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Früh am nächsten Morgen wurde ich durch ein Pochen an der Tür geweckt. Jack steckte den Kopf herein und teilte mir mit, daß Sam, der Koch, mich zu sprechen wünsche. Ich wunderte mich; er war schon gestern abend an Bord des Schiffes gegangen.
Als er eintrat, sah ich, daß sein Anzug naß war. Ich fragte ihn, ob es regne, oder ob er gar betrunken gewesen und draußen im taufeuchten Grase geschlafen hätte.
»Nein, Herr Quatermain«, antwortete er. »Der Morgen ist außerordentlich schön, und ebenso wie der arme Hottentotte Hans habe ich ein Gelübde geleistet, keine geistigen Getränke zu mir zu nehmen.«
»Dann, was zum Teufel ist los?« unterbrach ich den schönen Strom seiner Rede.
»Mein Herr, an Bord des Schiffes ist etwas los« (sofort fiel mir Mavovos Prophezeiung ein, und ich sah den Sprecher erwartungsvoll an). »Ich habe die Nacht in Gesellschaft Herrn Somers' auf seinen besonderen Wunsch hin dort verbracht. Heute Morgen nun, noch vor der Dämmerung, begann der portugiesische Kapitän, der wohl dachte, daß jedermann schliefe, mit einigen seiner Araber leise den 65 Anker emporzuwinden und Segel zu setzen. Aber Herr Somers und ich waren vollständig wach, wir kamen aus der Kabine heraus, und Herr Somers setzte sich mit einem Revolver in der Hand auf die Ankerwinde und erklärte dem Kapitän – doch, Herr Quatermain, erlassen Sie mir bitte, die etwas rauhen und anstößigen Worte zu wiederholen, die er dem Kapitän an den Kopf warf.«
»Ja, ich erlasse es dir, und was geschah dann?«
»Dann, mein Herr, entstand sehr viel Lärm und ein großes Durcheinander. Der Portugiese und die Araber bedrohten Herrn Somers; aber er, mein Herr, blieb weiter auf der Ankerwinde sitzen, so unerschütterlich wie ein Felsen in strömendem Wasser. Was weiter geschah, mein Herr, kann ich nicht sagen, denn ich muß, während ich die Szene beobachtete, einen Stoß bekommen haben. Plötzlich lag ich im Wasser. Da ich glücklicherweise ein guter Schwimmer bin, erreichte ich den Strand und bin sogleich hierhergelaufen, um Sie zu benachrichtigen.«
»Und haben Sie noch jemand anders benachrichtigt, Sie Idiot?« fragte ich.
»Ja, mein Herr. Als ich zu Ihrem Hause lief, begegnete ich einem Offizier von der Hafenpolizei, den ich sofort von dem Vorgefallenen in Kenntnis setzte und dem ich nahelegte, einmal eine Inspektion jenes Schiffes vorzunehmen.«
Unterdessen war ich in Hemd und Hose gefahren und rief Mavovo und die andern. Sie waren sofort fertig; ihre Bekleidung bestand ja nur aus einer Moocka und einer Decke. 66
»Mavovo,« begann ich, »auf dem Schiff ist etwas los – –«
»Oh, Baba,« unterbrach er mich mit einem kurzen Grinsen, »es ist recht seltsam, aber letzte Nacht träumte mir, daß ich dir gesagt hätte –«
»Deine Träume sollen verdammt sein,« sagte ich, »rufe deine Leute zusammen und geh mit ihnen hinunter zum – nein, das ist verkehrt, es würde Mord und Totschlag geben, entweder ist jetzt alles schon vorüber, oder alles ist in Ordnung. Bringe also die Jäger zusammen und wartet; ich komme mit euch. Das Gepäck kann später geholt werden.«
In weniger als einer Stunde waren wir unten am Strande.
Die Maria – so hieß der Schoner – war ein unansehnlicher, kleiner Trog. Als erstes sah ich, als wir an Bord geklettert waren, Stephan mit einem großen Revolver in der Hand auf der Ankerwinde sitzen. Dicht neben ihm stand der schuftige Portugiese Delgado, augenscheinlich in sehr schlechter Stimmung, und umgeben von einer Anzahl nicht weniger schuftig aussehender arabischer Matrosen in schmutzigweißen Gewändern. Außerdem bemerkte ich an Bord den Hafenkapitän, einen bekannten und hochangesehenen Beamten. Er war von einigen Polizisten begleitet und saß rauchend hinter der Kabine und hielt die Augen auf Stephan und den Portugiesen gerichtet.
»Ich bin froh, Sie zu sehen, Quatermain,« sagte er, »hier ist irgend etwas los, aber ich bin auch gerade erst angekommen und verstehe nicht 67 portugiesisch, und jener Herr dort auf der Ankerwinde will um keinen Preis der Welt herunterkommen, um mir Erklärungen zu geben.«
»Was gibt's, Stephan?« fragte ich, nachdem ich dem Hafenkapitän die Hand geschüttelt hatte.
