Franz Grillparzer
König Ottokars Glück und Ende
Franz Grillparzer

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Bürgermeister.
Großmächtigster! Unüberwindlichster!
Es drang zu uns die Fama deines Siegs,
Und –

Ottokar.
Füllenstein!

Füllenstein.
Hier bin ich, gnäd'ger Herr!
(Tritt vor.)

Ottokar.
Wie hieß der Platz, wo wir die Ungarn jagten?

Füllenstein.
Bei Kroissenbrunn.

Ottokar.
Hans Narr, da war das Lager!
Glaubst du, ich weiß den Ort nicht, wo ich stand?
Ich mein den Platz des letzten Reiterangriffs,
Der ganz entschied.

Füllenstein.
Man nennt den Ort Marchegg,
Weil in die Ecke dort die March sich wendet.

Ottokar.
Marchegg, so soll man mir die Stadt auch nennen,
Die ich dort baun will zu des Siegs Gedächtnis!
Marchegg soll sein der Markstein meines Glücks,
Von dort aus weiter; denn wer hielte mich?
Und wer dort geht, noch in den fernsten Tagen,
Der soll von Ottokar und seinem Streiten sagen!
(Er ist aufgestanden, zu den Dienern.)
Was zögert ihr? – Ja so, du willst das Bein?
(Er setzt sich wieder.)
Herr Bürgermeister, zieht dort an der Schiene!
So geht's nicht! Fort! Wer wird so lange zögern?
(Er reißt selbst gewaltsam die Schiene ab und wirft sie mitten in den Saal.)
Just in der Ecke dort der March, am Hügel jenseits,
Saß König Bela hoch auf seinem Stuhl,
Und Heinrich Preußel stand dabei, ich sah's wohl,
Der legt' ihm, wie der Knab' im Puppenspiel,
Die Gegend aus und was sich drin begab
Und wer die Kämpfer waren und so weiter.
Zum Anfang ging's noch gut, doch als der Habsburg
Auf eins hervorbrach mit den schweren Reitern
Und alles floh, was ungrisch fluchen kann,
Und in die March, daß ihre Zottelbärte
Wie Schilfgras aus gedämmtem Wasser ragten –
Wo ist der Habsburg? Hei! beim reichen Gott,
Er hielt sich wohl! Sonst ein gar stiller Mann,
Doch wenn er angreift, wie der böse Teufel.
Wo ist Graf Habsburg?

Diener.
Sollen wir ihn rufen?

Ottokar.
Laßt nur! – Als das der Ungarkönig sah,
Da braucht' er keines Dolmetsch weiter mehr.
Mit beiden Händen fuhr er sich ins Haar
Und zog sich feindlich. Ei, dacht' ich mir, Herr,
Spart Euch die Müh', wir können das viel besser.
Doch ist er Freund uns jetzt und Bundsgenoß,
Da muß man Gutes nur und Liebes sprechen!
Nun, seid ihr endlich fertig? (Er steht auf.) Hut und Mantel!
Und wie steht's hier bei Euch, Herr Bürgermeister?
Habt Ihr indes geträumt? – Der Hut da drückt.
(Da der Diener zögert.)
Zum Teufel, einen andern Hut! – Wie also?
Die Mauer auf dem Wischehrad ist fertig?

Bürgermeister.
Ja, gnäd'ger Herr!

Ottokar.
Die Moldaubrücke auch?

Bürgermeister.
Nur gestern ward der letzte Stein gefügt.

Ottokar.
Ja, weil ihr wußtet, daß ich heute kam!
Den Deutschen, die ich sandte, Sachsen, Baiern,
Ward schon die untre Vorstadt eingeräumt?

Bürgermeister.
Verzeihet –

Ottokar.
Ist's geschehn?

Bürgermeister.
Eu'r Hoheit –

Ottokar.
Ja?

Bürgermeister.
Noch nicht.

Ottokar.
Warum nicht? Gottes Feu'r! Warum nicht?

