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Da öffnete sich die Thüre und es erschien zuerst die Familie des Oberregierungsraths von D., für heute aus drei erwachsenen Töchtern bestehend, die von einem emporgeschossenen, noch ziemlich grün aussehenden Bruder, der die gegründetste Hoffnung hatte, nächstens zum Justizreferendär zu avanciren, in Abwesenheit von Mama chaponirt wurden. Mama, eine gute, aber etwas dicke und alte Frau, hatte nur eine Einladung zum Zusehen erhalten, wogegen der Vater wegen seiner Amtsgeschäfte unmöglich erscheinen konnte.
Wenn wir sagen, daß Arthur die Töchter zur Ausfütterung irgend eines dunkeln Hintergrundes bestimmt hatte, so ist ihr Aeußeres sattsam beschrieben. Was den Bruder anbelangt, so war es schade, daß keine Thierstücke gestellt wurden: er hätte in seinen unbeholfenen, schweren Bewegungen die Stelle eines jungen Jagdhundes vortrefflich ausgefüllt.
Ihnen folgte in majestätischem Aufzuge die Familie des Obertribunal-Präsidenten. Er, ein großer korpulenter Mann mit einem breiten rothen Gesichte von etwas blutdürstigem Ausdruck, sie scharf und schneidend im Aeußern, in Reden und Bewegungen, konnte an seinem Arme sehr wohl als Symbol des Schwertes der Gerechtigkeit dienen. Beider Sohn schritt hinter ihnen drein, eine noch nicht vollkommen erklärte Größe, die sich ebenfalls dem Kriminalistischen zugewendet hatte, dem Aeußern nach eine schlechte Kopie des Vaters und bei allen jungen Damen sehr gefürchtet war, denn da er nichts Besseres zu reden wußte, so unterhielt er sich von seinen Gerichtssitzungen und erzählte gern die schauderhaftesten Mordgeschichten. – Die ganze Familie schritt äußerst würdevoll daher, aufrechten Hauptes, steif und großartig, als eröffneten sie den Zug irgend eines zum Tode Verurtheilten.
Glücklicherweise aber erschien hinter ihnen das wohlgenährte freundliche Gesicht eines jovialen Steuerraths mit Gemahlin, drei Töchtern und zwei Söhnen, und verwischte so das angedeutete traurige Bild. Der Steuerrath begnügte sich nicht mit einem stummen Kopfnicken, sondern er versicherte, daß er sich schon den ganzen Morgen ungeheuer auf die Probe gefreut habe, daß er mitwirken werde, es aber unter einem Adonis oder Apollo schon gar nicht thue, und daß er ferner hoffe, es komme auch irgend eine Rolle in einem Genrebild vor, wo er sich als Fiedler auf dem Fasse auf's Prächtigste ausnehmen würde.
Er würde noch mehr dergleichen vergnügtes Zeug geschwatzt haben, doch erschien jetzt sein Chef, der Obersteuerdirektor, ein noch nicht alter, vornehmer Herr mit mehreren Ordensbändern und zwei blühenden Töchtern, bei deren Anblick der Maler, der wieder ziemlich verdrossen nach seiner Fensterecke zurückgekehrt war, ein freundlicheres Gesicht machte. Diesen beiden Mädchen waren natürlicherweise Hauptrollen zugedacht, und sie wußten wohl, daß sie hiezu berechtigt waren. Sie begrüßten die Kommerzienräthin herablassend, Marianne freundlich, die andern jungen Damen sehr oben hinüber, und der junge Jagdhund, sowie der blutdürstige Kriminalist, die ein freundliches Wort anbringen wollten, wurden gar nicht beachtet.
Nach und nach kamen jetzt immer mehr der Eingeladenen, unter Anderem auch der Bankpräsident, ein bleicher, dicker Mann mit außerordentlich spärlichem Haarwuchs, das heißt auf dem Kopfe. Auf den Zähnen hatte er aber desto mehr, und er war mehr wegen seiner außerordentlichen Grobheit als seiner Umsicht bei den Geschäften der Bank berühmt. Als vornehmerer Kollege des Kommerzienraths wurde er von der Dame des Hauses durch ein Aufstehen vom Sopha geehrt und ihm gleich ein Fauteuil untergeschoben, auf dem er sich auch niederließ, ohne in seinem durch nichts berechtigten unergründlichen Hochmuthe die übrige Gesellschaft weiter eines Blickes zu würdigen.
