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Hungermonate in Berlin

Trotz aller Bedenken hatte sich Hoffmann entschließen müssen, nach Berlin zu gehen. Auf der Durchreise besuchte er die Familie in Posen. Seine kleine Tochter Cäcilie sollte er bei dieser Gelegenheit zum letztenmal in die Arme schließen. Sie starb bald darauf. Am 18. Juni 1807 traf Hoffmann in Berlin ein und mietete sich ein Zimmer im Hause Friedrichstraße 179. Von seinen früheren Bekannten scheint er niemanden in Berlin angetroffen zu haben. Jedenfalls erfahren wir von der Familie der verstorbenen Onkels nichts. Die einzigen Verbindungen, die er erhielt, gingen über Itzig, der als Buchhändlerlehrling in die Verlagsbuchhandlung von Georg Reimer eingetreten war, um bald selbst einen Verlag zu eröffnen. Ein Schwager Itzigs, der Apotheker Dr. Oetzel, späterhin Generalmajor v. Etzel, nahm sich Hoffmanns liebevoll an. Ebenso machte Itzig den Freund mit seiner in den Berliner Salons sehr einflußreichen Tante Sara Levy bekannt. Über Uhden, einen Freund der Madam Levy, suchte Hoffmann Beziehungen mit Iffland anzuknüpfen. Aber alle seine Versuche, Geld zu verdienen, blieben vergebens. Er schrieb Artikel für eine Wiener Theaterzeitschrift, aber diese Zeitschrift ging ein, noch bevor sie Hoffmanns ersten Artikel gebracht hatte. Er zeichnete eine Mappe, »Sammlung grotesker Gestalten nach Darstellungen auf dem Königlichen Nationaltheater in Berlin«, aber das kleine Opus ging verloren. Wir beobachten den Verjagten bei seinem Verzweiflungskampf um irgendeine Stellung, irgendeinen Broterwerb. Nichts wollte ihm glücken.

An Itzig in Potsdam

... Oetzel hat mich ebenfalls sehr freundlich empfangen und hat alles nur Mögliche für mich getan, wiewohl leider vergebens. Schiavonetti fand die Sachen: tres jolies, meinte, daß sie durchaus gestochen werden müßten, wollte sich aber mit dem Verlage nicht befassen, weil man abwarten müsse: comme les circonstances se tournent! Oetzel ging noch mit den Bildern zu Weiß, ich ging nicht mit hinein, ein böser Wind entführte mich, und ich sah Oetzel und meine Bilder nicht wieder – Oetzel ist ein ganz herrlicher Mensch, dem ich, folgte ich meiner Neigung, nur zu oft lästig fallen würde, da in seinem Laboratorio sonderbare alte Neigungen in mir erwachten. – Sowohl die Madame Levy als vorzüglich Uhden dringen darauf, daß ich mich mit dem hiesigen Theater in Korrespondenz setzen soll – Uhden ist nun freilich wohl der Mann, der viel bei Iffland für mich tun könnte, indessen habe ich leider nichts vorrätig, und ich möchte fast, daß mir I. selbst aus dem reichen Vorrat etwas von kleinem Umfang (1 Akt) vorschlüge, um den Debut zu machen – Morgen werde ich bei Madame Levy Zelters Bekanntschaft machen! – Sie sehen, liebster Freund, daß ich auf gutem Wege bin mit meinen Werken hervorzutreten, indessen bin ich während dieser Präliminarien in einem etwas ängstlichen Zustand, – warum sollte ich es Ihnen nicht aufrichtig sagen, da Sie es doch raten würden – das wenige Geld, welches ich nach B. brachte, geht zu Ende, und das Fehlschlagen jener Angelegenheit mit den Zeichnungen stürzt mich in eine nicht geringe nie gekannte Verlegenheit, indessen lasse ich den Mut nicht sinken, und arbeite nur daran mich gegen das Eindringen der ängstlichen Sorgen ums Brot zu waffnen, um nicht die innere Kraft des Geistes, von der mein Leben und Glück abhängt, töten zu lassen! –

 

