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Moralische Gedichte.


Allgemeines Gebet, nach Pope.

Herr und Vater aller Wesen, aller Himmel, aller Welten,
Aller Zeiten, aller Völker! Ewiger! Herr Zebaoth!
Die Verehrung schwacher Menschen kann dein Wohlthun nicht vergelten,
Gott, dem alle Götter weichen! Unaussprechlich-großer Gott!

Weise, Heilige, Barbaren fühlen, denken und bekennen
Dich, du Ursprung aller Dinge! Unerforschter Geist der Kraft!
Mein Verständnis ist begrenzet: nur dich groß und gut zu nennen,
Und mich selber blind zu wissen, das ist meine Wissenschaft.

Doch, in diesem dunklen Stande meiner Sinnen und Gedanken,
Gabst du mir zu unterscheiden, was hier gut und übel sei.
Stellte gleich der Arm der Allmacht der Natur gemess'ne Schranken,
Ließ dennoch das freiste Wesen, Willen und Gewissen frei.

Lehre mich das Gute lieben, lehre mich das Böse hassen,
Aus dem allerreinsten Triebe dem Gewissen folgsam sein;
Wenn es dies zu thun befiehlet, oder das zu unterlassen,
Dies mehr als den Himmel suchen, das mehr als die Hölle scheun.

Laß mich auf den Segen achten, den wir nur von dir erlangen,
Auf die Milde deines Reichthums, auf der Gaben Ueberfluß.
Ihm, dem Geber, wird vergolten, wenn wir Menschen recht empfangen:
Der Gehorsam, den Er heischet, ist ein fröhlicher Genuß.

Laß mich aber deine Güte nicht an unsern Erdkreis binden:
Herr, sei mir ein Gott der Menschen; doch der Menschen nicht allein!
Andre Körper und Geschöpfe müssen deine Huld empfinden,
Und, in mehr als tausend Welten, Spiegel deiner Größe sein.

Nimmer werden meine Hände, bei der Schwäche, so verwegen,
Mit den Waffen deines Eifers, deinen Keilen, umzugehn,
Und mit donnerndem Verdammen Land und Volk zu widerlegen,
Die, nach meiner blöden Einsicht, deiner Wahrheit widerstehn!

Bin ich auf dem rechten Wege; so verleihe deine Gnade,
Diesen Weg nicht zu verlassen, da mein Fortgang dir gefällt.
Irr' ich, als ein Kind des Irrthums; ach! so bringe mich zum Pfade,
Wo die Füße seltner straucheln, und dein Licht die Bahn erhellt.

Schütze mich vor eitelm Stolze, der sich bei dem Gut erhebet,
Das dem sterblichen Besitzer deine Milde nur geliehn:
Auch vor rohem Mißvergnügen, das umsonst nach Dingen strebet,
Die ihm deine Macht und Weisheit theils versagen, theils entziehn.

Bilde selbst mein Herz, o Vater! daß es sich zum Mitleid neige,
Und um andrer Wunden blute, Fehler decke, die es schaut;
Würdige mich des Erbarmens, das ich fremder Noth erzeige,
Froh im Ausfluß des Vermögens, das mein Gott mir anvertraut.

Zwar bin ich gering und nichtig; doch wird der gering erfunden,
Den dein Odem selbst beseelet, Herr der Jahre, Tag' und Zeit?
Ordne du, an diesem Tage, meine Wege, meine Stunden,
Wie du willst, zu weiterm Leben, oder auch zur Ewigkeit.

Ich erbitte mir, auf heute, sonst kein Theil, als Brod und Frieden,
Aus der andern Güter Menge wähle nie mein eigner Wahn!
Ob sie recht vertheilet worden, sei von dir allein entschieden.
Nur dein Will', o Herr, geschehe! Was du thust, ist wohl gethan.

Dich, dem aller Welten Kreise, aller Raum zum Tempel dienen,
Dich besingen alle Wesen, ewig mit vereintem Chor!
Und von Erde, Meer und Lüften, als von deines Altars Bühnen,
Schwinge sich zu dir der Weihrauch opfernder Natur empor!

 

Schriftmäßige Betrachtungen über einige Eigenschaften Gottes.

Herr, dessen Weisheit ewig ist!
Herr, der du aller Wesen Quelle,
Erhabner als der Himmel bist,
Und tiefer als die tiefste Hölle!
Wer mißt den Donner deiner Macht?
Du breitest aus die Mitternacht
Und zählst die Stern' als eine Heerde.
Dem Winde gibst du sein Gewicht,
Dem Wasser Maß, den Sonnen Licht,
Und hängst an nichts die Last der Erde.

Der Herr ist Gott. Licht ist Sein Kleid.
Er schilt: des Himmels Säulen zittern;
Sein Zorn verzehrt, Sein Blitz gebeut;
Er macht den Weg den Ungewittern.
Er hat den Himmel ausgespannt;
Aus Seinem Munde kömmt Verstand,
Und Weisheit ist Sein göttlich Hauchen.
Sein Odem zündet und belebt;
Er schaut die Erd' an, und sie bebt;
Er rührt die Berg' an, und sie rauchen.

Er spricht, so muß ein ganzes Heer
Sein ausgesandter Engel würgen.
Der Winde Mund erzählt's dem Meer,
Das Meer verkündigt's den Gebirgen.
Es zittern Berg und Wald und Feld;
Es bebt die Veste dieser Welt:
Sie kennt der Allmacht schwere Rechte.
Ihr Schöpfer ist es, der sich zeigt:
Die Sonn' erschrickt; die Erde schweigt;
Es zagt das menschliche Geschlechte.

Das Schwert des Herrn ist voll vom Blut;
Zu Bozra hält der Herr ein Schlachten;
In Edom tilget er die Brut
Der Rotten, die Sein Wort verachten.
Auch Zions Friedensengel weint,
Bis Gott sich aufmacht und erscheint;
Und Saron ist wie ein Gefilde;
Man sieht den Libanon zerhaun,
In Basans Triften herrscht nur Graun,
Und Carmels Aehre wächst dem Wilde.

Die Völker sind zu Kalk verbrannt,
Wo, Herr! dein Feuer angegangen.
Man rafft Gefangene wie Sand;
Die Fürsten lecken Staub wie Schlangen.
Es wird der Schlösser wüster Rest
Der Straußen Sitz, der Drachen Nest.
So wird die leere Stadt zerbrochen;
So wird das bange Land beraubt;
Des Frevlers Fluch fällt auf sein Haubt,
Der Gottes Heeren Hohn gesprochen.

Man hört der Hügel Klaggeschrei;
Man hört gestäupter Städte Heulen;
Man sieht, wie Staub und leichte Spreu,
Der Starken Rosse sich vertheilen.
Der Heere Wolken sind zerstreut.
Es wird ein Sack der Fürsten Kleid.
Sein Odem macht ihr Reich zunichte;
Und wie ein Weib mit Angst gebiert,
So wird das Volk mit Furcht gerührt
Vor Seinem Arm und Strafgerichte.

Ein Löw', ein junger Löwe brüllt
Und schreckt mit aufgesperrtem Rachen,
Den bald der Klauen Beute füllt
Und Blut und Geifer triefend machen.
Der Hirten Menge schreit ihn an,
Daß Berg und Thal es hören kann;
Doch darf ihn ihre Menge stören?
Sie scheucht ihn nicht: er würgt und schnaubt,
Und kann mit dem, was er geraubt,
Zurück in Wald und Höhle kehren.

So sieht man dich, Herr Zebaoth!
Mit starkem Grimm herniederfahren.
Der Feinde Drohen wird zu Spott,
Und Schrecken überfällt die Schaaren.
Nun richtet die Gerechtigkeit.
Der Herr zieht selber in den Streit.
Er selber siegt auf Zions Höhen.
Die Hügel fühlen Sieg und Muth.
Wie könnte der Egypter Wuth
Dem Pfeil der Allmacht widerstehen?

Und was hat nicht dein Zorn gefällt,
Als du so vieler Tausend Leben
Und deinen Herd und dein Gezelt
Den Feinden Salems übergeben;
Als Zion selbst in Schutt versank;
Als es den Kelch des Jammers trank,
In welchen sich dein Grimm ergossen;
Als Knechtschaft, Angst und Hungersnoth
Und Flamme, Pest und Schwert und Tod
Das ausgeführt, was du beschlossen?

Verwüstung herrschet überall;
Geschrei und Klagen fliehn zum Himmel;
Es übertäubt den bangen Schall
Der Blutvergießer Mordgetümmel.
Ein Mann ersticht sein jammernd Weib,
Bricht und zerstückt den todten Leib,
Verzweifelnd, mit dem trunknen Schwerte.
Er frißt, was er geschlachtet hat.
Der Hunger trieb ihn zu der That,
Der Hunger, der sein Mark verzehrte.

Ein Vater reißt sein saugend Kind
Der blassen Mutter aus den Händen.
Er mordet, beider Blut verrinnt!
Ein Dolch muß beider Leben enden.
Er knirscht, verflucht sich tausend Mal,
Und nagt sein eignes Fleisch vor Qual,
Und stürzt sich in des Tempels Feuer.
Dort würgt ein Jüngling seine Braut,
Die ihm ihr Pfleger anvertraut,
Mit ihrem eignen Hochzeitschleier.

Hier thront der Mord mit Blut bespritzt,
Auf eiternden, zerfleischten Leichen;
Sein wildes Auge glüht und blitzt,
Und gibt der schwarzen Freude Zeichen.
Hier ist sein gräßlicher Triumph;
Hier sieht und zählt er jeden Rumpf
Mit einem höllischen Ergötzen.
Hier hält er nach dem Metzeln Ruh;
Sein Jauchzen ruft den Geiern zu,
Die schnell sich auf die Aeser setzen.

Herr, wer erhebt, wie du, die Hand?
Wer darf mit dir, o Richter! rechten?
Wer thut den Kräften Widerstand,
Die Juda, so wie Assur, schwächten?
Dem Arm, der Könige zerschmeißt,
Die Bande Seines Volks zerreißt,
Und die Gewaltigen zerschläget?
Dem Herrn, der nur die Stolzen beugt,
Den Frommen Seine Wege zeigt,
Und sie auf Adlers Flügeln träget?

Allein, was ist der Mensch vor dir,
Daß du, o Herrscher! sein gedenkest?
Was ist dies Land? und was sind wir,
Die du mit Wollust reichlich tränkest?
Es ist vor dir der Welten Bau
So wie ein Tropf vom Morgenthau,
Du Meer der Wunder und der Wonne!
Es ist, in Ansehn deines Lichts,
Die Sonne selbst ein Punkt, ein Nichts:
Nur Gott, der Herr, ist Schild und Sonne.

Gott unsrer Väter und ihr Ruhm,
Held, Ueberwinder und Gebieter,
Du Heiliger im Heiligthum,
Erbarmer, Vater, Menschenhüter!
Was dort dein Mund zur Wittwe spricht,
Das mitleidvolle: Weine nicht,
Das sprichst du noch, du Gott der Treue!
Und deinen Zorn entwaffnet oft
Ein Seufzer deß, der auf dich hofft,
Und eine Zähre wahrer Reue.

Das Gute kömmt aus deiner Hand.
Du krönst das Jahr mit deinem Segen.
Durch dich befruchtet sich das Land,
Und dürre Furchen tränkt dein Regen.
Wie ist des Schöpfers Bild so schön!
Sein Himmel, Seine Wolken stehn
So fest wie ein gegoss'ner Spiegel!
Die Auen sind an Aehren reich.
Man jauchzet und besingt zugleich
Der Anger Reiz, die Lust der Hügel.

Der Himmel und die Erd' ist dein,
Und Alles lebt von deinen Gaben.
Du heißest Wüsten fruchtbar sein,
Und sättigst auch die jungen Raben.
Nichts setzet deinem Rath ein Ziel.
Du schenkst das zarteste Gefühl,
Der Größen Wissenschaft den Spinnen.
Du lehrst dem Storch die Reisezeit,
Du gibst der Ameis' Emsigkeit,
Den Bienen Reich und Königinnen.

Wo findet sich der Weisheit Bahn?
Und wo ist des Verstandes Stäte?
Wer thut, was Salomo gethan,
Und sucht sie eifrig im Gebete?
Ihr, deren Dünkel Alles mißt,
Trefft das kaum, was auf Erden ist:
Wer will des Höchsten Himmel kennen?
Wir sehn in Seinem Licht das Licht.
Den hohen Augen glückt es nicht,
Das Wesen von dem Schein zu trennen.

Es ist ein endlicher Verstand
Mit Wahn und Dunkelheit umfangen,
Eh' er, o Wahrheit! dich erkannt
Und ihm dein Leitstern aufgegangen.
Wie wirst du doch so oft verfehlt,
Wann Ungewißheit lange wählt,
Und endlich dich zu finden glaubet!
Bis dir der helle Sieg gelingt,
Der durch des Irrthums Blendwerk dringt,
Und ihm Gewalt und Nebel raubet.

Wie, wann ein Wandersmann verirrt,
Wann Nacht und Schatten Alles decken;
Wann Furcht und Zweifel ihn verwirrt,
Und die Erschrock'nen andre schrecken:
O wie lacht dem das erste Licht,
Das aus den grauen Wolken bricht,
Und uns den rothen Morgen zeiget!
Ein neuer Lustreiz schmückt die Welt;
Die Macht der Finsternisse fällt,
Und Glanz und Muth und Freude steiget.

 

Der Weise.

Ein Midas trotzt auf den Besitz der Schätze,
Um die der Geiz nach fernen Ufern reist.
Prüft auch der Thor der Wahrheit ew'ge Sätze,
Des Weisen Glück, den ächten Heldengeist,
Den Schatz, an dem kein Diebesfinger klebet,
Nach dem allein der Reichen Neid nicht strebet?

Ein Weiser lebt, obgleich nicht krumme Griffe
Ihm Geld und Trost in Schränk' und Kasten ziehn;
Beschweret gleich sein wuchernd Gut nicht Schiffe,
Die zum Gewinn mit schnellen Segeln fliehn.
Er darf sich groß, er darf sich glücklich preisen;
Kein fremder Fluch versalzet seine Speisen.

Er schläft mit Lust, wo Andrer Sorgen wachen;
Wann Boreas um Dach und Fenster heult,
Und dann vielleicht der Wellen schwarzer Nachen
Den Frachten droht, und Mast und Kiel ereilt;
So oft der Herr der Wasser und der Erden
Die Krämer beugt, daß sie nicht Fürsten werden.

Was Recht und Fleiß und Zeit und Glück ihm geben,
Verwaltet er mit milder Dankbarkeit,
Und meidet den, der den Genuß vom Leben,
Der jeden Tag nur dem Gewerbe weiht,
Und jüdisch lacht, so oft er sieht und höret,
Wie die Vernunft Geschmack und Wahrheit ehret.

Wie edel ist die Neigung ächter Britten:
Ihr Ueberfluß bereichert den Verstand,
Der Handlung Frucht, und was ihr Muth erstritten,
Wird, unbereut, Verdiensten zugewandt;
Gunst krönt den Fleiß, den Macht und Freiheit schützen:
Die Reichsten sind der Wissenschaften Stützen.

O Freiheit! dort, nur dort ist deine Wonne,
Der Städte Schmuck, der Segen jeder Flur,
Stark wie das Meer, erquickend wie die Sonne,
Schön wie das Licht, und reich wie die Natur.
Halbglücklich sind die Sklaven, die dich nennen;
Doch weiter nicht, als nach dem Namen, kennen!

Wer heißt oft groß? Der schnell nach Ehren klettert,
Den Kühnheit hebt, die Höhe schwindlicht macht.
Doch wer ist groß? Der Fürsten nicht vergöttert,
Und edler denkt, als mancher Fürst gedacht,
Der Wahrheit sucht, dich, treue Wahrheit, findet,
Und seinen Werth auf Witz und Tugend gründet.

