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7
Der Walloo

In vollkommener Ruhe, die nur durch das Geräusch der eintauchenden Ruder unterbrochen wurde, glitten wir ziemlich rasch über den ruhigen Strom dahin. Ich glaube, daß nichts an diesem sonderbaren Fluß einen größeren Eindruck auf mich machte, besonders am Anfang, als die große Stille. Das Wasser war ganz still und floß friedlich zwischen den felsigen Ufern gegen die Wüste hinab, in der es versickern sollte, so wie das Leben eines guten alten Mannes gegen den Tod hin verfließt. Die felsigen Abstürze an den beiden Seiten waren ohne Leben, sie waren so steil, daß an ihnen nichts Lebendes Fuß fassen konnte, außer vielleicht Fledermäuse, die bei Tag kein Geräusch machten. Das graue Himmelsband über uns war stumm, obwohl gelegentlich ein Luftzug mit pfeifendem Tone zwischen den Klippen dahinstrich, der an das Hinstreichen unsichtbarer Geisterflügel erinnerte. Aber am stummsten von allen waren diese Ruderer, die Stunde um Stunde pflichtgetreu schweigend und mit bemerkenswerter Hingabe arbeiteten, und wenn sie zu sprechen gezwungen waren, es nur in leisem Flüsterton taten.

Langsam überkam mich eine Art Alpdrücken. Es schien mir, als sei ich ein Schläfer, der an dem Drama eines Traums teilnahm. Vielleicht war dies auch tatsächlich der Fall. Denn ich war furchtbar erschöpft, da ich so viele Nächte hindurch sehr wenig geruht hatte und tagsüber mühsam mit der schweren Büchse und dem Gewicht der Patronen auf meinem Rücken durch Sand hatte stapfen müssen. So mochte ich tatsächlich in eine Art Schlummer gesunken sein, wie er bei mancher Gelegenheit leicht durch den Klang des rauschenden Wassers herbeigeführt wird. Jedenfalls war es kein angenehmer Traum, denn die titanische Umgebung, in der ich mich befand, sowie der vielleicht furchtbare Ausgang dieses Unternehmens bedrückten meinen Geist, und ich hatte das Gefühl, die vertrauten Dinge des Lebens zu verlassen und ein unheiliges, unbekanntes Gebiet zu betreten.

Bald wurden die Felswände so hoch und das Licht so schwach, daß ich gerade noch das Heck des Bootes und die hübschen Gesichter der Ruderer erblicken konnte, wenn sie sich vorneigten, um zu ihrem rhythmischen Ruderschlag auszuholen und dann wieder im Dunst verschwanden, wenn sie sich rudernd zurücklehnten. Die strikte Genauigkeit dieser Bewegung bewirkte eine Art hypnotischen Eindrucks, der unangenehm war. Die Gesichter erschienen mir wie Geisterantlitze, die durch Risse in den Bettvorhängen auf mich hinabschauen und dann verschwinden, um immer wieder zu erscheinen.

Ich nehme an, daß ich schließlich wirklich einschlief. Es war ein unruhiger Schlaf, denn ich träumte, daß ich einen düsteren Hades betrat, in dem alles Lebende durch kraftlose, aber erschreckende Schatten ersetzt war.

Endlich wurde ich durch die Stimme Issicores aufgeweckt, der mir ankündigte, daß wir an den Ort gekommen wären, an dem wir nachtsüber rasten müßten, denn es sei unmöglich, bei Nacht zu rudern und die Ruderer seien bereits müde. An dieser Stelle traten die Felswände etwas auseinander und ließen an beiden Seiten des Flusses einen kleinen Uferstreifen frei, an dem wir anlegten. Beim letzten Tageslicht, das vom schmalen Streifen Himmel ober uns herabdrang, verzehrten wir, was wir an Nahrung besaßen, und vervollständigten das Mahl durch eine Art Biskuit, das im Kanu mitgeführt wurde, denn es wurde kein Feuer gemacht. Noch bevor wir unser Mahl beendet hatten, senkte sich dichte Finsternis auf uns herab, denn die Strahlen des Mondes waren nicht stark genug, um bis zu diesem Ort vorzudringen, und es blieb uns nichts anderes übrig, als uns auf dem Sand auszustrecken und unter dem einschläfernden Säuseln der Nachtluft einzuschlafen.

Irgendwie verging die Nacht. Sie erschien mir so lange, daß ich zu denken oder zu träumen begann, ich müsse tot sein und wartete auf meine neue Inkarnation. Bei gelegentlichem Erwachen wurde ich nur durch Hansens leise zu meinem alten Vater gemurmelten Gebete wieder beruhigt, deren Inhalt darin bestand – er möge ihn mit einer Halbliterflasche Gin versehen! Schließlich verschwand ein Stern, der im dunkeln Himmelsbande weit oben geleuchtet hatte, und dieses Band wurde blau oder besser gesagt grau, was den Anbruch der Morgendämmerung anzeigte. Wir erhoben uns und stolperten in das Kanu, denn es war unmöglich zu sehen, wohin wir unsere Füße setzen sollten. Dann brachen wir auf. Einige hundert Yards von unserem Schlafplatz entfernt traten plötzlich die Felswände, die den Strom eindämmten, weit auseinander, so daß sie seinem Lauf in der Entfernung von einer Meile oder mehr zu jeder Seite folgten. Dazwischen lag flaches, vollkommen ebenes Gebiet.

