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5
Allan gibt ein Versprechen

Nie konnte ich in der Nachbarschaft des Black Kloof gut schlafen. Es schien mir immer, als entwichen ihm böse vernichtende Ausdünstungen, und so war es auch in dieser Nacht, denn Stunde um Stunde lag ich wach, in Gedanken über die wunderliche Erzählung des alten Zauberers von den Walloos und Heu-Heu, ihrem bösen Geist. Ich starrte mitten in die ungeheure Stille dieses einsamen Ortes, die nur ab und zu durch den seltenen Schrei eines Nachtfalken oder der von ihm ergriffenen Beute oder dem widerhallenden Gekläffe eines einsamen Pavians zwischen den Felsen unterbrochen wurde.

Die Erzählung war purer Wahnsinn. Und doch, und doch gab es so manche sonderbare Völker in den verborgenen Schlupfwinkeln Afrikas und viele von ihnen hatten seltsame Arten von Glauben oder Aberglauben. In der Tat, ich begann ernstlich zu überlegen, ob es diesem, durch ganze Zeitalter hindurch bestehenden Aberglauben nicht möglich ist, wenigstens etwas Konkretes für die davon erfüllten Seelen hervorzubringen.

Außerdem gab es wunderliche Umstände in Verbindung mit dieser Fabel oder diesem Märchen, welche einen gewissermaßen bestärken konnten, an sie zu glauben. Da war zum Beispiel das Bild Heu-Heus in der Höhle, welches Zikali durch seine höllischen Zauberkünste in den Flammen seines Feuers wiedererstehen ließ; dann die Diamanten und Rubine, kurz die Kristalle, was immer sie sein mochten, die gegenwärtig in der Tasche meines Jagdrocks ruhten. Diese mußten, vorausgesetzt, daß sie tatsächlich das waren, wofür Zikali sie ausgab, sehr weit her gekommen sein. Denn niemals hatte ich von ihnen sprechen gehört oder gar welche gesehen, wo immer ich auch herumgereist war, und sie waren auch denen ganz unähnlich, die man zu jener Zeit in Kimberley zu finden begann, da sie vor allem viel mehr durch Wasser abgeschliffen waren.

Zwar hatte das Vorkommen von Diamanten in einem gewissen Distrikt nichts zu tun mit Heu-Heus möglicher Existenz. Daher bewiesen sie so gut wie nichts.

Und wenn es einen Heu-Heu gab, wünschte ich wirklich, ihn von Angesicht zu Angesicht kennenzulernen? Einesteils nicht im geringsten, aber andererseits reizte mich die Sache doch. Meine Neugierde war immer groß, und es würde gewiß herrlich sein, etwas zu entdecken, was noch keines Weißen Augen gesehen hatten. Noch wundervoller wäre es, mit solch einem Ungeheuer zu kämpfen und es vielleicht zu töten. Vor mein inneres Auge trat der Anblick Heu-Heus, wie er ausgestopft im Britischen Museum stand, versehen mit einer Tafel:

»Geschossen in Zentral-Afrika
von Allan Quatermain, Esq.«

Jawohl, dann würde ich, der unbedeutendste und unbekannteste aller Menschen, berühmt werden und mein Bild würde in The Graphic und wahrscheinlich in den Illustrated London News erscheinen und man würde vielleicht sehen, wie ich eben meinen Fuß auf die Brust des hingestreckten Heu-Heus setzte.

Das, wahrhaftig, das wäre Ruhm! Nur schien Heu-Heu ein unangenehmer Kunde zu sein, und die Sache konnte vielleicht ein schlechtes Ende nehmen; er könnte vielleicht seinen Fuß auf meine Brust setzen und mir den Kopf abreißen, wie auf dem Bild in der Höhle. Dann allerdings würden die illustrierten Blätter nichts darüber bringen!

Und dann! Die Geschichte der Stadt, in deren Straßen versteinerte Menschen und Tiere lagen! Das mußte entweder wahr oder falsch sein, denn da fehlten jegliche geisterhafte Verwicklungen! Obwohl ich nie von etwas Derartigem gehört hatte, konnte es doch wohl einen solchen Ort geben, und war dies der Fall, so mußte es schön sein, ihn zu entdecken.

Aber worüber dachte ich da nach! Zikalis Garn war wohl purer Unsinn und reine Erfindung. Dennoch erinnerte mich etwas darin an eine Geschichte, die ich in meiner Jugend gehört, an die ich mich aber lange Zeit nicht erinnert hatte. Endlich kam mir blitzartig die Erinnerung: Mein alter Vater, der ein gelehrter Schulmeister war, besaß ein Buch voll griechischer Legenden, und eine davon handelte von einer Dame namens Andromeda, die Tochter eines Königs, der sie, nach dem Willen seines Volkes und um Unheil von seinem Lande fern zu halten, an einen Felsen band, als Opfer für ein Ungeheuer, das aus dem Meere auftauchen sollte. Da, im kritischen Moment, erschien, wie durch Zauber, ein Held, Perseus genannt, der das Untier erschlug und die Dame zur Frau erhielt.

War nicht diese Geschichte von Heu-Heu eine ähnliche Sache? Die Jungfrau wurde an einen Felsen gebunden; das Ungeheuer tauchte aus dem Meer, besser gesagt aus dem See auf, und schleppte sie davon, wodurch arges Unheil verhütet wurde. So ähnlich war die Sache, daß ich tatsächlich zu vermuten begann, daß es ein Widerhall des altertümlichen Mythos sein könnte, der irgendwie den Weg nach Südafrika gefunden hatte. Nur war bis jetzt kein Perseus im Heuheualande aufgetaucht. Offenbar war diese Heldenrolle mir vorbehalten. Was aber konnte ich in diesem Fall mit der Jungfrau machen? Wahrscheinlich sie ihrer dankbaren Familie zurückgeben, denn gewiß hatte ich nicht die Absicht, sie zu heiraten. Oh, ich wurde noch verrückt bei all diesen Gedanken! Nun wollte ich aber schlafen! Ich wollte ... woll...