Bürgermeister.
Wir wollten noch einmal Eu'r Hoheit angehn,
Eh' wir vertrieben so viel treue Böhmen –

Ottokar.
Vertrieben! Was vertrieben! Wollt' ich das?
Sie sollten nach Chrudim, dort waren Äcker
Und Baugrund ihnen dreifach angewiesen,
Und dreifach alle Kosten der Versetzung.
Doch aus der Vorstadt sollen sie heraus.
Sie sollen, müssen! Müssen, Gottes Donner!
Ich weiß wohl, was ihr mögt, ihr alten Böhmen:
Gekauert sitzen in verjährtem Wust,
Wo kaum das Licht durch blinde Scheiben dringt;
Verzehren, was der vor'ge Tag gebracht,
Und ernten, was der nächste soll verzehren,
Am Sonntag Schmaus, am Kirmes plumpen Tanz,
Für alles andre taub und blind;
So möchtet ihr: ich aber mag nicht so!
Wie den Ertrinkenden man faßt am Haar,
Will ich euch fassen, wo's am meisten schmerzt;
Den Deutschen will ich setzen euch in Pelz,
Der soll euch kneipen, bis euch Schmerz und Ärger
Aus eurer Dumpfheit wecken und ihr ausschlagt
Wie ein gesporntes Pferd. Ihr denkt der Zeit,
Da eure Fürsten saßen an dem Herd
Und einen Kessel führten in dem schnöden Wappen;
Ich bin kein solcher, straf mich Gott!
(Man hat ihm den Mantel umgegeben.) Seht her!
Der Mantel ward in Augsburg eingekauft.
Das Gold, der Samt, die Stickerei, das Ganze,
Könnt ihr das machen hier in eurem Land?
Ihr sollt! bei Gott, ihr sollt! Ich will euch's lehnen –
Mit Köln und Wien, mit Lunden und Paris
Soll euer Prag hier stehn in einer Reihe!
Die Länder, die euch herrisch sonst gehöhnt,
Ich habe sie bezwungen mit dem Schwert:
Der Ungar flieht, der Baierfürst hält Ruh',
Und Österreich, die wackre Steiermark
Und Portenau und Krain und Deutschlands Eger,
Ich habe sie vereinigt meinem Reich.
In alle Fernen trug ich Böhmens Namen,
Aus allen Fernen tönt zurück sein Ruhm.
Wie meine Väter konnt' ich ruhig schlafen,
Euch lassen schlafen, so wie eure Väter;
Für wen hab ich's getan? Für euch!
Doch sollt ihr nach, des geb ich euch mein Wort!
Hin auf des Berges Mitte stellt' ich euch,
Und nun klimmt weiter oder brecht den Hals!
(indem er sich abwendet.)
Daß mir die Deutschen in die Vorstadt kommen

(Kanzler tritt ein und nähert sich dem Könige.)

Ottokar.
Was ist?

Kanzler.
Die Königin, wie Ihr befahlt.

Ottokar (wieder zu den Bürgern gewendet).
Auch das noch, das noch, seht, um euretwillen!
Was einem jeden Mann das Teuerste,
Die Ruh' im eignen Haus, hab ich gestört,
Um eure Ruh', um eurer Kinder Ruhe.
Damit nach meinem Tod mein Reich nicht erblos,
Mein Werk das Spiel nicht werde innern Zwists,
Hab ich von Margarethen mich getrennt,
Die keines Erbens Hoffnung mehr gewährt,
Und neuer Bande Wechsel mich gefügt.
(Zur ganzen Versammlung sich gewendet.)
Ja, ja, ihr Herrn, damit ihr's alle wißt:
Zur Festigung des nur geschloßnen Friedens
Hat König Bela mir die Hand geboten
Von Kunigunden, seinem Enkelkind,
Des Herzogs von Massovien einz'gen Tochter.
Da nun seit lang die Bischöfe des Reichs
Mich warnten meiner Eh' mit Margarethen;
Wie denn auch manches sonst dagegen spricht:
Denn erstens ist sie alt und unfruchtbar,
Kein Erbe läßt sich mehr von ihr erwarten;
Dann ist sie mir verwandt in – was weiß ich,
In welchem und wievieltem Grad, und endlich –
Allein wozu noch lange eins und zwei;
Denn erstens, zweitens, drittens: bleibt's dabei!
Die Königin wird kommen, Handfest unterzeichnen,
Die Schenkung wiederholen ihrer Lande,
Und des zu Zeugen seid ihr hier versammelt.
(Er besteigt den Thron.)