»Was es gibt?« antwortete Somers. »Der Kerl hier«, dabei zeigte er auf Delgado, »wollte sich heute früh mit unserem Gepäck an Bord, von mir und Sammy ganz zu schweigen, auf die See hinausstehlen. Höchstwahrscheinlich hätte er uns draußen über Bord geworfen. Zum Glück belauschte aber Sammy, der portugiesisch versteht, seinen hübschen kleinen Plan, und ich verlegte ihm, wie Sie sehen, den Weg.«
Delgado wurde nun nach seinem Vorhaben gefragt und gab natürlich eine ganz andere Darstellung der Sache. Er hatte nur ein wenig näher an Land verholen wollen, um dort auf uns zu warten. Selbstverständlich log er und wußte auch, daß wir ihn durchschaut hatten. Aber da ihm nichts zu beweisen war, und wir jetzt stark genug waren, um auf unser Eigentum und auf uns selbst achtzugeben, sah ich keinen Grund, die Angelegenheit weiter zu verfolgen. So hörte ich denn Delgados Erklärung mit einem zweideutigen Lächeln an und lud alle Anwesenden zu einem Morgentrunke ein.
Nach diesem Vorfalle verlief alles andere glatt. Ich schickte einige Leute an Land, unsere letzten Sachen zu holen, und am Abend segelten wir ab.
Nach fünf Tagen warfen wir vor der Insel Kilwa 68 Anker. Delgado, mit dem wir unterwegs wenig zu tun gehabt hatten, hißte ein ulkiges Flaggensignal, worauf ein Boot aus dem Hafen heraus auf uns zuschoß, bemannt mit einer Bande schwarzer Gurgelabschneider, die von einem älteren Halbblut, einem braunschwarzen, pockennarbigen Kerl angeführt wurden. Das war der Hafenmeister Bey Hassan-Ben-Mohammed, wie ihn Delgado vorstellte. Daß Herr Hassan-Ben-Mohammed von unserer Anwesenheit auf dem Schiffe und im besonderen von unserer Absicht, in Kilwa zu landen, keineswegs entzückt war, bemerkte ich vom ersten Augenblick an. Nach einer hastigen, halblauten Unterredung mit Delgado kam er auf mich zu und sprach mich auf Arabisch an. Ich verstand nicht ein Wort. Glücklicherweise beherrschte Sam diese Sprache hinreichend, und so nahm ich ihn als Dolmetscher, da ich Delgado nicht traute.
»Was sagt er, Sammy?« fragte ich.
Er begann in den rauhen Kehllauten des Arabischen mit Hassan zu sprechen und sagte dann:
»Mein Herr, er macht Ihnen viel Komplimente. Er sagt, daß er von seinem Freunde gehört hat, welch ein großer Mann Sie sind.«
»Ach nee!« rief ich aus. »Nach seinem Mienenspiel hätte ich das niemals gedacht. Danken Sie ihm für seine freundlichen Bemerkungen, und sagen Sie ihm, daß wir hier landen und auf einen Jagdzug ins Innere gehen wollen.«
Sammy gehorchte, und die Unterhaltung spann sich ungefähr folgendermaßen fort: 69
»Mit aller Ergebenheit bitte ich« (d. h. Hassan), »du mögest hier nicht landen, großer Herr. Diese Gegend hier ist kein Aufenthaltsort für solch edle Herren, es gibt hier nichts zu essen, und nicht ein einziges Stück Wild ist hier seit vielen Jahren gesehen worden. Die Stämme im Innern sind Wilde von der schlimmsten Sorte, die der Hunger sogar schon zu Kannibalen gemacht hat. Ich wünsche nicht, daß dein Blut auf mein Haupt komme, ich flehe dich deshalb an, mit diesem Schiff weiter nach Delagoabai zu gehen, wo du ein gutes Hotel finden wirst, oder auch nach irgendeinem anderen Platze, den du wählen mögest.«
Allan Quatermain: »Darf ich dich fragen, edler Herr, welches deine Stellung in Kilwa ist, daß du dich für unsere Sicherheit verantwortlich fühlst?«
Hassan: »Hochverehrter Lord, ich bin hier ein Kaufmann, bin von portugiesischer Nationalität, aber meine Mutter war eine Araberin von hoher Geburt, und ich bin unter Arabern erzogen worden. Alle die Stämme dieser Gegend schauen auf mich als auf ihren Führer und verehrten Vater.«
Allan Quatermain: »Dann, edler Hassan, wirst du auch imstande sein, uns durch die Gebiete deiner lieben Kinder zu begleiten, ohne daß uns ein Leid geschieht; denn du siehst, wir sind friedliche Jäger, die ebenfalls niemandem etwas zu Leide tun.«
Jetzt folgte eine lange Unterredung zwischen Hassan und Delgado, während ich inzwischen Mavovo beauftragte, die Zulus an Deck und unter die Waffen zu rufen. 70
Hassan: »Hochverehrter Lord, ich kann dir nicht erlauben, zu landen.«
Allan Quatermain: »Edler Sohn des Propheten, ich beabsichtige morgen früh mit meinen Freunden, meiner Gefolgschaft, meinen Eseln und meinen Gütern hier zu landen. Wenn ich das mit deiner Erlaubnis tun kann, werde ich glücklich sein. Wenn ich diese Erlaubnis nicht bekomme, dann –« und ich warf einen Blick auf die grimmigen Gesichter der Zulus, die sich hinter mir sammelten.