Die Ufer, die hier steil abfielen, waren mit großen, dunkel gefärbten, weit verzweigten Bäumen bedeckt, deren Äste weit über das Wasser hinweghingen, und das Licht beinahe ebenso, wie die Felsabstürze weiter unten am Fluß, fernhielten. So fuhren wir noch immer in der Dämmerung dahin, um so mehr, als die Sonne noch nicht aufgegangen war. Plötzlich schien es mir, als ob sich durch diese Dämmerung, an die sich meine Augen langsam gewöhnt hatten, große dunkle Gestalten zwischen den Bäumen bewegten. Manchmal schienen diese Gestalten aufrecht zu stehen und auf ihren Füßen dahinzuschreiten, manchmal wieder hurtig auf allen vieren dahinzulaufen.

»Schau Hans«, flüsterte ich – jedermann flüsterte an diesem Ort – »dort gibt es Paviane!«

»Paviane, Baas!« entgegnete er, »gab es jemals Paviane von dieser Größe? Nein, das sind Teufel!«

Jetzt hörte ich von rückwärts Issicore ebenfalls flüsternd sagen:

»Das sind die haarigen Männer, Herr, die in den Wäldern wohnen. Sei still, ich flehe dich an, sonst werden sie uns angreifen!«

Hierauf begann er sich mit den Ruderern mit leiser Stimme zu beraten, anscheinend darüber, ob wir weiterfahren oder zurückkehren sollten. Schließlich setzten wir unsere Fahrt fort, und die Männer ruderten mit doppelter Anstrengung. Einen Augenblick später erhob sich im dunklen Wald ein Ton, ein Ton von unbeschreiblicher Scheußlichkeit, der halb ein tierisches Grunzen, halb ein menschlicher Schrei zu sein schien und in meinen Ohren sich in die Silben »Heu! Heu!« auflöste. Im gleichen Augenblick wurde dieses Geheul von allen Seiten aufgenommen und von überall kam dieses Heulen: »Heu! Heu!«, das so furchtbar anzuhören war, daß sich mein Haar noch steiler als gewöhnlich emporsträubte. Als ich dies hörte, verstand ich, woher der Name des Gottes kam, den zu besuchen ich so weit hergekommen war.

Aber dies war nicht alles. Denn nun folgte von überall das Aufklatschen schwerer Körper in das Wasser, gleich jenem, das tauchende Krokodile verursachen, und aus dem tiefen Schatten unter den breitästigen Bäumen sah ich widerliche Köpfe auf uns zuschwimmen.

»Das haarige Volk hat uns gewittert«, flüsterte Issicore abermals mit verstörter Stimme. »Unternimm nichts, o Herr, sie sind sehr neugierig. Vielleicht lassen sie uns in Ruhe, wenn sie ihre Neugierde befriedigt haben.«

»Und wenn sie es nicht tun?« fragte ich – doch auf diese Frage erhielt ich keine Antwort.

Das Kanu wurde gegen das linke Ufer gesteuert und schoß mit großer Geschwindigkeit unter den Anstrengungen der Ruderer vorwärts. Jetzt erblickte ich auf dem Streifen offenen Wassers, auf welchen das Licht stärker zu fallen begann, einen bärtigen, tierischen Kopf. Dennoch hatte er zweifellos Menschliches an sich, trotz seinen gelben Augen, aufgeworfenen Lippen und starken, blitzenden Zähnen. Er kam mit der Geschwindigkeit eines überaus kräftigen Schwimmers auf uns zu. Das Untier war über uns ins Wasser gesprungen und bewegte sich daher stromabwärts. Es erreichte uns, erhob einen kräftigen Arm, der vollkommen mit braunem Haar, wie das eines Affen, bedeckt war, ergriff den Dollbord des Bootes gerade an der Stelle, die mir gegenüber war, und zog seine Schulter aus dem Wasser, wobei ich bemerkte, daß auch sein großer Körper fast vollkommen mit langem Haar bedeckt war.

Jetzt klammerte es sich auch mit der anderen Hand an den Dollbord und hing im Wasser an seinen Armen, mit dem widerlichen Kopf so nahe bei mir, daß es mir seinen stinkenden Atem ins Antlitz blies. Jawohl, da hing es und schnatterte auf mich los! Ich muß gestehen, daß ich entsetzt war, denn niemals vorher hatte ich so ein Vieh gesehen. Dennoch blieb ich eine Zeitlang ganz ruhig.

