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Die Vorbereitungen zur Tötung von Menschen sind stets im Namen Gottes oder eines vermeintlichen höheren Wesens vor sich gegangen, das die Menschen ersonnen und in ihrer Phantasie erschaffen haben.
Bevor die alten Phönizier einem Gefangenen den Hals durchschnitten, hielten sie ebenso einen feierlichen Gottesdienst ab wie einige Jahrtausende später neue Generationen, ehe sie in den Krieg zogen und ihre Feinde mit Feuer und Schwert vernichteten.
Bevor die Menschenfresser von Guinea und Polynesien ihre Gefangenen beziehungsweise unbrauchbare Menschen, wie Missionäre, Reisende und Unterhändler verschiedener Handelsfirmen oder einfach Neugierige, feierlich auffressen, opfern sie ihren Göttern, indem sie die mannigfachsten religiösen Gebräuche vollziehen. Da die Kultur des Ornates noch nicht zu ihnen gedrungen ist, schmücken sie ihre Schenkel mit Kränzen aus bunten Federn der Waldvögel.
Bevor die heilige Inquisition ihre Opfer verbrannte, zelebrierte sie die feierlichsten Gottesdienste und die große heilige Messe mit Gesängen.
Bei Hinrichtungen von Verbrechern wirken stets Priester mit, die den Delinquenten mit ihrer Anwesenheit belästigen.
In Preußen geleitet den Bedauernswerten ein Pastor unter das Beil, in Österreich ein katholischer Priester zum Galgen, in Frankreich unter die Guillotine, in Amerika führte ihn ein Priester auf den elektrischen Stuhl, in Spanien auf einen Sessel, wo er mit einem sinnreichen Instrument erwürgt wurde, und in Rußland wurden die Revolutionäre von einem bärtigen Popen begleitet usw.
Überall mußten sie dabei mit dem Gekreuzigten gehen, als wollten sie sagen: »Dir hacken sie nur den Hals ab, hängen dich, erwürgen dich, lassen 15 000 Volt in dich los, aber was hat jener erdulden müssen.«
Die große Schlachtbank des Weltkriegs konnte des priesterlichen Segens nicht entbehren. Die Feldkuraten aller Armeen beteten und zelebrierten Feldmessen für den Sieg jener Partei, deren Brot sie aßen.
Bei den Hinrichtungen meuternder Soldaten erschien ein Priester. Bei den Hinrichtungen tschechischer Legionäre war ein Priester zugegen.
Nichts hat sich geändert seit der Zeit, da der Räuber Adalbert, den man später den »Heiligen« genannt hat, mit dem Schwert in der einen und dem Kreuz in der andern Hand bei der Vernichtung der baltischen Slawen mitwirkte.
Die Menschen gingen in ganz Europa wie das liebe Vieh zur Schlachtbank, begleitet von den Fleischer-Kaisern, Königen und anderen Potentaten und Heerführern sowie von den Priestern aller Glaubensbekenntnisse, die ihre Schützlinge einsegneten und falsch schwören ließen, daß sie »auf dem Festland, in der Luft, auf dem Meere« usw.
Feldmessen wurden stets zweimal zelebriert.
Wenn eine Abteilung an die Front abging und dann vor der Front, vor dem blutigen Gemetzel und Morden. Ich erinnere mich, daß uns einmal bei einer solchen Feldmesse ein feindlicher Aeroplan eine Bombe gerade auf den Feldaltar warf und vom Feldkuraten nichts übrigblieb als blutige Fetzen.
Man schrieb von ihm wie von einem Märtyrer, während unsere Aeroplane den Feldkuraten unserer Gegner eine ähnliche Gloriole verliehen.
Uns bereitete das einen ungeheuren Spaß, und auf dem provisorischen Kreuz, unter dem die Überreste des Feldkuraten bestattet wurden, erschien über Nacht folgende Grabschrift:
Was uns ereilen konnte, hat auch dich befallen.
Du hast uns stets das Himmelreich versprochen.
Nur ists vom Himmel bei der Messe auf dein Haupt gefallen.