...Gestern war ich von 7½ bis 8½ bei Madame Levi, wo viele Leute Tee mit Rum tranken und vernünftige Gespräche führten, von 9 Uhr bis 11½ bei Winzer eingeladenermaßen, wo wieder viele Leute Rum mit Tee tranken – ich lernte Bernhardi (hat ein hübsches Gesicht), Schleiermacher, vor allen Dingen aber den Komponisten Schneider kennen, der auf einem guten Wiener Piano gute Sachen spielte und mehrere Arietten von einer gewissen Madam Seebald absingen ließ – die ganze Gesellschaft trat ein paarmal als Chorus ein, z. B. mit dem Refrain »Als hätt' sie Lieb' im Leibe«! – Gern hätte ich gesehen oder gehört, wenn auch der Lebenslauf des Premierministers und Protektor der Akademie der schönen W. u. K. Hrn. Grafen von Floh singender Weise vorgetragen worden wäre, es geschah aber nicht! – Zum Schluß eine Frage, deren aufrichtige Beantwortung ich Ihrer Freundschaft zutraue – möglich ist es, daß ich etwas für's hiesige Theater komponiere, wiewohl unwahrscheinlich – Gesetzt, ich sollte nun aber rasch komponieren, würbe es in Ihrem Hause Umstände machen, mich ganze lange acht Tage hindurch dort zu sehen? – es wäre mir nämlich dann ein von Berlin entfernter Ort, der mir das gewährt, was ich in Ihrem Hause gefunden habe, höchst wünschenswert – Sagen Sie nur – Nein es geht nicht! – denn daran denken Sie doch nicht, was man so: übel nehmen nennt! – das ist nicht mein Casus.

 

Gestern morgen komme ich zum alten Freunde Julius v. Voß und das erste, was mir ins Auge fällt, ist eine dicke Partitur »Die ungebetenen Gäste, eine komische Oper in einem Akt von I. v. V., in Musik gesetzt vom Kammermusikus Schneider«! – Sie raten, daß dies eben mein Kanonikus ist, den Voß auch zur Bearbeitung auswählte und Schneider komponierte – ich bin recht belehrt worden, wie man kleine leichte Sachen, deren Inhalt sich um einen lustigen Einfall dreht, behandeln muß – es fängt mit einem feierlichen Grave an, es kommt darin vor eine Kanonade, ein Schlachtgesang, Sturm und Drang usw. – Nun weiter! Voß erzählte mir, daß er lange vor dem Ausbruch des Krieges auf Schneiders Verlangen den Text arrangiert, S. sodann die Oper komponiert und dem Theater zur Aufführung angeboten hätte ohne Namen des Dichters und des Komponisten zu nennen; Iffland hätte indessen des Inhalts wegen, damals die Aufführung abgelehnt, und S. hätte ihn (den Voß) ersucht Partitur und Text zurückzunehmen, welches denn auch geschehen sei. Eines Tages wäre S. erzürnt zu Voß gekommen und habe ihm Vorwürfe gemacht, daß er die Partitur doch beim Theater gelassen habe, denn ein Kanonikus solle einstudiert werden. V. sei zu Web. (dem Kapellmeister Bernhard Anselm Weber) hingelaufen und nun habe sich die Existenz eines zweiten Kanonikus dargetan! – Dir Ursache, warum meine Oper nicht aufs Theater kam, ist daher die unangenehme Kollision mit einer hiesigen beliebten Comp, und nicht eine Kabale Webers, der, wie ich aus einigen Äußerungen von Voß schließe, meiner Musik, für die sich die Bethmann interessierte, den Vorzug gab. – Den Text der Oper Circe hat Hr. Levi, Verfasser der Sylphen, arrangiert und W. ist fortgereist um den Vorwürfen des Kabalierens zu entgehen. – Kommt er nun zurück, so setze ich alles in Bewegung wegen der Schärpe und Blume – ich denke, es wird gehen – vielleicht auch nicht – In wenigen Tagen wird Circe gegeben! – Mein lieber bester Freund, Werckmeister ist schon hier oder kommt in wenigen Tagen, Ihr Billet ist veraltet und durch die Reisen etwas unscheinbar geworden, würden Sie wohl gütigst ein dito Empfehlungsschreiben entwerfen und mir zusenden? wie viel mir daran liegt, können Sie leicht denken! – Sobald ich nur ein wenig hier ins Reine gekommen bin, mache ich von der Güte Ihres Vaters, dem ich mich auf das angelegentlichste zu empfehlen bitte, Gebrauch und komme heraus um meine Oper zu vollenden, wozu es mir hier gänzlich an Ruhe fehlt.

 

Berlin, den 22. August 07.

Sie fanden mich bei Ihrem letzten Hiersein in einer etwas fatalen Stimmung – indessen müssen Sie diese dem äußersten Druck der Umstände zuschreiben – ich bin in einer Lage, über die ich selbst erschrecke, und die heutigen Nachrichten aus Posen sind nicht von der Art mich zu trösten. Meine kleine Cecilia ist gestorben und meine Frau ist dem Tode nahe! Aus einem dumpfen Hinbrüten bin ich denn nun wieder soweit erwacht, um daran denken zu können, was ich tun muß um nicht in bona pace zu verderben – am liebsten wünschte ich ein Unterkommen als Musikdirektor bei irgendeinem Theater und da wäre es wohl auch ersprießlich, mich im Reichsanzeiger auszubieten – wo kommt der Reichsanzeiger heraus, was muß man tun, um das Einrücken zu bewirken? – Geben Sie mir, bester Freund, hierüber Auskunft und sagen Sie mir, ob die anliegende Anzeige genügt oder was noch mehr zu sagen oder wegzulassen sein würde! wie soll ich die Adresse bezeichnen! Darf ich Sie bald in P. besuchen? – wie wohltätig würde mir Ihre Gesellschaft jetzt sein – indessen müßte ich nicht lästig sein und das bin ich, solange Ihr Haus so besetzt ist wie jetzt. Tausend Empfehlungen an Ihre liebe Frau und Familie. – Baldige Antwort, bester Freund – Bei Winzer bin ich gestern und vorgestern gewesen, habe ihn aber nicht getroffen. Auch will ich zu Werckmeister gehen um zu fragen ob er hier ist. –

