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35. Ein geheimes Gericht

So mochte das Mädchen eine Zeit lang ruhiger geschlummert haben, da fühlte sie im Schlafe, daß Jemand ihre Hand ergriff und daran zog. Augenblicklich erwachte sie, griff um sich, faßte den Arm ihrer Gefährtin; und als sie an demselben auswärts tastete, um sich zu überzeugen, daß es auch das Harfenmädchen sei, welches ihr Handgelenk festhielt, bemerkte sie, daß diese es wirklich war, aber daß sie aufrecht neben ihr im Bette saß. – »Was ist's?« flüsterte das junge Mädchen angstvoll.

»Stille!« antwortete Nanette mit leiser Stimme; »ich muß erwacht sein an dem Schlag der Uhren; es ist elf Uhr. Doch jetzt soeben, als ich wieder einschlafen wollte, hörte ich leises Schleichen auf den Treppen; – horch! und jetzt auf dem Gange.«

»Was kann das sein?«

»Vielleicht noch ein später Gast, der nach seinem Zimmer geht. – Aber nein, das ist der Schritt eines Weibes. O, ich habe ein feines Gehör. Weißt du, das wird geschärft bei unserem Leben.«

Und das Mädchen hatte Recht; es waren in der That leise schlürfende Tritte, die langsam näher kamen.

Die beiden Mädchen lauschten mit zurückgehaltenem Athem.

Jetzt faßte die eine Hand die Thürklinke, drückte langsam das Schloß auf, die Thür öffnete sich und ein Lichtstrahl fiel herein. Doch konnten die Mädchen augenblicklich nicht erkennen, wer der Träger dieses Lichtes war, denn dieser hielt die Hand vor das Gesicht und ließ den vollen Schein des Lichtes in das Zimmer fallen.

»Was soll's?« fragte Nanette scheinbar mit entschlossenem Tone, doch zitterte ihre Stimme ein wenig. Dann rutschte sie mit voller Geistesgegenwart vom Lager herab, um stehenden Fußes erwarten zu können, was es gebe.

Das junge Mädchen hielt ihren Arm umklammert und drückte sich fest an sie.

»Ja, ich bin recht,« sprach eine Stimme an der Thüre; »ich hatte die Nummer vergessen. Richtig, es ist doch vierundzwanzig.«

»Ah! seid Ihr es, Frau?« sagte Nanette nach einem tiefen Athemzuge, denn sie erkannte die Stimme des alten Weibes drunten aus der Schenke. »Ich hatte Angst, als Ihr so langsam die Thüre öffnetet.«

»Ei, ei!« entgegnete grämlich das Weib, »du bist doch sonst nicht so furchtsamer Natur.«

»Das ist richtig, aber es war heute Abend so unruhig im Hause. – Doch was soll's, Frau, wollt Ihr zu uns?«

Die Alte drückte sorgfältig die Thüre hinter sich in's Schloß, dann stellte sie das Licht auf den Tisch und näherte sich dem Bette. »Schläft die Andere?« fragte sie.

»Nein, nein, ich schlafe nicht!« entgegnete eifrig das junge Mädchen.

»Nun, das ist gut, mein Schatz, dann brauche ich dich nicht zu wecken.«

»Mich zu wecken? – Barmherziger Gott! Wollt Ihr etwas von mir?«

»Ich eigentlich nicht, mein Kind, aber –«

»O Frau, laßt das arme Geschöpf in Frieden!« bat das Harfenmädchen. »Der Sträuber war da, wir haben Mühe gehabt, ihn hinaus zu bringen. Seht Ihr nicht, wie das unglückliche Ding vor Angst zittert!«

»Was Sträuber!« sprach die Frau verächtlich. »Meinst du, ich kümmere mich um solche Lumpen? – Da ist schon was ganz Anderes im Spiel. – Er ist im Hause,« setzte sie leiser hinzu.

»Ich habe es gehört,« erwiderte Nanette. »Aber das kann uns doch nicht betreffen; er weiß kaum, daß wir in der Welt sind.«

»Er weiß Alles,« sagte ernst die Frau. »Und der beste Beweis ist, daß ich hier bei euch bin. Ich habe den Befehl, die da zu holen.«

»Die da? – das junge Mädchen?« rief entsetzt die Harfenspielerin und sprang vom Bette, auf welchem sie bis jetzt saß, als habe sie eine Schlange gestochen. »Alle Heiligen! Er läßt sie holen?«

Die Alte nickte mit dem Kopfe.

