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Je mehr Hamilton über diese Worte nachdachte, desto mehr wurde er von deren Wahrheit betroffen. Nach einigen Momenten stillen Brütens schien er wie aus einem Traume zu erwachen und wandte sich mit dem Ausdruck des Dankes im Gesichte zu ihm: »Ihr verbindet, lieber Chevalier, mit dem einnehmendsten Geist einen sehr scharfen Blick für das Wohl Eurer Freunde. Ihr öffnet mir die Augen. Mehr durch bloße Einbildung als durch wirkliche Neigung verführt, war ich nahe daran, mich auf die lächerlichste Art der Welt hinreißen zu lassen. Ich danke es Euch, daß Ihr mich am Rande des Abgrundes aufhaltet. Ich bin Euch noch manchen andern Dank schuldig, aber um meine Erkenntlichkeit für diesen letzten Dienst zu beweisen, will ich Euren Rat befolgen. Ich will mir den Rest von Träumen aus dem Kopfe schlagen und mir bei der Kusine Wetenhall einen Zufluchtsort suchen. Doch weit entfernt, inkognito hinzugehen, werde ich vielmehr bei der Rückkehr von der Reise Euch dahin führen. Miß Hamilton wird dabei sein; denn es ist gut, bei einem so einnehmenden Mann einige Vorsichtsmaßregeln zu treffen, um so mehr, als er bei dergleichen Zusammenkünften nicht ganz zuverlässig ist, wenn man wenigstens Eurem Philosophen St. Evremond trauen darf.« – »Glaubt diesem Pedanten nicht,« rief Grammont, »aber sagt mir, wie Ihr Euch die Stewart, dies große Idol, in den Kopf setzen konntet.«
»Ich weiß zum Henker selbst nicht wie. Ihre Kindereien sind Euch bekannt. Eines Abends war der alte Carlingford bei ihr und zeigte, wie man eine Kerze brennend in den Mund stecken kann; der Scherz besteht darin, daß man sie mit der Flamme so lange als möglich angezündet zwischen den Zähnen hält. Ich habe, Gott sei Dank, einen hübsch großen Mund, und um den Meister zu überbieten, hielt ich zwei Lichter auf einmal und ging dreimal im Zimmer auf und ab, ohne sie auszulöschen. Alle erkannten mir den Preis dieses glorreichen Werkes zu und Killegrew behauptete, nur eine Laterne könne mir ihn streitig machen. Sie wollte dabei vor Lachen umkommen. So war ich denn bei ihren intimen Spielen eingeführt. Man kann nicht leugnen, daß dieses Wesen ein allerliebstes Lärvchen hat. Seit der Hof unterwegs ist, habe ich tausend Gelegenheiten gehabt, sie zu sehen, die ich zuvor nicht hatte. Ihr wißt, daß das Badenegligé den Damen ziemliche Gelegenheit bietet, ihre Reize zu zeigen, ohne den Anstand zu verletzen. Miß Stewart ist nun von ihrer Überlegenheit so überzeugt, daß man nur eine andere Dame am Hofe wegen ihres schönen Beines oder Armes zu loben braucht, um sie gleich zu augenscheinlicher Demonstration zu veranlassen, ja, mit einiger Gewandtheit, glaube ich, wäre es nicht allzu schwer, sie, ohne daß sie etwas ahnt, zur vollen Nacktheit zu treiben. Kurz, man müßte sehr unempfindlich sein, wenn diese günstigen Gelegenheiten spurlos, ganz ohne Eindruck vorübergehen sollten; überdies hat man immer etwas Eigenliebe und bildet sich leicht ein, daß uns ein weibliches Wesen durch Vertraulichkeit auszeichnet, wenn sie sich auch nichts dabei denkt. Dies ist der Fall, soweit er mich betrifft: meine Eitelkeit, ihre Schönheit, ihre hohe Stellung und tausend Gunstbeweise hatten mir den Verstand geraubt; aber – um meine Keckheit zu entschuldigen, muß ich auch hinzufügen: die Gelegenheit, ihr durch Komplimente die zärtlichsten Erklärungen zu machen und ihre Mitteilung gewisser Dinge, die sie mir nicht hätte anvertrauen sollen, hätte auch einem andern den Kopf verdreht. Ich habe ihr ein sehr hübsches Pferd geschenkt. Ihr kennt ihre vollendete Anmut beim Reiten. In den letzten Tagen war der König, von allen Schönen des Hofes umgeben, auf der Falkenjagd. Er folgte einem Falken und der ganze elegante Trupp flog ihm nach. Das flatternde Kleid machte bei verhängtem Zügel das Pferd der Stewart scheu, weil es mein Tier, das zu ihm gehörte, momentan nicht bei sich hatte. So wurde ich allein Zeuge einer Unordnung, die meinen Blicken tausend neue Schönheiten enthüllte. Ich wurde zu schmeichelnden und bewundernden Ausdrücken über diese reizende Verwirrung hingerissen und übertrieb sogar ein wenig, um sie nicht aus der Verlegenheit zum Bewußtsein kommen zu lassen. Seitdem ist nun diese Bewunderungsszene oft Gegenstand einer Unterhaltung gewesen, die ihr nicht zu mißfallen schien.