Und wo du plärrtest, liegen deine Knochen.
Schwejk kochte den berühmten Grog, der den Grog alter Seeleute übertraf. So einen Grog hätten die Piraten des achtzehnten Jahrhunderts trinken können und wären zufrieden gewesen.
Feldkurat Otto Katz war begeistert.
»Wo haben Sie so was Gutes kochen gelernt?« fragte er.
»In Bremen, wie ich vor Jahren auf der Wanderschaft war«, entgegnete Schwejk, »von einem verkommenen Matrosen, der gesagt hat, Grog muß so stark sein, daß einer, der ins Meer fällt, den ganzen Kanal La Manche überschwimmen kann. Nach einem schwachen Grog ertrinkt man nämlich wie ein junger Hund.«
»Nach so einem Grog, Schwejk, wird es eine Freude sein, die Messe zu zelebrieren«, meinte der Feldkurat, »ich denke, ich sollte vorher ein paar Abschiedsworte vorbringen. Eine Feldmesse ist nicht so ein Spaß wie eine Messe im Garnisonsarrest oder eine Predigt für diese Lumpen. In so einem Fall muß man wirklich alle fünf Sinne beisammen haben. Einen Feldaltar haben wir. Er ist zusammenlegbar, Taschenausgabe.«
»Jesusmaria, Schwejk«, packte er sich am Kopf, »wir sind aber Ochsen. Wissen Sie, wo ich diesen zusammenlegbaren Feldaltar aufgehoben gehabt hab? In dem Kanapee, das wir verkauft haben.«
»Ja, das is ein Unglück, Herr Feldkurat«, sagte Schwejk, »ich kenn ihn zwar, den Händler mit alten Möbeln, aber vorgestern hab ich seine Frau getroffen. Er sitzt wegen einem gestohlenen Schrank, und unser Kanapee is bei einem Lehrer in Wrschowitz. Das is ein Malör mit diesem Feldaltar! Am besten is, wir trinken den Grog aus und gehn ihn suchen, ich denk nämlich, daß man ohne Feldaltar keine Messe zelebrieren kann.«
»Es fehlt uns wirklich nur der Feldaltar«, sagte der Feldkurat schwermütig, »sonst ist schon alles auf dem Exerzierplatz vorbereitet. Die Tischler haben dort schon ein Podium errichtet. Die Monstranz borgt man uns in Břewnow. Kelch soll ich einen eigenen haben, aber wo ist der schon . . .«
Er wurde nachdenklich: »Sagen wir, ich hab ihn verloren. – Aber wir bekommen den Sportpokal vom Oberleutnant Witinger vom 75. Regiment. Er hat ihn einmal vor Jahren bei einem Wettlauf für den ›Sport-Favorit‹ gewonnen. Er war ein guter Läufer. Hat 40 Kilometer gemacht: Wien-Mödling in 48 Minuten, wie er immer prahlt. Ich habs schon gestern mit ihm ausgemacht. Ich bin ein Rindvieh, daß ich alles auf den letzten Augenblick laß. Warum hab ich Trottl nicht in das Kanapee geschaut.«
Unter dem Einfluß des Grogs, der nach dem Rezept des verkommenen Matrosen gebraut war, begann er sich stumpf zu beschimpfen und äußerte in den verschiedensten Sentenzen, wohin er eigentlich gehöre.
»Also wir sollten schon den Feldaltar suchen gehn«, forderte ihn Schwejk auf, »es ist schon früh. Ich muß mir noch die Uniform anziehen und noch einen Grog trinken.«
Endlich gingen sie. Auf dem Weg zu der Frau des Trödlers erzählte der Feldkurat, daß er am Abend vorher in »Gottes Segen«Ein Kartenspiel. viel Geld gewonnen habe und, wenn alles gut ausfallen sollte, das Klavier im Versatzamt auslösen werde.
Es war etwas Ähnliches, wie wenn Heiden Opfer geloben. Von der verschlafenen Frau des Trödlers erfuhren sie die Adresse des Lehrers in Wrschowitz, der der neue Eigentümer des Kanapees war. Der Feldkurat bekundete eine ungewöhnliche Leutseligkeit. Kniff sie in die Wange und kitzelte sie unterm Kinn.
