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Das Märchen von Heu-Heu

Endlich hörte Zikali auf zu lachen und betrachtete uns mit seinen tiefliegenden Augen.

»Wer war es denn, der zuerst sagte, daß alle Männer Narren seien?« fragte er. »Ich weiß es nicht, aber ich denke, es muß ein Weib gewesen sein, ein hübsches Weib, das mit ihnen ihr Spiel trieb und es herausfand. Wenn dies der Fall ist, so war sie klug, wie alle Frauen in ihrer Weise, wie auch das Sprichwort zeigt, denn es läßt sie selbst aus dem Spiel. Nun gut, so will ich auch ein Sprichwort hinzufügen: Alle Männer sind in einer oder der anderen Hinsicht Feiglinge, mögen sie sonst noch so tapfer sein. Weiters sind sie alle gleich, denn was für ein Unterschied besteht zwischen dir, Macumazahn, dem weisen weißen Mann, der hundertmal dem Tode ins Auge gesehen hat, und jenem kleinen gelben Affen?« Hier wies er auf Hans, der noch immer auf dem Rücken lag und unter fürchterlichem Augenrollen Gebete zu verschiedenen Gottheiten zwischen seinen klappernden Zähnen hervorstieß. »Beide seid ihr erschrocken, der eine wie der andere; der einzige Unterschied liegt darin, daß der weiße Häuptling seine Furcht zu verbergen sucht, während der gelbe Affe sie nach Affenart schamlos verrät.

Warum seid ihr so erschrocken? Nur, weil ich durch einen gewöhnlichen Trick euren Augen ein Bild zeigte, das in beider Einbildung lebt! Wohlgemerkt, nicht durch Zauberei, sondern durch einen gewöhnlichen Trick, den jedes Kind erlernen könnte, wenn es ihm jemand beibrächte. Ich hoffe, daß du dich nicht so benehmen wirst, wenn du Heu-Heu selbst gegenüberstehst. Da würde ich von dir enttäuscht sein, und es würde bald zwei weitere Totenköpfe in seiner Höhle geben. Aber dann wirst du vielleicht tapfer sein; ja, ich glaube es wohl, du wirst tapfer sein, denn du würdest nie sterben wollen, wenn du daran dächtest, wie lang und laut ich lachen würde, wenn man mir davon erzählte.«

In dieser Weise schwätzte der alte Zauberer weiter, wie es seine Art war, wenn er seinen scharfen Spott mit der Absicht zu verbinden wünschte, Zeit zum Nachdenken zu gewinnen. Endlich schwieg er und nahm eine Prise von dem Tabak, den ich ihm gebracht hatte, denn während seiner Rede hatte er das Paket geöffnet, indem er uns fortwährend beobachtete, als ob er unsere Seelen durchblicken wollte.

Jetzt dachte ich, daß es an der Zeit sei, etwas zu erwidern, wenn auch nur, um zu zeigen, daß er mich mit seinen verdammten Erscheinungen nicht erschreckt hatte, und so sagte ich:

»Du hast recht, Zikali, wenn du behauptest, daß alle Männer Narren seien, denn wahrhaftig du bist der erste und größte unter allen.«

»Ich habe es oft geglaubt, Macumazahn, und zwar aus Gründen, die ich lieber für mich behalte. Aber warum behauptest du es? Laß hören, ob es dieselben sind, wie meine!«

»Zunächst, weil du redest, als ob es ein Wesen gäbe wie Heu-Heu, was, wie du ganz gut weißt, niemals der Fall war, und dann, weil du sprichst, als ob Hans und ich ihm persönlich gegenübertreten würden, was wir ja nie tun werden. Hör endlich einmal auf mit deinem Unsinn und zeig uns, wie man Bilder im Feuer erscheinen lassen kann – eine Kunst, die jedes Kind erlernen kann, wie du behauptest.«

»Wenn man es darin unterweist, Macumazahn, wenn man es unterweist! Aber wenn ich das täte, dann wäre ich wirklich der größte aller Narren. Glaubst du wirklich, daß ich zwei Gauklerrivalen anstellen möchte – du siehst, unter uns gebe ich mir den richtigen Namen –, damit sie mir im Lande Konkurrenz machen? Nein, nein, jeder mag das Wissen für sich behalten, das er erworben hat. Wenn es jedermann geläufig wird, wer wird dann dafür zahlen? Aber warum glaubst du nicht, daß du jemals Heu-Heu anders als einem Bild gegenüberstehen wirst, das an Felswände oder auf Flammen gemalt ist?«