Hassan: »Hochverehrter Lord, mein Herz würde sich grämen, wenn ich gezwungen wäre, Gewalt anzuwenden. Aber erlaube mir, deine Aufmerksamkeit darauf zu lenken, daß ich in meinem friedlichen Dorfe dort über hundert schwerbewaffnete Leute habe, während du, wie ich sehe, hier keine zwanzig hast.«
Allan Quatermain nach einigem Nachdenken und ein paar mit Stephan gewechselten Worten: »Kannst du mir nicht sagen, edler Herr, ob du von deinem friedlichen Dorfe aus schon das Kriegsschiff ›Krokodil‹ gesichtet hast; ich meine jenen Dampfer, der damit beauftragt ist, die Dhaus der nichtswürdigen Sklavenhändler zu jagen. Ein Brief, den ich von dem Kapitän bekommen habe, sagt mir, daß sich das Schiff seit gestern in diesen Gewässern aufhält, vielleicht aber hat es sich um einen Tag verzögert.«
Würde ich dem ausgezeichneten Hassan eine Bombe vor die Füße geworfen haben, die Wirkung hätte auch nicht größer sein können. Er wurde blaß, nein, nicht nur blaß, er wurde graugelb im Gesicht und rief aus: 71
»Englisches Kriegsschiff! Krokodil! Ich dachte, es wäre nach Aden gedampft und würde nicht vor vier Monaten in diese Gewässer zurückkehren?«
Allan Quatermain: »Du bist falsch unterrichtet worden, edler Hassan. Soll ich dir den Brief vorlesen?« Ich nahm ein Papier aus der Tasche. »Vielleicht wird dich dieses Schreiben interessieren; denn mein Freund, der Kapitän, erwähnt dich in diesem Briefe. Er schreibt –«
Hassan winkte mit der Hand ab. »Es ist genug; ich sehe, verehrter Lord, daß du ein Mann bist, der nicht leicht von einer einmal gefaßten Absicht abzubringen ist. Im Namen Gottes, des Allbarmherzigen, so lande denn, und jede Gastfreundschaft, die ich bieten kann, steht dir zu Diensten.«
Allan Quatermain: »Aha! Ich wußte ja, verehrter Bey Hassan, daß du nur scherztest, als du sagtest, wir möchten nicht hier, sondern irgendwo anders landen. Wir nehmen dein Anerbieten mit Dank an und werden heute abend deine Gäste sein, und wenn der Kapitän Delgado, bevor er aussegelt, zufälligerweise das Kriegsschiff sehen sollte, wird er vielleicht so gut sein, uns ein Signal mit einer Rakete zu geben.«
»Aber gewiß, sicherlich!« fiel Delgado ein, der bis zu diesem Moment getan hatte, als verstünde er kein Wort englisch.
Als wir abstießen, rief ich Delgado noch zu:
»Lebe wohl, Kapitän! Also, wenn du das Kriegsschiff siehst, so vergiß nicht –«
In diesem Moment brach Delgado auf 72 portugiesisch, arabisch und englisch in einen solchen Strom von Flüchen, Verwünschungen und schmutzigen Redensarten aus, daß ich fast glaube, er hat das Ende meines Satzes nicht mehr gehört. Als wir auf den Strand zuruderten, sah ich Hans, der neben mir unter dem Bauche eines Esels hockte, wie ein Hund Seiten und Boden der alten Barke beschnüffeln. Ich fragte ihn, was er treibe.
»Komischer Geruch in diesem Boot, Baas,« flüsterte er auf holländisch zurück, »es stinkt nach Kaffern, gerade wie das Schiff, die Maria, auch. Ich glaube, dieses Boot wird benutzt, um Sklaven zu befördern.«
»Sei still,« wisperte ich zurück, »und beschnüffle nicht mehr die Planken.« Ich war aber vollkommen überzeugt, daß Hans recht hatte und daß wir ein Nest von Sklavenhändlern aufgestöbert hatten, deren Anführer wahrscheinlich der noble Hassan war.
Wir ruderten hinter die Insel, auf der die Ruinen eines alten portugiesischen Forts und einige langgestreckte, grasbedeckte Hütten zu sehen waren. Hier wurden wahrscheinlich die Sklaven versteckt gehalten, ehe sie an Bord der Sklavenschiffe kamen. Hassan fing meinen nachdenklich auf diesen Hütten ruhenden Blick auf und beeilte sich, mir durch Sammy zu erklären, daß es Lagerhäuser wären, in denen er Fische und Häute trockne und Waren aufhäufe.
»Wie interessant!« antwortete ich. »Wir unten im Süden trocknen Häute in der Sonne.«
Nachdem wir noch einen engen Kanal gekreuzt 73 hatten, landeten wir an einem rohgezimmerten Steg, von wo aus uns Hassan nicht ins Dorf, sondern etwa hundert Schritte vom Strande entfernt zu einem nett aussehenden, aber etwas verfallenen Hause führte. Irgend etwas an diesem Hause sagte mir, daß es nicht von Sklaven erbaut war; sein ganzes Aussehen, die Veranda und der Garten davor bewiesen Geschmack und Zivilisation. Augenscheinlich hatten gebildete Leute es bauen lassen und hatten auch hier gewohnt. Ich blickte umher und gewahrte unter einer Gruppe vernachlässigter Orangenbäume und aufschießender Kokospalmen die Ruinen einer Kirche.
