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Die Adlerwirtin von Hasle, welche mich aus der Taufe hob, war in den ersten Jahren ihrer ersten Ehe kinderlos. Drum erbat sie sich eines der Kinder ihrer älteren Schwester, der Frau des Schiffers Schang in Wolfe.
Diese brachte ihr eines Tages einen frischen, rotbackigen und blauäugigen Knaben von fünf Jahren. Der erste Mann meiner Taufpatin und der Tante des nach Hasle versetzten kleinen Wolfachers war ein Metzgermeister und hieß im Städtchen nach seinem Vornamen nur der Vinzenz. Derselbe trug an Sonntagen mit Vorliebe enganliegende, gelbe Hosen.
Diese Hosen imponierten dem kleinen Wolfacher so, daß er eines Tages dem Vinzenz, der arglos zum Fenster hinausschaute, in dieselben hineinbiß, so kräftig, daß derselbe laut aufschrie.
Infolge dieses Attentats mußte der kleine Menschenfresser wieder heim, da der Onkel Vinzenz keinen Buben im Hause haben wollte, der ihm in seine gelben Lieblingshosen und in sein eigen Metzger-Fleisch biß.
Kaum war der Bursche wieder daheim, so gingen seine Streiche von neuem los. Seine Patin war eine Bäckersfrau in Wolfe. Die besuchte er, ehe die Schulzeit ihn beschäftigte, öfters. Eines Tages trifft er im Hausgange eben aus dem Ofen gekommene »Spitzwecken«, auf einem Brett versammelt, um gekühlt zu werden.
Flugs macht sich der Hosenbeißer an diese Wecken und beißt jedem seinen Charakter, die beiden Spitzen, ab. Als er eben mit dem letzten fertig war, kam die »Göttle« und sah, was ihr Patenkind angerichtet.
In die Schule gekommen, zum alten Lehrer Sauter, der noch Kniehosen, weiße Strümpfe und Schnallenschuhe trug und tüchtig dreinschlug, zeigte Schangs Jüngster alsbald auch hier seine Wildheit. Wenn der Lehrer ihn auf die Kniee nahm, um ihn abzustrafen, pfetzte er den dicken Magister derart in seine weißen Strümpfe, daß er aufschrie und den jungen Bengel von sich warf.
Daß wilde Buben aber meist tüchtige Kerle sind, zeigte Schangs Theodor schon in der Schulzeit.
Er war nicht bloß der erste in Wolfe, welcher Schlittschuhe lief, die ihm sein Vater heimgebracht, und lernte es allein, da niemand es ihm vormachen konnte, er rettete auch als 12jähriger Knabe zweien seiner Schulkameraden das Leben.
Eines Tages zur Sommerszeit war er von der Schule weg an die Kinzig zum Baden gelaufen. Beim kleinen »Gießenteich« angekommen, hörte er andere Knaben rufen: »Der Sepple versauft!« Richtig lag der Sepple schon in der Tiefe des »Gumpens« leblos am Boden. Wer hinunterstürzt, den Sepple herausbringt, ihn am Ufer mit dem »Nastuch« reibt, bis er zum Leben kommt, ist Schangs Theodor.
Den Sepple lernte ich später auch kennen. Im Sommer 1864 litt ich als jugendlicher Lehramtspraktikant, noch des vielen Sprechens ungewohnt, an Heiserkeit und besuchte das damals erst entstandene Kiefernadelbad zu Wolfe. Ich wohnte im Pfarrhaus bei dem mir befreundeten Pfarrer Kuttruff. Sein Sakristan aber war der Sepple, dem Schangs Theodor das Leben gerettet, ein stiller, bescheidener Mann, seines Berufes ein Schneider.
Hatte er als Mesner nichts zu tun, so saß er am Fenster seines alten Häuschens neben der Kirche und schneiderte emsig und unverdrossen.
»Gute Morge, junger geistlicher Herr, habt Ihr ou guot g'schlofe?« Mit diesem Gruß empfing er mich jeden Tag, wenn ich in die Sakristei trat, der blasse, stille Schneidersmann, dem ein Häuflein Kinder bei seinem geringen Verdienst viele Sorgen machte.
Nach dem Gottesdienst sprach er mir bald von den vielen Fremden, die jetzt nach Wolfe kämen, um im Bad sich zu heilen und zu »verlustieren«, bald von meinem Großonkel, der in Wolfe Pfarrer gewesen war und an den er sich noch dunkel erinnerte und von dem er viel erzählen gehört. Darnach, so meinte er, sei meines Großvaters Bruder »so lustig und so gesprächig gewesen, wie ich«.
Da er einmal hörte, ich wolle am Sonntag predigen, gab er mir, bescheiden, wie er war, die Lehre, ja nicht »so wüst zu machen« auf der Kanzel, wie andere junge Herren: denn die Wolfacher schimpften sonst, und es täte ihm, dem Sakristan, leid, wenn die Leute über mich, für den er eine Vorliebe habe, räsonierten.