»Weil es ihn nicht gibt«, antwortete ich gereizt; »und wenn es ihn gibt, denke ich, ist sein Wohnort ein gutes Stück Weg von hier entfernt, und ich kann nicht ohne frische Ochsen weiterziehen.«

»Ah«, sagte Zikali, »das erinnert mich wieder an jene, die mir erzählten, wie du dich vor dem Gewitter in die Höhle geflüchtet hast, und all das übrige, wie zum Beispiel, daß du neue Ochsen wünschest. Und da ich wußte, daß du in großer Eile sein würdest, zu Heu-Heu zu gelangen, wie ein junger Mann sich sehnt, seine erste Gattin zu finden, habe ich bereits Vorsorge getroffen. Die Geschichte, die man dir erzählt hat, ist wahr. Ein weißer Händler ließ in dieser Gegend ein gutes Gespann Ochsen zurück, die sich die Füße wundgelaufen hatten und auch bereits gegen Krankheiten immun waren. Jetzt nach dreimonatiger Rast sind sie fett und ganz gesund. Ich lasse sie morgen herbeitreiben und will deine in Pflege nehmen, so lange du fort bist.«

»Aber ich habe kein Geld, um neue Ochsen zu bezahlen«, sagte ich.

»Ist nicht das Versprechen Macumazahns besser als Geld, selbst als das rote englische Gold? Ist dies nicht im ganzen Lande bekannt? Überdies«, fügte er bedächtig hinzu, »wenn du vom Besuch Heu-Heus zurückkommst, da mußt du ja über genügend Geld verfügen – oder besser gesagt über Diamanten, was dasselbe bedeutet – und vielleicht auch über Elfenbein! Aber ich bin nicht sicher, ob du das Elfenbein wirst tragen können. Und wenn ich nicht die Wahrheit sage, so will ich die Ochsen selbst bezahlen!«

Nun, ich muß sagen, beim Worte »Diamanten« spitzte ich die Ohren, denn eben zu der Zeit begann man in ganz Afrika über diese Steine zu sprechen; selbst Hans stand auf und begann wieder Interesse für irdischere Dinge zu fassen.

»Das ist ein schönes Anbot«, sagte ich, »aber hör jetzt auf, Dunst zu blasen Unsinn zu schwätzen, und sage geradeheraus, was du eigentlich meinst, bevor es ganz finster wird. Ich hasse diese Schlucht bei Dunkelheit. Wer ist Heu-Heu? Und wenn er oder es lebt, wo ist Heu-Heu zu finden, lebend oder tot? Dann, angenommen, daß es einen Heu-Heu gibt oder gegeben hat, warum willst du, Zikali, daß ich ihn aufsuche, denn ich sehe wohl, daß dies dein Wunsch ist, und du hast ja immer einen Grund für deine Wünsche?«

»Ich will zuerst die letzte Frage beantworten, Macumazahn, denn in der Tat habe ich immer einen Grund für das, was ich von dir oder anderen Leuten wünsche.«

Hier schwieg er und klatschte in die Hände, worauf augenblicklich einer seiner großen Leibwächter aus der Hütte erschien, dem er einen Befehl gab. Der Mann huschte fort und kam im Nu mit mehreren Fellsäcken zurück, wie sie Medizinmänner benützen, um ihre Utensilien aufzubewahren. Zikali öffnete einen davon und zeigte mir, daß er fast leer war und nur mehr etwa eine Messerspitze eines braunen Pulvers enthielt.

»Dieses Zeug, Macumazahn«, sagte er, »ist die wunderbarste aller Drogen, noch wunderbarer sogar, als das Kraut, das man ›Taduki‹ nennt, das die Wege der Vergangenheit öffnen kann und mit dem du eines Tages noch bekannt werden wirst. Mit seiner Hilfe – ich spreche nicht von ›Taduki‹, sondern von dem Pulver im Sack – bringe ich die meisten meiner Tricks zuwege. Zum Beispiel ermöglichte mir ein Stäubchen davon, dir und dem kleinen gelben Affen vorhin das Bild Heu-Heus in den Flammen zu zeigen.«