»So hast du wahrscheinlich Schlimmeres begangen, als du mir gesagt,« fuhr Nanette zu dem Mädchen gewendet fort. »Wozu kann er dich sonst holen lassen! Um Gotteswillen! Wer bist du? – Ah! du hast mir von Blut an deinen Händen erzählt! – Gräßlich! – Sollte das nicht so zufällig an deine Finger gekommen sein?«

Das junge Mädchen blickte um sich, als sei es noch immer in einem schweren, schrecklichen Traume befangen. – »Man will mich holen?« brachte sie endlich mühsam hervor. Und als die Alte ihr entgegnete: »Ja, ja, drum stehe geschwind auf!« setzte sie händeringend hinzu: »Wohin will man mich holen? – O, habt Erbarmen! laßt mich da, ich habe Euch ja nichts zu Leide gethan!«

»Da ist keine Zeit zu verlieren,« sagte kalt die Alte. »Steh' auf und bring' deinen Anzug etwas in Ordnung.«

»O, Sie waren so gut gegen mich!« flehte das arme Geschöpf, indem sie sich an das Harfenmädchen wandte, das drei Schritte von dem Bette stehen blieb und mit einem wahren Ausdruck des Entsetzens auf ihre bisherige Gefährtin blickte. »Sie wollten mich ja beschützen, lassen Sie mich nicht von hier fort! – Wer kann etwas von mir wollen? Das muß ein Mißverständniß sein; kenne ich doch außer Ihnen keine Seele in dem Hause. Nicht wahr, Sie lassen mich nicht fort von hier?«

»Er hat's befohlen,« versetzte ernst die Alte, »und da hilft kein Widerstreben.«

Das arme Geschöpf blickte fragend zu dem Harfenmädchen hin.

»Nein, da hilft kein Widerstreben,« sagte auch dieses, »gewiß nicht. Komm, steh' auf und – helfe dir Gott!« setzte sie leiser hinzu.

Darauf hin ließ das junge Mädchen willenlos geschehen, daß ihr die Alte vom Bett in die Höhe half und daß sich auf einen Wink derselben das Harfenmädchen näherte, ihre herabgefallenen blonden Flechten in die Hand nahm, sie etwas glättete und dann sorgfältig über ihrem Kopf befestigte.

Das alte Weib hakte ihr das Kleid zu und bat sie, ihre Schuhe wieder anzuziehen und sich überhaupt zu beeilen. Dann nahm sie vom Stuhle das Tuch des Mädchens, hing es ihr um die Schultern und zog sie an der Hand mit sich fort.

Nanette begleitete sie bis an die Thüre, und als das Mädchen dieser dort die Hand reichte und ihr dankte für die Freundlichkeit, mit welcher sie sie behandelt, blitzten die dunkeln Augen Nanettens stärker als gewöhnlich, und als sich nun die Thüre hinter den Beiden schloß, rollten ihr ein paar schwere Thränen über das Gesicht herab. Das junge Mädchen ließ sich von der Frau führen; alle ihre Kraft war dahin und ihre Kniee wankten so, daß sie sich mehrmals an die Wand stützen mußte, um nicht niederzufallen, weßhalb sich das Weib veranlaßt sah, sie mit einigen Worten zu trösten. »Habe nur keine Angst,« sagte sie, »es geschieht dir gewiß nichts. – Nicht wahr, du bist zum erstenmal hier im Hause?«

»Ja gewiß,« hauchte das Mädchen.

»Und du kennst keinen von den Gesellen, die du heute Abend drunten im Zimmer gesehen? Du hast noch nie mit einem was zu thun gehabt?«

»O mein Gott, nein, nein!« erwiderte schaudernd die Gefragte.

»Nun, so weiß ich nicht, was Er von dir will, und da kannst du dich auch ziemlich beruhigen, es wird nichts so Schlimmes sein. Aber jetzt laß' uns eilen, wir haben schon Zeit genug verloren.« – Damit schritt sie rasch voran, Treppen auf, Treppen ab, über lange Gänge hinweg, die sich bald rechts, bald links bogen, dann kamen sie sogar quer durch einen Hof, wieder eine Treppe hinauf, und hielten endlich an einer Thüre stille. Die Alte klopfte dreimal an; es wurde augenblicklich geöffnet, und das Mädchen fühlte sich plötzlich in ein erleuchtetes Zimmer geschoben. Hinter ihr fiel die Thüre wieder in's Schloß, und als sie sich auf dieses Geräusch hin umwandte, bemerkte sie, daß ihr das alte Weib nicht gefolgt war.

