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II.

– Du meinst, weil ich selbst ein Schulmeister gewesen, so sei es verzeihlich und begreiflich, daß ich diesen Stand in Schutz nehme, zweifelst jedoch daran, daß in katholischen Lehrerseminaren das Heidenthum gepflegt und gehegt worden sei. Freilich bin ich mit dem Ausdrucke: Heidenthum freigebig, allein wo ich kein positives Christenthum zu entdecken vermag, da kann ich nur Heidenthum erblicken, zumal jener Mischmasch von Religion, als dessen Repräsentantin ich meine Mutter nannte, bei genauer Untersuchung eben doch nur verlarvtes und gerade deßhalb sehr verführerisches und gefährliches Heidenthum bleibt. Willst du einen schönern Namen dafür, so magst du derartigen Mischmasch etwas sinnlos, doch höflich »Zeitchristenthum« taufen.

Zunächst will ich aber meine Behauptung rechtfertigen, denn einerseits mag ich keine Entschuldigungen für meine Verirrungen beibringen, welche nicht vollkommen gegründet sind und anderseits öffentlichen Anstalten und Männern, denen das Land des Guten viel verdankt, keine Beschuldigung zuschleudern, welche ich nicht verantworten könnte:

Du weißt, daß ich mein Schulmeisterhandwerk unter der Leitung eines katholischen Geistlichen erlernte, gegen dessen wissenschaftliche Tüchtigkeit und ehrenhaften Charakter niemals der leiseste Zweifel obwaltete. Er ist todt und schon die Vorschrift, über Todte nur Gutes zu reden, würde mich bewahren, seine Person unter dem Boden anklagen und verunehren zu wollen, wenn ich ihm auch nicht sehr viel Gutes zu danken hätte.

Sein Andenken ist noch heute Jedem seiner zahlreichen Schüler theuer und ich bin der Letzte, der seine Person verunglimpft. Aber gefährlich und folgenschwer waren die Ansichten und Grundsätze des gefeierten Mannes und nicht mit seiner Person, sondern mit Ansichten und Grundsätzen, von denen er sich beherrschen ließ, habe ich es zu thun.

Wir liebten und verehrten ihn Alle; weil dies der Fall war, so galt uns auch jedes seiner Worte als Evangelium, wir sogen seine Lehren begierig ein, trugen sie nach zwei Jahren in alle Gegenden des Landes und strebten mit Feuereifer darnach, die Herzen des Volkes damit zu erfüllen.

Viele hingeworfene Reden und Winke haften noch jetzt in meinem Gedächtnisse, doch nur einen einzigen Wink will ich hier erwähnen, weil er meines Bedünkens die Ansichten und Grundsätze meines Meisters vortrefflich characterisirt.

Einer von uns stellte einmal die verfängliche Frage, ob denn Christus im heiligen Abendmahl wahrhaft, wesentlich und wirklich gegenwärtig sei und nach einigem Räuspern erfolgte die Antwort:

»Hm, hm! ... Wers glaubt, für den ist Er gegenwärtig, wers nicht glaubt, für den wird Er wohl auch NICHT gegenwärtig sein! – «

Was sagst du zu dieser Einen Aeußerung unseres dem katholischen Klerus angehörigen Seminardirectors? –

Er war unser Religionslehrer und die meisten seiner ehemaligen Zuhörer werden noch im Besitze des Heftes sein, welches er als »Einleitung in die Religionslehre« zu dictiren pflegte. Du hast Gelegenheit, ein solches Heft dir jeden Tag zu verschaffen und es ist mir sehr lieb, wenn du dir ein solches bald verschaffst, um dich zu überzeugen, daß Einiges, was ich hierhersetze, keineswegs entstellt, verfälscht oder dem Zusammenhange entrissen wurde, sondern daß die mit sonnenklaren, dürren Worten ausgesprochenen Ansichten meines Meisters darin enthalten seien.

