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Ein jeder, der da meint, seine Ehre hänge von der Treue seiner Frau ab, ist ein Tor, wenn er sich mit ihr quält und sie zur Verzweiflung bringt. Wer aber, von Natur aus eifersüchtig, außer diesem Leiden noch das Unglück hat, seine Frau zu lieben und verlangt, sie solle nur für ihn atmen, ist ein Wahnsinniger, den alle Qualen der Hölle martern, ohne daß ihn deshalb jemand bemitleidet. Alle über diese traurige Seite der Ehe angestellten Betrachtungen führen zu dem Ergebnis, daß jede Vorsichtsmaßregel vor dem Unheil umsonst und die Rache danach abscheulich ist.
Die Spanier, die mehr aus Tradition als aus Eifersucht Tyrannen ihrer Weiber sind, begnügen sich, ihre Ehre durch Duennas, Gitter und Riegel zu wahren. Die Italiener mit ihrem scharfblickenden Argwohn und rachsüchtigen Temperament haben verschiedene Methoden. Einige sind, wenn sie die Frau hinter Schloß und Riegel glauben, ganz ruhig; andere verstärken durch diverse Vorkehrungen die Mittel, welche die Spanier zur Sicherung der Treue des schönen Geschlechts ersonnen haben. Die meisten aber halten bei unvermeidlicher Gefahr oder offener Untreue den Tod der Frau für das Richtigste.
Kühlere Nationen sind von so grausamen, barbarischen Sitten weit entfernt. Sie halten die Zügel ihrer glücklichen Ehehälfte nicht so straff und bringen deshalb ihre Tage ohne Kummer und Sorge in Frieden und dem süßen Genuß häuslicher Ruhe zu.
Lord Chesterfield handelte nicht klug, als er aus dem Geleise seiner geduldigen Landsleute trat, um unter lächerlichem Aufsehen alle Einzelheiten eines Abenteuers zergliedern zu lassen, das außerhalb des Hofes vielleicht unbekannt geblieben und nach einem Monat überall vergessen gewesen wäre. Kaum hatte er den Kopf gewendet, um sich mit seiner Gefangenen und dem Stirnschmuck, mit dem man ihn gekrönt glaubte, auf den Weg zu machen, als es, weiß der Himmel wie, hinter seinem Rücken herging! Rochester, Middlesex, Sedley und Etheredge und das ganze Heer der Schöngeister ließen eine Masse Spottgedichte erscheinen, die das Publikum auf seine Kosten unterhielten.
Wie man sagt, fand sie der Chevalier Grammont witzig und ergötzlich und pflegte überall, wo dieser Gegenstand behandelt wurde, seinen Beitrag zu ihm zu liefern. Es ist seltsam, sprach er, daß das Landleben, das man für eine junge Dame den Galgen oder die Galeere nennen kann, hier nur für die Unglücklichen, nicht für die Schuldigen vorhanden scheint. Um einiger unvorsichtiger Blicke willen wird die arme kleine Chesterfield von einem finsteren Gemahl eingepackt, der sie zum Weihnachtsfest aufs Land, auf ein fünfzig Stunden von hier entferntes Lustschloß führt, während tausend anderen die Freiheit bleibt, zu tun, was ihnen beliebt, was sie auch weidlich ausnützen. Es gibt Leute unter ihnen, deren Aufführung zwanzig Stockhiebe verdiente. Ich nenne keinen Namen, Gott behüte; aber die Denham, die Middleton, die Ehrenfräulein der Königin und die Damen der Herzogin nebst hundert anderen teilen ihre Gunst nach rechts und links aus, ohne daß man ein Wörtchen sagt. Lady Shrewsbury zu sehen, ist ein wahrer Genuß. Ich wette, sie könnte Tag für Tag einen Mann dem Tode opfern und würde ihr Haupt nur um so stolzer erheben. Sie scheint für ihr Benehmen Generalablaß zu haben. Drei oder vier Herren tragen jeder eine Elle ihres Haares in Armbändern, ohne ein Wort übler Nachrede. Bei alledem darf ein Frevler wie Lord Chesterfield eine in diesem Lande unerhörte Tyrannei um nichts und wieder nichts, noch dazu gegen die reizendste Frau Englands üben. Wenn er aber glaubt, daß ihm sein Vorgehen viel nützen wird, bin ich sein gehorsamer Diener. Die Vorsicht hilft in diesen Dingen nichts, und oft ist eine Frau, die, wenn man sie ruhig gehen ließe, vielleicht an nichts Böses dächte, aus Rache dazu getrieben worden. Das ist so wahr wie das Evangelium. Hören Sie, was Francescos Sarabande darüber sagt:
O Eifersucht, was hilft dein Müh'n?
Die Lieb' ist kühn; –
Und alle Pein
Wird fruchtlos sein,
Quält dich allein, –
Wenn lieberfüllt zwei Herzen glühn.
Vor deinem Blick
Zieht sich die Liebe scheu zurück,
Verschließt die Wünsche in der Brust
Und raubt dafür verbotne Lust.
