Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Der mächtige Egbert herrschte nicht mehr. Edelwolf sein Sohn erbte sein Reich, aber nicht seinen Geist, noch seinen Muht. Edelwald der Sohn Edelwolfs drung ihm die Hälfte des Reiches ab, und besaß eine kurze Zeit den verledigten Thron. Unter ihm fiengen Engellands Unglüke an.
Seine Einwohner waren nicht mehr die alten kriegerischen Sachsen, unter einem mildern Himmel hatten ihre Sitten sich erweicht. Die Verachtung des Todes, und der Durst nach Siegen und Eroberungen war durch die Obermacht der Priester verdrungen worden: Man sah die Könige die Altäre der verherrlichten Mönche flehend besuchen. Sie erbaten von einem Priester einen Sieg, den ihre Ahnen von ihrem Schwerdte hofften: schon besuchten sie Rom, als die Quelle des Heiles, schon unterwarfen sie ihre Reiche einer Steuer, für welche sie den Schuz des algemeinen Bischofs erkauften. Friedlich wünschten sie die Früchte eines Landes zu geniessen, das ihre Vorfahren durch ihr Blut für sie erworben hatten, und die Kriege waren bey den Angelsachsen eine Pflicht, die die Nothwendigkeit erzwang, und nicht mehr das beliebte Geschäft des Muhtes.
Weiter nach Norden, im harten Scandinavien, hatte sich die alte Rauhigkeit der Sitten erhalten. Ein Volk, das ohne Wunden zu sterben sich fürchtete, das in der Ewigkeit selber die Belohnung seines Muhtes erwartete, und des Odin's Gunst bloß mit seinem vergossenen Blute zu erkauffen hoffete, bewohnte damahls diese entfernten Gegenden, wohin die Römer niemahls ihre Künste, noch ihre erweichenden Sitten hingebracht hatten. Diese Völker sahen die friedlichen Einwohner des Südlichen Europa als eine Beute an, die von der Natur für sie geschaffen wäre, wie für den Sperber die Taube geschaffen sey. Die Normänner, so hieß man weiter nach Süden die Bewohner der Seeküsten des weiten Scandinaviens, durchstreifften auf leichten Schiffen alle Seen, sie stiegen in den Flüssen ans Land, überfielen die wehrlosen Dörfer, und die unbefestigten Städte, raubten die Reichthümer der Einwohner, und fanden ein wildes Vergnügen am Zerstören, und an der Ermordung der Ueberwundenen. Sie kannten neben der Tapferkeit keine andere Tugend. Die Bescheidenheit friedlicher Geistlichen war für sie eine niederträchtige Verabsäumung der einzigen Pflicht, die Männern zum Ruhm gereichen konte: die Wissenschafften verachteten sie, wie sie den Spinnroken verachteten, und sahen sie als Geschäffte feiger Gemüther an: Wann sie eine Gegend verheert hatten, wann alles um ihr Lager rauchte, und die Früchte des Fleisses unschuldiger Landleute verzehrt waren, so traten sie wieder in ihre Schiffe, und suchten andre Gegenden, die ihre nach Blut durstenden Schwerdter und die zerstörenden Fakeln ihrer Wuth noch nicht erfahren hatten. So trugen die Wilden Todt und Unglük mit sich durch die Welt, und das Land, das sie betraten, war ein Opfer des Unglüks. Müde von Morden, beladen mit der Beute der Arbeitsamen, fuhren sie endlich in ihre Häfen zurük, sangen ihre Siege den Schönen ihres Landes vor, und genoßen die algemeine Verehrung ihrer Bürger. Oft raubte ein Haupt der Barbaren eine Schöne, und brachte sie in seine rauhe Burg, wo keine Thränen ihre Unschuld retten konten, und wo ihr keine Hofnung blieb, jemahls den mildern Himmel ihres Vaterlandes wieder zu sehen, noch die angenehme Stimme ihrer Eltern zu hören.
Im Stahl groß geworden, in den Gefechten erzogen, kennten die Kämpfer keine Künste, als die verheerende Kunst des Krieges. Sie scheuten keine Wunden, sie sahen den Todt, als den Weg zu den Pallästen der Götter an. Sie achteten niemahls auf die Anzahl ihrer Feinde, einzeln fielen sie in ganze Heere, und mit nagenden Schlangen in seinem Busen sang Ragnar unerschüttert sein Sterblied. Diesen Muht unterstüzten die Kräfte, die mit der Uebung wachsen, und die volkommenste Kenntnüß des Gebrauches der Waffen. Sie waren allen Europäischen Völkern durch die Verachtung des Todes überlegen; bey ihrer Ankunft verbreitete sich der Schrecken über ganze Reiche. Die hofnungslosen Einwohner verließen ihre Feuerheerde, und flohen in die gemaureten Städte, wo Wälle und Thürme doch eine Zeitlang die Barbaren aufhielten, denen es am Werkzeuge mangelte die Befestigungen niederzuwerfen.