 

Eine oder zwei Minuten später, wenigstens schien es mir so, erwachte ich, zwar nicht an Andromeda, wohl aber an den Propheten Samuel denkend. Ich konnte mich eine Zeitlang nicht genug wundern, was auf aller Welt mir diesen faden alten Propheten – Priester – in den Kopf gebracht haben konnte. Dann erinnerte ich mich jedoch – denn ich bin ein guter Kenner des Alten Testamentes – der Empörung dieses herrischen Sehers, als er das Gebrüll der Ochsen hörte, welche Saul auf göttlichen Befehl hin vor dem allgemeinen ›Aufgegessenwerden‹ durch die Amalekiter – wie die Zulus es beschrieben haben würden – bewahrte. (Übrigens konnte ich nie begreifen, was es für einen Zweck hatte, dem ganzen nützlichen Ochsenbestand die Kehle durchzuschneiden.)

Nun also, in meinem Ohr hallte Ochsengebrüll wider, welches wahrscheinlich die Gedankenverbindung hergestellt hatte. Ich wunderte mich, was es wohl für Ochsen sein könnten, denn unsere eigenen grasten in ziemlicher Entfernung. Ich streckte deshalb den Kopf unter dem Wagendach hervor und bemerkte ein wirklich wunderschönes Gespann von achtzehn Zugtieren, von denen zwei als Reserve bestimmt waren, welches eben von zwei unbekannten Kaffern zu meinem Lager getrieben wurde. Jetzt entsann ich mich allerdings sofort der Ochsen, die Zikali mir zu guten Bedingungen zu verkaufen versprochen hatte, und ich mußte zugeben, daß wenigstens in dieser Sache der alte Hexenmeister Wort gehalten hatte.

Ich schlüpfte in meine Hose und stieg vom Wagen herab, um die Tiere zu betrachten. Und wirklich, ich konnte zufrieden sein. Alle hatten sich ausgezeichnet von ihrer Ermattung und ihren wunden Füßen erholt und waren fett und rund, und erweckten den Eindruck, daß sie mit was immer für einer Last jeden beliebigen Weg ziehen konnten. Selbst der kritische Hans drückte seinen uneingeschränkten Beifall aus und schloß aus verschiedenen Anzeichen, daß sie tatsächlich gegen Krankheit gefeit und einige von ihnen auch geimpft zu sein schienen, wie man dies an dem damit verbundenen Verlust ihrer Schwanzspitzen erkennen konnte.

Ich sandte sie unter der Obhut der Kaffern, die sie gebracht hatten, auf die Weide, denn ich wollte sie nicht mit meinen in Berührung bringen, welche Zeichen von Erkrankung zeigten. Dann frühstückte ich in bester Laune, denn, wohin immer ich nun ziehen würde, war ich jetzt mit Zugtieren versorgt. Dann erst dachte ich daran, Zikali wieder zu besuchen. Hans versuchte diesmal, sich zu entschuldigen und zurückzubleiben, unter dem Vorwand, daß er die Ochsen beobachten wolle, die von den fremden Kaffern gestohlen werden könnten. Tatsächlich aber hatte er vor dem alten Zauberer Angst und wollte ihm nicht in die Nähe kommen, wenn es nicht nottat. Dennoch hieß ich ihn, mich zu begleiten, denn er hatte ein ausgezeichnetes Gedächtnis, und vier Ohren waren besser als zwei, wenn es sich darum handelte, mit Zikali zusammenzutreffen.

Wir stapften also wieder die Schlucht hinauf, wurden wie am Abend zuvor sofort in die Umzäunung hineingelassen, die des Hexenmeisters Hütte umgab, und fanden den ›Eröffner der Wege‹ wie gewöhnlich vor seiner Hütte bei einem Feuer sitzend vor. Wie heiß auch das Wetter sein mochte, er ließ sein Feuer nicht ausgehen.

»Was hältst du von den Ochsen, Macumazahn?« fragte er unvermittelt.

Ich erwiderte ihm vorsichtig, daß ich ihm dies erst sagen könne, nachdem ich sie erprobt hätte.

»Schlau wie immer«, sagte Zikali. »Nun, du mußt das Beste aus ihnen herausholen, Macumazahn, und du brauchst erst nach deiner Rückreise zu bezahlen, wie ich dir sagte.«

»Wenn ich woher zurückkomme?« fragte ich.

»Von dort, wo immer du hingegangen sein wirst, was du bis jetzt noch nicht weißt.«

»Nein, Zikali, ich weiß es nicht«, sagte ich und schwieg wieder.

Auch er blieb still, und zwar so lange, daß mir schließlich die Geduld riß und ich sarkastisch fragte, ob er durch die Fledermauspost Nachrichten von seinem Freund Heu-Heu bekommen hätte.

»Gewiß, gewiß, ich habe Nachrichten bekommen«, sagte er, »allerdings nicht durch Fledermäuse, aber vielleicht durch Träume und Visionen. Oh, Macumazahn, wie habe ich dich wieder gefoppt! Warum läufst du immer so leicht in meine Fallen? Du siehst einige Fledermäuse um mich herumflattern und dann davonfliegen, welche in Wirklichkeit, wie ich dir gesagt habe, nur Tiere sind, die ich seit mehreren Jahren gezähmt habe. Du glaubst aber schon halb und halb, daß ich sie tausend Meilen weit weggeschickt habe, um eine Botschaft auszurichten und mir Antwort zu bringen! Das ist doch nicht möglich!