Sie gingen zu Fuß nach Wrschowitz, denn der Feldkurat erklärte, er müsse einen Spaziergang in frischer Luft machen, um auf andere Gedanken zu kommen.
In Wrschowitz, in der Wohnung des Herrn Lehrers, eines alten frommen Herrn, wartete ihrer eine unangenehme Überraschung. Als nämlich der Lehrer den Feldaltar im Kanapee gefunden hatte, war dem alten Herrn die Vermutung aufgetaucht, dies sei eine Fügung Gottes, worauf er ihn der Ortskirche in Wrschowitz für die Sakristei schenkte, wobei er zur Bedingung machte, daß auf der andern Seite des Altars die Inschrift angebracht werde: »Gespendet zu Gottes Lob und Ehre von Herrn Kolařik, Lehrer i. P. Im Jahre des Herrn 1914.« Da sie ihn in Unterhosen antrafen, war er sehr verlegen.
Aus der Unterredung mit ihm ging hervor, daß er dem Fund die Bedeutung eines Wunders beigemessen und ihn für einen Wink Gottes gehalten hatte. Als er das Kanapee kaufte, habe ihm eine innere Stimme gesagt: »Schau nach, was in der Schublade ist.« Er habe angeblich auch im Traum einen Engel gesehen, der ihm direkt befohlen habe: »Öffne die Kanapeeschublade.« Er habe gehorcht.
Und wie er dort den zusammenlegbaren dreiteiligen Miniaturaltar mit der Nische unter dem Tabernakel erblickt habe, sei er vor das Kanapee niedergekniet und habe lange inbrünstig gebetet und Gott gepriesen und es für einen Wink gehalten, die Kirche in Wrschowitz damit zu schmücken.
»Das gefällt uns nicht«, sagte der Feldkurat, »etwas, was Ihnen nicht gehört, haben Sie auf der Polizei abgeben solln und nicht in einer verfluchten Sakristei.«
»Wegen diesem Wunder«, fügte Schwejk hinzu, »können Sie noch Scherereien haben. Sie ham ein Kanapee gekauft und keinen Altar nicht, der dem Militär-Ärar gehört. So ein Wink Gottes kann Ihnen teuer zu stehn kommen. Sie ham nichts auf die Engel geben solln. Ein Mann in Zhořa hat auch am Feld einen Kelch herausgepflügt, der aus einem Kirchenraub gestammt hat und dort für bessere Zeiten aufgehoben war, bis man drauf vergißt, und hats auch für einen Wink Gottes gehalten und is, statt ihn zu schmelzen, mit diesem Kelch zum Herrn Pfarrer gegangen, daß er ihn herich der Kirche schenken will. Und der Herr Pfarrer hat geglaubt, daß sich in ihm Gewissensbisse geregt ham, hat um den Bürgermeister geschickt, der Bürgermeister um die Gendarmen, und er is unschuldig wegen Kirchenraub verurteilt worn, weil er immerfort was von einem Wunder gequatscht hat. Er hat sich retten wolln und hat auch was von einem Engel erzählt und hat auch die Jungfrau Maria hinein verwickelt und hat zehn Jahre gekriegt. Am besten machen Sie, wenn Sie mit uns zum hiesigen Pfarrer gehn, damit er uns das ärarische Eigentum zurückgibt. Ein Feldaltar is keine Katze oder Fußsocke, die Sie schenken können, wem sie wolln.«
Der alte Herr zitterte am ganzen Leib, und während er sich ankleidete, klapperte er mit den Zähnen: »Ich hab wirklich nichts Böses oder Schlechtes im Sinn gehabt und bezweckt. Ich hab angenommen, daß ich durch so eine Fügung Gottes der Ausschmückung unserer armen Kirche des Herrn in Wrschowitz dienen kann.«
»Auf Kosten des Militär-Ärars, versteht sich«, sagte Schwejk hart und scharf. »Gott behüte einen vor so einer Fügung Gottes. Ein gewisser Pivonka aus Choteboř hat es auch mal für Gottes Fügung gehalten, wie ihn ein Halfter mit einer fremden Kuh in die Hand gerutscht is.«
Der bedauernswerte alte Herr war durch diese Reden ganz verwirrt und ließ ganz davon ab, sich zu verteidigen; er war bestrebt, sich so rasch wie möglich anzukleiden und die ganze Angelegenheit zu erledigen.