Dann plötzlich fühlte ich, daß ich es nicht länger aushalten könne, denn ich glaubte, daß das Untier im Begriff stand, das Boot zu entern oder vielleicht mich herauszuziehen. Ich verlor die Beherrschung und im nächsten Augenblick hatte ich mein schweres Jagdmesser, das, welches ihr hier an der Wand seht, meine Freunde, – gezogen und führte einen Schlag gegen die Hand, die nahe bei mir am Bootsrand zerrte. Ich traf die Finger und trennte einen davon vollkommen ab, so daß er ins Kanu fiel. Mit einem schauderhaften Gebrüll ließ der Mann oder das Untier das Boot fahren und glitt in das Wasser hinab, wo ich ihn seine blutige Hand über dem Kopf hin und her schwingen sah.

Issicore begann in entsetztem Ton mir etwas zuzuflüstern, aber gerade da stieß Hans hervor:

»Allemaghter! Hier ist noch eins!« Und ein zweiter riesiger Kopf und Körper zogen sich diesmal an seiner Seite auf das Boot herauf.

»Nichts tun!« hörte ich Issicore rufen. Aber die Erscheinung dieses Scheusals war zuviel für Hans, er zog seinen Revolver und feuerte zwei Schüsse in rascher Aufeinanderfolge in seinen Körper. Auch dieses Untier stürzte rücklings ins Wasser, wo es brüllend, aber mit höherer Stimme, um sich zu schlagen begann. Ich dachte – und mit Recht –, daß es ein Weibchen sein müsse.

Bevor das Echo der Schüsse verrollt war, erhob sich ein neuer schauerlicher Chor von »Heu-Heus« und anderen Schreien, alle wild und furchtbar! Von beiden Seiten stürzten sich noch mehr dieser Untiere ins Wasser, aber glücklicherweise nicht, um uns anzugreifen, denn sie waren zu sehr um das Befinden ihrer Genossin bemüht. Sie versammelten sich um sie und zogen sie ans Ufer. Ja, ich sah sie den Körper aus dem Strom heben, und erkannte in dem Augenblick an den herabhängenden Armen und Beinen, daß sie tot war. An dieser Handlung erkannte ich, daß wir es in der Tat mit menschlichen Wesen zu tun hatten, obwohl sie das Aussehen und die Behaarung von Tieren hatten.

»Elefanten würden genau dasselbe tun«, bemerkte Curtis.

»Gewiß«, sagte Allan, »Sie haben recht, manchmal tun sie es. Ich habe es selbst zweimal gesehen. Aber alles an dem Benehmen dieser haarigen Menschen war menschlich. Zum Beispiel ihr Wehklagen über die Tote, welches schauerlich war und mich an die Erzählungen von den ›Banshees‹ in Schottland erinnerte. Außerdem brauchte ich nicht lang nach einem Beweis zu suchen. Zu meinen Füßen lag der Finger, den ich abgeschnitten hatte. Es war ein menschlicher Finger, nur sehr dick, kurz und haarbedeckt, auch war der Nagel abgebrochen, zweifellos durch Klettern auf den Bäumen und Graben nach Wurzeln. Da wurde mir klar, daß ich hier auf das fehlende Zwischenglied zwischen Affen und Menschen gestoßen war, oder auf etwas, das ihm sehr ähnelte. Hier an diesem unbekannten Ort lebte noch ein Volk, wie es unsere Ur-Urahnen vor Hunderttausenden oder Millionen von Jahren waren! Ich überlegte auch, daß ich eigentlich stolz hätte sein müssen, denn ich hatte eine große Entdeckung gemacht. Doch ich wäre, um die Wahrheit zu sagen, in diesem Augenblick gerne bereit gewesen, diesen Ruhm einem anderen zu überlassen.

Hierauf begann ich über andere Dinge nachzudenken, denn ein großer gezackter Stein pfiff etwa einen Zoll entfernt an meinem Ohr vorbei, und gleich darauf folgte ihm ein roher Pfeil mit einer Fischgräte als Spitze, der sich in die Seite des Kanus bohrte.

Mitten unter einem Schauer dieser Projektile, die uns glücklicherweise außer einer oder zwei Beulen keinen Schaden zufügten, lenkten wir wieder in die Mitte des Stromes, wo sie uns nicht erreichen konnten und da uns niemand mehr vom haarigen Volk von den Ufern entgegenschwamm, um uns den Weg abzuschneiden, setzten wir in Frieden unsere Fahrt fort. Immerhin hatte es den bisher so unerschütterlichen Issicore sehr niedergeschlagen gemacht. Er kam zu mir nach vorn, setzte sich zu mir und sagte:

»Es hat sich etwas sehr Übles ereignet, Herr. Du hast den haarigen Männern den Krieg erklärt und die haarigen Männer vergessen nie! Jetzt gibt es Krieg bis zum Äußersten.«

»Ich kann es nicht ändern«, entgegnete ich schwach, denn ich war krank vom Anblick und dem Lärm dieser Geschöpfe. »Gibt es denn viele von ihnen und leben sie überall in eurem Land?«

»Ziemlich viele, vielleicht tausend oder mehr, Herr, aber sie leben nur in den Wäldern. Du darfst nie in die Wälder gehen, Herr, auf keinen Fall allein! Und auch nicht auf die Insel, wo Heu-Heu lebt, denn er ist ihr König und hat immer einige von ihnen in seiner Umgebung.«

»Ich habe nicht die geringste Absicht, das zu tun«, entgegnete ich.