Ein solcher kennt die Eitelkeit der Würden,
In die das Glück zu selten Kluge steckt.
Ihn rühret nicht der Aufputz hoher Bürden;
Ihm strahlt kein Stern, der kleine Herzen deckt.
Der Geist, durch den ein Cato groß geworden,
Fährt in kein Band, und ruht auf keinem Orden.

Wann machte sich das Lob der Tugend eigen?
Wann war es nicht des Glückes Folgemagd?
Wie oft beschämt der, dem die Schmeichler schweigen,
Den, dem ihr Schwarm viel Süßes vorgesagt?
Wie oft ist der der Welt im Zorn gegeben,
Den Clerisei und Hof und Land erheben?

Die Einfalt lobt, was Vieler Stimmen loben,
Die Menschenfurcht, was sie nicht stürzen kann.
Germanicus wird billig hoch erhoben;
Doch betet Rom auch seinen Buben an: (Caligula.)
Domitian, Roms schändlicher Berather,
Heißt, wie August, des Vaterlandes Vater.

Wie Mancher wird aus Eigennutz besungen,
Mit Lob betäubt, den jede That entehrt!
Des Frevlers Ruhm ertönt auf feigen Zungen,
Bis ihm das Glück den falschen Rücken kehrt.
Ahitophel, und solcher Räthe hundert,
Sogar ein Süß ward, eh er hing, bewundert.

Die Schmeichelei legt ihre sanften Bande,
Ihr glattes Joch nur eiteln Seelen an.
Unedler Ruhm und unverdiente Schande,
O waget euch an keinen Biedermann!
Führt im Triumph die Blöden, die nichts wissen,
Und, was sie sind, vom Pöbel lernen müssen!

Ruhm, Ehre, Lob, (wie wir den Beifall nennen,
Den alle Welt Verdiensten schuldig ist),
Euch kann uns nur die Weisheit zuerkennen,
Die unsern Werth nicht nach dem Ansehn mißt.
Ihr Ernst verscheucht die Künste kleiner Meister.
Ihr Geist ist stark, und geht durch alle Geister.

Ihr Preis, ihr Werth wird nicht vom Glück entschieden;
An ihr verliert der Zufall seine Kraft.
Sie kennet sich, und ihren innern Frieden
Zerrüttet nicht die Macht der Leidenschaft.
Was? darf man noch die niedren Größen preisen?
Kein Stand ist groß, als nur der Stand des Weisen.

Er weiß, sein Gott kennt, wählt und wirkt das Beste:
Das einzusehn, ist seine Lust und Pflicht;
Und bebte gleich der Welten Bau und Veste,
So zaget er bei ihrem Einfall nicht.
Er stirbt getrost: er segnet seine Zeiten,
Und heiliget sein Theil der Ewigkeiten.

 

Die Glückseligkeit.

Es ist das wahre Glück an keinen Stand gebunden:
Das Mittel zum Genuß der schnellen Lebensstunden,
Das, was allein mit Recht beneidenswürdig heißt,
Ist die Zufriedenheit und ein gesetzter Geist.
Der ist des Weisen Theil. Die Nerven und die Stärke
Des männlichen Gemüths sind nicht des Zufalls Werke.

Nicht Erbrecht noch Geburt, das Herz macht groß und klein;
Ein Kaiser könnte Sklav', ein Sklave Kaiser sein,
Und nur ein Ungefähr gibt, zu der Zeiten Schande,
Dem Nero Cäsars Thron, dem Epictet die Bande.

Der Pöbel, welcher kaum der Dinge Hälfte kennt,
Und nur die Schmeichelei des Zufalls Glück benennt,
Der Pöbel lebt im Traum, und zeigt in allen Rollen,
Die seine Wahnsucht spielt, was wir belachen sollen,
Gehorcht wie Tigellin, Sophonius Tigellinus war einer der niederträchtigen Lieblinge des Nero. herrscht wie Soämis Sohn, Heliogabalus, röm. Kaiser, 218 nach Chr.
Ist Pöbel in dem Staub, und Pöbel auf dem Thron.
Grob oder leicht und falsch, stolz oder niederträchtig,
Noch blinder als sein Glück, und nie durch Weisheit mächtig.

Nur diese findet sich in würdiger Gestalt
Bei jeglichem Beruf, in jedem Aufenthalt.
Sie dichtet im Homer, gibt im Lycurg Gesetze,
Beschämt im Socrates der Redner Schulgeschwätze,
Bringt an den stolzen Hof den Plato, den Aeschin,
Gehorchet im Aesop, regiert im Antonin,
Und kann im Curius sich den Triumph ersiegen,
Doch auch mit gleicher Lust die starren Aecker pflügen.

Was ist die Weisheit denn, die Wenigen gemein?
Sie ist die Wissenschaft, in sich beglückt zu sein.
Was aber ist das Glück? Was alle Thoren meiden:
Der Zustand wahrer Lust und dauerhafter Freuden;
Empfindung, Kenntniß, Wahl der Vollenkommenheit,
Ein Wandel ohne Reu' und stete Fertigkeit,
Nach den natürlichen und wesentlichen Pflichten
Die freien Handlungen auf einen Zweck zu richten.

Ist nicht des Weisen Herz ein wahres Heiligthum,
Des höchsten Guten Bild, der Sitz von seinem Ruhm?
Den falschen Eigennutz unordentlicher Triebe
Verbannt aus seiner Brust die treue Menschenliebe.
Es quellen nur aus ihr der tugendhafte Muth,
Der Freunde nie verläßt, und Feinden Gutes thut,
Den Frieden liebt und wirkt, der Zwietracht Wildheit zähmet,
Und nur durch neue Huld Undankbare beschämet;
Der Wünsche Mäßigung, wann nichts dem Wunsch entgeht;
Die Unerschrockenheit, wann Alles widersteht,
Der immergleiche Sinn, den Fälle nicht zerrütten;
Wahrhaftigkeit im Mund, und Wahrheit in den Sitten;
Die Neigung, die uns lehrt an aller Wohlfahrt baun,
Nicht blos auf unsre Zeit und auf uns selber schaun,
Mit eigenem Verlust der Nachwelt Glück erwerben,
Und für das Vaterland aus eigner Willkür sterben.

In diesem Vorzug liegt, was man nie g'nug verehrt,
Der Seele Majestät, der Menschen ächter Werth:
Denn Wollust, Reichthum, Macht, was Tausende begehren,
Das pfleget die Natur auch Thieren zu gewähren.

Monarchisch herrscht und schreckt, zu schwächrer Nachbarn Weh,
Der Adler in der Luft, der Schwertfisch in der See,
Ein königlicher Löw', ein kriegerischer Tieger
Ist, Alexandern gleich, ein Haubt, ein Held, ein Sieger,
Und waget sich gewiß mit größerer Gefahr
An einen kühnern Feind, als dort Darius war.
Wird manche Muschel nicht an Schätzen mehr verwahren,
Als Polidor verspielt, und Cleons Aeltern sparen?
Belebt die Buhlerei nicht jeden Sperling mehr,
Als alle Lüsternheit den traurigen Tiber?
Es mag ein Sybarit auf weichen Rosen liegen,
Die leichte Spinne kann sich zehn Mal sanfter wiegen.

Die siegende Gewalt, die Gabe, reich zu sein,
Was Sinnen lockt und übt, hat nicht der Mensch allein.
Das kann, in mancher Art, auch ihm Vergnügen bringen:
Doch was unsterblich ist, folgt billig bessern Dingen.

Ich, ich weiß dieses längst, denkt ein gelehrter Geist,
Der nie sich glücklich schätzt, als wann er scharf beweist:
Der nicht gemeine Reiz erhab'ner Wissenschaften,
Der, lehrt er, und sonst nichts muß an der Seele haften.
Ich forsche, was sich stets in jenen Welten dreht,
Was Orpheus, Epicur und Brunus ausgespäht,
Wie jenes Firmament ein Heer von Sonnen zieret,
Ein neuer Stern erscheint, ein alter sich verlieret,
Was Flamsteed glücklicher, als Liebknecht, uns entdeckt,
Wie weit sich ihre Zahl und ihre Größ' erstreckt.
Was auch der Pöbel weiß, kann mich nicht lüstern machen.
Ein philosophisch Aug' ergötzen hohe Sachen:
Wie jeder Haubtplanet, im Bau der besten Welt,
Durch Wirbel reger Luft die Laufbahn richtig hält,
Stets um der Sonne Glut elliptisch sich beweget,
In dem sonst dunklen Kreis Land, Berge, Wasser heget,
Und, unsrer Erde gleich, vielleicht mit Menschen prangt,
Die auch Systemata, so gut als wir, erlangt,
Und unter denen jetzt, zum Nutzen ihrer Sphären,
Vielleicht ein andrer Wolf, ein andrer Newton lehren.
Sieht mich die Mitternacht bei meinem Sehrohr wach,
So ahm' ich höchstvergnügt berühmten Männern nach:
Und so entdeck' ich selbst, was, auch bei wachen Stunden,
Ein Deutscher, ja sogar ein Domherr, Copernicus. ausgefunden.

Freund! wer erkennet nicht den Werth der Wissenschaft?
Unendlich ist ihr Ruhm, ersprießlich ihre Kraft.
Doch sind wir, nach dem Zweck des Schöpfers aller Wesen,
Nur, um gelehrt zu sein, zum Dasein auserlesen?
Hat nicht an deinem Fleiß und wirksamen Verstand
Dein eignes Haus ein Recht, noch mehr dein Vaterland?
Wird durch den Sirius, der beim Orion blitzet,
Germanien befreit, und eine Stadt beschützet,
Der Unschuld Recht geschafft, der Frevelmuth gestört,
Die Tugend groß gemacht, der Seele Glück vermehrt?
Bestimmst und ordnest du nach der Bewegung Schranken
Die sich verklagenden und richtenden Gedanken?
Nutzt nicht der grobe Pflug, die Egge mehr dem Staat,
Als ihm ein Fernglas nutzt, das dir entdecket hat,
Wie von Caßini Schnee, von Huygens weißer Erde
Im fernen Jupiter ein Land gefärbet werde?
Sah nicht ein Socrates aufs menschliche Geschlecht,
Und hatt' er etwa nicht bei seiner Strenge Recht,
Die von der Wissenschaft der Sterne nichts behielte,
Als was dem Feldbau half, und auf die Schifffahrt zielte?
Mich däucht, er gründe sich auf die Erfahrenheit:
Das, was uns glücklich macht, sei nicht Gelehrsamkeit.

Ja freilich! schreit Gryphin: das Rechnen ausgenommen,
Kann keine Wissenschaft und kein Erkenntniß frommen.
Allein wer kennet nicht den zählenden Gryphin?
Dem keine Staude grünt, dem keine Blumen blühn,
Kein Strahl der Sonne spielt, der nur die Sonne liebet,
Wann sie den Stier durchstreicht, uns längre Tage gibet,
Ihm Holz und Licht erspart: der, ganz erpicht auf Geld,
Die Münzer insgeheim für halbe Schöpfer hält,
Und nur die Schöpfung ehrt, die aus dem Reichthum stammet,
Durch den sein Vater sich, dem Sohn zum Trost, verdammet,
Der sich in Erz und Gold bald spiegelt, bald vergräbt,
Und, nach der Erben Wunsch, so wie sein Vater, lebt.
Erforschung der Natur, das schöne Weltgebäude
Sind nicht der Wuchrer Lust, noch grober Seelen Freude.
Gryphin bewacht sein Geld: an seiner Seite wacht
Ein Menschenfeind, der Geiz, der horchende Verdacht,
Der zänkische Betrug, der Meineid im Gewerbe,
Der ungestalte Neid, Lust zu des Nachbarn Erbe,
Verzweiflung bei Gefahr, und Unempfindlichkeit
Bei allen Predigten von Selbstzufriedenheit.

O wie beglückt ist der, auf dessen reine Schätze
Nicht Fluch und Schande fällt, noch Vorwurf der Gesetze,
Der aus dem Ueberfluß, den er mit Recht besitzt,
Der Armen Blöße deckt, und ihre Häuser stützt,
Die Künstler kennt und hegt, mit seinem Beistand eilet,
Und mit gewohnter Hand des Kummers Wunden heilet!
Vor ihm verlieren sich die Zähren banger Noth.
Die Milde seiner Huld entfernt der Greisen Tod,
Zieht ihre Kinder auf, die Väter zu verpflegen,
Und wird ein Gegenstand von ihrem letzten Segen.
Die Lust an aller Wohl beseelet, was er thut.
Es ist sein Eigenthum ein allgemeines Gut,
Es überfließt sein Herz, der innre Freund der Armen,
Von reger Zärtlichkeit, von göttlichem Erbarmen.

Ja! Titus irrte nicht: Der Tag ist zu bereun,
An welchem wir durch nichts ein leidend Herz erfreun.
Als Bürger einer Welt sind wir dazu verbunden;
Verloren ist der Tag, und selten sind die Stunden,
Die, wann wir fähig sind, Bedrängten beizustehn,
Beim Anblick ihres Harms uns unempfindlich sehn;
Wann Mitleid, Lieb' und Huld mit Seufzern sich verschleichen,
In enge Winkel fliehn, und dir, an Falschheit, gleichen,
Du Rath der Heiligen, die stolze Demuth krümmt!
Zunft! die den Brüdern schenkt, was sie den Menschen nimmt:
Die mit der frommen Hand, die sich zur Andacht faltet,
Nach ihrem innern Licht das Zeitliche verwaltet,
Die Jünger feister macht, sonst Alle von sich stößt,
Die Nackende bekleid't, Bekleidete entblößt,
Nur philadelphisch liebt, in Allem, was geschiehet,
So schlau, als Saint-Cyran, den Finger Gottes siehet,
Sich für sein Häuflein schätzt, und, falscher Bilder voll,
Die Welt ein Babel nennt, dem man nichts opfern soll.

Der Allmacht mildre Gunst zeigt sich in jedem Falle;
Nichts schränkt ihr Wohlthun ein: ihr Segen strömt auf Alle.
Der, dessen kleines Herz, nach klügelndem Bedacht,
Das Brod, das er verschenkt, recht schwer und steinern macht,
Gleicht Neidern fremden Glücks, die selbst kein Glück verdienen,
Verläugnern der Natur und hündischen Gryphinen.

Die Baarschaft, die zu sehr an kargen Fäusten klebt,
Nur ihrem Hüter lacht, der stets nach mehrerm strebt;
Der Reichthum, der vertheilt so vielen nützen würde,
Und aufgethürmtes Gold sind eine todte Bürde,
Bis sie ein Menschenfreund, den nicht ihr Schein ergötzt,
Zu vieler Glück beseelt und in Bewegung setzt.