Nun, ich will dir die Wahrheit sagen. Nicht so trete ich in Verbindung mit denen, die weit entfernt sind. O nein, meine Gedanken sende ich aus, und sie fliegen überall hin, bis zum Ende der Erde, so daß die ganze Welt sie lesen könnte, wenn sie dazu imstande wäre. Und doch sind sie vielleicht unter den Millionen Geistern nur auf einen einzigen Geist abgestimmt, der sie auffangen und verstehen kann. Aber für gewöhnliche Leute – ja, und sogar für den weißen Mann, der nichts davon versteht – bleibt nichts als das Symbol der Fledermäuse und ihrer Botschaft. Warum willst du immer Zauberei zu Hilfe rufen, um ganz natürliche Dinge zu erklären, Macumazahn?«

Nun, ich dachte zwar, daß meine Ansicht über die Natur von der Zikalis abwich, aber, da ich wußte, daß er mich nach seiner Gewohnheit aufzuziehen suchte, vermied ich es, mich in eine Diskussion einzulassen, als ob dies unter meiner Würde wäre und sagte:

»All dies ist so klar, daß ich mich wundere, warum du Worte verlierst, um es zu erklären. Ich wollte nur wissen, ob du eine Antwort auf deine Botschaft erhalten hast, wie immer du sie ausgesandt hast, und wenn ja – was für eine Antwort.«

»Ja, Macumazahn, zufällig habe ich eine Antwort bekommen, und zwar gerade, als ich diesen Morgen erwachte. Und das ist ihr Inhalt: Der Häuptling der Walloos, mit dem mein Herz gesprochen hat, sowie, seiner Ansicht nach, die Mehrzahl seines Volkes, wird glücklich sein, dich in ihrem Land willkommen zu heißen. Trotzdem werden, wie er glaubt, die Priester Heu-Heus, die ihn als Gott anbeten und seinen Diensten geweiht sind, nicht froh darüber sein. Wenn du dich entschließt zu kommen, wird dir der Häuptling alles zur Verfügung stellen, Diamanten, und was er sonst noch besitzt, und all dies kannst du mit dir nehmen, wie auch die Medizin, die ich mir wünsche. Ferner wird er dich, so weit er kann, vor Gefahren beschützen. Aber für dieses Entgegenkommen verlangt er Zahlung.«

»Was für eine Zahlung, Zikali?«

»Die Bezwingung Heu-Heus.«

»Und wenn ich Heu-Heu nicht bezwingen kann, Zikali?«

»Dann wird er gewiß dich vernichten, und das ganze Geschäft wird illusorisch.«

»Ist es so? Gut, Zikali, und wenn ich gehe, werde ich dann getötet werden?«

»Wer bin ich, daß ich über Leben und Tod gebieten kann, Macumazahn? Dennoch ...«, fügte er bedächtig hinzu, indem er seine Worte durch kleine Prisen von Schnupftabak trennte, »dennoch glaube ich nicht, daß du getötet werden wirst. Wenn ich dies glaubte, würde ich es dir nicht frei stellen, mir die Ochsen nach deiner Rückkehr zu bezahlen. Außerdem glaube ich, daß du noch so manches in der Welt zu erledigen hast – manches davon für mich, Macumazahn, das ohne dich nicht ausgeführt werden könnte. Deshalb würde ich nichts weniger wünschen, als dich in den Tod zu schicken.«

Ich überlegte, daß er wahrscheinlich die Wahrheit sprach, denn immer brütete er über irgendeiner großen zukünftigen Unternehmung, in die wir zusammen verwickelt werden sollten. Auch wußte ich, daß er in seiner sonderbaren Weise viel für mich übrig hatte und mir deshalb nichts Böses wünschte. Dazu kam, daß mich plötzlich eine heftige Sehnsucht erfaßte, dieses Abenteuer zu unternehmen, das es mir vielleicht ermöglichen würde, neue merkwürdige Dinge zu sehen; denn die alten begannen mich zu langweilen. Immerhin, ich verbarg diese Sehnsucht, wenn überhaupt vor Zikali etwas verborgen werden konnte, und fragte in geschäftsmäßigem Ton:

»Wohin wünschest du also, daß ich ziehe, wie weit ist es bis dahin, und wenn ich gehe, wie komme ich hin?«

»Nun endlich beginnen wir, unsere Assegais Speere zu ergreifen, Macumazahn.« Womit er meinte, daß wir von Geschäften zu sprechen anfingen. »Paß auf, ich will es dir sagen.«

Und tatsächlich, mehr als eine Stunde lang gab er mir Aufklärungen, aber ich will euch Burschen nicht mit alledem langweilen, was er mir sagte, denn geographische Einzelheiten sind überaus langweilig, und ich möchte auch in meiner Geschichte vorwärts kommen.

Sie, mein Freund (hier wandte er sich an mich, den Herausgeber), bleiben ja nur bis morgen abend hier, und ich muß meine Zeit gut benützen, um sie bis dahin zu beenden, das heißt, wenn Sie das Ende hören wollen.

So, das ist also der Weg«, sagte ich, als Zikali schließlich zu Ende gekommen war. »Nun gut, ich sage dir jetzt grad heraus, daß ich nicht daran denke, ihn durch unbekanntes Gebiet zu unternehmen. Wie könnte ich mich jemals ohne Führer zurechtfinden? Ich mache, daß ich nach Prätoria komme, mit deinen Ochsen oder ohne sie!«

»Ist es so, Macumazahn? Ich beginne zu glauben, daß ich sehr klug bin. Ich habe mir gedacht, daß du so reden würdest und habe deshalb Vorsorge getroffen, und einen Mann ausfindig gemacht, der dich direkt zu Heu-Heus Aufenthaltsort führen wird. Er befindet sich in der Nähe, und ich will um ihn schicken.«

Und er rief auf seine gewöhnliche Art einen Diener herbei, dem er einen Befehl gab.

»Woher kommt dieser Mann, wer ist er und wie lang ist er bereits hier?« fragte ich.

