Äußerung, ein Kunstwerk vorhanden sein soll.