Die Kunst versteht Fatill, der, Großen nachzuahmen,
Reichsgräflich kauft und baut, und einen edlen Namen,
Nach dem sein Diener oft so edel ist als er,
Durch Aufwand edler macht, und zu vergessen schwer.
Er lebet ritterlich, und seines Reichthums Quellen
Verrauschen schnell und stark, gleich jenen Wasserfällen,
Die seiner Gärten Schmelz, durch Kosten eitler Pracht,
Weit mehr, als durch Geschmack, beruhmt und stolz gemacht:
Wo in Cybelens Mund sich Schaum und Strahlen krümmen,
Die Liebesgötter spein, und Huldgöttinnen schwimmen,
Und in dem Grottenwerk, das eine Fama stützt,
Vulcan im Schwall erstarrt, Neptun im Trocknen sitzt.
Vielleicht verkleidet er, den Pöbel zu verblenden,
Den unbemerkten Geiz in schimmerndes Verschwenden.
O nein! der Schmeichler Lob bläht seinen Uebermuth,
Und seine Hoffahrt wirkt, was nie sein Mitleid thut.
Sein Stolz hilft andern auf, weil sie ihn glücklich nennen,
Und ist den Künsten hold, auch ohne sie zu kennen.
Er stimmt die Tugenden der spröden Sängerin,
Trotz aller Heischerkeit, trotz allem Eigensinn;
Bereichert durch den Preis, den er Verdiensten zahlet,
Die Nadel, die ihm sticht, den Pinsel, der ihm malet;
Und was er andern nicht an baarer Gunst erweist,
Das ziehet, der ihm baut, und der ihm niederreißt,
Und stets mit blindem Fleiß, sobald er es befiehlet,
In Kammern Pflaster setzt, und nur die Säle diehlet.
Ihm stellt ins Schlafgemach, das er allein erfand,
Die Säulen-Ordnung Rom, Paris die Spiegelwand,
Vor der, in hellem Erz und stufenweis' erhöhet,
Der lächelnde Fatill auf schwarzem Marmor stehet.
Ein flitternd Blumenwerk bebt um des Fensters Fach.
Den nahen Pferdestall bedeckt ein kupfern Dach.
Nicht weit von diesem ruht, der Baukunst zum Exempel,
Auf Pfeilern deutscher Art ein Göttervoller Tempel;
So prächtig, daß der Stolz, den Kennern zum Verdruß,
Hier nichts der Kunst geweiht, als blos den Ueberfluß:
So offen, daß, sobald der Nord die Zinn erschüttert,
Der bange Jupiter mit allen Blitzen zittert,
Daß jüngst ein Regenguß Minerven fast verschwemmt,
Und daß ein Wiedehopf … Doch horcht! Der Hausherr kömmt:
Er kömmt! Es meldet ihn, und seines Glücks Genossen
Das rasselnde Geräusch raschrollender Carossen.
Sein Schwemmer fährt vorauf, aus dem der große Mann
Sein wichtiges Gesicht den Leuten zeigen kann,
Die, wann sie seinen Zug auch nur von weitem hören,
Bewundernd stille stehn, und ihn mit Grüßen ehren.
Nun sind die Gäste da. Er führt sie allzumal,
Nach langem Wortgepräng', in seinen Tafelsaal,
Zum wohlschattirten Tisch, wo Trachten seltner Speisen
Den fürstlichen Geschmack des theuren Kochs erweisen,
Und wo von allen doch den schwulstigen Fatill
Kein Reh, kein Ortolan, kein Rebhuhn reizen will.
Der Ekel darf ihm gar die frischen Bachforellen,
Den gelblich rothen Lachs, den Meerkrebs jetzt vergällen.
Ihm, den die saure Last so vieler Schmäuse preßt,
Schmeckt nicht die Ananas, noch Tunquins Vogelnest.
Warum? Er muß bereits sein hochansehnlich Leben
Dem Koch nicht anvertraun, nur Aerzten untergeben.
Es überfällt ihn schon mit wuthender Gewalt
Der reuerfüllte Schmerz, der Scheinlust Hinterhalt.
Der Hunger fliehet ihn, wie er die Arbeit scheuet,
Die Reizung bester Art, die jenen Stand erfreuet,
Der weidlich sich bewegt, sä't, ackert, erntet, drischt,
Gräbt, pflanzet, wässert, walzt, schwimmt, rudert, flößt und fischt.
O Glück der Niedrigen, der Schnitter und der Hirten,
Die sich in Flur und Wald, in Trifft und Thal bewirthen,
Wo Einfalt und Natur, die ihre Sitten lenkt,
Auch jeder rauhen Kost Geschmack und Segen schenkt!

Was kann sich zum Genuß ein mürber Schlemmer wählen,
Wann Kitzel, Schärf und Saft der spröden Zunge fehlen?
Dem Habicht, und nicht dir, o Thor, schmeckt der Fasan,
Auf dessen Zucht und Hut du so viel Geld verthan.
Der feisten Karpfen Satz, die dir nur Ekel brächten,
Gebührt mit größerm Fug den weit gesundern Hechten.
Schmaus', aber schmaus' im Traum: sonst weist der rege Stab
Des strengen Rezio die Speisen von dir ab. Siehe Don Quixote von der Mancha
Im Traum? Doch ach! die Zeit erweckt dir neuen Kummer:
Den Hunger nahm sie dir; sie raubt dir auch den Schlummer.
Es schleicht der ächte Schlaf den Federpfühl vorbei,
Ist falschen Städtern falsch, und treuen Bauren treu,
Und kehrt in Dörfer ein, wo des Gewissens Enge
Den Handschlag sichrer macht, als alles Rechtsgepränge;
Wo noch des Landmanns Mund, nach Art der alten Welt,
Frucht, Molken, Käs' und Schmalz für Haubtgerichte hält,
Und, wann sich mit der Nacht die sichre Stille paaret,
Die Ruhe gähnend hascht, und schnarchend fest verwahret.
Man lieget, wenn noch jetzt das Sprichwort gelten soll,
Auf guten Betten hart, auf harten Betten wohl,
Und die Erfahrung kann durch manches Beispiel zeigen,
Der Schlaf, der güldne Schlaf, sei nicht den Reichsten eigen;
Der Arbeit süßer Lohn, die so viel Gutes schafft,
Der Schlaf, des Todes Bild, und doch des Lebens Kraft.

Gryphin! und du, Fatill! ersieht man in euch beiden
Den Zustand wahrer Lust und dauerhafter Freuden?
Dem einen raubet Geiz, dem andern Ueberdruß,
Durch lächerlichen Wahn, die Mittel zum Genuß;
Und beiden kann ihr Geld nichts Trefflichers gewähren,
Als jenem, reich zu sein, und diesem, zu verzehren.
Den Frieden mit sich selbst, der nimmer dem entsteht,
Der durch das innre Glück das äußre Glück erhöht,
Das Kleinod kennt ihr nicht. O sollt' euch dieses kränken,
Was könnte jenes euch für Trost und Beistand schenken!
Hüllt' euch des Schicksals Grimm, der Größre niederschlug,
In jenes grobe Wamms, das euer Vater trug,
Und sollt' es eurem Gut auch nur die Hälfte nehmen;
Euch würd' an Männlichkeit ein Knab', ein Weib beschämen.
Nur Tugend, die allein die Seelen wehrhaft macht,
Wird durch Gefahr und Noth nie um den Sieg gebracht.
Eilt Verres, nach dem Bann, aus seinem Vaterlande,
So schwärzt sein Afterglück das Laster und die Schande:
Doch ist der starke Held, vor dem Carthago floh,
Im Feld, im Capitol, im Elend Scipio.
Der Weise hat ein Loos, das seinen Werth entscheidet:
Verdienste, wo er gilt, und Unschuld, wo er leidet.
Zu seinem Wesen wird vom Zufall nichts entliehn:
Recht, Wahrheit, Menschenhuld und Tugend bilden ihn.
Er ist, o seltnes Glück! durch eigne Trefflichkeiten
Von Vorurtheilen frei, getrost zu allen Zeiten,
Im Purpur nicht zu groß, durch Kittel nicht entehrt,
Stets edler als sein Stand, und stets bewundernswerth.
Er folget der Natur, in deren schönen Werken
Wir weder Mangel sehn, noch Ueberfluß bemerken.
Er kennt, belacht und flieht mit rühmlichem Entschluß
Den geizigen Besitz, den üppigen Genuß,
Den irdischen Geschmack. Der Vorzug weiser Sitten
Macht alles herrlicher, und adelt auch die Hütten.
Gesundheit, innre Ruh, und äußre Sicherheit,
Und heiterer Verstand, das ist's, was ihn erfreut.
Die Weisheit wählet oft, um diesen nachzugehen,
Den niedern Aufenthalt, und nicht umwölkte Höhen.
Ist auch ein rauschend Glück von schweren Bürden frei,
Und fällt die Wahrheit nicht der alten Fabel bei,
Die ehmals Cervius, dem nie kein Märchen fehlte,
Dem schlurfenden Horaz vor seinem Herd erzählte?

Zur Feldmaus kam einmal die Stadtmaus in den Wald,
In ihren dürftigen, gehöhlten Aufenthalt.
Hier lebte sie genau, um Vorrath aufzusparen;
Allein, weil Wirth und Gast längst gute Freunde waren,
Und sie, bei schmaler Kost, doch Gästen reichlich gab,
So ging auch dieses Mal nichts der Bewirthung ab.
Das lange Haberkorn, als ihrer Ernte Gaben,
Die Kichern, die sie sonst, als einen Schatz, vergraben,
Halb abgenagten Speck, gedörrter Beeren gnug,
Die sie mit eignem Mund ihm jetzt zur Tafel trug,
Das bringt sie, um zu sehn, ob nichts sein Maul verführte,
Das jeden Bissen nur mit stolzem Zahn berührte;
Da unser Hausherr hier auf frischen Spalzen saß,
Ihm gern das Beste ließ, selbst Tresp' und Roggen fraß.

Wie? hebt der Städter an: kannst du auf diesen Höhen,
In diesem öden Wald dich so zufrieden sehen?
Stehn, statt der Wildniß, dir nicht Städt' und Menschen an?
Zeuch immer mit mir, Freund! wenn ich dir rathen kann.
Was ist uns allen mehr, als Sterblichkeit, verliehen?
Von dem, was irdisch ist, wird nichts dem Tod entfliehen:
Sogar ein Löwe stirbt. Es sterben Groß und Klein:
Wir aber schmausen noch. O laß uns fröhlich sein!
Leb' immer eingedenk, wie Jahr' und Zeit verfließen.
Freund! lebe so wie ich, des Lebens zu genießen.

Die Feldmaus, die den Rath sich sehr gefallen läßt,
Schickt sich zum Reisen an, und hüpfet aus dem Nest.
Sie eilen beide fort, die Stadt bald zu erreichen,
Und durch die Mauer sich, bei Nacht, hineinzuschleichen.
Den Himmel schwärzte schon die stille Mitternacht;
Da kommen diese zwei in einen Sitz der Pracht,
In eines Reichen Haus, wo scharlachrothe Decken
Des Lagers Helfenbein mit stolzem Glanz verstecken,
Und, zum gewünschten Fraß, vom gestrigen Banket
Der aufgehäufte Rest in vollen Körben steht.
Der Städter, der den Gast auf Purpur hingesetzet,
Und alles sucht und wählt, was Tellerlecker ätzet,
Läuft emsig, wie ein Wirth, der sich die Mühe kürzt,
Und, hurtiger zu sein, sich lustig aufgeschürzt.
Er will sich aufwartsam, ja Dienern gleich, erweisen,
Und bringet und kredenzt die aufgetragnen Speisen.
Die neue Lebensart erfreut die fremde Maus.
Wie vornehm ist ihr Sitz! wie köstlich ist der Schmaus!
Doch ein Geräusch entsteht, die Thür wird aufgerissen,
So daß sich Wirth und Gast urplötzlich trollen müssen.

Sie liefen, voller Angst, das Zimmer auf und ab:
Allein, was beiden noch ein tödtlich Schrecken gab,
War dieses, daß zugleich die großen Hund' erwachten,
Und durch das ganze Haus ein stark Gebelle machten.
Die Feldmaus zittert zwar, erholt sich doch, und spricht:
Ich scheide. Fahre wohl! Dies Leben dient mir nicht.
Die Höhl' und jener Wald soll mich, bei schlechten Wicken,
In freier Sicherheit, mehr als die Pracht, beglücken.

 

Wünsche, aus einem Schreiben an einen Freund,

vom Jahre 1733.

Um diese Pilgrimschaft vergnüglich zu vollenden,
Die mich von der Geburt bis zur Verwesung bringt,
Darf Ehre, Schein und Wahn nie meine Seele blenden,
Die nicht mit Träumen spielt, und nach dem Wesen ringt.
Es sei mein Ueberfluß, nicht vieles zu verlangen;
Mein Ruhm, mein liebster Ruhm, Vernunft und Billigkeit:
Soll ich ein mehres noch, bald oder spät, empfangen,
So steh' ein Theil davon zu andrer Dienst bereit.

Die Gegend reizt mich noch, wo bei den hellen Bächen
Und in dem grünen Hain sich Ruh und Freiheit herzt.
Dort konnt' ich mit mir selbst vertraulich mich besprechen,
Wo keine Falschheit lacht, und keine Grobheit scherzt.
Dort lebt' ich unerreicht von Vorwitz und von Sorgen;
Durch keinen Zwang gekrümmt, durch keinen Neid berückt;
Der stillen Wahrheit treu, der Welt, nicht mir, verborgen,
Und, Lust der Einsamkeit! genug durch dich beglückt.

O wie vergnügen mich, wo die kein Schwätzer störet,
Die Werke, deren Ruhm die Meister überlebt;
Die Alten, deren Geist die späte Nachwelt lehret;
Die Neuern, deren Witz den Alten nachgestrebt!
Dann will die Dichtkunst mich durch ihren Reiz ergötzen,
Der in die Seelen wirkt, und Herzen edler macht,
Den, zu der Wahrheit Schmuck, in wunderschönen Sätzen
Homer, Virgil, Horaz, so glücklich angebracht.
Oft lehret mich Plutarch die Helden unterscheiden,
Oft läßt mich Theophrast der Laster Thorheit sehn,
Oft hilft mir Tacitus der Großen Stolz entkleiden,
Das räthselhafte Herz der Menschen zu verstehn.

Freund, sei mit mir bedacht, die Kenntniß zu vergrößern,
Die unsern Neigungen die beste Richtschnur gibt;
Sonst wirst du den Verstand, und nicht das Herz, verbessern,
Das oft den Witz verwirrt, und nur den Irrthum liebt.
Vermehren Kunst und Fleiß nicht unsrer Seele Würde;
Ach! so verführt uns leicht der Zug zur Wissenschaft.
Was nützt Belesenheit, was die Gedächtnißbürde,
Die Schreib- und Ruhmbegier aus tausend Büchern rafft?

Wer dies von Weisen lernt, sein eigner Freund zu werden,
Mit der Versuchung nicht sich heimlich zu verstehn;
Der ist (ihr Großen, glaubt's) ein großer Mann auf Erden,
Und darf Monarchen selbst frei unter Augen gehn.
Die Wollust darf ihn nicht aus Bergkrystallen tränken,
Die Schmeichler kriechen nicht um seinen Speisesaal:
Doch Freiheit kann der Kost Kraft und Gedeihen schenken,
Und die fehlt Fürsten oft bei ihrem Göttermahl.

Du schönstes Himmelskind! du Ursprung bester Gaben,
Die weder Gold erkauft, noch Herrengunst gewährt,
O Freiheit! kann ich nur dich zur Gefährtin haben,
Gewiß, so wird kein Hof mit meinem Flehn beschwert.

Nichts wähl' ich außer dir, als, deiner zu genießen,
Ein unverfälschtes Herz, ein immer heitres Haubt,
Wo aus zu großem Glück nicht Stolz und Wahn entsprießen,
Noch ein zu großes Leid mir Muth und Kräfte raubt.
Ich seufze wahrlich nicht um seltne Stufenjahre:
Wer wohl zu sterben weiß, stirbt allzeit gnug betagt.
Nur wünsch' ich, daß ich nicht in meine Grube fahre,
Eh' ich dem Laster schon den Handel aufgesagt.

Darf ich mir noch ein Glück zum letzten Ziel erlesen;
So stell' im Scheiden sich bei mir kein Schrecken ein:
Und wie bisher mein Schlaf des Todes Bild gewesen;
So müss' auch einst mein Tod dem Schlummer ähnlich sein!

 

Schreiben an einen Freund.