Gestern morgen glaubte K., ich würd« sterben, ich bin aber am Leben geblieben. – – –

Anzeige für das Eerschersche Kommissions-Kontor in Leipzig und für den Allgemeinen Reichsanzeiger

Jemand, der in dem theoretischen und praktischen Teil der Musik völlig erfahren ist, selbst bedeutende Kompositionen, die mit Beifall aufgenommen wurden, geliefert und bis jetzt einer wichtigen musikalischen Anstalt als Direktor vorgestanden hat, wünscht, da er seinen Posten durch den Krieg verlor, bei irgendeinem Theater oder einer Privatkapelle als Direktor angestellt zu werden. Er ist mit der Anordnung der Dekorationen und des Kostüms vertraut, kennt überhaupt das Theaterwesen in seinem ganzen Umfange, spricht außer dem Deutschen das Französische und Italienische, und ist überhaupt nicht allein künstlerisch, sondern auch literarisch ausgebildet, er würde also auch mit Erfolg der Regie eines Theaters vorstehen können. Jede nähere Verbindung wird leicht zum Nachweis der gerühmten Talente führen, und um diese anzuknüpfen, wendet man sich in postfreien Briefen an den R. R. Hrn. Hoffmann in Berlin, Friedrichstraße Nr. 179.

An Hippel in Leistenau

Berlin, den 20. Oktober 1807.

Mein einziger teuerster Freund!

Seit vielen Monaten, seit der schrecklichen Katastrophe, die Dir auch gewiß tausend Ungemach bereitete, haben wir nichts voneinander gehört; daß Du Deinen bisherigen Aufenthalt indessen verlassen haben solltest, setze ich nicht voraus, und ich versuche es wenigstens Dir nach L. hin Nachricht von mir zu geben! Daß gleich nach dem Einmarsch der Franzosen in Warschau die preußischen Offizianten entsetzt wurden, ist Dir bekannt, da indessen die Änderung der Umstände damals wenigstens noch möglich war, blieb ich mit mehreren von meinen Kollegen am Orte, bis man Anfang Junius uns aufforderte, entweder eine Unterwerfungsakte, die einen Huldigungseid enthielt, zu unterschreiben oder W. binnen acht Tagen zu verlassen. Daß jeder rechtliche Mann das letztere wählte, kannst Du Dir leicht denken. Meine Frau hatte ich schon, um sie dem Ungemach des nahen Krieges zu entziehen, im Januar mit einer sichern Gelegenheit nach Posen zur Mutter geschickt, und nun ging ich selbst, da man mir die Pässe nach Wien, wo ich mein Unterkommen zu finden hoffte, schlechterdings verweigerte, nach Berlin, wo ich mich bis jetzt kümmerlich hingehalten habe. – Du weißt, daß ich kein Vermögen, sondern nur Talente habe, die mich erhalten können, diese Talente aber hier in dem menschenleeren geldarmen Berlin wuchern zu lassen, ist kaum möglich! – Meine einzige Hoffnung ist bei irgendeiner Kapelle als Direktor unterzukommen, und hierzu habe ich alle Anstalten gemacht, bis jetzt aber vergebens! –

Wäre es mir möglich nach Wien zu gehen, wohin ich die dringendsten Empfehlungen habe, und wo es mehrere Privatkapellen gibt, so wäre vielleicht mein Glück gemacht, indessen fehlt es mir hierzu durchaus an einem Fonds!

 

... Ist es Dir möglich, so hilf mir mit Rat und Tat, denn ohne weiter in das Detail meiner jetzigen Existenz zu gehen, kann ich Dich versichern, daß ein standhaftes Gemüt dazu gehört, nicht zu verzweifeln! – Nur der einzige tröstende Gedanke erhält mich aufrecht, daß meine Kompositionen, habe ich nur erst den rechten Ort gefunden, mich durchaus in eine recht günstige Lage bringen müssen! –

Antworte mir sobald Du kannst ...

An Kühnel, Inhaber der Petersschen Musikalienhandlung in Leipzig

Berlin, den 27. Oktober 1807.