Als die Kommerzienräthin vorhin aufstand, verband sie als kluge Frau dabei das Angenehme mit dem Nützlichen; denn nach dem Empfang des Bankdirektors begab sie sich in das anstoßende eigentliche Vorzimmer, um dort jene Klasse von Gästen zu empfangen, die es nicht so recht wagten, in das Gemach vorzudringen, wo sich die höchsten und allerhöchsten Herrschaften des Honoratiorenstandes befanden.
Auch Arthur folgte seiner Mutter in dieses Nebenzimmer, denn er wußte, daß dort eine größere und angenehmere Auswahl für die lebenden Bilder sein werde.
Hier fand sich denn auch bald eine zahlreiche Gesellschaft zusammen, und wuchsen auf dieser Schichte der menschlichen Gesellschaft, die um einige Grade tiefer stand, schon anmuthigere Blumen als droben auf der Höhe bei der dürren Vegetation. Hier waren jüngere Kaufleute mit ihren Frauen, versprechende Beamtentöchter, jüngere Räthe und Räthinnen, und Alle lachten, plauderten und summten vergnügt durcheinander, während drinnen nur hie und da ein ernstes und gemessenes Wort fiel.
Dort füllte es sich aber auch nach und nach, denn es wanden sich immer noch dürre Tannen in Gestalt von Regierungs- und Oberregierungsräthinnen, und kümmerliche Fichten, sowie mageres Gestrüpp aller Art, ältliche Gemahlinnen von Finanzdirektoren, geheimen Hofräthen und dergleichen mehr durch das frische und noch grün belaubte Unterholz des Vorzimmers, um die Höhe des Lebens zu erreichen, wo sie eigentlich hingehörten.
Arthur spähte nach seinem Freunde, dem Doktor F., der noch immer nicht erschienen war; aber er hatte als Arzt viel zu thun und mußte vorerst seine Geschäfte besorgen, ehe er an das Vergnügen denken konnte.
Da es übrigens drei Uhr geworden war, so ließ die Kommerzienräthin die Flügelthüre zu dem besprochenen grünen Salon öffnen und die Menge strömte dort hinein. Das jüngere Volk eilte alsbald zu den Staffeleien und betrachtete die aufgestellten Bilder, wobei sich beinahe Jedes eine Rolle aussuchte, die, so sagte man, für seine Persönlichkeit wie gemacht sei. Einige waren dabei bescheiden und meinten, sie würden sich mit Diesem und Jenem begnügen, Andere aber hielten sich für jede Rolle passend; und leider befanden sich Letztere in der Mehrzahl.
Arthur wurde von allen Seiten bestürmt, geschwinde anzugeben, auf welche Art er die Figuren vertheilt habe; doch er war klug genug, dies nicht zu thun und versicherte, er müsse nach der Ordnung verfahren und zu einem Tableau nach dem andern die betreffenden Namen aufrufen.
Das ging nun ziemlich gut von statten, doch nicht ohne leise Reklamationen der Kommerzienräthin und sehr laute Einreden der betreffenden Damen.
Der Maler mußte schon in einen sauern Apfel beißen, und manche gelbe und magere Räthin als jugendliche Erscheinung vorschieben, während frische Mädchengesichter hinten zu stehen kamen. Dabei überließ sich Arthur auch zuweilen einer lustigen Laune; so übergab er zum Beispiel die Rolle des Holofernes dem Obertribunal-Präsidenten mit dem wilden Gesichtsausdruck, stellte den Bankdirektor als Judas Ischariot und bildete aus drei der vornehmsten und stolzesten Damen eine Gruppe, die er als Nymphen bezeichnete, die aber in Wahrheit Furien vorstellten, was ihm dieselben außerordentlich übel nahmen, als sie es später erfuhren.
Jetzt wurde das Decamerone von Winterhalter vorgeschoben, das duftige, schöne Bild, welches dem geneigten Leser gewiß bekannt ist. Es ist jener herrliche Garten bei Florenz, wo an einem Springbrunnen die sieben schönen Paare junger Mädchen und Männer in anmuthigen Gruppen ruhen und der erwählten Königin zulauschen, die erhaben zwischen ihnen sitzt, das schöne Haupt mit Blumen bekränzt.
»Ah!« machten sämmtliche Damen, umringten in einem weiten Kreise das Bild, und auch viele der jungen Herren streckten die Hälse vor, um sich einen passenden Platz auszusuchen. Wenn es allen Wünschen der Anwesenden gemäß gegangen wäre, so hätte man das Bild wenigstens achtmal besetzen können, denn da war fast Keine, die sich nicht für berechtigt hielt, mindestens als Königin da zu sitzen. Einige Ausnahmen fanden wohl statt, das waren aber schon Solche, die mehrmals vortheilhaft beschäftigt waren, oder sehr ältliche Damen, in deren Herzen aber jener angedeutete Wunsch zu Gunsten ihrer verschiedenen Töchter laut wurde.