Da die gelehrte Welt jetzt recht geschäftig ist,
Castel die Töne färbt, und Körber Seelen mißt,
Klim, nach dem Lucian, belebte Bäum' entdecket,
Wann Hellmund Zeichen merkt, und Jachins Kenner schrecket,
Und jener offenbart, wie Kunst und Traum und Nacht
Uns bald zu Königen, bald zu Poeten macht:
So ist es mir genug, an dich, mein Freund, zu schreiben,
Genug, nur mir und dir nicht unbekannt zu bleiben,
Und, wann ein stolzer Fleiß erhabne Lehrer übt,
Dir, müßig, zu gestehn, was meine Seele liebt.

Sie wünscht sich nicht gelehrt, und schöpft aus nahen Gründen
Den glücklichen Geschmack, die Tugend schön zu finden;
Und will, des Daseins werth, in Trieben nicht gemein,
Still in Zufriedenheit, und ohne Knechtschaft sein.
Sie glaubt, das übertrifft den Ruf, den Enkel schenken,
Die nicht so oft an uns, als wir an sie, gedenken,
Die, was wir alle noch mit öfterm Dank erhöhn,
Vielleicht aus Eigensinn, vielleicht mit Recht, verschmähn,
Und Dichtern, die vorjetzt im Reich der Reime thronen,
So wie dem Lohenstein und Hofmannswaldau, lohnen.

Du weißt, wie sehr auch mich des Flaccus Kunst gereizt,
Der, edlen Griechen gleich, nach nichts als Ruhm gegeizt,
Und endlich doch begriff, nach Ruhm und Lorbeer streben,
Sei minder unsre Pflicht, als recht vernünftig leben,
Den ewig armen Neid, die Vorurtheile fliehn,
Und um den besten Vers nichts seinem Schlaf entziehn.

So würdig kann er oft das stolze Rom verlassen,
In Tibur und Tarent die Freiheit zu umfassen,
Die schöner ist, als Rom. Bald an Mandelens Bach,
Bald zum Sabiner Hain eilt ihm die Freude nach,
Und Lust zur Wissenschaft in wesentlichen Dingen;
Nicht stets von Lalagen dem Walde vorzusingen.
O nein! er blieb gewiß der Weisheit zu getreu,
Und sann, und forschte dort, was allen nützlich sei.
Daheim belehrten ihn die Schriften kluger Alten,
Der Priester der Vernunft, wie wir das Glück erhalten,
Und, wann er im Chrysipp den bessernden Verstand
Nicht edler, noch so reich, als im Homer, befand;
So zog er, meisterhaft, auch aus der Dichtkunst Lehren,
Den falschen Lollius und andre zu bekehren,
Ward nicht den Musen gram, entwarf auch noch ein Lied,
Doch öfter schildert' er der Menschen Unterschied,
Der Laster Selbstbetrug, der Thoren Eigenschaften,
Der Weisen ächtes Bild, den Reiz der Tugendhaften,
Und immer kehrt Horaz den täglich schärfern Blick
Von Wirbeln eiteln Wahns auf sich, und auf das Glück,
Und sieht, im Wechselstreit so vieler Hindernisse,
Daß man, beglückt zu sein, nur nichts bewundern müsse.

Wahr ist's: im Widerspruch der Dinge, die geschehn,
Nicht, aus Unwissenheit, stets neue Wunder sehn,
Der Tugend edlen Reiz auch in dem Staube kennen,
Und auch auf Thronen nicht das Laster glücklich nennen,
Mit schuldigem Genuß des Lebens sich erfreu'n,
Den uns bestimmten Tod nicht wünschen und nicht scheu'n,
Auch, wann der Donner ruht, den Gott des Donners ehren:
Mein Freund, das werden uns Verstand und Weisheit lehren.

Stolz, Aberglaube, Zorn, Bewundrung, Geiz und Neid
Sind alles, was sie sind, nur durch Unwissenheit:
Der Strom der Bosheit quillt aus Wahn und Unverstande;
Ein Thor sucht blindlings Ruhm im Labyrinth der Schande,
Im Müßiggange Ruh, und Zärtlichkeit in Brunst,
In todten Schätzen Trost, und Heil in Fürstengunst;
Verlernt, wann er gefehlt, auch vor sich selbst erröthen,
Beugt ungescheut das Recht, und zittert vor Kometen.

Die Kenntniß unsers Glücks ist Weisen nur verliehn:
Die suchet kein Sejan, kein Verres, kein Vatin,
Kein Pallas, dessen Raub Rom und die Welt gekränket,
Dem, dankbar, der Senat des Adels Vorrecht schenket;
Kein karger Alphius, der seinem Wuchrerschweiß
Der Wälder kühle Lust nicht vorzuziehen weiß!
Kein weiblicher Cotill, noch die zu unsern Zeiten
Mit Thoren jener Welt oft um den Vorzug streiten.

Wie dürftig prangt ein Herr, den nur sein Thron erhebt,
Dem jeder nur gehorcht, weil jeder vor ihm bebt!
Er mag durch einen Wink Provinzen überwinden:
Und nicht, wie Ammons Sohn, ein Tyrus trotzig finden,
Im Erz der Schmeichelei der Gott des Landes sein;
Der Ehre Heiligthum wird er nicht lang entweihn.
Verehrt ihn seine Zeit, so denkt die Nachwelt kühner.
Vielleicht regieren ihn Gemahl und Kammerdiener,
Und, lenken diese nicht den königlichen Sinn,
So kann's ein Sporus thun und eine Buhlerin.
Dann dient die Hoheit nur, sein Laster zu erhellen,
Dann wird uns der Monarch den Sklaven nicht verstellen.
Sobald er andern sich zum Werkzeug übergibt,
Nach fremdem Abscheu haßt, nach fremder Neigung liebt:
So werden Macht und Rang ihn nur beschämen können,
So sieht man Helden fliehn, und ganze Städte brennen.

Locustens würd'ger Freund, gekrönter Wütherich!
Du, Nero, quälst die Welt, und jeder Frevel dich.
Versuch', im besten Wein, die Sorgen, die dich kränken,
Mit glücklicherm Erfolg, als Mütter, zu ertränken!
Pracht, Wollust, Ueberfluß verherrlichen dein Mahl,
Und Terpnus Spiel ertön' in deinem Speisesaal!
Beim wählenden Genuß gehäufter Leckerbissen
Vergällt dir Speis' und Trank dein Henker, dein Gewissen.
Er eilt, unstäter Fürst, dir in dein Schlafgemach,
Dir in dein güldnes Haus, dir auf den Schauplatz nach,
Und, daß kein Augenblick dein armes Herz erfrische,
So wird die Angst dein Gast, und setzt sich mit zu Tische.

Ein Weiser untersucht der Hohen Recht und Pflicht.
Er kennet beider Zweck und beider Gleichgewicht,
Entdecket und belacht der Leidenschaften Blöße
Im Schmuck der Eitelkeit, im Aufputz falscher Größe.
Bei ihm verjähret nie der Wahrheit altes Recht;
Er zieht, nach ihrem Spruch, Epaphroditens Knecht
Den Alexandern vor, und hält's für kein Verbrechen,
Roms scheinbarem August die Tugend abzusprechen.

Gelinder, redlicher und tapfrer, als August,
Herrscht, sorgt, und siegt Trajan, der Römer Ehr' und Lust,
Er, dessen Vaterhuld Geschicht' und Wahrheit loben,
Wie sie ein Plinius und Julian erhoben.

Hartlautend ist der Satz, doch mir gewißheitvoll:
Wer, was er will, auch darf, will selten, was er soll.
Was lehrt mich, einen Stand bewundern oder preisen,
Der innre Laster reizt, sich, ungescheut, zu weisen?
Da Plato unsern Trieb der Seele Flügel heißt;
Wie leicht verfliegt sich nicht ein ungehemmter Geist?

Fällt einem Vater schwer, den Sohn recht anzuführen;
Was liegt Monarchen ob, die Tausende regieren?
Wie oft erleuchtet den der Wahrheit volles Licht,
Dem alles sich verstellt, und niemand widerspricht?
Der majestätisch irrt, und, was ihm nicht entfliehet,
Nur durch die Dämmerung des schwachen Scheins ersiehet?

Die Nacht der Schmeichelei, die Fürsten stets umgibt,
Erlaubt dem Besten kaum zu wissen, wer ihn liebt.
Und, kann die Gleichheit nur den Bau der Freundschaft gründen,
Wie wird er einen Freund, statt eines Heuchlers, finden?
Der Erbpflicht eisern Joch, ein höllenheißer Eid,
Wirkt, knechtisch, Treu und Pflicht, doch keine Zärtlichkeit.

Beruft uns an den Hof ein Herr von Legionen
Zur Augendienerschaft; wer mag bei Löwen wohnen?
Sogar ihr Streicheln schreckt. Der Großen Gunst und Haß
Und rätselhafter Blick macht auch Vertraute blaß,
Und kluge Redner stumm: wie nicht blos die erfahren,
Die beim Domitian in seinem Fischrath waren.
Mir scheint der höchste Stand so oft beklagenswerth,
Als ihn nur Eigennutz, Furcht und Gewohnheit ehrt.

Ihn drücket insgeheim noch eine schwere Bürde:
Gleich sind sich Könige, doch nur durch ihre Würde.
Wie manchen quälten nicht, im Ueberfluß der Pracht,
Die Enge seines Staats, der Nachbarn stärkre Macht,
Der Bundgenossenschaft verdächtiges Bezeigen,
Und Sorgen, die allein gesalbte Häubter beugen?

Ein Gram so hoher Art verschonet dich und mich:
Freund! weiser Herzen Glück ist mehr als königlich.
Genug! wir wollen nicht Geschicht' und Zeit befragen:
Sie dürften uns zu viel von ird'schen Göttern sagen.

Kein Weiser nimmt ein Ding als groß und edel an,
Wenn der auch edel ist, der es verachten kann,
Und Gütern kann er nicht den Vorzug zugestehen,
Die wir so vortheilhaft und großmuthvoll verschmähen,
Als Würden, Reichthum, Macht. Ein Fürst, der sich gebeut,
Ist mehr, als Salomon in seiner Herrlichkeit.
Mehr ist mir Braunschweigs Carl, den jede Tugend rühret,
Der nur beglücken will, der väterlich regieret,
Das Recht zur Wohlfahrt macht, Gesetze gibt und hält,
Als Spaniens Philipp, der Herr der neuen Welt.

Der hocherhabne Stand kann nur in dem entzücken,
Dem er zum Mittel dient, die Menschen zu beglücken,
Und so bewundert man, im Reiche der Natur,
Der Sonne Mild' und Kraft, nicht ihre Höhe nur.

Gibt nicht der Länder Flor dem Herrscher Götterfreuden,
So ist ein Fürst, als Fürst, mit Recht nicht zu beneiden.

Das lehrt uns Hiero, der einen reichen Staat
Eilf Jahre lang regiert, und oft gesieget hat,
Der seinen Bürgerstand und Königsstand erwogen,
Und, als er sie verglich, den ersten vorgezogen.

Die Unerfahrnen nur berauscht der Hoheit Wahn,
Spricht er, der Sinnen Lust ist für den Unterthan.
Der darf, so oft er will, ein jedes Schauspiel sehen;
Ich selten, und um mich muß meine Wache stehen.
Der Schmeichler Redekunst betäubt mir oft das Ohr:
Wann trägt ein freier Mund mir meinen Lobspruch vor?
Der Tafel Ueppigkeit wird Großen oft zur Plage:
Der Hunger reizt uns nicht: wir schmausen alle Tage.
Und, mein Simonides, der Liebe wahre Lust
Ist, auch im schönsten Arm, kein Antheil unsrer Brust:
Wer kann, selbst im Genuß, den öftern Zweifel heben,
Ob man sich wirklich uns, nicht unserm Stand, ergeben?

Der Hofbedienten Schwarm, die Pracht und den Palast
Gafft nur der Pöbel an; uns sind sie oft verhaßt.

Was hilft der Waffen Schutz? Er schreckt erklärte Feinde,
Nicht heimlichen Verrath. Kennt ein Tyrann auch Freunde?
Bringt nicht, zur Sicherheit auf dem erstiegnen Thron,
Ein Sohn den Vater um, der Vater einen Sohn?

Ein Haus, ein Landgut kann der Kleinen Habsucht stillen,
Da Städt' und Länder kaum der Großen Griffe füllen.
Wie selten ist ein Fürst, wie oft der Bürger reich!
Der größre Mangel macht den Niedern Hohe gleich.
Was braucht ein König nicht? Erschöpft der Schätze Menge
Nicht ganzer Heere Sold, und nöthiges Gepränge?
Oft schränkt ein Unterthan den schweren Aufwand ein,
Und das darf kein Monarch; sonst scheint er arm zu sein.

Bedürfniß macht uns kühn: die Noth muß uns erlauben,
Dem Golde nachzustehn, und Tempel zu berauben.

Wir freveln wissentlich: es schätzt auch der Tyrann
Die Tapfersten des Volks, den ächten Biedermann.
Er schätzt und drücket sie: er höhnt, und hebt zu Ehren
Nur solche, die nicht mehr den Ruf der Freiheit hören.
Es dient ihm nicht zur Hut der Eingebornen Schaar;
Und was ist sein Trabant? Ein Fremder, ein Barbar.
Der Saaten schönster Flor droht ihm mit Unglücksfällen,
Denn Ueberfluß macht Muth, und Muth erweckt Rebellen.

Jetzt, nun ich König bin, welkt mein beklemmtes Herz:
Sonst war mein Umgang treu, gesellschaftlich mein Scherz,
Mein Mahl noch unkredenzt, das gleiche Gäste zierten.
Wie rauschten Lied und Tanz, als wir uns selbst regierten!
Nun scheu' ich oft des Weins verborgene Gewalt,
Und den zu sichern Schlaf, als einen Hinterhalt.
Volk, Zulauf, Einsamkeit, der Wache Näh' und Ferne,
Und welcher Anblick ist's, den ich nicht fürchten lerne?

Der Bürger schützet sich, die Freiheit, Hab' und Recht,
Mich, wie um Tagelohn, ein feiler Kriegesknecht:
Will diesen heut ein Feind, will ihn mein Bruder dingen,
So wird er meinen Kopf vielleicht ihm morgen bringen.

Du unterscheidest zwar den Menschen und ein Thier,
Und Menschen unter sich, nur durch die Ehrbegier:
Die Lust, als Oberhaubt, bedient, verehrt zu werden,
Erleichtert, wie du glaubst, die Regimentsbeschwerden,
Und macht uns Göttern gleich. Doch kein Vergnügen rührt,
Sogar die Liebe nicht, wenn es der Zwang gebiert.

Vergebens räthst du mir, die Hoheit abzulegen:
Mein Freund, das wag' ich nie, der schlimmen Folgen wegen.

O könnt' ich Syracus, o könnt' ich mich befrein!
Wie schwach ist ein Tyrann! Er darf nichts anders sein.
Wie kann er, wenn er will, Gut, Freiheit, Stand und Leben,
Dem er sie frech geraubt, bereuend wiedergeben?
Die Sorge, die Gefahr, die seinen Thron gepreßt,
Verfolgen ihn noch mehr, sobald er ihn verläßt,
Er muß sich im Besitz und im Verluste kränken:
Tyrannen haben Recht, so oft sie sich erhenken.

So spricht ein Hiero, den Unruh' und Verdacht
Im Sitze der Gewalt erbarmenswürdig macht.
Ihn lehrt Simonides, was seinem Reich vonnöthen,
Ihm selbst ersprießlich ist; allein, wer glaubt Poeten?

Der Vorzug, den der Stand dem äußern Glück verleiht,
Gibt Menschen nicht zugleich die größte Trefflichkeit.

