Franz Grillparzer
König Ottokars Glück und Ende
Franz Grillparzer

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Ottokar.
Bedenket lieber Ihr, vorlauter Herr!
Daß, wenn Ihr nicht in diesem Augenblick –
Doch zieht in Frieden und laßt mich gewähren;
Noch bin ich Herr in diesem meinem Land.

Merenberg.
Die Steiermark gehorcht nunmehr dem Reich!

Ottokar (zum Herold).
Er war mein Untertan, als er an mir gefrevelt,
Als meinen Untertan bestraf ich ihn!
Werft ihn in tiefsten Turm, und wer mir meldet:
Der Merenberg ist tot, der sei willkommen!

Herold.
Der Kaiser aber –

Ottokar.
Herr, sagt Eurem Kaiser:
Er soll in Deutschland herrschen nach Gelust!
Was ich versprach, ich hab es ihm gehalten,
Obgleich verraten, überlistet, hintergangen,
Ich hab's gehalten, weil ich es versprach. –
Doch sagt ihm: hier im Busen poch' ein Mahner,
Der immer zuruft: Nimm, was man dir stahl!
Des Königs Ehre rett'! Die Ehre eines Königs
Steht nicht um tausend Menschenleben feil.
Man hat dich an der Donau überlistet,
Versuch, ob in Gewalt er auch obsiegt!
Das sagt ihm, Herr! und weiter sagt ihm noch:
Der Friede ist erfüllt, er hat das Land,
Die Geisel send ich ihm, er ist befriedigt;
Doch mög' er hüten sich, in Böhmen mir
Ein Wort zu reden, das mir nicht gefällt,
Sich einzumengen hier in mein Geschäft,
Sonst wollt' ich ihm – allein sagt ihm doch lieber:
Er mög' es tun, er möge Trutz mir bieten,
Mit einem Heer mir fallen in das Land,
Daß ich den Haß, den heißen Grimm mag kühlen
Im Blut, das seinem Herzen fließt zunächst.
Lügt mir zulieb, ich hätt' auf ihn geschmäht,
Genannt ihn einen eingedrungnen Herrscher,
Der mir gestohlen, was mein eigen war;
Gelacht des Herolds, den er mir gesandt,
Den Mann, den er beschützt, zum Tod verdammt –

Herold.
Das könnt Ihr nicht!

Ottokar.
Ich kann es, denn es ist.

Herold.
Kraft dieses Briefs –

Ottokar.
Verdammt sei dieser Brief!
Willst du mit Briefen mich und Worten meistern?
Noch hab ich Schwerter, noch ist mir ein Heer,
Das unbesiegt, du siegtest nur mit Ränken,
Und reißen will ich diese Ränke, wie ich
Den Brief zerreiße, den du dir erschlichst.
(Er hat dem Herold den Brief entrissen.)
Sieh her!
(Im Begriff, die Urkunde zu zerreißen, hält er plötzlich inne.)

Kanzler.
O Gott, was sinnt er? Teurer, gnäd'ger Herr!

Ottokar.
Ruft mir mein Weib, die Königin!
(Diener ab.)
Vor aller Welt ward Ottokar beschimpft,
Vor aller Welt muß er auch rein sich waschen!
Sie hat den gift'gen Stachel mir gesenkt
In meine Brust; sie mag zugegen sein,
Wenn ich ihn ausziehe oder im Bemühn
Ihn drücke in das Innerste des Lebens!

(Die Königin kommt.)

Kunigunde.
Was ist?

Ottokar.
Ihr habt mich, kurz erst, hart gescholten,
Daß ich, um Blut zu schonen, nachgegeben
Und eingeräumt dem Kaiser Gut und Land.

Kunigunde.
Ich schelt' Euch noch!

Ottokar.
Seht hier in meiner Hand
Den Brief, der an den Kaiser mich gebunden.
Zerreiß ich ihn, ist auch das Band zerrissen,
Das jetzt mich hält; frei bin ich wie zuvor.
Zerreiß ich ihn?

Kunigunde.
Kein Mut'ger zweifelt da!

Ottokar.
Doch hört! Aufs neue rast der Teufel Krieg;
Aufs neue dampft das Land in Rauch und Blut.
Und eines Morgens, leicht kann es geschehn,
Bringt man Euch auf der Bahre den Gemahl.

Kunigunde.
An Eurem Sarge will ich lieber stehn,
Als mit Euch liegen, zugedeckt von Schande!