Der alte Carlingford und der tolle Crofts – denn ich muß schon eine Generalbeichte ablegen –, diese kecken Witzlinge, trugen ihr bei jeder Gelegenheit ziemlich verfängliche Geschichten vor, die mit Hilfe einiger alten Späße und Possen während der Erzählung, bei der sie aus voller Seele zu lachen pflegte, ruhig hingingen.
Ich weiß keine Geschichten, und wenn ich welche wüßte, so habe ich nicht das Talent, sie vorzutragen. Ich war deshalb mitunter verlegen, wenn sie welche von mir verlangte. Als sie mich einst quälte, sagte ich: »Ich weiß keine, Fräulein.« – »So erfinden Sie eine«, sagte sie. – »Das verstehe ich noch weniger,« erwiderte ich, »aber, wenn Sie es wünschen, will ich Ihnen einen Traum erzählen, der außerordentlicher ist, als die man gewöhnlich erlebt.« Das weckte ihre Neugier und diese mußte gleich befriedigt werden. Ich erzählte ihr also, das lieblichste Wesen der Welt, dem ich leidenschaftlich zugetan sei, wäre des Nachts zu mir gekommen. Darauf entwarf ich ihr eigenes Bild unter der Hülle dieser wundervollen Schönheit, aber ich sagte auch, da die Göttliche mich in der günstigsten Absicht besucht, so hätte sie sich auch nicht grausam benommen. Das war noch nicht genug, um die Wißbegier der Stewart zu stillen; ich mußte ihr fast alle einzelnen Gunstbezeigungen malen, die dies zärtliche Phantom mir zuwandte. Sie schien dabei weder überrascht noch verlegen und ließ mich, auf die Erdichtung aufmerksam lauschend, die Beschreibung einer Schönheit oft wiederholen, die ich, so gut ich konnte, nach ihrem Bilde und nach meiner Vorstellung von ihren unbekannten Reizen entwarf.
Das hätte mir nun freilich fast den Verstand geraubt. Sie merkte ganz gut, es sei von ihr die Rede. Wie sich denken läßt, waren wir bei diesem Bericht allein und meine Blicke taten das ihrige, um ihr zu sagen, daß sie gemeint sei. Ich fand sie über diese Entdeckung nicht verlegen, ihre Scham war durch den Ausgang des erfundenen Abenteuers nicht verletzt und es hätte nur an mir gelegen, es noch unvorsichtiger zu beschließen. Dies ruhige Anhören riß mich blindlings zu den schmeichelndsten Gedanken fort. Ich dachte weder an den König noch an seine Leidenschaft für sie, noch an die Gefahr solcher Verbindung – endlich weiß der Teufel, woran ich dachte, aber ich sehe wohl, hättet Ihr nicht für mich überlegt, so wäre ich in diesen tollen Träumen untergegangen.«
Einige Zeit darauf kam der Hof nach London und es war, als hätte sich seit seiner Rückkehr ein böser Geist über alle zärtlichen Verhältnisse gebreitet; denn alles ging im Reich der Liebe verkehrt. Verdruß, Argwohn, Eifersucht traten auf, um die Herzen zu entzweien. Falsche Gerüchte, böse Nachrede und Quälereien stürzten alle in Verwirrung.