»Ich weiß nicht genau, wer er ist, Macumazahn, denn er redet nicht viel über sich, aber ich habe verstanden, daß er aus der Umgebung des Heuheualandes kommt, oder vielleicht auch von dort selbst, wie mir scheint. Er war lange genug bei mir hier, so daß ich ihn auch etwas Zulu lehren konnte, obgleich das bei dir nichts ausmacht, denn du sprichst ja ganz gut Arabisch. Nicht wahr?«

»Gewiß, ich spreche es, und auch Hans spricht es ein wenig.«

»Gut, ich glaube, das ist seine Sprache, Macumazahn, und das wird die ganze Sache erleichtern. Ich kann dir auch gleich sagen, daß er ein wunderlicher Geselle ist, gewiß ganz anders, als du es vielleicht erwartest, aber darüber kannst du ja selbst urteilen.«

Ich entgegnete nichts, aber Hans flüsterte mir ins Ohr, daß es zweifellos einer der Söhne Heu-Heus wäre und sicherlich aussehe wie ein großer Affe. Obgleich er ganz leise und in großer Entfernung von Zikali gesprochen hatte, schien dieser ihn doch verstanden zu haben, denn er bemerkte:

»Dann wirst du glauben, einen neuen Bruder gefunden zu haben, nicht wahr, ›Licht in der Finsternis‹?« Dies war, wenn ich es noch nicht gesagt haben sollte, der Titel, den Hans bei einer rühmlichen Gelegenheit erworben hatte. Hans schwieg, denn er wagte es nicht, dem ›Eröffner der Wege‹ gegenüber zu zeigen, wie sehr ihn dieser Vergleich mit einem Affen kränkte. Auch ich blieb still, denn ich war mit meinen eigenen Gedanken beschäftigt; jetzt erst, wie in plötzlicher Erleuchtung, erkannte ich den ganzen Streich, der mir unter dieser Zauberkomödie gespielt worden war. Ein Bote aus einem fremden, entfernten Lande war zu Zikali gekommen und hatte aus mir unbekannten Gründen ihn um Hilfe gebeten!

Dieser hatte sich entschlossen, den gewünschten Beistand durch mich zu leisten, den er als für seine Zwecke geeignet betrachtete. Daher rührte also der Köder mit den Ochsen, den er mir durch seine Boten bereits hatte legen lassen, als ich noch weit weg von seinem Wohnort war, sobald er von meinem Mißgeschick erfahren hatte. Tatsächlich, es sah aus, als ob jedes einzelne Geschehnis zu seinem Plane gehört hätte, obwohl dies natürlich nicht möglich war, denn Zikali konnte nicht veranlaßt haben, daß ich gezwungen war, in jener bestimmten Höhle vor einem Unwetter Zuflucht zu suchen.

Kurz, es war seine Absicht, mich für seine Zwecke zu verwenden, obwohl ich keine Ahnung hatte, was diese eigentlich seien. Er behauptete, daß er Blätter eines gewissen Baumes zu erhalten wünschte, was ja vielleicht wahr sein mochte, aber ich war überzeugt, daß dahinter mehr stecken mußte.

Möglicherweise war seine Neugierde erregt, und er wünschte Näheres über ein entferntes, geheimnisvolles Volk zu erfahren, denn er hatte eine Schwäche für jede Art von Wissen. Oder es war vielleicht dieser Heu-Heu, wenn er überhaupt existierte, in gewisser okkulter Hinsicht ein Rivale für ihn, der zwischen ihm und seinen Plänen stand und infolgedessen auch zu beseitigen war.

Wenn man auch neunzig Prozent von Zikalis übernatürlichen Kräften als baren Humbug bezeichnen konnte, so waren doch gewiß die übrigen zehn Prozent echt. Gewiß lebte er und bewegte sich auf einem anderen Niveau, als die übrigen Sterblichen und verfügte über Verbindungen und Kräfte, von denen wir nichts wissen. Außerdem war er, wie ich mit Recht anzunehmen glaube, obwohl ich es nicht auf den Beweis ankommen lassen kann, in Verbindung mit anderen Männern derselben Klasse oder Hierarchie in Afrika – ja, über Tausende von Meilen hinweg –, von denen manche seine Freunde und andere wieder seine Feinde gewesen sein mögen, die aber alle in ihrer Art über eine gewisse Macht verfügten.

Während ich so überlegte und der alte Zikali meine Gedanken las – wovon ich überzeugt war, denn ich sah ihn in seiner grimmigen Art lächeln und mit seinem riesigen Kopf wie in Zustimmung zu meinen Schlußfolgerungen nicken –, kehrte der Diener wieder zurück. Er ließ eine große Gestalt ein, die in einen malerischen Fellumhang gehüllt war, der zugleich ihren Kopf und ihren Körper bedeckte. Vor uns angekommen, warf der Neuankömmling den Umhang fort und verneigte sich zum Gruß, zuerst vor Zikali und dann vor mir. Ja, so groß war seine Höflichkeit, daß er selbst Hans in derselben Weise mit seinem Gruß beehrte, nur war seine Verneigung dabei weniger tief.

Voll Erstaunen blickte ich auf ihn, und ich muß sagen, daß ich dazu berechtigt war, denn vor mir stand der schönste Mann, den ich jemals gesehen hatte! Er war groß, höher als sechs Fuß und von herrlicher Gestalt, besaß einen gewölbten Brustkasten und muskulöse Formen, und seine Hände und Füße hätten einer griechischen Statue keine Schande gemacht. Auch sein Antlitz war wunderbar, wenn auch fast düster zu nennen. Seine Züge waren ausgeprägt, seine Haut beinahe weiß und in seinen großen dunklen Augen lag etwas, das vornehme, alte Abstammung andeutete. In der Tat, er sah aus, als wäre er soeben gerade aus längstvergangenen Zeiten vor uns hingetreten. Er hätte ein Bewohner des versunkenen Kontinents Atlantis oder ein sonnenverbrannter Grieche sein können, denn sein braunes Haar war gelockt, selbst dort, wo es über seine Schultern herabhing. Sein Kinn jedoch und seine Oberlippe waren bartlos. Kurz, er war ein hervorragender Vertreter der Menschheit und unterschied sich angenehm von allen anderen, die ich je gesehen hatte.

