Franz Grillparzer
Libussa
Franz Grillparzer

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Wlasta. Hier aber will man Rätsel nicht, Gehorsam.

Primislaus. Auch weiß ich, daß den werbenden Wladiken
Sie auferlegt, ihr ganz und ungeteilt
Das Kleinod auszuliefern, das sie hochhält.
Vielleicht, wär' erst die eine Hälfte da,
Fügt' ich die zweite bei, besäß' ich sie.

Wlasta. Erfüllst du deinen Teil, tatst du genug.

Primislaus. Ich bin hier in dem Wunderschloß der Weiber,
Und alle weibliche Vollkommenheit
Hat man mir vorgeführt mit etwas Prangen;
Nur mit den Fehlern, scheint mir, des Geschlechts
Hielt man zurück, bedächtlicher als billig.
Da ist nun Neugier, die man Schuld euch gibt.
Wie wär' es, holde Wlasta, wenn nur Neugier
Dir diese Fragen in den Mund gelegt?
Sprichst du zu mir im Auftrag deiner Frau?

Wlasta. In ihrem Auftrag nicht.

Primislaus.         Nun also denn!
Das Recht auf Antwort nur gibt Recht zur Frage.

Wlasta. Doch weiß wovon ich spreche meine Frau.

Primislaus. Das soll ich glauben eben weil du's sagst?

Wlasta. Als Zeichen denn, daß nicht die Neugier bloß,
Daß mich ein höhrer Wink dazu berechtigt,
Sieh hier das Kleinod, dessen eine Hälfte
Du vorenthältst, und das man ganz begehrt.
(Das Mittelkleinod des Gürtels aus dem Busen ziehend.)

Primislaus. Das schöne Bild! Die glänzend reichen Steine!
Derlei sah ich in meinem Leben nicht.

Wlasta. Verstell dich nicht, es war in deiner Hand.

Primislaus. Wie käme derlei in die Hand des Pflügers?
O gib es mir, o laß es mich betrachten!

Wlasta. Halt ab die Hand!
(Das Kleinod auf den Tisch ihr zur Seite hinlegend.)
        Hier leg ich es denn hin.
Du aber nun erfülle was dir Pflicht.
Die Fürstin will nicht länger, kann's nicht dulden,
Daß was ihr wert und teuer, heilig selbst,
In niedrer Hand, als offenkundig Zeugnis
Von einer halb vertraulichen Begegnung,
Zum Anspruch stempelnd was ein Zufall war.
Du sollst, du mußt, die Fürstin will es so.

(Dobromila kommt, hinter ihr Libussa, eine Fackel tragend, vom Kopf bis zu den Füßen mit einem dichten Schleier bedeckt.)

Dobromila. Wollt ihr nicht Licht? Der Abend dämmert schon.
Ich laß euch hier der Dienrin helle Fackel.
Du aber Wlasta fördre dein Geschäft.

(Sie geht. Libussa bleibt, die Fackel emporhaltend, im Mittelgrunde gegen die linke Seite.)

Wlasta (da sie Libussa erblickt, vor sich hin).
Sie ist es selbst!

Primislaus.         Scheint Wlasta doch beklommen!
Wär' sie's? O still mein ahnungsvolles Herz!

Wlasta (zu Primislaus).
Was not tut ward gesagt. Gehorche nun!

Primislaus. Ihr setzt so schnell voraus, was erst bewiesen,
Ein Unrecht bildete das auch ein Recht.
Nimm an: ich war es selbst, der einst bei Nacht
Begegnet eurer Fürstin tief im Walde,
Nimm an: daß aller Unterscheidung bar,
Sie mir erschien als Königin der Weiber,
Nicht als das Weib das selber Königin.
Der Glieder holder Reiz, der Stirne Thron,
Das Aug' das herrscht, die Lippen die befehlen,
Selbst wenn sie schweigen, ja im Schweigen mehr;
Sie riefen in die Seele mir ein Bild,
Das mich umschwebt seit meinen frühsten Tagen,
Und all mein Wesen es rief aus: sie ist's!
Ich wußte nichts von ihrem Rang und Stand
Und nichts verbot zu hoffen und zu werben.
Sie schied, es kam der Tag. Des Kleinods Pracht,
Das in der Hand statt ihrer mir geblieben,
Bezeichnete sie wohl als hoher Abkunft;
Doch ist auch Primislav nicht niedern Stamms,
Ein Enkelsohn von Helden, ob nur Pflüger.
Erst als die Sage von Libussas Unfall
Das Land durchzog, da war es plötzlich hell,
Und ich nur noch ein hoffnungsloser Tor.
Doch aus den Trümmern meines äußern Glücks
Erbaute sich im Innern mir ein neues.
Wie Trauerfaltern kreisen um das Licht,
Umflogen meine Wünsche nun das Kleinod,
Was früher Zeichen, ward jetzt Gegenstand.
Ich trug's mit mir auf meiner warmen Brust,
Ich drückt' es an das Herz, an meinen Mund,
Das Eigentum verwechselnd mit dem Eigner –

Heiß deine Freundin still die Fackel tragen,
Wir sind im Dunkeln wenn verlöscht das Licht.

Wlasta. Laß die Erzählung denn und komm zur Sache!

