Albrecht von Haller
Alfred - König der Angel-Sachsen
Albrecht von Haller

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Das zweyte Buch.

Dreissig Jahre lang hatte Alfred das Schwerdt selten aus den Händen gelegt, er hatte Engelland nach und nach wieder erobert, die Einfälle der Fremdlinge abgewandt, die Herrschaft der See erworben, in den mehresten von zwey und funfzig gelieferten Feld-Schlachten hatte er den Sieg erhalten, den er fast einzig seinen eignen Anstalten zu danken hatte, endlich war der Zweck erreicht, und ein beständiger Frieden mit der langen Arbeit und mit vielem edelm Blut erkauft. Alfred schöpfte Athem und arbeitete nunmehr an der innern Verbesserung des Reiches, und an der Versicherung der Ruh.

Ohne Beyspiel ist der Ruhm Alfreds, daß er durch keine Siege sich verleiten ließ, den Krieg zu lieben. Zu oft hatte der Gütige gesehn, wie die edelsten Lorbeern vom besten Blute der Krieger triefen, wie viel Elend der Krieg unter Tausende von Tausenden ausstreut, wie er in der Blühte ihrer Jahre die Hofnung des Vaterlandes die muhtigsten Jünglinge wegraft, wie andere ein noch elenders Leben unter dem Druke der Schmerzen und eines beständigen Siechthums zum Lohne ihrer tapfern Thaten empfangen, wie der zügellose Brand des Kriegs die Haab von Millionen verzehrt. Wie algemeine Armuht, und Hunger in seinem Begleite, und verzehrende Seuchen im Gefolge, zum Untergange der Völker eilen. Niemahls grif Alfred an, alle seine Kriege waren Abtreibungen der ungerechten Angriffe, die Unschuld solcher Kriege konte allein sein menschenliebendes Herz bewegen, das Blut seiner Brüder dem algemeinen Besten aufzuopfern.

Aber er fand auch beym Frieden ein zerrüttetes Reich, worinn des Schwerdts Macht seit vielen Jahren einzig geherrscht, und die Geseze niemand beschüzt hatten, wo die schwache Unschuld alles leiden mußte, wo das Eigenthum der Bürger so wenig als ihr Leben gesichert war. Aus diesem Labyrinthe sein Volk zu ziehn machte sich der bedächtliche König die Geseze der weisesten Völker bekannt; die Hebräischen zuerst, die von der obersten Weisheit selber herrührten, dann die Griechischen, die Römischen, die Dänischen, und die Sächsischen. Er sah diese Geseze als eine Arbeit an, die die klugsten Männer für ihn verrichtet hätten, und wählte daraus, was er für sein Volk möglich und heilsam fand.

Der König war in dunkelsten Zeiten gebohren, wo der Abendländer die Sprache und die Künste der Römer vergessen hatte, wo Karl der Große vom Arabischen Aaron die Werke der Kunst borgen mußte, wo der Aberglauben sich auf den Thron der Religion zu sezen, und die Priester die algemeine Herrschaft anzusprechen begunten. Der König war selbst in diesen Vorurtheilen erzogen, seine meisten Vertrauten und seine Lehrer waren Priester. Die Gebräuche der Sachsen waren ihm auch zur Gewohnheit und zur Richtschnur geworden. Alfred war ein weiser Gesezgeber, aber aus den unvermeidlichen Mängeln seiner Zeiten floßen Unvolkommenheiten, wider welche keine menschliche Gaben ihn beschüzen konten.

Dennoch, so ergeben er dem Römischen Bischoffe war, unter dessen Aufsicht er einen Theil seiner ersten Jahre zugebracht hatte, so vergaß Alfred doch nicht daß er König war, und daß alle Macht in seinem Reiche ihm vom obersten Herrscher war anvertraut worden. Er unterwarf die Priesterschaft eben den Gesezen, die er seinen übrigen Unterthanen vorschrieb. Er überließ den Bischöffen kein richterliches Ansehn, und bestrafte die schuldigen Priester, ohne von Rom ihre Bestrafung zu erbitten, wie sein mächtiger Urenkel, der erste Plantagenet, zu thun gezwungen wurde.