»Du willst wohl sagen, daß es ein Gift ist, denke ich.«

»O ja, unter anderem kann es durch Hinzufügen eines anderen Pulvers in ein tödliches Gift verwandelt werden; so tödlich, daß schon eine Menge davon, die auf der Spitze eines Dornes Platz findet, die Kraft hat, den stärksten Mann zu töten, ohne die geringste Spur zu hinterlassen! Aber es hat auch andere Eigenschaften, die mit dem Geist und mit der Seele zusammenhängen. Es tut nichts zur Sache, was das für Eigenschaften sind. Du würdest mich nicht verstehen; wenn ich es dir auch erklären wollte. Nun, der ›Baum der Träume‹, aus dessen Blättern diese Medizin erzeugt wird, wächst nur im Garten Heu-Heus und nirgends sonst in Afrika. Ich bekam meinen letzten Vorrat davon vor so manchen Jahren, in der Tat, lange bevor du geboren wurdest, Macumazahn. Wie, tut nichts zur Sache. Nun, ich brauche unbedingt einen neuen Vorrat dieser Blätter, oder meine Zauberkunst, wie die Zulus es nennen, obgleich weiße Männer, wie du, wissen, daß es nur Tricks sind, wird mich verlassen. Und dann wird die Welt sagen, daß der ›Eröffner der Wege‹ seine Kraft verloren hat und man wird trachten – weisere Hexenmeister zu finden.«

»Warum schickst du dann nicht Leute aus, um dir davon holen zu lassen, Zikali?«

»Wen könnte ich denn aussenden, der es wagen würde, Heu-Heus Land zu betreten und seinen Garten zu berauben? Niemanden, als dich selbst, Macumazahn. Oh! Ich lese deine Gedanken. Du wunderst dich, warum ich dann nicht anordne, daß mir die Blätter von dort hergebracht werden sollen! Aus diesem Grunde, Macumazahn – die Leute dort dürfen nie ihr verborgenes Land verlassen; es ist dies gegen ihr Gesetz. Oh! Viele zogen auf Abenteuer dorthin aus und nur zwei kehrten zurück! Und auch die wurden verrückt, wie jene es zu werden pflegen, die Heu-Heus Antlitz gesehen haben und mit dem Leben davonkommen. Wenn du Heu-Heu erblickst, Macumazahn, sieh dich wohl vor und vernichte ihn und alles, was sein ist, sonst könnte sein Fluch dir folgen bis ans Ende deiner Tage. Gestürzt wird er machtlos sein, aber solange er Macht hat, ist sein Haß gewaltig und reicht über weite Länder. Oder – es ist der Haß seiner Priester, was auf dasselbe herauskommt.«

»Blödsinn!« sagte ich. »Wenn es irgendeinen Heu-Heu gibt, dann ist er nur ein großer Affe, und ich fürchte mich vor keinem Affen, mag er lebend sein oder tot!«

»Ich bin glücklich, das zu hören, Macumazahn, und hoffe, daß du immer derselben Ansicht sein wirst. Zweifellos ist es bloß sein Bild am Felsen oder in den Flammen, das dich erschreckt, genauso, wie ein Traum weit fürchterlicher sein kann als jede Wirklichkeit. Eines Tages wirst du mir sagen, was ärger war, Heu-Heus Bild oder Heu-Heu selbst. Aber du hast mich auch noch um andere Dinge gefragt, zunächst darum: wer ist Heu-Heu?

Nun gut, das weiß ich nicht. Die Legende sagt, daß einst ein weißes Volk im Norden lebte, das durch einen riesigen Zauberer beherrscht wurde, der so grausam war, daß ihn sein Volk – so mächtig er war – zwang, südwärts zu fliehen. Dort ließ er sich am Fuße eines feuerspeienden Berges in einer grauenvollen Höhle nieder, wo ihn seine Anhänger als Gott verehren mußten. Endlich wurden auch sie seiner Grausamkeiten überdrüssig und töteten ihn. Während er im Todeskampf lag, legte er einen Fluch auf sie und drohte, in einer immer fürchterlichen Gestalt wiederzukehren. Auch verbot er ihnen bei Todesstrafe, ihr Land zu verlassen. Nach seinem Tod begann der Berg Feuer und heiße Asche auszustoßen, wodurch viele dieses Volkes, das sich ›Walloo‹ nannte, zugrunde gingen, und andere wieder in Stein verwandelt wurden. Auch sonst erfüllten sich alle Drohungen dieses Königs und Zauberers, der als ›Heu-Heu‹ in verschiedenen Gestalten sein Volk quälte und peinigte.«

Bei dieser erstaunlichen Erzählung brach ich aber nun doch in ein Gelächter aus, und selbst Hans mußte grinsen.