Die schwachen Karlovingen konten der brausenden Flut der Normänner nicht wiederstehen. Oft erkauften sie um Silber einen unzuverläßigen Frieden. Die Scandinavier kanten keinen Herrscher, jeder einer Schaar focht und raubte für sich allein; der mit dem Lösegeld des erschroknen Landes beladene Haufen gieng zurük, aber ein andrer folgte, mit gleichem Grimm, und nahm den Elenden das Leben, das sie von der vorigen Schaar erkauft hatten. Wiederstand und Unterwerfung waren gleich gefährlich: jenes war für ungeübte Völker ein unvermeidlicher Untergang, diese verschob das Verderben für wenige Wochen.
Es war unter Edelberten, dem Bruder Edelwalds, daß Hubba und Jngwar, die Söhne Ragnar Lodbrogs, in Engelland eindrangen, sie überfallen York eine weitläuftige Stadt: die Fürsten des Landes näherten sich mit einer übel bewafneten Menge: aber die streitbaren Scandinavier schlugen die erweichten Sachsen ohne Mühe, sie erlegten einen Theil des Adels, und luden den Ueberwundenen harte Bedinge und schimpfliche Steuren auf. Sie griffen bald auch den östlichen Theil der Insel an. Edmund, der Fürst der Ost-Sachsen, wurde gleichfals geschlagen und gefangen; die Wilden ermordeten ihn, und überschwemmten ganz Engelland mit ihren blutigen Waffen.
Ein neues Heer befestigte sich zu Reading unweit dem noch mäßigen London. Edelred, der König der Angel-Sachsen, der Bruder und Nachfolger Edelwalds grif die verschanzten Normänner mit mehrerm Muhte als Glüke an, und wurde mit großem Verluste zurükgetrieben.
Zu Ashdown, in der Nähe von Reading stiesen die beyden Heere nochmahls auf einander. Die Angel-Sachsen waren in zwey Lager vertheilt. Das eine führte der König an, das andre stund unter seinem noch jungen Bruder, dem muntern Alfred, der seine erste Waffen gegen die Feinde seines Vaterlandes trug. Alfred, der Liebling seines Vaters Edelwulfs, und der jüngste seiner Söhne, hatte von der Natur Gaben empfangen, die fast niemahls bey einem Menschen zusammen eintreffen. Eine angenehme Bildung, und ein einnehmendes Wesen gewann die Herzen für ihn. Er war von seinem Vater nach Rom geschikt worden, dem Size der wenigen Wissenschaften, die die zerstörenden Siege der Nordischen Völker in Europa übrig gelassen hatten. Der junge Fürst wurde in diesen in Engelland fast vergessenen Künsten unterrichtet, ihm wurden so gar geistliche Würden mitgetheilt: aber Leo IV. der Bischof zu Rom, hatte eine Ahndung der künftigen Grösse des edlen Knaben: er salbete ihn zum Könige, obwohl drey ältere Brüder zwischen ihm und dem Throne waren.
In Engelland wurde er zu den Uebungen erzogen, die man einzig für adelich ansah; er lernte jagen, er wurde im Gebrauche des Falken unterrichtet, man gewöhnte ihn, die Unbequemlichkeiten eines arbeitsamen Lebens, den Hunger, die Hize, die Müdigkeit zu ertragen. Er war achtzehnjährig, da ihn sein Bruder Edelred für fähig hielt, ein Heer anzuführen: er kennte doch den innern Adel des blühenden Alfreds nicht, und glaubte Versprechungen zu bedürfen, in der Gefahr, die Engelland so unwiederstehlich zu bedrohen schien, den Jüngling zu grossen Thaten aufzumuntern: er versprach ihm die Hälfte des Landes, das er bezwingen würde.
Edelred war gegen den edeln Alfred ungerecht gewesen, er hinterhielt ihm so wohl das von ihrem Vater ihm zugedachte Antheil des Reiches, als was er selbst seinem Bruder versprochen hatte. Dennoch zog Alfred die Liebe des Vaterlandes allen Empfindungen des erlittenen Unrechts vor, und diente seinem unbilligen Bruder in den gefährlichsten Heerzügen.
