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Mit was vor einem Beding Sim-
plicissimus den Springinsfeld die Kunst lernete.
MEin GOtt! Springinsfeld / sagte Simpl. wie hastu doch so gar ein ungeschliffen Maul? das ist noch nichts / antwortet Springinsfeld / ich sage das halbe nicht heraus wie mirs ums Hertz ist; wie ist dir dann? fragte jener; mir ist schier / antwortet Springinsfeld (wann ichs nur sagen dörffte) du seyest ein halber Hexenmaister; oder habest doch wenigst sonst einen treflichen Lehrmaister gehabt; und mir / sagte Simplicius, ist gantz zu sinn / und glaube es auch festigklich / du seyest ein gantzer Narr / und habest dein Handwerck auch ohne einen Lehrmeister gelernet! Mein was geb ich dir vor ursachen / so böse Gedancken von mir zumachen? Jch / antwortet Springinsfeld / habe ja heut deine Verblendungen genugsamb gesehen / Simpl. antwortet hingegen / es ist dir allerdings ein schand / daß du albereit so alt: so lang in der Welt herum geloffen: und gleichwol noch so alber bist / daß du natürliche Kunststück und Wissenschafften / wie du heut an Veränderung des Weins: und schlechte Kinderbossen / davon du heut ein Exempel an meinem Buche gesehen hast / vor Zauberey und Verblendungen hälst! Ja! sagte Springinsfeld / es ist nit nur das / ich sihe daß dir das Gelt gleichsam zuschneyet / das ich doch mit so grosser Müh und Arbeit Pfenning erobern: und wann ich dessen einen Vorrath haben und behalten will / beydes an meinem Leib und an meinem Maul ersparren muß; du Phantast sprach Simpl. vermeinest du dann dis Gelt komme mich ohne schnaubens und Bartwischens an? Meine beyde Alte haben die 4. Ochsen mit Mühe und Costen erziehen und ausmästen: ich aber auch laboriren müssen / bis ich die materiam verfertigt / daraus ich heut Gelt gelöst; was ists aber mit dem Buch? fragte Springinsfeld / ists keine Verblendung? laufft nit das kleine Hexenwerck mit unter? Simpl. antwortet / was ists mit den Taschenspielern und Gaucklern? Narren= und Kinderwerck ists / darüber ihr einfältige Tropffen euch nur deshalber verwundert / weil es euer grober Verstand nicht begreiffen kan! nach langer solcher Wortwechslung schätzte endlich Springinsfeld den Simplicium glückseelig / wann er dise Künste natürlicher weis kondte / und botte ihn 20. Reichsthaler an / wann er ihn die Kunst lernete / daß er auch wie er / aus einen Buche warsagen oder gaucklen köndte; dann / sagt er / lieber Bruder / ich muß mich mit Bettlen und meiner Geige ernähren / wie vermeinest du wohl daß es mir so trefflich zustatten kommen würde / wann ich mich irgends bey einer Bauern Kürbe oder einer Hochzeit einfinde / und meine Zuhörer mit disem artlichen Stückel belustigen und zur Verwunderung bringen köndte! würde es nicht zehenmal mehr Heller bey mir setzen / als wann ich nur geige und meine alte Possen und Grillen übe?
Mein Freund / antwortet Simplicius, es wäre gut / wann du deine alte Bossen und Grillen / wie du es nennest / gar underwegen liessest; dann sihe du bist allerdings ein sibenzig jähriger Mann der auff der Gruben gehet / und allerdings kein Stund sicher vorm Todt ist; hingegen hastu wie ich gesehen / ein fein Stuck Geld / darmit du dich / so lang dir GOtt das Leben noch gönnen möchte / gar wohl außbringen kanst; wann ich in deiner Haut steckte / so begebe ich mich in einen geruhigen Stand / darin ich mein geführtes Leben bedencken: Meine begangene Stücklein bereuen: Mich zu GOtt bekehren und ihme nunmehr allein dienen könte; welches gar füeglich irgents in einem Spital darinnen du dir eine Pfrüend kauffen köndest: Oder etwann in einem Closter da du noch eine Thorhüter abgeben möchtest / beschehen könte; es ist mehr als genug getopt und GOtt versucht / wann wir bis in das Alter der Welt Thorheiten angeklebet: Und in allerhand Sünden und Lastern gleichsamb wie ein Sau im Morast geschwembt und umbgewältzt haben; aber viel ärger und noch eine grössere Thorheit ists / wann wir gar bis ans End darin verharren / und nicht einmal an unsere Seeligkeit oder an unsere Verdambnus: Und also auch nicht an unsere Bekehrung gedencken!
Närrisch thät ich / antwortet Springinsfeld / wann ich mein Geld daß ich mit grosser Müh und Arbeit zusammen gebracht / in ein Closter oder Spital steckte / solches zu belohnen / damit es mich meiner Freyheit beraubte; Simplicius hingegen sagte / alsdann thustu närrisch / wann du eine vermeinte Freyheit zugeniessen gedenckest / in dessen aber ein Knecht der Sünd: Ein Sclav des Teuffels: Und also / ach layder; auch ein Feind GOttes verbleibest; ich beharre noch mein vorige Mainung / daß dir nemblich beydes rathsamb und nutzlich wäre / zur Bekehrung zuschreiten; ehe dich der Schlaff der ewigen Nacht und Finsternus überfält! dann sihe! der Tag hat sich bey dir umb mehr als 20. Jahr als bey mir genaiget / und dein spatter Abend erinnert dich ehist schlaffen zugehen.