Ew. Wohlgeboren bin ich durch Herrn Itzig, der soeben von Leipzig kommt und der die Güte hatte, Ihnen in meinem Namen ein Harfenquintett zum Verlage anzubieten, bekannt geworden, und ich eile, eine Verbindung anzuknüpfen, die mir in jeder Hinsicht äußerst angenehm sein würde. Sie haben gegen das erwähnte Quintett in C-Moll, das gegründete Bedenken aufgestellt, daß es seiner Schwierigkeit wegen wenig gesucht werden würde, indessen ist die Harfenpartie nicht allein auf dem Piano sehr ausführbar, sondern dieses letztere Instrument macht auch, wie ich mich selbst überzeugt habe, in dem Quintett eine sehr angenehme Wirkung. Man könnte daher sagen: Quintett für die Harfe oder das Pianoforte pp und vielleicht würden Sie unter dieser Modalität den Verlag des Quintetts, welches, wie ich glaube, wohl sein Glück machen würde, um so mehr übernehmen, als ich übrigens die Bestimmung des Honorars ganz Ihnen überlasse ...

... Unglücklich genug bin ich gewesen, solange an einem Orte verweilt zu haben, der meinem Bekanntwerden um so mehr entgegen war, als eine günstige Lage, und eine gute Aufführung meiner Kompositionen mich vollkommen befriedigte und mich ein weiteres Eindringen in die musikalische Welt nicht sehr angelegentlich suchen ließ; jetzt hat der Krieg dies alles zerstört, indessen bin ich für mein Bekanntwerden nicht besorgt, da ich in Ew. Wohlgeboren, nach alledem was mir Hr. Itzig gesagt hat, den Mann zu finden hoffe, der ohne Vorurteil nicht nur auf den Namen, sondern auf die Sache sieht und überzeugt ist, daß diese den Namen, an dem der Haufe hängt, unfehlbar schaffen muß. Ich bitte dringendst um baldige Antwort ...

An denselben

Berlin, den 14. November 1807.

Ganz gewiß würde ich Ihnen sogleich das Nähere über meine persönlichen Verhältnisse geschrieben haben, wenn ich nicht voraussetzen durfte, daß Sie durch Herrn Itzig ganz genau davon unterrichtet wären. – Ich bin, wie Sie sich wohl nach dem Verzeichnis der von mir komponierten Sachen, welches ich meinem letzten Brief beilegte, vorstellen können, in der Setzkunst ganz erfahren, welches eine genaue Kenntnis der Instrumente voraussetzt. Ich spreche außer dem Deutschen, französisch und italienisch, und bin sowohl literarisch als künstlerisch ausgebildet. Daß Sie es mit einem redlichen, tätigen Manne zu tun haben, darf daraus folgen, daß ich bis jetzt den wichtigen Posten eines Rates bei der preußischen Regierung in Warschau bekleidete, den mir die Abtretung der Provinz an Sachsen geraubt hat. Nächstdem war ich, wie es auch durch die Leipziger Musikalische Zeitung bekannt geworden ist, Direktor und Kapellmeister des großen Musikalischen Institutes in Warschau, und hatte als solcher das Amt, die großen Musiken zu dirigieren. Ich bin jetzt 30 Jahre alt und verheiratet, aber ohne Kinder.

Hier haben Sie nun alles wahr und offen über meine Persönlichkeit. – Zum Korrektor würde ich allerdings taugen und es sollte mir höchst erfreulich (sein,) mit einem humanen Manne wie Sie in Verbindung zu treten, aber aufrichtig gesagt, das Gehalt von 14 rth. ist so gering, daß es, selbst bei den eingeschränktesten Ansprüchen, nicht möglich ist, es annehmbar zu finden. Bin ich von 8 bis 12, und von 2 bis 7 Uhr beschäftigt, wenn soll ich dann noch etwas verdienen durch Komponieren und andere Arbeiten? – Zum Komponieren bedeutender Sachen braucht man mehr als ein übriges Stündchen. – Ich fühle, daß ich mit meinen Kenntnissen einer Musikhandlung als Korrektor und als Kommis äußerst nützlich sein, und daß ich daher wohl auf etwas mehr Anspruch machen könnte, als auf einen Gehalt, der mich nicht nährt. Ganz Ihrer Humanität, und Ihrem Zutrauen zu den Zeugnissen des Herrn Itzig und anderer sachkundiger Männer in Berlin, überlasse ich es aber, inwiefern Sie mir einen etwas annehmlicheren Antrag machen wollen, indem ich nur bemerke, daß sich mir Aussichten in Luzern und Bamberg zu einer Musikdirektorstelle geöffnet haben, wiewohl ich es vorziehen würde, in Leipzig zu leben, und um so mehr mit Ihnen in Verbindung zu treten, als Sie allgemein den Ruf einer ausgezeichneten Liberalität haben. – Sie schweigen ganz davon, ob Sie es nicht mit einem Werke von mir als Verlagsstück versuchen wollen – wenigstens bitte ich Sie mir zu schreiben, ob ich Ihnen nicht wenigstens eine Sinfonie oder ein paar Sonaten schicken darf – urteilen Sie dann selbst, ob es wohl verlohnen würbe, die Kompositionen in Verlag zu nehmen oder nicht. Recht dringend erbitte ich mir eine baldige gütige Antwort, um meine Maßregeln darnach nehmen zu können. Sollten Sie geneigt sein, eine Verbindung mit mir anzuknüpfen, so würde ich vielleicht selbst nach Leipzig kommen um das Nähere mündlich zu verabreden. – Noch bin ich in Deutschland unbekannt, indessen wird es mir über kurz oder lang gelingen durchzudringen – dann hätten Sie die gerechtesten Ansprüche auf die Werke des bekannten Komponisten, da Sie es waren, der das Werk eines zurzeit unbekannten Komponisten der Welt vorlegte ...