»Sage dem Herrn,« bemerkte Hassan zu Sammy, »daß diese Gebäude eine Missionsstation der Christen gewesen sind, die sie aber schon vor über zwanzig Jahren verlassen haben. Als ich hierher kam, fand ich die Stätte leer.«
Dann stiegen wir zum Hause hinauf und waren während der nächsten Stunden damit beschäftigt, unser Gepäck im Garten aufzustapeln und unmittelbar daneben zwei Zelte für die Jäger aufzuschlagen. Die Räume, in denen Somers und ich es uns bequem machten, waren bemerkenswert. Der eine war augenscheinlich ein Wohnzimmer gewesen, wie ich aus zerbrochenen Möbelstücken schloß, die noch herumlagen. Sie schienen amerikanischen Ursprungs zu sein. Der andere Raum, in dem Stephan hauste, war einst ein Schlafzimmer; denn es stand noch immer eine eiserne Bettstelle darin. An der Wand hing ein Büchergestell, und auf ihm lagen vermorscht und wurmstichig einige Überreste von Büchern. Eins 74 dieser Bücher, dessen Maroquin-Ledereinband von den weißen Ameisen aus unbekannten Gründen nicht zerstört worden war, trug den Titel »Kebles Christliches Jahr«. Auf dem Titelblatt stand mit verblaßter Tinte geschrieben: »Meiner lieben Elisabeth zu ihrem Geburtstage von ihrem Gatten.« Ich nahm mir die Freiheit, das Buch in meine Tasche zu stecken. Außerdem hing an der Wand das kleine Aquarellbild einer hübschen jungen Frau mit blondem Haar und blauen Augen. In der Ecke des Bildes standen von derselben Hand wie in jenem Buche die Worte »Elisabeth im Alter von zwanzig Jahren« geschrieben. Das Bild annektierte ich gleichfalls – in dem Gedanken, daß es vielleicht einmal als Beweisstück dienen könnte.
»Das sieht beinahe so aus, als ob die Eigentümer dieses Platzes in außerordentlicher Eile fortgezogen wären, Quatermain«, sagte Stephan.
»So ist es, mein Junge, oder vielleicht sind sie überhaupt nicht fortgezogen; vielleicht sind sie noch immer hier.«
»Ermordet?«
Ich nickte und sagte: »Ich möchte fast glauben, daß unser ehrenwerter Freund Hassan einiges von dieser Geschichte erzählen könnte. Da das Abendbrot noch nicht fertig ist, wollen wir doch einmal hinübergehen und die Trümmer der Kirche besichtigen.«
Wir schritten durch den Hain von Palmen und Orangenbäumen den kleinen Hügel hinauf, auf dem die Kirche gestanden hatte. Sie war aus 75 Korallenfelsen erbaut, und ein Blick zeigte uns, daß sie durch Feuer zerstört worden war. Die rauchgeschwärzten Mauern sprachen eine deutliche Sprache. Neben der Kirche lag ein Friedhof. Wir konnten allerdings keine Spur von Gräbern mehr feststellen. Jedoch erhob sich in der einen Ecke, nahe dem Tore, roh aufgeführt, ein kleiner Hügel.
»Wenn wir hier nachgraben würden,« sagte ich, »dürften wir wahrscheinlich auf die Knochen von den Leuten stoßen, die einmal diesen Platz bewohnten. Was würden Sie daraus schließen, Stephan?«
»Weiter nichts, als daß sie wahrscheinlich umgebracht worden sind.«
»Sie sollten lernen, Schlüsse zu ziehen, es ist eine nützliche Kunst, besonders in Afrika. Der Hügel sagt mir, daß die Tat nicht von Eingeborenen begangen worden ist. Die würden sich niemals die Mühe machen, Tote zu begraben. Araber dagegen würden es tun, insbesondere, wenn ein Portugiesenbastard, der sich selbst einen Christen nannte, unter ihnen gewesen ist. Aber was hier auch geschehen sein mag, es muß schon lange her sein«, sagte ich und zeigte auf einen Hartholzbaum, der auf dem Hügel wuchs und der kaum weniger als fünfundzwanzig Jahre alt sein konnte.
Ins Haus zurückgekehrt, fanden wir unsere Abendmahlzeit auf dem Tische. Hassan hatte uns eingeladen, bei ihm zu essen. Aus naheliegenden Gründen jedoch hatte ich vorgezogen, unser Essen von Sammy zubereiten zu lassen und Hassan zu uns zu bitten. Er erschien, machte tausend Komplimente, 76 trotzdem ich ihm Haß und Mißtrauen auf dem Gesicht ablesen konnte, und wir fielen über das Ziegenlamm her, das wir ihm abgekauft hatten; denn ich wünschte von diesem Burschen keine Geschenke anzunehmen. Unser Getränk war Vierkant-Schnaps mit Wasser gemischt, das Hans selbst aus dem Bach geschöpft hatte; andernfalls hätte es von den edlen Arabern vergiftet sein können.