Alfreds Geseze wurden die Geseze Edwards, und die wahre Quelle des Englischen Rechtes, in welchem ein freyes und siegreiches Volk seinen edelsten Vorzug sezt. Er war der erste, der einem jeden Bürger andre Bürger von eben der Würde zu Richtern gab; die Beklagten konnten kein Unrecht von denjenigen erwarten, deren Richter sie hinwiederum werden konten, und deren Sicherheit auf eben die Gerechtigkeit sich gründete, die sie ihrem Bruder würden gewährt haben. Alfred befahl, daß ein Edler von zwölf Edeln gerichtet werden solte: den Unedlen gab er eilf andre Bürger unter dem Vorsize eines Edelmanns, zu Richtern. Noch ist dieses Vorrecht in voller Uebung, ob wohl kein anderes Volk diese Gleichheit der Richter mit dem Verklagten angenommen hat. Und würklich haben die Beklagten von der Unwissenheit ihrer Richter, von der Hartnäkigkeit eines einzigen unter denselben, und von den Kunstgriffen eines ungerechten Fürsten freylich eben die Gefahr zu besorgen, die in andern Ländern von wilkürlichen Richtern entsteht. Alfred schrieb indessen diese Art die Beklagten zu beurtheilen seinen Sachsen und auch den Normännern vor.

Wie alle Geseze freyer Nordischer Völker, waren die Strafgeseze gelind, die Alfred auf die Uebelthaten sezte. Sehr wenige stiegen bis zur Vergießung des Blutes. Der Aufruhr, der Verraht wider den König, der Bruch des Burgfriedens wurden allein mit der Todesstrafe belegt, und auch diese konte man, nach der alten Uebung Deutscher Völker, mit einem gesezten Gewichte Goldes abkaufen. Die Strafe der Verführung einer verehlichten Frau war nach der Ahndung der wider die algemeine Wohlfahrt streitenden Missethaten die schwerste, weil sie die heiligsten Bande der Gesellschaft zerreißt, und diejenigen trennt, deren Verbindung die innigste, und zur Hofnung der Nachwelt nohtwendig ist. Der Priester, der einen Meineid begieng, der seine Hände mit Blut beflekte, der der Keuschheit Schranken überschritt, wurde zwar von den Bischöffen bestraft, mußte aber dennoch auch vor den Königlichen Richtern sich stellen, und dem Könige eine vorgeschriebene Buße bezahlen.

Diejenigen, die sich einer Missethat verdächtig gemacht hatten, mußten für die algemeine Sicherheit Bürgen ausfindig machen, oder sich in Verhaft nehmen lassen.

Die Normännischen Freybeuter hatten die Insel mit so vielen Beyspielen offenbarer Vergewältigungen angefüllt, daß das Rauben, und die Bemächtigung fremder Güter ein algemeines Laster waren. Auch diese Unsicherheit wußte Alfred aus dem Grunde auszurotten, und das Mittel, das er brauchte, war auch den gesittetsten Völkern niemahls bekannt worden. Zuerst theilte er das Reich in Grafschaften, deren Umfang bestimmt und festgesezt war. Jede Grafschaft war wiederum in Hunderte getheilt, die von dem Ergreifen der Waffen den Nahmen hatten,Weapontake und jedes Hundert bestund wiederum in einer Zehnzahl von Hausvätern. Jedes Zehnt mußte für alle die Männer, die in seine Zahl gehörten, die Gewährschaft leisten, und ein jeder für alle, so wie alle für einen jeden versprechen, daß ein jeder Beklagter nichts wider die Geseze unternehmen, und sich vor dem Richter stellen würde, so bald man ihn dazu auffoderte. Niemand genoß den Schuz der Gerechtigkeit, als wer in einem Zehnten eingezeichnet war. Wer sich dieser Verbindung nicht unterziehen wolte, wurde vom Schuze der Geseze ausgeschlossen, und konte von einem jeden ungestraft angegriffen, seiner Güter und seines Lebens beraubt werden. Wenn jemand unter den Zehen wegen einer Missethat verdächtig war, und seine Mitgefährten keine Gewähr leisten wolten, daß er sich vor dem Richter stellen würde, so wurde er in Gefangenschaft gesezt. Entwich er, eh er konte in Verhaft genommen werden, so mußte das Zehnt und das Hundert wegen ihrer Nachläßigkeit mit einer Buße dem Könige genug thun. Das Zehnt konte zwar der Buße entgehn, wann alle seine Männer mit einem Eide bezeugten, der Missethäter habe ohne ihr Vorwissen das Laster begangen, und auch die Flucht ergriffen; aber diese Aussage mußten die andern, und benachbarten Zehnten mit ihrem Zeugnüße bestätigen, und wann sie die Aussage des schuldigen Zehnts nicht bestätigten, so verfiel dasselbe in eine schwere Buße; die Güter des Entwichenen wurden eingezogen, und wann aus denselben die Buße nicht ausgemacht werden konte, so mußte das ganze Zehnt das Mangelnde ergänzen, sich auch verpflichten, den Schuldigen vor das Gericht zu bringen, sobald sie seiner habhaft werden könten.