Der Kanzler (der seine Papiere auf demselben Tische ausgebreitet hat, an dem vorher der König saß, tritt nun, mit einer Urkunde in der Hand, in die Mitte des Saales).
Nun Ruh' in Ehrfurcht ist des Königs Wille!

(Margarethe, in einen nachschleppenden Mantel gekleidet, die Krone auf dem Haupte, tritt, von Habsburg und Merenberg begleitet, von Frauen gefolgt, ganz im Vorgrunde links auf.)

Kanzler.
Erlauchte Frau und Königin Margrethe,
Von Östreich Herzogin und Steiermark,
Des weiland röm'schen Königs Heinrich Witwe,
Derzeit vermählt mit Böhmens hohem Herrn.
Wer führt das Wort in Eurer Gnaden Sache?

Margarethe.
Ich selbst! (Ablehnend zu Merenberg, der vorgetreten ist.)
Laßt nur, Herr Merenberg! – Ich selbst!
Allein will ich des Zornes Makel tragen
Und reden, so wie leiden, ich allein!

Kanzler.
Ist Euch bekannt –?

Margarethe.
Ich weiß!

Kanzler.
Nun denn, mit Gott!
Es hat ein heil'ger Send, zu Wien versammelt,
Im Vorsitz Guido, Kardinal-Legats,
Des Titels von Sankt Laurenz in Lucina,
Zu Recht gesprochen ob dem Eheband,
Das Euch verbunden unserm gnäd'gen Herrn;
Und in Betracht, daß Ihr im vierten Grad,
Durch Bela, Ungarns König, und durch Geysa,
Als leiblich naher Brüder Kindeskinder,
Gedachten unserm gnäd'gen Herrn verwandt;
In weiterm Anbetracht, wie vorgekommen,
Daß Ihr nach Eures ersten Herren Tod,
Des hochbelobten röm'schen Königs Heinrich,
Euch nicht mehr zu vermählen ein Gelübd'
Zu Trier getan, im Katharinenstift –

Margarethe.
Es war kein feierlich Gelübd'!

Ottokar.
Hier steht's!
Fahrt fort!

Kanzler.
Als hat –

(Trompeten von außen.)

Ottokar.
Was ist?

Ein Diener.
Die Stände, Herr,
Von Österreich sind in die Burg gezogen,
Den Fürstenhut des Landes bringen sie.

Ottokar.
Hierher! Sie kommen als gelegne Zeugen!

(Die Stände von Östreich, den Herzogshut auf einem Kissen vor sich hertragend, treten ein.)

Heinrich von Lichtenstein (als Wortführer).
Es hat dein tapfres Schwert, erhabner Fürst,
Entschieden in dem Streit mit Ungarns König,
Wer Herr soll sein in unserm schönen Land.
Geendet ist der blutig schwere Zwist,
Und leichten Herzens wiederholen wir
Die Huld'gung, die erst jetzt in voller Kraft.
(Zu Margarethen gewendet.)
Vor allem aber dir, erlauchte Frau,
Dem edlen Sproß des alten Heldenstammes,
Der ruhmvoll lang ob Österreich gebot –

Ottokar.
Laßt das nur sein und stellt euch ruhig hin!
Statt neuer Huld'gung denkt auf alte Treu'
Und haltet's einmal, statt es zweimal zu versprechen!
(Zum Kanzler.)
Fahrt fort!

Kanzler.
Als haben sie zu Recht erkannt,
Daß solches Bündnis länger nicht bestehe,
Erklären es für null und aufgehoben.
Die Schenkung, die Ihr früher habt gemacht
An Euern Herrn mit Eures Stammes Erbe,
Sie bleibt in Kraft, und Ihr seid aufgefodert,
Sie noch einmal, der Form nach, zu bestät'gen.
Euch angewiesen wird, als Leibgeding,
Die Stadt von Krems, das Polan rings um Horn
Und Grevenberg von unsers Herren Gnade.

