Grimmelshausen
Der seltzame Springinsfeld
Grimmelshausen

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Das VI. Capitel.

Der Author continuirt vorige
Materia, und erzehlet den Danck den er von
der Courage vor seinen Schreiber=Lohn empfangen.

SImplicius fragte / wie dann Springinsfeld mit ins Gelag kommen wäre / und was sie mit ihm zu schaffen gehabt hätte; Jch antwortet / soviel ich mich noch zu erinnern weiß / ist sie / wie ich bereits gemeldt / in Jtalia seine Matreß: oder allem ansehen nach / er vielmehr ihr Knecht gewesen; massen sie ihm auch (wann es anders wahr ist / was mit diese Schand=Vettel angegeben) den Namen Springinsfeld zugeeignet; Schweig daß dich der Hagel erschlag du Schurck / sagte Springinsfeld / oder ich schmeiß dir Plackscheisser der Teuffel soll sterben / die Kandel übern Kopf / daß dir der rothe Safft hernach gehet; und seine Wort wahr zu machen erdapte er die Kandel / aber Simplicius war eben so geschwind und weit stärcker als er / auch eines andern Sinns / enthielte ihne derowegen vorm Streich / und betrohete ihn zum Fenster hinaus zu werffen / wann er nicht zu frieden seyn wolte; indessen kam der Wirth darzu und gebote uns den Frieden / mit austrucklicher Anzeigung / wann wir nicht still wären / daß bald Thurnhüter und Fausthämmer vorhanden seyn würden / die den Ursächer solcher Händel / oder wol gar uns alle drey an ein ander Ort führen solten; Ob ich nun gleich hierauf vor Angst zitterte und so still wurde wie ein Mäusel / so wolte ich doch gleichwol die Scheltwort nicht auf mir haben / sonder zum Ammeister gehen / und mich der empfangnen Injuri halben beklagen; aber der Wirth / so Springinsfelds Ducaten gesehen / und einige davon zu kriegen verhoffte / sprach mir neben Simplicio so freundlich zu / daß ichs underwegen liesse / wiewol Springinsfeld noch immerhin wie ein alter böser Hund gegen mir grißgrammete; zuletzt wurde der Verglich gemacht / daß ich dem Springinsfeld auf beschehene Abbitt die empfangne Schmach vergeben: und hingegen sein und Simplici Gast sein solte so lang ich mir selber wolte.

Nach diesem Vertrag fragte mich Simplicius, wie ich dann wieder von den so genanten Zigeinern hinweg kommen wäre / und mit was vor Geschäfften dieselbige ihre Zeit in den Wälden passirt hätten? Jch antwortet / mit Essen / Trincken / Schlaffen / Tantzen / herum Ramlen / Taback sauffen / Singen / Ringen / Fechten und Springen / der Weiber gröste Arbeit war / Kochen und Feuern / ohne das etliche alte Hexen hie und da sassen / die junge im wahrsagen: oder vielmehr im liegen zu underrichten / theils Männer aber giengen dem Gewild nach / welches sie ohne Zweifel durch zauberische Segen zum stillstehen zu bannen: und mit abgetödtem Pulver das nicht laut kläpfte / zu fällen wusten; massen ich weder an Wild noch Zahm keinen Mangel bey ihnen verspüren konte; wir waren kaum zween Tag dort still gelegen / als sich wieder eine Parthey nach der andern bey uns einfande / darunter auch solche waren / die ich bishero noch nicht gesehen; etliche (die zwar nit beym bestem empfangen wurden) anticipirten bey der Courage (ich schätze aus ihrem allgemeinen Seckel) Geld / andere aber brachten Beuten / und kein Theil gelangte an / das nicht entweder Brod / Butter / Speck / Hüner / Gäns / Endten / Spanferckel / Geissen / Hämmel / oder auch wol gemäste Schwein mit sich gebracht hätte; ohne eine arme alte Hex / welche an statt der Beuten einen Himmel=blauen Buckel mitbracht / als die über der verbottenen Arbeit erdapt / und mit treflichen Stössen und Schlägen abgefertigt worden war; und ich schätze wie dann leicht zu gedencken / daß sie obengedachte zahme Schnabelweid und das kleine Viehe entweder in oder um die Dörffer und Bauren=Höfe hinweg gefüchslet: oder hin und wieder von den Heerden hinweg gewölfelt haben; gleichwie nun täglich solche Compagnien bey uns ankamen / also giengen auch alle Tag wieder einige von uns hinweg; zwar nicht alle als Zigeiner sonder auch auf andere Manieren bekleidet / ie nachdem sie meines davorhaltens ein Diebsstuck zu verrichten im Sinn hatten; und dieses mein hochgeehrter Herr waren die Geschäffte der Zigeiner / die ich so lang ich bey ihnen gewesen / observirt habe.

