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Als ich am nächsten Morgen erwachte, dehnte ich meine Glieder, so daß die Schlammdecke aufspritzte und das Wasser trübte und dann sah ich mich vorsichtig um. Ich fühlte mich sehr steif und schläfrig und es schien mir merkwürdig, daß ein so wunderlicher Nebel über dem Wasser lag. Aber da ich in einem fremden See geschlafen hatte, dachte ich mir: So sieht der eben aus und tauchte in die Höhe, um einen Mund voll frischer Morgenluft zu schlucken. Aber das war leichter gedacht als getan. Dann, als ich den Kopf in die Höhe stecken wollte – plumps schlug ich an ein klares, durchsichtiges Dach. »Ja, was ist denn das?« fragte ich mich verwundert, »was ist denn das? Ein See mit einem Dach, einem Glasdach, nein, das muß ein Irrtum sein.«
Und dann schwamm ich ein Stück und versuchte nochmals in die Höhe zu kommen. Aber nein, auch hier prallte ich an. Der ganze See war mit einem Glasdach gedeckt.
»Was kann das nur bedeuten?« dachte ich. Heute Nacht, als ich herkam, war das ja noch gar nicht da.
Ja, dein Abenteuer scheint noch nicht zu Ende zu sein, Frau Frosch, sagte ich zu mir selbst und erinnerte mich plötzlich an die schreckliche Nacht in Talpas Erdhöhle. Wer weiß, vielleicht ist das eine Falle, in die er mich gelockt hat, dachte ich weiter und grub mich zur Sicherheit flink in den Lehm ein. Da schlummerte ich wieder ein, denn ich war von der ausgestandenen Angst und Müdigkeit eigentlich halb tot.
Als ich wieder aufwachte, fühlte ich mich bedeutend frischer. Jetzt versuche ich aber noch einmal hinaufzukommen, vielleicht ist das Glasdach gar nicht so schwer abzuheben, dachte ich und begann zu schwimmen.
Es war jetzt viel heller geworden und das Glasdach sah dünn und gebrechlich aus. Als ich zu einem Stein kam, sah ich, daß rings um ihn das Dach geborsten war. Ich kletterte auf den Stein und sah mich um. Aber was erblickte ich da? Du kannst dir gar nicht denken, wie erstaunt ich war und wie ich meine Augen hervorschob, um besser zu sehen, und sie wieder einzog und mich fragte, ob ich denn träumte. Ganz verblüfft saß ich da und starrte den See an, denn weißt du, der war ganz voll Eisschollen, wie im Frühling – Froschvaters und meinen Frühling meine ich.
»Brekekequex!« rief ich, »vielleicht ist es wirklich schon wieder Frühling! Vielleicht bin ich einen ganzen Winter betäubt dagelegen und habe all das geträumt, was sich gestern zutrug. Vielleicht wird Froschvater auf meinen Ruf antworten.«
»Brekekequex, brekekequex!« rief ich immer lauter und lauter. Doch niemand antwortete.
Da begann ich mich nach allen Seiten umzusehen und sah, daß es ringsum grünte. Nein, es war nicht Frühling, und es schickte sich gar nicht, nach Gesellschaft zu quacken. Ich war ganz verlegen über mein Brekekequex.
Aber was war denn geschehen? All die grünen Pflanzen ließen den Kopf hängen und sahen ganz betäubt aus, und der ganze See war voll Eisschollen.
Ich begab mich ans Land und fragte die Grünen:
»Was habt ihr denn? Warum hängt ihr so schlapp da und seht so mutlos aus?«
»Ach, es ist eine so schwere Nacht gewesen, eine so schwere Nacht,« seufzten sie.
»Ich habe es heute nacht auch schwer gehabt,« antwortete ich, »aber wenn etwas vorüber ist, dann ist es eben vorüber.«
»Das verstehst du nicht,« seufzten die Grünen.