Die Felswände traten langsam immer weiter und weiter auseinander, bis sie schließlich vollkommen aufhörten. Wir waren durch die Bergwälle vorgedrungen, wenn ich sie so nennen kann, und waren in einen Strich unangetasteten, jungfräulichen Waldes gekommen, ein wahrhaftiges Meer riesiger Bäume, das den fetten Boden der Ebene bedeckte und bis zu riesiger Größe aufwuchs. Außerdem tauchte vor uns der Kegel des Vulkans auf, breit, aber nicht von großer Höhe, und über ihm hing die pilzförmige Rauchwolke. Den ganzen Tag hindurch reisten wir diesen ruhigen Fluß entlang und genossen die verhältnismäßige Helligkeit in seiner Mitte, obwohl natürlich die Bäume an seinen Ufern ihn noch immer zum großen Teil beschatteten.

Spät am Nachmittag gestattete uns eine Krümmung der Ufer die Aussicht auf eine große Wasserfläche, aus welcher der Fluß offenbar herausfloß. Ich erfuhr später, daß er auf der anderen Seite in diese mündete. Dieser See – denn es war ein großer See im Umfang von vielen Meilen – umgab eine Insel von ansehnlicher Ausdehnung, in deren Mitte sich der Vulkan erhob, der sich uns jetzt als ein grauer Berg von vollkommen harmlosem Aussehen darbot, obwohl über ihm diese unheimliche Rauchwolke hing, die man jedoch, sonderbar genug, nicht aus seinem Gipfel hervorkommen sah. Ich nehme an, daß sie wahrscheinlich als Dampf ausgetreten war und sich erst weiter oben zu Schwaden verdichtete. Auf einer Ebene, die sich vom Fuße des Berges bis an den See erstreckte, konnte ich mit Hilfe meines Glases etwas sehen, das wie Gebäude von beträchtlicher Größe aussah, die aus schwarzem Stein oder Lava errichtet waren.

»Das sind Ruinen«, sagte Issicore, der bemerkt hatte, daß ich sie einer Betrachtung unterzog. »Einst stand dort eine große Stadt meiner Ahnen, bis sie das Feuer des Berges zerstörte.«

»Dann lebt also niemand mehr auf der Insel?« fragte ich.

»Die Priester Heu-Heus leben dort, Herr. Auch Heu-Heu selbst lebt dort in einer großen Höhle auf der anderen Seite des Berges, oder wenigstens heißt es so, denn niemand von uns hat jemals diese Höhle besucht. Und mit ihm einige der haarigen Männer, die seine Diener sind.

Doch war mein Großvater einmal drüben und sah ihn. Und auch ich, wie ich dir erzählt habe, Herr, habe ihn einst gesehen, aber du darfst mich nicht danach fragen, wie er aussah, Herr, denn ich kann mich nicht daran erinnern«, fügte er hastig hinzu. »Seiner Höhle gegenüber befindet sich sein Garten, in welchem der Zauberbaum wächst, von dem der Beherrscher über die Geister dort unten im Süden Blätter wünscht, um sie mit seinen Medizinen zu mischen; jener Baum, der Träume, langes Leben und Visionen verschafft.«

»Pflegt Heu-Heu von diesem Baum zu essen?« fragte ich.

»Ich weiß es nicht, ich weiß nur, daß er das Fleisch von Tieren ißt, denn wir müssen ihm davon Opfer darbringen, und manchmal auch das Fleisch von Menschen, oder man behauptet es wenigstens. Nahe am Fuße dieses Gartens brennen die ewigen Feuer, und zwischen ihnen befindet sich der Felsen, auf dem die Opfer dargebracht werden.«

Ich gestand mir, daß ich sehr gerne diesen Ort hätte sehen mögen, von dem Issicore offensichtlich nur wenig wußte oder erzählen wollte, den Ort, an dem es eine so große Höhle gab, in der ein berüchtigter Gott mit seinen Sklaven und Hierophanten hauste; den Ort, wo ein als magisch geltender Baum wuchs, in dessen Nähe ewige Feuer brannten. Ich konnte mir nicht denken, was diese ewigen Feuer waren. Ich vermutete nur, daß sie etwas mit dem Vulkan zu tun hatten.

Während ich mich eben vorbereitete, Issicore darüber zu befragen, glitten wir um ein baumbewachsenes Vorgebirge – der Fluß ging hier in eine deltaartige Erweiterung über –, und an der Küste der dahinter liegenden Bucht entdeckte ich eine Stadt von beträchtlicher Größe, die einige hundert Acres 1 Hektar = 2,4711 Acres Grund bedeckte. Die Häuser dieser Stadt, die meistenteils in eigenen Gärten standen, obgleich einige davon zu Straßen angeordnet waren, hatten ein orientalisches Aussehen, was ihre geringe Höhe und ihr flaches Dach betrifft.