Der Wrschowitzer Pfarrer schlief noch; von dem Lärm geweckt, fing er an zu schimpfen, denn in der Schlaftrunkenheit dachte er, er solle jemanden versehen.
»Sie können auch schon Ruh geben mit der Letzten Ölung«, brummte er, indem er sich unfreundlich ankleidete, »müssen die Leute grad sterben, wenn man im besten Schlaf ist. Und dann kann man sich mit ihnen noch ums Geld herumschlagen.«
Im Vorzimmer trafen sie zusammen. Er, der Vertreter Gottes bei den Wrschowitzer Zivil-Katholiken, und der andere, der Vertreter Gottes auf Erden beim Militär-Ärar.
Eigentlich war es jedoch der Zwist zwischen einem Zivilisten und einem Soldaten.
Behauptete der Pfarrer, ein Feldaltar gehöre nicht ins Kanapee, so äußerte der Feldkurat, er gehöre um so weniger aus dem Kanapee in die Sakristei einer Kirche, die von lauter Zivilisten besucht werde.
Schwejk machte dabei die Bemerkung, es sei leicht, eine arme Kirche auf Kosten des Militär-Ärars zu bereichern. »Arm« sagte er in Anführungszeichen.
Zum Schluß gingen sie in die Sakristei der Kirche, und der Pfarrer folgte den Feldaltar gegen folgende Bestätigung aus:
»Bestätige den Empfang eines Feldaltars, der durch einen Zufall in die Wrschowitzer Kirche geraten ist.
Feldkurat Otto Katz.«
Der glorreiche Feldaltar stammte von der jüdischen Firma Moritz Mahler in Wien, die alle erdenklichen Meßgeräte und religiösen Requisiten, wie Rosenkränze und Heiligenbilder, erzeugte.
Der Altar bestand aus drei Teilen, die reich mit einer falschen Vergoldung versehen waren wie der ganze Ruhm der Heiligen Kirche.
Es war auch ohne Phantasie nicht möglich festzustellen, was die auf diese drei Teile gemalten Bilder eigentlich darstellten. Sicher ist, daß es ein Altar war, den ebensogut die Heiden auf Zambesi oder die Schamanen der Burjaten und Mongolen hätten benützen können.
Mit schreienden Farben versehen, sah er von weitem aus wie eine bunte Tafel, die für die Prüfung der DaltonistenDaltonismus – Farbenblindheit. auf der Eisenbahn bestimmt ist.
Nur eine Gestalt trat hervor. Irgendein nackter Mensch mit einem Heiligenschein und grünlich angehauchtem Körper wie der Steiß einer Gans, die schon stinkt und sich in Verwesung befindet.
Diesem Heiligen tat niemand etwas zuleide. Im Gegenteil, zu seinen beiden Seiten befanden sich zwei beflügelte Wesen, die Engel vorstellen sollten. Aber der Beschauer hatte den Eindruck, daß der heilige nackte Mann aufbrüllte vor Entsetzen über diese Gesellschaft, die ihn umgab. Die Engel sahen nämlich aus wie Ungetüme aus einem Märchen, ein Mittelding zwischen einer beflügelten wilden Katze und einem apokalyptischen Ungeheuer.
Das Gegenstück zu diesem Heiligen war ein Bild, das die göttliche Dreifaltigkeit veranschaulichen sollte. An der Taube hatte der Maler im großen ganzen nichts verderben können. Er hatte einen Vogel aufgemalt, der ebensogut eine Taube wie ein weißes Perlhuhn sein konnte.
Dafür jedoch sah Gott Vater aus wie ein Räuber aus dem wilden Westen, den ein blutdürstiger Film dem Publikum vorführt.