Anfangs lehnte es Hassan ab, geistige Getränke zu berühren. Aber mit dem Fortschritt der Mahlzeit steckte er aus Höflichkeit gegen uns einen Pflock zurück, und ich schenkte ihm einen gehörigen Schluck ein. Der Appetit kommt mit dem Essen, und dasselbe scheint mit dem Trinken der Fall zu sein, wenigstens war es bei Hassan so. Wahrscheinlich dachte er, daß das Quantum, das er trank, bei der Riesenschuld seiner Sünden schon keine Rolle mehr spiele. Nach dem dritten Glas wurde er lebhaft und mitteilsam. Ich ergriff die Gelegenheit, schickte nach Sammy und ließ unserem Gaste durch ihn sagen, daß wir gern zwanzig Träger für unsere Lasten mieten möchten. Er erklärte, daß in einem Umkreis von hundert Meilen nicht ein Bein von einem Träger zu finden wäre, worauf ich ihm ein weiteres Glas einschenkte. Das Ergebnis war, daß wir dann ein Abkommen trafen, nach welchem er sich verpflichtete, uns zwanzig gute Leute zu stellen, die bei uns zu bleiben hätten, so lange wir sie benötigten.
Dann versuchte ich, ihn über die Zerstörung der Missions-Station auszuhorchen; aber über diesen Punkt hielt er, obgleich er halb betrunken war, 77 bemerkenswert dicht. Alles, was ich aus ihm herausbrachte, war, daß er gehört hätte, vor etwa zwanzig Jahren wäre ein als sehr wild, räuberisch und grausam verschriener Stamm, die Mazitu, aus dem Innern zur Küste vorgestoßen und hätte die Bewohner der Station getötet, mit Ausnahme eines weißen Mannes und seiner Frau, die nach dem Innern geflohen und niemals wieder gesehen worden seien.
»Und wie viele Menschen wurden in jenem Hügel nahe der Kirche begraben?« fragte ich schnell.
»Wer hat dir gesagt, daß dort jemand begraben liegt?« antwortete er und fuhr auf; aber schnell gefaßt setzte er hinzu: »Ich weiß nicht, was du meinst, ich habe niemals gehört, daß dort jemand begraben ist. Schlaft wohl, hochverehrte Herren! Ich muß gehen und nach dem Verladen meiner Güter auf die ›Maria‹ sehen.« Dann erhob er sich, grüßte und ging, oder vielmehr er schwankte hinaus.
»So ist also die ›Maria‹ doch noch nicht abgesegelt«, sagte ich und pfiff in die Dunkelheit hinaus. Sofort kam Hans hereingekrochen.
»Hans,« sagte ich, »ich höre ein Geräusch dort drüben auf der Insel, schleiche einmal an den Strand hinunter und spioniere aus, was dort drüben eigentlich vorgeht. Wenn du vorsichtig bist, wird dich keiner bemerken.«
»Nein, Baas,« antwortete er grinsend, »ich glaube auch nicht, daß irgend jemand Hans sehen wird, wenn er vorsichtig ist, besonders nicht bei Nacht.« Und geräuschlos, wie er gekommen war, schlüpfte er wieder in die Dunkelheit hinaus. 78
Dann ging ich zu Mavovo und hieß ihn gute Wacht halten und sich vergewissern, daß jeder seiner Leute alarmbereit sei. Es wäre möglich, daß diese Sklavenhändler bei Nacht über uns herfielen. Dann sollten sie alle auf die Veranda heraufkommen, aber keiner dürfe einen Schuß abfeuern, bevor ich es nicht befahl.
Dann legten wir uns in unseren Kleidern, die Gewehre im Arm, nieder.
Das nächste, woran ich mich erinnere, war, daß mich jemand sanft an der Schulter rüttelte. Ich dachte, es wäre Stephan, der sich bereit erklärt hatte, den ersten Teil der Nacht zu wachen und mich um Mitternacht zu wecken. Er war in der Tat wach, wie ich sofort an der Glut seiner Pfeife sah.
»Baas,« wisperte Hansens Stimme, »ich habe alles herausgefunden. Sie beladen die ›Maria‹ mit Sklaven, sie bringen sie in großen Booten von der Insel.«
»So,« antwortete ich, »aber wie bist du hier hereingekommen? Schlafen denn die Jäger draußen alle?«
Er kicherte. »Nein, sie schlafen nicht; sie spähen mit ihren Augen und hören mit ihren zahlreichen Ohren, und doch ist der alte Hans durch sie hindurchgegangen; sogar der Baas Somers hat ihn nicht gehört.«
Ich ging durch die Türöffnung auf die Veranda hinaus. Beim Lichte der Feuer, die die Jäger angezündet hatten, konnte ich Mavovo sehen. Er war vollständig wach, hatte sein Gewehr auf den Knien 79 liegen, und hinter ihm standen aufrecht zwei Wachen. Ich rief ihn an und zeigte auf Hans.
»Seht einmal her, was für gute Wächter ihr seid, wenn einer euch sogar über die Köpfe steigen und in meinen Schlafraum kommen kann, ohne daß ihr davon etwas merkt!« Mavovo starrte den Hottentotten an, dann befühlte er seine Kleider und seine Schuhe, um festzustellen, ob sie vom Tau der Nacht feucht wären.