Alfred fühlte höhere Triebe zur Tugend: Die Begierde sein Vaterland zu retten, entzündete seinen Muth. Die Normänner rükten in das Feld gegen ihn heraus, sie zwangen den schwächern Alfred, mit seinen unerfahrnen Völkern, zur Schlacht. Edelred betete in seinem Zelte; keine Bitte seiner Angelsachsen, auch nicht das kriegerische Geräusche der auffordernden Trompeten konte ihn bewegen, die Gebräuche abzubrechen, ohne die er den göttlichen Beystand zu erhalten nicht hoffen durfte. Dieweil er zögerte, mußte Alfred sich der Gefahr einer Schlacht unterziehn, er rükte in einer offenen Fläche gegen die stärkern, gegen die gefürchtete Normänner an. Seine Tapferkeit, sein Beispiel flammte die unentschlossensten zur standhaftesten Gegenwehre an. Ihre Bogen aus Eibenholz, wovon sie eiserne Pfeile abschossen, und die noch etliche Jahrhunderte hernach den Engelländern ein Uebergewichte gegen die streitbarsten Ritter von Europa gegeben haben, erhielten lange die Schlacht in einem Gleichgewichte; sie erlegten eine Menge der halbnakt fechtenden Normänner, deren Waffen nur in der Nähe schaden konten. Aber die tapfern Nordländer wichen nicht, die Rache entzündete ihren Muht, sie drangen in die Sachsen, deren Geschoß in der Nähe unnüz wurde, und brachten sie zum Weichen; doch zerstreuteten sie sich nicht. Der Anblick und das Beyspiel ihres jungen Helden hielt sie bey den Fahnen. Sie waren aber durch die Uebermacht der Feinde umringt, und die Verzweifelung vertrat nunmehro die Stelle des Muhtes, da endlich Edelred anrükte. Zu lang hatte er seiner Frömmigkeit eine Zeit geschenkt, die zur Rettung seines Volks nicht entbehrt werden konte. Sein Heer, das nichts gelitten hatte, sah den Untergang seiner Brüder ganz nah, es that zu Ihrer Rettung mehr als der König hoffen konte. Ein Theil begegnete standhaft dem einen Flügel der Normänner, ein andrer fiel den fechtenden Feinden in die Seite; zwischen den beyden Haufen der Sachsen eingeschlossen, wurden sie zum Schlachtopfer der Rache Alfreds. Der Flügel, der noch stund, sah den Verlust des andern und wich. Die Sieger verfolgten die Normänner durch die ganze Gegend, bis daß die Nacht die überbliebenen schirmete. Ganze Tausende fielen zerstreut auf dem Gefilde, und die Erde trank mit Begierde das Blut ihrer grimmigen Feinde.
Aber der Nord war zu fruchtbar an streifenden Schaaren, und der Muht seiner Einwohner zu groß, als daß eine Niederlage sie hätte von der gewohnten Beute abschrecken können, die sie so oft in Engelland gefunden hatten. Nach wenigen Wochen war ihr Heer durch eine Menge von Schiffen aus Scandinavien verstärkt, und rükte gegen die beyden sächsischen Fürsten an. Es kam bey Marden in der Grafschaft Wilts zur Schlacht, in welcher Edelred verwundet, und die Sachsen zur Flucht gebracht wurden. Die mehrere Uebung im Kriege, und die eingewurzelte Verachtung des Todes, gab den Normännern ein Uebergewicht, dem Alfreds Tapferkeit zu wiederstehen unvermögend war.
Edelred starb an seiner Wunde, und ließ das Reich in einem Zustande, der alle Wünsche zum Throne niederschlagen muste. Die siegreichen Normänner stunden im Herzen des Landes, die Sachsen waren durch wiederholte Niederlagen erschöpft, und mehr noch als die verminderte Zahl ihrer Krieger, muste ihnen die Hofnungslosigkeit schaden, die auf die alzuoft erfahrne Ueberlegenheit ihrer Feinde gegründet war. Ein König dieses in die gröste Gefahr gesezten Volkes sah nichts vor sich, als zweifelhafte Schlachten, und vermuhtliche Niederlagen, als Erniedrigung und Wunden.
Alfred war jung, aber sein gesezter Sinn ließ schon in den feurigsten Jahren den Begierden keine Wallung zu. Er war neben einem Kinde das einzige Ueberbleibsel des edlen Geblütes, das von dem vergötterten Wodan auf den siegreichen Egbert ununterbrochen die Fürsten der Sachsen belebt hatte. Ihm hatte Edelred schon die Thronfolge zugesagt, dieweil er ihm die Güter vorenthielt, die Alfreds Erbtheil hätten seyn sollen. Alfred hatte für sein Volk gefochten, und gesiegt, und auch bey den Niederlagen war sein Muht und seine Klugheit ohne Tadel geblieben. Alle Sachsen wandten ihre Augen auf ihn, sie hoften einzig von seinen Tugenden die Errettung von dem in der Nähe drohenden Untergang. Lange verweigerte der weise Jüngling dem dringenden Adel, und der flehenden Priesterschaft, seine Einwilligung: ungerne gab er ihrer Bitte nach, und ließ sich zu Winchester auf einen Thron heben, der von den siegenden Barbarn schon so oft war erschüttert worden.
Noch war kein Monat verflossen, da er schon bey Wilton eine Hauptschlacht zu liefern genöthiget wurde. Lieber hätte der Weise sein Volk zuerst durch kleine Treffen geübt, und sie gewöhnt, die grimmigen Antlize der Normänner unerschrocken anzusehen. Aber die Mördereyen der Barbaren, und die durch das Innerste des Landes ausgebreiteten Feuer, zwangen ihn, dem ungewissen Zufalle sich zu unterwerfen, und mit geringen Kräften den Feinden entgegen zu stehn. Lange, biß die Sonne am Mittag stunde, fochten die Sachsen mit gleichem Glüke gegen die Normänner. Die guten Anstalten des Königs schienen endlich den Sieg ihm in die Hände zu liefern, die Normänner wichen, sie flohen nicht, aber sie zogen sich doch zurük. Die Sachsen drangen ihnen unbehutsam nach. Viele verstreueten sich aus Begierde zur Beute, sie hatten den Feind bis an eine Anhöhe getrieben, von welcher er die dünnen Schaaren der Sachsen übersehen konte. Die tapferen Normänner behielten auch in den Niederlagen ihren Muht: sie eilten zurük, fielen auf die alzusehr des Sieges versicherten Sachsen, und rangen ihnen die Ehre des Tages aus den Händen. Die Nacht entzog die Weichenden dem Schwerdte der Normänner, nur wenige fielen, aber der Sieg war verlohren, und der Muht des Volkes aufs neue niedergeschlagen.