Wann ein Fremdling bey einem Unterthan einkehrte, so wurde er zwey Tage lang als ein Gast angesehn; seine Fehler geriehten seinem Wirthe nicht zur Last, so bald er eidlich erklären konte, daß er keine Kenntnüß von der Missethat gehabt habe. War der Fremdling drey Tage lang bey einem Manne geblieben, so mußte derselbe für ihn, wie für einen Hausgenoßen, haften.

Alfred durfte es nicht unternehmen, die erbliche Macht der Grafen anzugreifen, sie war zu tief in die Verfassung des Staates eingewurzelt; er schwächte aber die Macht des hohen Adels, indem er jeder Grafschaft einen Burggraf zugab, den der König ernannte, und der bey der Grafschaft sein Aufseher war und eben dasjenige versah, was die Abgesandten der Karlowingen. Neben ihm ernannte der König einen Richter, vor dem, und vor dem Gerichte einer jeden Grafschaft die Rechtssachen abgethan wurden. Dieser Richter verminderte sowohl des Burggrafen als der Grafen Gewalt.

Die Würkung dieser Einrichtungen war ein Wunderwerk. Vorher durfte niemand ohne Waffen die Landstraße betreten, er mußte sich selber beschüzen, weil die Geseze ihn zu schüzen nicht vermochten. Plözlich herrschte im ganzen Reiche eine algemeine Sicherheit. Der Reisende sah ohne Schreken die Nacht die Erde bedekten, sein Gold und sein Leben blieben ohne alle Gefahr. Der König ließ an die Bäume güldene Kleinodien aufhängen, der Reiz der Beute bewog niemand sich der Strenge der Geseze zu unterwerfen, und die Bedienten des Königes brachten den Schaz unvermindert zurük. So weise ist die strenge Güte der Gerechtigkeit, die für die Unschuld wacht, und den Schuldigen überzeugt, das Laster sey Thorheit.

Alfreds nächste Arbeit war, das algemeine Verzeichnüß aller Güter und Stüke Landes des ganzen Reiches, samt ihren Maaßen, und ihrer Ertragenheit, und der auf denselben liegenden Steuren. Diese unbeschreibliche Arbeit brachte der König mitten in einem von Wissenschaften entblößten Jahrhunderte zu Winchester zu Stande. Wilhelm der Eroberer erneuerte sein Landbuch, und die Nachwelt genießt seit fast tausend Jahren des weisen Alfreds Arbeit, die in tausend Gelegenheiten zur billigsten Verlegung der Auflagen, und zu Beseitigung der Streitigkeiten brauchbar werden kan.