Er läugnet einen persönlichen Gott; Gott ist ihm ein »allen Geschöpfen innewohnendes, gestaltloses, raumfreies, zeitloses, somit unendliches, allgegenwärtiges ewiges Wesen, dessen Wirksamkeit keine Grenzen kennt.« Der Sündenfall wird auf eine Weise erklärt, welche sich nicht mit dem christlichen, geschweige mit dem katholischen Bewußtsein vereinbaren läßt und vom Teufel wissen und lehren die Menschen Nichts, bis sie der Gegensatz nützlicher und schädlicher Geschöpfe auf den Gedanken einer bösen, durch Opfer zu versöhnenden Gottheit bringt, Erlösung ist Rückkehr zu Gott und »vollkommen zurückgekehrt zu Gott war Christus, in welchem Gott dem Geiste nach wiedergeboren und welcher der Urheber des neuen Lebens der Menschen in Gott wurde.« Christi Reich ist das der Liebe und »das volle Gegentheil dessen, was Menschenrecht und Menschensatzungen gegründet haben.« In ihm ist gar keine äußere Macht, kein Zwang, keine Furcht und Knechtschaft.

Die Bibel hat den hohen Werth, »daß wir unser Leben mit dem der ersten Christen vergleichen können; zudem erfüllen uns die Schriften der Bibel wie andere gute Bücher mit ihrem Leben.«

Hinsichtlich der Dreieinigkeit Gottes wird ausdrücklich hervorgehoben, »daß wir die Offenbarungen Gottes in den Geschöpfen auf dreifache Weise wahrnehmen und dadurch angeleitet werden, Gott bald den Vater, bald den Sohn, bald den Geist zu nennen. Das gemeinsame Wesen aller Geschöpfe ist das Wesen Gottes. Insofern wir Gott als Wesen in uns und in allen anderen Geschöpfen betrachten, so nennen wir ihn Gott den Sohn. Insofern Er uns durch die Stimme des Gewissens und durch andere Geschöpfe die rechte Erkenntniß wiederum einflößt, so nennen wir ihn Gott den Geist« – Je mehr der Mensch auf die angenehmen Gefühle verzichtet, welche der Genuß des Irdischen gewährt, desto mehr bestimmt Gott die Dinge durch ihn und desto vollkommener und herrlicher entfaltet sich sein innerstes Wesen; der Tod führt die Lebendigen zur Selbstständigkeit, indem Kinder nach dem Tode der Eltern und Lehrer sich selbst überlassen sind und schon vorher wissen, daß Eltern und Lehrer sterben müssen, somit auf ihre künftige Lage sich vorbereiten können; das Wesen der Eltern und Lehrer aber lebt und wirkt in den Ueberlebenden fort, der Tod bringt in den Menschen die Erkenntniß hervor, daß der Mensch aus einem irdischen und vergänglichen und aus einem geistigen und fortwirkenden Wesen bestehe und endlich, daß der Geist viel stärker auf Andere einwirke, wenn die Einwirkung nicht mehr durch den Leib, sondern unmittelbar geschieht. Dies Alles gibt Hoffnung auf Unsterblichkeit. – Von Jesu Gottheit wurden die Jünger überzeugt, weil er erstens durch den Ausdruck seines Willens aus Nichts Etwas, aus dem Tode Leben erschuf, zweitens durch sein Thun und Lassen den sündigen Menschen ein ganz neues Leben offenbarte, vor Allem durch sittliches, reinmenschliches Leben das Reich Gottes begründete und die ewigen Gesetze dieses Reiches öffentlich lehrte, drittens endlich, weil er Geist und Leben in die Erstorbenheit der äußern, besonders der religiösen Gebräuche zu bringen suchte und unverbesserliche Gebräuche unterließ, um anzuzeigen, das Reich Gottes gehe nicht von Werken des Gesetzes, sondern vom Geist der Wahrheit und Liebe aus. – Todtenerscheinungen sind das Ergebniß lebhafter Erinnerungen an Verstorbene, besonders an Solche, denen wir Unrecht gethan haben. Erinnerung und Besinnung können so lebhaft werden, daß wir die Bilder in uns in die wirklichen Gegenstände hineindenken. Weil Erinnerung und Besinnung nur theilweise von unserm Willen abhängen, sind Todtenerscheinungen »auch dann ein Werk Gottes, wenn sie von einer krankhaften Phantasie herkommen, denn Krankheiten sind ja auch Gottes Werk. Allein welche Einwirkungen Todtenerscheinungen auch in unserm Geiste hervorbringen, so haben sie doch keine zwingende Macht über unsern Willen!« –