Nur der ist wirklich groß, und seiner Zeiten Zierde,
Den kein Bewundern täuscht, noch lockende Begierde,
Den Kenntniß glücklich macht, und nicht zu schulgelehrt,
Der zwar Beweise schätzt, doch auch den Zweifel ehrt,
Vollkommenheit besitzt, die er nicht selbst bekennet,
Nur edle Triebe fühlt, und allen Alles gönnet,
Der das ist, was er scheint, und nur den Beifall liebt,
Den seinen Tugenden Recht und Gewissen gibt.

O zeige mir den Mann! ihm wünsch' ich nachzuahmen.
Ihm geb' ich, ehrfurchtsvoll, die allerschönsten Namen;
Die Namen, deren Ruhm mir immer heilig war:
Er ist mein Socrates, mein Brocks und mein von Bar.

 

Die Freundschaft.

Ulysses, der nunmehr, in zwanzig sauren Jahren,
Durch Krieg, Verlust und Sturm, des Schicksals Grimm erfahren,
Kommt endlich zwar zurück in Reich und Vaterland;
Doch wie? Verarmt, gekrümmt, allein und unerkannt,
Den Seinen, und sogar Penelopen, verborgen,
Entstellt und ausgezehrt von tausendfachen Sorgen.
Des Helden Angesicht, und sonst umkränztes Haubt
Sind seinem Glücke gleich, sind alles Schmucks beraubt.

Vor seinem eignen Schloß muß er um Brocken flehen,
Wo auch die Sklaven selbst kaum seitwärts nach ihm sehen;
Wo der Bedienten Stolz, die er doch groß gemacht,
In herrischer Gestalt des nackten Redners lacht;
Wo niemand seiner Noth das kleinste Trostwort gönnet,
Und nur den alten Herrn sein alter Hund erkennet,
Der vormals, wie ein Hirsch, rasch durch die Büsche sprang,
Von dessen Namen sonst der ganze Forst erklang,
Wann alles Argus rief. Der Argus, der dem Wilde
So feurig nachgesetzt, der Waldung und Gefilde
Wie seinen Stall gekannt, und bei der jungen Schaar
Des jagdgewohnten Hofs ein rechter Liebling war,
Weil keiner richtiger des Rammlers Fährte spürte,
Noch anschlug, so wie er, wo sich ein Wildpret rührte;
Der liegt nun ohne Dach, für vieler Jahre Treu'
Im Alter abgedankt, verscheucht von Stall und Streu,
Verbannt, wo täglich ihn ein neuer Mangel schwächte,
Zuvor der Herren Lust, und jetzt ein Spott der Knechte.

Der Argus, dem es längst an Kraft zum Gehn gebrach,
Hebt sich zum letzten Mal, und hinkt dem Bettler nach,
Naht sich mit regem Ohr, riecht, wedelt, züngelt, schmeichelt,
Und, da der Fremdling ihn, mit nassen Augen, streichelt,
Da seine Neigung ihm noch diesen Dank erwirbt,
Aechzt, heult er, siehet auf, erkennt Ulyß und stirbt.

So hündisch lieben nicht die Klugen unsrer Zeiten,
Die Meister in der Kunst verstellter Zärtlichkeiten.
Vom Bart der alten Welt, und von der alten Treu'
Ist unser glattes Kinn, und unsre Seele frei.
Leichtsinnig in der Wahl, und zweifelnd im Vergnügen,
Betrügen wir uns selbst, um andre zu betrügen,
Die innerlich verderbt, und nur von außen schön,
Auch uns, mit gleichem Recht, ergebenst hintergehn.
So spielt der Wankelmuth mit Trieben und Gedanken!
Man wählt, und man verwirft nach dem Geschmack der Kranken,
Der, voller Ungeduld, auf manche Kost verfällt,
Die, mitten im Genuß, der Ekel ihm vergällt.

Nicht anders liebt Papill, der alle Fremden herzet,
Sich täglich Freunde sucht, und täglich sie verscherzet,
Und bald den Bienen gleicht, bald Käfern ähnlich ist,
Bald frische Rosen saugt, und bald den Moder küßt.
Unendlich flatterhaft, und schnell zu Vorurtheilen,
Lebt er, so wie er schwatzt, in stetem Uebereilen.
Im Jenner ist er hold, halb falsch im Februar,
Ganz ungetreu im März, und feind ums halbe Jahr.

Es ahmt Pipin ihm nach, der Freunden sich nur leihet,
Sich ohne Grund vereint, und ohne Grund entzweiet.
Er meint; was kann er sonst? und weiß, warum er meint,
Wie Chloe, wann sie lacht, und Emma, wann sie weint.

Weit übersieht Cleanth, der Ehrsucht Bild und Schande,
Den läppischen Pipin, den Säugling am Verstande.
Sein absichtreicher Witz wird nicht so leicht berückt;
Er weiß, warum und wo man dem die Hände drückt,
Und dem nicht drücken darf. Dies Muster schlauer Männer
Wird aller Gönner Knecht, und aller Knechte Gönner.
Allein, sobald er nur der Künste Zweck erhält,
So ist der Freund, für ihn, nicht mehr ein Theil der Welt.
Bald krümmt er, Schlangen gleich, sich um der Höhern Füße,
Bald trotzt sein steifer Kopf die Pflicht gewohnter Grüße:
Wie ein Iberier sich bis zur Erde streckt,
Und, wann der Rang ihm wird, sich königlich bedeckt.
Cleanth wird mühsam groß, und seine Stirne fühlet
Den Schweiß der Emsigkeit, den nur sein Hochmuth kühlet.
Doch, wann er sich hier Freund, und dort Verehrer nennt,
Bestraft den Mund das Herz, das nie sich ganz verkennt.
Oft züchtigt ihn der Spott; doch, obenan zu sitzen,
Erduldet er mit Lust die Stacheln, die ihn ritzen.
So macht ein Domherr sich auch gegen Streiche fest,
Eh' Würzburgs Hochstift ihn in Chor und Keller läßt.

Gemächlicher als er, recht langsam sich zu lenken,
Zum Schlummer zu geneigt, um aufgeweckt zu denken,
Liebt uns, und gähnt Stertin, in Polster eingehüllt,
Der fast leibeigne Knecht des Lehnstuhls, den er füllt,
Der Möpse, die er wärmt. Zwar kann er Menschen leiden;
Doch lässig, unbemüht, und nur bei schlaffen Freuden.
Im trägsten Gleichgewicht ist ihm zu treuem Fleiß
Bereits der Herbst zu kalt, und schon der Lenz zu heiß.
Der Unbehilfliche hat angeborne Gaben,
Wie Geizige den Schatz, wie Feige Waffen haben,
Und ist der Fliege gleich, die nicht zum Flug sich regt,
Obgleich ihr die Natur die Flügel beigelegt. Die Schafbremse, Oestrus ovis
Woher denn darf Stertin von seinem Wohlthun sprechen?
Von Blutschuld ist er frei, und Ruhn ist kein Verbrechen.
Wie? So ist der wol gar, der Lehre nach, ein Christ,
Der nur kein Edelmann, kein frecher Woolston ist,
Und die muß man vielleicht für große Gönner schätzen,
Die uns nicht Haus und Hof in lichte Flammen setzen?

Dem menschlichen Geschlecht zum Dienst und Unterhalt
Belebt der Thiere Heer Luft, Wasser, Feld und Wald;
Und wie vielmehr entstand, die Schöpfung zu erfüllen,
Der Schöpfung Kern, der Mensch, auch um des Menschen willen?
Die Arbeit ist sein Loos; das Gute muß er thun,
Nicht überflüssig sein, nicht unermüdet ruhn.

Ich, lehrt Mammonides, den Geld und Geiz umgeben,
Ich bin der Muße gram; die Arbeit ist mein Leben.
Nur Fleiß und Vorschuß sind's, wodurch man Freunden nützt,
Wenn man ein Capital, das ist, ein Herz, besitzt.
Ich bin ein Patriot. Mich wird man leicht bewegen,
Das erste schöne Geld in Häuser zu belegen.
Mein alter Wahlspruch bleibt: Zins und Provision!
Den Leuten helf' ich gern, nur nicht dem Bauernsohn;
Doch dien' ich, kann er mir drei gute Bürgen stellen,
Sind gleich die Zeiten schlecht, auch ihm in allen Fällen.
In andrer Kreuz und Leid find' ich mich, als ein Christ.
Wer weiß, wenn mancher klagt, warum er dürftig ist?
Der Himmel will vielleicht durch Mangel ihn bekehren:
Sollt' ich gerechter sein, und seine Führung stören?
Den Armen bin ich nicht, dem Betteln bin ich feind,
Sonst, doch ohn' eignen Ruhm, ein großer Menschenfreund,
Und werde, sterb' ich spät, zu meinem Angedenken,
Dem alten Waisenhaus ein neues Gitter schenken.

Wie heuchelt sich der Thor, der keiner Tugend Kraft,
Kein wahres Mitleid fühlt, und scheint sich tugendhaft!
Zank, Raubsucht, Neid und Furcht, die Quellen steter Schmerzen,
Und sieben Gräuel sind in eines Wuchrers Herzen,
Der nichts zu werden weiß, als reich und lächerlich,
Der sich betrügrisch liebt, und niemand liebt, als sich.
Unsel'ger Eigennutz, wie bist du zu beklagen,
Da deine Frevel dir der Freundschaft Schatz versagen!

Die Liebe zu uns selbst, allein die weise nur,
Ist freilich unsre Pflicht, die Stimme der Natur;
Doch sie verknüpft sich auch mit den Bewegungsgründen,
In andern, wie in uns, das Gute schön zu finden,
Dem Schönen hold zu sein. Es bann' ein Strafgericht
Die Menschen ohne Lieb' in Welten ohne Licht!
Was kann der Seele Reiz und unser Glück vergrößern?
Die Lust an andrer Glück, der Trieb, es zu verbessern.
Der Geist, der denkt und will, verscherzt die Schätzbarkeit,
Geht seiner Kräfte Zug nicht auf Vollkommenheit,
Und bleibt sein träger Wahn an niedern Gütern kleben,
Die unsrer Wünsche Flug zur Tugend nicht erheben.
Er wird dem Beifall taub, den das Gewissen gibt,
So oft man edel denkt, so oft man göttlich liebt.

Allein, dem Zauberer in täuschenden Gestalten,
Dem Eigennutz gelingt's, den Vorzug zu erhalten,
Der allgemeiner Huld und dem Geschmack gebührt,
Der nur die kleine Zahl der besten Seelen rührt.
Ein schnöder Eigennutz steht jetzo an der Stelle
Des alten Götterschwarms des Himmels und der Hölle.
Ihm weiht, ihm opfert sich das menschliche Geschlecht:
Sein Tempel ist die Welt, und die Gewalt sein Recht.
Als Schöpfer des Betrugs, des Zanks, der falschen Eide,
Hat er an Bosheit Lust, und an Processen Freude;
Gibt Secten, deren Band oft nur ein Wort zerreißt,
Den Groll und Gegengroll, und den Verfolgungsgeist,
Und lehrt, aufs irrigste, des Bias Regel fassen,
Daß man so lieben soll, als würde man einst hassen.
Er bildet, wie er will, Regenten und den Staat,
Den Bund und Bundesbruch, die Treu' und den Verrath.

Vergebens sieht ein Fürst in lehrenden Geschichten
Die höchste Schändlichkeit versäumter Herrscherpflichten:
Wie niederträchtig schlau und falsch und wandelbar
Der eilfte Ludewig, der erste Jacob war;
Wie Frankreichs Ständ' und Geld, die Ehre freier Britten,
Und Treu' und Glauben oft in ihren Händen litten:
Wie glücklich Heer und Reich im dritten Eduard,
Wie groß, auf Valois Thron, der vierte Heinrich ward.
Die suchten Glück und Ruhm auf königlichen Wegen,
In Siegen ohne Wuth, in ihrer Länder Segen.

Hat ihn der Himmel nicht mit seltner Kraft versehn,
So wird er nur zu schwach Versuchern widerstehn.
Der Hoheit Selbstbetrug vereitelt seine Güte,
Der Schmeichler Hinterhalt umzingelt sein Gemüthe,
Nennt Unterdrückung Ernst, und Macht das höchste Gut,
List Klugheit, Leichtsinn Witz, und Kriegssucht Heldenmuth,
Verschwendung güldne Zeit, der Sitten Blendwerk Tugend,
Und alte Lüsternheit des Fürsten neue Jugend.
So meisterlich erstickt der Sklaven Redekunst
In der Monarchen Brust den Keim der Menschengunst,
Und raubt Gewaltigen das schönste Glück auf Erden,
Zu lieben, wie man soll, und so geliebt zu werden.

Der Sitz geheimer Noth und öffentlicher Pracht,
Der Hof ist nicht der Ort, der Freundschaft herzlich macht;
Wo gleich gefährlich ist, auf steiler Würde Spitzen,
Zu wenig und zu viel Verdienste zu besitzen,
Wo (nur in Deutschland nicht) ein gaukelnder Bathyll
Den Staat regieren hilft, wann er nicht tanzen will,
Lebendige Pantins von lächerlichen Gaben,
Durchs Recht der Aehnlichkeit, die größten Gönner haben,
Und jede Leidenschaft sich tausendfach verbirgt,
Ein Todfeind uns umarmt und in Gedanken würgt,
Und die Geschicklichkeit, im Loben selbst zu hassen,
Die Unschuld lockt und stürzt, die sich auf sich verlassen;
Dort dankt man seinem Freund, und dort vertritt man ihn,
Wie den Valer Vitell, den Armand Mazarin.
Die Einfalt der Natur, die Hof und Stadt entbehren,
Der wahren Eintracht Lust, der wahren Liebe Zähren,
Das wesentliche Glück, frei, und nicht groß zu sein,
Verherrlichen das Feld, und heiligen den Hain.
O Land! der Tugend Sitz, wo zwischen Trift und Auen
Uns weder Stolz noch Neid der Sonne Licht verbauen,
Und Freude Raum erblickt; wo Ehrgeiz und Betrug
Sich nicht dem Strohdach naht, noch Gift dem irdnen Krug;
Wo Anmuth Witz gebiert, und Witz ein sichres Scherzen,
Weil niemand sinnreich wird, um seinen Freund zu schwärzen,
Wo man nie wissentlich Verheißungen vergißt,
Und Redlichkeit ein Ruhm, und Treu' ein Erbgut ist,
Wie in Arcadien. Erkauft das Gold der Reichen
Sich Freunde solcher Art, die rechten Hirten gleichen?

Nie hätte Cäsars Macht ein Meuchelmord erhöht,
Wär' an dem krummen Nil der König ein Damöt,
Wär' ein Pompejus dort nur ein Menalc gewesen,
Als er des Pharos Strand zur Zuflucht sich erlesen.
Doch ihm erwies man nicht die so verdiente Huld.
Nur seine Größe war an seinem Tode Schuld,
Und so sprach Theodot: »Die Einfalt steter Treue,
Der gute, blinde Trieb stürzt in Gefahr und Reue.
Gab deinem Vater gleich Pompejus Reich und Thron;
So fesselt diese Gunst nicht den beglücktern Sohn.
Der Ruhm vergalt die That. Soll er uns dankbar finden,
So muß der Held nicht fliehn, so muß er überwinden.
Doch ihn verläßt das Glück; es eilt dem Cäsar nach:
Und gegen diesen, Herr, sind wir und er zu schwach,
Der väterliche Freund. Willst du ihn nur entfernen,
So kann er mit der Zeit sich römisch rächen lernen;
So ahndet Cäsar selbst, zum Schrecken aller Welt,
Daß ihm mein König nicht den Gegner dargestellt.
Er sterbe! Nur dein Heil, nur dich muß man betrachten:
Dem Sieger müssen wir den großen Flüchtling schlachten.«

So klügelt ein Verstand, der eigennützig denkt,
Den keiner Tugend Wink in seinen Schlüssen lenkt:
Allein, wie muß er oft, zu seiner Schmach, erfahren,
Daß Freundschaft, Dank und Pflicht nie leere Wörter waren!
Wie schwer empfindet oft die Ungerechtigkeit
Die eiserne Gewalt zu schneller Ahndungszeit!
Kann auch ganz Asien den Theodot verstecken?
Nein! Brutus findet ihn, die Strafe zu vollstrecken.

