Franz Grillparzer
König Ottokars Glück und Ende
Franz Grillparzer

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Ottokar (bleibt an der Türe stehen).
Margarethe,
So bist du tot und hast mir nicht verziehn?
(Er kommt zurück.)
Bist hingegangen, treue, fromme Seele,
Mit dem Gefühl des Unrechts in der Brust,
Und stehst wohl jetzt vor Gottes Richterstuhl
Und klagst mich an, rufst Rache wider mich!
O tu's nicht, Margaretha, tu es nicht!
Du bist gerächt. Um was ich dich und alles gab,
Gefallen ist's von mir, wie Laub im Herbst.
Was ich gesammelt, ist im Wind zerstoben,
Der Segen fort, der fruchtend kommt von oben,
Und einsam steh ich da, von Leid gebeugt,
Und niemand tröstet mich und hört mich!
(Er tritt näher.)
Sie haben schlimm an mir getan, Margrethe!
Der Undank hob sein Haupt auf gegen mich.
Die mir die Nächsten, haben mich verraten,
Die ich gehoben, haben mich gestürzt.
Das Weib, um das ich hingab deinen Wert,
Sie hat das Herz im Busen mir zerspalten,
Die Ehre mein verkauft an meinen Knecht;
Und als ich blutend heimkam aus der Schlacht,
Goß sie mir Gift, statt Balsam, in die Wunden.
Mit Hohn und Spott hat sie mich aufgestachelt,
Daß blind ich rannte in das Todesnetz,
Das nun zusammenschlägt ob meinem Scheitel.
(Er kniet am Sarge.)
Du hast mich oft getröstet; tröste nun!
Streck aus die kalte Hand und segne mich.
Denn eines fühl ich wohl: es kommt zu sterben;
Der heut'ge Tag kann Ottokar verderben,
Drum segne mich, wie du gesegnet bist!
(Er legt sein Haupt auf die Kissen.)

Elisabeth.
Er betet, glaub ich. Nun, du guter Gott,
Verzeih ihm auch! Und ach, der großen Freude
Für die hochsel'ge Frau! Sagt' ich's nicht immer?
Er kehrt zurück. Nun seid ihr doch beisammen,
Siehst du? (Gegen Himmel blickend.)

Von außen.
Ist hier der König?

Elisabeth (zur Tür hinaussprechend).
Ei, er will allein sein!
Sie sollen ihn nicht stören!
(Sie läßt die Vorhänge herab.)
Streit und Hader,
Dazu find't so ein Herr wohl immer Zeit.
Die Zeit zum Beten aber kommt nicht immer.
Schon wieder Lärm, ei, daß euch Gott, ihr Heiden!
(Neuer Lärm von außen. Sie geht, mit dem Finger auf dem Mund Stillschweigen gebietend, leise zur Türe hinaus.)

Platz vor dem Hause, wie zu Anfang des Aufzuges.

Milota führt einen Knappen vor. Die andern im Hintergrunde. In Zwischenräumen Trompeten und Lärm von außen.

Milota.
Wie? Zawisch Rosenberg, er sendet dich?

Knecht.
Ja, Herr!

Milota.
Er ist im kaiserlichen Lager?

Knecht.
Wohl.

Milota.
Wo ist sein Brief?

Knecht.
Ich habe keinen Brief.
Er hieß mich nur – es klingt fast lächerlich –
Er hieß mich an das Liedchen Euch erinnern:
»Der Winter kehrt zurück, die Rosen welken.«

Milota.
Was will er damit? – Rosen – Rosenberg!
Sag ihm, die Rosen mögen immer blühn,
Der Schnee zergeht; der Winter kehrt nicht wieder!
(Knecht ab.)

Füllenstein (kommt).
Wo ist der König?

Milota.
Oben.

Füllenstein.
Teufel auch!
Es geht schon hitzig her!

Ein Ritter (tritt eilig auf).
Ist hier der König?
Die Vorhut wird zurückgedrängt. Schickt Hilfe!

Milota.
Er säumt noch immer!

Füllenstein.
Siehe da, er kommt!

(Ottokar kommt mit dem Küster aus dem Hause. Frau Elisabeth folgt.)

Ottokar (zum Küster).
Man wird Eu'r Haus verschonen, wie nur möglich.
Gehabt Euch wohl und schließt mich ins Gebet.
Herbott, wie steht's?

Füllenstein.
Sie sind schon handgemein.

Ottokar.
Gebt mir den Helm!

Füllenstein.
Der Gaul von einem Dienstmann
Des Erzbischofs von Salzburg wurde scheu
Und riß ihn fort, die andern sprengten nach.

Ottokar (hat den Helm auf und zieht das Schwert).
Nun denn, mit Gott!

Küster.
Er segn' Euch, gnäd'ger Herr!

Elisabeth.
Zu tausendmal! Und führ Euch glücklich heim!

Ottokar.
Wir wollen hoffen! (Trompeten von außen.) Nun, wir kommen schon!,
Wo sind die Pferde?

Füllenstein.
Dort am Gittertor!

Ottokar (gehend).
Voran!

Elisabeth.
Gott segn' Eu'r Hoheit. (Zugleich mit dem Küster.) Glück und Heil!
(Alle ab.)

Freie Gegend an der March. Es ist heller Tag.

Kaiser Rudolf mit seinen Söhnen, in Begleitung österreichischer und anderer Ritter mit Fahnen, tritt auf.