Auf diese Landesbeschreibung und auf die Eintheilung in Grafschaften, in Hunderte, und in Zehnte, gründeten sich die Gerichte, die Alfred in jeder Grafschaft, in jedem Hunderte, und in jedem Zehnten errichtete, der Zugang des Rechten wurde hierdurch einem jeden Bürger erleichtert, und das hohe Recht die Gerechtigkeit auszuüben aus den Händen der Unwissenden, und bloß den Waffen ergebenen Großen, entzogen. Die Burggrafen und die Richter führten in diesen Gerichtshöfen den Vorsiz, und ein jeder Sachse mußte vor seinem Zehntgerichte, und dann vor dem Gerichte der Hunderte, und der Grafschaft, das Recht erfahren.

Alfred fand wenige Männer, die das Recht zu sprechen geschikt gewesen wären, seine Weisheit aber wußte sie zu erschaffen. Er las mit beyspielloser Arbeitsamkeit alle die Rechtssachen, worüber man an seinen höchsten Ausspruch sich beruffen hatte. Wann seine Burggrafen, oder Richter ungerecht geurtheilt hatten, so war die Bestrafung unvermeidlich. Selbst die Unwissenheit konte niemand entschuldigen; ein jeder soll sich seiner Kräfte bewußt sein, und kein Richteramt verlangen, dessen Pflichten zu erfüllen er sich nicht im Stande findet. Wann Habsucht oder Haß das Recht gebogen hatten, so war auch, wider die Gewohnheit der Sachsen, die Todesstrafe unfehlbar, und Alfred, der so oft den Aufrührern und den eidbrüchigen Räubern verzogen hatte, schonte keinem ungerechten Richter. In einem Jahre ließ er vier und vierzig Richter hinrichten, die wider das Recht gesprochen hatten. Kadwin hatte einen Mann zum Tode verfällt, den doch unter den zwölf Geschwornen drey unschuldig gefunden hatten. Hale büßte es mit seinem Leben, weil er eines Großen geschont, der einem Sachsen seine Güter mit Gewalt entrissen, und zur Königlichen Rentkammer eingezogen hatte. Ein anderer Richter mußte sterben, weil er einen Beklagten im Kerker eingesperrt, und ihm die Gelegenheit versagt hatte, sich zu vertheidigen. Ofkitell hatte einen Beklagten zum Tode führen lassen, der unter der Marter eine den Tod verdienende Uebelthat bekannt hatte, die man durch keinen andern Beweis hatte bestätigen können. Zu wohl wußte Alfred, daß der verhärtete Bösewicht oft alle Macht der Schmerzen verlacht, und der Gerechtigkeit spottet, die ihn nicht verurtheilen will, wann er sich selber nicht anklagt: da hingegen ein Mensch von empfindlichen Nerven der Marter nicht widerstehn kan, lieber sich selber verleumdet, und sich selber das Todesurtheil spricht, als die unausstehliche Qual verlängert. Die peinliche Frage ist beydes, ein Mittel die Unschuld zu bestrafen, und den Uebelthäter zu befreyen.

Die gewisse Erwartung, daß der König die Ungerechtigkeit, und selbst die Unschiklichkeit eines Spruchs einsehn, und die untriegliche Furcht, daß er den begangnen Fehler strengiglich ahnden würde, zwang die Richter sich in den Rechten zu unterrichten, und den Gesezen treu zu bleiben. Sie sahen sich an, als wenn sie in der Gegenwart des Königs richten müßten. Anstatt unwissender Krieger saßen nach wenigen Jahren auf den Richterstülen lauter erleuchtete, und ihren Pflichten eifrig zugethane Männer.