Während der Badereise war die Herzogin von Cleveland niedergekommen. Sie war noch nie vom Kindbett so schön aufgestanden. Das brachte sie auf die Idee, sie sei imstande, ihre früheren Ansprüche auf des Königs Herz wieder geltend zu machen, wenn sie mit neuem Glanz vor ihm erschiene. Ihre Anhänger teilten diese Meinung. Man bereitete schon die Zurüstungen für ihre Fahrt vor, aber am Vorabend ihrer Abreise erblickte sie den jungen Churchill und wurde von einem Verlangen ergriffen, das ihren Plänen schon oft in den Weg getreten war und gegen das sie sich stets nur schwach gesträubt hatte.
Ein Mann, der vom Gardefähnrich zu solchem Glücksgipfel aufsteigt, besitzt gewiß einen hohen Grad Klugheit, wenn er sich durch seinen Aufstieg nicht verblenden läßt. Churchill trug überall die ihm neu geschenkte Gunst zur Schau. Die Cleveland empfahl ihm in keinem Punkte Mäßigung und Zurückhaltung; ihr war seine Vorsicht oder Indiskretion ganz gleichgültig. So bildete denn bei der Rückkehr des Hofes dieses neue Verhältnis allgemeines Stadtgespräch. Jeder urteilte darüber nach Lust und Laune; einige meinten, sie habe ihm bereits die Pension von Jermyn nebst den Zulagen für Jakob Hall zugewandt, weil beider Verdienste sich in seiner Person vereinten; andere meinten, er habe ein zu ruhiges Aussehen, einen zu schmächtigen Wuchs, um sich lange in ihrer Gunst zu erhalten. Alle gaben aber zu, daß ein Mann, der Günstling der königlichen Mätresse und Bruder der Geliebten des Herzogs von York sei, unter guten Auspizien auftrete und sein Glück machen müsse. Wirklich gab ihm der Herzog bald eine Stelle in seinem Hofstaat; das war auch in der Ordnung. Der König aber hielt sich nicht für verpflichtet, ihm etwas zuzuwenden, weil die Herzogin von Cleveland ihm ihre Gunst schenkte, sondern befahl, ihm den Hof zu untersagen.
Der gute Fürst geriet nicht ohne Grund in schlechte Stimmung, denn er ließ alle Welt frei gewähren und man war dennoch oft so unverschämt, ihn in seinen eigenen Verhältnissen zu stören. Lord Dorset, der Oberkammerherr, hatte ihm die Schauspielerin Nell Gwynn verführt. Die Cleveland, aus der er sich nichts mehr machte, beschimpfte ihn durch wiederholte Untreue, durch unwürdige Wahl und ruinierte ihn überdies durch bezahlte Liebhaber. Aber der empfindlichste Kummer waren die neu eingetretene Kälte und die Drohungen der Miß Stewart. Seit langer Zeit hatte er ihr alle möglichen Lebensstellungen und alle Titel, die sie nur wünschen konnte, vergeblich angeboten, noch dazu mit weiterer Erhöhung, sobald sie in seiner Macht stehen würde. Sie hatte unter dem Vorwande, eine auffallende Erhebung würde die öffentliche Meinung verletzen, alles ausgeschlagen, nahm aber seit der Rückkehr eine andere Haltung an. Bald wollte sie sich, um der ewigen Unruhe ein Ende zu machen, bald, um den Versuchungen zu entgehen, wodurch sie anzudeuten glaubte, ihre Unschuld sei noch unverletzt, ganz vom Hof zurückziehen. Kurz, beständige Besorgnisse oder üble Launen trübten des Königs Zärtlichkeit.