Wie ich aber wieder von ihnen kommen / das will ich meinem hochgeehrten Herrn weil ers zu wissen verlangt / ietzunder auch erzehlen / ob mir gleich die gehabte Kundschaft mit der Courage zu eben so geringen Ehren gereicht als dem Springinsfeld oder dem Simplicissimo selbsten.

Jch dorfte täglich über 3. oder 4. Stund nicht schreiben / weil Courage nicht mehr Zeit nam mir zu Dictirn; und alsdann möchte ich mit andern spatzieren gehen / spilen oder andere Kurtzweil haben; worzu sich dann alle gar geneigt und gesellig gegen mich erzeigten; ja die Courage selbst leiste mir die mehriste Gesellschafft / dann bey diesen Leuthen findet durchaus einige Traurigkeit / Sorg oder Bekümmernus keinen Platz; sie ermahnten mich an die Marder und Füchse / welche in ihrer Freyheit leben und auf den alten Kayser / doch vorsichtig und listig genug / hinein stehlen / wann sie aber Gefahr vermercken / eben so geschwind als vortheilhafftig sich aus dem Staub machen; einsmals fragte mich Courage wie mir diß freye Leben gefiele / ich antwortet überaus wol! und ob gleich alles erlogen war was ich gesagt / so henckte ich iedoch noch ferner dran / daß ich mir schon nicht nur einmal gewünscht / auch ein Zigeiner zu seyn; mein Sohn / sagte sie / wann du Lust hast bey uns zu bleiben / so ist der Sach bald geholffen; ja mein Frau / antwortet ich / wann ich auch die Sprache könte? diß ist bald gelernet / sagte sie / ich hab sie ehe als in einem halben Jahr begriffen! bleibt ihr nur bey uns / ich will euch ein schöne Beyschläfferin zum Heurath verschaffen; ich antwortet / ich wolte noch ein par Tag mit mir selbst zu Rath gehen / und bedencken ob ich sonst irgends ein besser Leben als hier zu kriegen getraute; des studierens: und Tag und Nacht über den Büchern zu hocken / wäre ich schon vor längsten müd worden / so möchte ich auch nicht arbeiten / viel weniger erst ein Handwerck lernen; ohne (welches das schlimste wär) daß ich auch ein schlecht Patrimonium von meinen Eltern zu hoffen hätte; du hast einen weisen Menschen=Sinn / mein Sohn / sagte das Rabenaas weiters / und kanst leicht hierbey abnehmen und probieren / was unser Mannier zu leben vor anderer Menschen Leben vor einen Vorzug habe / wann du nemlich sihest / daß kein einzig Kind aus unserer Jugend zu dem allergrösten Fürsten gieng / der es aufnehmen und zu einem Herrn machen wolte; es wurde alle solche hohe Fürstliche Gnaden vor nichts schätzen / die doch andere knechtisch gesinnte Menschen so hoch verlangen! Jch gab ihr gewonnen und gedachte doch bey mir selber was ihr Springinsfeld gewünscht / und indem ich ihr dieser Gestalt das Maul machte / als wann ich bey ihr verbleiben wolte / hoffte ich desto ehender die Freyheit mit andern auszugehen: und also Gelegenheit zu bekommen mich wieder von ihr abzuscheiblen.

Eben umb dieselbe Zeit kam eine Schar Zigeiner die brachten eine junge Zigeinerin mit sich / die schöner war als die Allerschönste aus diesen Leüthen zuseyn pflegen / diese machte so wohl als andere bald Kundschafft zu mir / (dann man mus wissen daß unter dieses Volcks ledigen Leüthen wegen ihres Müssiggangs die Löffeley eine Gewonheit ist / deren sie sich weder zuschämen noch zuscheuen pflegen) vnd erzeigte sich so freundlich / holdseelig vnd liebräizent / daß ich glaube / ich wäre angangen / wann mich nicht die Sorg ich wurde auch hexen lernen müssen / darvon abgeschröckt: und ich nicht zuvor der Courage Leichtfertigkeit und lasterhafftes Leben aus ihrem eignen Maul gehört hätte; eben darumb traute ich desto weniger / und sahe mich desto besser vor / doch erzeigte ich mich gestältiger gegen ihr als gegen einer andern; Sie fragte mich gleich nach gemachter Kundschafft / was ich der Frau Gräfin / dann also nante sie die Courage / zuschreiben hätte; Als ich ihr aber die Antwort gabe / es wäre ohnnötig / daß es die Jungfer wüste; war sie nit allein wohl damit zufriden / sonder ich merckte auch an der Courage selbsten meiner Einbildung nach daß sie solche Frag an mich zuthun befohlen / und also meine Verschwigenheit probirt hatte / dann sie ward mir immer je freundlicher wie ich Narr vermeinte.