Dennoch hatten die Normänner den Sieg mit so vielem Blute erkauft, und Alfreds kriegerische Fähigkeit hatte so viele Ehrfurcht bey ihnen erwekt, daß sie einen Vergleich mit ihm schlossen, West-Sachsen verliessen, und ihre Waffen gegen andere Theile der Insel wandten, in welchen Gurrhed, der Fürst von Middleser, herrschte. Sie verwüsteten seine Länder, lieferten ihm verschiedene Treffen, und zwangen nach seinem Tode sein Reich unter ihre Gewalt. Ost-Sachsen und Northumberland lag in seinem Schutte, und die wenigen haltbarn Oerter waren mit Scandinaviern besezt.
Gormund und Amund fielen bald mit neuen Schaaren aus dem unerschöpflichen Norden den wachsamen Alfred an, der einzig noch die Freyheit der West-Sachsen behauptete. Dennoch brachte der weise König die Normänner dahin, daß sie aus seinem Lande abzogen, und gegen ihre Götter sich mit einem Eide verpflichteten, Alfreds Lande zu verlaßen. Aber die Meineidigen überfielen bald hernach die königlichen Stuttereyen, versahen sich mit Pferden, und erstiegen Excester.
Der König stellte seinen ermüdeten und hofnungslosen Sachsen vor, da kein Frieden und kein Eid die Barbaren zu binden vermöchte, so sey ihre einzige Zuflucht bey ihnen selber, und bey dem Muhte des Volkes. Da ihnen keine andere Rettung übrig bliebe, so müßte ihre Verzweiflung selbst ihre Arme stärken, und es wäre rühmlicher mit dem Scherdte in der Hand zu sterben, als sich wie flüchtiges Gewild von den Räubern ohne Gegenwehre morden zu lassen. Aufgemuntert griffen die Sachsen zu den Waffen, und wiedersezten sich den Normännern. Siebenmahl in einem Jahre schlug sich Alfred mit diesen Räubern. Das edelste Blut der Sachsen floß freylich im Felde stromsweise, aber auch die Normänner verlohren die Hälfte ihrer Schaaren, und giengen endlich die ehmaligen Bedinge ein, West-Sachsen zu verlassen, und niemals neue Haufen aus dem Norden in Alfreds Reich zu bringen.
Der sieghafte Rollo, der Stammvater der Normannischen Könige, für die Alfreds Thron von der Vorsehung aufbehalten war, blieb diesem Vertrage getreu: er verließ Engelland, und trug seine Waffen in Neustrien, das er zu seinem Eigenthum machte, und wo seine Enkel mit Ruhm und Ansehen herrscheten.
Alfreds Einsichten entgieng nichts, umsonst würde er den Normännern Vergleiche abdringen, so lange ihnen das Meer offen bliebe. Ihre wilde Haabsucht, und ihre nach Blut dürstende Ruhmbegierde ließ ihnen nicht zu, Künste zu üben, ihr Leben wurde ihnen zur Last, so bald sie das Geräusch der Waffen und die Hoffnung des nahen Sieges nicht aufwekte. Alfred sah weiter als die vorigen Könige der Sachsen: Engelland hatte keinen Feind zu fürchten, als den der durch die See es anfallen würde. Es ließ in allen seinen Häfen Schiffe bauen, er nahm unter den Fischern willige und geübte Seeleute in seinen Sold, er besezte seine Geschwader mit Kriegern, und vertheilte sie um die Mündungen der Flüsse, wo die Scandinavier sich auszuschiffen gewohnt waren.
Die Sachsen kamen frisch und wohl gerüstet aus ihren Häfen, wann die Räuber aus dem entfernten Scandinavien, durch weite Meere ermüdet und geschwächt, die Küste von Engelland zu erreichen suchten. Schon jezt waren die ungeübten Sachsen ihnen überlegen, sie schlugen zwey große Heere Normännischer Schiffe, sie versenkten die meisten, und die übrigen flohen nach ihrem Norden zurük. Alfred eilte zu Land nach Excester, umringte die Normänner, die sich beritten gemacht hatten, und zwang sie Geisel zu geben, und aus ganz West-Sachsen zu weichen.
Wenige unter den Normännern blieben ihrem Versprechen getreu. Die gröste Anzahl fand keinen Unterhalt als bloß im Raube; sie überschwemmten aufs neue Alfreds Länder, sie bemächtigten sich durch einen plözlichen Ueberfall Chippenhams, der zuverläßigsten Burg der bedrängten Sachsen, sie trugen verzehrendes Feuer und blutige Schwerdter in alle Winkel des Reiches. Durch lange Kriege, durch öftere Niederlagen ermüdet, selbst durch die Siege geschwächt, verlohren endlich die Sachsen alle Hofnung zu ihrer Erhaltung: sie zerstreuten sich in die Wälder, in die Wildungen, in das noch unberührte Wallis, und suchten selbst unter ihren ehmaligen Feinden eine Sicherheit, die kein Wiederstand ihnen verschaffen konte. Die Unbewafneten bogen den Naken unter das Joch, und unterwarfen sich muhtlos ihren Unterdrükern.