Nur gab es dabei einen Unterschied: orientalische Häuser einfacherer Art sind regelmäßig weiß getüncht, aber diese hier waren alle schwarz, denn wie ich später feststellte, waren sie aus Lava erbaut. Rings um die Stadt, ausgenommen an der Seeseite, zog sich eine ebenfalls aus schwarzen Steinen errichtete Mauer hin, deren Vorhandensein mir unverständlich schien und die mich veranlaßte, nach ihrem Zweck zu fragen.

»Sie dient dazu, um uns gegen das haarige Volk zu verteidigen, das uns bei Nacht angreift«, entgegnete Issicore. »Bei Tageslicht kommen sie nie und deshalb sind unsere Felder dort drüben nicht ummauert«, er deutete auf eine große Fläche bebauten Landes, die anscheinend erst von Bäumen hatte befreit werden müssen, und sich meilenweit zwischen den Wäldern hinzog.

Dann fuhr er fort zu erklären, daß man dort arbeitete, so lange die Sonne schien, und daß bei Einbruch der Nacht alle Leute in die Stadt zurückkehrten, bis auf einige von ihnen, die in Forts oder Blockhäusern übernachteten, um die Ernte und die Rinderkraale zu bewachen.

Ich blickte auf diese Stadt und dachte bei mir, daß ich noch niemals in meinem Leben eine so düstere gesehen hatte wie diese – besonders spät am Nachmittag unter einem finsteren, regenschweren Himmel. Die schwarzen Häuser, die hohen schwarzen Mauern, die mich an Gefängnisse erinnerten, die schwarzen Gewässer des Sees, der Ausblick auf den schwarzen Vulkan und die düstere Masse des Waldes dahinter – alles trug hierzu bei.

»Oh, Baas, wenn ich hier wohnen müßte, würde ich bald verrückt werden!« sagte Hans und auf mein Wort, ich gab ihm völlig recht.

Nun ruderten wir gegen die Küste und trafen bald auf einen kleinen, aus lose übereinander geschichteten Steinen gebildeten Damm, an dem wir landeten. Offenbar war unsere Annäherung bemerkt worden, denn eine Anzahl von Leuten – vielleicht vierzig oder fünfzig – waren am Ufer und auf dem Damm versammelt, um uns zu erwarten. Ein Blick genügte, um mir zu zeigen, daß sie alle, obgleich verschiedenen Altersstufen und beiden Geschlechtern angehörend, im Typus unserem Führer, Issicore, glichen. Das heißt, sie waren alle groß und schön gebaut, hatten eine helle Hautfarbe und außerordentlich hübsche Züge, trugen auch weiße, weite Gewänder, und manche der Männer hatten Hüte von der bereits beschriebenen pharaonischen Form. Die Kopfbedeckung der Frauen bestand jedoch aus einer eng anliegenden, leinernen Mütze mit beiderseits herabhängenden Lappen, und stand außerordentlich gut zu ihrer ernsten Schönheit. Ich konnte voll Verwunderung nicht daraufkommen, von welcher Rasse dieses Volk herstammen mochte. Ich hatte nicht die blasseste Ahnung davon; mir erschienen sie wie die Überbleibsel einer uralten Zivilisation.

Unter der Führung Issicores schritten wir vorwärts, wobei wir selbst unser leichtes Gepäck trugen, eine niedergeschlagene, hilflose kleine Truppe. Als wir näherkamen, teilte sich die Menge in zwei Teile, die Frauen traten nach links, die Männer nach rechts, wie die Gläubigen in einer Kirche. Da standen sie nun schweigend und beobachteten uns aufmerksam mit ihren großen, melancholischen Augen. Sie sprachen kein Wort, während wir zwischen ihnen hinschritten, sondern starrten und starrten, bis ich davon ganz nervös wurde. Sie schienen selbst Issicore keine Begrüßung zuteil werden zu lassen, obgleich er doch eine solche nach seiner langen, gefährlichen Reise verdient hätte.

Ich bemerkte allerdings, obgleich ich damals der Sache wenig Bedeutung beimaß und es später ganz vergaß, bis Hans mich wieder daran erinnerte, daß ein dunkler Mann von würdiger Haltung, vielleicht ein wenig anders als die übrigen gekleidet, an Issicore herantrat. Er sprach ihn an und ließ hierbei etwas in seine Hand gleiten. Issicore warf einen Blick auf diesen Gegenstand, und – wer weiß, was es gewesen sein mochte – ich sah ihn deutlich erzittern und blaß werden. Dann verbarg er ihn, ohne ein Wort zu sagen.