Ottokar.
So stark? Ein Tröpflein Milde täte wohl!

Kunigunde.
Solang Ihr Euch nicht von der Schmach gereinigt,
Betretet nicht als Gatte mein Gemach.
(Zum Abgehen gewendet.)

Ottokar.
Bleibt noch! Seht her! der Brief, er ist zerrissen!
(Er zerreißt den Brief.)
Die Ehre ganz, und auf der Zukunft Tor!
Was draus erfolgt, wir wollen's beide tragen!
Gott gönn Euch was von dem, was hier erwacht,
(Auf seine Brust zeigend.)
Und gebe mir die Kraft, die Ihr bewiesen!

Kunigunde.
Nun erst willkomm ich Euch!

Ottokar.
So nicht! so nicht!
Ich sehe Blut an deinen weißen Fingern,
Zukünft'ges Blut! Ich sag: berühr mich nicht.
Gott hat das Weib aus weichem Ton gemacht
Und: Milde zugenannt; was bist denn du?
Wird mein Gedächtnis wach erst und erzählt,
Wie du den König, da er kam, empfingst,
Den Gatten, da er rückgekehrt nach Haus –
Geh fort! Ich fühle, daß sich mir die Sehkraft schwächt,
Das ist ein Zeichen, daß es Zeit zu gehn.
Geh fort! Fort, sag ich! Fort! (Die Königin geht ab.) Es ist vorüber!

Ottokar (zum Kanzler, den er angefaßt hatte).
Schein ich dir hart? Sie war mir auch nicht gütig!
Das geht so her und hin; Gott zieht die Rechnung!
Euch, Herold, halt ich nun nicht länger mehr!
Sagt Eurem Herrn, was Ihr mit angesehn!
(Gegen Merenberg.)
Mit dem in Turm! Was schützte vor Verrat,
Als die Bestrafung früherer Verräter?
Wer bauen will, der reutet seinen Grund,
Drum fort, du böses Schlingkraut, gift'ge Ranke!

Merenberg.
Zu rascher König, mich schilt nicht Verräter!
Die sind's, die deinem Throne stehn zunächst,
Die Rosenberg, die –

Ottokar.
Kannst du auch verleumden?

Merenberg.
Ach, der mich hält und mich zum Kerker führt,
Er ist des Kerkers würdiger als ich!

Ottokar.
Kein Böhme hat noch seinen Herrn verraten!
Jetzt bin ich deines Frevels erst gewiß!
In Turm den Lästerer!

Merenberg (der abgeführt wird).
Zu spät wirst du bereun!

Ottokar.
In Turm!

Milota.
Und schweigt er nicht, stopft ihm den Mund!

(Merenberg wird abgeführt; Herold folgt.)

Ottokar (unter die Seinen tretend).
Kein Böhme hat noch seinen Herrn verraten;
Was auch der Lästrer spricht, ich bin gewiß!
Nun im Begriff, zu gehn in einen Krieg
Für unsers Landes Ruhm und seine Macht,
Vertrau ich euch, wie ich mir selbst vertraue.
Wer mißgesinnt ist, wer mein Tun nicht billigt,
Der schließe frei sich aus von unserm Zug,
Kein Nachteil soll ihn treffen oder Vorwurf.
Wer aber gern mir folgt und denkt wie ich,
Den drück ich an mein Herz und nenn ihn Bruder!
Den Eid, den ich am Krönungstage schwur,
Bei meines Vaters Sarg, ich wiederhol ihn:
Treu bis zum Tod! Tut ihr dasselbe!
Die Welt ist voll von Bösen und von Argen;
Erneut den Schwur auf eures Königs Schwert.

(Er hat von einem der Umstehenden das Schwert genommen, die Vordersten knieen nieder.)

Kniet nicht! Steht auf! Ich kann nicht knieen sehn! –
Und schwört auch nicht! – Denn man kann knien und schwören
Und doch das Wort nicht halten, das man gab.
Ich will euch so vertrauen, ohne Schwur! –