Da Arthur bei mehreren Tableaux schon bewiesen hatte, daß er nicht zu bestimmen war, von seiner Liste abzugehen, so wandten sich mehrere vorsorgliche Mütter an die Kommerzienräthin, um eine Einsprache zu Gunsten ihrer Angehörigen zu erwirken, wodurch die alte Dame in augenscheinliche Verlegenheit kam, denn es waren zu wenig Figuren in dem Bilde, um allen diesen Privateinsprüchen genügen zu können. Sogar der Obertribunal-Präsident ließ sich herbei, eine Figur als äußerst passend für seine Emilie zu bezeichnen. Der junge Jagdhund verwandte sich auf's Lebhafteste für seine Schwestern, so daß am Ende die Kommerzienräthin in Folge aller dieser Bestürmungen ihren Sohn auf die Seite nahm und ihn in ernsten und dürren Worten anwies, den billigen Wünschen einiger der vornehmsten Damen, die sie ihm namentlich bezeichnete, nachzukommen und das Decamerone, welches Tableau den Glanzpunkt des Abends bilden sollte, nach ihrer Angabe zu besetzen. Vergebens waren die Einwendungen Arthurs: Mama hob ihre Nase so hoch als möglich in die Höhe und sagte kurz und bestimmt, sie habe schon während der früheren Bilder sich manche Abänderungen seitens ihres Sohnes gefallen lassen, diesmal aber beharre sie auf ihrem Wunsche, nötigenfalls Befehle, und wolle von keiner Widerrede etwas wissen.
Arthur dachte einen Augenblick nach, dann flog ein eigenthümliches Lächeln über seine Züge; er nahm seine Liste, änderte Einiges darin ab und bat die zusammengedrängte Schaar der Damen und Herren um etwas Platz, damit er im Stande sei, das Bild stellen zu können.
Erwartungsvoll wich Alles auseinander, der junge Maler arrangirte die Sitze auf der kleinen Estrade im Hintergrunde des Saales und sagte dann, nachdem er einige Worte mit der Kommerzienräthin gesprochen, mit lauter Stimme: »Das Decamerone ist ein Lieblingsbild von Mama, und hat sie die meisten Damen und Herren, die darin vorkommen, selbst bezeichnet.«
»Vortrefflich! – Sehr schön – Ah! das muß ein superbes Bild werden!« murmelte es vergnüglich durcheinander, wobei namentlich die Bittsteller und Bittstellerinnen, die vorhin mit der alten Dame unterhandelt, heitere Gesichter zeigten. Andere aber, die dies wohl bemerkt, stießen sich leicht an, schüttelten die Köpfe und man konnte verschiedene Reden hören: wie man wohl denken könne, was dabei beschäftigt sei, daß man sich an dergleichen Zurücksetzungen gewöhnen müsse, daß bei der Aufführung das Publikum wohl ein richtiges Urtheil haben werde, und dergleichen mehr.
Arthur fing an, die Namen der Damen und Herren abzulesen, und der geneigte Leser wird unserer Versicherung glauben, daß das Decamerone in dieser Zusammenstellung wenn auch kein reizendes Bild doch ein vornehmes wurde.
Was die Männer anbetraf, so konnte man schon zufrieden sein und wurden dabei auch wenig Bemerkungen laut, obgleich sich der junge Jagdhund eine Rolle herausgeschlagen hatte und sich hinstellte wie ein unglücklich ausgestopfter Storch, der durch Selbstmord in's Jenseits gewandert und deßhalb ein melancholisches Air behalten. – Die Damen aber, die nun erschienen und meistens stolz und sicher ihre Plätze einnahmen, mußten schon ein gelindes Spießruthenlaufen aushalten.
»Zwei Töchter des Herrn Oberregierungsraths von D. –«
»Gott!« sagte eine dicke Kanzleirathstochter, »die Emilie und Auguste! da wird viel weiße Schminke verbraucht werden.«
»Es ist nur ein Glück,« setzte eine ziemlich junge Kaufmannsfrau hinzu, »daß die Emilie sitzt und man ihren Rücken nicht sehen wird.«
»Sie ist wirklich ein bischen ausgewachsen,« meinte eine Andere.
