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Das Vorspiel

Drei Reiter stiegen aus dem Tale, wo der junge Rhein dem See zudrängt, einen Hügel hinan, der sich unter Wiesen und Weingärten behäbig dehnte und die Sonne wie eine warme Krone trug. Neuer Most duftete von Haus zu Haus, und feine Tröpflein hingen an den silberschimmernden Schindeln. Bienen und Wespen waren trunken tanzende Feuersäulchen über Obstpressen und Weinkeltern, und samtne Georginen leuchteten aus den Bauerngärten in den blauen Tag.

Einen Rappen mit silberbeschlagenem Zaumzeug ritt ein untersetzter Schwarzer, einen Schimmel mit dunkelglänzenden Gurten ein breitschultriger Weißbart und einen Goldfuchs mit feuergelben Zügeln ein schlanker rotblonder Gesell. Der Schwarze hatte seine Heimat in einem kirchenreichen Städtlein, dort, wo der Rhein breit zu strömen beginnt. Der Weiße hatte in seiner Jugend dem Vater, der seinen Liebhabereien lebte, bei der Jagd im Gebirge und beim Fischfang im See beigestanden, und der Blonde war seinen Knabenträumen in einer Landschaft nachgegangen, wo Fruchtbarkeit über sanften Hügeln atmete.

Dem Handel war Pankraz, der Schwarze, ergeben gewesen, nachdem er rechtskundig geworden, im Glauben, daß man auch eine schöne Pflicht erfülle, setze man alle Kräfte an den Erwerb, damit man reich und begütert andern wohlzutun vermöge. Servaz, der Weiße, hatte als Pfarrer hausen wollen und darüber gefunden, daß sich jeder seine eigene Religion zurechtzimmere; als er jedoch eine Gemeinde schaffen wollte, solche Gläubige zu sammeln, da wollte keiner von seiner Sendung etwas wissen. Und Bonifaz, der Blonde, hatte von Demantennestern in vergessenen Kohlenstollen seiner Heimat geträumt und war, ein Berggerechter und Gesteinskundiger, vom Aberglauben umwitterten Höhlen und verfallenen Gruben nachgestiegen. Dabei hatten alle drei mit den Jahren eine Sehnsucht nach sich selber gespürt und neuen Suchern Weg und Ziel gelassen, froh, das, was sie jung gesucht und anders gefunden, als sie gedacht, hinter sich zu haben. So hatten sie sich am schwäbischen Meer gefunden, kleine Herren, die in einem fleißigen Städtlein bescheiden ihrer Neigung lebten. Servaz hatte sein Geld in etlichen schönen alten Häusern angelegt, Pankraz bei der Gemeinde und Bonifaz in einem Landgute. Und derweil sich Servaz um den Verschönerungsverein verdient machte und sorgte, daß kein alter Erker verwahrlost, kein Brünnlein ungesäubert und ohne Blumen blieb, wollte Pankraz keine nahe Wasserkraft ungenützt wissen, daß sie nicht, zu Licht und Wärme gewandelt, der Gemeinde diene: der letzte Knecht im Städtlein müsse daher das Feuer für seine Pfeife haben. Bonifaz sorgte seinem Pächter für schönes Kleinvieh, und die Nachzucht seiner Gänse, Enten, Puter, Hühner und Tauben war weit herum schon in stattlichen Stücken zu finden. So frommten sie ihrem kleinen Kreise, und dafür galten sie etwas bei Bürgern und Bauern. Mit einer andern Gabe freute keiner von ihnen die Gemeinde, und doch hatte jeder deren eine. Damit waren sie wohl, als die Jugend noch alle Tore für sie aufgetan hielt, dem einen und andern Fräulein genaht; aber mit der Zeit war, was sie so besaßen, eine Erinnerung geworden, die zuviel andre, auch solche über Gräbern, aufblühen ließ, und vor diesem Duft einer versunkenen Ferne wahrten sie nach Kräften ihr Herz. Dem Pankraz hätte der Handel mit Wertpapieren aller Farben noch Zeit gelassen, die Orgel zu spielen und dabei die schönsten eigenen Weisen zu finden. Servaz hätte allabendlich mehr Zuhörer haben können, als in die größte Kirche seiner Heimat hineingingen, hätte er gesungen statt gepredigt. Und Bonifaz waren, indes er nach dem Erz und der Kohle der Tiefe schürfte, helle Lieder zugeblüht voll Sonne und Süße.