An Hippel in Leistenau

Berlin, den 12. Dezember 1807.

Mein teuerster einziger Freund!

Dem Himmel sei es gedankt, daß das fatale Mißverständnis, welches unter uns obwaltet, jetzt ganz gehoben ist, und daß ich frei mit Dir über mich und meine Existenz sprechen kann. Leider habe ich noch bitter zu klagen, und die Freude war sehr vorübergehend, da indessen wenigsten die drückendste Sorge gehoben ist, so verweise ich mein Klagelied aufs letzte Blatt und trenne es ganz von dem, was ich Dir über meine Kunst zu sagen habe.

Du hast ganz recht mein teuerster Freund! – für verloren, für ganz verloren kann ich die Zeit nicht halten, die ich in der Sklaverei zubrachte. Außerdem, daß ich Zeit genug gewann, die Theorie fleißig zu studieren, gelang es mir auch, in der letzten Zeit praktische Werke zu liefern und zur Ausführung zu bringen. In Warschau hat man Messen und Opern von mir aufgeführt, und daß ich nicht bekanntgeworden bin, liegt bloß darin, daß W. kein Ort ist, der einige Concurrenz hinsichts der Kunst hat. – Vorzüglich aber glaube ich dadurch, daß ich außer der Kunst meinem öffentlichen Amte vorstehen mußte, eine allgemeine Ansicht der Dinge gewonnen und mich von dem Egoismus entfernt zu haben, der, wenn ich so sogen darf, die Künstler von Profession ungenießbar macht. –

Mit Werner habe ich sehr viel in W. gelebt, und er vorzüglich gab auch Anlaß zu einer sehr schwierigen Komposition von mir, die aber nicht aufgeführt worden ist ... Ohne Zweifel wäre ich längst bekanntgeworden, wenn jene Komposition aufs Theater gekommen wäre, und auch jetzt würde es mir gelingen bekannt zu werden, wenn die Zeitumstände nicht hier auf alles, was Kunst heißt, so verderbend wirkten, indessen lacht mir so eine frohe Zukunft entgegen, und diese muß mich stärken für die Gegenwart. Ich glaube Dir schon geschrieben zu haben, daß ich eine Oper und ein Melodram fürs Bamberger Theater setzen soll, von beiden ist der Text vom Grafen Julius von Soden. Die Oper heißt: der Trank der Unsterblichkeit – das Melodram: Josef in Ägypten. – Da habe ich denn nun den Winter vollauf zu tun, vorzüglich auch, wenn es mir gelingt, die Komposition der Musikpartie eines Wernerschen Schauspiels, das hier auf die Bühne kommen soll, zu erhaschen. Werner, dem es auf seiner Reise sehr wohl ging, der dem Könige von Bayern mit seiner Gemahlin vorgestellt wurde, der mit dem Herzog von Gotha viel lebte, usw., ist jetzt in Jena und wohnt bei Goethe, der ihn auf das freundschaftlichste aufgenommen und der sich über seine Werke sehr vorteilhaft erklärt hat.

