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Unter den Dichtern der VI. Periode, von 1725-1770 (Gottsched bis Herder), zeichnet sich besonders Friedrich von Hagedorn aus. Aus den Briefen seiner Zeitgenossen, eines Bodmer, Gärtner, Gellert, Rabener, Ebert, Giseke, E. Schlegel, Jerusalem etc., geht hervor, wie hoch er bei ihnen in Ansehen stand. Ein Mann von solcher Sprachbildung und solchem Talente wurde viel gesucht. Eschenburg erzählt, »daß Hagedorn alle Freitage bei seinem Freunde Carpser in Hamburg zu Tische war, wo sich dann die geistvollsten Männer, Reisende, worunter auch Personen fürstlichen Standes, einfanden, um seine Gesellschaft zu genießen.« Sein Charakter, wie derselbe in seinen Gedichten erscheint, läßt sich durch keine noch so vortreffliche Schilderung darstellen, deshalb verweisen wir auf dieselben; wir bemerken dazu, daß in älteren und neueren Gedichtsbüchern für Schule und Haus die Gedichte von Hagedorn einen bedeutenden Platz einnehmen. Seine Erzählungen und Fabeln sind zum großen Theile vortrefflich. Wem wäre nicht noch Johann der Seifensieder bekannt, der in den Schullesebüchern und Gedichtsammlungen so unzählige Male auftritt? Außerdem, wer Goethe's »Christel« kennt, mag sie mit Hagedorns »verliebtem Bauer« und »die verliebte Verzweiflung« vergleichen.
Erscheint Hagedorn in seinen Erzählungen und Liedern (von den letzteren sind viele von den besten Componisten mit Melodieen versehen worden) oft etwas frei, wie »der ordentliche Hausstand«, »die Verleumdung«, »die Alte« – so erinnert er doch dabei lebhaft an Lessing, dem man Hagedorn auch in Betreff vieler Epigramme an die Seite stellen kann. Besonders ist Hagedorn der Schöpfer des leichten Liedes. Dagegen tritt er in seinen moralischen Gedichten mit solchem Ernst auf, daß man ihn mit seinem Zeitgenossen Albrecht von Haller getrost zu seinem Vortheil vergleichen dürfte. Wenn daher von diesem liebenswürdigen, vorzüglichen Dichter, der für unsere Zeit mehr als zehn neuere paßt, eine billige Ausgabe erscheint, so dürfte hierin schon die Rechtfertigung für das Unternehmen liegen.
Was Hagedorns Person betrifft, so melden wir in Kürze von ihm, daß er 1708 den 23. April zu Hamburg geboren wurde. Sein Vater, Hanns Stats von Hagedorn, war Conferenzrath, und lebte in Hamburg als dänischer Resident im niedersächsischen Kreise. Unter den drei Söhnen aus seiner Ehe mit Anna Marie geb. Schuhmacher, war unser H. der älteste. Der zweite war der nachherige Chursächsische Geheime Legationsrath und Generaldirector der bildenden Künste in Dresden, Christian Ludwig v. H. Der dritte, Christian Felix, starb schon in seinem vierten Jahre.
Hagedorns Vater vereinte mit seinen politischen Einsichten Geschmack und Liebe zur Literatur und besaß eine nicht unbeträchtliche Sammlung meistens französischer Bücher. Beides trug zu einer frühen, glücklichen Richtung des Fleißes und der Talente seines Sohnes nicht wenig bei. Hierzu kam noch die Liebe seines Vaters zur Dichtkunst, in der er selbst einige Versuche gemacht haben soll, und sein Umgang mit damals beliebten deutschen Poeten. An den ersten Uebungen seines zwölfjährigen Sohnes in der Verskunst hatte er daher auch so wenig Mißfallen, daß er selbst ihren Abdruck zur Vertheilung an Freunde gestattete.
Schon in seinem fünfzehnten Jahre sahe sich unser Dichter seines Vaters durch den Tod beraubt, und da derselbe kein Vermögen hinterließ, weil er durch unverschuldete Umstände um dasselbe gekommen war, so lebte er mit seiner Mutter in einer beschränkten Lage, doch war dieselbe auf die feinere Erziehung und Benutzung der besten Mittel zur Ausbildung des Geistes und Herzens ihrer beiden Söhne unablässig bedacht. 1726 ging Hagedorn nach Jena, um die Rechte zu studiren. 1729 kehrte er nach Hamburg zurück, und bald darauf ging er nach London, wo er sich bei dem dänischen Gesandten, dem Freiherrn von Söhlenthal, als Privatsecretär aufhielt. Den Sommer 1731 ging er in Gesellschaft des Gesandten nach Hamburg zurück. Am 10. October 1732 starb seine würdige Mutter. 1733 trat er als Secretär bei dem Englischen Court, einer alten Handelsgesellschaft in Hamburg, ein. Bald nachher verheirathete er sich mit der Tochter eines in Hamburg lebenden Engländers Buttler. Seine Ehe blieb kinderlos. Er starb im noch nicht vollendeten 47. Jahre, den 28. October 1754 an der Wassersucht. Bei aller hohen Bildung war Hagedorn ein Mann voll rührender Bescheidenheit. Wegen seiner Uebersetzung vieler Horazischen Oden wurde er seiner Zeit der deutsche Horaz genannt. Da Hagedorns poetische Werke in mannichfachen Ausgaben erschienen sind, auch mehrfach als Nachdruck, so ist es jedenfalls nicht ganz unwichtig, zu wissen, daß unserer Ausgabe diejenige zu Grunde liegt, welche 1757 in Hamburg bei Bohn erschienen ist. Auch Eschenburg hat sie benutzt. In Betreff der Orthographie muß man gestehen, daß Hagedorn äußerst correct ist; nur sind wir von dem häufigen Gebrauch des ss und des Ypsilon zu Gunsten des neueren abgewichen, dagegen haben wir die Schreibart des Wortes Haubt (statt Haupt) stehen lassen, um so mehr, als selbige bei Platen und Herwegh auch zu finden ist.
Von einigen Seiten ist unserm Dichter die Originalität abgesprochen worden. Aber mit Unrecht. Wir stimmen mit Eschenburg überein, daß H. ein klassischer Dichter ist, – in der That ein deutscher Classiker. Daß eine solche falsche Meinung über ihn entstehen konnte, hat vielleicht seinen Grund in der Unmasse von Noten, welche er namentlich seinen moralischen Gedichten, auch seinen Fabeln und Erzählungen, sowie seinen Epigrammen hinzufügt. Diese weisen indeß nur auf ähnliche Schilderungen bei älteren und neueren Dichtern hin, und geben auch hin und wieder die Quellen an, aus denen er bei seinen poetischen Arbeiten geschöpft. Auf gleiche Weise müßte man dann auch Bürger, Lessing, ja sogar Goethe die Originalität absprechen. Uns erschienen diese Noten, wenn sie auch den Dichter als hoch wissenschaftlich und sprachgebildet charakterisiren, als überflüssiger Ballast, und wir haben sie deshalb weggelassen; nur einige kurze Bemerkungen sind des Verständnisses wegen hinzugefügt.