Seit jener Zeit hörte ich nichts mehr von dem braven Schneider und Sakristan. Da suchte ich 1895 einmal einen Privat-Korrektor unter den Korrektoren des Hauses Herder in Freiburg, und siehe da, eines Abends trat ein bescheidener, junger Mann ein und entpuppte sich nach wenig Fragen als den Sohn des alten Mesners Fehrenbach von Wolfe, Er erzählte mir, sein Vater habe schon vor zwanzig Jahren das Zeitliche gesegnet und er selbst wohne mit der Mutter und den Geschwistern seit Jahr und Tag in Freiburg. –
Neben dem Sakristan strahlt mir aus jenen Tagen noch die Gestalt der Nichte des Pfarrers entgegen, der Resi, eines bildschönen Mädchens, aus dessen blauen Augen und aus dessen goldigem, lockigem Haar einem ein ganzer, heiterer, reiner Frühlingshimmel entgegenleuchtete.
Mit der Resi unterhielt ich mich vom Sakristan weg beim Kaffee und freute mich ihrer Empfindlichkeit, eine Eigenschaft, die allen weiblichen Wesen eigen ist, die wissen, daß sie schön sind.
Sie ist jetzt auch längst tot, die schöne Resi, erlöst von schweren Leiden. Ihr greiser Onkel aber, eine vornehme Natur, amtet heute noch als Pfarrer und Dekan droben im Hegau.
Am Abend ging ich damals mit ihm zum »Benjamin«, wo die Herren und die besseren Bürger von Wolfe, unter ihnen Theodor, der Seifensieder, ihr Bier tranken und kannegießerten.
Wenn ich heute an meine damalige Lebenslust denke, so kann ich's gar nicht begreifen, wie ich früher so sein konnte, so gedankenlos und überall nur Himmel und Baßgeigen sehend.
Wahrlich, wir Menschen müssen nicht bloß vierzig, nein fünfzig und sechzig Jahre alt werden, bis wir recht zu uns kommen und erkennen, was Welt und Menschenleben für armselige Dinge sind! Vorher macht sich der Geist nicht los, um seiner Kraft und des menschlichen Elends bewußt zu werden. – Des Schangs Theodor rettete nicht bloß einen zukünftigen Schneider unter eigener Lebensgefahr vom Wassertode, sondern auch einen zukünftigen Schuster, der Meinrad Moser hieß und sein Schulkamerad war.
Auch den hat der Tod jetzt schon längst geholt.
Für beide Taten wurde der wilde Theodor in der Schule öffentlich belobt, welches Lob ihn aber nicht abhielt, bald wieder einen Streich zu spielen, von dem das ganze Städtle reden sollte.
Vor dem untern Tor zu Wolfe erhebt sich der »Käpflefelsen«. Auf diesen transportierte Schangs Jüngster eines Tages mit einigen Gesinnungsgenossen einen ausgestopften Strohmann, stellte ihn auf die Spitze des Felsens und schrie nun mit den andern aus Leibeskräften, damit die Leute vom Städtle heraufschauten. Alsdann stürzte er den Strohmann vom Felsen herab, so daß die Zuschauer unten glaubten, es sei einer der Knaben hinabgestürzt worden. Von Schrecken erfaßt eilen die besorgten Leute an dem Felsen hinauf, um – einen toten Strohmann zu finden.
Kein Baum und keine Tanne war dem starken, großen Knaben zu hoch, wenn es galt, Raubvogelnester im »Siechenwald« auszunehmen, und keine Woche verging ohne einen Jugendstreich, und die Karwatsche der Mutter fand an ihm ihr häufigstes Objekt.
Aber wenn er in der Kirche als Choralbube mit seiner schönen, kräftigen Knabenstimme sang, versöhnte er jeweils wieder den Schulmeister, die fromme Mutter und die andächtigen Wolfacher.
Was mich noch aus der Knabenzeit unseres Theodor anmutet, ist sein Sammeln von altem Eisen auf den Straßen und Plätzen seiner Vaterstadt. Einige zwanzig Jahre später als er trieb ich das gleiche Metier. Jedes Stückchen altes Eisen, jeder Nagel wurde aufgehoben, bis ein Pfund beisammen war und es dann für 2-3 Kreuzer an einen Schmied oder Schlosser verkauft werden konnte. Mit Vorliebe trieben wir uns vor Schmieden herum, wo Rosse beschlagen wurden, und gruben zwischen den Pflastersteinen alte Hufnägel, von uns »Roßstumpen« genannt, aus der Erde.
So mühsam mußten sich Knaben vor sechzig und mehr Jahren ihr »Taschengeld« verdienen! Wir hatten oft monatelang zu sammeln, bis ein Pfund altes Eisen beisammen war, und dann war im besten Falle ein Groschen unsere Beute.