Der Sohn Gottes dagegen war ein lustiger junger Mann mit einem hübschen Bäuchlein, das mit etwas verhüllt war, das wie Schwimmhosen aussah. Im ganzen machte er den Eindruck eines Sportsmanns.
Das Kreuz, das er in den Händen hatte, hielt er mit einer solchen Eleganz, als wärs ein Tennisracket.
Von weitem jedoch verschmolz das alles und erweckte den Eindruck, wie wenn ein Zug in einen Bahnhof einfährt. Aus dem dritten Bild war überhaupt nicht zu entnehmen, was es vorstellen sollte.
Die Soldaten stritten immer darüber und versuchten den Rebus zu lösen. Mancher dachte sogar, daß es eine Landschaft der Sahara sei.
Es befand sich jedoch darunter die Inschrift: »Heilige Maria, Mutter Gottes, erbarme dich unser.«
Den Feldaltar lud Schwejk glücklich in die Droschke; er selbst setzte sich zum Kutscher auf den Bock, der Feldkurat legte seine Füße in der Droschke bequem auf die Dreifaltigkeit Gottes. Schwejk unterhielt sich mit dem Droschkenkutscher über den Krieg.
Der Droschkenkutscher war ein Rebellant. Er machte verschiedene Bemerkungen über den Sieg der österreichischen Waffen, wie: »Die hams euch in Serbien gegeben«, und ähnliches. Als sie zur Verzehrungssteuerlinie kamen, fragte man sie, was sie mitführten.
Schwejk antwortete:
»Die Dreifaltigkeit Gottes und die Jungfrau Maria mit dem Feldkuraten.«
Auf dem Exerzierplatz warteten inzwischen ungeduldig die Marschkompanien.
Und sie warteten lange. Denn man mußte noch um den Sportpokal zu Oberleutnant Witinger fahren und dann um die Monstranz, um das Ziborium und andere Meßgeräte, einschließlich einer Flasche Meßwein, die man im Kloster von Břewnow holte. Woraus ersichtlich ist, daß es nicht so einfach ist, eine Feldmesse zu zelebrieren.
»Irgendwie wirds halt schon gehn«, sagte Schwejk zu dem Droschkenkutscher.
Und er hatte recht. Als sie nämlich auf dem Exerzierplatz vor dem Podium mit den hölzernen Seitenwänden und dem Tisch angelangt waren, auf dem der Feldaltar aufgestellt werden sollte, zeigte es sich, daß der Feldkurat den Ministranten vergessen hatte.
Früher hatte ihm immer ein Infantrist ministriert, der sich jedoch lieber zum Telefon hatte versetzen lassen und an die Front abgegangen war.
»Das macht nichts, Herr Feldkurat«, sagte Schwejk, »ich brings auch zuweg.«
»Und können Sie ministrieren?«
»Ich habs nie gemacht«, antwortete Schwejk, »aber probieren kann man alles. Heut is Krieg, und im Krieg machen die Leute Sachen, die sie sich früher nich mal ham träumen lassen. So ein dummes et cum spiritu tuo auf Ihr dominus vobiscum bring ich auch zusamm. Und dann denk ich, daß das nicht so schwer sein kann, um Sie herumzugehen wie die Katze um den Brei. Und Ihnen die Hände zu waschen und aus den Kannen Wein einzugießen.«
»Gut«, sagte der Feldkurat, »aber gießen Sie mir kein Wasser ein. Gießen Sie lieber in die zweite Kanne auch gleich Wein ein. Übrigens werde ich Ihnen immer ein Zeichen geben, ob Sie nach rechts oder nach links gehn sollen. Wenn ich einmal leise pfeife, bedeutet es rechts, zweimal links. Mit dem Meßbuch müssen Sie sich auch nicht sehr schleppen. Übrigens das Ganze ist ein Jux. Haben Sie nicht Trema?«
»Ich fürcht mich vor nichts, Herr Feldkurat, nicht mal vorm Ministrieren.«
Der Feldkurat hatte recht, wenn er sagte: »Übrigens ist das Ganze ein Jux.«
Alles ging ganz glatt vonstatten.