Springinsfeld antwortet / Bruder empfang du zwantzig Thaler von mir vor die begehrte Kunst und lasse die Pfaffen Predigen / denen die ihnen gern zuhören; hingegen will ich dir versprechen / daß ich mich gleichwol auch auff deine Erinnerung bedencken wolle;
Gleich wie nun in der gantzen Welt sich nichts so eytel und unnütz befindet / daß nicht zu etwas guts könte employrt und verwendet werden; also gedachte auch Simplicius durch sein Buch / welches er seine Gauckel=Tasche nennet / den Springinsfeld zubekehren; derowegen sagte er zu ihm; höre mein Freund / hieltestu in Ernst darvor / es wäre Zauberey oder wenigst eine geringe Verblendung als du mich die Kunst auff dem Marck mit dem Buche üben sahest? Springinsfeld antwortet ja! und ich glaubte es auch noch / wann ich dich jetzt nicht so gottseelig reden hörete; nun dann / sagte Simplicius diser Rede und dieses Wahns der dich betrogen / bleib eingedenck bis in dein End / und versprech mir / dich auch des jenigen allweg so offt du das Buch brauchest / zuerinnern / was ich dir ferner sagen werden / so will ich dich nit allein die vermeinte Kunst umsonst und ohne deine offerirte 20. Reichsthaler lernen / sonder ich will dir noch das Buch darzu schencken / ohne welches du auch die Kunst nit wirst üben können; Springinsfeld fragte / was dann das jenige vor Sachen wären / deren er sich iederzeit bey dem Buch erinnern solte? Simpl. antwortet / wann du erstlich den Zusehern lauter weisse Blätter zeigest / so erinnere dich / daß dir GOtt in der heiligen Tauff das weisse Kleid der Unschuld widerum geschenckt habe / welches du aber seither mit allerhand Sünden so vilmal besudelt habest; weisest du dann die Kriegswaffen / so erinnere dich wie ärgerlich und gottlos du dein Leben im Krieg zugebracht habest; komstu an das Gelt / so gedencke mit was vor Leibs und Seelen Gefahr du demselben nachgestellt; also erinnere dich auch bey den Trinckgeschirren deiner verübten unflätigen Saufferey; bey den Würffeln und Karten / wie manche edle Zeit und Stund du unnützlich damit zugebracht / was vor Betrug darbey vorgeloffen / und mit was vor grausamen Gottslästerung der Allerhöchste dabey geunehrt worden; bey den Knaben und Jungfrauen erinnere dich deiner Hurenjägerey / und wann du an die Narrenköpffe komst / so glaube sicherlich daß dise ohn allen zweiffel Narren seyn / die sich durch obenerzehlte der Welt Lockungen betrügen: und um ihre ewige Seeligkeit bringen lassen; weisestu aber die Schrifft auff / so gedencke daß die heilige Schrifft nicht lüge / die da sagt / daß die Geitzige / die Neidige / Zornsüchtige Haderkatzen / Balger und Mörder / die Spieler / die Sauffer und die Hurer und Ehebrecher schwerlich das Reich GOttes werden besitzen; und daß dannenhero der jenig einem Narren gleich thue / der sich von solchen Lastern verführen: und so schandlich umb sein Seeligkeit bringen lasse. Gleich wie nun die meiste und zwar die einfältigste von deinen Zusehern vermeinen / sie würden durch dich verblendet / so doch in Warheit nit ist; also bedencke du hingegen / und führe wohl zu Gemüth / daß die allermeiste von den unverständigen Menschen von dem Teuffel und der Welt durch obige Laster unvermerckt verblendet und in die ewige Verdamnus gebracht werden.
Mein Bruder / sagte hierauf Springinsfeld / des Dings ist gar zuviel / wer zum S. Peter wolte alles im Kopff behalten können? Simplicius antwortet / mein Freund / wann du das nicht kanst / so wirst du auch nit behalten können / wie du recht geschicklich mit dem Buch umgehen sollest! Ey? sagte Springinsfeld / das will ich schon lernen; und das Buch / antwortet Simpl. wird dich alsdann auch schon selber an das jenig erinnern / waran du meinet: oder vielmehr deinetwegen gedencken sollest; ich gebe dir aber sagt Springinsfeld / lieber die 20. Reichsthaler und wäre diser Obligation ledig; Simplicius antwortet / dis will aber Simplicius nicht thun; nicht allein darumb / weil das Buch und die Wissenschafft solches zugebrauchen ohne die begehrte Erinnerung nicht so viel Gelts werth ist / sonder weil sich Simpl. auch ein Gewissen macht / den geringsten Heller von dir zunemmen / sintemahl er nicht weis / wie du dein Gelt gewonnen und erobert hast; ja ich gebe dir das Buch nicht / du versprechest mir dann dich allweg dessen zuerinnern was ich dir gesagt / wann du mir gleich 100. Reichsthaler baar daher zahltest.
Springinsfeld kratzte sich im Kopff und sagte / du erweckest bey mir vast ängstige Gedancken; ich sihe daß du deinen Nutzen und auch meinen Schaden nicht begehrest / ma foy Bruder / es steckt etwas darhinder das ich nicht verstehe! so viel kan ich schliessen / weil du mir mit Annemmung des Gelts nit schädlich zuseyn begehrest / daß du es treulich mit mir meinen: und das Gebott der Erinnerung welches ich vor ein schwere Bürde gehalten / zu meinen frommen auffladen werdest; derowegen verspriche ich hiemit alles dessen eingedenck zuseyn / was du von mir vor solche Kunst haben wilst; hierauff zog Simpl. das Buch hervor / und zeigte dem Springinsfeld alle Vörthel und Griff; und demnach sie mich auch zusehen liessen / faste ich die Beschaffenheit desselben so genau ins Gedächtnus / daß ich auch stracks eins dergleichen machen könte / wie ich dann etliche Tag hernach thät / um solche Simplicianische Gauckeltasch der gantzen Welt gemain zumachen.