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Ich war nun so lange nicht in meinem eigenen See gewesen, daß ich eines Tages förmliches Heimweh bekam. Und da ich mein eigener Herr bin und tun und lassen kann, was mir beliebt, so begab ich mich sogleich hin, um meine alten und neuen Freunde zu besuchen.
Auf meinem Wege kam ich an dem Farrenkraut vorbei, auf dem der Frost ein einziges kleines Blättchen übrig gelassen hatte. Jetzt sproßte es wieder grün zwischen den geschwärzten Blättern, und als ich das sah, wurde ich so merkwürdig vergnügt.
»Ja, die Sonne, die Sonne,« dachte ich und hüpfte vorbei, »ja die Sonne, die kann alles.« Und ich machte lange und hohe Sprünge, weil ich so fröhlich war.
Bei meinem See angelangt, stürzte ich mich sogleich in die Wellen und begann herumzuschwimmen. Das Entengrün Lemna hatte sich seit meinem letzten Besuch dort ganz schrecklich breitgemacht. Namentlich an einer Stelle herrschte ein förmliches Gedränge. Die Scheiben hatten sich aufeinander gelegt und zu einem großen Hügel aufgetürmt.
»Ja, was macht ihr denn?« fragte ich. »Ihr erstickt euch ja gegenseitig.«
»Ja, was soll man tun?« pustete ein kleines eingeklemmtes Ding – »gutwillig pressen wir uns nicht so zusammen.«
»So, wer zwingt euch denn? Es ist doch Platz genug da. Seht die andern Scheiben an, wie nett und manierlich sie auf dem Wasserspiegel liegen, wie es sich eben für Lemnascheiben schickt.«
Anstatt auf meine Frage zu antworten, riefen mehrere der Scheiben auf dem Hügel:
»Bleibe doch ein Weilchen hier still sitzen, Frau Frosch, dann wirst du etwas Wunderliches sehen. Bleibe nur ein kleines Weilchen still sitzen.«
»Nun, den Gefallen kann ich euch schon tun.«
»Aber du mußt die ganze Zeit herschauen,« sagten die Scheiben, »du mußt die ganze Zeit zusehen.«
»Ja, ja,« erwiderte ich und nickte, »meinetwegen will ich euch die ganze Zeit ansehen.«
Und das tat ich auch. Eine andere wäre vielleicht müde geworden, aber ich kann lange still dasitzen und denken und das tat ich jetzt auch.
Und plötzlich sah ich wirklich etwas, was mich überraschte. Weißt du, der kleine grüne Hügel machte eine langsame Schwenkung und begann an den anderen Lemnascheiben vorbeizugleiten. »Ja, was ist denn das?« rief ich, »könnt ihr auf einmal schwimmen?«
»Still, still,« flüsterten die Scheiben, – »sieh uns nur zu, sieh uns nur die ganze Zeit zu.«
Ja weißt du, diese Mahnung wäre gar nicht nötig gewesen, denn schwimmende, bewegliche Lemnascheiben hatte ich all mein Lebtag noch nicht gesehen.
Wie der kleine grüne Hügel so herumschwamm, sah ich, daß irgend etwas an einem Ende desselben mit einem blitzschnellen Ruck eine der frei treibenden Lemnascheiben an sich riß. Mehr und mehr Scheiben wurden losgerissen und an dem Hügel befestigt, der wuchs und immer breiter wurde.