Wie ruhig ist ein Herz, das seine Pflichten kennt!
Das jede seine Lust, wie seine Richtschnur, nennt!
Von ihm, und nur von ihm, wird Freundschaft recht geschätzet,
Die, wahrer Dichtkunst gleich, so bessert, als ergötzet.

Im Stande der Natur, als, zu der Menschen Ruhm,
Noch keine Herrschaft war, kein Rang, kein Eigenthum,
Da wollte die Vernunft, und selbst die Triebe wollten,
Daß wir gesellig sein, daß wir gefallen sollten;
Dann war, zu gleichem Glück, im menschlichen Geschlecht
Der Zweck gemeinschaftlich, und allgemein das Recht,
Dann schmückten jeden Tag die Freiheit und der Friede.
Wer wird, wo diese sind, des längsten Lebens müde?

Als aber Stolz und Neid den frechen Schwung erhub,
Gewalt das Recht bestürmt', und List es untergrub,
Als Krieg und Raub und Wuth der Schwächern Brust zerfleischte,
Und vieler Sicherheit auch vieler Bund erheischte:
Ward die Geselligkeit, die erste Zuversicht
Der neu-erschaff'nen Welt, ihr immer mehr zur Pflicht.

Jedoch, wie übertrifft die freundschaftliche Liebe
Dies allgemeine Band, und die Erhaltungstriebe!

So ist das Morgenroth, dem Nacht und Schwermuth weicht,
Der Anfang eines Lichts, dem nichts an Wirkung gleicht,
Doch nur ein schwaches Bild der Kraft, der Pracht, der Wonne,
Der milden Göttlichkeit der vollen Mittagssonne.

Es stammt die Freundschaft nicht aus Noth und Eifersucht:
Sie ist der Weisheit Kind, der reifen Kenntniß Frucht,
Ein Werk der besten Wahl, und kann nur die verbinden,
Die in der Seelen Reiz die größte Schönheit finden.
Der Vorzug des Gemüths, nur die Vollkommenheit
Macht uns der Liebe werth, nicht blos die Aehnlichkeit.
Wenn schwarze Laster sich mit gleichen Lastern gatten,
Wer wird der Mißgestalt der Schönheit Ruhm gestatten?
Die Ehre der Natur, der innern Sinnen Glück,
Die wahre Freundschaft ist der Tugend Meisterstück.
Die Neigung, wenn man soll, Ruhm, Güter, Ruh' und Leben,
Ohn' Eigennutz und Zwang, für andre hinzugeben,
Die ächte Zärtlichkeit, die immer Lust und Schmerz
Mit andern willig theilt, kömmt in kein schlechtes Herz,
Und Helden, welche wir vor tausend Siegern preisen,
Sind Helden, die sich auch, als Freunde, groß erweisen.
Ganz Griechenland erhebt, Philippus selbst beweint
Die Schaar der Liebenden, die Schlacht und Tod vereint,
Und Thebe heilig heißt. Die scythischen Barbaren,
Bei denen Luft und Schwert die größten Götter waren,
Selbst die errichteten der Freundschaft, im Orest
Und seinem Pylades, ein redlich Opferfest,
Besangen ihren Ruhm, und stellten in den Tempel
Der Abenteurer Bild, und ihrer Treu' Exempel.

Der Freundschaft edler Stand prägt Weisen Ehrfurcht ein:
Er wird, in andern auch, ihm unverletzlich sein:
Und nimmer hat ein Mann von richtigem Gewissen
Der Eintracht einen Freund verlockt, entwöhnt, entrissen.
Der schadenfrohe Stolz, den dieser Raub erweckt,
Verräth ein schwarzes Herz, das nur in Frevlern steckt.

Der Herzen Einigkeit, die sich auf Wahrheit gründet,
Stets gleiche Tugenden, oft gleiche Sitten, findet,
Kennt keinen Eigennutz, der sie zu Diensten treibt,
Weil nur des Wohlthuns Lust der Großmuth Ziel verbleibt,
So oft wir recht gewählt, und dann mit edlem Willen
In des Geliebten Wunsch auch unsern Wunsch erfüllen.

So viel gewährt ein Freund, daß auch das Leben nicht
Mehr als ein Dasein ist, wenn uns ein Freund gebricht.
Ja, stieg ein Sterblicher in die entferntsten Sphären
Und sähe Welten selbst, wovon die Räthsel lehren,
Und säh', im öden Raum, von Menschen abgewandt,
Die Werkstatt der Natur, der Sonnen Vaterland:
So würde doch zu bald der Kenntniß Freude fehlen,
Träf' er nicht jemand an, ihm dieses zu erzählen.

Der langen Einsamkeit gibt alles Ueberdruß;
Doch wie verschönert sich Ilissens kleiner Fluß,
Des hohen Ahorns Dach, des Achelous Quelle,
Der Hauch der Sommerluft, und jede Ruhestelle,
Wann dort ein Socrates von unsrer Neigung Pflicht,
Von Schönheit, Lieb' und Reiz mit seinem Phädrus spricht!

Unmenschlich ist der Trieb, von Menschen sich zu scheiden,
Und Timons Bärenstand ist nimmer zu beneiden.
Kein Weiser haßt die Welt: auch sie versichert ihn,
Uns werd' in einem Freund ein heil'ger Schatz verliehn.
Vergnügen und Verdruß darf man ihm frei bekennen,
Ihm frei den Gegenwurf geheimster Wünsche nennen,
Und alle Fehler selbst mit Zuversicht gestehn;
Denn ihm gebührt das Recht, in unser Herz zu sehn.
So Fröhlichkeit, als Gram, kann uns die Augen netzen,
Sein bloßer Anblick wirkt ein zärtliches Ergötzen.
Ja! man verweine nur an eines Damons Brust
Die Thränen herber Qual, die Zährchen süßer Lust.
Ihm werde nichts verhehlt: er weiß die Kunst, zu schweigen.
O schwere Wissenschaft, wie vielen bist du eigen?
Ein Kluger will daher, wie selbst ein Bischof meint,
Nur Einen Beichtiger, nur Einen Herzensfreund.

Der ist es, der uns warnt, so oft wir gleiten wollen,
Der uns die Wege zeigt, die wir betreten sollen.
Er tadelt, wenn er muß: er lobt uns, wenn er kann;
Doch nimmt sein Ausspruch nie den Ton der Lehrer an,
Sein Beispiel, wie sein Rath, wird unsre Tugend stützen,
Und sein gesetzter Muth wird unsern Namen schützen.
Wer meinen Ruhm berupft, stiehlt zwar sich selbst nicht reich:
Mich aber stiehlt er arm. Den Freund rührt das sogleich;
Sein früher Widerspruch hemmt in den Sittenrichtern
Der Zungen wilde Wuth, und macht Pernellen schüchtern.

Das süße Vorurtheil, das holder Umgang gibt,
Macht, daß man nie zu sehr geprüfte Freunde liebt.
Ein Freund wird voller Glimpf des Freundes Fehler tragen,
Nur Frost und Falschheit nicht, den Grund befugter Klagen.
So wie mein Lipstorp mir, aus Güte, viel erlaubt;
Doch nichts, das mir vielleicht Kraft und Gesundheit raubt.

Ein bessernder Verweis sollt' immer Dank erwerben.
Mit unverdientem Ruhm mag uns ein Schmeichler färben:
Der lobt an Lesbien die Demuth und die Treu',
Und, vor dem Spiegeltisch, den Haß der Schmeichelei;
An Dichtern, ihre Furcht, die Werkchen vorzulesen;
An Pächtern, ihr Bemühn für das gemeine Wesen;
An Wuchrern, den Geschmack; an Stutzern, Gründlichkeit;
An einem jungen Rath, die Staatserfahrenheit;
An Schwätzern, den Verstand zu schweigen und zu denken;
An Unersättlichen, den Abscheu vor Geschenken;
Und darf er Großen sich und seine Schminke weihn,
Sie werden Walsinghams, sie werden Mornays sein.
Doch läßt der Gleißner bald sein Hohngelächter schallen,
Wenn sein Altar versinkt, und seine Götzen fallen.

Unwürdig unsrer Gunst, und des geringsten Blicks,
Ist der gemeine Schwarm der Heuchler unsers Glücks,
Der horcht, und, wenn er ja uns ernstlich klagen höret,
Vielleicht die Achseln zuckt, gewiß den Rücken kehret.
Allein, wie schätzbar ist ein Herz, das so geneigt,
Als es dem Jüngling ward, sich noch dem Greise zeigt!
Es gibt uns in Gefahr, wann Feind und Unglück toben,
Wo Furcht und Falschheit fliehn, die stärksten Freundschaftsproben.

Wie schwingt die Liebe sich durch edlen Muth empor!
Wie kömmt ein edler Freund des Freundes Flehn zuvor!
Zufrieden, kann er nur mit seinem Beistand eilen;
Kaum tröstbar, muß er noch mit seinem Dienst verweilen:
Wie zu der guten Zeit, als Monomotapa
Ein Beispiel solcher Art in zweien Freunden sah.
An Treu', und nicht an Kunst nach Hof-Art liebzukosen,
Beschämt ein Schwarzer oft den zierlichsten Franzosen.
Der eine Biedermann war mitten in der Nacht,
Als alles lag und schlief, voll Unruh aufgewacht.
Er lief zum andern hin, pocht' an, und lärmt', und weckte
Den trägen Diener auf, der sich fast fühllos streckte.
Der Hausherr sann bestürzt dem späten Zuspruch nach,
Ergriff sein Schwert, sein Gold, empfing den Freund und sprach:
Du pflegst um diese Zeit die Gasse nicht zu lieben;
Was hat dich immermehr so eilig hergetrieben?
Vielleicht Verlust im Spiel? Sieh meine Börse hier!
Gibt's Händel? Laß uns gehn! Trau' meinem Schwert und mir!
Doch willst du diese Nacht nicht ohne Kuß beschließen?
Gut! meine Sklavin soll sie dir genug versüßen.
O nein, versetzt sein Freund: o nein, du hast geirrt.
Mich hat ein schwerer Traum erschreckt, und ganz verwirrt:
Denn, ach! ich sahe dich in meinem ersten Schlummer,
Und dein Gesicht verrieth mir einen seltnen Kummer.
Gleich klopfte mir das Herz; da ging ich, ungesäumt,
Zu sehen, was dir fehlt, und ob mir falsch geträumt.

Mein Bruder, den ich stets mit neuer Freude nenne,
An dem ich noch weit mehr, als Brudertreu', erkenne,
Ich eigne billig dir der Freundschaft Abriß zu:
Wen lieb' ich so, wie dich? Wer liebt mich so, wie du?
Du bist, und dieses Lob wirst du umsonst verbitten,
Gerecht nach jeder Pflicht, und würdig deiner Sitten.
Mein allertheuerster, mein angeborner Freund,
Der mit der Höfe Witz das beste Herz vereint:
Es kann das reichste Glück mir nichts Erwünschters geben,
Als deine Zärtlichkeit, dein Wohl, dein langes Leben.
O nahet nicht einmal der holde Tag heran,
Da ich dich wiedersehn und froh umarmen kann?

 

Der Gelehrte.

Beglückt ist der, zu dem sein Vater spricht:
Sohn, sei gelehrt! und der den Vater höret,
Und, nur auf Ruhm, auf Meisterschaft erpicht,
Bald vieles lernt, und endlich alles lehret,
Mit gleichem Muth bejahet und verneint,
Beweisen darf, und zu beweisen scheint.

Sein Ernst verschmäht, was Höfen stets gefiel:
Den Ueberfluß geschmückter Freudenfeste,
Die frühe Jagd, den späten Tanz, das Spiel,
Das Nachtgepräng' erleuchteter Paläste,
Der Masken Scherz, wo Mummerei und List
Verliebte paart, Gepaarten günstig ist.

Ihn reizen nie der Waffen Glanz und Pracht,
Der Edlen Muth, der Enkel tapfrer Ahnen,
Der Helden Lust, die feuervolle Schlacht,
Der stolze Sieg, der Ruhm erfocht'ner Fahnen,
Das Kriegsgeschrei, das donnernde Metall,
Der kühne Sturm, und der erstiegne Wall.

Er mehrt auch nicht den zu geheimen Rath,
Der um den Thron erhabner Fürsten sitzet,
Und, sonder Ihn, den anvertrauten Staat
Bewacht, versorgt, erweitert und beschützet.
Er will, Er kann (wie oft trifft beides ein!)
Kein Cineas von einem Pyrrhus sein.

Was Ihn bemüht, verherrlicht und ergötzt,
Sind weder Pracht, noch Kriegs- und Staatsgeschäfte:
Es ist ein Buch, das er selbst aufgesetzt,
Es ist ein Schatz von Ihm beschriebner Hefte,
Ein Kupferstich, der Ihn, mit Recht, entzückt,
In dem Er Sich, mit Ruhm verbrämt, erblickt.

Es ist Sein Krieg ein schwerer Federkrieg,
In dem durch Ihn Beweise stehn und fallen;
Und Er betritt, auf den erhaltnen Sieg,
Den Helden gleich, des Ehrentempels Hallen,
Und stellet dort Sich Seiner Leser Schaar,
Der Setzerzunft, und den Verlegern dar.

Ja! dreifach groß und furchtbar ist der Mann,
Der muthig schreibt, bis Neid und Gegner schwinden.
Er trifft in Sich mehr, als neun Musen, an,
Er wird in Sich mehr, als den Phöbus, finden,
Und ist im Streit, wie Ajax beim Homer,
Des Heeres Schutz, ja selbst ein ganzes Heer.

Erwünschter Preis gelehrter Ritterschaft!
Dein Lorbeer krönt den, so der Muth erhoben:
Doch braucht auch der nicht stets der Waffen Kraft;
Er lobet auch, damit ihn andre loben,
Und lohnt dem Ruhm, den er im Lenz erhält,
Mit Gegenruhm, noch eh' die Blüte fällt.

Es keimt und sproßt die Saat der Dankbarkeit
In Zeitungen, und wächst in Monatsschriften.
Ein werther Freund belehrt die Folgezeit,
Und zeigt uns selbst, wie viel wir Gutes stiften,
Und dich ermahnt sein süßes Lobgedicht,
Germanien! zu der Bewundrungspflicht.

Oft ist der Ruhm, der Schriftverfasser hebt,
Ursprünglich schwach; doch hilft die Gunst ihm weiter.
Der Gönner Huld, nach der die Zuschrift strebt,
Macht Kleine groß, und dunkle Namen heiter,
Und wer zuerst um Nachsicht bitten muß,
Gebeut zuletzt, und ist ein Pansophus.

So wie ein Bach, der träg' und dürftig quillt,
Durch Kies und Schlamm trüb und verächtlich fließet,
Sich krümmt und schleicht, von fremden Wassern schwillt,
Dann rauscht und glänzt, sich stolz ins Land ergießet,
Dort Bächen folgt, hier Bäche selbst regiert,
Und endlich gar des Stromes Namen führt.

Des Beifalls Kraft begeistert den Verstand
Mit allem Witz der Neuern und der Alten,
Wird zum Beruf, heißt jeden, der ihn fand,
Das Richteramt auf dem Parnaß verwalten,
Und macht den Mann, den Muth und Glück erhöhn,
Oft zum Virgil, noch öfter zum Mäcen.

