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Ich habe diesem Bericht, der mir unter den Händen zu einem dicken Buche angewachsen ist, nur noch wenig hinzuzufügen. Oder vielleicht bin ich jetzt auch des Schreibens überdrüssig geworden. Nun, da der Frühling gekommen ist, mag ich nicht mehr hinter dem Schreibtisch sitzen.
* * *
Wir waren also Sieger, und wir hatten allen Grund zur Dankbarkeit und zur Freude. Und doch war die Nacht, die der Schlacht am Tore folgte, dunkel und traurig, wenigstens für mich, der ich unter dem Tod meines Freundes, des Helden mit dem zweiten 332 Gesicht, Mavovo, und dem meiner braven Jäger mehr litt als ich sagen kann.
An jenem Abend war das Wetter keineswegs dazu angetan, uns aufzuheitern. Denn kurz nach Sonnenuntergang begann es zu regnen, und es goß fast die ganze Nacht hindurch. Keiner von uns hatte ein Obdach, und so saßen wir frierend und hungrig im Regen, wir und all die Hunderte heimatloser Mazitu.
Doch auch diese Nacht verging, und als die Sonne herausgekommen war, waren wir bald getrocknet und gewärmt. Jetzt gingen wir zu dem rauchenden Aschen- und Trümmerhaufen, der einmal die Stadt Bezar gewesen war. Von Bausi, Babemba und vielen Mazitu begleitet, kletterten wir über die Trümmer des Südtores, strichen dann durch die schwarzen Ruinen der Hütten, schritten über den Marktplatz, der mit Leichen Erschlagener bedeckt war, und näherten uns der Stätte unserer ehemaligen Wohnung.
Drei Tage später sagten wir dem alten Bausi, der Tränen vergoß, und Babemba und den Mazitu, die schon dabei waren, ihre Stadt wieder aufzubauen, Lebewohl. Mavovo und die anderen Zulu, die in der Schlacht am Tore gefallen waren, begruben wir auf der Spitze jenes Berges, der unsere Verteidigungsstellung gebildet hatte. Wir häuften einen großen Hügel von Erde und Steinen als Grabdenkmal über die Toten, und ringsherum wurden die im Kampf gefallenen Mazitu beerdigt
Ich muß erwähnen, daß auch hinsichtlich der Zulu Mavovos »Schlange« nicht gelogen hat Er 333 hatte gesagt sechs von ihnen würden auf unserer Reise getötet werden. Und sechs wurden getötet, nicht mehr und nicht weniger . . .
Über den Rückweg selbst ist nichts zu sagen. Wir waren vier lange Monate unterwegs und hatten keinerlei Unfälle auf der Reise, außer daß Fräulein Hoffnung und ich eine Weile unter leichten Fieberanfällen litten. Hans war ein prächtiger Bursche, aber ich bekam sein ewiges Geschwätz von meinem ehrwürdigen Vater zuletzt auch herzlich satt, und so zog ich es schließlich vor, tagelang überhaupt keine Unterhaltung zu haben.
In Zululand trafen wir ein paar wandernde Händler, die uns einen Wagen vermieteten. In diesem Gefährt setzten Bruder John und die Damen ihren Weg nach Durban fort, begleitet von Stephan, der sich ein Pferd gekauft hatte. In Durban erwartete uns eine Überraschung. Wir zogen staubbedeckt und müde die lange Straße hinunter den ersten Häusern zu, als uns ein Reiter entgegenkam – Sir Alexander Somers. Die Sorge um seinen Sohn schien den cholerischen alten Herrn schließlich bis nach Afrika gejagt zu haben. Das Zusammentreffen der beiden war herzlich, aber eigentümlich.
»Hallo, Papa,« sagte Stephan, »hätte nicht geglaubt, dich hier zu treffen!«
»Hallo, Stephan!« sagte der Vater, »hätte nicht geglaubt, dich noch am Leben und wohl – und wie mir scheint, sehr wohl! – zu sehen! Es ist mehr, als du verdienst, du junger Esel, und ich hoffe, du wirst es nicht wieder tun.« Dann packte der alte 334 Knabe Stephan an seinem langgewachsenen Haar und küßte ihn stumm und feierlich auf die Stirn.