Auch seine Kleidung war überraschend und eigenartig, obgleich stark abgetragen. Sie hätte dem Leichnam eines ägyptischen Pharaos abgenommen worden sein können. Sie bestand in einem Leinenrock, der um seinen Körper gewunden und an den Ecken mit verblaßtem Purpur bestickt war; einer fadenscheinigen, leinenen Kopfbedeckung in der Form der unteren Hälfte einer umgestülpten Sodawasserflasche, die in eine Spitze ausging; einem oben engen, in der Gegend der Knie jedoch sich erweiternden, ebenfalls gestickten Lederhemd und Sandalen aus demselben Material.

Verblüfft starrte ich ihn an und konnte mir nicht erklären, ob er zu einem mir unbekannten Volk gehörte oder eine Spukgestalt Zikalis war. Hans ging es ebenso, denn seine schmutzigen kleinen Augen sprangen ihm fast aus den Höhlen und er fragte mich flüsternd:

»Ist das ein Mensch, Baas, oder ein Geist?«

Der Fremde trug über der Schulter einen schweren Bügel, offenbar aus Gold, woran ein Schwert mit einem elfenbeinernen Kreuzgriff in einer roten Scheide hing.

Eine Zeitlang stand dieser bemerkenswerte Ankömmling mit gefalteten Händen und demütig geneigtem Kopf vor uns, obgleich es eher mir zugekommen wäre, demütig zu sein, so groß war der physische Kontrast zwischen uns beiden. Anscheinend schien er es nicht für geziemend zu halten, als erster zu sprechen, während Zikali grimmig kicherte, ohne mir zu Hilfe zu kommen. Schließlich fühlte ich, daß etwas geschehen müsse, und so erhob ich mich von dem Stuhl, auf dem ich saß und streckte meine Hand aus. Nach kurzem Zögern ergriff sie der schöne Fremdling, aber nicht, um sie in der üblichen Weise zu schütteln, sondern er neigte sein Haupt und berührte meine Finger sanft mit den Lippen, als ob er ein französischer Höfling und ich eine schöne Dame sei. Ich erwiderte die Verneigung mit so viel Grazie, als mir möglich war; dann sagte ich, während ich meine Hand in meine Hosentasche versenkte, auf englisch: »Wie geht es Ihnen?«, und da er mich anscheinend nicht verstand, wiederholte ich es auf Zulu: »Sakubona.« Als auch dies vergebens war, begrüßte ich ihn in meinem schönsten Arabisch im Namen des Propheten. Diesmal stieß ich auf Öl, wie ein amerikanischer Freund, Brother John genannt, zu sagen pflegte, denn er erwiderte in derselben Sprache oder in ähnlichen Lauten. Mit sanfter, angenehmer Stimme, jedoch ohne auf den Propheten anzuspielen, redete er mich als »Großer Häuptling Macumazahn, dessen Ruhm und Tapferkeit über die ganze Erde widerhallt« und einer Menge sonstigen derartigen Unsinns an. Ich erkannte daran, daß Zikali ihm etwas vorgeflunkert hatte, was er nicht hätte tun sollen.

»Ich danke«, unterbrach ich ihn, »danke dir, Herr ...?« und ich machte eine Pause.

»Mein Name ist Issicore«, sagte er.

»Ein sehr hübscher Name, in der Tat, obgleich ich noch nie einen ähnlichen vernommen habe«, entgegnete ich. »Nun gut, Issicore, was kann ich für dich tun?« Eine unpassende Bemerkung, wie ich zugebe, aber ich wünschte endlich einmal zu Tatsachen zu kommen.

»Alles!« entgegnete er inbrünstig und legte seine Hände an die Brust. »Du kannst eine wunderbare Frau vom Tode erretten, die dich lieben wird!«

»Wird sie das?« rief ich. »Dann will ich nichts mit dieser Sache zu tun haben, denn so etwas führt gewöhnlich nur immer zu Scherereien.«

An dieser Stelle brach Zikali das erste Mal sein Schweigen und sagte ganz langsam zu Issicore, indem er sich dabei des Zulu bediente, welches er ihn ja gelehrt hatte:

»Der Häuptling Macumazahn ist bereits mit Frauenliebe überhäuft und hat keine Verwendung für mehr davon. Sprich nicht von Liebe zu ihm, o Issicore, sonst könntest du den Geist einer Frau beleidigen, der an diesem Orte spukt, den Geist einer gewissen Mameena aus königlichem Geblüt, die er einst sehr gut kannte.«

Diesmal wandte ich mich zu Zikali in der Absicht, ihm eine Probe meines Unwillens zu geben, als Issicore mit leichtem Lächeln fortfuhr:

»Die dich lieben wird – wie einen Bruder.«

»Das läßt sich eher hören«, sagte ich. »Obgleich ich mir nicht bewußt bin, daß ich noch zu meinen Lebzeiten eine Schwester adoptieren will. Aber ich nehme an, daß du sagen willst, sie wird mir sehr zu Dank verpflichtet sein?«

»So ist es, o Herr, auch wird deine Belohnung groß sein.«

»Ah!« sagte ich nun, denn mein Interesse war geweckt. »Sei jetzt so gut und sage mir genau, was du von mir wünschest.«

Nun, um eine lange Erzählung zu vermeiden, will ich bloß bemerken, daß er Zikalis Märchen wiederholte. Ich hatte in dieses weit entfernte Land zu reisen, die Vernichtung eines sagenhaften Ungeheuers oder Götzen oder vielleicht eines Religionssystems herbeizuführen, und würde als Belohnung so viele Diamanten erhalten, als ich zu tragen vermochte.