Nachdem statt über Christi Auferstehung über Todtenerscheinungen belehrt worden, wird gezweifelt, ob die Erde zu einer bestimmten Zeit erschaffen wurde und gezeigt, daß die Welt kein Ende haben könne, weil Gott in ihr lebt. »Wie das Bild der Sonne in Millionen Tropfen glänzt und wir das Gemeinsame einer Gattung in allen Arten und Individuen wahrnehmen, so schauen wir Gott in allen Dingen.« – Gottes Wesen offenbart sich in allen Wesen, alle haben Antheil daran und deßhalb ist auch jedes Einzelwesen unvergänglich, d. h. »Gottes Wesen offenbart sich in jedem einzelnen Geschöpfe durch unendliche Entwicklung desselben, wenngleich auf eigenthümliche Weise, doch ganz und ungetrübt.« – Wir haben eine Entfaltung ins Unendliche, wobei unser Wesen fortbesteht, während die Gestalt sich fortwährend verwandelt. Der Mensch scheint vor der Geburt ein ganz anderer zu sein als nach derselben, auffallend ist der Unterschied in der Entwicklung des Menschen, ehe und wann er sprechen kann und »ähnlich wird der Mensch durch den Tod zu einem dem irdischen Dasein vollkommen entgegengesetzten Leben geboren.« – Alle Geschöpfe nehmen an der Ewigkeit Gottes Antheil, insofern sie unsterblich sind d. h. ins Unendliche sich fortentwickeln.

– Das Christenthum will alles nicht von Gott Stammende zerstören und ist nicht gekommen den Frieden, sondern Entzweiung und Kampf mit der Selbstsucht zu bringen. »Es baut keine Altäre und Tempel aus Stein, kennt nur Einen Altar. Des Menschen Herz und sein Tempel ist dort, wo Menschen sind und einander Liebe erweisen.« – Ich will es abermals Dir überlassen zu beurtheilen, ob durch eine solche Einleitung in die Religionslehre die künftigen Lehrer des katholischen Volkes für ihren Glauben und ihre Kirche begeistert wurden oder ob mein Vorwurf ein gerechter gewesen.

Daß der mündliche Unterricht minder abgemessen und vorsichtig mit Redensarten und Winken gewesen, versteht sich wohl selbst. Die Religionsstunde überzeugte uns davon, daß wir recht eigentlich kleine Götter, Bruchtheile des göttlichen Wesens seien und welchen Eindruck solche Erleuchtung auf Jünglinge machte, bei denen Ehrgeiz und Weltschmerz schon in Folge äußerer Lebensverhältnisse zum Grundton des Gemüthes werden mußten, ist keineswegs schwer abzusehen.

Wir bekamen Ideale, es ist wahr, doch wir bekamen sie auf Kosten unserer Zufriedenheit mit Gott, Welt und Menschen, weil keine christliche Weltanschauung uns mit der tiefen Kluft zwischen Ideal und Wirklichkeit versöhnte, kein lebendiger Glaube uns mit jener Ruhe und Geduld ausrüstete, mit welcher die unideellen Verhältnisse des Lebens der Völker und die des Lehrerstandes insbesondere hingenommen werden müssen.

Man machte uns zu Königen und Bettlern, Titanen und Zwergen zugleich und wenn beschränkte Köpfe und manche altkluge Jungen unter uns zu nüchternen Ehrenmännern, d.h. zu Philistern wurden, welche außer ihrem persönlichen Vortheil nichts Höheres kannten, so blieben gerade die fähigern Köpfe und feurigen Charaktere vielerlei Verirrungen am meisten ausgesetzt.