Und nun ans Werk! Du gehst zu Herzog Heinrich
Nach Breslau! ihn und Prinik, den von Glogau,
Du ladest sie zur Heerfahrt hier nach Prag.
Du gehst nach Deutschland, und aus Meißen, Sachsen,
Von Magdeburg, dem Markgraf mit dem Pfeil,
Sprichst du den Beistand an, den sie mir gönnen.
(Zum Kanzler.)
Ihr schreibt mir an die andern Herrn und Fürsten!
Wir wollen eine Schar zusammenlegen,
Daß sich der Kaiser drob verwundern soll!
Ich bin noch Ottokar, man soll schon sehn!
Ihr alle leiht mir euren kräft'gen Arm!
Was ihr verlort an Gütern und an Schlössern,
Was ich euch abnahm und zur Krone schlug,
Ich geb es wieder, geb euch mehr dazu.
Den Rosenbergen sei ihr Frauenberg,
Auch Aussig, Falkenstein. Dir, Neuhaus, Lar;
Nehmt Laun, Ihr Zierotin; Dub, Kruschina!
Nehmt Eure Güter wieder und seid fröhlich!
Wir wollen eins sein, redlich halten aus.
Dir, Milota, vertrau ich Mähren an,
Du bist ein wackrer Krieger, du bewahrst mir's.

(Zawisch von Rosenberg kommt.)

Ottokar.
Sieh da, Herr Rosenberg! Ei, Gott zum Gruß!
Ich denk, Ihr folgt uns doch wohl auch ins Feld?
Ihr seid der Ersten einer meines Reichs,
Auf den ich vor gar vielen andern zähle.

Zawisch.
Was meine Brüder tun, das tu ich auch!
Der allgemeinen Not werd ich mich nicht entziehn.
(Er geht.)

Ottokar (der ihm nachgesehen hat, mit Gebärde)
Der hat's hier hinterm Ohr, dem trau ich nicht!
Du, Milota, du bist mein Mann!
Ich glaube wohl, daß du auch hassen kannst,
Betrügen nicht! Dir will ich mich vertraun!
Herr Kanzler, seid Ihr fertig?

Kanzler (der sich zum Schreiben gesetzt hat).
Ja, mein König!

Ottokar.
Wir haben viel durch Raschheit eingebüßt,
Wir müssen uns durch Vorsicht wieder helfen.
Nicht wahr, so ist's dir recht, mein alter Kauz?

Kanzler.
O König, scheltet mich, wie sonst, mit Raschheit,
Mir tät' es wohler, als die Milde jetzt.

Ottokar.
Schreib an den Hauptmann du der Stadt von Znaim,
Er soll mit tausend Mann – doch nein, zu viel!
Die Feste bleibt indessen mir entblößt.
Nein, mit fünfhundert Mann soll er die Grenze
Allein fünfhundert sind zu wenig. (Auf Milota.) Nicht wahr?
Schreib lieber, daß von Iglau – Wieder nichts!
Mein Kopf ist wüst; zwei Nächte nicht geruht,
Gegessen auch nicht. – Leih mir deine Bank,
Ich will versuchen hier zu ruhn.

Kanzler.
Mein König,
Gefällt's Euch nicht, ins Schloß –?

Ottokar.
Nein, nein, nein, nein!
Doch holt mir meine Frau; sie ging im Zorn.
Sie soll zu mir sich setzen, soll mir sprechen,
Bis sich der Schlaf auf meine Wimpern senkt.
Mein Freund, tu mir die Lieb' und geh nach ihr!

(Diener ab.)

Ottokar.
Wie wohl es tut, die Glieder auszustrecken,
Ist einer müd! Seht mal nach Merenberg;
Der alte Mann mag hart im Kerker ruhn!
Ist er ein Schurk' auch, soll man ihn nicht quälen
Und soll ihm geben ritterliche Haft.

(Füllenstein ab.)
(Diener kommt.)

Ottokar.
Nun, kommt die Königin?

Diener.
Sie kommt nicht, Herr!

Ottokar.
So laßt sie gehn! Komm du her, alter Kanzler,
Und leih zum Ausruhn heut mir deinen Schoß.
Hab ich geruht – dann sollt ihr sehn –
Ob ich der alte Ottokar noch bin. (Er schläft.)

(Füllenstein kommt zurück.)

Kanzler.
Der König schläft!

Füllenstein.
Nu, Merenberg bald auch!
Als er nicht schwieg und alle Welt verklagte,
Stieß ihn ein Szupan hart den Turm hinab;
Er wird's nicht überleben, glaubt man fast!

Ottokar (sich emporrichtend).
He, Merenberg, bist du's?

Kanzler.
Er ist nicht hier!

Ottokar.
Mir war, als stünd' er da! – Nu, schlafen! schlafen!
(Er sinkt wieder zurück und schläft.)

(Der Kanzler legt, Schweigen gebietend, den Finger auf den Mund.)

(Der Vorhang fällt.)


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