Er selbst, der König wurde der algemeine Lehrer seines Volkes. Er wußte seine Belesenheit, seine Kenntnüß der Dichtkunst, zur Verbesserung der algemeinen Sitten anzuwenden; die Sittenlehre durch Fabeln, durch Erzählungen, durch sinnreiche Sprüche zum Nuzen seines Volkes einzukleiden. Ihm war bekannt, daß die Anmuht der Dichtkunst den ernsthaften Tugendlehren den Zugang verschaffen, daß das Maaß der Silben die kurzgefaßten Befehle der Weisheit dem Gedächtnüße einprägen würde. Er selbst war der Dichter seiner Zeiten, so wie er der Held und der Gesezgeber war. Die vorzügliche Gunst, die er den gelehrten und fähigen Männern erzeigte, machte die Wissenschaften zum Vorwurfe der algemeinen Verehrung und zum Zweke der ernsthaftesten Bestrebung. Die Nachwelt lieset noch alte Lieder, in welchen Alfred eingeführt wird, wie er seine Edeln die wahre Weisheit, diejenige lehrte, die den Weg zur glükseligen Ewigkeit zeigt. Dem Ritter, dem Bischoffe, dem Richter zeigte er seine Pflichten, und die echte Größe, die auf ihrer Erfüllung sich gründet. Man lieset auch seine lezte Ermahnung an den jungen Edward, seinen Nachfolger, den er zum würdigen Fürsten bildete.

Alfred hatte an sich selber erfahren, daß die Wissenschaften uns erst fähig machen gut zu sein. Wer die innere Schönheit der Tugend ansieht, ist geneigt sie zu lieben. Wem diese Schönheit verborgen ist, der sucht seine Seligkeit in den sinnlichen Begierden. Die Bücher des weisen Alterthums mahlen alle die Tugend als ehrwürdig, das Laster als erniedrigend ab: von diesen Büchern nimmt die Seele den Geschmak zum Guten an, den sie beredsam anpreisen. Die Welt ist eine viel schlimmere Schule, nur zu oft wird in derselben das Laster gekrönt, nur zu oft bleibt die scheue Tugend zurüke, die die Wege verabscheut, wodurch das Glük sich ersteigen läßt. In den Schriften der Weisen wurde ein Antonin gebildet, und in den dunkeln Zeiten, in welchen die Wissenschaften verborgen lagen, verschwand alle echte Tugend, alle Großmuht, und alle Menschenliebe. Selbst unter den despotischen Herrschern des knechtischen China werden die Enkel wilder Scythen, durch die eingesogenen Lehren der alten Weisen, durch die glänzenden Beyspiele zu Vätern ihres Volkes, und unter diesen Barbarn entstund ein Hangtschi und ein Kienlong.

Durch die langen Kriege, die Engelland verwüstet hatten, waren die Wissenschaften völlig zernichtet worden. In diesen Zeiten des Unglüks verlernen die Menschen alles, was nicht unmittelbar zu ihrem täglichen Unterhalt gehört. Es fand sich im ganzen Reiche der West-Sachsen niemand, der den Verstand eines lateinischen Buchs in seine Sprache zu übersezen gewußt hätte, und dennoch war der ganze Gottesdienst der Sachsen auf lateinische Bücher, Gesänge und Vorlesungen gegründet. Alfred mußte die Werkzeuge, sein Volk zu belehren, jenseits des Meers suchen. In Irrland, dem damahls minder verheerten Irrland, fand er Johann den Hibernier, der zu Athen und in Welschland viele Jahre zugebracht hatte, der die längst vergessenen Sprachen der Morgenländer verstund, und der bey Karl dem Kahlen in Gnaden und sogar in Vertraulichkeit lebte, ein Mann, der spizig zu scherzen wußte, und den seine eigenen Schüler ermordeten, die er wider sich aufgebracht hatte. Nach dem Kloster Atheling berief er aus dem alten Sachsen, der Quelle seines Volks, einen gelehrten Abt. Asser von Monmuth war seinen Pflichten so sehr ergeben, daß der König nicht mehr als die Hälfte des Jahrs ihn bey sich zu behalten vermochte, ob er ihm wohl das Bißthum Winchester auftrug.

Scharfsinnig und erfahren im Kenntniß der Menschen, wußte er an einem die Schweine hütenden Knaben die ausnehmenden Gaben eines Mannes zu erkennen, den er von diesem niedrigen Stande befreyte, und der durch die empfangene Auferziehung, ein würdiger Bischoff wurde.