Den Bock habe ich in W. persönlich kennengelernt und von seinem Mönchtum auch schon früher Kunde erhalten. – Von Schrötter und Schenkendorf ist auch in Berlin viel die Rede. –

Fichte und Schleiermacher sind wieder hier, Werner kehrt auch nach Berlin zurück. Varnhagen. Chamisso, Winzer, Robert sind Dir gewiß unbekannte Namen, indessen nenne ich sie Dir als junge höchst talentvolle Leute, die uns gewiß viel, viel Gutes liefern werden. So wird z. B. in kurzem aus diesem Kreise ein Künstlerroman erscheinen, der so ziemlich das, was in dieser Art jetzt da ist, ins Dunkle stellen wird. (»Versuche und Hindernisse Karls« von Varnhagen, Neumann und Bernhardi sind Fragment geblieben.) Nur wenig kann ich den Umgang dieser Leute nützen, da ich wieder tief, tief in das Studium alter Meisterwerke, von denen ich hier die Partituren auftreiben konnte, wahrscheinlich in Reichardts »Magazin«, geraten bin. Du kannst Dir überhaupt nicht denken, mein einziger Freund, was ich hier in B. für ein stilles zurückgezogenes Künstlerleben führe. In meinem kleinen Stübchen, umgeben von alten Meistern, Feo, Durante, Händel, Gluck, vergesse ich oft alles, was mich schwer drückt, und nur, wenn ich morgens wieder aufwache, kommen alle schweren Sorgen wieder! –

Erfährst Du etwas Näheres über die Absichten des Ministers Stein mit uns verjagten Offizianten, so schreibe es mir doch, vorzüglich wünschte ich auch zu wissen, ob es wohl ratsam sein würde, sich an ihn oder an den Kanzler Schrötter schriftlich zu wenden. Letzteren kennst Du ja persönlich, ich zwar auch, doch nur flüchtig bei Gelegenheit der Justizrevision. – Bekäme ich das halbe Gehalt, so würde ich an irgendeinem wohlfeilen Orte ganz der Kunst leben.

An denselben

Berlin, den 12. April 1808.

... Du hast mich getröstet und mich mit neuem Mut belebt, den Kümmernissen und dem harten Druck der Umstände zu widerstehen. Überzeugt wirst Du von meinem Künstlerenthusiasmus sein, der die Vorstellung, wie ich wohl mich hinaufschwingen werde aus diesem Elend, nie untergehen läßt; indessen glaubst Du es nicht, wie eigentlich unbedeutende Sachen, die nur den Körper betreffen, z. B. schlechte Nahrung, Entbehrungen gewisser Dinge, an die man sich in guter Zeit gewöhnt hat, als da sind ein Glas guter Rum des morgens usw., auf die Seele wirken und nachgerade Dumpfheit und Trübsinn hervorbringen. – Daß Du mich freundlich aufnehmen würdest in Deinem Hause, dachte ich wohl; Du versprichst mir überdem ein ruhiges Plätzchen und ein Klavier, das sind meine Hauptbedürfnisse, und sollte ich daher erst vom 1. Oktober an in Bamberg engagiert werden, so bin ich entschlossen, da Du es erlaubst, ein paar Sommermonate bei Dir zuzubringen und ein paar große Kompositionen, über die ich brüte, zu endigen. Von Dir reise ich dann nach Posen, hole meine Frau und dann fort nach Bamberg. –

Wie sehr ich aber barer Hilfe bedarf, kannst Du Dir wohl denken, kannst Du mir daher um oder nach Ostern noch etwa 100 Rthlr. schicken, so machst Du es mir möglich, Berlin zu verlassen, und befreiest mich von Sorgen, die drückender sind als Du es Dir vorstellen magst. In diesem Augenblicke würde ich den drückendsten Mangel leiden an den notwendigsten Bedürfnissen des Lebens, wenn nicht bei Werckmeister (Kunst- und Musikhandlung) drei Kanzonetten mit italienischem und deutschem Text gestochen würden, auf die ich vorschußweise zwei Friedrichsdor erhalte habe; denn (kannst Du es Dir denken?) bares Honorar erhalte ich gar nicht, sondern nur 30 freie Exemplare. Aus der Schweiz und aus Bamberg hab ich noch für meine saure Arbeit nichts erhalten. Auf das Bekanntwerden kommt alles an, und in dieser Rücksicht habe ich gute Hoffnung, da der Hofrat Rochlitz in Leipzig (er redigiert die musikalische Zeitung) mir versprochen hat, von meinen Sachen Notiz zu nehmen, die er übrigens rühmt und preist (die Sachen nämlich).

 

Mich hat eine Wut befallen, Dir Briefe, die ich von interessanten Personen erhielt, beizulegen. – Ich schrieb Dir doch die Geschichte mit Werner? – Hast Du in irgendeinem Blatte von der Aufführung der Wanda in Weimar gelesen? – Die Verse der Chöre sind irgendwo eingerückt, das Ganze muß ein höchst fantastisches geniales Werk sein ...

An denselben

Berlin, den 7. Mai 1808.

Mein einziger teuerster Freund!