»Das nennst du ein bischen?« sprach eine vierte. »Mich hat die Korsettmacherin versichert, sie sei ganz in Eisen eingeschnürt, und wenn das nicht der Fall wäre, so müßte sie zusammenknicken wie ein Taschenmesser.«
»Fräulein Pauline von W.,« sagte Arthur.
»Ah! die häßliche Nichte des Ministers!«
»Und in dem schönen Decamerone!«
»Florenz hatte damals eine betrübte Zeit,« sagte boshaft eine andere Stimme; – »Hungersnoth und Krankheit – Pauline wird das recht natürlich darstellen.«
»Aber nehme mir kein Mensch übel, das wird ja ein schreckliches Bild!« bemerkte entrüstet die Kanzleirathstochter. »Ich mache ja durchaus keine Ansprüche, da mitzustehen – denn ich weiß, daß ich nicht schön bin,« setzte sie kokett hinzu; »aber wenn ich so aussähe, wie Pauline, so würde ich mich bedanken, wenn man mich so zur Schau stellte.«
Pauline hatte nun auch wirklich nicht die entfernteste Aehnlichkeit mit einer dieser hübschen Gestalten Winterhalter's, aber sie war die Nichte des Finanzministers, und ihre Mutter, die stolz und breit vor dem Bilde saß und wohlgefällig auf ihre Tochter blickte, hatte Konnexionen bei Hofe.
Eine Vierte, die der Maler nun aufrief, gefiel ebenso wenig als die vorbenannten Drei, und die Vier bildeten auch, um die Wahrheit zu sagen, einen gar betrübten Anblick, der durchaus nicht vermindert wurde, als nun Arthur die beiden schönen Töchter des Steuerdirektors dazu placirte, die in Jugendfrische und Schönheit strahlten.
Der Platz der Königin war allein noch unbesetzt.
Arthur hatte sich schon mehrmal im Saale umgesehen und endlich gefunden, was er suchte. Es war das eine junge und schöne Blondine, ein herrliches, prachtvolles Weib, die bescheiden zurückgezogen neben ihrem Manne, dem Doktor F., stand, der mit dem Steuerdirektor im eifrigen Gespräch an einer Fensternische lehnte. Das Umherschauen des Malers war von verschiedenen jungen Damen falsch gedeutet worden, und Manche, die sich wohl berufen fühlte, eine Königin darzustellen, drängte sich auffallend hervor, ja die dicke Kanzleirathstochter, ein unternehmendes Wesen, lehnte sich, um einen Kontrast hervorzubringen, schmachtend an eine dürre Hofräthin und sagte zu dem Maler im Gegensatz zu ihren früheren Aeußerungen: »Ah! das wird ein schönes Bild; wie prächtig verstehen Sie das zu arrangiren, Herr Arthur!« Dieser aber blickte nach einer andern Gegend hin und nickte der Doktorin F. freundlich zu, indem er ihr zugleich ein lebhaftes Zeichen machte, näher zu kommen, was sie aber mit einer graziösen Handbewegung abzulehnen schien, wozu sie leicht die Achseln zuckte und den Kopf neigte, als wollte sie sagen: ich gehöre nicht in den vornehmen Kreis.
»Nun, die Königin!« sprach freundlich die Kommerzienräthin, die sehr geschmeichelt war über die vielen Komplimente, die man ihrem Talente, Tableaux zu arrangiren, von allen Seiten machte.
»Ach ja, die Königin!« wiederholten sehnsüchtig mehrere Damen und blickten erwartungsvoll auf Arthur, der nun durch die Reihen schritt und die widerstrebende Doktorin F. auf den erhöhten Sitz führte.
Hätten aber mehrere Blitze vor der Herrin des Hauses, vor der Frau von W. und den meisten der alten Räthinnen dicht eingeschlagen, die Gesichter hätten nicht länger, die Mienen nicht bestürzter sein können, als nun, da die schöne Königin sich elegant auf ihrem Sitz niederließ und – jeder Zoll eine Herrscherin – ihre Untergebenen betrachtete.
Die Gruppe des Decamerone glich nun einem Strauche, dessen eine Seite voll duftender Blüthen hängt, während über die andere ein eisiger Nordwind fuhr, der nicht nur keine Blume aufkeimen ließ, sondern sogar das Laub verwelkte und verdorrte.