Der unter die Heiligen versezte Redt war aus Cornwall gebürtig; sein reiner Wandel erwarb ihm schon, dieweil er lebte, die algemeine Verehrung. Er hatte selbst den König auferzogen, und stund bey ihm im grösten Ansehn. Man schreibt seinen Ermahnungen und Räthen manche vortrefliche Unternehmung Alfreds zu.

Durch den Beystand dieser gelehrten, und wohlgesinnten Männer brachte Alfred nach und nach die algemeine Unterweisung des Volks in einen bessern Stand. Er hatte den Thron zu einer Zeit bestiegen, wo kein Bischoff sein lateinisches gottesdienstliches Buch verstund, und er erlebte daß kein Bischoff mehr in Engelland war, der nicht so viel von göttlichen Dingen wußte, als die Würde seines Amtes erfoderte. Der König erleichterte der Priesterschaft die Erlernung der nohtwendigen Wissenschaften, indem er die brauchbarsten Bücher auf sächsisch übersezen ließ, und selbst ein Werk übersezte, in welchem die Pflichten eines Priesters beschrieben waren.

Zu seinem heilsamen Zweke waren Schulen unumgänglich nohtwendig. Alfred verschwendete seine Schäze zu dieser mildesten von allen Stiftungen. Die erwachsenen Menschen sind wie alte Bäume unbiegsam, und können nicht mehr zu einer bessern Richtung gebracht werden. Die Jugend läßt sich hingegen lenken, wozu eine weise Auferziehung sie bilden will, und ihr noch reines Gemüht nimt mit gleicher Fertigkeit die Liebe des Guten und des Wahren an, wie es bey Mangel der Zucht sich den wilden Trieben der Begierden überlassen würde.

Unter allen Werken Alfreds erhebt keines sein Reich höher, als die Stiftung der hohen Schule zu Oxford: tausend Gelehrte, tausend Lehrer der Wahrheit, und der Tugend, sind auf diesem Size der Musen gebildet worden, deren gute Thaten ihre erste Wurzel in Alfreds Mildigkeit, und in der Großmuht haben, mit welcher er diese Pflanzschule der Tugend und der Weisheit geweyhet hatte. Nach tausend Jahren wurde zu Oxford nichts Nützliches erfunden, keine heilsame Wahrheit bewiesen, keine rührende Rede gehalten, wodurch die Menschen zur Besserung erwekt werden, kein Theil der Wissenschaften durch ein tiefforschendes Buch aufgeheitert, daß nicht Alfred an dem gethanen Guten einen Antheil gehabt hätte.

Die Einrichtung der neuen hohen Schule war allerdings nach den Klöstern nachgeahmt, die zu Alfreds Zeiten die einzigen Wohnsize der Wissenschaften waren. Der König stiftete drey Gebäude, in denen achtzig Jünglinge, aus den dahin vergabeten Einkünften, zu ewigen Zeiten erzogen werden solten. Er unterwarf sie gewissen Gesezen, die nebst der Gelehrtheit auch die Religion zum Vorwurfe hatten, zu deren gottesdienstlichen Uebungen die Schüler angehalten wurden. Diese hohe Schule wurde der Nachwelt zum Muster. Gutthätige Männer, und weise Könige vermehrten sie mit mehreren Stiftungen, und sie blüht noch mitten unter dem herrschenden Verderben, zumahl in Ansehung der schönen Wissenschaften, der Sprachen, und der Gottesgelehrtheit.