»Ich habe die Erfahrung gemacht, Macumazahn«, sagte Zikali, »daß zu Beginn immer du über mich lachst, während schließlich immer am Ende ich dich auslache, und so, glaube ich, wird es auch diesmal sein. Ich sage dir, daß dort dieses Volk, zu Stein verwandelt, noch immer zu finden ist, und wenn dem nicht so ist, dann brauchst du mir für die Ochsen, die ich von dem weißen Mann gekauft habe, gar nichts zu bezahlen, selbst wenn du mit Taschen voll Diamanten zurückkehren solltest!«

Nun entsann ich mich des Schicksals von Pompeji und hörte auf zu lachen. Immerhin, die Sache war möglich.

»Und was macht dieser Heu-Heu?« fragte ich Zikali ungläubig. »Wirft er vielleicht mit Steinen oder Nüssen nach den Leuten?«

»Nein, Macumazahn. Nach meinen Informationen tut er ganz andere Dinge. Von Zeit zu Zeit setzt er zum Festland über – manche behaupten, auf einem Baumstrunk, andere wieder, daß er hinüberschwimmt oder wie ein Geist den See überquert. Wenn er drüben jemanden trifft, reißt er ihm den Kopf ab« (hier entsann ich mich des Bildes in der Höhle), »denn kein menschliches Wesen kann gegen seine Stärke ankämpfen, auch Frauen nicht. Wenn sie alt und widerlich sind, behandelt er sie in derselben Weise, sind sie jedoch jung und wohlgestaltet, dann schleppt er sie mit sich fort. Man sagt, daß die Insel voll solcher Frauen sei, die Heu-Heus Garten pflegen. Überdies heißt es, daß sie Kinder haben, die den See überqueren und in den Wäldern leben, fürchterliche, haarige Wesen, die zum Teil menschlich sind, denn sie können Feuer machen und Keulen, Bogen und Pfeile benützen. Dieses wilde Volk wird ›Heuheua‹ genannt. Sie bewohnen die Länder und zwischen ihnen und den ›Walloos‹ gibt es endlosen Krieg.«

»Gibt es sonst noch etwas?« fragte ich.

»Ja, noch eins. Zu einer gewissen Zeit im Jahr müssen die ›Walloos‹ ihr schönstes und vornehmstes Mädchen nehmen und an einen hierzu bestimmten Felsen an der Küste der Insel in einer Vollmondnacht anbinden. Dann gehen sie fort und lassen es allein zurück. Erst mit Sonnenaufgang kommen sie wieder.«

»Und was finden sie da?«

»Es gibt zwei Möglichkeiten, Macumazahn, entweder ist die Jungfrau fort; dann sind alle bis auf deren Verwandte höchst erfreut. Oder sie finden sie in Stücke zerrissen, weil sie von Heu-Heu verschmäht ist, und dann geht ein großes Weinen und Jammern an. Aber nicht um sie, sondern um ihrer selbst willen.«

»Und was ist der Grund ihrer Freude oder ihrer Tränen, Zikali?«

»Folgender, Macumazahn. Wenn die Jungfrau angenommen worden ist, dann werden sie von Heu-Heu und seinen Priestern, oder seinen Dienern, den Heuheua, in diesem Jahre unbehelligt bleiben. Außerdem wird ihre Ernte gut und sie selbst von Krankheiten verschont sein. Wurde sie aber getötet, dann wird er oder seine Diener sie verfolgen und andere Frauen rauben. Auch wird ihre Ernte schlecht sein und Fieber und andere Krankheiten werden über sie kommen. Deshalb ist das ›Opfer der Jungfrau‹ ihr Hauptfest, das, wenn es angenommen wird, ›das Fest der Freude‹, andernfalls ›das Fest des Jammers‹ genannt wird und die Opferung ihrer Eltern und der anderen Verwandten zur Folge hat.«

»Eine erfreuliche Religion, Zikali! Sage mir, ist es eine, die diesen ›Walloos‹ gefällt?«