Damahls war ich allbereit in 14. Tagen nicht mehr aus den Klaidern kommen / wessentwegen sich dann die Müllerflöhe heuffig bey mir einfanden / welches heimliche Leyden ich meiner Jungfer Zigeinerin klagte / dieselbe lachte mich anfänglich gewaltig auß / und nante mich einen einfaltigen Tropffen; aber den andern Morgen brachte sie eine Salbe / welche alle Leüse vertreiben wurde / wann ich mir darmit nackent bey einem Feur / der Zigeiner Gewonheit nach / wolte schmiren lassen / welche Arbeit sie die Jungfer auch gehrn verichten wolte; Jch schämbte mich aber viel zusehr / und sorgte darneben es möchte mir gehen wie Apuleio / welcher durch dergleichen Schmirsel in ein Esel verwandelt worden; Jn dessen quälte mich aber das Ungeziffer so greulich / daß ichs nicht mehr erleyden kunde / dannenhero ward ich gezwungen diese Salbung zugebrauchen / doch mit dieser condition daß sich die Jungfer zuvor von mir schmiren lassen solte / und alsdan wolte ich ihr nachfolgen vnd ihr auch stillhalten / zu solcher Verrichtung nun / machten wir etwas fern von unserm Läger ein absonderlichs Feur / und thäten dabey was wir abgeredet hatten.

Die Leüse giengen zwar fort / aber den Morgen Frühe sahe ich mit Hauth und Haar so schwartz aus wie der Teuffel selber; ich wuste es noch nicht an mir / bis mich die Courage vexirte / vnd sagte / so mein Sohn / ich sehe wol du bist deinem Wunsch nach schon ein Zigeiner worden; ich weis noch nichts darvon / mein hochgeehrte Frau Mutter / antwortet ich; sie aber sagte / beschaue deine Hände / und mit dem liesse sie eine Spiegel holen / in welchem sie mir eine Gestalt wise / die ich wegen ubermässiger schwärtze selbst nicht mehr vor die meinige erkante; sonder darvor erschrack; dise Salbung mein Kind / sagte sie / gilt bey vns so viel als bey den Türcken die Beschneidung; und welche dich gesalbet hatt / die mustu auch zum Weib haben / sie gefalle dir gleich oder nicht; und mit dem fieng das Teuffels Gesindel mit einander an zulachen / daß sie hätten zerbersten mögen;

Als ich nun sahe wie mein Handel stunde / hette ich Stein vnd Bein zusammen fluchen mögen; aber was wolte oder solte ich anders thun / als nach deren Willen mich zu accomodirn / in welcher Gewalt ich damals war; hey; sagte ich / was geschneids dann auch mich? Vermeinet ihr dann wohl / diese Veränderung sey mir so gar ein grosser Kummer? höret nur auf zulachen / und sagt mir darvor wann ich Hochzeit haben soll? wann du wilt / wann du wilt / antwortet Courage doch der Gestalt / wann wir auch einen Pfaffen darbey werden haben könden;

Jch war damals mit der Courage Lebens=Lauff allbereit fertig / ohne daß ich noch ein parr ich weis aber nit was for Diebsstück darzu hätte setzen sollen / die sie verübet / seyt sie eine Zigeinerin worden; derowegen begehrte ich gar höfflich die versprochene Bezahlung; sie aber sagte / ho mein Sohn / du bedarfst jetzt kein Geld / es wird dir noch wol kommen / wann du Hochzeit gehalten haben wirst; ich gedachte hat dirs der Schinder in Sinn geben / daß du mich hiermit halten solst; und als sie merckte / daß ich etwas Sauers darzu sehen wolte / setzte vnd ordnete sie mich vor der Ægiptischen Nation Obersten Secretarium durch gantz Teutschland / und that promessen / das mein Heurath mit ihrer Jungfer Basen / so bald es mit Gelegenheit gehen würde / vollzogen: und mir zwey schöne Pferdt zum Heurath-Guet mitgegeben werden solten; und damit ich dieses desto steiffer glauben solte / dorffte meine Jungfrau Hochzeiterin nit vnderlassen / mich mit ihrer gewonlichen Freundlichkeit zu underhalten; diese Geschichte war kaum verloffen / als wir aufbrachen / und mit guter ordre fein gemach sambt Weib und Kind etwan selb dreisigst das Bielerthal herunder marchirten auf welchem Weeg Courage ihren statlichen Habit nicht anhatte / sonder auch wie sonst ein andere alte Hex auffzog; ich war vnder den Fourieren / vnd halffe das Quartier auff etlichen Bauern=Höffen machen; in welcher Verrichtung ich mich keine Sau: Sonder ein vornehmes Mitglied der ansehenlichsten Zigeiner zu seyn beduncken liesse; den andern Tag marchirten wir vollents bis an den Rhein / und blieben zu nägst an einem Dorff alwo ein Uberfahrt war in einen Busch bey der Landstrassen ubernacht; umb den folgenden Tag vollents über Rhein zugehen; Aber des Morgens da der schwartze Secretarius erwachte / sihe / da befande sich der gute Herr gantz allein / massen ihn die Zigeiner und seine Braut so gar verlassen / daß er von ihnen auch sonst nichts als nur die holdseelige Farbe zur freundlichen Gedächtnus noch übrig hatte.


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