Während aber Schangs Theodor seinen Groschen in die Sparbüchse tat, wanderte der meinige zur alten »Zuckerbäckin« oder zu »Stubenwirts Alise« für eine Meise, –
In Wolfe und der Umgegend war kein Seifensieder. Lichterzieher gab es wohl, aber keinen Seifenfabrikanten; darum beschloß der Schiffer Schang, trotzdem er ein Schifferherr und Granatenhändler war, seinen Jüngsten zum Seifensieder zu machen. Die älteren Brüder, soweit sie noch lebten, waren bereits in der Schifferschaft oder im Granaten- und Uhrenhandel untergebracht.
Der Theodor gab des Vaters Wunsch gerne nach und hat es nie bereut, obwohl die Seifensiederei ein schwerer und nicht sehr poesievoller Beruf ist. Daß die alten Seifensieder diesen ihren Beruf dennoch, wie wir bald sehen werden, poetisch zu gestalten wußten, macht ihnen alle Ehre.
Vater Schang sah sich nach einem Lehrmeister um, mußte aber, da in der Nähe keiner von der gesuchten Zunft sich fand, in die Fremde und kam bis nach Rastatt.
Hier rückte der Theodor im Frühjahr 1830 – als Seifensiederlehrling ein. Aber es ging ihm dabei viel schlechter als 22 Jahre später mir in der gleichen Stadt. Der Meister war ein Trunkenbold und die Meisterin dem Trunke hold, so daß der Wolfacher Natur- und Waldbube zwischen den täglich sich streitenden, sich prügelnden und sich betrinkenden Meistersleuten ein wahrer Märtyrer wurde und außerdem nichts lernte. Er schrieb seinem Vater, in welche Grube er seinen Sohn getan. Der Schiffer kam, untersuchte die Sache und brachte seinen Sprößling alsbald nach Karlsruhe zu einem Seifensieder, der Kiefer hieß und zugleich Stadtrat war und, wie der Theodor in seinen Memoiren beifügt, – von freisinniger Richtung beseelt, was auch keine Kleinigkeit war für einen Seifensieder jener Zeit.
Diese Richtung überkam der Lehrling auch vom Meister samt allen Kenntnissen in der Lichter- und Seifenfabrikation. Aber des Meisters Vorbild im Freisinn genügte dem Lehrjungen nicht. Er ging auch, so oft er Zeit hatte, als Zuhörer in die zweite badische Ständekammer und damit in die hohe Schule des echten, wahren Liberalismus jener Jahre, hier hörte er Männer, wie Rotteck, Itzstein, Welcker, Duttlinger, im echten Sinne des Wortes für Freiheit eintreten.
Und hier wurde Theodor, der Seifensiederlehrling, so begeistert für die liberale Sache, daß er sein ganzes Leben hindurch ihr treu blieb, selbst in jenen Tagen, da der badische Liberalismus von dem eines Rotteck und Genossen viel weiter entfernt war, als Wolfe von Karlsruhe. –
Daß Schangs Theodor kein gewöhnlicher Seifensiederlehrling war, bekundete er auch dadurch, daß er, als der Winter kam, Tanzstunden nahm und Tanzkränzchen »in guter und besserer Gesellschaft besuchte«.
Heute würde ein angehender Seifensieder, der von seinem Talgkessel weg zur Tanzstunde käme, in der Residenz und in jeder größeren Stadt von der »besseren« Gesellschaft exkommuniziert werden.
Aber in jenen Tagen hatte das Handwerk noch einen goldenen Boden, und man glaubte noch nicht an die große Irrlehre, daß zu den besseren Leuten nur die Gebildeten und höchstens noch die Kaufleute gezählt werden dürfen.
Schuster-, Schneider-, Seifensieder- und Schlosserlehrlinge gehören heutzutage zum Plebs und Proletariat und sind Menschen, welche die »bessere Gesellschaft« sich vom Leibe halt.
Ich fürchte nur, es kommt die Zeit, wo die »Damen« aus besseren und besten Ständen mit den Proletariern werden tanzen müssen, während blutig aufgespielt wird. Wir haben schon einmal eine solch' grausige Zeit erlebt. Ich glaube, sie hieß die große französische Revolution. –
Noch ließ der Schiffer Schang seinen Jüngsten in Karlsruhe auch soust noch ausbilden, indem er ihm durch den Oberlehrer Neff Stunden geben und ihn in allem unterrichten ließ, was ein künftiger Geschäftsmann wissen soll.
Nach zweijähriger Lehrzeit wurde der Theodor in üblicher seifensiederlicher Art von drei Gesellen freigesprochen. Diese poetische Feier geschah »im Ritter« zu Karlsruhe in folgender Weise: Auf dem Tisch der Zuuftstube stund ein Kruzifix und daneben zwei brennende Talglichter, sowie der Ehrenzunftbecher.