Soll ich Namen und Thatsachen bringen?

Du hast seit vielen Jahren Gelegenheit, viele Städte und Dörfer zu besuchen und der Einwohner Sinn zu erkunden, hast ferner zur Rongezeit und während der Revolution eine ziemlich unpartheiische Brille aufgehabt und kennst sehr viele Volksschullehrer persönlich, deßhalb brauche ich keine Namen und Thatsachen, zumal Namen wenig zur Sache thun und sprechende Thatsachen genug bekannt sind.

In der Regel wird der Jüngling das, was man aus ihm macht und lange Zeit hat man Alles gethan, um statt bescheidenen und glücklichen Lehrern der Kinderwelt innerlich zerrissene und unglückliche Hochmuthsnarren in die Schulstuben des Landes zu entsenden.

Beweise! –

Dieselben liegen schon in der Einleitung zur Religionslehre, Du sollst jedoch noch bessere haben, nämlich die Ansichten unseres Seminardirectors über die unnahbare Würde und welterleuchtende Bestimmung des Schulmeisterthums. Damit Du abermals siehst, daß ich gewissenhaft handele, sende ich Dir beiliegenden Aufsatz meines Meisters, welcher »der Schule Wesen und Gliederung« erklärt und seiner Zeit durch Guttenbergs Kunst der Vergessenheit entrissen wurde.

Der Zweck der Erziehung ist Entfaltung derjenigen Kräfte, welche den Menschen in Stand setzen, in allen Richtungen des Lebens sich selbst zu beherrschen und zum Handeln zu bestimmen. Sie soll den Menschen zum Ebenbild Gottes machen. Die Ebenbildlichkeit mit Gott besteht aber darin, 1) daß er ein einfaches, untheilbares, unveränderliches, aus und für sich begehendes Wesen ist, » das sich aus sich selbst hervorbringt wie Gott die Welt aus Nichts, d.h. aus sich selbst erschaffen hat.« 2) Daß insbesondere das aus ihm Hervorgebrachte in demselben Verhältnisse zu ihm stehe, in dem er sich zu Gott befindet. 3) Endlich daß der Mensch Alles, was er Wahres, Schönes und Gutes hat, nur als eine göttliche Geschichte und als etwas Geschichtliches habe. – Von Pestalozzi wird gesagt. »Das Erlösende und Heiligende seiner Methode stammt nicht von seinem Fleische, es ist eine Offenbarung Gottes, die ihm geworden und sein Verdienst, daß er uns dieselbe nicht als sein sondern als Gottes Werk gab. Die Schulmeister vor Pestalozzi sündigten zumeist dadurch, daß sie in ihren Systemen und Lehrmeinungen nur sich selbst gaben und uns nicht zu Gott, sondern zu sich selbst zu erheben trachteten, Pestalozzi dagegen zeigte uns nicht seine Person, sondern die Wahrheit. – Wie die Göttlichkeit der Lehre Jesu nur von deren Befolgern laut Joh. 7,17 erkannt wird, so Pestalozzis Methode nur von dem, dessen Geist durch sie gebildet wurde. – Wie die Pharisäer auf dem Stuhle Mosis streng nach dem Gesetze lehrten und das Gesetz nicht selbst erfüllten sondern übertünchten, so lehrt der Sinnlichgesinnte, daß wir aus Liebe zum Vater unsern Brüdern auch nicht im Innern zürnen und schon den unreinen Begierden widerstehen sollen, während er im eigenen Busen voll Zorn die Verkünder der Offenbarung des Geistes, der Alles durchschaut (I. Kor. 2,10) zum Ingrimm und zur Verfolgung gegen die aufreizt, welche Gott als lebendige Werkzeuge erkiesen hat, Zeugniß von seinem eigenen Sohne zu geben.« – Den Sinnlichgesinnten, welche sich vermessen, Feindesliebe und Widerstand gegen böse Begierden zu predigen, werden noch mehrere Bibelstellen entgegengeschleudert, dann die Entstehung der Sprache u.s.w. erklärt und das fünffache Leben des Einzelnen und der Gesammtheit zusammengestellt. Um der Kürze willen soll diese Zusammenstellung hier stehen:

Einzelleben = Gesammtleben
Individuum = Familie
Leib – Person – Seele = Gewerbstand – Staat – Kirche
Geist = Schule

Erläuternd heißt es: »Wir bezeichnen mit den Worten Seele und Geist zwei durchaus verschiedene Wesen, Geist bedeutet uns nicht bloß ein höheres Seelenleben, sondern Seele und Geist sind zwei einander entgegengesetzte Offenbarungen des einen Lebens. Unter Seele verstehen wir diejenigen Lebensfunctionen, durch welche das Individuum nach seiner Schöpfung mit Gott verbunden ist und ewig verbunden d. h. von ihm abhängig bleibt. Ueber die Art und Weise der Verbindung gibt der Begriff von Idee Aufschluß, welche vor unsern Augen Factum wird und der von Gattung, der den Millionen Individuen ungetrübt innewohnt und zwischen ihnen Wechselwirkung und Verbindung möglich macht. Die Seele ist Gott im Menschen, jedoch so, daß Gott vollkommen und ohne Veränderung seines Wesens außer dem Menschen und für sich besteht.« Folgt nun eine Abweisung jener kalten und finstern Religionslehre, welche Gottes selbstständiges Dasein nicht erkennt und, da ihr Alles Eins ist, jeden höhern Aufschwung unmöglich macht und als wissenschaftliches System die Jugend zu der Vermessenheit verleitet, Alles, was Andere auf andern Wegen wissen und glauben nur als Irrthum, Täuschung, Verstandesschwäche, sowie alles Leben und alle Veränderung als leeren Schein und diesen selbst als eiserne Nothwendigkeit zu erklären.

Welche kalte und finstere Religion unter diesem »Pantheismus« gemeint sei, darüber blieb uns jungen Leuten, die wir Nichts von Philosophie verstanden und manches dicke Buch über die Gräuel des Mittelalters gelesen, um so weniger ein Zweifel, weil unser Direktor die vorgeblichen Verderber der Religion der Liebe nicht – liebte.

Weil die Kirche die Seele, die Schule aber den Geist repräsentirt, mag Folgendes Dir im Gedächtnisse bleiben: »Auch das Wesen von Geist und Person ist nicht scharf bestimmt und gesondert. Wir halten die Person nicht für etwas Vergängliches, sondern für den Höhepunkt des Lebens der Einzelnen. Person ist der sich selbst erkennende und bestimmende Geist, der in sich gekehrte Geist, wodurch der Mensch erst Mittelpunkt und Bestand aus und durch sich selbst erlangt. Der Person ist unmittelbar der Geist und durch diesen Leib, Seele und Individuum untergeordnet. In der Person vollendet sich die Offenbarung Gottes im Menschen. Daher lernt der Mensch Gott nur von Innen kennen und nur durch diese Kenntniß entsteht das Bestreben, durch ins Unendliche fortlaufende Vervollkommnung Gott immer ähnlicher zu werden.«

Die Schule soll dem Vermögen des Menschen, das Vervollkommnende in sich aufzunehmen, die Erkenntniß geben und den fünferlei Gegenständen der Erkenntniß – individuelles Leben, Leib, Seele, Geist, persönliches Leben entsprechen fünferlei Schulen, nämlich Volksschule, Industrieschule, Gelehrtenschule, Akademie mit gelehrten Gesellschaften, endlich der Erziehungs- oder Schulrath oder das Kulturministerium, welches, das persönliche Leben des Einzelnen und der Gesammtheit erkennend, das Dominium über die andern Schulen ausübt. Die Volksschule soll die Individualität des Geistes entfalten und hat 3 Stufen, nämlich die Kleinkinderschule, Elementar- und Realschule.