Alfred war von seinem Volke verlassen, er sah keine Möglichkeit die Zerstreuten zu versamlen, oder die Erschroknen aufzurichten, ihm blieb nichts übrig, als sich selber zu retten, da mit ihm alle Hofnung verlohren gegangen wäre jemahls dem Sächsischen Reiche aufzuhelfen. Er legte den königlichen Schmuk ab, verhüllte sich in die schlechte Kleidung eines Taglöhners, schwärzte sein blühendes Angesicht mit dem Safte einiger Früchte, und nahm seine Zuflucht zu einem alten Hirten, der schon bey den Heerden der Vorfahren des Königes gestanden war. Der Getreue verheelte die Würde seines Herrn selbst seiner Frau, die dem unbekannten Monarchen mit einer ungeziemenden Grobheit begegnete, in welcher Alfred seine Sicherheit fand. Ein ganzes Jahr hielt sich der junge König verborgen, aber seine thätige Seele war auch unter diesem Druke nicht müßig.
Die Normänner hatten ein zerstreutes Lager in der sumpfigten Gegend von Athelney, zwischen zwey Flüssen, in der Grafschaft Sommerset: sie hielten sich in diesen Erlenbüschen zwischen tiefen Möhren für gesichert, und thaten von dieser ungekünstelten Festung ihre Streifzüge in das unglükliche West-Sachsen: in eben dieser unzugänglichen Wüste bergten sie ihren Raub, und die Reichthümer des gequälten Engellands.
Oft fiel Alfred mit wenigen Sachsen, oder mit gewafneten Hirten in das Dänische Lager, er erschlug einzelne Schaaren von Räubern, und spielte der künftigen Rache vor, die er den Barbaren zudachte. Oft nahm er ihnen das geraubte Vieh ab, und theilte die Beute unter den Willigen, die ihm halfen die Feinde des Vaterlandes beschädigen. Der einzige, der verlassene König war für die Normänner ein ganzes Heer, das Hunderte von ihnen niederschlug, und doch unsichtbar blieb. Die vielen kleinen Siege breiteten den kühnen Hirten-Nahmen aus, und Wulf wurde ein gefürchteter Nahme.
Alfred erwartete mit Gram und Ungeduld die Zeit, sein Volk von der Unterdrükung zu retten, unter welcher es schmachtete. Sein getreuer Wirth war arm, die streifenden Dänen hatten auch ihm das Vieh geraubt, Alfred aß mit ihm ein sparsames Brodt, und auch dieses wurde ihm durch allerley Zufälle zuweilen entzogen. Ein einziger Laib war der Vorraht des Königes und seines Ernährers, er war allein, da ein elender Wandersmann vor die Hütte kam, ich verschmachte vor Hunger, sagte der Fremdling. Alfreds Herz war nicht hart genug, diesem Anblike zu wiederstehn, er theilte mit dem Unglüklichen seinen einzigen Vorraht, und übergab sich demjenigen, sagte der junge Fürst, der die Raaben nährte. Er entschlief in seiner Einsamkeit, und die Geschichte sagt, in dem sanften Schlummer, den die Tugend allein schläft, sey ihm ein höheres Wesen erschienen. Dein Unglük ist zu Ende, König der Sachsen, dein Thron ist für dich offen, sey im Glüke was du im Elende gewesen bist:
Diese Worte hörte Alfred, und nach wenigen Stunden wachte mit der Morgenröhte seine Hofnung auf. Der Hirte war im Fischen glüklich gewesen, die Hirten hatten ein verirrtes Schaaf, eines ihrer wenigen wieder gefunden. Aber eine wichtigere Zeitung rief ihn zu großen Unternehmungen. Odun, der Graf von Devon, hatte sich in das Schloß Kinwith verschlossen, eine große Zahl zerstreuter Sachsen hatte sich unter seine Fahnen versamlet. Hubba und Jngwar kamen eben mit Beute beladen aus Wallis zurük, wohin sie die flüchtigen Sachsen verfolgt hatten. Sie hoften Kinwith leicht zu bezwingen, worinn für die Menge der Belagerten kein genugsamer Vorraht war: sie umringten das Schloß, und schnitten den Belagerten das Wasser ab.
Alfreds Blut wallte bey der nahen Noht seines Volkes. Er verließ das einsame Athelney, und begab sich in das Lager der Normänner, als ein Spielmann verkleidet, er sang zu Laute alte Kämpfer-Lieder, und die Normänner höreten ihm begierig zu, sie führten ihn selbst zum Zelte ihrer Heerführer. Der König blieb zwey Tage im Lager der Feinde. Er machte sich die ganze Stellung ihres Heeres bekannt, er sah die Sorglosigkeit der Normänner, und ihre Verachtung der so oft überwundenen Sachsen. Durch getreue Boten rief er aus den Grafschaften Wilts, Hants und Sommerset seine zerstreuten Sachsen zusammen; er versamlete sich im Forste Sellwood, und zu Egbrichtstone traten sie unter die Fahnen. Er zeigte sich ihnen in den königlichen Kleidern und in allem dem Glanze eines Siegers, der sie mit voller Hoffnung gegen den Feind anführen würde. Er hielt zu ihnen eine Rede, wodurch er sie zum muhtigen Angrif aufmunterte.