Wir wandten uns nach rechts hin und schritten eine Straße entlang, die sich am Seeufer entlang zog. Diese war auf einem – vermutlich zum Schutz gegen Überschwemmung errichteten – zwölf Fuß über dem Wasserspiegel befindlichen Damm erbaut. So kamen wir zu einer Mauer, die durch eine starke Balkentür unterbrochen war. Die Tür öffnete sich, als wir uns näherten. Als wir sie durchschritten hatten, befanden wir uns in einem großen Garten, der mit erstaunlichem Geschmack gepflegt war. Es gab dort Beete voll Blumen, und dies war alles, was ich jemals an lieblichen Dingen in dieser Stadt sah, die offenbar nach dem Stamm ihrer Herrscher Walloo hieß. Am Ende des Gartens stand ein langes, massiv gebautes Haus mit einem flachen Dach, das aus der hier überall vorherrschenden schwarzen Lava erbaut war.

Wir traten ein und standen in einem geräumigen Zimmer, das, da die Dämmerung hereinbrach, durch fackelartige Lampen von eleganter Form beleuchtet war, die auf Ständern aus Elfenbein ruhten.

In der Mitte dieses Zimmers befanden sich zwei große, aus Ebenholz und Elfenbein verfertigte Sessel mit hohen Rückenlehnen und Fußschemeln, und in diesen Sesseln saßen ein Mann und eine Frau, die es wahrhaft wert waren, betrachtet zu werden. Der Mann war alt, denn sein silbernes Haar hing ihm auf die Schultern herab, und sein feines, trauriges Gesicht war tief gefurcht.

Ich sah beim ersten Blick, daß er der König oder Häuptling sein mußte, denn seine Erscheinung war überaus würdig, wenn auch etwas greisenhaft. Außerdem hatten seine Kleider infolge ihrer purpurnen Umsäumung ein königliches Aussehen, und um seinen Nacken trug er eine schwere Kette, die aus Gold zu sein schien, während seine Hand einen schwarzen, mit Gold ausgelegten Stab, ohne Zweifel ein Zepter, hielt. Im übrigen hatten seine Augen einen fast ängstlichen Ausdruck, und sein ganzer Anblick machte den Eindruck von Schwäche und Unentschlossenheit.

Die Frau, die im anderen Sessel saß und vom Licht einer der Lampen voll beleuchtet war, mußte meiner Ansicht nach Sabeela, die Geliebte Issicores, sein. Es war kein Wunder, daß er sie liebte, denn sie war von außerordentlicher Schönheit – groß, gut entwickelt, gerade gewachsen wie ein Schilfrohr, mit großen Augen und ausgeprägten Zügen, die dennoch sanft gerundet und weiblich waren, sowie wunderbar kleinen Händen und Füßen. Auch sie trug purpurumsäumte Kleider. Um ihre Taille war ein dicht mit roten Steinen – es schienen Rubine zu sein – besäter Gürtel geschlungen, und um ihren schön geformten Kopf trug sie ein einfaches goldenes Band, das ihr reiches Haar zurückhielt, in dessen lange gelockte Wellen von schöner, rötlichbrauner Farbe sie völlig gehüllt war. Außer einer roten Blume an ihrer Brust trug sie keinen Schmuck, vielleicht weil sie wußte, daß sie keinen nötig hatte.

Issicore ließ uns bei der Tür des Zimmers zurück, trat vor und kniete vor dem alten Mann nieder, der ihn zunächst mit seinem Stab berührte und dann eine Hand auf seine Stirn legte. Dann erhob er sich und trat zum Mädchen und kniete auch vor ihr nieder, worauf sie ihm ihre Finger zum Kuß hinhielt, während ein Zug plötzlicher Hoffnung und Freude, den ich selbst aus dieser Entfernung entnehmen konnte, über ihr Gesicht huschte. Er flüsterte eine Zeitlang mit ihr, dann wandte er sich um und begann ernst mit ihrem Vater zu sprechen. Schließlich schritt er durch das Zimmer zurück auf mich zu und führte mich vor, während Hans mir auf den Fersen folgte.

»Oh, Häuptling Macumazahn«, sagte er, »hier sitzt der Walloo, der Fürst meines Volkes, und seine Tochter Sabeela. Oh, mein königlicher Vetter, dies ist der edle Weiße, der seiner Erfahrung und seines Mutes wegen berühmt ist und mit dem mich der Zauberer aus dem Süden bekannt gemacht hat. Auf meine Bitte hin ist er infolge seines guten Herzens gekommen, um uns aus unserer Bedrängnis zu helfen.«

»Ich danke ihm«, entgegnete der Walloo in demselben arabischen Dialekt, dessen sich Issicore bediente. »Ich danke ihm in meinem eigenen Namen, im Namen meiner Tochter, die mir allein noch geblieben ist, und im Namen meines Volkes.«

Hier erhob er sich von seinem Stuhl und verneigte sich mit wunderlicher, fremdartiger Höflichkeit, wie ich sie in Afrika noch nicht kennengelernt hatte, vor mir, und auch die Jungfrau erhob sich und verneigte sich fast höfisch. Hierauf nahm er wieder Platz und sagte:

»Gewiß bist du müde, und es wird dir guttun, dich auszuruhen, ein Mahl einzunehmen und dann erst wollen wir miteinander plaudern.«

Wir wurden nun durch eine Tür am Ende des großen Zimmers in einen anderen Raum geführt, der offenbar für mich vorbereitet worden war. Es gab dort auch einen Platz für Hans, eine Art Alkoven. Hierher brachte man uns in großen Tongefäßen Wasser, das, wie ich zu meinem Erstaunen bemerkte, gewärmt worden war – es ist dies nämlich sonst in Afrika nicht üblich. Außerdem war ein Hemd von schönem, feinem Leinen auf das mit Kissen versehene Lager gelegt worden, welches auf dem Boden hergerichtet und mit Felldecken bedeckt war.

