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Freier Platz in Rom.
Julius Vindex (tritt auf.)
Julius Vindex. Sey mir gegrüßt, du liebe Heimathstätte,
Wo endlich ruh'n darf der bestäubte Fuß,
Und die so traulich winkt, als wenn mein Gruß
Sie eben erst verlassen hätte!
Wie schonend hier die Zeit gewesen!
Ich kann noch Unterschied und jedes Maal,
Hauslauf und Moos, das sich durch Ritzen stahl,
Wie eines alten Buches Lettern lesen.
Da rankt die Rebe sich, die ich gezogen,
Mit traubenschweren Bogen
Zum Fenster auf, wo die behenden Schwalben,
Die in die fernen Zonen
Mir erst gefolgt, schon in den falben
Zum Nest gefügten Halmen wieder wohnen.
Nicht nur der Brunnen plätschert noch sein altes Lied,
Auch was man bei den Nachbarn sieht,
Ist immer noch der alte Sang,
Ein Fenster ohne Schluß,
Womit dem Ohr zu kläglichem Genuß
Der Wind sein Spiel treibt Tagelang.
Ja, irr' ich nicht, so will's mich fast bedünken,
Als blizten aus den offnen Pforten
Wie sonst der Nachbarstöchter Augen aller Orten,
Gleich Perlen, die aus der Conchylie winken.
Was wohl die lieben Eltern sagen!
Vom Fuße bis zum Kragen
Bin ich ein andrer Mensch! Vom hypochondrischen Wesen,
Womit in diesen Tagen
Sich schon unmündige Kinder plagen,
Bin ich vollkommen genesen.
Das ist nicht mopsig mehr, nicht sauertöpfisch,
Mißtrauend, greinend, rappelköpfisch,
Das macht nicht mehr so jämmerliche Geberden,
Als könnte man ja gestohlen werden.
Nein, frisch und rund, wie eine Nuß,
Sind von dem Wind des Kaukasus
Die bleichen schmalen Backen,
Und in dem stolzen Nacken
Führ' ich aus allen Königreichen
Ein Heer von Schelmenstreichen.
Man sagt zwar, daß die Welt
Politisch jezt sey schwarz verhangen.
Wer was davon hält!
Deß lass' ich mich nicht bangen!
Geht nur hinaus, die Rom beengt,
Dorthin, wo man nicht Grillen fängt!
Geht, wie ich, aus der Ebene Streifen
Hinauf auf die Berge, wo die Wolken rauschen,
Wollt mit mir belauschen
Goldeshüter, fabelhafte Greifen!
Befreit Euch von des Hauses Fesseln,
Und sucht in Kolchis Sandeswellen
Die von Medeens Zauberkesseln
Bis tief zur Hölle ausgebrannten Stellen!
Sucht, ob die raschen
Unwirthbaren Pontuswogen einen
Der blutigen Tropfen schon verwaschen
Von des Absyrtus zuckenden Gebeinen!
Habt Ihr an Asiat'sche Schrecken Euch gewöhnt,
So werdet Ihr die Römischen ertragen können.
(Er tritt an das Haus seiner Eltern heran. Ein Sarg wird schnell herausgetragen.)
Ha, wie der Zufall meiner Rede höhnt!
Ihr guten Freunde, wollt mir ein Wort doch gönnen!
Wohin? Wen tragt ihr da heraus?
Ein Träger. 'S ist Trauer in dem Haus!
Weil nun der alte Herr nicht mehr zu retten,
So ging Cornelia voraus,
Ihm in der Väter Gruft bequem zu betten.
Julius Vindex. Bei Gott! Cornelia! Meine Mutter! Haltet!
Mein Kuß trifft, was er liebt, erkaltet?
O hört! Sie fliehn – als wenn die Pest
Dahin gerafft hätt' diesen kleinen Rest
Von Leben, den ich zu versüßen
Nun komme ach! mit allzuträgen Füßen!
Und hört' ich recht den Todtenvogel singen,
Muß auch mein Vater mit dem Tode ringen.
Hinein, daß sich des theuern Leibes Schlauch,
Zum Leben wieder blähe bei meines Mundes Hauch!
(Ein zweiter Sarg wird noch schneller herausgetragen.)