»Aber warum könnt ihr euch nicht selbst von eurem bösen Geiste befreien?« fragte ich. »Du siehst aus wie ein Krieger und bist groß und stark!«

»Herr«, entgegnete er sanft und erhob beide Hände in beschwörender Gebärde, »ich bin stark, und ich kann sagen, daß ich tapfer bin. Aber es kann nicht sein! Kein Mann meines Stammes kann über den Gott meines Volkes – wenn man ihn so nennen kann – triumphieren! Selbst offene Widersetzlichkeit würde einen Fluch auf uns herabziehen; außerdem würden uns seine Priester erschlagen ...«

»Hat er also auch Priester?« unterbrach ich ihn.

»Ja, Herr, der Gott hat Priester, die seinem Dienste geweiht sind, böse Männer, so wie auch er böse ist. O Herr, komm, ich flehe dich an, und rette Sabeela, die Wunderschöne!«

»Warum nimmst du dich denn dieser Jungfrau so an?« fragte ich.

»Herr, weil sie mich liebt – nicht als Bruder – und ich sie liebe. Sie, die große Herrin meines Landes und meine Base, ist mir verlobt, und wenn der Gott nicht gestürzt wird, wird sie ihm als die schönste unserer Jungfrauen geopfert!«

Hier schien ihn Rührung, wirkliche Rührung, zu überkommen, denn er neigte das Haupt, und ich sah Tränen aus seinen dunklen Augen fließen. Dies ergriff mich.

»Höre, Herr«, fuhr er fort, »es gibt eine uralte Weissagung in meinem Land, daß dieser Gott, dessen verhaßte Gestalt den Geist eines langverstorbenen Häuptlings birgt, nur durch einen Mann anderer Abstammung vernichtet werden kann, einen Mann, der bei Nacht zu sehen vermag und der bestimmt ist, zur rechten Zeit als unser Retter geboren zu werden. Nun ließ ich durch unsere Zauberer bei jenem Herrscher über die Geister, der Zikali genannt wird, anfragen, denn ich war verzweifelt, da ich wußte, was zur bestimmten Zeit geschehen würde. Durch ihn erfuhr ich, daß im Süden solch ein Mann lebt, wie er in der Weissagung beschrieben wird, und daß sein Name ›Wächter in der Nacht‹ ist. Da wagte ich die Reise und trotzte dem Fluch und kam, um dich zu suchen. Und sieh! Ich habe dich gefunden.«

»Ja«, entgegnete ich, »du hast einen gefunden, dessen Name ›Wächter in der Nacht‹ ist, der aber nicht besser als irgend jemand anderer bei Nacht zu sehen vermag und weder ein Held, noch besonders tapfer, sondern ein Handelsmann und Jäger wilder Tiere ist. Und ich sage dir, Issicore, daß ich nicht die Absicht habe, mich mit euren Göttern und Priestern und euren Stammesangelegenheiten abzugeben, oder mit einem großen Affen zu kämpfen, wenn es einen solchen gibt, mit der Aussicht, eine Tasche voll glänzender Steine heimzubringen, wenn ich mit dem Leben davonkomme, und ein Bündel Blätter zu erhalten, wie dieser Zauberer sie wünscht. Du tätest besser, einen anderen weißen Mann mit Augen wie die einer Katze zu suchen, der über größere Kraft und mehr Mut verfügt als ich!«

»Wie kann ich einen anderen suchen, wenn ohne jeden Zweifel du der eine, Angekündigte bist, Herr? Wenn du nicht mit mir kommst, dann kehre ich zurück, um mit Sabeela zu sterben, und alles ist zu Ende.«

Er hielt für einen Augenblick lang inne und fuhr dann fort:

»Herr, ich kann dir nur wenig bieten, aber belohnt sich eine gute Tat nicht selbst und wird nicht die Erinnerung an sie dein Herz mit Freude erfüllen? Weil du edel bist, flehe ich dich an, mit mir zu kommen, nicht um des Verdienstes willen, sondern nur, weil du edel bist und Menschen von Grausamkeiten und Unheil retten willst. Ich habe gesprochen, nun entscheide dich.«

»Warum hast du denn nicht selbst Zikali seine verdammten Blätter gebracht?« fragte ich wütend.

»Herr, ich konnte nicht an den Ort gelangen, wo dieser Baum in Heu-Heus Garten gedeiht; auch wußte ich gar nicht, daß dieser Herrscher über die Geister diese Medizin benötigt. Herr, sei edel, wie es deiner Natur entspricht, die weit und breit bekannt ist!«

Nun, meine Burschen, ich muß euch sagen, daß ich geschmeichelt war, als ich dies hörte. Wir alle denken, daß wir zu Zeiten edel sind, aber nur wenige sagen uns dies ins Gesicht und daher überraschte mich dieses Lob angenehm aus dem Munde dieses außerordentlich bemerkenswerten, hübschen und in seiner Weise wohlerzogenen Sohnes von Cham – wenn er überhaupt ein Sohn Chams war. Mir erschien er eher als ein verkleideter Prinz, irgendeine Person von unbekannter, aber hochentwickelter Rasse, die aus einem Märchenbuch ins Leben getreten war. Aber wenn ich es genau überlegte, war es gerade das, was er von sich behauptete. Auf alle Fälle war er ein überaus scharfsinniger Beobachter mit sehr viel Menschenkenntnis. (Es fiel mir damals gar nicht auf, daß Zikali ebenfalls sehr scharfsinnig war und über große Menschenkenntnis verfügte. Denn diese hatte ihn veranlaßt, uns beide zusammenzubringen, indem er dabei seine eigenen, geheimen Zwecke verfolgte, und diese hieß ihn, um auf mich einen Druck auszuüben, Issicore die Geschichte mit dem vorbestimmten, weißen Mann, der in der Finsternis sehen konnte, auf die Nase binden. Denn das hatte er ohne Zweifel getan.)