Da er nicht fassen konnte, worauf sie es eigentlich abgesehen haben mochte, verfiel er auf Reformierung seiner galanten Angelegenheiten, um zu sehen, ob nicht Eifersucht die Ursache wäre. Nachdem er also feierlich erklärt, er wolle, seit ihrer Verbindung mit Churchill, mit der Cleveland nichts mehr zu tun haben, begann er eine wahre Bartholomäusnacht gegen seine anderen hie und da in der Stadt gelegenen Erholungsstätten. Die Damen Nell Gwynn, Miß Davis und die heitere, zu Seiner Majestät Dienst angestellte Truppe von Sängerinnen und Tänzerinnen wurden entlassen. All diese Opfer waren vergeblich. Die Stewart fuhr fort, den König zur Verzweiflung zu treiben; er sollte aber bald die wahre Ursache ihrer Kälte entdecken.
Die diensteifrige Cleveland übernahm die Sorge dafür. Seitdem sie in Ungnade gefallen war, erging sie sich rückhaltlos in Angriffen gegen Miß Stewart; sie glaubte, deren Keckheit sei Grund ihres Sturzes und klagte über die Schwäche des Königs, daß er sie um einer Zierpuppe willen so schmählich zurücksetze. Da sie in der vertrauten Umgebung des Fürsten noch immer Kreaturen besaß, erfuhr sie immer von diesen den Zustand, in den ihn das jüngste Benehmen der Stewart versetzt, und sobald sie entdeckt hatte, was sie wollte, begab sie sich durch das Zimmer des Kammerdieners Chiffinch in das Kabinett des Königs. Dieser Weg war ihr nicht neu.
Der König kam in sehr schlechter Stimmung von der Stewart. Die Anwesenheit der Cleveland erheiterte ihn nicht, sondern befremdete ihn. Mit ironischem Tone und bitterem Lächeln sprach sie: »Ich hoffe, daß es mir erlaubt ist, Ihnen hier meine Huldigung darzubringen, wenngleich die himmlische Stewart Ihnen verboten hat, mich zu besuchen. Ich will Eurer Majestät keine Vorwürfe machen, die meiner unwürdig wären, ebensowenig komme ich, Schwächen zu entschuldigen, die durch nichts zu rechtfertigen sind, weil Ihre mir bewiesene Treue jedes Wort unnütz macht. Ich bin ja unter allen Frauen, die Sie mit Ihrer Gunst beehrt, die einzige, die sich deren unwert gezeigt. Ich komme nur, um Sie in der niedergeschlagenen Stimmung zu trösten, in die die Kälte und Keuschheit der grausamen Stewart Sie versetzt haben!«
Bei diesen Worten brachte ihn ein neuer Ausbruch von beleidigendem, maßlosem Gelächter auf den Gipfel der Ungeduld. Nach dem Eingang hatte er sich wohl auf einige Spöttereien gefaßt gemacht; aber er dachte nicht, daß sie sich ihm gegenüber bei ihrer jetzigen Lage so in die Brust werfen dürfe, als er ihr aber antworten wollte, fuhr sie fort: »Nein, seien Sie nicht böse, daß ich mich über die Plumpheit, mit der man Sie täuscht, ein wenig lustig mache. Ich darf nicht zugeben, daß eine so zur Schau getragene Leidenschaft Sie zur Zielscheibe Ihres ganzen Hofes mache und daß man Sie ungestraft betrüge. Ich weiß, die spröde Stewart schickt Sie unter dem Vorwand von Unwohlsein, vielleicht von Gewissenskrupeln fort, aber ich melde Ihnen hiemit: der Herzog von Richmond wird gleich bei ihr sein, wenn er es nicht schon ist. Mir brauchen Sie nicht zu glauben, weil ich ja aus Rachsucht oder Neid so sprechen könnte. Folgen Sie mir bis zu ihrem Zimmer; damit Sie ja keiner Verleumdung Glauben schenken, mögen Sie sie, wenn ich sie verleumdet habe, ewig bevorzugen oder – nicht länger das traurige Opfer einer Scheinheiligen sein, die Sie die lächerlichste Rolle spielen läßt.«
Als er nach dieser Rede noch ganz unentschlossen dastand, nahm sie ihn beim Arm und zog ihn zur Wohnung ihrer Nebenbuhlerin. Chiffinch war für die Cleveland gewonnen worden und so wurde die Stewart vor diesem Besuch nicht gewarnt. Babiani, dessen Glück die Cleveland gemacht und der sie bei dieser Sache trefflich unterstützte, meldete ihr, der Herzog von Richmond sei eben bei der Stewart eingetreten. Diese Mitteilung traf sie auf einer kleinen Galerie, die vom Kabinett des Königs zu den Zimmern seiner Mätressen führte. Die Cleveland wünschte ihm guten Abend, als er zur Rivalin hineinging, und zog sich zurück, um den Ausgang des Abenteuers abzuwarten. Babiani, der dem König folgte, wurde beauftragt, ihr darüber zu berichten.