Zu spät! Dies muß mein Vater seyn.
Dahin fliegt in dem Todesschrein
Mein Leben, Hoffen, Alles hin!
Steht! Steht! Wißt, daß ich des Mannes Kind und Schatte bin!
Sie fliehn – sind wie Gespenster fortgerannt –
Und vor Entsetzen steh' ich festgebannt –
Ha, wär' es Blendwerk nur,
Was ich da sehe! Eine blutige Spur
Seh' ich am Boden rollen,
Blut, aus dem Sarg gequollen,
Die Tropfen rieseln durch die Gassen.
Hier ist ein Mord geschehn,
Ich muß zum Schwerte fassen,
Und blutig wenden dieses Wiedersehn.
(Ein Tribun tritt mit Bewaffneten aus dem Hause.)
Steh', du Tyrannengeneral,
Noch raucht an deinem Stahl
Der Erde bestes Blut,
Fühl' nach dem Morde, wie die Rache thut!
(Er greift ihn an.)
Tribun. Wehrt ihm nicht! Mir ist es recht,
Daß sich ein Messer sezt an meine Kehle;
Nach solcher That bin ich mir selbst zu schlecht,
Und bitte nur, daß ja sein Stoß nicht fehle.
(Sie fechten. Der Tribun fällt.)
Gut, gut! Die Klippen,
Die widerspänstigen Rippen
Vermied der Stoß,
Und macht mich des verfluchten Lebens los.
Hab' mich gewunden und mich bethört,
Wenn ich auf kaiserlich Gebot
That, was Männer nimmer ehrt,
Und besorgte manchen Tod.
Hier mußt' es enden, wo empfindungslos
Selbst in der Freundschaft Schooß
Ich zwar mit Zittern, dennoch herrendienstbar trat.
Die Zeit ist arg; wer keinen Feind nicht hat,
Stirbt durch des Freunds Verrath. Hier war's Verrath
An Liebe, an mir selbst, an meinen Spielen,
Die ich einst trieb auf dieses Hauses Dielen.
Mein Aug' wird trüb; doch seh' ich heller –
Mir ist's, als sey der Vogelsteller,
Dem ich erlegen, mir gar wohl bekannt.
Nimm diese sterbende Hand!
Dich grüßt mit stummem Gruß
Dein Pylades – du, mein Orest – mein Julius!
(Stirbt.)
Julius Vindex. Sabinus Cassius? mein Freund? mein arger Feind!
Dies ist das Ziel, das wieder uns vereint?
Du hast mir einen schlechten Dienst gethan
Durch diesen Tod, durch deinen, meinen – theurer, hassenswerther Mann.
(Die Leiche wird fortgetragen.)
Fahr' hin, du leichterlogner Traum
Der Jugend, erst hoffnungsgrün und lustumlaubt!
Es hat dir eines Augenblickes Raum
Grund, Wesenheit, Entschuldigung geraubt!
Fluch dem verführerischen Blau
Des Himmels, das mich lau
Und meine Seel' erschlaffen machte!
Ach! aus dem zugefallnen Schachte
Steigt Gram, Verzweifeln, all das Bangen,
Dem du als Knabe nachgehangen,
Der Schmerz ob dieser Zeiten Graus
Mit größerer Gewalt heraus!
Fort mit der trägen Lüge,
Die meiner Mannheit Wiege
Und meiner Ehre Schlummerlied gewesen!
Nein, dies fieberhafte Herz ist nicht genesen;
Die alten Wunden brechen auf,
Der Zeiten Schrecken nahn zuhauf,
Wir sind so eng geschnürt und so gejagt,
Daß Brust und Athem mir versagt.
Hier steh' ich auf dem Schlachtfeld meiner Liebe.
Die Manen seh' ich weinend mich umschwärmen,
Sie rufen, wo denn ihre Rache bliebe,
Ob ich zu trösten käm' ihr todtes Härmen?
Die Last der einen Schaale drückt so tief,
Daß, wenn ich auch im tiefsten Abgrund schlief,
Wenn ich auf Scherz und Tand mich ganz gestellt,
Ich jetzo wär' so hoch geschnellt,
So hoch, so sichtbar diesem Mordgetümmel,
Wie des Kometen glühende Ruth' am Himmel.