»Ow!« rief er gereizt aus, »ich sagte, daß nichts, was auf Beinen geht, an dich herankommen sollte, Macumazana, aber diese gelbe Schlange hier ist auf dem Bauche zwischen uns hindurchgekrochen, sieh dir nur den frischen Schlamm an, der auf seiner Weste sitzt.«
»Aber Schlangen können beißen und töten«, antwortete Hans kichernd. »Ihr Zulus denkt, daß ihr sehr tapfer seid, und ihr brüstet euch und schwingt eure Speere und Schlachtbeile, aber ein armer Hottentottenhund ist mehr wert als ein ganzes Impi (Zuluregiment) von euch. Schau her, Mavovo!« Und er öffnete seine Hand, in der eine hörnerne Schnupftabakdose lag, wie sie die Zulus in ihren aufgeschlitzten Ohrläppchen zu tragen pflegen. »Wem gehört die?«
»Es ist die meine,« sagte Mavovo, »und du hast sie mir gestohlen.«
»Ja,« prahlte Hans, »es ist die deine. Ich habe sie dir aus dem Ohr gezogen, als ich in der Dunkelheit an dir vorbeikam. Erinnerst du dich, du dachtest, ein Moskito habe dich gestochen?« 80
»Das stimmt,« grollte Mavovo, »doch wenn mich wieder einmal etwas am Ohre sticht, dann schlage ich zu, aber nicht mit der Hand, sondern mit dem Schlachtbeil.«
Wir gingen wieder zu Bett und schliefen den Schlaf der Gerechten.
Als ich am nächsten Morgen aufwachte, war Stephan schon aufgestanden und weggegangen. Er kam erst zurück, als ich schon die Hälfte meines Frühstücks herunter hatte.
»Wo in aller Welt sind Sie denn herumgestrolcht?« fragte ich, und bemerkte, daß sein Anzug zerrissen und mit Fetzen nassen Mooses bedeckt war.
»Auf der höchsten der Kokospalmen hier, Quatermain. Sah gerade einen Araber mit Hilfe eines Seiles auf eine hinaufklettern und langte mir einen anderen Araber heran, der mir den Trick zeigte. Es ist gar nicht schwer, so gefährlich es auch aussieht.«
»Ja, aber was in Teufels Namen suchten Sie –« begann ich.
»Oh!« fiel er ein, »meine alte Leidenschaft. Ich sah durch das Feldglas so etwas wie eine Orchidee, ganz oben in der Krone; also stieg ich hinauf. Es war übrigens natürlich keine Orchidee, sondern nur ein Bündel gelber Staubgefäße, aber etwas hatte ich doch für meine Mühe. Als ich nämlich oben saß und mich von der Kletterei ausruhte, sah ich langsam die ›Maria‹ hinter der Insel hervorkommen, und draußen auf See gewahrte ich einen Rauchstrich und stellte schließlich fest, daß dieser höchstwahrscheinlich von einem Kriegsschiff herrührte, das 81 langsam die Küste heraufdampfte. Dann stieg etwas Nebel hoch, und ich verlor das Schiff außer Sicht.«
»Das war natürlich die ›Krokodil‹! Es würde sich gut treffen, wenn das Kriegsschiff und die ›Maria‹ einander begegneten und der Kapitän sich einmal die Ladung jenes ehrenwerten Schiffes näher betrachtete, nicht wahr, Somers?«
»Ich glaube nicht daran, Quatermain; denn wenn nicht eines der beiden Schiffe seinen Kurs ändert, werden sie einander nicht begegnen, trotzdem ich es von Herzen wünschte.«
Die nächsten zehn Minuten lang frühstückten wir schweigend; denn Stephan hatte einen guten Appetit und war hungrig nach seiner morgendlichen Kletterei.
Gerade als wir fertig waren, erschien Hassan. Wir begrüßten ihn sehr höflich, und er ließ mich brüsk durch Sammy fragen, wann wir uns fortzuscheren beabsichtigten; denn solche christlichen Hunde entehrten sein Haus.
Ich antwortete, sobald die zwanzig Träger, die er uns versprochen hatte, zur Stelle sein würden, früher nicht.
»Du lügst,« donnerte er, »ich habe dir niemals Träger versprochen, ich habe gar keine.«
»Willst du damit sagen, daß du sie heute nacht mitsamt den anderen Sklaven in der ›Maria‹ fortgebracht hast?« fragte ich süß lächelnd.
Lieber Leser, hast du schon jemals Aussehen und Bewegungen eines Katers von bestem Alter, aber 82 reizbarem Temperament beobachtet, wenn ein kleiner Hund seinen Weg kreuzt? Wenn ja, dann hast du eine gute Vorstellung von der Wirkung, die meine harmlose Bemerkung bei Hassan auslöste. Der Kerl sah aus, als wollte er vor Wut platzen; er sprang hin und her, seine blutunterlaufenen Augen schienen aus dem Kopfe zu quellen, er verfluchte uns mit grauenhaften Flüchen, seine Hand griff an das große Messer, das er im Gürtel trug, und zum Schluß tat er, was auch der Kater tut, er spuckte. –
Stephan stand dicht neben mir und sah kühl wie eine saure Gurke und sehr amüsiert aus, und da er zufällig Hassan ein klein wenig näher stand als ich, empfing er den größten Teil des Regens, der aus des Arabers Munde quoll. In der nächsten Sekunde aber flog er wie ein Tiger auf den Mischling und landete auf dessen Nase einen ganz ausgezeichneten Schlag. Hassan stolperte zurück und zog sein Messer, aber ein Linkshänder, den er gleich darauf ins Auge bekam, veranlaßte ihn, es fallen zu lassen und sich selbst daneben zu legen. Ich trat sofort auf das Messer. Da es zu einer Einmischung zu spät war, ließ ich die Dinge ihren Lauf gehen und hielt nur die Zulus zurück, die auf den Lärm hin hereinsprangen und über Hassan herfallen wollten.