Das Zimmer war groß, geräumig, mit anständigen Tischen und Stühlen versehen, und ein mächtiger Ofen verbreitete eine behagliche Wärme. Ein großer Mann, der in der Mitte des Gemachs auf und ab ging, wies das Mädchen an, sich auf einen der Sitze niederzulassen, dann legte er wie vorhin die Hände auf den Rücken und schritt wieder gleichmüthig hin und her.

Der geneigte Leser, der uns bis hieher zutrauensvoll gefolgt, wolle sich auch unserem ferneren Schutz überlassen und mit uns in ein anderes Zimmer treten, das von dem, in welchem sich das junge Mädchen befand, durch ein kleines, dunkles Kabinet getrennt ist.

Es war dies ein Gemach, höher und weiter als selbst das Schenkzimmer, doch auch wie dieses mit eichenem Holz ausgetäfelt. Wände und Decke aber waren besser erhalten, und an letzterer bemerkte man ein ziemlich dunkel gewordenes Gemälde, sowie gut erhaltene Vergoldungen. Wo hier Fenster und Thüren waren, konnte man nicht gut bestimmen, denn beide waren gleichmäßig mit großen dunklen Vorhängen versehen, die von dem Fries bis auf den Boden herab hingen. In einer Ecke dieses Zimmers befand sich ein großes Kamin, in dem mächtige Holzblöcke flammten; daneben stand ein alter geschnitzter Tisch, mit einer grünen Decke behängt, und neben diesem ein Stuhl mit hoher Lehne. Dem Tisch und Stuhl gegenüber in der anderen Ecke des Zimmers befanden sich mehrere Männer von starkem, kräftigem Körperbau und verwegenen Gesichtern, aus denen unternehmende Augen hervorblitzten; Einige von ihnen hatten Bärte, andere waren glatt rasirt. In ihrer Mitte war jener Mann in der Livree, den wir in der Schenkstube gesehen und dessen Stimme wir auf dem Gange gehört. Er stand aber nicht so aufrecht da wie die Andern, seine Kniee schlotterten, sein Rücken war gekrümmt und seine bleichen Züge vor Angst verzerrt und entstellt.

Alle aber blickten unverwandten Auges nach jener anderen Ecke des Zimmers, und wir ersuchen den geneigten Leser, gleichfalls dahin zu sehen. Dort an dem Sessel mit der langen Lehne stand ein junger Mann, ziemlich groß, dabei aber schlank und von den angenehmsten, gefälligsten Körperformen und Bewegungen, die Leichtigkeit und große Kraft ausdrückten. Er trug ein sehr eng anliegendes Beinkleid und hohe glänzende Reitstiefel, die aber bis zu den langen, schweren Sporen hinunter, wie nach einem starken Ritt, dicht mit Koth bespritzt waren. Den Oberkörper bedeckte eine Art Blouse von einem dunkelblauen wollenen Stoffe; die Aermel derselben waren sehr weit, und wenn er die feine, jedoch etwas gebräunte Hand zufällig empor hob, so fielen sie zurück und zeigten weiße, glänzende Wäsche. Um den Leib trug er einen ledernen Gürtel, und an der linken Seite desselben hing ein Tscherkessendolch, eine jener furchtbaren Waffen, die ungefähr anderthalb Schuh lang, oben handbreit sind, und nach unten spitzig zulaufen. Die Scheide war von dunklem Leder, mit Stahl und eingelegtem Golde verziert, und der Griff bestand aus weißem Elfenbein, hatte aber an der Spitze einen gewaltigen Eisenknopf, der offenbar dazu diente, im Handgemenge einen Gegner von oben herab niederzuschlagen.

Der Kopf dieses Mannes war von ebenso gefälligen und angenehmen Formen wie der Körper, nur war sein Teint dunkel gefärbt wie der eines Zigeuners, und dazu paßte auch das kohlschwarze Haar, sowie der Bart von derselben Farbe, den er lang herabhängend trug. Seltsam kontrastirten hiemit die blauen Augen.

