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Im Hause der Poppäa.
Poppäa steht in schwarzen Kleidern nachdenklich. Im Metallreifen schwingt sich vor ihr ein Papagey.
Poppäa. Du bunter Vogel, wiege nur und wühle
Mit deinem Köpfchen unterm Federpfühle,
Worin du sanft gebettet bist!
Dein Mund geduldig aus der Hand mir frißt,
Und krächzt dazu sein kratzend Lied,
Das gleich verräth, wie wohl es dir geschieht!
Ich, deine Freundin, kann in Ringen
Mich nicht so froh und wohlbehäbig schwingen;
Ich werde schwer, die Treppen
Feg' ich mit langen Schleppen,
Die mich nur ganz gemächlich
Zu gehen heißen und gebrechlich;
Denn ich bin nicht mehr ich –
Du dummes Thier, wie nennt man's, sprich?
Poppäa. Du arger Schwätzer weißt,
Wie man seit einem Mond mich heißt.
Ich bin dem Fluch nun unterlegen
Der auch aus Jovis goldnem Regen
Einst Menschenfrucht entstehen ließ.
In meines Leibs Verließ
Trag' ich die Spuren jener Stunden,
Die mir in Nero's Armen hingeschwunden.
Da friß, du Wunderspatz, dich süß
Am Zucker, den du ohne Beißen
Dem Finger magst entreißen,
Und sprich, ob's auch schon so gewiß!
Papagey. Jakob!
Poppäa. Einfältiger Staar, dein monotoner Schrei
Sagt wohl, daß Alles mir wär' einerley?
Doch fluch' ich dem, was in mir ist
Und mit von meinem Leben frißt;
Was sich von selbst formt, ich mag rütteln
Und an dem Stock verzweifelnd schütteln,
Was halb ein anderes in mir drin,
Und halb doch nur ich selber bin.
Was bin ich noch für Julius? Nichts, als
Die lächerliche Frucht des Sündenfalls,
Nichts als ein schon behangener Pflock,
Ein mäßig abgetragener Rock,
Im Harem jene abgebrochene Rose,
Die ihres Herren Schnupftuch trägt im Schooße,
Und, bis zum Rande überfüllt,
Heraus aus ihrem Ringe quillt.
Ach! sind die Weiber, deren Herzen
Sich gern an einen Andern ranken
Als den, dem sie die Schmerzen
Der Frucht des Ehebetts verdanken,
In dem verdoppelnden Gefühle,
Ein Kern zu seyn, und seine Hülle,
Nicht recht dem Zauber erst hingegeben,
Der für sie liegt in des verbotenen Stockes Reben.
O Julius! Wo kamst du hin? Ist's Scham,
Ist's innere Lust, die Lust der Schöpfung,
Der willenlosen Schöpfung mit Erschöpfung,
Die mich zu dem, den mir das Schicksal nahm,
Jezt reißt mit ungestümem Drang?
Ist's des verbotenen Gelüstes Hang?
Ist's die Bacchantenwuth, die nichts verborgen,
Nichts mehr im Ueberwurfe sieht,
Und die herab in ihre Orgien
Gleich jedes längere Weigern zieht?
Wie ist mir? Lustberauscht
Fühl' ich, wie alles in mir tauscht,
Das Geben, Nehmen, das Gewähren,
Und schon die Schmerzpotenz der Wollust, das Gebähren,
Halb Leben, halb der Tod, nichts mehr,
Als wenn ich nur der Schöpfung Uebergang noch wär'.
Nicht mehr ich selbst, auch nicht mein Kind,
Es ist die selbst sich zeugende Natur,
Die ihrer göttlichen Momente Spur
Durch mich hinzieht, durch meine Adern rinnt,
So daß mir scheint, was uns die Dichtung
Von einem seligen Leben schreibt,
Sey nur die Wollust der Vernichtung,
Wie man sich mählig einverleibt
Dem Werden, Sinken, Unten, Oben –
Ich muß es gleich einmal erproben.
(Sie würgt den Papagey. Nero tritt herein.)
Nero. O wo man Leben giebt, da laßt mich seyn!
So eben hat man mir die Nachricht zugestellt,
Du seyst, Poppäa, einer Hoffnung Schrein,
Und eine Schale, die das Schönste hält?
Bin ich gewiß, daß schon die süßen Schrecken
Der Mutterlust an deinen Brüsten lecken?
Du täusch'st mich nicht; so eben war's ein Strahl,
Der blitzend sich aus deinem Auge stahl,
Und der das Innere deines Leib's verrieth,
Was drinnen mich schon ganz verzehrend glüht!
Poppäa. Da ich, um, was du wünsch'st, zu heilen,
Mich in mir selber mußte theilen,
So nimm es hin, und lasse nur der Mutter dann, der matten
Von deiner Liebessonne noch Erquickungschatten!
Nero. Ja wahrlich! du, Poppäa, schwindest,
Wenn du ein Mädchen mir entbindest.
Und ist's ein Knabe, so bedenk' ich
Nichts weiter, als wie lenk' ich
Erziehung, schöne Wissenschaften, Deklamiren,
Mit Damen Conversation zu führen,
Tanz und Musik und Literaturgeschichte,
Und daß er ja, gleich seinem Vater, dichte!