Hassan stand auf und trat, wie ich zu seiner Ehre sagen muß, an wie ein Mann, den Kopf zum Stoß gesenkt. Sein mächtiger Schädel erwischte Stephan – er war von den beiden der leichtere – auf der Brust und warf ihn hintenüber. Doch bevor der Araber den Vorteil ausnutzen konnte, war Stephan 83 wieder auf den Beinen. Dann folgten ein paar herrliche Runden. Hassan kämpfte mit Kopf und Fäusten und Füßen, Stephan mit den Fäusten allein. Er duckte sich unter den Hieben seines Gegners und gab ihm, immer nur bei passender Gelegenheit, heraus, aber dann saßen seine Hiebe desto sicherer. Bald machte sich seine Kühle und Ruhe bemerkbar. Noch einmal wurde er durch einen Schlag unter die Kinnlade über den Haufen geworfen, aber in der nächsten Sekunde schickte er den Araber mit einem Doppelsaltomortale durch das Zimmer. Hassan kam wieder hoch, spuckte ein paar Zähne aus, und eine neue Taktik ausprobierend, packte er Stephan um die Hüften. Sie schwankten hin und her, der Araber versuchte dem Engländer die Knie in den Leib zu stoßen und ihn zu beißen, aber der Schmerz erinnerte ihn an die Abwesenheit seiner Vorderzähne. Noch einmal brachte er ihn beinahe zu Boden – beinahe, aber nicht ganz; denn der Kragen, an dem er ihn gepackt hatte, zerriß, und im gleichen Augenblick rutschte Hassan der Turban über die Augen und blendete ihn.
Da packte ihn Stephan mit dem linken Arm um die Hüften, und mit der rechten Faust bearbeitete er sein Gesicht, bis Hassan in sitzender Stellung auf dem Boden ankam und zum Zeichen, daß er sich ergebe, die Hand aufhob.
»Bitte um Entschuldigung!« schrie Stephan und raffte eine Handvoll Schlamm auf, »oder ich stopfe dir das in deine dreckige Kehle.«
Hassan schien zu verstehen; jedenfalls verbeugte 84 er sich, bis seine Stirn fast den Boden berührte, und bat in aller Form um Entschuldigung.
»Schön, das ist erledigt,« sagte ich munter zu ihm, »wie steht es nun mit den Trägern?«
»Ich habe keine Träger«, antwortete er.
»Du schmutziger Lügner,« rief ich aus, »einer meiner Leute ist unten in deinem Dorfe gewesen und sagt mir, daß es voll von Leuten steckt.«
»Dann geh und hol' sie dir selber«, antwortete er tückisch, denn er wußte recht gut, daß der Platz schwer befestigt war.
Jetzt war ich in der Klemme. Es war sicherlich recht schön und gut, einem Sklavenhändler die Dresche zu geben, die er verdiente; aber wenn er uns aus Rache mit seinen Arabern überfiel, war es aus mit uns. Hassan schien meine Verlegenheit zu bemerken und sagte:
»Ich bin geschlagen worden wie ein Hund, aber Gott ist allbarmherzig und gerecht, er wird mich rächen.«
Die Worte waren noch keine Sekunde gesprochen, als von der See draußen ein kurzes, dumpfes Rollen, wie von einem Kanonenschuß, hereindrang. Im nächsten Moment kam auch schon ein Araber vom Strande heraufgaloppiert und schrie:
»Wo ist der Bey Hassan?«
»Hier«, sagte ich und zeigte auf ihn. Der Araber starrte ihn an, bis ihm fast die Augen herauskugelten, dann winselte er furchtsam:
»Kapitän, ein englisches Kriegsschiff jagt die ›Maria‹!« Bum, klang es zum zweiten Male herein. 85
Hassan sagte nichts, aber sein Unterkiefer sank herab, und ich sah, daß er bei der Rauferei drei Zähne verloren hatte.
»Das ist die ›Krokodil‹«, sagte ich lässig und gab Sammy einen Wink, es ins Arabische zu übersetzen. Während er übersetzte, zog ich aus meiner Innentasche einen Union-Jack heraus. Ich hatte ihn eingesteckt, als ich hörte, daß das Schiff in Sicht war.
»Stephan,« fuhr ich fort, »würden Sie, wenn Sie wieder zu Atem gekommen sind, nicht noch einmal auf die Palme da draußen klettern und mit dieser Flagge der ›Krokodil‹ signalisieren?«
»Bei Sankt Georg, das ist eine gute Idee«, sagte Stephan, dessen joviales, aber etwas angeschwollenes Gesicht verzweifelte Anstrengungen machte, sich in freundliche Falten zu legen. »Hans, bringe mir mal einen langen Stock und ein Stück Leine.«
Aber Hassan hielt es durchaus nicht für eine gute Idee. »Hochgeborener Lord,« keuchte er, »du sollst die Träger haben. Ich will gehen und sie holen.«
»Nein, das wirst du nicht,« sagte ich, »du wirst als Geisel hierbleiben; schicke jenen Mann dort.«
Hassan kreischte ihm mit erstaunlicher Schnelligkeit einige Befehle ins Ohr, und der Bote schoß davon.