Vor euch liegt, sagte der König, die Wahl, euch von den Barbaren morden zu lassen. Wolt ihr eure Weiber ihnen zur Beute, eure Kinder zu Sclaven, euer Vaterland unter das härteste aller Joche übergeben: oder wolt ihr durch die Gefahr eines Tages das Vaterland, eure Kinder, eure Weiber, euch selber befreyen? Fürchtet den kriegerischen Muht und die Uebung der Feinde nicht, ich habe sie gesehen, bey nahem gesehen, sie sind zum Streit nicht gefaßt, sie erwarten keinen Feind, sie sind zur Niederlage zubereitet, euer Schwerdt wird in ihrem Busen sein, eh die Sorglosen erwachen.
Das ganze Heer der Sachsen stieß die Schilde zusammen, und ein algemeiner Ruf drang biß an den Himmel. Alfred ließ dieses Feuer nicht erkalten, er rükte die ganze Nacht gegen die Normänner, und beym ungewissen Lichte des anbrechenden Tages, da die Feuer der Feinde eingegangen, und die meisten im Schlafe versenkt lagen, drang er in ihr unverwahrtes Lager.
Zugleich fiel OdunSpelman erzählt anstatt dieser Schlacht zwey Treffen, in deren ersterem Odun allein gesieget, und die Hauptfahne der Normänner erobert, in dem andern aber Alfred die Reuter aufs Haupt geschlagen, und bald darauf zur Uebergabe gezwungen habe. aus der Burg mit seiner Besazung aus, die durch den Mangel, und durch die Verzweifelung selber, zur Verachtung des Todes angeflammt wurde. Die streibaren Normänner wurden fast ohne Widerstand erschlagen; der gestikte Raabe, die Hauptfahne der Scandinavier, die Arbeit der Schwestern des Hubba, an deren Zauberkunst nach der Normänner Aberglauben der Sieg hieng, gerieht in Alfreds Hände. Wenige entronnen auf ihre Schiffe, ein größerer Theil des geschlagenen Heeres fand eine feste Lage, die aber seinen Untergang nur auf wenige Tage entfernte.
Alfred umgab die Flüchtigen mit seinem sieghaften Lager, in der zweyten Woche zwang der Mangel und die Kälte die muhtlosen Fremdlinge sich dem Könige zu ergeben, und in dessen Mitleiden sie noch einige Hofnung sezten. Vergnügt mit der Demühtigung der gefürchteten Krieger, bot er ihnen die billigsten Bedinge an. Gormund, der einzige ihrer Anfürer, der der Niederlage entgangen war, und dreißig ihrer vornemsten Kämpfer, nahmen die Taufe an; Alfred gab selbst dem Nordischen Fürsten den Nahmen Adelstand, er theilte unter seine neuen Glaubensgenossen reiche Geschenke aus, und Gormund erhielt Ost-Sachsen und Northumberland zum Lehen.
Die Völker gelangen nur stuffenweise zu der Kenntnüß der Wahrheit. Lange sind sie Barbaren, und ihre Wünsche sind in die Nohtwendigkeiten eingeschränkt, die sie mit den Thieren gemein haben. Die Morgenröhte der Sitten und der Künste geht endlich auf. Langsam vermehrt sich das Licht, und der Mittag folgt auf die Nacht durch die Dämmerung, und durch die kühlern Morgenstunden. Alfred zwang die Normänner zur Taufe, seine Absicht war die beste, er hofte zugleich die wilden Krieger durch die Bande der Religion zur Beobachtung ihrer Versprechen zu halten, und auch ihnen den Weg zu öfnen, einer unseligen Ewigkeit zu entgehn. Aber der redliche sah nicht ein, und seine weltgesinnten Priester wußten nicht, daß aufgesprengtes Wasser keine Christen macht, daß die Furcht und das Schwerdt eines Siegers keine Ueberzeugung zuwegen bringt, und daß die Würde der Taufe, das Zeichen der Aufnahme in die Gesellschaft der Gläubigen, aufs strafbarste entheiligt wird, wann man sie denjenigen aufdringt, deren Verstand die Wahrheit nicht kennt, und deren Willen sich den Pflichten der Religion nicht ergeben hat. Auch war weder Gormund, noch seine Normänner dem Könige getreu, und sie mußten durch neue Kriege bezwungen werden. Unter den Priestern der Sachsen war niemand, der den Eifer und die Weisheit besessen hätte, die zur Bekehrung so vieler im Raube und im Blutvergiessen verhärteter Krieger erfodert waren.
Die feyerliche Taufe der furchtbaren Normänner zog den Sächsischen Adel häufig nach Weadmore. Alfred trat indessen eben zum Altar, und sprach den Nahmen aus, den Gormund als ein Christ tragen solte, er versprach dabey für den Neubekehrten, dem Glauben treu zu bleiben, den derselbe eben annahm.