Frau von W., die sich zuerst zu fassen schien, warf der Kommerzienräthin einen nichts weniger als freundschaftlichen Blick zu, dann zuckte sie die Achseln und fragte hierauf ihre Tochter: »Nicht wahr, mein Kind, du sitzest sehr schlecht?« »Ja, Mama,« erwiderte diese, »es ist sehr anstrengend, und ich werde es an dem Abend kaum aushalten können.«
»Dann bitte ich, sich nicht zu geniren,« versetzte Arthur, indem er sich auf die Lippen biß. »Wenn es Ihnen wirklich zu anstrengend ist, so können wir die Sache anders einrichten.«
Da erhob sich Fräulein von W., trat zu ihrer Mutter zurück, und sagte so laut, daß es die Dame des Hauses hören konnte: »Das kann man doch nicht von mir verlangen, neben der – – Frau Doktorin F. zu stehen!«
» Unter ihr zu sitzen!« sprach entrüstet die Mutter. »Die Probe ist doch bald zu Ende,« wandte sie sich kalt an die Kommerzienräthin, »Sie werden erlauben, daß ich mich leise empfehle.« Damit stand sie auf, machte ein förmliches Kompliment und rauschte mit ihrer Tochter nicht ohne einiges Aussehen zum Saale hinaus.
Die Schwestern des jungen Jagdhundes sahen sich bedeutsam an und fingen an unruhig auf ihren Sitzen hin und her zu rücken; er selbst, der Justizreferendär-Aspirant, hob die Nase in die Höhe und sagte geringschätzig: »Ihr habt doch eigentlich da einen schlechten Platz bekommen.« »O ja, das fühlen wir auch,« entgegneten die Beiden einstimmig; und die Eine setzte boshaft hinzu: »Wir scheinen doch nicht in dieses Bild zu passen,« worauf sie sich langsam erhoben, um sachte auf die Seite und von der Estrade hinab zu rutschen.
Arthur hatte alles Dies vorhergesehen, und um in seine Schlachtordnung keine auffallende Lücke zu bringen, das zuerst ausgetretene Fräulein von W. durch die dicke Kanzleirathstochter ersetzt, was ihn allerdings einen süßen Blick und einen Händedruck kostete, als er sie auf ihren Platz führte.
Der Doktor F. war unterdessen mit dem Obersteuerdirektor näher getreten, und Beide hatten wohl bemerkt, um was es sich handle. Der Doktor biß sich gelind auf die Lippen und warf seiner Frau aus der Entfernung einen Blick zu, den sie mit einem unbefangenen Lächeln erwiderte.
Der Obersteuerdirektor trat dicht an die Estrade heran und sagte seinen beiden Töchtern: »Ihr habt da einen vortrefflichen Platz; sitzt nur recht ruhig und macht dem schönen Tableau alle Ehre!« – eine Bemerkung, wofür ihm die schöne Königin einen Blick des innigsten Dankes zuwarf, denn wir brauchen dem geneigten Leser nicht wohl erst zu sagen, daß diese Frau mit ihrem zarten Gefühl augenblicklich die niedrige Unverschämtheit begriffen hatte, welche die schlecht erzogenen Töchter gebildet sein wollender Stände gegen sie begangen.
Auch das vierte von der Kommerzienräthin octroyirte verwelkte Blatt entfiel dem Strauße und säuselte den Töchtern des Oberregierungsraths nach, um sich in einer Ecke des Saales über die erlittene Kränkung zu besprechen.
Natürlich wurden sie von Arthur augenblicklich durch drei frische Mädchen ersetzt, und als bald der junge Jagdhund, der sich wiederholt eines sonderbaren Hüstelns beflissen, von dem Maler scheinbar ruhig, aber mit einem gewissen festen Blick, gegen einen größeren Herrn umgetauscht worden war, stand das Bild so vortrefflich und schön, daß die Unbefangenen aus der Gesellschaft, als nun probirt wurde, einhellig in die Hände klatschten. Den Gemütszustand der alten Räthin bei dieser für sie so empörenden Scene brauchen wir wohl dem geneigten Leser nicht zu schildern; ihre Finger umspannten krampfhaft das Taschentuch, und da sie keinen Tisch vor sich zum Trommeln hatte, so machte sie ihrem Zorn auf andere Art Luft und schien von einem wahren Krampfhusten befallen zu sein.
Die Probe ging nun zu Ende, die Eingeladenen verschwanden, nachdem sie der Herrin des Hauses versichert, die Aufführung der lebenden Bilder werde einen köstlichen Abend geben und sie freuten sich ungemein darauf.
Arthur war mit dem Doktor F. weggegangen und die Räthin schloß sich in ihr Boudoir ein, um ruhig zu überlegen, was auf diese scandalöse Geschichte zu thun sei.