Auch war das vorgeschlagene Abenteuer ein so sonderbarer und ungewöhnlicher Auftrag, daß es mich magnetisch anzog. Angenommen, daß ich ein hohes Alter erreichte, konnte dann ich, Allan Quatermain, zurückblicken und mich ohne Bedauern daran erinnern, daß ich eine derartige Gelegenheit versäumt hatte? Würde ich ins Grab steigen können, ohne zu wissen, ob solch ein Heu-Heu tatsächlich existierte oder nicht, der einige liebliche Andromedas – ich meine Sabeelas – von Felsen herunterriß und in seiner widerwärtigen Person die Eigenschaften eines Götzen oder Fetisches, eines Geistes, eines Teufels und eines Übergorillas vereinte?

Konnte ich meine zwei bescheidenen Talente, nämlich Abenteuerlust und Zielsicherheit, in dieser Weise begraben? In der Tat, ich dachte, daß ich es nicht könne. Wenn ich es täte, wie würde ich mich vor meinem eigenen Gewissen in diesen letzten tatenlosen Jahren verantworten können? Und dennoch gab es andererseits so viel dagegen vorzubringen, daß ich es gar nicht zu erwähnen brauche! Schließlich, als ich sah, daß ich zu keinem Entschluß kommen konnte, wurde ich schwach und beschloß, die Sache dem Schicksal zu überlassen. Ich beschloß, es mit ›Kopf oder Adler‹ zu versuchen und Hans für diese Zwecke zu verwenden.

»Hans«, sagte ich auf Holländisch, eine Sprache, die keiner der beiden anderen verstand. »Sollen wir in die Heimat dieses Mannes reisen oder sollen wir hier bleiben? Du hast alles gehört; jetzt sprichst du, und ich werde mich nach deiner Entscheidung richten. Verstehst du mich?«

»Ja, Baas«, sagte Hans, seinen Hut in der bekannten Weise drehend, »ich verstehe, daß der Baas, wie gewöhnlich, wenn er in einen tiefen Brunnen gefallen ist, sich bei Hans Rat holt, um wieder herauszukommen – bei Hans, der ihn von Kindheit an aufgezogen und ihn das meiste von dem gelehrt hat, was er weiß; bei Hans, auf den sich sein verehrter Vater zu stützen pflegte, wie auf einen Stock, das heißt, nachdem er ihn zu einem guten Christen bekehrt hatte. Aber die Sache ist wichtig und bevor ich mein Urteil abgebe, das nach der einen oder anderen Richtung entscheiden wird, möchte ich noch einige Fragen stellen.«

Er drehte sich um und wandte sich in seinem schlechten Arabisch zu dem geduldigen Issicore:

»Sag mir, du langer Baas mit der Hakennase, kennst du den Weg zurück in dein Land, und wenn ja, wieviel davon kann mit einem Wagen zurückgelegt werden?«

»Ich kenne ihn«, erwiderte Issicore, »und man kann ihn ganz mit einem Wagen zurücklegen, bis man die erste Hügelkette erreicht. Auch gibt es diese entlang reichlich Wild und Wasser, außer in der Wüste, von der ich dir erzählte. Die Reise dürfte etwa drei Monate in Anspruch nehmen, obgleich ich allein sie in zwei zurückgelegt habe.«

»Gut, und wenn mein Baas, Macumazahn, in euer Land kommt, wie wird er dort empfangen werden?«

»Von der Mehrzahl des Volkes mit freudigem Herzen, jedoch nicht gut von den Priestern Heu-Heus, denn sie denken, daß er kommt, um ihrem Gott Schaden zuzufügen; und ganz bestimmt sehr schlecht vom haarigen Volke, das die Wälder bewohnt und ›Kinder des Gottes‹ genannt wird. Er muß sich darauf gefaßt machen, mit diesen unaufhörlich Krieg zu führen, obwohl die Prophezeiung sagt, daß er sie alle besiegen wird.«

»Und gibt es genug zu essen in deinem Land? Gibt es dort Tabak und Besseres zu trinken, als Wasser, langer Baas?«

»Genug von allen diesen Dingen! Es gibt dort Überfluß jeder Art, oh, Berater des weißen Häuptlings, und an alledem werdet ihr, er und du, Anteil haben, obwohl«, fügte er mit einem leichten Neigen des Kopfes hinzu, »jene, die mit den Priestern des Gottes und dem haarigen Volke Händel haben, gut tun, Wasser zu trinken, da sie sonst leicht betäubt werden könnten.«

»Habt ihr dort Gewehre?« fragte Hans und deutete auf meine Büchse.

»Nein, unsere Waffen sind Schwert und Speer und das haarige Volk benützt Pfeile und Bogen.«

Nun hörte Hans auf zu fragen und begann zu gähnen, als ob er müde geworden sei. Dabei schaute er zum Himmel empor, wo einige Geier kreisten.

»Baas«, sagte er, »wie viele Geier siehst du dort oben? Sind es sieben oder acht? Ich habe sie nicht gezählt, aber ich glaube, es sind sieben.«

»Nein, Hans, es sind acht, einer, der höchste, war hinter einer Wolke verborgen.«

»Bist du ganz überzeugt davon, daß es acht sind, Baas?«

»Vollkommen überzeugt«, sagte ich ärgerlich. »Warum fragst du solch blödes Zeug, da du ja selbst zählen kannst.«

Hans gähnte wieder und sagte:

»Dann werden wir mit diesem hübschen, hakennäsigen Baas in das Land Heu-Heus ziehen. Die Sache ist erledigt.«

»Was, zum Teufel, meinst du damit, Hans? Was in aller Welt hat die Anzahl von Geiern mit dieser Angelegenheit zu tun?«

»Alles, Baas. Siehst du, die Last dieser Wahl war zu schwer für meine Schultern, deshalb erhob ich meine Augen und sandte ein Stoßgebet zu deinem verehrten Vater empor, er möge mir helfen. Dabei sah ich die Geier. Da schien dein verehrter Vater im Himmel oben zu sagen: ›Wenn dort eine gerade Anzahl von Geiern kreist, Hans, dann reiset. Ist es jedoch eine ungerade Anzahl, dann bleibt, wo ihr seid. Lasse meinen Sohn, den Baas Allan, sie zählen, denn dann wird er nicht das Recht haben, auf dich zu schimpfen, wenn die Sache schlecht ausgeht, ob ihr nun reiset oder nicht, und zu sagen, daß du schlecht gezählt oder gemogelt hast.‹ Und jetzt, Baas, habe ich genug von alledem und möchte zu unserem Lagerplatz zurückkehren, um die neuen Ochsen zu besichtigen.«