Sein Haß entehrt. Warum? Weil Seine Gunst
Kaum weniger, als mancher Pfalzgraf, adelt.
Nur Er versteht, wie meisterliche Kunst
In Zeilen lobt, in ganzen Blättern tadelt.
Sein Ausspruch nur, der stets die Regel trifft,
Entscheidet schnell den Werth von jeder Schrift.

Die Ungeduld der Fremden, Ihn zu schaun,
Spornt ihren Fuß auf den gelehrten Reisen.
Sie müssen sich aus Seinem Mund erbaun,
Und Ihm, Ihm selbst, sich und ihr Stammbuch weisen,
Vergleichen Ihn mit Seinem Kupferstich,
Sehn, wie Er lacht, freun und empfehlen sich.

Er lehrt die Welt. Sein Ton, Sein Vorrang steigt,
Und Seine Stirn umstrahlt der Glanz der Ehre.
Das, was Er sagt, und das, was Er verschweigt,
Ist, wie ein Licht und Nebel Seiner Lehre,
Das, wann Er will, der Schlüsse Band entdeckt,
Der, wann Er muß, des Bandes Grund versteckt.

Der Körper Stoff, was ihre Kraft erhält,
Wie jede wirkt, sieht Er von allen Seiten.
Sein Witz durchstreift sogar die Geisterwelt,
Das dunkle Land entlegner Möglichkeiten,
Und spähet dort mehr Dinge seltner Art,
Als ein Ulyß bei seiner Höllenfahrt.

Der Wahrheit Reich macht Er sich unterthan.
Er herrscht allein, mit sieggewohnten Schätzen.
Empöret sich des Zweiflers kecker Wahn,
So kann doch das Sein Ansehn nicht verletzen.
Umsonst erregt ein Aeol Sturm und Flut:
Neptun erscheint, und das Gewässer ruht.

Doch, wann Er Sich von jenen Höhen schwingt,
Wo, außer Ihm, den größten Weisen träumet,
So reizt auch Ihn, was uns Thalia singt;
Er spielt ein Lied, ein leichtes Lied, und reimet:
Wie Socrates, der so viel Geist besitzt,
Zur Werkstatt eilt, und Huldgöttinnen schnitzt.

Dann übt Er oft, die Musen zu erfreun,
Die Wissenschaft, ein Lob recht auszuzieren,
Die Fertigkeit, viel Glück zu prophezein,
Die strenge Kunst empfindlicher Satyren,
Und gleicht an Witz, an Einsicht, an Geschmack
Dem Despreaux, fast wie ein Cantenac.

Sein Ruhm wird reif, und güldner Zeiten werth,
Der dankbaren, doch längstvergess'nen Zeiten,
Wo den Petrarch das Capitol verehrt,
Und Dichter noch auf Elephanten reiten.
O großer Tag! o altes Heldenglück!
Kommt wiederum, doch nur für Ihn, zurück.

 

Der Schwätzer.

Nach Horaz.

Jüngst, da ich mich, wie sonst, den Grillen überlasse,
Gerath ich ungefähr in die Mariengasse.
Ein Fremder, den ich nur dem Namen nach gekannt,
Läuft plötzlich auf mich zu, ergreift mich bei der Hand
Und spricht: »Wie geht's? Mon cher!« Noch ziemlich, wie Sie sehen;
Von Ihnen hoff' ich auch erwünschtes Wohlergehen.
Er folgt mir Schritt vor Schritt, und klebt mir lächelnd an.
Ist etwas, frag' ich ihn, womit ich dienen kann?
Er danket und versetzt: »Sie werden mich schon kennen,
Und Ihre Freundschaft mir, als einem Dichter, gönnen.«
Mein Herr, Sie sollen mir um desto werther sein.
Ich eil', ich stehe still, von ihm mich zu befrein,
Und raun', ich weiß nicht was, dem Diener in die Ohren;
Doch hier ist alle Müh' und alle Kunst verloren.
Mir bricht der Angstschweiß aus. O wie beneidenswerth
Gedenk' ich, ist der Thor, der Thoren gerne hört!
Indessen strömt sein Mund von rauschendem Geschwätze;
Er lobt die schöne Stadt und nennt mir alle Plätze,
Die Brücken, jedes Thor, die Märkte, Wall und Wacht,
Und lehrt mich, wie der Lenz die Gärten lustig macht.
Ich schweig, er fähret, fort: »Ist man so still? ich finde,
Daß die Begleitung Sie nicht sonderlich verbinde;
Allein, ich schlendre mit, und Sie erlauben mir
Für dies Mal kühn zu sein. Doch wohin gehen wir?«
Bemühen Sie sich nicht: ich kann mich nicht verweilen,
Und muß zu einem Freund, den Sie nicht kennen, eilen.
Er wohnet weit von hier, die Alster ganz vorbei,
Noch hinter Böckelmanns bekannten Gärtnerei.
»Ich habe nichts zu thun; was heißen tausend Schritte?
Im Gehen, glauben Sie's, bin ich ein rechter Britte.«
Mich krümm' ich, wie ein Pferd, das, bei zu schwerer Last,
Kopf, Maul und Ohren hängt, und seinen Treiber haßt.
Er räuspert sich und spricht: »Wahr ist's, sich selbst zu rühmen,
So sehr man sich auch kennt, das will sich nicht geziemen;
Doch prüfen Sie mich nur: ich wette, daß Ihr Freund,
Mit dem ein jedes Jahr Sie zärtlicher vereint,
Ich wette: Wilkens selbst, und Müller, den Sie lieben,
Und Carpser, und Borgeest, die sollen ihren Trieben
Nie so gefällig sein. Mich übt der Dichtkunst Flor.
Neun Musen stell' ich mir, so wie neun Kegel, vor.
Man wirft, und trifft doch Holz: es sei viel oder wenig.
Die Ecken schlägt man um, verfehlt man gleich den König.
Man ziele, dichte nur, und mische sich ins Spiel.
Werd' ich nicht episch groß, und bin ich kein Virgil;
Wohlan! so reim' ich schnell von tausend andern Dingen:
Mit einer Muse muß mir doch der Streich gelingen,
Erreich' ich Alle nicht. Ich tanze wie du Vall:
Das sah man auf dem Baum, bei dem Freimäurerball.
Finazzi singet gut: doch ich kann besser singen.«

Nunmehr gewann ich Zeit, ein Wörtchen anzubringen.
Hat keine Mutter nicht, kein Vetter, kein Geschlecht,
An Ihrem Wohlsein Theil, an Ihren Stunden Recht?
Sollt' ihrer keiner nicht Ihr Dasein nöthig haben?
»Wir sprechen uns nicht mehr, denn alle sind begraben.«
O die sind wohl daran! nun trifft die Reihe mich,
Betäubte Märtyrer! Verfolge! Morde! Sprich!
Denn ach! die Stunde kömmt, die ich so lange scheute,
Die mir das alte Weib in Borstel prophezeite,
Als ich ein Knabe war, und sie mit dürrer Hand
Den Loostopf schüttelte, griff, mein Verhängniß fand,
Und mir den Ausspruch gab: Es wird ihn, merkt es eben!
Kein Arzt, kein Alchymist, kein Fahnenschmidt vergeben:
Ihn fällt kein Rauferschwert, kein Seitenweh und Gicht,
Das träge Podagra, die Schwindsucht thut es nicht.
Die größeste Gefahr wird er von Schwätzern leiden,
Und wird er alt und klug, so muß er Redner meiden.

Wir waren, recht um zehn, wo man die Kirche schaut,
Die, Magdalene, dir Graf Adolph aufgebaut.
Da sollte nun mein Freund, mit Acten und Gebühren,
Selbst vor dem Richter stehn, und sonst sein Recht verlieren.
»Weil ich auf diese Zeit jetzt vorgeladen bin,
So,« spricht er, »gehn Sie doch mit mir zum Prätor hin,
Und hören, wie ich dort …« Ist mir das zuzumuthen?
Kann ich Ihr Beistand sein? Versteh' ich die Statuten?
Und bin ich nicht versagt? »Nun werd' ich zweifelvoll,
Ob ich Sie, oder nicht mein Recht, verlassen soll?«
Mich, mich, mein Herr. »O nein!« Er rennt mir vor; ich schleiche,
Als im Triumph geführt, weil ich dem Stärkern weiche.

Geduld! Was hab' ich nun für Fragen auszustehn?
»Wie finden Sie den Brocks, Hammoniens Mäcen?«
Ich find' und ehr' in ihm den Weisen unsrer Zeiten;
Allein, er wird, daher, kein Freund von allen Leuten.
Er wählet, die er liebt, ist sinnreich ohne Tand,
Leutselig ohne Falsch, noch edler, als sein Stand,
Und ihn vergnügen nur die Würden, die er schmücket,
Wann er sein Vaterland und das Verdienst beglücket.
»Empfehlen Sie ihm den!« (Hier zeigt der Thor auf sich.)
»Ihr Mitgehilf', Ihr Rath, Ihr Hinterhalt werd' ich.
Ich sterbe, falls Sie mir die zweite Rolle geben,
Wenn wir nicht jeden dort bald aus dem Sattel heben.«
Sie irren ungemein in Ihrer Klügelei.
Vor andern ist sein Haus von solchen Ränken frei.
Der Liebling des Mercur, den Fleiß und Glück erhöhet,
Der Doctor, der sogar den Lycophron verstehet,
Verdrängen keinen nicht, der einem Brocks gefällt,
Der jeden, nach Verdienst, den Freunden zugesellt.
»Das ist was Seltsames. Sie scherzen.« Was ich sage,
Bestätiget gewiß die Wahrheit alle Tage.
»Ja, nun verehr' ich erst den weitberühmten Mann,
Und, kurz, ich ruhe nicht, bis ich ihn sprechen kann.«
Ihn sprechen fällt nicht schwer, wenn Sie es nur verlangen:
Ein so gescheidter Kopf wird immer wohl empfangen.
Und sollt' er anfangs auch nicht mehr als höflich sein,
So räumen Sie ihm Zeit, Sie g'nug zu kennen, ein.
Vielleicht verbirgt er sich im Reden und im Schweigen,
Sein hulderfülltes Herz nicht gar zu früh zu zeigen.
»Mir fehlt es nicht an Witz, wann ich geschäftig bin.
Sprech' ich ihn heute nicht, so geh' ich morgen hin,
Und übermorgen auch. Die Sache recht zu lenken,
Will ich den Diener selbst mit einem Vers beschenken.
Ich gebe gar zu gern. Er merkt mir schon den Tag,
Da er mich melden darf, und auch den Zeigerschlag.
Begegnet mir der Herr, so eil' ich ihm zur Seiten;
Ich will vom Rathhaus ihn bis an sein Haus begleiten,
Oft gegenwärtig sein: kraft eines Unterrichts,
Den jener Waidmann gab: Jagt; sonsten fangt ihr nichts.«

So sprach, doch nein! so schrie der unerschöpfte Schwätzer,
Als nun mein Liscow kam: (der Bruder von dem Ketzer,
Den noch Germanicus vielleicht dereinst bekehrt)
Der kannte meinen Mann und seinen ganzen Werth.
Wir bleiben also stehn. Indem wir uns befragen:
Woher jetzt, und wohin? und uns die Antwort sagen,
Zupf' ich ihn bei dem Arm, durch ihn mich frei zu sehn;
Doch der verstockte Schalk lacht und will nichts verstehn.
Ich wink' ihm, recht im Zorn, weil alle Winke fehlen.
Wie? wollten Sie mir nicht was insgeheim erzählen?
»Ja: etwas Wichtiges; allein zur andern Zeit,
Denn heute wird von mir der Nisan nicht entweiht.
Das auserwählte Volk aus Abrahams Geschlechte
Verzehrt sein Osterlamm und freut sich seiner Rechte.«
Die Scrupel solcher Art, mein Herr, verschonen mich.
»Doch mir und Tausenden sind Scrupel fürchterlich.
Verhöhnen Sie so sehr der Juden Glaubenszeichen,
Die, dem Gewissen nach, so vielen Christen gleichen?
Entschuldigen Sie mich: ich sprech' ein andermal.«

O schwarzer Unglückstag, was bringst du mir für Qual!
Der Unbarmherzige, der Spötter, geht, und fliehet,
Obgleich er über mir das große Messer siehet,
Mit dem der Prahler ficht. Allein, wer zeigt sich dort?
Sein Gegner kömmt und schreit: »Wohin, Nichtswürd'ger? Fort!«
Und sagt im Scherz zu mir: »Dürft' ich Sie zeugen lassen!«
Ja! müßt' auch Ihre Hand mein Ohr, auf römisch, fassen.
Er schleppt ihn vor Gericht: man lärmt, man ruft und schilt:
Und alles läuft herbei, zu sehen, wem es gilt.
So hat mich dem Verdruß, den ich erdulden müssen,
Der Gott, den Käuflin kennt, Apollo selbst entrissen.

 

Horaz.

Horaz, mein Freund, mein Lehrer, mein Begleiter,
Wir gehn aufs Land. Die Tage sind schon heiter;
So wie anjetzt die Furcht der blinden Nacht
Ein heller Mond uns minder nächtlich macht.
Es herrscht das Licht, und alle Lüfte geben
Der frohen Welt das eigentliche Leben.
Die rechte Lust kömmt mit der Frühlingszeit
Natur und Mensch sind voll Gefälligkeit.
Ihr unerkauft- und unerfochtnen Freuden!
Sucht keine Pracht: die Pracht muß euch beneiden.
Des Daseins Trost, das Recht, vergnügt zu sein,
Der Kenner Glück macht Lenz und Witz gemein.

Ja, auch der Witz! Die Einfalt kann nicht sehen;
Ihr lachen nicht die Thäler und die Höhen.
Sie hört auch grob, und in der Melodie
Der Nachtigall erschallt kein Ton für sie.
Wie schmeichelhaft und mit verjüngten Flügeln
Der Zephir kühlt; wie auf begrasten Hügeln
Die Anmuth grünt; wie Pflanze, Staud' und Baum
Sich edler färbt: das alles merkt sie kaum.
Sie suchet nur die Schatten, wie die Heerden,
Wann schwüle Tag' ihr unerträglich werden.

Wer denkt und schreibt, zumal der Dichter Chor,
Zieht Busch und Wald den schönsten Städten vor.
Wie läßt sich dort, wenn wir noch das erwägen,
Der Freund der Stadt, dein Fuscus, widerlegen!
Hat nicht Tarent dir oft den Scherz gewährt,
Den du in Rom, selbst beim Mäcen, entbehrt?
Ein lautrer Fluß, der Auen und Gefilde
Befruchtend ziert, ward deiner Kunst zum Bilde,
Die, stark und rein, ihr Feld erfrischt und schmückt,
Und Sprach' und Witz bereichert und beglückt.
Du sahest oft an hoffnungsvollen Bäumen,
Um Rind' und Stamm, das Moos zu häufig keimen,
Und dachtest dann vielleicht an ein Gedicht,
Und ließest ihm den fremden Anwachs nicht,
Den Ueberfluß, den wir nicht dulden sollen,
So ungern auch die Wörter weichen wollen.

Mein Meierhof! so mäßig wünschtest du,
Wann seh' ich dich, in Stunden freier Ruh',
Beim Schlaf am Bach, aus Büchern kluger Alten,
Vergessenheit der Mühe zu erhalten,
Der öftern Last, die in der Stadt mich drückt,
Und meine Lust in enger Luft erstickt?
Wann werd' ich mich in jenen kühlen Gründen,
An jenem Quell, verneuert, wiederfinden?