Der König der Sachsen sezte das Beste seines Volkes niemahls aus den Augen, er entwarf die Geseze, die Gormund unterschrieb, und die künftig den Normännern zur Richtschnur dienen solten, die in Ost-Sachsen und Northumberland sich niederlassen würden.
Gormund begab sich in sein angewiesenes Gebiet; die Normänner, die dem christlichen Glauben sich nicht hatten unterziehen wollen, schiften nach Frankreich über, und verheerten die übel beschüzten Provinzen, scheuten sich aber mit den Sachsen wiederum einen Krieg zu wagen, von dessen Ausgang sie nichts hofften.
Alfred sezte seine Bemühung fort, ein Schifheer zu haben, wodurch er die fremden Räuber abhalten konte: es war ihm nicht unbekannt, daß eine jede Bucht im Norden Schiffe mit Freybeutern bewafnete, die alles für Raub ansahen, was ihren Waffen nicht widerstehen konte. Er schlug auch noch im nächsten Jahre eine Nordische Flotte, versenkte die grösten Schiffe, und zwang die übrigen nach andern Küsten zu fliehn, wo die schwachen Karlovingen ohne Gewalt und ohne Ansehen auf dem Throne sassen, und ihre Völker den Fremdlingen zur Beute überliessen. Ein anderes Heer kam dennoch aus eben diesen Küsten in die nahe Themse, und belagerte Rochester. Aber der wachsame Alfred kam der Stadt schleunig zu Hülfe. Die Normänner flohen, ohne eine Schlacht zu wagen, und ihr Raub wurde den Sachsen zum Theile. Ein anderes Geschwader grif Alfred in der Mündung der Sture an, erstieg einen Theil der Schiffe, und nöhtigte die übrigen zu einem Vergleiche, den die Treulosen aber brachen, so bald des Königes furchtbare Gegenwart sie nicht mehr zurük hielt
Er war beschäftigt, das zerstörte London wieder anzubauen und zu befestigen, ihm hat es diese unermeßliche Stadt zu danken, daß sie aus ihrem Schutte auferstund. Auch eine Menge anderer Städte befestigte der weise Fürst, weil er vorsah, die Nordischen Räuber würden seine mit Thürmen und Maurer beschüzte Unterthanen nicht mehr, wie sie bey den offenen Dörfern thaten, zu Grunde richten, eh daß die Hülfe ankommen konte. Aber eine noch wichtigere Vorsorge beschäftigte den König.
Ein Sturm stund noch bevor, den aber Alfreds Weisheit noch ablehnte. Arnulph hatte die ganze Macht des Reiches mit den Franken vereinigt, und Normänner aus der Seine zu weichen genöhtiget, nachdem sie Paris, die volkreiche Insel, vergebens belagert hatten. Dreyhundert Schiffe mit diesen streitbarn Räubern angefüllt, überfielen Apledore, bey dem Hafen Rye, und befestigten sich zu Beamfleat. Viele von den Scandinaviern, die dem Alfred Treue geschworen hatten, ergriffen die Waffen, und vereinigten sich zur Beute mit den Ankömmlingen. Alfred eilte zur Hülfe der bedrängten Ost-Sachsen. Die Bürger des wieder bevölkerten Londons stiessen zu ihm. Beamfleat wurde erstiegen. Hastings, des Nordischen Anführers, Gemahlin und Kinder fielen mit aller der Beute in der Sachsen Hände. Alfred war sich immer gleich, ich führe nicht wider die Weiber Krieg, sagte der Großmühtige, und schikte dem erstaunten Hasting seine Geliebte, samt allen Frauen der Normänner zurük. Auch diese edelmühtige That rührte den Barbaren nicht, er raubte und verheerte Engelland von der Themse an bis zum bergichten Wallis, und befestigte sich nochmahls zu Buntington, in der Landschaft Shrop. Die verschmachtenden Normänner verliessen aber die von allem Vorrahte entblössete Burg, und eilten nach der Themse. Sie brachten ihre Schiffe in den kleinen Fluß Lee, wo er sich in die königliche Themse ergießt, sie umgaben ihre Schiffe mit Schanzen, und erwarteten den wachsamen Alfred. Er sah die Verschanzungen für unersteiglich an, aber indem er selbst das feindliche Lager umritt, so fiel er auf einen Gedanken, den ehmahls Eyrus ausgeführt hatte. Es ließ durch sein Heer das Wasser des Leeflusses ableiten; die nordischen Schiffe geriehten auf den seichten Grund, das sumpfige Thal wurde zur fruchtbarn Wiese, und die verzweifelnden Scandinavier verliessen ihr festes Lager, viele rieb das Schwerdt der Sachsen auf, die übrigen fanden in Ost-Sachsen Schiffe, und versuchten zur See den Engelländern zu schaden. Aber auch auf diesem Elemente war ihnen Alfreds Weisheit zu mächtig: er hatte erfahren, daß der Nordländer Schiffe klein, und mit wenigen Männern bemannt waren, es ließ größere Schiffe erbauen, und besezte sie mit viel stärkrer Mannschaft. Die Nachen der Normänner konten der Obermacht der Sächsischen Kriegsschiffe nicht wiederstehen, viele wurden zu Grunde gesegelt, andre erobert, und die entronnenen vermieden, so lang Alfred lebte, die Insel, über welcher die standhafte Weisheit wachte.
