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Wie bekannt, ist Hyde-Park ein Spazierort der Londoner. In der milden Jahreszeit ist er sehr belebt, Sammelplatz des Luxus und der Schönheit. Alles, was prächtige Wagen oder schöne Augen hatte, drängte sich hin, selbst dem König gefiel es dort.
Da die Karossen mit Glasfenstern noch nicht lange im Gebrauch waren, verstanden die Damen sich nicht gern zu diesem Gefängnis im Freien. Sie zogen den Genuß, fast ganz gesehen zu werden, der Bequemlichkeit der Modewagen weit vor. Die für den König angefertigte Kutsche sah nicht besonders aus. Da der Chevalier Grammont meinte, man könne etwas Elegantes herstellen, wenn man die alte Mode mit der neuen geschmackvoll verbände, schickte er Termes mit den nötigen Weisungen heimlich ab. Auch von diesem Auftrage ward der Herzog von Guise in Kenntnis gesetzt und nach Ablauf eines Monats brachte der Kurier, der sich diesmal, Gott sei Dank, vor dem Triebsand in acht genommen, die geschmackvollste und prächtigste Kutsche nach England.
Der Chevalier Grammont hatte befohlen, 1500 Louisdor anzuwenden und der Herzog von Guise, sein Freund, ließ aus Artigkeit 2000 draufgehen. Der ganze Hof bewunderte das prachtvolle Geschenk und der König, über die ihm erwiesene Aufmerksamkeit entzückt, dankte gnädigst; doch wollte er ein so wertvolles Andenken nur unter der Bedingung eines Gegengeschenks annehmen. Die Königin glaubte, dieses prächtige Gefährt könne ihr Glück bringen und wollte sich deshalb mit der Herzogin von York zuerst darin zeigen. Lady Castlemaine, die sie fahren sah, stellte sich vor, man müsse in dieser Karosse schöner aussehen als in einer anderen, und bat den König, ihr den Wunderwagen zu leihen, damit sie am ersten schönen Tage in Hyde-Park glänzen könne. Miß Stewart hatte denselben Wunsch und verlangte ihn für den nämlichen Tag. Da es nun kein Mittel gab, zwischen zwei Göttinnen zu entscheiden, deren frühere Freundschaft sich in tödlichen Haß verwandelt hatte, so war der König in großer Verlegenheit, denn jede wollte durchaus die erste sein.
Lady Castlemaine war guter Hoffnung und drohte vor der Zeit niederzukommen, wenn ihre Nebenbuhlerin den Vorzug erhielte. Miß Stewart beteuerte, sie werde sich nie in jenen Zustand versetzen lassen, wenn man sie hintanstelle. Die letzte Drohung trug über die erste den Sieg davon und die Wut der Castlemaine war so groß, daß sie fast Wort gehalten hätte; auch behauptete man, der Triumph habe der Rivalin ein wenig von ihrer Unschuld gekostet.
Da die Königinmutter, obwohl selbst keine Streitigkeiten veranlassend, sie bei anderen nicht ungern sah, ergötzte sie sich ihrer Art gemäß weidlich an dem Vorfall. Sie ergriff die Gelegenheit, dem Chevalier Grammont scherzend Vorwürfe darüber zu machen, daß er den Zankapfel zwischen zwei solche Nebenbuhlerinnen geworfen. In Gegenwart des ganzen Hofes verfehlte sie nicht, ihm über sein herrliches Geschenk Lobsprüche zu erteilen. »Wie kommt es aber,« sprach sie, »daß Sie hier keine Equipage haben, da Sie doch so großen Aufwand machen? Man behauptet, Sie hätten nicht einen Lakaien und ließen sich von einem jener Straßenjungen leuchten, die mit ihren Kienfackeln die ganze Stadt verpesten.« – »Majestät,« sagte Grammont, »ich liebe den Pomp nicht. Der Fackelträger, dessen Sie erwähnen, ist meinem Dienst treu ergeben und außerdem einer der Tapfern dieser Erde. Ihro Majestät kennt vielleicht das Völkchen der Leuchtjungen nicht. Es ist eine treffliche Brüderschaft. Nachts kann man keinen Schritt machen, ohne daß ein Dutzend angerannt kommt. Als ich zuerst ihre Bekanntschaft machte, behielt ich alle, die mir ihre Dienste anboten; vor Whitehall angelangt, hatte ich deren zweihundert um meine Sänfte. Das Schauspiel war neu; die Vorübergehenden fragten bei der Illumination, was das für ein Leichenbegängnis sei. Die Herren Fackelträger gerieten über einige Dutzend Schillinge, die ich hinwarf, in Streit, und da der von Ihrer Majestät erwähnte ganz allein drei oder vier andere geschlagen hatte, behielt ich ihn um seiner Tapferkeit willen. Nein, gnädige Frau, ich halte nichts von dem Gepränge von Karossen und Lakaien. Ohne je einen Livreediener zu besitzen, hatte ich oft fünf bis sechs Bediente, außer meinem Almosenier Poussatin.