Der Geist der Ordnung, der den weisen Alfred vor allen Fürsten auszeichnete, erstrekte sich auf alle Zweige der Regierung: er machte seine Sachsen alle zu Söldnern des Vaterlands, ohne daß dabey der Landbau oder der Unterhalt des Hausgesindes gelitten hätte. Alle Einwohner einer Grafschaft wurden gezählt und eingeschrieben. Ein Theil lag in den Stätten und Burgen zur Besazung, von welchen Alfred eine genugsame Anzahl befestigt hatte, daß sie jedem Theile des Reichs zum Schuze dienen konnten. Die übrigen Einwohner mußten für die plözlichen Zufälle in Bereitschaft stehn, die bey der unruhigen Gemühtsart der Scandinavier nur allzuoft entstunden. Die Hälfte wurde sogleich aufgefordert dahin zu ziehn, wo die Noht es erheischte; die andere Hälfte blieb der ersten zum Zuzuge bestimt, und trat an der ersten Plaz, wann dieselbe die Zeit ihres Dienstes vollendet hatte. Auf diese Weise wurden alle Sachsen zu den Waffen geübt, und Alfred mußte nicht mehr mit schwerem Herzen rohe Landleute wieder die streitbaren Normänner, mit geringer Hofnung des Sieges anführen. Eine jede Grafschaft hatte ihren Feldherrn, dem das Kriegswesen zur Aufsicht anvertraut war. Durch heilsame Geseze und durch beständige Uebung in den Waffen, gewannen die Sachsen das verlohrne Vertrauen zu sich selber wieder, und zogen mit einer Ungedult den gefürchteten Normännern entgegen, die durch ihre Anführer zurükgehalten werden mußte. Diese große Veränderung bey den sonst so unglüklichen Sachsen war ein neuer Beweis, daß ein weiser Fürst alles vermag, und die Gemühter seines Volkes ein Thon unter seinen Händen sind, den er zu allen Absichten umschaffen kan.

Seine Schiffe waren nach der damahligen Gewohnheit Ruderschiffe; sie waren sehr groß, und jedes Schiff wurde durch vierzig Ruder in Bewegung gesezt. Sie waren dabey zweymahl so hoch, als die Schiffe der Normänner, und die Krieger, die von dieser Höhe ihre Wurfspieße und ihr Geschoß auf den Feind herunter warfen, hatten eine Ueberlegenheit über die Normänner, der kein Muth wiederstehen konnte. Alfred erlangte auch den Zweck seiner Wünsche, er sezte sein Reich in Sicherheit wieder die Nordischen Räuber, die vormahls erst, nachdem sie viele Tausende unglüklich gemacht hatten, vertrieben wurden, und die nunmehr sogar die Küsten eines Reiches scheuten, die von mächtigen Flotten verwahrt waren. Alfred erhielt mehr, er der seine Lande ehmahls verloren hatte, gelangte zur Herrschaft der Meere, dem angebohrnen Vorrechte eines Englischen Königes, das Alfreds Urenkel auf alle Meere erstreckt haben, die beyde Hälften der Welt umfließen.

Wie seine großen Nachfolger, suchte Alfred seinen Unterthanen neue Wege zu fruchtbarer Arbeit zu öffnen; eine Bemühung, die weiser und heilsamer ist, als die bloße Freygebigkeit. Diese nährt den Unterthan einen Tag lang, und jene sezt ihn, und sogar seine Enkel, in den Stand, sich zu allen Zeiten unbekümmert ihren Unterhalt zu verschaffen.

Alle Künste sind Schwestern, und müssen einander unterstüzen. Die Kriegskunst erfodert tausend andre Künste, die an Metall, an Holz, an Seilen arbeiten, die zeichnen, die die Werkzeuge des Krieges entwerfen; an allen diesen Künsten war Engelland erarmet, dieweil dreyßig Jahre lang, das Schwerdt der räuberischen Normänner über seinem Haupte hieng, und alle Kräfte seiner Einwohner sich zu dem einzigen Zweke vereinbarten, den unmittelbaren Untergang abzuwenden. Diese Künste rief Alfred wieder ins Reich.

Seine Freygebigkeit versprach den Künstlern einen zureichenden Unterhalt, seine Leutseligkeit vermehrte die Anmuht des Aufenthaltes in seinem Reiche. Aus allen Gegenden des weiten Deutschlands, aus dem Reiche der Franken, das eben unter schlechten Herrschern schmachtete, aus dem eifersüchtigen Schottland, aus dem mit Alfred versöhnten Wallis, aus den emsigen Niederlanden, eilten Künstler und Handwerker unter den Schuz eines belohnenden Königes; bey dem keine unverdiente Ungnade, keine unverschuldete Verstoßung zu befürchten war. Engelland füllte sich mit geschikten Männern an, die selbst für den König vollkomnere Arbeiten zu Stande brachten, und die sächsische Jugend zu den besten Handgriffen, und zu gleicher Geschiklichkeit anführten.