Arell, der Filz, des Wuchers blasser Knecht,
Zieht auf das Land, vergnügt sich; aber schlecht.
So wie ein Sklav', den Furcht und Kette lähmen,
Mehr kriecht, als geht, wenn wir sie von ihm nehmen.

Was sichtbar ist, sei nur dem Pöbel schön!
Die Geisterwelt entzücket den Menen.
Wie Democrit, vertieft er sich in Träume,
Sitzt in dem Wald, und sucht im Walde Bäume.

Nasidien, der Comus unsrer Zeit,
Rollt durch das Thor in stolzer Herrlichkeit,
Erreicht sein Gut, mit neunundzwanzig Gästen,
Wie in der Stadt, sich stundenlang zu mästen.

Es eilt Quadrat, er, seines Roms Tribun,
Zu Gärten hin, wie seine Nachbarn thun.
Der Blüten Duft, der Blumen Reiz zu fühlen?
Nein: ungestört und vortheilhaft zu spielen.

Hephästion verläßt die Majestät,
Besucht sein Lehn, wo er das Schloß erhöht,
Guckt in sein Feld; das Feld ergötzt ihn wenig.
Allein warum? Dort sieht er keinen König.

Du bist es werth, der Landlust Freund zu sein.
Horaz, mit dir hab' ich den Trieb gemein.
Uneingedenk der Stadt und ihrer Sorgen,
Empfind' ich hier die Freiheit und den Morgen.
Wir bleiben hier, nun uns kein Schwätzer trennt,
Und Harvstehud ist heute mein Tarent.

Oft grenzt die Lust, unwissend, an dem Leide;
Doch nicht allhier, doch nicht an jener Weide,
An diesem Fluß. Wohin mein Blick sich kehrt,
Ist alles schön, ist alles sehenswerth.
Verleiht der Glanz der unumwölkten Sonne
Auch Felsen Reiz und rauhen Bergen Wonne,
Wie sehr entzückt uns ihre holde Pracht,
Wann sie, wie jetzt, das Schöne schöner macht,
Wann, da sie sich den fetten Aeckern zeiget,
Der Hufner singt, und auch sein Vieh nicht schweiget!

Es war vorlängst der schattenreiche Wald,
Der Auen Schmelz, der Weisen Aufenthalt.
Wo wohnt so gern die Feindin banger Schranken,
Die Einsamkeit, die Mutter der Gedanken,
Wann der Verstand, weil ihn kein Amt bezirkt,
Uneingesperrt und ungefesselt wirkt?
Wo Muße lehrt, wo Lust und Einfall reifen,
Verführt uns nichts, voll Unruh', auszuschweifen.
Hier störet uns nicht der Geschäfte Ruf;
Hier lernet man, wie schön die Allmacht schuf;
Hier wird man, froh, von Wahn und Zwang entbunden,
Herr seiner Zeit, und König seiner Stunden.

Ein Thor eilt stets auf neue Wirbel los;
Ein Weiser ist, auch in der Stille, groß.
Ein Thor bedarf der Aemter und Geschäfte:
Der Wanduhr gleich, gibt das Gewicht ihm Kräfte;
Sonst kaum bemerkt, von eignen Trieben leer,
Blieb er ein Thor; durch Würden wird er mehr.

Wie sehnt Servil sich nach Berufsbeschwerden,
Beträchtlicher und hochbestallt zu werden!

Was schützt das Zeug, das Battus täglich spricht?
Sein neues Amt, sein altklug Amtsgesicht,
Sein Heldenton, sein Recht zu höhern Stellen,
Des Scheinglücks Stolz, und dieses Stolzes Schellen.

Ja, Gelasin! dein Herz ist falsch und klein,
Und nur dein Stand zwingt dich, ein Mann zu sein.
So stellt der Krieg die Feinde seiner Hitze,
Die Friedlichsten recht an des Heeres Spitze,
Und manchem wird das Ruder anvertraut,
Dem, viel zu früh, vor Wind und Wellen graut.

Vor Tausenden war Celsus zu beneiden:
Er hatte g'nug zur Wohlfahrt und zu Freuden,
Nur nicht Verstand; und dieses Loos allein
Hat er noch jetzt mit Tausenden gemein:
Jetzt, da der Hof den Titelknecht erhandelt,
Und seine Ruh' in Müh' und Rang verwandelt,
Ihm den Genuß zur Eitelkeit und Pracht,
Und seinen Schlaf zum kurzen Schlummer macht;
Ja, wann er sich zum milden Regen dränget,
Ihn mit dem Thau der Hoffnung nur besprenget.
O Sklavengeist, der sich mit Stolz verstrickt,
Heiß' endlich groß! sonst warst du fast beglückt.

Glück und Genuß sind, in dem Mittelstande,
Zu klein dem Neid, und viel zu groß der Schande,
Und krönen den, der, dienstfrei und vergnügt,
Der Väter Feld mit eignen Rindern pflügt,
Nicht leiht, noch borgt: nach Art der ersten Sitten
Der Hirtenwelt, die keinen Wucher litten,
Den nicht, zur Schlacht, die Kriegstrompete weckt,
Den keine Wuth erzürnter Meere schreckt.
Er hört den Zank nicht vor Gerichten bellen,
Er naht sich nie der Großen stolzen Schwellen.
Durch ihn vermählt, in einem trocknen Raum,
Die Rebe sich dem hohen Pappelbaum.
Er pfropft, er pflanzt, er freut sich seiner Triften.
Kein schnöder Wunsch wird seine Ruh' vergiften.
Wie unschuldvoll ist, was ihn fröhlich macht!
Der Schafe Schur, der Vogelsang, die Jagd,
Die Taubenzucht, die Wartung seiner Bienen,
Das frische Bad, der stille Schlaf im Grünen.
An Kriegsgeräth besitzt er nur ein Zelt,
In welchem er mit Freunden Tafel hält.
Sein Vieh, sein Land, sein Garten gibt Gerichte,
Die Milch, den Fisch, den Braten und die Früchte,
Sein Weinberg Wein, den kein Verkäufer mischt,
Und ihm sein Knecht im nahen Bach erfrischt,
Im Teich, im Strom, wo Schlei und Karpfe springen,
Forell und Schmerl durch Sand und Kiesel dringen,
Der Frösche Feind, der Krebs, geharnischt laicht,
Und, ganz vertieft, die bärt'ge Barbe streicht,
Und was er sonst bald mit beglückten Händen
Zu angeln pflegt, bald in der Netze Wänden
Gefangen führt, bald, wie den fetten Aal,
In Reusen lockt, zum frohen Mittagsmahl.
So kann er leicht auch der Murän entbehren:
Ein Crassus nur betrauert sie mit Zähren.
Er findet auch sein Birkhuhn ungemein,
Erstickt es gleich nicht in Falerner Wein.
Den, der, beschwitzt, von seinem Jagdgaul steiget,
Reizt Hausmannskost, und was sein Kohlfeld zeuget.
Dort schmeckt dir Brod, wie sonst kein Kuchen that.
Denn alles schmeckt, wo man Bewegung hat.

Die, auf dem Land, an trägen Sitzen kleben,
Sind lächerlich in ihrem Pflanzenleben.
Insecten sind lebendiger, als sie.

So faul und schwach sind meine Dichter nie.
Dort schleicht Tibull durch die gesunden Haine:
Hier schaufelst du durch Schollen und durch Steine.
Dein Nachbar gafft, und sieht, mit Lächeln, an,
Wie ein Poet so bäurisch graben kann.

Da flehst du nicht, dein Gütchen zu vermehren:
O möchte mir der nächste Fleck gehören!
Es würde dann mein Acker schnurgleich sein.
O räumtest du, Mercur, mir dieses ein!
O könnt' auch ich, durch Herculs Gunst und Fügen,
Wie jener Knecht, mir einen Schatz erpflügen!
(Der Kerl war schlau, als er den Geldtopf fand,
Erkauft' er sich das herrschaftliche Land.)
Ein mäßig Feld, daran ein Garten schließet,
Ein steter Quell, der nah' am Hause fließet,
Ein klein Gehölz war meiner Wünsche Zug.
Der Himmel gab's: ich habe mehr als g'nug.
Nun fleh' ich nur, durch würdiges Verwalten
Mir den Genuß des Glückes zu erhalten.
Hat noch kein Griff der Unersättlichkeit
Dies dein Geschenk vergrößert und entweiht;
Laß ich es nie, durch sträfliches Beginnen,
Durch eigne Schuld, vermindern und zerrinnen,
Bin ich vergnügt, und dankbar für mein Glück:
So zieh' von mir nie deinen Schutz zurück,
So gib Gedeihn; laß Acker, Weid' und Heerden,
Den Witz nur nicht, sonst alles feister werden!

Du bist vergnügt, und, war dein Vater gleich
Nicht aus dem Rath, nicht angesehn, nicht reich,
Kein Edelmann vom pontischen Gestade:
Kein Flavius, den des Lucullus Gnade,
Als Mithridat ihm kümmerlich entkam,
Am Leben ließ, und mit nach Welschland nahm;
So lässest du dich nie den Vorwurf quälen,
Und würdest dir nur ihn zum Vater wählen.
Als seinem Sohn ist vieles dir vergönnt.
Nun bringet dich ein Maulthier nach Tarent.
Den Mantelsack schnürst du ihm auf den Rücken,
So wund ihn auch sein Herr und Bündel drücken.
Der Aufzug ist für Edle viel zu schlecht,
Doch deinem Stand und deinem Sinn gerecht.
Dir ist der Staat, auf deinen kleinen Reisen,
Gleichgiltiger, als Seneca, dem Weisen,
Und auch daheim, bei deinem irdnen Krug,
Sind Kichern, Lauch und Plinzen dir genug.

Doch bist du Wirth an einem Freudenfeste,
So wählst du dir erkannte, gleiche Gäste,
Nur wenige, nur die sich gerne sehn.
O möchte doch Biber die Kunst verstehn!
Durch diese Kunst verbrüdern sich die Herzen:
Kein falscher Freund verräth von unsern Scherzen
Wort' oder Ton. Was man beim Weine spricht,
Muß heilig sein, und dient für Klätscher nicht.
Soll einem Mahl nur Zwang und Ekel fehlen,
So muß Torquat zum Schaffer dich erwählen.
Bei dir, wo nichts die Nase runzlicht macht,
Verlängert ihr, beredt, die Sommernacht:
Wo Reinlichkeit den Tisch bestellt und decket,
Kein Schmutz, kein Staub den Spiegelglanz verstecket,
Der Tischgeschirr und Trinkgefäße schmückt,
In welchen man sich, ungesucht, erblickt:
Wo Treu' und Lust, ihr Bündniß recht zu schließen,
Falerner Wein in kleine Becher gießen.

So sehr, Horaz, es dir Vergnügen bringt,
Wenn Phyllis dir den schwarzen Gram versingt,
Und doch dein Ruf, ein Lob, daß du gefallen,
Dir reizender, als alle Lieder, schallen.
So gibt und nährt nur die Zufriedenheit
Dein schönstes Glück, das täglich dich erfreut,
Der Freiheit Frucht, die nur den Weisen rühret,
Der herrschen kann, und würdig sich regieret.
Was in der Welt ist von so hohem Werth,
Als Freiheit ist, die jede Lust vermehrt?

Und ist nicht sie dem Golde vorzuziehen?
Wer knechtisch lebt, dem Mangel zu entfliehen,
Entbehret stets, im Kleinen, den Genuß.
Wer immer wünscht, und, folglich, fürchten muß,
Heißt dir nie frei. Wird dich die Habsucht nagen,
So hat Arist Erlaubniß, dir's zu sagen:
Dein Auftrag will's. Es nimmt ein weiser Mann,
Der Lehren gibt, noch lieber Lehren an.
Jedoch kein Geiz darf deine Lust beschweren:
Dir ist es leicht, ihn männlich abzuwehren.
Den Werth des Glücks, das dir dein fruchtbar Feld,
Dein Wald, dein Bach, ohn' andrer Neid, erhält,
Kann kein Regent, kein König großer Staaten,
Kein Held im Sieg, und kein August errathen.

Du bist vergnügt: dich liebet dein Mäcen.
Wer weiß, wie er, die Menschen einzusehn?
Wer wählt so wohl? Dein Herz bleibt ihm ergeben,
Und solchen Freund willst du nicht überleben.
Allein, so sehr der Großen Beispiel rührt,
Und ihr Geschmack oft Klügere verführt,
So durftest du dir treu und ähnlich bleiben,
Und nicht mit ihm zu unnatürlich schreiben.

Der ist beglückt, der sein darf was er ist,
Der Bahn und Ziel nach eignen Augen mißt,
Nie sklavisch folgt, oft selbst die Wege weiset,
Ununtersucht nichts tadelt und nichts preiset,
Und, wenn sein Witz zum Dichter ihn bestimmt,
Natur und Zeit zu seinen Führern nimmt.

Du bist vergnügt, und lehrest das Vergnügen,
Wie Dichter thun, die Geiz und Gram besiegen:
Denn ein Poet, den auch sein Herz erhebt,
Beklagt das Volk, das nur nach Schätzen strebt.
Der Welt zur Lust, zum Dienst und Unterrichte,
Sinnt er auf nichts, als ewige Gedichte.
Er macht sich nicht durch Ränke, Zwist, Vergleich,
Als Mitgenoß, auch nicht als Vormund, reich,
Beruft ihn nicht Nasidien zu Schmäusen,
So weiß er auch, wie dein Ofell, zu speisen:
Und ficht er nicht Achillisch in der Schlacht,
So ist er doch auf andrer Wohl bedacht.
Denn ist es wahr, daß man durch Kleinigkeiten
Dem Großen hilft; und wer wird dies bestreiten?
So bildet er der Kindheit zarten Mund,
Und macht ihr früh der Sprache Wohllaut kund,
Gewöhnt das Ohr, der Wörter Wahl zu lernen,
Im Ausdruck sich vom Pöbel zu entfernen:
Dann gibt er auch dem Herzen die Gestalt,
Durch treuen Rath, durch freundliche Gewalt.
Die Rauhigkeit der Sitten, die verwildern,
Den Neid, den Zorn weiß seine Kunst zu mildern.
Ein Dichter lehrt das menschliche Geschlecht
Der Tugend Reiz und ihrer Thaten Recht.
Ein Dichter stellt für Zeiten, die entstehen,
Exempel dar, den Mustern nachzugehen,
Erleichtert oft des Armen Last und Hohn,
Und mäßiget des Kranken Klageton.
Die den Homer, wie du, mit Einsicht lesen,
Sehn, daß schon er ein Menschenfreund gewesen.

Du bist es auch, und selbst Petrarch gestand,
Wie sehr er sich durch dich veredelt fand.
Dein weiser Rath lehrt Vorurtheile hassen,
Erhellt den Witz, und macht das Herz gelassen.
Zufriedenheit besänftigt unsern Muth,
Und sie allein nennt jede Fügung gut.
Selbst im Palast, wie in beschilften Häusern,
Ist keine Zeit ihr gülden oder eisern.

Du bist daher, in Rom und in Athen,
Ein Aristipp, und nicht ein Diogen.
Den Größesten, den Schönsten zu gefallen,
Die Gabe schenkt das karge Glück nicht allen.
Wie deren Ruhm die Ewigkeit gewinnt,
Die Weisen hold und Dichtern günstig sind,
So wird nicht der zum Thron der Ehre dringen,
Den Weise scheun, und Dichter nie besingen.

Doch was sie mehr als aller Beifall ehrt,
Mein Freund Horaz, das ist ihr eigner Werth:
Mit eignem Werth, als einem Schirm, umgeben,
Heißt jeder Tag dich, sonder Aufschub, leben.

Wann werd' ich einst, in unbelauschter Ruh',
Nicht so berühmt, nur so vergnügt, wie du?


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