Die Elementarschule »soll wie alle Schulen vorzüglich den Geist in Anspruch nehmen und die übrigen Richtungen des Lebens ihren Zwecken unterordnen.« Ihre Lehrgegenstände sind Sprachlehre und Gesang, Formen-, Größen-, Zeichnungs-, Schreib- und Leselehre und Kenntniß der Zahlenlehre.

Die Realschule bringt dem Geiste sein Selbst zum Bewußtsein und die Industrieschule sammt den 3 Stufen der Gelehrtenschule (Gymnasium, Lyzeum, Hoch- oder Berufsschule) soll vor Allem das Nützliche ins Auge fassen, wozu die Religion nicht gezählt wird, die erst in der theologischen Fakultät ein eben nicht behagliches Plätzlein findet.

Die Hoch- oder Berufsschule nämlich zählt fünf Fakultäten, deren jede ihre eigene Literatur und Geschichte derselben hat.

Die erste Fakultät ist die allen Gelehrtenständen gemeinsame, etwa der philosophischen unserer Universitäten entsprechend und die zweite die medizinische, welcher nachgerühmt wird, daß »sie sich am meisten ihrer Idee gemäß gestaltet habe.«

Die theologische Fakultät hat das Seelenleben zu ihrem Gegenstande und folgende Disciplinen: a) Lehre vom Wesen und der natürlichen Entwicklung der Seele, b) von der Pflege und Bildung der Seele, c) Lehre von der Entstehung und den Arten der Seelenkrankheiten nebst d) der Heilung derselben, theoretisch und praktisch. e) Lehre vom Einfluß der 4 andern Lebenserscheinungen auf das Seelenleben und vom Verhältniß der theologischen zu den übrigen Wissenschaften, endlich f) Lehre von der Bestimmung des Theologen und vom Verhältniß des geistlichen Standes zu den übrigen Ständen. Findet man dieses von einem katholischen Geistlichen gehegte und den künftigen Lehrern des Volkes eingeimpfte Idol einer theologischen Fakultät merkwürdig, sobald man nicht etwa auf dem Standpunkte Feuerbachs steht, so fanden wir herzstärkend und begeisternd Alles, was über die vierte und wohl auch über die fünfte Fakultät gesagt wurde. Die vierte nämlich ist keine andere als die Kulturfakultät und hat nichts Anderes denn das Leben des Geistes zum Vorwurfe.

Wesen, Entwicklung, Pflege, Bildung, Erforschung und Heilung der Krankheiten des Geistes, die Einwirkung des Geistes auf die 4 andern Offenbarungen des Lebens und der Einfluß dieser auf den Geist, die Culturwissenschaft und ihr Verhältniß zu den übrigen Wissenschaften, endlich die Lehre vom Berufe des Lehrers und von seinem Verhältnisse zu den übrigen Ständen – dies sind die der Culturfakultät eigenthümlichen Disciplinen.

Dann wird bemerkt: »Auch die Seminarien der Volksschullehrer sind ein Bestandtheil der Kulturfakultät und inwiefern die Trennung dieser Anstalten von der Fakultät vortheilhaft oder nachtheilig sei, können wir hier nicht auseinandersetzen. Jedenfalls muß der Direktor eines solchen Seminars ein wissenschaftlich gebildeter Mann sein, der die Gelehrtenschulen zurücklegte, zumal es ja Ein und derselbe Geist ist, welcher von der Kleinkinderschule an bis zur Hochschule inbegriffen entfaltet werden soll.«