»Nein, Papa,« antwortete sein Sohn, »ich werde es wirklich nicht wieder tun. Aber dank Allan sind wir mit heiler Haut durchgekommen. Aber jetzt will ich dich gleich mit der Dame, die ich heiraten werde, und mit ihren Eltern bekanntmachen.«
Sie wurden vierzehn Tage später in Durban getraut. Es war ein sehr vergnügliches Fest. Denn Sir Alexander, der, nebenbei bemerkt, in rein geschäftlichen Angelegenheiten sich mir gegenüber als ein hochanständiger Mensch erwies, lud bei dieser Gelegenheit die ganze Stadt ein. Kurz danach fuhren Stephan mit seinem Vater und Herrn und Frau Eversley nach Hause, um Fräulein Hoffnung »auszubilden«. Was unter dieser Ausbildung zu verstehen war, habe ich niemals erfahren. Hans und ich brachten sie noch bis zum Dampfer, und unser Abschied war recht schwer, obgleich Hans um fünfhundert Pfund reicher zurückkam. Jene, die ihm Stephan versprochen hatte. Er kaufte sich eine Farm, und als der Held abenteuerlicher Entdeckungsfahrten wurde er so etwas wie ein kleiner Häuptling.
Etwa zwei Jahre später bekam ich einen Brief von Stephan, der mir die Geburt eines Sohnes und Erben meldete. Eine Stelle des Briefes muß ich erwähnen:
»Wie ich Ihnen sagte, hat mein Vater Herrn Eversley auf einer seiner größeren Besitzungen als Pastor eingesetzt. Dort scheint er aber nicht viel 335 als Seelsorger in Anspruch genommen zu werden, denn ›Dogitah‹, mein verehrter Herr Schwiegervater, verbringt seine meiste Zeit damit, in einem großen Walde nach Schmetterlingen zu jagen und sich einzubilden, wieder in Afrika zu sein. Die ›Mutter der Blume‹ (die übrigens nach ihrem langen Aufenthalt unter den füßeküssenden Schwarzen mit der englischen Dienerschaft gerade keinen guten Faden spinnt) hat einen anderen Zeitvertreib. Zu der Pfarre gehört ein kleiner See mit einem Inselchen. Und auf diesem hat sie sich eine Laurutinie eingepflanzt und einen Zaun darum errichtet. Dort sitzt sie nun bei gutem Wetter und träumt sich ihrerseits in ihr geistliches Amt in Afrika zurück.«
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Unterdessen sind viele Jahre vergangen. Bruder John und seine Frau sind längst zur ewigen Ruhe eingegangen, und ihre merkwürdige Lebensgeschichte ist schon fast vergessen. Stephan ist wohlhabender Baron und gewichtiges Parlamentsmitglied geworden und außerdem Vater von unzähligen, hübschen Kindern, denn das Fräulein Hoffnung von ehemals hat sich in Wirklichkeit so fruchtbar erwiesen, wie es einer Tochter der Göttin der Fruchtbarkeit zukommt.
Kürzlich besuchte ich Sir Stephan und besah mir seine prachtvollen Treibhäuser. Der Obergärtner Wooden, der jetzt ein alter, schneeweißer Mann ist, zeigte mir drei feine, langblättrige Pflanzen, die der 336 Saat der Heiligen Blume entsprossen waren. Aber geblüht haben sie nicht.
Ich möchte wissen, was geschehen wird, wenn sie einmal blühen. Mir scheint, als müßten die Geister jenes schrecklichen Gottes des Waldes und jenes höllischen und mysteriösen Motombo dann hinkommen und vor der Glorie dieser goldenen Blume ihre Andacht verrichten. Wenn das jemals geschieht, welche Geschenke werden sie dann jenen bringen, die den heiligen Samen gestohlen und ausgesät haben?
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Nachschrift. – Ich werde es bald erfahren. Denn gerade als ich die Feder niederlege, kommt ein triumphierender Brief von Stephan an. Entzückt und aufgeregt berichtet er mir, daß die Heilige Blume blüht.