»Nein, aber das ist zu komisch,« dachte ich, »wie können denn diese Scheiben wie verrückt herumsegeln und andere packen und an sich reißen und sie einpressen und zu Klumpen zusammenbinden, ihnen und sich selbst zum Verderben.«
Mit ein paar Schwimmbewegungen war ich dicht beim Hügel angelangt. Aber jetzt lag er wieder vollkommen regungslos da. »Sieh einmal,« sagte ich, »solche Geheimniskrämer. Wenn man euch nahekommt, dann tut ihr, als könntet ihr kein Wässerchen trüben, aber wenn man euch aus der Ferne beobachtet, dann lebt ihr ja wie die Räuber.«
»Ja, ja, wie die Räuber,« klagten die zuletzt eingefangenen Scheiben – »wir sind gefangen und mit Seidenfäden gefesselt.«
»Aber wer hat denn all das getan?« fragte ich. »Wem gehören die feinen Seidenfäden und wer hat euch damit gefangen?«
»Die Hauslarve, die Hauslarve,« riefen mehrere der Scheiben auf einmal – »die Hauslarve. Sie ist nicht zufrieden, daß wir sie in jeder Weise schützen und verbergen, sondern sie fängt uns und legt uns Stück für Stück zusammen und bindet und fesselt uns, bis sie uns wie einen dicken grünen Kittel um sich hat. Dann erst ist sie zufrieden. Kommt jetzt ein Räuber heran, dann wickelt sie sich mit Kopf und Beinen ganz in den Kittel, und es sieht aus, als ob da nur ein paar Lemnascheiben wären. So macht sie es jetzt auch.«
»Soll ich nicht versuchen, sie herauszuziehen?« schlug ich vor.
»O nein, Frau Frosch, nein, nein, das geht nicht. Sie klammert sich mit dem Hinterleib so fest an uns, daß es ganz unmöglich ist, sie herauszuziehen.«
»Na wißt ihr,« sagte ich, »diese Hauslarve scheint mir ein recht feiger und erbärmlicher Patron zu sein. Aus der kann wohl all ihr Lebtag nichts Rechtes werden.«
»Ach, was du nicht sagst, Frau Frosch, man merkt, daß du nie mit der Hauslarve selbst gesprochen hast. Die wird einmal etwas ganz Großes, so sagt sie wenigstens,« riefen einige der Scheiben, die offenbar schon lange in den Kittel eingewebt waren.
»Na, was wird sie denn viel werden?« fragte ich.
»Ein fliegendes Wesen,« sagte sie, – »ein Nachtfalter.«
»Ist das etwas so Besonderes?« fragte ich.
»Sie sagt, das ist das höchste, was man überhaupt im Leben werden kann,« versicherten die Scheiben.
»Mir scheint, sie ist etwas albern, eure Hauslarve,« sagte ich. »Und eitel,« fügte ich hinzu, »das sieht man schon an ihrem Kittel. Was hat sie da nicht alles hineingewebt!«
»Nein, sag das nicht,« rief eine der Scheiben, »an ihrem Kleide ist kein unnötiger Putz. Wenn sie unten auf dem Grunde des Sees herumkriecht, dann sagt sie uns manchmal:
»Jetzt wollen wir hinauf an den Wasserspiegel.«
»Als ich dies das erstemal hörte, sagte ich:
»Das kannst du doch nicht, du armer Wicht. Hinunterplumpsen das ist leicht, aber wieder hinauf kommen, das ist eine größere Kunst.
»Denn weißt du, Frau Frosch, sie kann nämlich gar nicht schwimmen, nur kriechen.
»Warte nur, warte nur, sagte die Hauslarve, du wirst schon sehen.
»Und ich sah, wie sie alle möglichen Dinge an sich riß, aber bevor sie diese anlegte, prüfte sie sie erst und ließ sie auf dem Wasser schwimmen. Alles, was aufstieg, nahm sie, und alles was sank, ließ sie fallen. Nachdem sie es eine Zeitlang so getrieben hatte, sagte sie zu mir: Prüfet alles und behaltet das Beste, und das Beste ist diesmal das Leichte. Fühlst du nicht, wie wir hinaufschweben? Jetzt, jetzt kommen wir in die Höhe.
»Und wirklich, in die Höhe kamen wir. Will sie nun von oben wieder auf den Grund des Sees, dann befestigt sie schwere Sachen an ihrem Kittel und auf diese Art ist ihr Kleid schließlich etwas buntscheckig geworden.«
Während die Blätter noch so sprachen, sank der ganze kleine grüne Hügel langsam hinab und war in wenigen Augenblicken verschwunden.