Er war noch unterwegs, als ein anderer Bote ankam, der ebenfalls mit offenem Munde die äußere Verfassung seines Oberhauptes bestaunte.
»Bey, – wenn du der Bey bist,« sagte er unschlüssig, denn jetzt hatte das sympathische Gesicht Hassans zu schwellen und in allen 86 Regenbogenfarben zu schillern angefangen, »wir haben mit dem Fernrohr gesehen, daß das Kriegsschiff ein Boot nach der ›Maria‹ geschickt hat.«
»Gott ist groß!« murmelte der geschlagene Hassan, »und Delgado ist von seiner Mutter Brust an ein Dieb und ein Verräter, und er wird die Wahrheit sagen. Die weißen Söhne des Scheitans werden hier landen. Alles ist zu Ende, es bleibt nur die Flucht. Sage den Leuten, sie sollen in den Busch laufen und die Sklaven – ich meine ihre Diener – mitnehmen. Ich werde sie begleiten.«
»Nein, das wirst du nicht,« unterbrach ich ihn, »wenigstens jetzt nicht. Du kommst mit uns.«
Hassan dachte nach, dann fragte er:
»Hochgeborener, ehrenwerter Lord Quatermain,« (ich erinnere mich dieses Titels, weil es der feinste ist, den ich jemals in meinem Leben bekommen habe), »wenn ich dich mit zwanzig Trägern ausrüste und dich einige Tage lang auf deiner Reise begleite, willst du mir dann versprechen, deinen Landsleuten draußen auf dem Schiffe nicht zu signalisieren und sie nicht herbeizurufen?«
»Was denken Sie?« fragte ich Stephan.
»Oh! Ich würde zustimmen. Der Lumpenhund hier hat seine Senge weg, und wir sollten machen, daß wir fortkommen. Wenn die ›Krokodil‹ hier erst Leute und Offiziere landet, ist es mit unserer Expedition vorbei. Dann werden sie uns totsicher als Zeugen mit nach Sansibar vor den Sklavengerichtshof schleppen. Selbst wenn wir uns dieser Vergnügungsreise dadurch entziehen, daß wir ebenfalls 87 in den Busch davonlaufen, würde dabei nichts gewonnen sein; denn die anderen sind längst entwischt, und die ›Krokodil‹ würde nur noch den verdroschenen Hassan hier bekommen, und ob den dann der Galgen frißt, ist noch gar nicht ausgemacht. Völkerrecht, fremde Staatsangehörigkeit, kein direkter Beweis, – nun, Sie wissen schon.«
»Geben Sie mir ein paar Minuten Frist zum Überlegen«, antwortete ich.
Während ich also überlegte, geschah verschiedenes. Zwanzig Eingeborene wurden auf unser Haus zugeführt, ohne Zweifel die versprochenen Träger; ferner sah ich die ganze Bewohnerschaft des Dorfes in hellen Scharen in den Busch hinaufrennen; drittens kam ein weiterer Bote an mit der Meldung, daß die »Maria« weitersegle, wahrscheinlich mit Leuten des Kriegsschiffes bemannt, und daß dieses selbst beidrehe, augenscheinlich um das Sklavenschiff zu begleiten. Es bestand demnach offenbar nicht die Absicht, hier, auf einem wenigstens dem Namen nach portugiesischen Boden zu landen; also mußte ich jetzt rasch handeln.
Nun, das Ende war, daß ich wie ein rechter Narr Stephans Rat annahm. Ich tat nichts. Das ist zwar das leichteste, führt aber gewöhnlich ins Unheil. Zehn Minuten später änderte ich meine Meinung; da war es aber schon zu spät; die »Krokodil« war außer Signalweite. Meine Meinungsänderung entsprang einer Unterhaltung mit Hans.
»Baas,« sagte der Schlaukopf, »ich glaube, du hast einen Fehler gemacht. Du vergißt, daß diese 88 gelben Teufel in weißen Roben, die jetzt ausgerissen sind, bald zurückkehren und dir auflauern werden, wenn du von der Reise zurückkommst, aber wenn das Kriegsschiff ihre Stadt und ihre Sklavenhäuser zusammengeschossen hätte, wären sie vielleicht irgendwo anders hingegangen. Jedoch«, setzte er wie in einem neuen Gedanken befangen hinzu und warf einen wohlwollenden Blick auf Hassan, »wir haben ihren Kapitän, und selbstverständlich wirst du ihn hängen! Oder wenn du es nicht tun willst, laß mich es machen. Ich kann sehr gut Leute hängen; als ich noch jung war, habe ich dem Henker in Kapstadt immer geholfen.«
»Bist du noch nicht fort?« sagte ich und warf ihn hinaus. Nichtsdestoweniger wußte ich, daß er nur zu sehr recht hatte. 89