Die drei Gesellen saßen um den Tisch, ein jeder die drei oberen Knöpfe seines blauen Tuchrockes geschlossen, vor sich den zunftüblichen Zylinderhut und darunter die Handschuhe. Der Rand des Zylinders mußte dabei mit den beiden Daumen gefaßt werden. Nun hatte jeder der drei Gesellen anzugeben, wo er zum Gesellen gemacht worden sei, welche »Kollegen« dabei waren und welchen Zunftspruch er als den seinen gewählt habe. Diese Angabe war stehend zu machen, ohne daß die Daumen vom Zylinder weggenommen werden durften.
Beim Aufstehen hatte jeder zu sagen: »Mit Gunst und Erlaubnis stehe ich auf;« beim Niedersitzen: »Mit Gunst und Erlaubnis bin ich aufgestanden, mit Gunst und Erlaubnis setze ich mich wieder.«
Dann schrieb der Altgeselle drei Sprüche auf eine Tafel, und den, welchen der angehende Geselle als den seinen wählen wollte, hatte er mit dem Finger durchzustreichen. Schangs Theodor schrieb der Altgeselle die folgenden Sprüche auf: 1. Schöne Mädchen lieb ich gern. 2. Hans guck in Kessel. 3. Schlag 7 Uhr Feierabend. Der Theodor von Wolfe strich den ersten durch, und fortan war bei der Zunft, wohin er kam, seine Parole, mit welcher er sich vorstellte: »Schöne Mädchen lieb ich gern.«
Nachdem der Leibspruch gewählt war, übergab der Altgeselle dem jungen das Zunftbüchlein mit den Zunftgebräuchen, hierauf bekam er einen Ehrentrunk aus dem Ehrenbecher der Zunft.
Alsdann reichten ihm die Gesellen, der Altgeselle voran, die Rechte mit den Worten: »Hui Seifensieder! Hui Seifensieder!«
Für all das hatte der neue Geselle Essen und Trinken zu bezahlen und jedem der drei Freisprecher, unter denen ein Altgeselle, ein Junggeselle und ein Nebengeselle war, einen Kronentaler zu schenken.
Die Zunftgebräuche beim Wandern waren ebenso sinnig, wie das Lossprechen. Kam der Geselle auf seiner Wanderschaft in die Herberge seiner Zunft, so mußte er die drei oberen Knöpfe am Rock geschlossen haben, den Hut in der Rechten, den Ziegenhainer aber in der Linken zwischen Zeigfinger und Daumen so weit in die Höhe halten, daß er den Boden nicht berührte. Am Felleisen wurde der linke Tragriemen ausgehakt.
So trat man an den Zunfttisch, der daran erkenntlich war, daß über ihm der Zunftschild hing. Saßen Handwerksburschen am Tisch, so sprach der Zureisende laut: »Seifensieder!« worauf die andern ebenfalls »Seifensieder« antworteten und dabei leise mit der Hand auf den Tisch schlugen. Alsdann reichte man sich die Hand mit dem Ausspruch: »Hui Seifensieder!«
Beim Umschauen nach Arbeit bei den Zunftmeistern war folgendes Gespräch Zunftgebrauch. Geselle: »Erlauben Sie, sind Sie der Herr Meister?« Meister: »Ich weiß nichts anderes.« Geselle: »Sie werden erlauben, meine Schuldigkeit abzulegen.« Meister: »Recht gerne.« Geselle: »Ich bringe Ihnen von den ehrlichen Herren Meistern und Gesellen aus der Stadt N. N. den freundlichen Gruß von wegen des Handwerks.« Meister: »Schön Dank von wegen des Handwerks.«
Hierauf erhielt der Geselle das herkömmliche Geschenk in Geld, und war's Abend, so kamen Nachtquartier und Essen zum Geschenk hinzu und von den Gesellen Bier.
Bei der Weiterreise sagte der Geselle: »Herr Meister, Sie werden erlauben, meine Schuldigkeit mitzunehmen von wegen des Handwerks.« Meister: »Schön Dank von wegen des Handwerks, grüße mir die ehrlichen Herren Meister und Gesellen in der nächsten Stadt.« Geselle: »Schön Dank von wegen des Handwerks und für alle mir angetane Ehre.«
Die Seifensieder-, die Rot- und Weißgerber-, die Kupferschmied-, Hutmacher-, Buchbinder- und Schönfärbergesellen hielten unter sich Kameradschaft und grüßten sich beim Zusammentreffen mit: »Hui Schwager!«
Wie sinnig finden wir hier die einfachsten Handwerker in ihren Zunftgebräuchen! Es rührt einen förmlich, wenn man sieht, wie Meister und Gesellen in früheren Jahren mit einander verkehrten, und unsere kalte Zeit damit vergleicht.