Sprachlos vor Entrüstung schaute ich auf Hans. In meiner Feigheit hatte ich die Entscheidung in dieser Angelegenheit seiner Schlauheit und Erfahrung überlassen. Und was hatte der kleine Gauner getan? Er hatte eines seiner Garne über meinen armen alten Vater zusammengesponnen und tatsächlich »Grad oder Ungrad« gespielt, wobei er aber die Zahl der Geier durch mich zählen ließ! Ich war so wütend, daß ich in sprechender Weise meinen Fuß erhob, worauf Hans, der etwas Derartiges erwartet hatte, verschwand.

Wirklich, ich sah ihn nicht mehr, bis ich zu unserem Lager zurückkam.

»Ha, ha!« lachte Zikali, »haha, haha!« während der würdige Issicore die Szene mit milder Überraschung betrachtete.

Dann wandte ich mich an Zikali und sagte:

»Einen Gaukler habe ich dich vorhin genannt, und einen Gaukler nenne ich dich wieder, mit all deinem Unsinn von Fledermausbotschaften und dem Märchen von der Prophezeiung, das du diesem Mann da aufgetischt hast und so weiter. Der da ist die Fledermaus, die jene Botschaft gebracht hat, oder der Traum, oder die Vision, oder wie du es vorziehst, es zu nennen! Und während der ganzen Zeit hast du ihn in euren Höhlen verborgen gehalten!«, dabei deutete ich auf Issicore. »Und nun bin ich in die Schlinge gelaufen und habe gesagt, daß ich diese Narrenfahrt unternehme, und da ich nie mein Wort breche, muß ich es auch tun!«

»Hast du dies getan, Macumazahn?« fragte Zikali unschuldig. »Du sprachst mit ›Licht in der Finsternis‹ Holländisch, was weder ich noch dieser Mann zu sprechen verstehen, daher wußten wir nicht, was du gesagt hast. Aber da du aus deiner Anständigkeit heraus es uns gesagt hast, verstehen wir es jetzt und natürlich wissen wir, wie jedermann, daß dein einmal gegebenes Wort die Unterschriften aller weißen Männer zusammengenommen aufwiegt und daß nichts als Krankheit oder Tod dich zurückhalten wird, Issicore in seine Heimat zu begleiten. Ha, ha! Alles ist gekommen, wie ich es aus Gründen, mit denen ich dich nicht belästigen will, Macumazahn, gewollt habe!«

Jetzt erst sah ich, daß ich zweimal auf den Leim gegangen war, einmal Hans, und das andere Mal Zikali selbst! Um die Wahrheit zu sagen, hatte ich ganz vergessen, daß er Holländisch nicht verstand, obwohl ich daran dachte, als ich mich dieser Sprache zu bedienen begann, und daß es daher gar nichts zu sagen hatte, wenn ich Hans privat meine Zustimmung zu der Reise ausgedrückt hatte. Aber wenn Zikali auch kein Holländisch verstand, wovon ich übrigens nicht so ganz überzeugt war, so kannte er doch die menschliche Natur und konnte Gedanken lesen, denn er fuhr fort:

»Koche nicht in deinem Innern, wie ein Topf mit einem Stein auf seinem Deckel, weil dein geschickter Fuß ausgeglitten ist und du öffentlich in einer Sprache wiederholt hast, was du bereits leise in einer anderen ausgesprochen hattest und so uns beiden ein Versprechen gegeben hast! Denn immerhin, Macumazahn, hattest du dieses Versprechen bereits gegeben und dein weißes Herz hätte nicht geduldet, daß du es wieder verschluckt hättest, nur, weil wir es mit unseren Ohren nicht gehört haben. Nein, dein großmütiges weißes Herz wäre dir in die Kehle emporgestiegen und hätte sie fest verschlossen. So stoße die brennenden Scheite unter dem Wasser deiner Wut hinweg und lasse es aufhören zu sieden! Ziehe aus, wie du es versprochen hast, um wunderbare Dinge zu sehen und herrliche Taten zu vollbringen und die Reinen und Unschuldigen aus den Händen böser Götter oder Menschen zu befreien!«

»Jawohl, und um meine Finger zu verbrennen, indem ich deine Kastanien aus dem Feuer hole, Zikali«, sagte ich mit unterdrückter Wut.

»Vielleicht, Macumazahn, vielleicht, denn wenn ich keine Kastanien hätte, die aus dem Feuer zu holen wären, würde ich dann alle diese Belästigungen auf mich genommen haben? Aber was kann das dir bedeuten, dir, dem tapferen weißen Häuptling, der die Wahrheit sucht, wie ein geworfener Speer das Herz des Wildes? Du wirst viele Wahrheiten finden dort drüben, Macumazahn, neue Wahrheiten, und was tuts, wenn der Speer ein wenig blutig ist, nachdem er das Herz, den Kernpunkt der Dinge, erreicht hat? Er kann ja wieder gereinigt werden, Macumazahn, er kann gereinigt werden, und außer vielen anderen Diensten wirst du deinem alten Freund Zikali, dem Gaukler, einen Dienst erwiesen haben.«

 

Hier sah Allan auf die Uhr und hielt inne.

»Du liebe Güte – wißt ihr, Kinder, wie spät es ist?« sagte er. »Zwanzig Minuten nach eins, beim Kopfe Chakas! Wenn ihr die Geschichte heute nacht zu beenden wünscht, so könnt ihr es selbst tun, ganz nach Geschmack! Ich mache mich davon, oder ich werde morgen beim Schießen einen Heuschober verfehlen!«


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