Ueberdrüßig der oft misbrauchten Güte sezte nunmehr Alfred über Northumberland und über Ost-Sachsen zwey Sächsische Grafen, und benahm den Nordländern alles Ansehn bey den in Engelland festgesezten Scandinaviern. Die Fürsten von Wallis, die der große Egbert nicht hatte bezwingen können, warfen sich selbst dem Sächsischen Könige in die Arme, und suchten seinen Schuz. Er wurde der algemeine König des Südlichen Britanniens, das lange hernach noch Engelland hieß. Seine Herrschaft war unumschränkt, weil sie auf die Verehrung und Liebe gegründet war.
Alfreds Ruhm breitete sich jenseits des Meeres aus. In den Kriegen siegreich, gütig gegen die Ueberwundenen, ein Vater des Volkes, war er die Bewunderung seiner Zeiten. Die Sachsen, die aus ihrem bedrukten Vaterlande entwichen waren, und die sich durch alle Gegenden von Europa zerstreut hatten, samleten sich unter den Schuz eines geliebten Königes. Die Normänner, die verschiedene Theile der Britannischen Insel besaßen, unterwarfen sich freywillig unter seine gerechte Geseze. Die Erde, die Jahre lang öde und ungebaut geblieben, bedekte sich mit reichlichem Getreide. Der Frieden und Ueberfluß ergoßen sich auf das verarmte Land.
Godwin, ein Sachse von Adel, war vor vielen Jahren als ein schöner Jüngling von einem Nordischen Seeräuber weggeführt, und nach Scandinavien gebracht worden. Er hatte durch seine Treue und durch seine Tapferkeit seines Räubers Gunst erworben, und erhielt, wie die Normänner Engelland anzufallen aufhörten, endlich seine Freyheit. Er kam, nachdem er einen großen Theil der Insel durchgereiset hatte, nach Winchester, und wurde dem Könige vorgestelt.
Der leutselige Herr hörte die Erzählung der Leiden an, die den Edeln in seiner Knechtschaft gedrükt hatten; Godwin schloß seine Rede mit einem Zeugnüße, das er der Weisheit seines Königes gab. »Die Freyheit, sagt er, ist mir doppelt angenehm gewesen, da ich mein Vaterland so glüklich verändert gefunden habe. Wie ich weggeführt wurde, so lagen die meisten Städte Engellands in der Asche. Die unglüklichen Einwohner suchten mit Sehnsucht einen verborgenen Winkel zwischen den Felsen, einen unzugänglichen Sumpf, eine Höle, für Thiere gemacht, wo sie sich vor der Wuth der siegenden Räuber verbergen konten. Die öden Felder waren den Disteln überlassen. Der Schmuk der Gärten war unbekannt, nirgends hörte man die Stimme der frölichen Erndte. Schrecken und Verzweiflung herrschte auf dem bestürzten Angesichte der Flüchtigen. Die Schulen, in welchen ich zu den Wissenschaften war gezogen worden, lagen in der Asche. Die Hände der Arbeit stunden still. Die Lehre der Weisheit wurde nirgends vernommen. Selbst das oberste Wesen mußten die Elenden heimlich anbeten, weil die Wuth der Ungläubigen mit einem blutigen Hasse die Warnungen der Diener Gottes verfolgte. Wir vergaßen den einzigen Trost, der in so vielen Drangsalen uns hätte aufrichten können.«
»Unendlich ist der Unterscheid des jezigen Engellandes. Die Städte sind aus ihrem Schutte mit doppelter Schönheit auferstanden. Die Versamlungs-Stellen der Christen haben die Würde wieder angenommen, den der Gottesdienst verdient. Die Schulen sind mit gelehrten Männern angefüllt, und die Jugend des Reichs wird zur Weisheit und zur Tugend gebildet. Die Felder dekt die reichlichste Saat. Die Stimme des frölichen Landmannes belebt seine Arbeit, und ertönt bey dem Samlen der Geschenke der Erde. Die wüsten Sümpfe sind zu lachenden Wiesen geworden. Dieser ehmalige Wohnsiz der Verzweiflung ist mit Heerden bedekt, die den Landmann mit ihrem Ueberflusse nähren.«
»Die ehmaligen Ueberwinder der Sachsen wohnen noch in Hölen, in Schutthaufen unbehauener Steine, ihre Felder sind leer, die Erde, die sie zu bauen verabsäumen, verweigert ihnen ihre Gaben. Ihrer Trägheit bleibt kein Mittel übrig, als mit ihrem Blute den Unterhalt zu erkaufen, den ihr Fleiß nicht erwirbet.«
»Was verursacht den Unterscheid zwischen Engelland und ihnen selber, zwischen ihm und Scandinavien? Alfred macht ihn, ein einziger Mann hat die Erde umgeschaffen, und die Wüste zum Garten Gottes gemacht.«
So bescheiden Alfred war, so konte er sich doch dem reinen Vergnügen nicht entziehen, das die belehrende Wahrheit bey ihm erweckte. Heimlich wallte ihm sein Herz, und er versprach sich, noch eyfriger für das Glük der Sachsen zu arbeiten.