»Gefällt denn überhaupt irgendeine Religion den Menschen, Macumazahn, und gefallen Tränen, Mangel, Krankheit, Verlassenheit und Tod denen, die auf der Welt geboren werden? Zum Beispiel leidet auch ihr weißen Leute gleich uns unter diesen Dingen; auch ihr habt euren Heu-Heu oder Teufel, der solche Opfer verlangt und sich auch an euch rächt. Ihr seid ja auch nicht mit ihm zufrieden und doch fahrt ihr fort, eure Opfer an Kriegen und Blut und allen Lastern darzubringen, als Entgelt für alles, was er euch getan hat. Ihr klammert euch dadurch nur immer von neuem an ihn und erneuert seine Macht über euch und – wie ihr, so handeln wir alle. Und doch, wenn ihr und wir alle uns gegen ihn erheben würden, vielleicht würde dann doch seine Kraft gebrochen oder er zerschmettert werden! Warum also fahren wir fort, ihm unsere Jungfrauen: Tugend, Wahrheit, Reinheit zu opfern und inwiefern sind wir besser als jene, die Heu-Heu anbeten, um dadurch ihr Leben zu retten?«

Gegen dieses Argument, das für einen Wilden scharfsinnig genug war, da ihm trotz seines Alters und seiner Erfahrung nur beschränkte Gelegenheit zu Beobachtungen gegeben war, konnte ich nichts sagen und entgegnete daher beinahe bescheiden:

»Ich behaupte auch gar nicht, daß wir besser sind.«

Dann fügte ich hinzu, um die Rede auf ein praktisch wertvolleres Gebiet zu bringen:

»Und wie steht es mit den Diamanten?«

»Die Diamanten! Natürlich, die Diamanten, die beiläufig bemerkt, eines der Opfer darstellen, die ihr weißen Leute eurem Heu-Heu darbringt! Nun, diese Leute scheinen genug davon zu haben. Natürlich sind sie für die Leute wertlos, da sie keinen Handel treiben. Dennoch wissen die Frauen, daß die Steine hübsch sind und befestigen sie in kleinen Haarnetzen, nachdem man sie an einem Stein abgeschliffen hat; denn sie wissen nicht, wie man sie durchbohren kann, da sie so hart sind, und können sie auch nicht in Metall fassen. Auch pflegt man sie in den Ton ihrer Eßteller zu stecken, bevor er erhärtet ist, und erzeugt damit hübsche Muster. Es scheint, daß diese Steine und andere, rote, durch den Fluß aus irgendeiner Wüste herabgeschwemmt werden, durch welche er fließt, bevor er durch einen Bergdurchbruch in ihr Land herabkommt. Auf alle Fälle findet man genug davon im Kiese seiner Ufer, den die Kinder in enggewobenen Sieben aus Menschenhaar oder sonstwie durchzusieben pflegen. Halt, ich will dir zeigen, wie sie aussehen, denn meine Boten brachten mir eine Handvoll oder zwei davon vor vielen, vielen Jahren«, und er klatschte in die Hände.

Sofort, wie vorhin, erschien einer seiner Diener, dem er einige Befehle gab. Der Mann verschwand und kam augenblicklich wieder zurück. Er brachte ein kleines Paket aus altem, faltigem Leder, das aussah wie ein Stück eines alten Handschuhs. Dieses knüpfte er auf und reichte es mir. Darin befanden sich eine Anzahl von Steinen, die das Aussehen von Diamanten hatten, von sehr guten Diamanten, wie ich nach ihrer Farbe urteilte, obgleich keiner davon besonders groß war. Auch war darunter ein Glitzern anderer Steine, die Rubine sein mochten, obwohl ich dies nicht bestimmt entscheiden konnte. Nach oberflächlicher Schätzung mochte man ihnen den Wert von 200 oder 300 Pfund Sterling beilegen. Nachdem ich sie untersucht hatte, reichte ich sie Zikali zurück, aber er sagte mit einer ablehnenden Handbewegung: »Behalte sie nur, Macumazahn; behalte sie. Sie sind mir zu nichts nütze, und wenn du in Heu-Heus Land kommst, vergleiche sie mit denen, die du dort findest und du wirst den Beweis haben, daß ich dich nicht belogen habe.«

»Wenn ich in Heu-Heus Land komme!« rief ich unwillig aus. »Wo aber liegt dieses Land und wie komme ich hin?«

»Das will ich dir lieber morgen sagen, Macumazahn, nicht heute abend, denn es wäre vergebens, Zeit und Worte über die Sache zu verlieren, bevor ich zwei Dinge weiß: Zunächst, ob du überhaupt hinreisen willst und dann, ob dich die ›Walloos‹ empfangen wollen, wenn du hinkämst.«

»Wenn ich die Antwort auf die zweite Frage gehört habe, wollen wir die erste diskutieren, Zikali. Aber warum versuchst du mich zum Narren zu halten? Diese ›Walloos‹ und die wilden Heuheua, mit denen sie im Kriege liegen, wohnen ja, wenn ich recht verstehe, sehr weit entfernt von hier. Wie also kannst du bis morgen Antwort von ihnen haben?«

»Es gibt Wege, ja, es gibt Wege«, entgegnete er verträumt. Dann schien er in eine Art Schlummer zu sinken und sein großer Schädel neigte sich auf seine Brust herab.