»Ich verstehe das nicht?« fragte ich etwas gereizt, »schlimmer kann es euch nicht ergangen sein als mir, ich war doch zwischen Maulwurfzähnen. Aber was vorbei ist, daran denkt man nicht mehr.«
»Das mag bei dir so sein,« sagten die Grünen, »aber wir sind von einer anderen Art.«
»Na, und was ist euch denn so Schreckliches passiert?«
»Der Frühlingsfrost, der Frühlingsfrost hat heute nacht gewütet.«
»Der Frost,« sagte ich und fing zu lachen an. »Das bißchen Kälte; deshalb stellt ihr euch so an? Seht ihr nicht, daß die Sonne wieder scheint? Die wird der Kälte schon bald den Garaus machen.«
»Du kannst nicht wissen, wie es für uns Grünen ist, wenn der Frost herangeschlichen kommt und uns den Saft auspreßt und ihn in eine Eisrinde verwandelt. Und das ist noch nicht das Schlimmste. Das Schlimmste kommt erst am nächsten Morgen, wenn die Sonne, die es ja so gut mit uns meint, uns recht warm bescheint, damit wir den bösen Frost vergessen. Da schmilzt die Eisrinde so rasch, daß der Saft in alle unzähligen Fasern unseres Körpers eindringt und dann spannt sich unsere Haut und zerreißt und wir müssen sterben.«
»Nein, was du sagst!« rief ich mitleidig, »da geht es euch ja jetzt am allerschlimmsten.«
»Ja, freilich, sieh nur einmal – wie das Farrenkraut hier neben dir aussieht!«
Ich wandte mich um und sah einen Strauch voll schwarzer, verrunzelter Blätter, zwischen denen ein einziges grünes Blättchen hervorguckte.
»Das ist aber eine traurige Geschichte,« sagte ich zu der kleinen Einsamen.
Da das Blatt nichts antwortete, fuhr ich fort: »Wie konnte es euch nur so schlecht ergehen?«
»Ja, das hat alles die letzte böse Nacht getan. Hast du denn nicht bemerkt, daß das schöne Sommerwetter schon seit ein paar Tagen verschwunden ist?«
»Ja, gewiß – der Nordwind hat es verscheucht.«
»Freilich,« sagte die Kleine – »und wie haben wir ihn gebeten, fortzubleiben. Geh wieder heim, geh wieder heim, riefen wir, als er an uns vorbeistürmte und die Wärme mitschleppte.
Ich gehe schon, ich gehe schon, lachte er schrill – heute nacht gehe ich heim.
Und das tat er. Den ganzen Tag hatte die Sonne vergebens versucht, die Wolken zu durchbrechen, die der Nordwind zusammengeballt hatten; aber kaum war es ihr geglückt, einmal durchzugucken, so trieb der Nordwind schon neue Wolken heran.
Wir riefen und baten die ganze Zeit: Lieber, lieber Nordwind, fege doch die Wolken weg, laß die Sonne hervorkommen, laß die Sonne auf uns scheinen.
Aber der Nordwind hörte uns gar nicht zu, sondern Pfiff vorbei, ohne uns zu antworten.
Aber am Abend, als die Sonne unterging, da änderte der Nordwind seinen Sinn und da fegte er auf einmal alle Wolken weg, so daß sich der Himmel klar und blau und fleckenlos über uns wölbte. Da merkten wir ganz deutlich, wie all die Wärme, die noch in der Erde steckte, hinaufstieg und verschwand und in unserer Angst riefen wir wieder laut: Nordwind, Nordwind, decke den Himmel mit Wolken, laß sie sich dicht und dunkel zusammenballen, laß sie auch schwer auf uns lasten, decke den Himmel mit Wolken, Nordwind, Nordwind!
Euch kann man es doch nie recht machen, sagte der Nordwind – einmal soll es so sein und dann wieder anders. Eben sagtet ihr mir, ich solle heimgehen und wenn ich es nun tun will, dann schreit ihr wieder: Nordwind, Nordwind, geh nicht fort, geh nicht fort Nordwind? Wer soll euch verstehen?
Du verstehst uns schon, wenn du willst, riefen wir alle, Nordwind, lieber Nordwind, bleibe heute nacht, nur noch heute nacht. Geh morgen wieder heim, nicht heute nacht!
Ich verstehe euch ganz und gar nicht, sagte der Wind – und hier bleiben kann ich auch nicht. Gehabt euch wohl alle miteinander. Ich gehe heim und lege mich schlafen.
Und dann wurde es immer stiller und klarer und kälter. Ja, das war eine schreckliche Nacht, und nun hat der Frost alle meine Schwestern getötet. Ich weiß nicht, wie es kommt, daß er mich vergessen hat,« fügte das kleine Blatt hinzu und erzitterte vor dem ersten Morgenhauch.
Ich blieb noch ein Weilchen nachdenklich vor dem schwarzen Farrenkraut sitzen, dann hüpfte ich still davon und verbarg mich in einer kleinen Höhle unter einer Baumwurzel.