In dem Momente, wo wir unsichtbar eintreten, hatte er den rechten Arm auf die Lehne des Stuhles gestützt, und die Finger des linken spielten mit dem Stahlknopfe des Dolchgriffs.

»So stehen also die Sachen,« sprach er mit einer kräftigen, angenehmen Stimme, »und da ich nicht gern Jemand ungehört verdamme, so kannst du sagen, was du noch zu deiner Entschuldigung vorzubringen hast; oder auch sonst Jemand, der für ihn sprechen will, kann vortreten.«

Der Lakai schluckte mehrere Male heftig und blickte scheu und zitternd die Männer an, welche um ihn standen, die ihn aber keines Blickes würdigten und noch viel weniger eine Silbe laut werden ließen.

»So sprich denn selbst!«

»Ach Herr! ich weiß nicht, was ich sagen soll!« jammerte der Gefragte. »Und wenn es denn gar so arg ist, daß ich jenen freilich überflüssigen Messerstich gethan, so bestrafen Sie mich; aber ich flehe Sie an, machen Sie es nicht so streng mit mir!«

»So sei,« antwortete der junge Mann, – »vielleicht zum erstenmal in deinem Leben – ehrlich und offenherzig. Jener schändliche, niederträchtige Messerstich ist freilich schlimm genug, aber ich will ihn dir verzeihen, wenn du mir gestehen willst, was du sonst noch gegen uns begangen.« »Ich sonst noch gegen Sie begangen!« entgegnete bestürzt der Lakai und ließ seine Augen im Kreise umherlaufen; »will ich doch verkrummen und verderben, wenn ich etwas gegen Sie gethan habe.«

»Sei ehrlich!« sagte ernst der Frager. »Ich rathe dir, sei ehrlich oder es nimmt mit dir ein fürchterliches Ende.«

»Worin soll ich ehrlich sein? – Ich weiß nichts.«

»Du weißt nichts?«

»Nein, nein!« jammerte der Lakai. »Blickt mich nicht so entsetzlich an – ich – weiß nichts.«

»Nun, so will ich für dich sprechen,« fuhr der junge Mann fort, indem er vor den Stuhl trat, sich ein paar Zoll höher streckte und die rechte Hand in die Seite stemmte, ohne daß aber die linke den Griff des Dolches fahren ließ. – »Paßt mir auf, ihr Männer, und erinnert euch, was ich euch schon vor längerer Zeit von diesem Menschen sagte! Denkt daran, wie ihr für ihn gebeten, als ich ihn schon vor einem halben Jahre wollte verschwinden lassen, denkt daran!« Diese Worte sprach er langsam, bestimmt, aber mit solch schauerlicher Kraft und Kälte, daß jedes derselben wie ein Keulenschlag auf das Haupt des Lakaien niederfiel. Dann setzte er in gefälligerem Tone hinzu: »Weißt du noch nichts, hast du mir noch nichts zu sagen?«

»Nein,« entgegnete der Andere, während er die Zähne übereinander biß.

»Nun wohlan, so will ich für dich sprechen. Ich erfuhr vor ein paar Tagen zufällig, daß er, dort jener Mensch, sich – zum Polizeidirektor begeben.«

Dieses Wort wirkte wie ein Donnerschlag sowohl auf den Betreffenden, als auf die umstehenden Männer. Wie auf ein Kommando faßten ihn zwei derselben an den Schultern, als scheine es ihnen, er habe die Absicht, zu entfliehen, woran der Elende jedoch nicht dachte; vielmehr schienen die Kniee unter ihm zusammen zu knicken, und er wäre vielleicht auf den Boden gestürzt, wenn ihn die Männer nicht gehalten hätten. »Er war also beim Polizeidirektor, sprach dort von einer Verbindung gefährlicher Menschen, die ihm bekannt sei, und machte sich anheischig, deren Aufenthalt, Schlupfwinkel, kurz Alles was nöthig sei, um sich ihrer zu bemächtigen, anzugeben, wenn ihm dafür eine große Summe Geld ausbezahlt würde. – Er verlangte zweitausend Gulden; der Polizeidirektor aber, ein kluger Mann, der überzeugt war, es sei unmöglich, daß sich im Gebiete seines Bezirks eine solche Bande aufhalten könne, glaubte diesen Worten nur halb, und statt den Angeber, wie ich gethan hätte, festzuhalten, ließ er ihn laufen, sagte ihm, er solle wiederkommen, einige Beweise liefern, und machte ihm sogar darauf hin einige Hoffnung auf die gewünschte Belohnung. – Seht, ihr Männer, ich wache über euch, denn ich erfuhr diesen Anschlag noch am selben Tage; eure Freiheit und euer Leben hingen an einem Haare; vergeßt das nicht: nur die eure, ich' bin ja ein Wesen, das nicht existirt, das euch beschützt und nur zuweilen hervortritt, um zu bestrafen, um zu belohnen, – eure Vorsehung, wenn ihr wollt, und wie auch dieser Fall wieder beweisen wird! – Denn,« fuhr er kälter fort, »der Sekretär des Direktors war nicht so arglos, wie dieser selbst; er beauftragte einen sichern Polizeidiener, euren Genossen da zu beobachten, ihn auf Schritt und Tritt zu bespähen. Aber habt keine Angst,« setzte er hinzu, als er sah, daß die Männer sich unruhig Bewegten, »ich lenkte ihn auf eine andere Fährte und er verfolgt in diesem Augenblicke einen vollkommen harmlosen Menschen. – Sprich du nun, habe ich die Wahrheit gesagt? – Verhält sich die Sache so?«