Ach! was beginn' ich, bis der Tag
Von diesem Glück erscheinen mag.
Wenn ich das Kind auf meinen Armen schaukle,
Mit Scherz und Küssen es umgaukle,
Ueber die Schultern der Amme sehe
Und in des Säuglings Auge spähe;
Wenn dann, dem Vater zu gefallen,
Das erste liebe Lallen
Aus seinem herzigen Munde quillt,
Und wohl nach einem Jährchen
Ein gut erfunden Märchen
Zur Ruh' den kleinen Schreier stillt –
Poppäa. Ich sehe schon, wie du die Wiege
Im Schlafrock und Pantoffeln trittst!
O geh' und laß die dumme Lüge,
Die nur mich zu betrüben nüzt!
Ich hasse Kinder, weil sie lyrisch
Und materiell sind, ganz abscheulich thierisch
Und klein, mechanisch, Puppen,
Von Menschensternen nur die Schnuppen;
Und weil das eingebildete Volk,
Empfindsamkeit und alle matten Neigen
An einem solchen kleinen Polk
Gern ihr Gemüth, was weiß ich! wollen zeigen,
Da wird nun, wenn wo Gäste kommen,
Das rothe Wesen aus den Windeln genommen
Und Jedem lächelnd präsentirt,
Und viel empfindliche Phrase spendirt.
Ha, ha! wenn Nero als Papa
Die Schlafmütz' über's Ohr gezogen,
Mit Selbstbewußtseyn stünde da
Und hörte, wie hier Jedermann ihm wohlgewogen,
Indeß der Leute Lächeln sich so stellt,
Daß man ihn halb doch für 'nen Hahnrei hält!
Nero. Löst Satan dir die Zunge?
Was pumpst für Tollheit du aus deiner Lunge?
Ist dir die Zartheit nichts? nichts menschliches Entzücken?
Nichts heller Schmelz in ganz verklärten Blicken?
Fröhnst du wohl selbst der höchst frivolen Mode
Und zeitigest vielleicht mein Kind zum Tode?
Noch lebt, was in dir ist; ich greife
Dem Risse der Natur jezt vor,
Und nehme noch bei halber Reife,
Was sich in deinen eitlen Leib verlor.
Stirb, freches Weib! und laß im Sterben
Mich mehr, als wenn du lebtest, erben.
(Er zieht einen Dolch und durchbohrt sie.)
Poppäa. Was thust du? Zwiefach nun beraubst du dich,
O Lieber – mein Gemahl – Fluch dir! du Wütherich.
(Sie stirbt.)
Nero. Ich bin ein Thor; – ein Kind, das Sterne
Will schälen von des Himmels Ferne,
Das Gelbe suchet aus dem Ei,
Und doch verlangt, die Schale breche nicht entzwei.
Poppäa, bist du todt? Ach, blaß und kalt
Liegt nun die göttliche Gestalt –
Das also ist der Tod? Ich sah noch nie
Des Tods Physiognomie.
Matt, zerknickt, und ohne Willen,
Der Sinne Gelüste zu erfüllen,
Eine klappernde Hülse, eine leere Schale, –
Ich sehe das alles zum ersten Male.
Und an Poppäen seh' ich's, die zu lieben
Wie eine Kunst mit mir getrieben;
An ihr, die alles, was ich wollte, war,
Und doch nicht alles, was ich selber bin,
Die, was ich schweigend mochte, offenbar,
Und was ich laut gewollt, gab schweigend hin;
An ihr, an der ich hing, wie am Magnet
Der Eisenstaub sich immer so gestaltet,
Wie grad des Wundersteines Laune steht.
Nun ist das treue Herz erkaltet!
Die Wege meines Denkens sind verschlungen,
Wild, überhangend; ihr nur war's gelungen,
Ausharrend treu zu folgen! überall
War sie von meinem Wesen Widerhall.
Sie hat gelacht zur rechten Zeit,
Und wiederum geweint, wenn sich der Streit
Der trüben Wolken meiner Seele
Auflöste in den Thränenäther meiner Augen!
Aus Herbem wußte Süßes sie zu saugen –
Das alles hin; der Weg verdeckt, den ich verfehle,
Verschüttet, rück- und vor mein Leben –
Wozu ist mir noch Arm und Mund gegeben?
Das Auge, das doch nur erblindet,
Wenn ihm das Offene, nicht die Dunkelheit ist licht;
Der Mund, der, was er spricht, nur spricht,
Um zu gestehen, daß ihn Stummheit bindet?
O Gott! Die Götter spielen mit den Menschenloosen,
Und werfen sie wie Bälle sich einander zu;
Schon fühl' ich Grabeslüfte mich umkosen,
Die Parze schielt mich an und winket – du
Nero! entflieh mir nicht!
Mein eigenes Ich! das zu mir spricht –
O weh! mich faßt ein wirrer
Unheimlicher Strudel und immer irrer
Dreht sich mein Selbst im Kreise –
Das ist der Tod – leise! leise!
(Er wankt fort.)