Wie kommt es, daß ich gar nichts von Dir höre? Alles schlägt mir hier fehl, weder aus Bamberg, noch aus Zürich, noch aus Posen erhalte ich einen Pfennig; ich arbeite mich müde und matt, setze fort die Gesundheit zu und erwerbe nichts! Ich mag Dir meine Not nicht schildern; sie hat den höchsten Punkt erreicht. Seit fünf Tagen habe ich nichts gegessen als Brot. – So war es noch nie! Jetzt sitze ich von morgens bis in die Nacht und zeichne an Szenen für Werners Attila, der in der Realbuchhandlung verlegt wird. Noch ist es nicht gewiß, ob ich alle Kupfer zu zeichnen erhalte, gelingt mir dies, so verdiene ich etwa 4 bis 5 Friedrichsdor, die dann auf Miete und kleine Schulden aufgehen. Ist es Dir möglich mir zu helfen, so schicke mir etwa 20 Friedrichsdor, sonst weiß ich bei Gott nicht, was aus mir werden soll. Übrigens ist mein Kontrakt mit dem Bamberger Theaterdirektor jetzt abgeschlossen, und vom 1. September geht mein Offizium an, so daß ich im August schon abreisen muß. Mein einziger Wunsch wäre es, mich jetzt schon von Berlin loszureißen und nach Bamberg zu gehen. Hierzu würde aber mehreres Geld gehören, da ich auch meine Garderobe zur Reise instand setzen muß. – Gelingt es mir nur erst, Geld zu erwerben, so will ich darauf bedacht sein, wenigstens nach und nach meine große Schuld bei Dir abzutragen. Wäre es Dir wohl möglich, im Fall Du eine bedeutende Summe reponiert habest, mir noch 200 Taler zu borgen? In diesem Falle wäre ich nicht allein aus aller Not, sondern könnte auch nach Bamberg abgehen! – Mein Freund! Verkenne mich Unglücklichen nicht! – Gott weiß es, wie nahe es mir geht so zu Dir sprechen zu müssen! Antworte mir mit umgehender Post, darum fleht

Dein treuer bis in den Tod
Hoffmann

An denselben

... Vor wenigen Tagen hatte mich der Mangel der notwendigsten Bedürfnisse halb wahnsinnig gemacht, und in diesem Zustande erinnere ich mich Dir geschrieben zu haben! – Eine gute Mahlzeit und eine ruhige Nacht haben mich jetzt mehr zu mir selbst gebracht, indessen um mein Elend desto stärker wieder zu empfinden. – Es gehört wirklich eine Stärke der Seele dazu, die an Heldenmut grenzt, um all das bittere Ungemach zu ertragen, welches mich nicht zu verfolgen aufhört. – Auch aus den Bestellungen der Zeichnungen für Werners Attila ist nichts geworden, wovon ich Dir in meinem vorletzten Briefe schrieb. Werner, mein Freund! erklärte nämlich, es sei ihm denn doch lieber, wenn ein gewisser S. die Zeichnungen machte und nicht ich! ...

An Hofrat Rochlitz, den Herausgeber der Leipziger Allgemeinen Musikalischen Zeitung

Berlin, den 10. Mai 1808.

... Es ist eine lange Zeit verflossen, seit ich von Ew. Wohlgeboren die freundliche Zusicherung Sich meines Bekanntwerdens in der Künstlerwelt gütigst anzunehmen, erhielt; ich habe in dieser Periode mit den drückendsten Verhältnissen gekämpft und beinahe erlegen, bis sich denn nun endlich ein Unterkommen für mich als Künstler fand. Das Theater in Bamberg wird diesen Sommer neu organisiert und ich bin, empfohlen durch die Komposition einer Oper, deren Dichter der Reichsgraf von Soden ist, als Musikdirektor angestellt worden, gedenke auch in kurzer Zeit dahin abzugehen. Auch mit meinen Kompositionen glückt es mir endlich hervorzutreten; Herr Nägeli in Zürich nimmt Sonaten von mir, welche durchgehends thematisch gearbeitet sind, in das repertoire de clavenistes auf, und eben jetzt ist auch eine Kleinigkeit von mir bei Werckmeister erschienen. Es sind drei Kanzonetten mit italienischem und deutschen Text, welche ich Ew. Wohlgeboren zu überreichen die Ehre habe ...

An Hippel in Leistenau

... Nein! – ich lasse den Mut nicht sinken, da ich auf Dich bauen kann, und die feste innige Überzeugung habe, daß mit meinem ersten Fußtritt aus Berlin sich all mein Leid enden und in Freude und Wohlsein umwandeln wird. In einer solchen hilflosen Lage, wie die letzten acht Tage über, bin ich noch nie gewesen; zufällig würde sie von einem meiner Bekannten, dem ehemaligen Regierungsrat Friedrich, welcher mich trostlos im Tiergarten fand, erraten; und selbst in Verlegenheit, teilte er doch sein letztes Geld mit mir. Um nicht einen Augenblick mit der Abreise nach Empfang des Geldes zögern zu dürfen, habe ich mir schon im voraus die notwendigsten Kleider und Wäsche bestellt; bezahlen und abreisen wird daher wohl der Akt eines Vormittags sein. –