Primislaus. Ein Traum ist ja Erzählung und sonst nichts.
Zerstört war nun, für immer schien's, mein Hoffen.
Da taucht's auf einmal wieder blinkend auf.
Zu meiner Hütte kamen die Wladiken
Geführt von meinem Gaul, der führerlos,
Den Weg gefunden zu der frühern Heimat.
Da sprach es still in mir: Sie denkt noch dein,
Entschwunden ist ihr ganz nicht die Erinnrung
An jene Nacht, die holde Wunderzeit.
Nicht daß ich glaubte, meine Niedrigkeit
Erhöhe je mich zu der Hoheit Höhe
Nicht daß ich glaubte, die Bedingung,
Die sie gesetzt den werbenden Wladiken,
Sie würde je zum Anspruch für mich selbst;
Allein den Schatten eines flücht'gen Eindrucks,
Den müßigen Gedanken: wenn's nicht so,
Wenn's anders wäre in der Welt der Dinge,
Wenn dieser Umstand fort und jener da,
Wenn niedrig wäre hoch und wenig viel,
Dann möcht' es sein, dann könnt' es wohl geschehn!
So viel, ein Nichts, ein schwebendes Atom,
Dacht' ich mir wach in eurer Fürstin Seele.

Die Freundin dort wird ungeduldig, scheint's.
Wir müssen eilen, denn sie will von dannen.

Mit solcher Hoffnung kam ich schwindelnd her,
Das Herz trat mir in Ohr und Aug' und Lippe,
Doch kalter Spott und rücksichtsloser Hohn
Kam mir entgegen auf des Hauses Schwelle.

Wlasta. Du dachtest dir das Weib und fandst die Fürstin.

Primislaus. Es ist die Herrschaft ein gewaltig Ding,
Der Mann geht auf in ihr mit seinem Wesen,
Allein das Weib, es ist so hold gefügt,
Daß jede Zutat mindert ihren Wert.
Und wie die Schönheit, noch so reich geschmückt,
Mit Purpur angetan und fremder Seide
Durch jede Hülle die du ihr entziehst,
Nur schöner wird und wirklicher sie selbst,
Bis in dem letzten Weiß der Traulichkeit,
Erbebend im Bewußtsein eigner Schätze,
Sie feiert ihren siegendsten Triumph.
So ist das Weib, der Schönheit holde Tochter,
Das Mittelding von Macht und Schutzbedürfnis,
Das Höchste was sie sein kann nur als Weib,
In ihrer Schwäche siegender Gewalt.
Was sie nicht fordert das wird ihr gegeben
Und was sie gibt ist himmlisches Geschenk,
Denn auch der Himmel fordert nur durch Geben.
Doch mengt der Stolz sich in die holde Mischung,
Ein scharfer Tropfen in die reine Milch,
Dann lösen sich die Teile; stark und schwach
Und süß und bitter treten auseinander,
Der Schätzung unterwerfend und Vergleichung
Was unschätzbar und unvergleichlich ist.

Selbst Wlasta du, als du noch Waffen bogst,
Mit rauher Stimme fordertest zum Kampf
Warst du nicht du, zum wenigsten kein Weib;
Doch seit die Freundin dort ins Zimmer trat,
Hat holde Scheu begeistert all dein Wesen,
Die Hand, die ich erfasse, zittert fast;
Du bist nicht stolz, wie jene Freundin scheint,
Die mit unwill'gem Fuße tritt den Boden;
So bist du schön, dein Auge, nicht mehr starr,
Es haftet milden Glanzes an dem Boden
Die Wange färbt ein mädchenhaft Erröten.

O weh! dein Haar ging los aus seinen Banden,
Als strebt' es, schamhaft selber, zu verhüllen
Den holden Wandel aus dem frühern Trotz.
Ich streich es dir zurück. Nun wieder rein,
Erkenn ich dich im Spiegel deiner Seele,
Und wäre nicht mein Herz auf andern Pfaden,
Ich sagte: Wlasta, kannst du fühlen weich?
Begreifst du daß ein Innres schmelzen muß
Um eins zu sein mit einem andern Innern?
Hoffst du, entfernt von diesem stolzen Schloß,
Zu finden wieder Demut, Milde, Schwäche?
Ist eine Hütte dir ein Königsbau,
Bewohnen Herrscher sie im eignen Hause?
Sag ja, sag ja! und stelle dich mir höher
Als deine Fürstin steht, trotz Glanz und Pracht.

(Sich niederbeugend um ihr in die Augen zu sehen. Libussa hat einige Schritte nach vorn gemacht, wie um zu sprechen, jetzt wirft sie die Fackel weg und geht.)

Die Fackel fiel. Laß mich!

Wlasta (die die Fackel aufgehoben hat).
        Die Fürstin zürnt.

Primislaus. Wie weiß die Fürstin was wir hier beginnen?
Du schuldest Antwort mir auf meine Frage.
Ich laß dich nicht, du mußt mir Rede stehn!
Ich lösche dir die Fackel, dann im stillen
Vertraust du das Geheimnis meinem Ohr.
(Indem er wiederholt nach der Fackel greift und dadurch die Widerstrebende nach rückwärts drängt.)

Wlasta. Verwegener und Spötter auch, zurück!
Ich fühle mich gelähmt zum Widerstand,
Denn Übermut und Dreistigkeit vernichtet.

(Er hat ihr die Fackel entrissen und am Boden ausgelöscht.)

Wir sind im Dunkeln.

Von außen.         Wlasta!

Wlasta.                 Sieh mich hier!
(Durch die Türe ab.)

Primislaus (das auf dem Tische liegende Kleinod ergreifend und in den Busen steckend).
Ich hab's, ich hab's! Wohl mir, die List gelang!
Dort seh ich einen Ausgang. Fort ins Freie!

(Indem er einer im Hintergrunde befindlichen Türe zueilt, erscheint Libussa mit zurückgeschlagenem Schleier in der Türe links und winkt mit gehobenem Arme. Eine Falltüre im Boden bewegt sich.)

Der Boden weicht, ich sinke!
(Nach vorn gewendet.)
        Ha, Libussa!
(Er versinkt.)

(Libussa zieht sich durch die Türe zurück.)


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