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Seines blinden Schwehers / die
Schwiger=Mutter und seines Weibs / wird Spring=
insfeld nacheinander wider los.
WJewohl ich dieses Possens halber noch lang hernach grandige Grillen im Capitolio hatte / so war meine Leyrerin dannoch so verschmitzt / listig und freundlich / daß sie mir endlich dieselbe nach und nach vertriebe / dann sie sagte / wann mir ja sovil daran gelegen wäre / so wolte sie mir gern vergönnen / ja selbst die Anstalt darzu machen / daß mir anderwerts eine Jungfrauschafft gleichsamb wie im Raub zutheil werden müste; aber das junge Rabenaas übertrib und hielte mich so streng / daß ich anderer wohl vergas; end eben dise ists die mich gelernet hat / kein Tuch mehr zu einem Weib vor mich zukauffen / wann gleich alle Tag Jahrmarckt wäre: Sie brachte es endlich auch dahin / daß ich beynahe der Knecht: sie und ihre Eltern aber die Herren über mich waren / unangesehen ich sovil mit meiner Geigen: dem Taschenspil: und andere Kurtzweil zuwegen brachte / daß ich ein fettes Maulfutter und faule Täge ohne sie hette haben mögen; über das plagte mich die Eyfersucht auch nicht wenig / weil ich vilmahl mit meinen Augen sehen muste / daß sie sich viel ausgelassener und gailer gegen den Kerlen herauß liesse / als die Ehrbarkeit einer frommen Leyrerin zuliesse; daß ich aber solches alles erduldete / und mich endlich gantz und gar drein ergeben konde / war die Vrsach / daß ich meinem Alter nicht trauete / besorgende / dessen herannahende Gebrechlichkeit möchte mich etwan in eine Kranckheit werffen / in deren ich alsdann von aller Welt verlassen seyn wurde / wann ich diß mein Ehrlich Weib und ihr Ehrbare Freundschafft vorm Kopff stiesse; welche gleichwol bey 300. Reichsthalern / daß ich nur wuste / in Gelt beysammen hatten / solches auff dergleichen Nothfall anzuwenden; Ja was mehr ist / ich liesse endlich mein Weib als ein junges geiles ding grasen gehen / wo es wolte / weil ich selbst nicht vil mehr möchte / vnd machte mir hingegen die faule Täg mit Essen vnd Trincken zu nutz; Endlich verhartet ich in disem Spengler=Leben / darinn wir gar verträulich miteinander zu hausen anfiengen / daß ich zu letzt keiner Ehrbarkeit mehr achtete.
Jn dessen haben wir vnder= vnd Ober=Oesterreich / das Ländlin der Ens / das Ertz=Bistum Saltzburg und ein gut theil von Bayern durchstrichen / allwo mir mein Schweher=Vatter an einem Schlagfluß erstickt / die Mutter folgt ihm hernach und liesse vns fünff elende Krüppel zu versorgen / der älteste Sohn wolte Herr vor sich selbst seyn / und das Allmosen allein suchen / das liessen ich und mein Weib gern geschehen / zu den übrigen vieren aber hatten wir zwaintzig Meister vor einen / es waren aber nur starcke Bettlerinnen / die solche zu sich namen / das Allmosen mit ihrer Armseligkeit einzutreiben; wir liessen sie ihnen auch gern folgen / weil wir bedacht waren / vnser Nahrung nicht mehr under dem Schein elender Bettler: sonder durch unser Saitenspil zu gewinnen / welches reputierlicher zu seyn schiene / und meinem Weib wie ich darvor halte / auch besser zuschlug.