Du siehst, mein Freund, daß, nun ich nur der Hilfe gewiß bin, auch meine Mutlosigkeit, die wohl – mit einem Wort gesagt – durch wirklichen Mangel der schrecklichsten Art, durch den Hunger, erzeugt wurde, ein Ende hat, und daß ich nun mein Schicksal preise, welches mich mit einem Ruck dahin versetzt, wohin mich schon längst meine ganze Neigung trieb. Bei der jetzigen Konkurrenz brotlos gewordener Künstler war es wirklich viel, ein Unterkommen zu finden, welches schon zu den bedeutenderen gehört, und für mich um so ersprießlicher sein muß, als ich nun nichts tun darf, als schreiben, um bekannt zu werden. In Warschau konnte ich aber Opern stoßweise komponieren, ohne daß irgend eine Menschenseele davon Notiz nahm.

Wie aber meine Sehnsucht nach dem Orte meiner Bestimmung mit jedem Tage steigt, davon hast Du keine Idee! – Es geht so weit, daß ich nicht mehr ruhig arbeiten kann, sondern unwillkürlich vom Tische aufspringe und Stub' auf Stub' ablaufe, ehe ich es mir versehe, auch wohl auf der Straße und im Tiergarten bin, wo mir seit einiger Zeit die einsamen Partien sehr lieb sind, indem mich Lichtenbergs Abhandlungen von lichtscheuen Hasen und dergleichen jetzt etwas näher angehen als sonst. –

Zu keiner Kunst (um sie nämlich auszuüben) gehört wohl so körperliches Wohlsein, als zum Komponieren, das Gegenteil bewirkt eine große Kränklichkeit, die sich nicht allein in den Ideen, sondern, was in der Komposition ein Hauptmoment ist, auch in ihrer Zusammenfügung ausspricht. Lebhaft habe ich dies alles jetzt gefühlt, und ein Salve Regina, das ich in diesen Tagen des Unglücks setzte, unerbittlich zum Feuertode verdammt; dagegen nach dem Empfange Deines Briefes mittags gut gegessen und getrunken und abends ein neues Salve Regina angefangen, das nun schon ein ganz ander Ding wird. – In kurzer Zeit werden nämlich von mir drei oder vier vierstimmige Hymnen an die Jungfrau unter dem allgemeinen Titel: La santa Virgine, erscheinen, die bloß von Singstimmen ohne alle weitere Begleitung als höchstens des Pianoforte, welches leise und diskret die Grundakkorde anschlägt, vorgetragen werden ...

Dein Urteil über Werner ist ganz das meinige, jedoch wirst du finden, daß im Attila es wieder herrliche Züge gibt, wiewohl auch dieses Stück wieder mit läppischen Dingen und Geschmacklosigkeiten durchflochten ist. Zu letzteren rechne ich besonders im Kreuz den ganzen ersten Akt, wenig ausgenommen die Szenen der Pregolla »wer wird nun hüten mein Feuerlein«, und die unendlich läppische Szene des Fischermädchens. Hast Du Werner persönlich gekannt? – ich glaube, ja! Über seinen schmutzigen Geiz, der doch in keiner Künstlerseele wohnen sollte, hat Iffland neulich eine charakteristische Anekdote debütiert. Als die Weihe der Kraft in Berlin aufgeführt werden soll, erhält Werner bloß für die Mitteilung des Manuskripts, welches er gleich darauf drucken ließ, aus der Theaterkasse 500 Taler in Talerstücken – gewiß ein ungeheuer großes Honorar. Im Begriff sie einzustreichen neigt er sich, bittersüß lächelnd zu Iffland und flüstert: »hätte doch gedacht im Golde, mein Herr Direktor!« – Iffland drückte sich sehr pittoresk aus, indem er sagte: »Immer nur sehe ich, wenn ich mit Werner über seine Werke für unser Theater spreche, die Goldfaust hervorragen!« (wie eine Teufelspfote). Übrigens ist das hiesige Theater, da wegen der Gäste niemand hineingehen mag, so in schlechten Umständen, daß die Schauspieler nicht mehr bezahlt werden konnten, und Iffland dem Komité administrativ erklärte, daß er, bekäme er nicht bedeutende Zuschüsse, das Theater schließen müsse. –

Des Brotes wegen, dessen jetziger Preis für Arme unerschwinglich und das zuweilen gar nicht zu haben ist, sind hier einige Tage hindurch unruhige Auftritte gewesen, die aber bald durch starke Patrouillen zu Fuß und zu Pferde gedämpft wurden!

Über die mir zugesagte Hilfe bin ich voll unruhiger Erwartung, und werde meine ganze Seelenruhe nur dann genießen, wenn ich dem Weichbilde Berlins entflohen bin ...


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