Margarethe.
Habt Ihr geendet?

Kanzler.
Ja, erlauchte Frau!

Margarethe.
Ich könnte manches noch entgegensetzen!

Ottokar.
Wozu? Es bleibt der Spruch in Kraft.

Margarethe.
Doch unterwerf ich mich!

Ottokar (vom Throne steigend).
Nun gut, was mehr?

Margarethe.
Und geh von hinnen, wie man es begehrt –

Ottokar (auf sie zugehend).
Mich freut, daß ich Euch klug und billig finde;
So hab ich Margarethen stets gekannt
Und stets geachtet Euch als eine solche.
Es ist ja nicht der Jugend wilder Kitzel,
Der gärend feur'ge Drang nach Neuerung,
Was mich Euch meiden heißt; es ist mein Land,
Das in mir Ehen schließt und Ehen scheidet.
So hoch ein Mensch mag seine Größe setzen,
So hoch hat Ottokar gesetzt die seine.
In Böhmen herrsch ich, bin in Mähren mächtig;
Zu Östreich hab ich Steier mir erkämpft,
Mein Oheim siecht, der Kärnten nach mir läßt.
(Vertraulich und leiser.)
Im nahen Ungarn hab ich meine Hand,
Die Großen sehn auf mich, die Mißvergnügten;
Es will mir Schlesien wohl, und Polen schwankt,
Wie sturmgepeitscht ein Schiff, in meinen Hafen.
(Wieder lauter.)
Vom Belt bis fern zum Adriat'schen Golf,
Vom Inn bis zu der Weichsel kaltem Strand
Ist niemand, der nicht Ottokarn gehorcht;
Es hat die Welt seit Karol Magnus' Zeiten
Kein Reich noch wie das meinige gesehn.
Ja, Karol Magnus' Krone selbst,
Sie dünkt mich nicht für dieses Haupt zu hoch.
Nur eines fehlte noch; nur eins und – alles:
Der Erbe, der's empfängt aus meiner Hand.
Den Giebel setz ich auf an meinem Bau;
Margrethe, weiß ich, wird mir's nicht mißgönnen.

Margarethe.
Ich gönn Euch alles, gönn Euch mehr als mir!
Auch ist's mein Vorteil nicht, es ist der Eure,
Was mich noch einmal warnend sprechen heißt.
Geliebt es Euch, so folgt mir nebenan –

Ottokar.
Sprecht immer hier; nur unter Königen
Ist Ottokar der König, nicht allein.
Die hier gehorchen –

Margarethe (schnell).
Doch wie lange, Herr?
Das ist's, woran ich warnend mahnen wollte!
(Näher zu ihm tretend.)
Die Länder all, das Erbe meines Hauses,
Sie wurden Euch durch Margarethens Hand.
Weiß Gott, ich scheide gern! Doch wie ich scheide,
Schwingt wieder Aufruhr zischend seine Fackel,
Und gegen Euch –

Ottokar.
Seid Ihr 'ne Bäckersfrau,
Die ihren Altknecht freit auf ihr Gewerb',
Und fürchtet Ihr, sie kommen, von der Stadt,
Und nehmen mir's, sobald die Herrin fort?
(Halb gegen die Stände gewendet.)
Ich halte sie, seht Ihr? mit dieser Hand –
Sie sollen sich nur regen, wenn sie's wagen!

Margarethe.
Umringt seid Ihr mit Argen und Verrätern!

Ottokar.
Lehrt Ihr den Ottokar die Seinen kennen?
Ich gehe meinen Gang, was hindert, fällt.

Margarethe.
Ihr steht am Abgrund, glaubt mir, Ottokar!

(Wiederholte Trompetenstöße.)

Diener (kommt).
Die Landesherrn von Steiermark sind unten
Und bitten, daß du gnädiglich sie hörst.


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