Es war nahe an Mitternacht. Der König fand die Kammerfrauen seiner Geliebten; sie verbeugten sich ehrfurchtsvoll bei seinem Eintritt und sagten ihm ganz leise, Miß Stewart wäre, seitdem er sie verlassen, sehr unwohl geworden, aber nach dem Zubettegehen schlummere sie, Gott sei Dank, sanft. »Das muß ich sehen«, rief er, indem er die ihm in den Weg Tretende zurückstieß. Er fand die Stewart wirklich im Bett, aber sie schlief keineswegs. Der Herzog von Richmond saß am Kopfende und war wohl noch weniger im Schlummer. Die Bestürzung der beiden und die Wut des Fürsten bei einer solchen Überraschung läßt sich denken. Der König, der mildeste aller Sterblichen, sagte dem Herzog seine Entrüstung in Worten, deren er sich nie bedient; der Herzog war verwirrt und vor Schrecken starr. Er sah seinen König und Herrn mit Recht erzürnt. Die ersten, in solchen Momenten von der Leidenschaft eingegebenen Schritte sind gefährlich, das Fenster des Zimmers lag für eine augenblickliche Rache sehr günstig, die Themse floß unten. Er richtete seine Blicke hin und fand die des Königs wütender, als er den König ihrer für fähig gehalten; er machte also nur eine tiefe Verbeugung und zog sich zurück, ohne auf eine Flut von Drohungen zu antworten.
Von ihrem ersten Schrecken ein wenig zu sich gekommen, warf sich die Stewart in die Brust, anstatt sich zu entschuldigen, und sagte Dinge, die den Zorn des Fürsten noch mehr reizen mußten: wenn es nicht erlaubt sei, einen Mann wie den Herzog von Richmond, der in ehrbarster Absicht gekommen sei, zu empfangen, so sei man ja Sklave in einem freien Lande; sie wisse von keiner Verpflichtung, die ihr freie Verfügung über ihre Hand untersage; wenn die Dinge in England aber so wären, so glaube sie, könne sie keine Macht davon abhalten, nach Frankreich zu gehen, um dort in einem Kloster die Ruhe zu suchen, die sie an seinem Hofe nicht finden könne.
Abwechselnd vor Wut außer sich, dann wieder durch Tränen erweicht, endlich durch ihre Drohungen geschreckt, schwankte der König so hin und her, daß er auf die schmissigen Reden eines Mädchens keine Antwort wußte, das ihm ins Gesicht die Lukretia spielte und seinen Vorwürfen keckste Entrüstung gegenüberstellte. Doch war die Liebe schon auf dem Punkt, über alle Heftigkeit zu siegen und er nahe daran, ihr mit der Bitte um Verzeihung für das ihr angetane Unrecht zu Füßen zu fallen, als sie ihn bat, sich zurückzuziehen und sie für den Rest der Nacht in Ruhe zu lassen, damit die, die ihn hergeführt und begleitet hätten, nicht etwa daran Anstoß nähmen. Diese unverschämte Bitte brachte ihn ganz außer Fassung. Er ging mit der Drohung fort, sie nie wieder zu sehen und brachte die unruhigste, qualvollste Nacht seit seiner Wiedereinsetzung zu.
Tags darauf erhielt der Herzog von Richmond den Befehl, den Hof zu verlassen und nicht wieder vor dem König zu erscheinen. Er hatte aber diese Weisung nicht abgewartet und man erfuhr, daß er zeitig früh auf seinen Landsitz gereist sei.