Man wird aber auch mit Ingrimm erfüllt gegen alle jene, welche von oben herunter und gegen den Willen von Meistern und Gesellen geholfen haben, die Zunft im Handwerk gänzlich zu zerschlagen und mit ihr Poesie und schöne Sitte und dadurch eine Kluft zu schaffen zwischen Meister und Gesellen, eine Kluft, in welcher heute die Sozialdemokratie ihre besten Geschäfte macht. –
Ich erinnere mich noch wohl aus meiner Knabenzeit, wie elegant und zunftmäßig schön die Handwerksburschen mit ihren schmucken Felleisen auf dem Rücken, den Zylindern auf dem Kopf durchs Städtle Hasle zogen, schon äußerlich erkennbar, wess' Handwerks sie seien, und nur bei den Meistern ihres Gewerbes umschauend.
Heute sind äußerlich und innerlich alle gleich, auf der Landstraße alle stromerhaft und alle fechtend und bettelnd, und alle Meister klagen, sie hatten keine ordentlichen Gesellen mehr. Das alles kommt daher, daß man bei den Zünften das Kind mit dem Bad ausgeschüttet hat und selbst das »Hui Seifensieder, hui Seifensieder« verstummen machte, d. h. die alten, schönen, sinnigen Zunftgebräuche totschlug und so die Menschen kalt und herzlos werden ließ. –
Schangs Theodor wurde im Sommer freigesprochen, eine für die Wanderschaft des Seifensieders ungünstige Zeit, weil damals im Sommer keine Lichter gemacht wurden.
Drum ging er heim nach Wolfe, staffierte sich zunftgemäß aus und ging erst im Herbst auf die Wanderschaft.
Diese machte der junge Seifensieder in alter, ehrlicher Art der Zunftzeit ab und wanderte in der Schweiz, in Württemberg, Bayern, Oesterreich, Ungarn, Böhmen, Schlesien und Preußen. Gegen tausend Wegstunden hat er zu Fuß zurückgelegt und bei unzähligen Meistern sein Zunftsprüchlein gesprochen und bei vielen treu und redlich gearbeitet um einen Wochenlohn von 48 Kreuzern, das tut 1 Mark 40 Pfennig.
Auf der Heimreise aus Preußen haben wir ihn getroffen, da er bei Kassel die Gurken holte. Im Juni 1834 kehrte er erstmals zurück aus der weiten Welt, in der er mit offenen Augen alles Sehenswerte betrachtet hatte. Aber daheim im lieben Waldstädtle Wolfe machte ihm diesmal alsbald sein Seifensiedersprüchlein zu schaffen: »Schöne Mädchen lieb ich gern.« In den wenigen Wochen, da er von seinm Wanderfahrten daheim ausruhte, sah er auf der Straße und beim Kirchgang öfters das einzige Töchterlein des Sattlermeisters Roggenburger, eine feine, züchtige Maid.
Im Taufbuch stund sie unter dem Namen Johanna; aber die bekannte Art der Wolfacher, alle Namen, die französisiert werden konnten, zu verwelken, nannte des Sattlers Töchterlein Jeannette, und so hieß sie bis zu ihrem Tod.
Verliebte Mädchen wissen ihres Herzens Stimmung wohl zu verbergen, weil sich verstellen können eine weibliche Natureigenschaft ist. Mannsleute vermögen das nicht, und so wußten die Verwandten und Freunde des jungen Seifensieders bald von seiner Flamme, während diese selbst noch nichts davon ahnte, weil der Theodor zu schüchtern war, sich ihr zu offenbaren.
Doch den Wanderer trieb's von dannen, weil die Wanderzeit noch nicht um war. Im August packt der Seifensieder sein Felleisen wieder, und fort geht's ohne Geständnis und Abschied von der Jeannette zum untern Tor hinaus.
Seine Freunde begleiten ihn, wie damals üblich, bis zur »Siechenbrücke«, und einer trug des Scheidenden Felleisen. Der Weg führt an einem Acker vorüber, der Jeannettens Vater gehörte. Auf dem Acker stehen ein fruchtbeladener Apfelbaum und Rüben. Die Kameraden, das Herzweh des Handwerksburschen wohl kennend, holen einige, wenn auch unreife Aepfel und einige kleine Rüben und legen sie dem liebeskranken Freund in das Felleisen zum Andenken an die Jeannette und auf daß er kein so starkes Heimweh nach ihr bekomme.
Diese Aepfel und Rüben aber hat unser Theodor nicht nur mitgenommen und getreu auf allen Heer- und Wanderstraßen getragen, sondern sie aufbewahrt bis zur Hochzeit und noch jahrelang nach der Hochzeit, bis sie nicht mehr zu halten waren.
Möchten ob dieser kindlich naiven Sinnigkeit nicht heute noch alle meine Leserinnen dem Braven die Hand drücken und rufen: »Hui Seifensieder! Hui Seifensieder!« –
Schon in Karlsruhe, 25 Stunden unterhalb Wolfe, bekam der Wanderer Arbeit beim Seifensieder Rüpple in der Herrenstraße. Hier zeichnet sich der noch nicht zwanzigjährige Wolfacher so aus, daß er bald die erste Stelle in der Werkstätte bekommt bei einem Gulden und zwanzig Kreuzern Wochenlohn.