« – »Was,« rief die Königin, in Lachen ausbrechend, »ein Almosenier, der Ihre Farben trug! Doch wohl kein Geistlicher?« – »Verzeihung, gnädige Frau,« sprach er, »der erste Priester der Welt durch sein Geschick im baskischen Tanz.« – »Chevalier,« sagte der König, »ich befehle, daß Sie uns gleich die Geschichte vom Almosenier Poussatin erzählen.« »Sire,« begann er, »der Prinz Condé belagerte Lerida. Die Festung war nicht der Rede wert, aber Don Gregorio Brice war auch keine Null. Er war ein Spanier von altem Schrot und Korn, tapfer wie der Cid, stolz wie alle Gusmans zusammengenommen und galanter als sämtliche Abencerragen von Granada. Unsere ersten Angriffe auf seine Stadt ließ er geschehen, ohne das geringste Lebenszeichen zu geben. Des Marschalls Grammont Ansicht: wenn ein Gouverneur gleich anfangs großen Lärm macht und seine Vorstädte der Verteidigung wegen abbrennt, so leistet er gewöhnlich nur schwachen Widerstand – ergab für uns aus der Artigkeit des Don Gregorio Brice keinen allzu günstigen Schluß; allein stolz auf seine Siege von Rocroi, Nördlingen und Freiburg, ließ Condé, um die Festung und den Kommandanten zu verspotten, bei hellem Tage durch sein Regiment die erste Tranchee aufführen, und zwar unter Musik von vierundzwanzig Geigern, als ginge es zu einer Hochzeit.
Wie die Nacht kam, wurden wir lustig, unsere Violinen spielten zärtliche Melodien und es wurde brav gespeist und gezecht. Dem Gouverneur und seiner Festung wurden der Himmel weiß was für Witzraketen zugeschickt und wir versprachen uns, beide in vierundzwanzig Stunden zu haben. So ging es in der Tranchee zu, als wir von der Festungsbrüstung einen Ruf von schlimmer Vorbedeutung zwei- oder dreimal wiederholen hörten: »Achtung da vorn auf dem Wall!« Auf dies Geschrei folgte eine Kanonensalve, ein Gewehrfeuer und ein solcher Ausfall, das unsere Tranchee zugefüllt und wir auf unsere Hauptmacht zurückgeworfen wurden.
Tags darauf sandte Gregorio Brice dem Herrn Prinzen durch einen Trompeter Eis und Früchte und ließ Seine Hoheit ergebenst bitten, ihn zu entschuldigen, daß er keine Geigen habe, um die ihm gnädigst gebrachte Serenade zu erwidern; wenn indes seine Musik von vergangener Nacht Beifall gefunden, so würde er sich bemühen, sie so lange fortzusetzen, als Se. Hoheit geruhen würden, vor seinem Platze zu bleiben. Der Henker hielt uns Wort und sooft wir rufen hörten: »Achtung, auf dem Wall«, so konnten wir immer einen Ausbruch von Salven erwarten, der unsere Arbeiten zerstörte und unsere besten Soldaten und Offiziere hinraffte. Der Prinz war darüber so aufgebracht, daß er gegen den Rat der Generäle eine Belagerung hartnäckig fortsetzte, die sein Heer fast aufrieb und die er zum Schluß dennoch plötzlich abbrechen mußte.
Weit entfernt, beim Rückzug unserer Truppen die bei solcher Wendung den Festungskommandanten sonst eigene triumphierende Miene anzunehmen, sandte Don Gregorio statt eines Ausfalles dem Prinzen nur ein Kompliment voller Achtung. Einige Zeit darauf ging der Sennor Brice nach Madrid, um über sein Benehmen Rechnung abzulegen und seinen Lohn zu empfangen. Ihre Majestät sind vielleicht auf die Behandlung gespannt, die dem kleinen Spanier nach der glänzendsten Waffentat seiner Nation in diesem ganzen Kriege widerfuhr; man stellte ihn vor die Inquisition. – »Wie?« sagte die Königinmutter, »vor die Inquisition wegen seiner Dienste?« – »Nicht gerade wegen seiner Dienste,« sagte der Chevalier, »aber ohne Rücksicht auf seine Dienste behandelte man ihn, wie ich gemeldet, und zwar wegen eines kleinen galanten Streiches, den ich dem Könige gelegentlich näher mitteilen will.
»Nach solchem Ausgang unseres Katalonischen Feldzuges«, fuhr er fort, »kamen wir nur dürftig mit Lorbeeren bedeckt zurück. Da aber der Prinz bei anderen Kämpfen hinlänglichen Vorrat davon gesammelt hatte und große Pläne im Schilde führte, vergaß er den kleinen Unfall bald. Während des Marsches trieben wir nur Tollheiten und der Prinz war der erste, der uns zu Neckereien über seine Belagerung brachte. Wir selbst machten einige jener bekannten Lerida-Spottlieder, damit andere nicht schlimmere Satiren anstimmten. Doch half uns das wenig; vergebens behandelten wir uns schonungslos in Versen, in Paris geißelte man uns noch ärger in Reimen und in Prosa.