Alfred wußte, daß ein König ein Mensch ist, daß er nicht alles selbst einsehen, nicht in allen Fällen die besten Auswege wählen, nicht zu allen Zweken die kürzesten Mittel ausfinden kan. Er fragte also gerne die Männer um Raht, denen das Geschäft bekannt war, er hörte mit Gedult und Aufmerksamkeit einen jeden an, der die Schlüße seiner Erfahrenheit ihm vortrug, und verglich die Gedanken verschiedener Kenner, und war also würdig, den besten Raht zu wählen.

Unter ihm erhielt Engelland drey ordentliche Rahtstuben, worinn die Geschäfte behandelt wurden. Der große Raht des Reiches entschied die wichtigsten Angelegenheiten des Staates, verwaltete die Einrichtungen desselben, und verbesserte die Gesezte. Die Bischöffe, die Grafen, die Burggrafen, die Richter saßen in diesem Rahte, und auch die Thane, die Erblehne von der Krone zur Belohnung der Kriegsdienste erhalten hatten, die sie zu leisten verbunden waren.

Ein engerer Raht besorgte die Geschäfte, die eine mehrere Geheimhaltung, und eine schnellere Ausführung erfoderten; er überlegte auch, was der große Raht entscheiden sollte. Hierzu gebrauchte Alfred Bischöffe, Aebte, und Geistliche, die beständig um ihn waren, deren Tugend er kannte, und deren Geist durch die Wissenschaften aufgeklärt war. Denn in den unglüklichen Jahrhunderten, in welchen Alfred herrschte, waren die Edlen, und nur allzu oft die Fürsten, vom Genuße nüzlicher Bücher, und selbst von der Untersuchung wichtiger Geschäfte, durch ihre Unwissenheit ausgeschloßen. Die wenigsten konnten lesen, sie glaubten allen Pflichten gegen das Vaterland genug gethan zu haben, wann sie für dasselbe ritterlich fochten und herzhaft starben.

Alfred wollte dennoch sich nicht der Gelegenheit berauben, aus jeder Gegend des Reiches, und aus jeder Statt die Kenntnüß desjenigen einzuholen, was einer Verbesserung bedurfte, oder bey der Verabsäumung gefährlich werden konte. Er machte ein zu allen Zeiten fortdaurendes Gesez, daß alle Jahre zweymal der große Raht des ganzen Reiches, die Bischöffe und die Großen, sich bey dem Könige versamlen solten. Man berahtschlagte sich in diesen großen Versamlungen über die Geseze, die der König doch selbst ertheilte: man urtheilte über die Streitsachen der Großen, und beherzigte die algemeine Wohlfahrt des Reiches.

Alfred war schon zu seinen Zeiten viel zu erleuchtet, als daß er nicht hätte fühlen sollen, wie gefährlich die Grafen dem Ansehn des Königs waren. Sie reichten zu nah an seine Macht, und waren zu weit über die Thane erhaben; der weise König brauchte demnach verschiedene Mittel, das Ansehn der Grafen zu schwächen. Er berief alle großen Sachen vor sich selber, wohin er auch den Todtschlag zählte. Seine Richter richteten über die Vergewältigungen, die auf der Landstraße vorgiengen, und über die minder wichtigen Streitigkeiten der Unterthanen verschiedener Grafschaften. Die geringern Rechtssachen kamen vom Gerichte des Zehnten, zum Gerichte des Hunderts, und dann fürs Gericht der Grafschaft, in welchem die Grafen, die Bischöffe, die Burggrafen, die Richter, die Thane Siz und Stimme hatten. Von diesem Hofe berief man sich auf den König, die Grafen behielten das Recht dieses Vorsizes, die Anführung der Kriegsleute, und die Pflicht, des Königes Befehle den Untergebenen bekant zu machen.


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