Aber die Jeannette ließ ihm keine Ruh. Ueber Asche, Lauge und Talg, wenn diese brodelten im Hexenkessel der Seifensiederei, tauchte ihr Bild empor. Er schrieb darüber in seinen alten Tagen herzig und naiv also: »Ich hatte wegen meiner jetzigen Frau damals keine rechte Ruh, Es stieg mir immer vom Herzen in den Kopf, und ich faßte endlich den Mut, mich ihr mehr zu nähern. Ich kaufte ein sogenanntes Stammbuch für zwei Gulden mit dem Bild eines Fräuleins mit blauem Kleid, wie meine Frau damals eines getragen, schrieb einen hübschen Vers hinein und dazu einen schönen Brief, den ich zwar drei- bis viermal ändern mußte, bis er paßte, (es war aber auch der erste und letzte Liebesbrief, den ich in meinem ganzen Leben schrieb), und nun ging's der Post zu in der frohen Hoffnung, von ihr bald eine so heiß ersehnte Antwort zu erhalten. Es verging jedoch eine Woche um die andere, ohne daß die ersehnte Antwort eintraf; nur einmal erhielt ich einen Gruß von ihr, die Freiheit, mir zu schreiben, erlaubte sie sich nicht. Mit diesem Gruß war ich jedoch zufrieden, war er doch ein Zeichen von der Annahme meines Briefes und Geschenks, und ich war schon glücklich.«
Man sieht aus diesen schlichten Worten eines Naturmenschen und Seifensieders, welch kolossalen Einfluß weibliche Wesen ausüben auf ein männlich Gemüt und mit wie wenig, mit einem Gruß, sie die guten, kindlichen Mannsleute glücklich machen können, wenn diese einmal am großen Narrenseil der Liebe gefangen sind.
Aber es muß wohl so sein, sonst blieben die meisten Even ohne Adam. –
Liebeskank und krank von seinen Anstrengungen als Altgeselle kehrte Schangs Seifensieder im folgenden Winter heim, und während in seinem Herzen das Lichtlein der Liebe zu einer Fackel sich entwickelte, machte er den Wolfachern und den Wirtsleuten auf dem Land Talglichter in seines Vaters Haus. Die brave Mutter aber besorgte den Verkauf. Sein Meisterstück hatte er vorher bei einem seiner früheren Meister, Schick in Kehl, unter vielem Trinken der Zunftgenossen gemacht.
Das Geschäft florierte, und im folgenden Jahr kaufte der Schiffer Schang seinem Theodor das alte städtische Spital in der Vorstadt. Dieser riß selber mit eigener Kraft den ganzen Innenbau des alten Gebäudes ab bis auf Seitenwände und Dachstuhl. Dann erst ließ er Handwerksleute kommen und sich seine Seifensiederei und ein dreistöckiges Wohnhaus herrichten.
Nebenbei schlug die alte Wildheit wieder durch beim jungen Seifensieder, vorab beim Neujahrsschießen in den Sylvesternächten der Jahre 35 und 36, wo er jeweils seiner Jeannette mit zahllosen Pistolenschüssen das Neujahr anschoß, verfolgt von den Gendarmen und dem Polizeidiener seiner Vaterstadt.
Drum nahm er es auch nicht übel, als zehn Jahre später in einer Sylvesternacht die jungen Leute vor seinem Haus eine Petarde losließen und ihm ein halbes Hundert Fensterscheiben zertrümmerten.
Eine Tat vollbrachte er damals auch, der Theodor, um die ich ihn nicht lobe; er brachte, von Karlsruhe her angesteckt, den ersten Christbaum nach Wolfe und wußte in seinen alten Tagen noch den Platz im Siechenwald, wo er das Tannenbäumchen geholt.
Ich mag, wie ich anderorts schon gesagt, die Christbäume deswegen nicht, weil sie mir die »Krippele« verdrängten und die Weihnachtszeit bei vielen zu einer Flitter- und Präsentenzeit machen, wobei die Hauptsache, die Geburt des Weltheilandes, welche die Krippele so kindlich schön darstellten, meist gänzlich vergessen wird von jung und alt.
Ich hab' aber den Theodor stark im Verdacht, seinen ersten Christbaum zu Liebeszwecken verwendet zu haben. Er zündete ihn acht Tage lang jeden Abend an und gab jedermann freien Zutritt. Er selbst aber ging in das Haus des Sattlers Roggenburger und lud Mutter und Tochter ein, den ersten Christbaum auch zu beschauen. So bekam er Gelegenheit, das erstemal das Haus seiner Jeannette zu besuchen: darum vermute ich, er habe den ersten Christbaum in Wolfe in seines Herzens Not erfunden.
Der Importeur des ersten Christbaumes huldigte übrigens nebenbei einer alten Sitte, die auch zu meiner Knabenzeit noch blühte, und das war der Besuch der Spinnstuben, welche jetzt in allen Städtchen des Kinzigtals völlig eingegangen sind.