Rudolf.
Die Sonne steigt aus Nebeln herrlich auf;
Es wird ein schöner Tag! Mein Sohn, du trittst
Zum erstenmal auf österreich'schen Boden,
Sieh um dich her, du stehst in deinem Land!
Das Feld, das rings sich breitet, heißet Marchfeld,
Ein Schlachtfeld, wie sich leicht kein zweites findet,
Doch auch ein Erntefeld, Gott sei gedankt!
Und dafür soll es immerdar dir gelten!
Dort fließt die March; dort, wo noch Nebel ringt,
Liegt Wien, die Stadt, die Donau blinkt daneben,
Von vielen Inseln mannigfach geteilt.
Dort wirst du wohnen, gibt uns Gott den Sieg.
Doch gilt's zu kämpfen erst, das sollst du auch.
Die Rennfahn' geb ich dir, die sollst du führen,
Mir vor sie tragen glorreich durch die Schlacht.
(Er gibt ihm die Fahne. – Zu seinem jüngeren Sohne.)
Dein junger Arm führt noch zu schwach den Stahl,
Du bleibst bei mir, in deines Vaters Hut.

Ihr, Markgraf Hochberg, führt des Reiches Adler;
Und wie der Adler lebend Wild nur beutet,
Trefft den, der kämpft, und schonet des, der flieht.
(Er gibt ihn.)
Dir, Konrad Haslau, ob schon altergrau,
Vertrau ich Östreichs flatterndes Panier,
Das du in zwanzig Schlachten rühmlich trugst.
Ihr bleibt ihm nah, Herr Heinrich Lichtenstein,
Und wahrt des Manns und dessen, was er trägt.
Ha, wohl verwahrt! Sucht' ich nach einem Schützer
Für dies mein Haupt, ich wüßte keinen bessern
Als einen Lichtenstein! Wohlan, ihr Herrn,
Nehmt das Panier und tragt es allen vor;
Den edlen weißen Strich von Österreich;
Und wie er glänzend geht durchs rote Feld,
So will ich sehen Östreichs weiße Zeichen
Die Gasse ziehn durch blutgefärbte Leichen.

Nun vor, mit Gott! Und: Christus sei der Schlachtruf.
So wie er starb für uns am blut'gen Holz,
So wollen wir auch sterben für das Recht,
Ob auch das Unrecht Güter böt' und Leben.
Ehrwürd'ger Herr von Basel, geht voran,
Stimmt uns das Schlachtlied an: Maria, reine Maid!

Diener (kommt).
Die Königin von Böhmen, gnäd'ger Herr!

Rudolf.
Wie kommt sie her zu mir?

(Kunigunde und Zawisch auftretend, hinter ihnen wird Berta geführt, mit Begleitern, die zurückbleiben.)

Kunigunde.
Hier bin ich selbst!
Um Schutz zu flehn, komm ich in Euer Lager.

Rudolf.
Schutz, edle Frau, bei Eures Gatten Feind?

Kunigunde.
Weil mir der Feinde grimmigster mein Gatte!
Er rast, zumeist gen die, so ihm am nächsten,
Und fliehend nur erhielt ich fast mein Leben.

Rudolf.
Gar viel Vertraun schenkt Ihr mir, Königin!
Denn Frauen kenn ich, sonst wohl hohen Muts,
Die aber lieber tot von Gatten-Hand,
Als daß sie flöhn zu denen, die ihn töten.
Doch mögt Ihr immer dort in meinen Zelten
Des Ausgangs harren, der Euch wohl versöhnt.
(Zu einem Begleiter.)
Bringt die erlauchte Frau in Sicherheit!

Kunigunde.
Ich dank Eu'r Hoheit – Zawisch, kommt mit mir. (Ab.)

Rudolf.
Ihr, Herr, steht nicht bei Eures Königs Fahnen?

Zawisch.
Der König hat mich hoch und schwer beleidigt.

Rudolf.
Beleidigt, Herr? und des gedenkt Ihr jetzt?
Wo er vielleicht dem Tod entgegengeht?
Dankt Gott, Herr, daß Ihr nicht mein Untertan,
Ich wollt' Euch das Kapitel sonst erklären!
Folgt Eurer Königin, die Euch statt eines Königs.
(Zawisch ab.)

Rudolf.
Noch eins, eh' wir zur Schlacht! Ich hab erfahren,
Daß unter denen, die ich gestern abends
Zu Rittern schlug, und die ob einer Unbild
Dem Böhmenkönig abhold, oder sonst,
Vor allen aus den österreich'schen Landen,
Ein Bund besteht, ihn in der Schlacht zu suchen,
Und daß ihn jener töte, der ihn fand:
Den Bund vernicht ich hier, als euer Kaiser,
Und jedem untersag ich, Hand zu legen
An König Ottokar zu dieser Frist;
Den einz'gen Fall der Notwehr ausgenommen.
(Zu Seyfried Merenberg, der neben ihm steht.)
Habt Ihr verstanden, Herr? Und so mit Gott!

Es stürzt einer herein.
Die Böhmen nahn!

Rudolf.
Die Österreicher sind schon da!
Wir werden uns doch wohl nicht fürchten sollen?
Ein einzler Haufe; schließt euch an, ihr Herrn!

(Herbott von Füllenstein mit einem Haufen.)

Füllenstein (hereinstürzend).
Wo ist der Kaiser? Nur den Kaiser such ich!

Rudolf.
Hier ist er, Freund!

Füllenstein.
Bald heißt es wohl: er war.

Rudolf.
Das frägt sich noch. Ei, laßt ihn nur, ihr Herrn,
Das Fechten möcht ich doch nicht ganz verlernen!
Komm an, mein Freund!

Füllenstein.
Ihr folgt, und schlagt sie tot!
(Gefecht. Alle ab.)


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