Daß die Einwohner der Stadt die Zöglinge des Seminars, welche nur für zwei Jahre kamen und häufig gar magere Geldbeutelein mitbrachten, nicht als Mitglieder der Kulturfakultät genugsam beräucherten, daß die Schüler der Gelehrtenschule den Umgang mit uns hochmüthig vermieden und uns als »Elephanten« bei jeder Gelegenheit höhnten und verfolgen, während wir doch der Idee nach Hochschüler waren, solches schmerzte uns fast tiefer als die Aussicht in eine jedenfalls entbehrungsreiche und vielgeplagte Zukunft und gab Anlaß zu mancherlei Partheiungen, Zwistigkeiten und Händeln. Daß aber gar geistliche Herren, deren »Handwerk« schon der Idee nach tief unter dem unserigen stand, deren Fakultät laut allen Berichten ganz ideenwidrig eingerichtet, deren Treiben laut den hinreißenden Erzählungen berühmter Geschichten- und Romanenschreiber der Menschheit, dem armen Volke, von jeher zum Fluche gereicht, daß diese »schwarzen Vögel« wie wir sie hießen, uns, Träger der Kultur des Volkes und selbstbewußte Funken der Gottheit dereinst zu Dienern herabwürdigen und ungestraft kuranzen sollten – dieser Gedanke machte die Heißblütigen unter uns manchmal rasend und nur die Hoffnung auf eine bessere Zukunft, der mannhafte Entschluß, für diese aus allen Kräften zu arbeiten, gewährte uns einige Erleichterung und Trost. Die Edeln des Menschengeschlechts träumten von jeher von bessern Tagen, unser Direktor that dasselbe, wovon schon seine Idee von der fünften Fakultät der Hochschule, der staatswissenschaftlichen männiglich überzeugen muß.

Diese hat das Leben des Volkes zum Gegenstande und beschäftigt sich näher mit der Lehre vom Wesen des Volkes und seiner Entwicklung zum Staate, mit der Bildung und Pflege des Volkslebens, ferner mit der Lehre von der krankhaften Entwicklung desselben, so wie mit dem Verderbnisse der Staaten, den Arten dieses Verderbnisses und mit der Heilung dieser Mißstände, zuletzt auch mit der Lehre vom Berufe des Staatsmannes und dessen Verhältniß zu den übrigen Ständen. –

Sehr naiv wird bemerkt: »Sind die Disciplinen nicht mit den gewöhnlichen Namen benannt, so ist dies nicht Folge der Unkenntniß oder Mißachtung, sondern des Strebens, die Idee zum Bewußtsein zu bringen, aus der die Schulen überhaupt und insbesondere die Fakultäten der Gelehrtenschule hervorgegangen sind.«

Das Kulturministerium muß auf den Zinnen moderner Bildung stehen und täglich Ströme von Geist, Licht und Geld in die untern Regionen entsenden. Es soll »für das Leben des Geistes sein, was die Person für den einzelnen Menschen oder der Staat für das Gesammtleben, soll das Leben der Wissenschaft und Kunst von der Volksschule an bis zur Akademie beleben, fördern und regeln. Insbesondere hat es für den Zusammenhang der Schule, Bildung der Lehrer, für Lehrmittel und Aufsichtsbehörden Sorge zu tragen und darf deßhalb nur solche Männer enthalten, welche außer wissenschaftlicher Bildung Beweise von Regierungstüchtigkeit gegeben haben.«

Doch genug!

Suche Dir die Einleitung in die Religionslehre und andere Hefte zu verschaffen, lies den gedruckten Aufsatz über »der Schule Wesen und Gliederung« und dann habe die Güte, mir auf folgende Fragen zu antworten:

Habe ich Falschmünzerei mit den Aufsätzen und Schriften eines Mannes getrieben, den ich als Mensch, Lehrer und Wohlthäter verehre? Sind die Ansichten, Grundsätze und Ideen meines Seminardirektors positiv christliche und katholische gewesen? Ist Dir der »Schulmeisterhochmuth« noch ein Räthsel sammt der Abneigung gegen den geistlichen Stand und den meist so ideenwidrigen Bestand des Bestehenden? War ich im Unrecht als ich meinen Lehrern Mitschuld meiner Verirrungen und Verbrechen aufbürdete? – Ich glaube deine Antwort zu hören! –


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