Vor Zeugen scheu,
Im stillen treu
Flammt Liebe tief und immer neu.
So lauteten die Worte, als deren Verfasser der Chevalier Grammont galt. Sie glänzten weder durch Inhalt noch durch Form; da sie aber Wahrheiten enthielten, die dem Nationalgeschmack und dem Sinne derer entsprachen, die für das schöne Geschlecht Partei nahmen, so wollten alle Damen die Verse besitzen, um sie ihre Kinder auswendig lernen zu lassen.
Unterdessen machte es dem Herzog von York, der nun Lady Chesterfield nicht mehr sah, keinen großen Kummer, sie zu vergessen. Und doch wurde ihre Entfernung von dem Mann, der sie veranlaßt hatte, eigentlich sehr schmerzlich empfunden; allein es gibt glückliche Temperamente, die sich über alles trösten, weil sie nichts lebhaft fühlen. Da jedoch sein Herz nicht ganz müßig bleiben konnte, gedachte er, nach dem Vergessen der Chesterfield, seiner früheren Neigungen und es fehlte nicht viel, so hätte Miß Hamilton einen Rückfall von Zärtlichkeit bei ihm hervorgerufen.
In London gab es einen berühmten Porträtmaler, namens Lely. Die vielen Gemälde Van Dycks in England hatten dem Künstler zur Reife verholfen. Von allen neueren Malern hat Lely in seinen Arbeiten die Manier des Meisters am besten erfaßt und kommt ihm am nächsten. Die Herzogin von York wünschte die Bildnisse der schönsten Damen des Hofes zu besitzen. Lely malte sie. Es war unmöglich, vollendetere Modelle zu finden. Jedes Bild schien ein Meisterwerk und Miß Hamiltons Porträt war das gelungenste. Lely gestand, er habe mit Genuß daran gearbeitet.
Der Herzog von York konnte es nicht genug betrachten und fing immer von neuem an, mit dem Original zu liebäugeln. Da war freilich für seine Absichten nichts zu machen; um dieselbe Zeit, wo diese vergebliche Bewerbung den Chevalier Grammont beunruhigte, fand es die Denham für gut, ihre vorzeitig abgebrochenen Unterhandlungen wieder in Gang zu bringen. Man kam bald zum Schluß. Wenn bei Vertragsabschlüssen beide Parteien offen zu Werke gehen, so verliert man keine Zeit mit Überflüssigkeiten. Von einer Seite ging alles gut; doch weiß ich nicht, welch ein böses Verhängnis auf der anderen Seite den Bedingungen der einen Partei Schwierigkeiten bereitete. Der Herzog bat die Herzogin dringend, der Denham jene Stellung, das Ziel ihres Ehrgeizes, zu verleihen; da aber der Fürstin für die geheimen Artikel des Traktats niemand bürgte, schien es ihr, wenn sie dem Willen des Herzogs auch sonst sehr ergeben war und für seine Untreue äußerste Nachsicht gezeigt hatte, doch hart und schimpflich, eine Nebenbuhlerin bei sich aufnehmen und am eigenen Hofe dadurch eine ziemlich traurige Rolle spielen zu sollen. Als sie aber grade auf dem Punkte stand, diese Anstellung durch entscheidenden Befehl zu erhalten, raubte ein viel tragischeres Ereignis der armen Denham für immer jede Aussicht auf den sehnlich erstrebten Ehrenposten.
Von Natur zur Eifersucht geneigt, wurde der alte Denham täglich mißtrauischer, und zwar nicht ohne Grund. Seine Frau war jung und schön, er alt und abstoßend. Wie konnte er hoffen, daß der Himmel gerade ihn vor dem Lose seiner Ehestandsgenossen bewahren werde? Er sagte sich das unaufhörlich; bei den Gratulationen, die ihm wegen jener Stelle bei der Herzogin gemacht wurden, wünschte er sich an den Galgen und hätte sich aufgeknüpft, wenn er den nötigen Mut dazu besessen hätte. Der Bösewicht zog es vor, seine Courage nicht an sich, sondern an einer andern zu erproben. Um in einem so konstitutionellen Lande seine Rache zu sättigen, bedurfte es für ihn außerordentlicher Wege. Lord Chesterfields Maßregel genügte ihm nicht; auch hatte er kein Landhaus, um die unglückliche Denham hinzubringen. So ließ denn der alte Verbrecher seine Frau, ohne daß sie London zu verlassen brauchte, eine weit größere Reise antreten. Ein unerbittlicher Tod entriß sie in der Blüte der Jahre ihren teuersten Hoffnungen.
Da niemand daran zweifelte, er habe sie vergiftet, beschloß der Pöbel seines Viertels, ihn zu steinigen, sobald er ausgehen würde; aber er hielt sich eingeschlossen, um den Tod seiner Frau zu beweinen, und wartete, bis die Wut des Volkes durch eine prächtige Leichenfeier beschwichtigt war, bei der er viermal so viel Branntwein austeilen ließ, als je bei einer Bestattung in England getrunken wurde.