Der Seifen-Theodor, wie er bei den Wolfachern hieß, seitdem er als Meister sich in seiner Vaterstadt etabliert hatte, war in allen Spinnstuben zu finden, in denen des Roggenburgers Jeannette mit ihrem Spinnrad erschien. Und damit sie in den finsteren Winternächten den Weg nach Hause wieder fände, hat er sie jeweilig mit einer Laterne heimbegleitet.
Den Mut aber, um seine Flamme anzuhalten, machte ihm der Vater Schang, der seinem Sohn eines Tages von einer Waldreise auf dem Schwarzwald aus schrieb, er solle in sein neues Haus eine Frau suchen und um seine Jeannette anhalten.
Da nahm der Theodor den Brief, trug ihn seiner Angebeteten ins Haus, gab ihr denselben zu lesen und redete an sie klopfenden Herzens Worte, die er später selber nicht mehr wußte. Nur das vergaß er nie, daß er der glücklichste Mensch war, als sie ihm das Jawort und »einen feierlichen Kuß« gab.
Und da er dies fünfzig Jahre später niederschrieb, fügte er hinzu: »Ich war damals so glücklich, daß mir beim Schreiben von diesem Glück eine Freudenträne in die alten, kranken Augen kömmt.«
Meine Leserinnen können daraus ermessen, ein wie ausgezeichnetes weibliches Wesen und welch' ausgezeichnete Frau die Jeannette gewesen sein muß, daß ihr Mann fünfzig Jahre später noch Freudentränen vergoß über das Glück, so sie ihm gebracht. –
Trotzdem damals die Bräute in Wolfe mit »Löchlestrümpfen und in leichten Schal gehüllt« zur Kirche gehen mußten, hielten die zwei Glücklichen doch am 9. Januar 1838 bei 18 Grad Kälte ihre Hochzeit.
Da bei der Temperatur kein lebendiger Soldat des Wolfacher Bürgermilitärs, dem der Bräutigam angehörte, vor dem Hochzeitshaus Wache stehen konnte, so stopften seine Kameraden einen Strohmann in die schöne Uniform der Wolfacher Bürgerwehr: weiße Hosen mit rotem Frack – setzten ihm den großen Tschako auf, hingen ihm das Lederbandelier mit dem Säbel um, gaben ihm ein Gewehr in die hölzernen Hände, ein glühendes Kohlenbecken vor die Füße und ließen ihn so vor dem Seifenladen Parade stehen.
Ich erinnere mich noch wohl der Wolfacher Nationalgarde aus den vierziger Jahren, bei welcher der Theodor Fähndrich war, eine Ehre, die bekanntlich in der Regel nur einem schönen, jungen Mann zuteil wurde. In Hasle war es in jenen Tagen ein alter, schlanker Weber, der Stines (Justinus).
Die Wolfacher rückten bisweilen auch in Hasle ein mit ihren roten Fräcken und ihrem riesigen Tambour-Major, dem Martin Oberle, einst bei der Garde zu Fuß in Karlsruhe. Die roten Fräcke leuchteten in den Straßen meiner Vaterstadt wie's Morgenrot.
Die Nationalgardisten von Wolfe waren nobler als die von Hasle, denn sie hatten als Kommandanten einen Major, der zu Pferde saß. Dieser war der im ganzen mittleren Tal viel genannte »Metzger-Louis«, ein Invalide aus den Befreiungskriegen. Als Landwehrmann war er bei einem Ausfall der Straßburger Garnison verwundet und ins Kinzigtal nach Gengenbach ins Spital transportiert worden.
Die Feldscherer wollten ihm den Arm abnehmen. Der Louis brannte aber in der Nacht aus Furcht vor dieser Operation durch und flüchtete nach Wolfe, wo ihm der Stadtchirurg Schroff die Kugel herauszog und den Arm so heilte, daß der Metzger-Louis noch Major werden konnte.
Die Kugel aber trug der brave Mann in die benachbarte Waldkapelle von St. Jakob, die schon mein »Leutnant von Hasle« besuchte. –
Gewissenhaft hat der junge Seifensieder alle Geschenke verzeichnet, die ihm und seiner Jeannette am Hochzeitstage zugingen.
Wie praktisch und vernünftig die Menschen damals noch waren, geht aus der Art dieser »Hochzeitspräsente« hervor. Der »Pariserbeck« schickte zwei Sester Mehl, der Stadtmüller ebenso viel. Ein anderer gab eine Laterne, ein dritter Schuhe, eine vierte eine Kaffeemühle und eine fünfte eine Messingpfanne.
Heute, 1897, da ich dies schreibe, 59 Jahre nach dem Hochzeitstag, ist jene Kaffeemühle noch im Gebrauch im Hause Theodors, des Seifensieders.