Eine Zeitlang starrte ich auf ihn, bis ich schließlich dieser Beschäftigung müde wurde und, um mich blickend, bemerkte, daß es plötzlich finster zu werden begann. Dabei hörte ich auf einmal ein Quietschen in der Luft; scharfes, dünnes Quietschen, so wie von Ratten.

»Schau, Baas«, wisperte Hans mit entsetzter Stimme. »Seine Geister kommen«, und er deutete empor.

Ich folgte seiner Bewegung und weit oben, als ob sie von dem Himmel herabstiegen, sah ich einige weißbeschwingte, flatternde Gestalten, drei an der Zahl. Sie ließen sich sehr rasch in Kreisen herab, und ich bemerkte, daß es Fledermäuse waren, riesige Fledermäuse mit bösartigem Blick. Nun strichen sie über uns hin, so nahe, daß zweimal ihre ausgestreckten Flügel mein Gesicht streiften, was mich mit furchtbarem Entsetzen erfüllte; und jedesmal, so oft so ein Wesen vorbeiflog, kreischte es mir ins Ohr, daß es mir durch Mark und Bein ging.

Hans versuchte, eine von ihnen mit der Hand abzuwehren, worauf sie sich an seinen Arm klammerte und ihn in den Finger biß. So nahm ich wenigstens an, denn er schrie entsetzt auf, zog seinen Hut tief über die Stirn herab und versenkte die Hände in die Taschen. Hierauf konzentrierten die Fledermäuse ihre Aufmerksamkeit auf Zikali. Sie umflatterten ihn unaufhörlich in schwindelerregenden Kreisen, die immer enger und enger wurden, bis sich schließlich zwei von ihnen auf seinen Schultern niederließen, gerade neben seinen Ohren und ihm etwas zuzuflüstern schienen, während die dritte sich an sein Kinn hängte und ihren widerlichen Kopf an seine Lippen drückte.

Jetzt erst schien Zikali zu erwachen, denn seine Augen öffneten sich und wurden hell; er streichelte mit seinen dürren Händen die zwei Tiere auf seinen Schultern, als ob es zahme Vögel wären. Mehr noch, er schien mit dem Tier, das an seinen Lippen hing, zu sprechen, indem er sich einer Sprache bediente, die ich nicht verstand, während es ihm seine Antworten in seinen knirschenden Lauten zuflüsterte. Dann plötzlich machte er eine Bewegung mit seinen Armen, worauf alle drei davonflogen und sich hinaus- und emporschwangen, bis sie plötzlich in der Dämmerung verschwanden.

»Ich zähme Fledermäuse, und diese da sind ganz verrückt nach mir«, sagte er erklärend und fügte hinzu: »Kehre morgen zurück, Macumazahn und vielleicht werde ich imstande sein, dir zu sagen, ob die ›Walloos‹ deinen Besuch wünschen, und wenn dies der Fall ist, dir den Weg in ihr Land zu zeigen.«

So entfernten wir uns denn, froh darüber, endlich fortzukommen, denn der ›Eröffner der Wege‹ mit seinem Geschwätz und seinen Manifestationen, wie man, glaube ich, so was in spiritistischen Kreisen zu bezeichnen pflegt, war eine Person, die einem sehr bald auf die Nerven ging, besonders bei Nacht. Während wir diese verhaßte Schlucht durch die Finsternis hinabstolperten, fragte Hans:

»Was waren denn das für Dinger, die an Zikalis Schultern und Kinn hingen?«

»Fledermäuse, sehr große Fledermäuse, was sonst?« entgegnete ich.

»Ich denke sonst noch manches, Baas! Ich denke, daß es seine Vertrauten sind, die er zu jenen ›Walloos‹ schickt, wie er gesagt hat.«

»Glaubst du also an die Walloos und die Heuheua, Hans? Ich nicht.«

»O ja, Baas, ich glaube daran und was mehr ist, ich glaube, daß wir sie aufsuchen werden, denn dies ist die Absicht Zikalis, und wo ist derjenige, der gegen den Willen des ›Eröffners der Wege‹ ankämpfen kann.«


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