Ich wusch mich, indem ich das warme Wasser in ein steinernes Becken goß, das auf einem Ständer vorbereitet war, und legte das Hemd an. Hierauf wechselte ich die Kleider und mit Hilfe von Hans und einer Taschenschere stutzte ich mir Bart und Haar. Kaum hatte ich diese Vorbereitungen beendet, als zwei Frauen erschienen und auf hölzernen Platten ein Mahl – es schien gerösteter Lammbraten zu sein – sowie ein Getränk in irdenen Krügen von feingeschwungener Form hereinbrachten. Ich bemerkte, daß diese Krüge über und über mit den kleinen, ungeschliffenen Diamanten bedeckt waren, von denen mir Zikali einige Exemplare gegeben hatte, und die offenbar in verschiedenen Mustern eingesetzt worden waren, bevor der Ton trocknete. Das Getränk war – beiläufig bemerkt – eine Art Eingeborenenbier, vielleicht etwas zu süß, aber angenehm zu trinken und ziemlich stark, so daß ich darauf achten mußte, daß Hans nicht zu viel davon zu sich nahm.

Nachdem wir unser Mahl beendet hatten, das uns sehr willkommen war, da wir seit Verlassen des Wagens keine ordentlich zubereitete Nahrung zu uns genommen hatten, erschien Issicore und führte uns in den großen Raum zurück, wo wir wie zuvor den Walloo und seine Tochter vorfanden. Um sie herum hatten sich jedoch mehrere alte Männer auf den Boden niedergelassen. Man brachte einen Stuhl für mich herbei und die Unterredung begann.

Ich brauchte nicht auf Einzelheiten einzugehen, denn im großen und ganzen erfuhr ich, was ich bereits von Issicore gehört hatte; das war, daß etwas oder jemand auf der Insel im See hauste, der jährlich die Opferung einer schönen Jungfrau forderte.

Ich war überzeugt, daß es sich nur um eine Variation einer weit verbreiteten, afrikanischen Fabel handelte. Gewiß war Heu-Heu, wenn es tatsächlich so ein Wesen gab, nichts als der Beherrscher jener wilden, haarigen Eingeborenen, die den Platz bewohnten, der in grauer Vorzeit von den aus Norden in das Gebiet eingebrochenen Walloos erobert worden war, welche selbst die Überlebenden irgendeines zivilisierten, aber längst vergessenen Volkes waren. Ich muß hier bemerken, daß ich niemals Grund hatte, an der Richtigkeit dieses Schlusses zu zweifeln. Afrika ist ein überaus altes Land und wurde einst von vielen Rassen bewohnt, die jetzt verschollen sind oder nur unter herabgekommenen Verhältnissen fortbestehen, von Generation zu Generation immer tiefer sinkend bis zu ihrer völligen Vernichtung.

Hier möchte ich ganz kurz die Überzeugung mitteilen, zu der ich schließlich bezüglich dieses Volkes gekommen bin.

Fast gewiß waren diese Walloos solch eine sterbende Rasse, die, wie einzelne ihrer Namen anzudeuten schienen, aus irgendeinem Gebiet in Westafrika hergekommen waren, wo ihre Ahnen einst in hoher Kultur gelebt hatten. Da sie niemals mit anderen Rassen Verbindungen eingingen, behielten sie ihre ererbte Schönheit, die wirklich höchst bemerkenswert war. Aus Gründen, die ich bereits erwähnt habe, sank aber ihre Bevölkerungszahl immer mehr und betrug in diesen Tagen kaum mehr als die Hälfte jener, an die sich ihre Großväter und die ältesten Leute noch erinnern konnten. Ihre Melancholie, die ihnen nunmehr bereits angeboren war, hatte zweifellos ihren Grund in ihrer düsteren Umgebung und der Überzeugung, daß sie als Rasse verurteilt seien, durch die Hände der wilden Eingeborenen zugrunde zu gehen, die einst ihre Sklaven gewesen waren.

Schließlich wurden sie Götzendiener, obgleich man bei ihnen noch Spuren einer höheren Religion antraf, denn sie beteten zu irgendeinem großen Geist. Sie glaubten also, daß sie vor dem Untergang bewahrt werden könnten, wenn sie einem Teufel Opfer darbrächten, der sie mit Unheil überziehen und sie den mordenden Händen der fürchterlichen Waldbewohner überantworten würde, sobald sie dies unterließen. Deshalb wurden sie, oder wenigstens ein Teil von ihnen, Priester dieses teuflischen Geschöpfes, das Heu-Heu genannt wurde, und hielten so Frieden zwischen sich und dem haarigen Volk.