»Es ist ein Irrthum, Herr!« heulte der Angeklagte; »gewiß, gewiß ein entsetzlicher Irrthum! O wie käme ich dazu!«

Statt aller Antwort streckte der junge Mann die rechte Hand unter seine Blouse, zog eine Brieftasche hervor, nahm aus derselben ein Blatt Papier, das er entfaltete und fragte ihn dann ruhig: »Wie heißest du?«

Der Lakai ließ den Kopf auf die Brust niedersinken und gab keine Antwort. »Nun, ihr Andern wißt doch, wie er heißt. So lest dieses Blatt, das er dem Polizeidirektor gab, als ihn dieser um seine Adresse fragte. Vielleicht kennt Jemand von euch die Handschrift; den Namen aber werdet ihr auf alle Fälle kennen.«

Auf einen Wink trat einer der Männer vor, nahm das Blatt, blickte hin, übergab es dem Nebenstehenden, und so machte es die Runde bei sämmtlichen Anwesenden. Der Letzte, der sich die Schriftzüge betrachtete, überreichte es dem jungen Manne wieder, indem er sagte: »Ja, Herr, es ist so, wir sind vollkommen überzeugt.«

»Nun denn, so wißt ihr auch, wie ihr einen Verräther bestraft. Nehmt ihn hinweg! Fort mit ihm!«

Umsonst versuchte der Verurtheilte, das Herz seiner Richter zu erweichen; er brachte auch keinen zusammenhängenden Satz zu Stande und stotterte nur unverständliche Worte, dazwischen schluchzte er, schluckte krampfhaft und wand sich in Todesangst unter den Händen der zwei Männer, die ihn fest bei den Armen und Schultern hielten. »Gnade! Gnade!« flehte er und wollte vorwärts stürzen zu den Füßen des jungen Mannes. Dieser wandte verächtlich den Kopf ab und blickte in die Gluth des Kaminfeuers; dabei streckte er die Hand gegen die Männer aus und sagte: »Es bleibt dabei, laßt ihn ohne Aufsehen verschwinden!«

Während zwei derselben den Verurtheilten zu einer Thüre hinaus zogen, welche in entgegengesetzter Richtung von derjenigen lag, die zu dem Zimmer führte, wo sich das Mädchen befand, trat Einer in jenes Gemach zu dem Manne, welcher bis jetzt ruhig auf und ab geschritten war, nun aber plötzlich stehen blieb und sich an den Eintretenden mit der Frage wandte: »Wie ist's? – Hat er gestanden?«

»Nichts, aber der Herr hat ihn vollkommen überführt.«

»So wird er verschwinden?«

»Ja, ich soll es dir sagen. – Aber ohne alles Aufsehen.«

»Das versteht sich von selbst,« sprach der Andere mit einem unangenehmen Lächeln. »Es ist spät am Abend, die Straßen einsam, führt ihn hinaus. – Er kann zufrieden sein, denn er erhält sicherlich einen Nachruf; morgen wird man in den Blättern lesen, es habe sich ein bedauerliches Unglück zugetragen, der Lakai eines guten Hauses, so und so mit Namen, sei wahrscheinlich etwas berauscht aus dem Wirthshaus gekommen und in den Kanal gefallen.«

 


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