Und er selbst sagt in seinen Lebens-Erinnerungen, die er nach der goldenen Hochzeit niederschrieb: »Während der fünfzigjährigen Ehe hatten wir viel Gutes und viel Schlimmes in Glück und Unglück mit einander zu ertragen, aber immer haben wir auf Gott vertraut, und es hat, Gott sei Dank, durch seine Gnade das Gute immer wieder die Oberhand behalten.«
Arbeiten, hausen und sparen und auf Gott vertrauen war der Wahlspruch der jungen Seifensiedersleute, ein Wahlspruch, den die heutige Zeit nicht mehr kennt.
Die Jeannette half ihrem Theodor getreulich auch beim Lichterziehen: sie schnitt die Dochte und verkaufte die Ware. Und der Theodor war unermüdlich. Das harte Geschäft des Seifensieders genügte ihm nicht, um zu etwas zu kommen.
Am liebsten hätte er mit Holz gehandelt und wäre er ein Schiffer geworden. Aber die Zunft war besetzt. Da verfiel der Seifen-Theodor auf ein Gewerbe, das nicht Monopol war und doch in den Wald führte.
Er fing einen schwunghaften Handel mit Hopfenstangen und Eichenrinde an und exportierte sie ins Elsaß und in die Pfalz.
Diesen Handel trieb er fast sechzig Jahre lang, da er ihn auch nicht aufgab, nachdem er später, wie wir sehen werden, Schifferherr geworden war.
Oft arbeitete er von Mitternacht bis Morgen in seiner Seifensiederei, und dann ging's in die Wälder des oberen Tales, um Rinde und Stangen zu kaufen. Und wo er dabei an einem Wirtshaus vorbeikam, suchte er beim Wirt seine Seife und Lichter anzubringen. –
Aber über seinen eigenen Angelegenheiten vergaß Schangs Theodor schon im ersten Jahre seiner Familiengründung das allgemeine Wohl nicht.
Er hat nicht bloß die ersten Christbaumlichter leuchten lassen in Wolfe, sondern auch die erste Beleuchtung in die Straßen seiner Vaterstadt gebracht.
Diese waren bis Ende der dreißiger Jahre finster, wie die Nacht, und wer nächtlicherweile über sie hingehen mußte, trug eine Laterne mit sich.
Der Theodor stiftete die zwei ersten Straßenlaternen in die Mitte der Hauptstraße und der Vorstadt und veranstaltete eine Kollekte unter den Bürgern, um das Oel daraus zu bezahlen.
Erst im Jahre 1840 übernahm die Stadt selbst die Beleuchtung ihrer nächtlichen Gassen.
Auch um den Postverkehr bekümmerte sich der Seifen-Theodor. Die postalischen Zustände waren auch in Wolfe bis hinauf in die vierziger Jahre noch patriarchalisch, wie überall abseits der Poststraßen.
Die Wolfacher mußten ihre Post draußen in Hausach holen, eine Stunde vom Städtchen entfernt, wo die »große Post« täglich durchfuhr.
Der Postbote der Wolfacher war der alte Haftenmacher Haas in der Saugasse. Der holte die Briefe und Wertsachen und wanderte damit durchs Städtle bis hinaus in seine Hütte.
Hier breitete er in seiner finstern Stube den ganzen Kram auf seinem Tisch aus, fing an Haften zu machen und wartete, bis jemand kam und fragte: »Ist nichts für mich da?« worauf der Haftemnann antwortete: »Da liegt's, schaut selber!«
Jeder verlas nun die Postsachen, und wenn etwas für ihn dabei war, nahm er's mit, wenn nicht, ging er leer von dannen.
Die Schifferschaft mit ihrem Großhandel und der Seifen-Theodor ruhten nicht, bis anno 1848 eine zweiräderige Kapriolpost täglich von Hufe nach Wolfe fuhr.
Damals kostete ein Brief von Wolfe nach Wien 36 Kreuzer (1 Mark 3 Pfennig), heute 10 Pfennig.
Der Theodor preist die neue Zeit dafür. Ich aber meine, die Menschen waren viel zufriedener, als sie weniger lasen und weniger Briefe schrieben. Ich selbst hätte gar nichts dagegen, wenn heute noch jeder Brief nach Berlin oder Wien eine Mark kostete. Man schriebe dann viel weniger Briefe, müßte viel weniger beantworten und hätte seine Ruhe; auch würden die Menschen weniger Gelegenheit haben, sich gegenseitig noch schriftlich anzulügen, und die armen Briefträger wären weniger geplagte Leute. –
Aber außer dem Straßenlicht ließ unser Theodor als junger Bürger noch etwas leuchten – das Licht, welches Rotteck, Welcker und Itzstein in Karlsruhe in seinem Herzen angezündet – das Licht freisinnigen Bürgertums. Und diese Tat sollte er büßen, weil es weit weniger gefährlich ist, in Straßenlaternen Oel, als vor den Menschen helles, freiheitliches Licht leuchten zu lassen.