Die Rede des Feldkuraten war sehr kurz.
»Soldaten! Wir haben uns hier versammelt, um vor der Abfahrt auf das Schlachtfeld unsere Herzen Gott zuzuwenden, damit er uns den Sieg verleihe und uns gesund erhalte. Ich werde euch nicht lange aufhalten und wünsche euch das Allerbeste.«
»Ruht«, rief der alte Oberst auf dem linken Flügel.
Die Feldmesse heißt deshalb Feldmesse, weil sie denselben Gesetzen unterliegt wie die Kriegstaktik im Felde. Bei den langen Feldzügen der Heere während des Dreißigjährigen Krieges pflegten auch die Feldmessen ungewöhnlich lang zu sein.
Bei der modernen Taktik, wo die Bewegungen der Heere rasch und flink sind, muß auch die Feldmesse rasch und flink sein.
Diese da dauerte gerade zehn Minuten, und die, welche in der Nähe standen, waren überaus erstaunt, den Feldkuraten während der Messe vor sich hin pfeifen zu hören.
Schwejk folgte scharfsinnig den Signalen. Er lief auf die rechte Seite des Altars, war wiederum auf der linken und sagte nichts anderes als: »Et cum spiritu tuo.«
Es sah aus wie ein Indianertanz um einen Opferstein, aber es machte einen guten Eindruck, denn es verscheuchte die Langweile des staubigen, traurigen Exerzierplatzes mit der Pflaumenallee im Hintergrund und den Latrinen, deren Geruch den mystischen Weihrauch der gotischen Kirchen ersetzte.
Alle amüsierten sich vortrefflich. Die Offiziere rings um den Oberst erzählten einander Anekdoten, und so wickelte sich alles in völliger Ordnung ab. Ab und zu konnte man in der Mannschaft sagen hören: »Gib mir einen Schluck.«
Und wie Opferrauch stiegen von den Zügen blaue Wölkchen Tabaksqualm gen Himmel. Alle Chargen rauchten, als sie sahen, daß der Herr Oberst sich eine Zigarre angezündet hatte.
Endlich ertönte es: »Zum Gebet.« Staub wirbelte auf, und das ganze Viereck der Uniformen beugte die Knie vor dem Sportpokal des Oberleutnants Witinger, der ihn für den »Sport-Favorit« im Wettlauf Wien-Mödling gewonnen hatte.
Der Pokal war voll, und das allgemeine Urteil, das die Manipulation des Feldkuraten begleitete und durch die Reihen lief, lautete: »Er hats ausgesoffen!«
Diese Handlung wurde zweimal wiederholt. Dann noch einmal: »Zum Gebet«, darauf gab die Kapelle »Gott erhalte, Gott beschütze« zum besten, Antreten und Abmarsch.
»Klauben Sie das Zeug zusammen«, sagte der Feldkurat zu Schwejk, auf den Feldaltar weisend, »daß wirs wieder hinbringen können, wos hingehört!«
Sie fuhren also wiederum mit ihrem Droschkenkutscher und gaben alles redlich zurück, bis auf die Flasche Meßwein.
Und als sie zu Hause waren und den unglücklichen Droschkenkutscher bezüglich der Bezahlung für die langen Fahrten an das Kommando gewiesen hatten, sagte Schwejk zum Feldkuraten: »Melde gehorsamst, Herr Feldkurat, muß ein Ministrant derselben Religion angehören, wie der, was das heilige Abendmahl verabreicht?«
»Gewiß«, antwortete der Feldkurat, »sonst wäre die Messe ungültig.«
»Dann, Herr Feldkurat, is ein großer Irrtum geschehn«, sagte Schwejk, »ich bin konfessionslos. Ich hab schon so ein Pech.«
Der Feldkurat schaute Schwejk an, schwieg eine Weile, dann klopfte er ihm auf die Schulter und sagte: »Sie können den Meßwein austrinken, der in der Flasche übriggeblieben ist. Denken Sie sich, daß Sie wieder in die Kirche eingetreten sind.«