Um der schlimmen Wendung, die das Abenteuer der vergangenen Nacht nehmen könnte, vorzubeugen, eilte Miß Stewart, sich vor der Königin auf die Knie zu werfen. Sie spielte dort die neue Rolle einer unschuldig büßenden Magdalena, bat um Vergebung für den etwa Ihrer Majestät bereiteten Kummer und sagte, beständige Gewissensbisse hätten sie längst auf alle Mittel und Wege zum Verlassen des Hofes sinnen lassen; das habe sie veranlaßt, dem Herzog von Richmond Gehör zu schenken, der sich seit längerer Zeit um ihre Hand bewerbe; da aber diese Partie Ursache ihrer Ungnade und von einem Aufsehen begleitet sei, das zum Nachteil ihres Rufes ausschlagen könne, so beschwöre sie Ihre Majestät, sie unter ihren Schutz zu nehmen und vom König die Erlaubnis auszuwirken, daß sie in ein Kloster gehen dürfe. Dann werde endlich die durch ihre Gegenwart bei Hofe ohne ihre Schuld veranlaßte Unruhe ein Ende haben. All das war von der gehörigen Flut von Tränen begleitet.
Eine Nebenbuhlerin, die sich zu unseren Füßen demütigt, Verzeihung erbittet und sich zugleich als rein hinstellt, ist ein wohltuender Anblick. Das Herz der Königin wandelte sich auf der Stelle, ihre Tränen mischten sich mit denen der Reuigen. Nachdem sie sie aufgerichtet, umarmte sie sie zärtlich, versprach ihr allen Schutz zu ihrer Vermählung oder zu jedem anderen Auswege, den sie einschlagen wolle, und entließ sie, anfangs wirklich entschlossen, nach besten Kräften für sie zu arbeiten. Da sie aber sehr einsichtsvoll war, so brachten die nach der ersten Aufregung angestellten Betrachtungen sie auf andere Ideen.
Sie wußte, daß des Königs Sinn keiner wahren Treue fähig sei und dachte, daß er sich über die Trennung trösten und daß ein neues Band das Andenken an Miß Stewart auslöschen könnte; da sie jedoch schwerlich ohne Nebenbuhlerin bleiben würde, wäre es immer noch besser, eine Rivalin zu haben, deren Zucht und Sittsamkeit durch so sprechende Beweise erhärtet seien. Überdies schmeichelte sie sich, der König werde ihr ewig Dank wissen, daß sie sich der Entfernung und Verheiratung eines Mädchens widersetzt habe, die er leidenschaftlich liebte. Diese edle Rücksicht siegte. Sie wandte ihren ganzen Einfluß an, Miß Stewart zu überreden, daß sie weder dem Herzog von Richmond ihre Hand reiche noch in ein Kloster gehe und so war das Seltsamste an dem Vorfall: daß die Gemahlin selbst an der Aussöhnung der Liebenden arbeitete.
Es wäre schade gewesen, wenn ihr die Sache nicht gelungen wäre. Die Mühe wurde ihr nicht schwer; denn die Liebesglut des Königs war nie so heftig als seit der Zeit dieser Versöhnung und nie war sie von der schönen Stewart so stark erwidert worden.
Wie man aber sehen wird, genoß der Fürst die süße Wiedervereinigung, die ihn in die glücklichste Stimmung versetzte, nicht lange. Seit dem Pyrenäen-Vertrage war Europa ununterbrochen in Ruhe gewesen. Durch das neue Bündnis, das Spanien mit seinem bedenklichsten Nachbarn schloß, schmeichelte es sich, wieder aufzuatmen, doch trug sich die Nation nicht mit der Hoffnung, eine im Verfall begriffene Monarchie aus Trümmern wieder herstellen zu können, wenn sie Alter und Hinfälligkeit ihres Fürsten oder die Schwäche des Nachfolgers erwog. Das von einem unermüdlichen, jungen, wachsamen, ruhmbegierigen Monarchen beherrschte Frankreich brauchte dagegen nur zu wollen, um sich jeden Augenblick zu vergrößern.