Endlich kamen wir an einem Feiertage in Perpignan an. Eine Truppe von Kataloniern, die auf der Straße tanzte, kam unter die Fenster des Prinzen, um ihm zu huldigen. Mit einer kleinen schwarzen Kutte bekleidet, sprang Monsieur Poussatin mitten unter diesem Haufen, wie ein Besessener. An seinen Sätzen und Sprüngen erkannte ich sogleich unsere Nationalität. Der Prinz war von seiner Gewandtheit und Leichtigkeit entzückt.
Nach dem Tanz ließ ich ihn kommen und fragte ihn, was er wäre. ›Ein unwürdiger Priester,‹ sagte er, ›Ihnen zu dienen, gnädiger Herr. Ich ging nach Katalonien, um in der Infanterie als Almosenier zu dienen; denn, Gott sei Dank, ich bin gut zu Fuße; da aber der Krieg glücklich beendet ist und wenn es Ew. Hoheit gefiele, mich in Ihren Dienst zu nehmen, so würde ich Ihnen überall folgen und treu dienen.‹ – ›Monsieur Poussatin,‹ erwiderte ich, ›meine Hoheit bedarf keines Almoseniers; da Ihr aber so guten Willens seid, will ich Euch gern in meine Dienste nehmen.‹
Der bei diesem Gespräch anwesende Prinz war entzückt, mich mit einem Almosenier versehen zu wissen. Da der arme Poussatin sehr abgerissen aussah und ich in Perpignan keine Zeit hatte, ihn einzukleiden, ließ ich ihn den beim Gepäck befindlichen Leibrock eines Lakaien des Marschalls Grammont anziehen und ihn auf die Karosse des Prinzen hinten aufsteigen, während Se. Hoheit immer vor Lachen bersten wollte, sooft er die nicht sehr orthodoxe Erscheinung des kleinen Poussatin in gelber Livree erblickte.
Als wir in Paris angelangt waren, erzählte man den Fall der Königin; sie war darüber zunächst ein wenig betroffen. Doch hielt sie das nicht ab, meinen Almosenier tanzen zu sehen; in Spanien ist es nicht so unerhört, einen Geistlichen beim Tanz als in Livree zu finden.
Poussatin tat vor der Königin Wunder; da aber seine Bewegung etwas zu lebhaft war, konnte die Fürstin den Geruch, den seine Ausdünstung im Kabinett verbreitete, nicht aushalten. Die Damen baten um Schonung. All ihre Wohlgerüche und Essenzen wären sonst durch diese Atmosphäre aus dem Felde geschlagen worden. Nichtsdestoweniger trug Poussatin viel Lobsprüche und einige Louisdor davon.
Nach Verlauf einiger Zeit erhielt ich für meinen Almosenier eine kleine Landpfarre und habe gehört, Poussatin soll in seinem Dorfe mit ebensolcher Leichtigkeit predigen, wie auf den Hochzeiten seiner Pfarrtöchter tanzen.«
Die Erzählung ergötzte den König sehr und die Königin fand es nicht mehr ganz so übel, daß man Poussatin in Livree gesteckt habe. Weit unzufriedener war sie mit der Behandlung von Don Gregorio Brice. Da sie nun den spanischen Hof wegen dieser Härte gerechtfertigt sehen wollte, fragte sie: »Chevalier, was für eine Ketzerei wollte der Gouverneur im Staate einführen, welches Verbrechens gegen die Religion war er angeklagt, daß man ihn vor die Inquisition stellte?« – »Gnädige Frau,« entgegnete Grammont, »die Geschichte ist nicht ganz geeignet, vor Ihro Majestät erwähnt zu werden. Es war eine allerdings am unrechten Orte angebrachte kleine Liebesbezeigung. Der arme Brice hatte gar keine böse Absicht. Im strengsten Kollegium von Frankreich hätte er die Geißel nicht verdient, da er doch nur einer kleinen Spanierin, die bei feierlicher Gelegenheit ihre Augen auf ihn gerichtet, einen Beweis von Zärtlichkeit gab.«
Der König verlangte einen genauen Bericht und der Chevalier befriedigte des Fürsten Neugier, als die Königin und der Hof sich entfernt hatten. Es war ein Genuß, ihn sprechen zu hören, aber wehe dem, der durch spöttisches Wesen oder als Nebenbuhler unter seine Hände geriet. Am Hofe von England gab es damals allerdings nur wenige, die seinen Zorn auf sich luden. Russell allein war von Zeit zu Zeit seine Zielscheibe, und auch ihn behandelte er im Vergleich zu dem, was er sonst gegen Rivalen zu tun pflegte, sehr mild.