Derowegen liesse ich mich und sie ein wenig besser kleiden / nemlich auff die Mode wie Leyrer=Gesindel auffzuziehen pflegt / auch bekam ich zu meiner Gauckeltaschen etliche Puppen / damit ich hin und wider den Bauren umbs Gelt ein angenemme Kurtzweil machte / dann wir fiengen an und zohen nur den Jahrmärckten und Kirchweyhen nach / welches unser Gelt nach und nach zimlich vermehrte. Wir sassen einsmals beyeinander im Schatten an einem lustigen Gestatt eines stillen vorüberfliessenden Wassers / nicht nur zu ruhen / sonder auch zu essen und zu trincken / was wir mit uns trugen / da machten wir Anschläg / wie wir auch einem Puppapper Kram mit einem Glückhafen / Trillstern / Würffel und Riemen=Spiel auffrichten wolten / um unsern Gewinn damit zu vermehren / dann wir hielten darvor wann eins nit abgieng / so gieng doch das ander / vnder solchem Gespräch sahe ich an dem Schatten oder Gegenschein eines Baums um Wasser etwas auff der Zwickgabel ligen / daß ich gleichwol auff dem Baum selbst nicht sehen konde / solches wise ich meinem Weib wunderswegen / als sie solches betrachtet / und die Zwickgabel gemerckt warauff solches lag / klettert sie auff den Baum und holet herunder was wir im Wasser gesehen hatten; ich sahe ihr gar eben zu / und wurde gewar / daß sie in demselben Augenblick verschwand / als sie das Ding / dessen Schatten wir im Wasser gesehen / in die Hand genommen hatte; doch sahe ich noch wol ihre Gestalt im Wasser / wie sie nemlich den Baum wider herunder kletterte / und ein kleines Vogel=Nest in der Hand hielte / daß sie vom Baum herunder genommen hatte; ich fragte sie / was sie vor ein Vogel=Nest hätte / sie hingegen fragte mich ob ich sie dann sehe; ich antwortet / auff dem Baum sehe ich dich selbst nicht / aber wol deine Gestalt im Wasser; es ist gut sagte sie / wann ich hinunder komm / so wirst du sehen was ich habe; es kam mir gar verwunderlich vor / daß ich mein Weib solte reden hören / die ich doch nicht sahe / und noch seltzamer wars / daß ich ihren Schatten an der Sonnen wandlen sahe / und sie selbst nicht! und da sie sich besser zu mir in den Schatten näherte / so / daß sie selbst keinen Schatten mehr warff / weil sie sich nunmehr ausserhalb dem Sonnenschein im Schatten befand / konde ich gar nichts mehr von ihr mercken / ausser daß ich ein kleines Geräusch vernam / daß sie beides mit ihren Fußtritten und ihrer Kleidung machte welches mir vorkam / als wann ein Gespenst um mich herumer gewesen wäre; sie setzte sich zu mir / und gab mir das Nest in die Hand / so bald ich dasselbige empfangen / sahe ich sie widerumb / hingegen aber sie mich nicht / solches probirten wir oft mit einander / und befanden iedesmal daß das jenige so das Nest in Händen hatte / gantz unsichtbar war; darauf wickelt sie das Nestlein in ein Nas=Tüchel damit der Stein oder das Kraut oder Wurtzel / welches sich im Nest befande / und solche Würckung an sich hat / nicht heraus fallen solte / und etwan verlohren würde / und nach dem sie solches neben sich gelegt / sahen wir einander widerum wie zuvor / ehe sie auff den Baum gestigen; das Nest=Nastüchel sahen wir nit / kondten es aber an dem jenigen Orth wohl fühlen / wohin sie es gelegt hatte.
Jch muste mich über dise Sach / wie leicht zugedencken / nicht wenig verwundern / als warvon ich mein Lebtag niemahlen nichts gesehen noch gehöret; hingegen erzehlte mir mein Weib / ihre Eltern hetten vilmahl von einem Kerl gesagt; der ein solches Nest gehabt: und sich durch dessen Krafft und Würckung gantz reich gemacht hette; er wäre nemblich an Ort und Ende hingangen / da vil Gelt und Gutes gelegen / das hette er unsichtbarer weis hinweg gehollet / und ihm dardurch einen grossen Schatz gesamblet; wann ich derowegen wolte / so konte ich durch dis Kleinod unserer Armut auch zuhülff kommen; ich antwortet / dis Ding ist mislich und gefährlich / und möchte sich leicht schicken / daß sich irgends einer fände / der mehr als andere Leuth sehen köndte / durch welchen alsdann einer erdapt und endlich an seinen allerbesten Hals auffgehenckt werden möchte; ehe ich mich in eine solche Gefahr begeben: und allererst in meinen alten Tagen widerum auffs stehlen legen wolte / so wolte ich ehender das Nest verbrennen; so bald ich dis gesagt und mein Weib solches gehöret hatte / erwischte sie das Nest / gieng etwas von mir / und sagte / du albere alte Hundsfut / du bist weder meiner noch dises Kleinods werth / und es wäre auch immer schad / wann du anderster als in Armut und Betteley dein Leben zubringen soltest; gedencke nur nicht / daß du mich die Tage deines Lebens mehr sehen: noch dessen was mir dis Nest eintragen wird / geniessen sollest; ich hingegen batt sie / wie wohl ich sie nit sahe / sie wolte sich doch in keine Gefahr geben / sonder sich mit deme genügen lassen / was wir täglich vermittelst unsers Seitenspils von ehrlichen Leuthen erhielten; dabey wir gleichwohl keinen Hunger leyden dörfften; Sie antwortet / ja! ja! du alter Hosenscheisser / gehey dich nur hin und brühe deine Mutter etc.