Jetzt waren aber ihre Leiden auf die Spitze getrieben worden, denn, wie mir Issicore sagte, strebten jetzt die Priester – nach Art aller Priester auf der Welt – nach unbeschränkter Herrschaft über das Volk und hatten deshalb die Vernichtung des erblichen Fürsten und seiner Familie beschlossen.

Dies war also der Kern der düsteren Erzählung, die der unglückliche Walloo mir in dieser Nacht vortrug. Schließlich schloß er mit den Worten:

»Jetzt wirst du verstehen, o Häuptling Macumazahn, warum wir in unserer Not und gehorsam der alten Prophezeiung, die uns von unseren Ahnen überliefert worden ist, mit dem großen Zauberer im Süden in Verbindung getreten sind und ihn gebeten hatten, uns den angekündigten Helfer zu senden. Siehe, er hat dich gesandt und nun flehe ich dich an, meine Tochter vor dem Schicksal zu bewahren, das sie erwartet. Ich begreife, daß du hierfür Bezahlung in weißen und roten Steinen sowie in Gold und Elfenbein verlangen wirst. Nimm so viel davon, als du wünschest! Wir haben Krüge voll dieser Steine verwahrt und die Pfosten einiger Umzäunungen hinter diesem Haus sind aus Elfenbein verfertigt, obwohl es bereits vor Alter dunkel geworden ist. Wir haben ferner eine Menge zu Barren geschmolzenen Goldes, das mein Großvater zusammentragen ließ und von dem wir wenig Gebrauch machen, außer zu Schmuck für unsere Frauen. Dennoch, alles ist dein! Nimm es hin! Nimm alles, was du wünschest – nur rette meine Tochter!«

»Wir wollen später von der Belohnung sprechen«, entgegnete ich, denn des alten Mannes Verzweiflung rührte mein Herz. »Inzwischen sag mir, was geschehen kann.«

»O Herr, wie soll ich das wissen?« entgegnete er, die Hände ringend. »Die dritte Nacht nach dieser ist Vollmond, der Vollmond, der den Beginn der Ernte anzeigt. In dieser Nacht müssen wir meine Tochter, auf die das Los gefallen ist, auf die Insel bringen, auf der der Feuerberg sich erhebt, und sie an den Block auf dem Opferungsfelsen binden, der zwischen den zwei unsterblichen Feuern errichtet ist. Dort müssen wir sie verlassen und beim Morgengrauen, heißt es, ergreift sie Heu-Heu selbst und schleppt sie in seine Höhle, wo sie für immer verschwindet. Oder wenn er nicht selbst erscheint, so kommen seine Priester und schleppen sie zu ihm hinab und wir sehen sie nie mehr.«

»Warum bringst du sie denn auf die Insel? Warum rufst du dann nicht all dein Volk zusammen und erhebst dich gegen diesen Gott und seine Priester, um sie zu töten?«

»Herr, weil niemand von uns, außer vielleicht Issicore dort, der aber allein nichts unternehmen kann, eine Hand zu ihrer Rettung erheben würde. Alle glauben, daß in diesem Fall der Berg wie in vergangenen Zeiten, in Flammen ausbrechen und alle, auf die die Asche falle, zu Stein verwandeln würde; auch würden die Gewässer anschwellen und die Erde zerstören, so daß wir Hungers sterben müßten, und alle, die etwa dem Feuer, dem Wasser und der Hungersnot entgingen, würden durch die Hände der grausamen Waldteufel zugrunde gehen. Wenn ich also die Walloos aufforderte, meine Tochter vor Heu-Heu zu retten, so würden sie mich töten und sie gemäß dem Gesetz opfern.«

»Ich verstehe«, sagte ich und schwieg.

»Herr«, fuhr der Walloo fort, »bei mir hier bist du sicher, denn keiner meiner Leute wird dir oder deinem Begleiter etwas antun. Doch höre ich von Issicore, daß du einen haarigen Mann mit einem Messer verstümmelt hast und daß dein Diener eines ihrer Weiber mit jener sonderbaren Waffe, die ihr traget, erschlagen hat. Deshalb bist du vor diesen Waldbewohnern nicht sicher, denn sie werden euch beide töten, wenn sie es nur irgendwie vermögen, und sich an euren Körpern gütlich tun.«

Eine liebliche Aussicht, dachte ich bei mir selbst. Doch entgegnete ich nichts, denn ich wußte nicht, was ich sagen sollte.

Da erhob sich der Walloo von seinem Stuhl und sagte, er müsse nun zu den Geistern seiner Vorfahren beten, damit sie ihm beistünden, doch würden wir morgen unsere Unterredung fortsetzen. Hierauf wünschte er uns eine gute Nacht und entfernte sich ohne ein weiteres Wort, gefolgt von den alten Männern, die während der ganzen Zeit schweigsam dagesessen und die nur ab und zu wie Porzellanpagoden mit dem Kopf genickt hatten.


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