Auf dem Hügel, der seinen Rücken breit ins Gelände reckte, um gegen Abend steil abzufallen, lag zu äußerst ein Wirtshaus, der Besitz eines Klosters und von einer bestandenen Jungfer und etlichen Mägden betreut. Und die Freunde fanden, nachdem sie ihre Gäule eingestellt, den Tisch nach ihrem Behagen gedeckt. Im guten Gastzimmer, wo Abt und Probst rasteten, wann sie ihren Jahresbesuch machten, prangte ein Tafelschmuck, der dem Kloster schon gedient, da dem Abt nicht nur mit der Predigt, sondern auch mit dem Schwerte dreinzufahren vonnöten gewesen war. Eine dickbusige Liebesgöttin von Zinn stand mitten auf dem Tische und krönte einen Ständer für Schlecklöfflein. Astern dufteten aus dottergelben, mit grünen Zweigen bemalten bäuchigen Krügen, und Zinnbecher mit eingeritztem reichem Rankenwerk glommen auf einer von späten Röslein umwundenen Platte in heimlicher Bläue. Drei Teller, wo bunte Blumen ein Sprüchlein der Weisheit umrahmten, boten das Brot. Und als die Eisheiligen davon zu knabbern begannen und einen fürwitzigen Blick unter die Wecklein taten, konnte Pankraz lesen:

Will wer zu einem Weiblein trocknen Fußes kommen,
Braucht's mehr als gute Schuh bei Weisen auch und Frommen.

Servaz vernahm den Seufzer:

Lieben und nicht haben –
Ärger denn Stein graben!

Und Bonifaz vermochte den Reim zu bekräftigen:

O Liebe, wie bist du so herrlich –
Wärst du nur nicht so gefährlich!

Die Schafferin brachte eine Suppe von Bachkrebsen, über Liebesäpfeln aus dem eigenen Garten angerührt, deren Feuer Eiweißmöcklein sänftiglich milderten. Silberforellen aus dem See waren in Petersilienbutter und längliche goldgelbe Kartoffeln gebettet. Und dann dehnte ein Hase seinen langen Rücken aus einem Lager von kleinen Champignons und rotem, weinduftendem Kraut, worauf eine Torte erschien, die eine Laube mit einem zärtlichen Pärlein trug und am Rande durch einen lückenlosen Reigen von Männlein und Weiblein erfreute, alle dick, weiß und rot, die Äuglein blaue Heidelbeeren und die aus Joppe und Mieder herausquellenden Herzlein rote Himbeeren. Und was Vergängliches war an der Schönheit dieses Mahles, ging hin, und in den Zinnbechern blinzelte dunkelgelb und schwarzrot die Herbstsonne. Da räumte die Schafferin die Tafel ab und bestellte sie mit bauchigen Flaschen voll eines Weines, der aus verlesenen Trauben gepreßt war, die man vorher auf einem luftigen Speicher aufgehängt hatte, bis sie geschrumpft waren wie Rosinlein.

Davon tranken die drei und stärkten also ihr Herz, daß es auferstand und seine vergessene Sprache redete. Und wo es von einem Mädchen kündete, einer Frau, der es voreinst zu blauem Abenteuer begegnet und Wunden gedankt und Narben, da ward ein Becherlein besonders gefüllt und mußte mitklingen, wann sich die Eisheiligen zutranken. Und es wurden deren mit der Stunde manche, und als der Dämmer gesunken, war über diesem Heerlager, das die Erinnerung lieblich aufgeboten, eine Wolke von taumelnden und torkelnden Nachtfaltern, die des schweren süßen Duftes vergangener Sommer nicht satt werden mochten.

Ein Sessel, fürstlichen Gästen vorbehalten, trug eine kunstvoll geschnitzte, überdachende Krone, und die war für das Fest der Eisheiligen mit Lorbeer und weißen Rosen durchwirkt. Und wer erzählte, der tat es unter diesem Zeichen der Hoheit, und so einer nach dem andern, und es lauteten:


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